Anticoagulation in pulmonary arterial hypertension

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© 2008
Schattauer GmbH
Antikoagulation bei pulmonal arterieller
Hypertonie
E. Grünig1, N. Ehlken1, Ch. Nagel2
Thoraxklinik Heidelberg, 2St. Vincentius Krankenhaus Karlsruhe
1
Schlüsselwörter
Keywords
Zusammenfassung
Summary
Endotheliale Dysfunktion, Rechtsherzinsuffizienz, pulmonale Hypertonie, Blutgerinnung
Die pulmonal arterielle Hypertonie (PAH) wird häufig von
Thrombose und Thromboembolien vorzugsweise der kleinen Lungenarteriolen begleitet. Diese sind eine Folge der
endothelialen Dysfunktion v. a. der kleinen Pulmonalarteriolen, die mit einer prothrombotischen und verminderten
antifibrinolytischer Aktivität einhergeht. Auch die Funktion
der Blutplättchen ist gestört. Zudem haben die meisten Patienten mit PAH eine Rechtsherzinsuffizienz mit vergrößertem rechten Ventrikel und verlangsamten Blutfluss. Neben
diesen pathopysiologischen Befunden begründen vier nicht
randomisierte klinische Studien, die eine verbesserte Prognose durch die Therapie mit Marcumar vermuten lassen,
die Rationale zur Antikoagulation bei PAH. In diesem Übersichtsartikel sollen die wichtigsten Studien zur Antikoagulation bei PAH sowie die derzeitigen Empfehlungen aus den
Leitlinien zusammengefasst werden.
Endothelial dysfunction, right heart failure, pulmonary
hypertension
In pulmonary arterial hypertension (PAH), thrombosis and
thromboembolism occurs as a consequence of pulmonary
microvasculopathy with a change of pulmonary vascular
microenviroment toward a procoagulant, prothrombotic
and antifibrinolytic pattern. Circulating antiphospholipid
antibodies, increased plasma levels of platelet aggregating
agents (serotonin, thromboxane), adhesion molecules (P
selectin, von Willebrand factor), antifibrinolytic enzymes
(plasminogen activator inhibitor 1) and prothrombotic
cytokines have been identified in PAH patients so far.
Thrombogenic pulmonary vasculopathy has been documented in many patients with PAH. Furthermore, most patients will not be diagnosed until right heart enlargement
and impaired right ventricular function has developed.
Thus, there is clear rationale for a treatment with anticoagulation. In four uncontrolled studies Warfarin improved the prognosis of patients with idiopathic and other
forms of PAH. However, so far there are no prospective randomised studies evaluating the role of anticoagulants in
the treatment of PAH. This review summarizes the current
data and guidelines concerning anticoagulation in PAH.
Anticoagulation in pulmonary arterial hypertension
Hämostaseologie 2008; 28: 225–230
D
ie pulmonal arterielle Hypertonie
(PAH) ist eine seltene Erkrankung
(orphan disease) (13). Ihre Prävalenz beträgt in Europa ca. 15–50 Patienten
pro Million Einwohner (29). In Deutschland
sind etwa 3000–4000 Patienten mit PAH diagnostiziert. Trotz der Fortschritte in Diagnostik und Therapie werden die meisten
PAH-Patienten erst diagnostiziert, wenn das
rechte Herz deutlich vergrößert und die
rechtsventrikuläre Pumpfunktion eingeschränkt ist (46). Zu diesem Zeitpunkt haben sie bereits
●
●
●
massive Beschwerden (z. B. Luftnot bei
geringster Anstrengung) entsprechend
der NYHA-Klasse III–IV,
einen mittleren pulmonal-arteriellen
Druck von etwa 50 mmHg und
eine ungünstige Prognose (46).
Von Symptombeginn bis zur richtigen Diagnose vergehen Jahre. Die Patienten müssen
in der Regel mehrere Ärzte aufsuchen, bis
jemand an einen Lungenhochdruck denkt.
PAH führt zudem zur Zunahme behandlungsbedürftiger Begleiterkrankungen wie
Depressionen und Angststörungen (35) und
schränkt die Lebensqualität ein (40).
In den vergangenen 10 Jahren haben die
Kenntnisse zur Genetik, Pathogenese, Pathophysiologie und Therapie der PAH entscheidend zugenommen (3, 37, 46). Das dokumentiert sich unter anderem in den beiden Weltkonferenzen für pulmonale Hypertonie (Evian 1998 und Venedig 2003) (46).
So wurden neue PAH-spezifische Medikamente entwickelt (3, 37, 46) wie die
● Enthothelinantagonisten Bosentan, Sitaxsentan und Ambrisentan,
● Prostacyclinanaloga Ventavis inhalativ,
Ilomedin und Epoprostenol intravenös,
Treprostenil subkutan sowie
● der Phosphodiesteraseinhibitor Sildenafil.
Trotz therapeutischen Erfolge kann die PAH
nicht kausal behandelt oder geheilt werden.
In vielen Fällen kann das Voranschreiten der
Erkrankung verzögert werden. Unbehandelt
beträgt die mittlere Lebenserwartung der
Patienten mit chronischem Lungenhochdruck 2,8 Jahre (10).
Mit PAH-spezifischen Medikamenten
und optimaler Begleitmedikation (Diuretika und Antikoagulation) konnten 1-, 2- und
3-Jahresüberlebensraten von 93,0, 83,1 und
79,9% erreicht werden (26). Ähnliche Überlebensraten wurden auch in anderen Studien
beschrieben (39, 54).
Definition, Klassifikation
Eine pulmonale Hypertonie besteht, wenn
der pulmonal arterielle Mitteldruck in Ruhe
25 mmHg oder bei Belastung 30 mmHg
übersteigt (13, 46). Diese Definition wurde
in der Weltkonferenz für pulmonale Hypertonie in Dana Point 2008 ergänzt. Der pulmonale Mitteldruck steigt mit dem Alter
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Grünig, Ehlken, Nagel
1. Pulmonalarterielle Hypertonie (PAH)
1.1 Idiopathische pulmonalarterielle Hypertonie (IPAH)
1.2 Familiäre pulmonalarterielle Hypertonie (FPAH)
1.3 Pulmonalarterielle Hypertonie bei (APAH)
1.3.1 Bindegewebserkrankung
1.3.2 Angeborene systemisch-pulmonale Shunts (u. a. Herzfehler)
1.3.3 Portale Hypertension
1.3.4 HIV-Infektion
1.3.5 Medikamente und Giftstoffe
1.3.6 andere Erkrankungen (der Schilddrüse, Glykogenspeicherkrankheit, Morbus Gaucher,
Splenektomie usw.)
1.4 Pulmonalarterielle Hypertonie mit relevanter venöser oder kapillärer Beteiligung
1.5 Persistierende pulmonalarterielle Hypertonie des Neugeborenen (PPHN)
Tab. 1
Klassifikation der
pulmonalen Hypertonie
(Weltkonferenz Venedig
2003)
2. Pulmonale Hypertonie bei Erkrankungen des linken Herzens
2.1 Erkrankung des linken Vorhofs oder Ventrikels
2.2 Mitral- oder Aortenklappenfehler
3. Pulmonale Hypertonie bei Lungenerkrankung und/oder Hypoxie
3.1 Chronisch obstruktive Lungenerkrankung
3.2 Interstitielle Lungenerkrankung
3.3 Schlafapnoe-Syndrom
3.4 Alveoläre Hypoventilation
3.5 Chronische Höhenkrankheit
3.6 Anlagebedingte Fehlbildungen
4. Pulmonale Hypertonie aufgrund chronischer Thrombembolien (CTEPH)
4.1 Thrombembolischer Verschluss proximaler Lungenarterien
4.2 Thrombembolischer Verschluss distaler Lungenarterien
4.3 Nicht thrombotische Lungenembolien (Tumor, Parasiten, Fremdkörper)
5. Verschiedenes (Sarkoidose, Histiozytose X, Lymphangiomatosis und andere)
und mit dem Body-mass-Index leicht an,
überschreitet aber normalerweise nicht die
genannten Werte.
Der pulmonale Druck hat für Patienten
mit Lungenkrankheiten und Linksherzerkrankungen (21) eine große prognostische Bedeutung. Für die Prognose bei PAH
ist allerdings die Einschränkung der Kreislaufreserve entscheidend, die aus der Höhe
des pulmonalen Perfusionswiderstandes
und der rechtsventrikulären Adaptation resultiert (46).
Die pulmonale Hypertonie wird in fünf
Hauptgruppen unterteilt (Tab. 1). Zu der
pulmonal arteriellen Hypertonie gehören
die idiopathische und familiäre Form sowie
der Lungenhochdruck, der mit Kollagenosen, kongenitalen Herzfehlern, portaler Hypertonie, HIV und der Einnahme von Toxinen oder Appetitzüglern assoziiert ist (Tab.
1). Die pulmonale Hypertonie aufgrund respiratorischer Erkrankungen beinhaltet v. a.
die chronisch obstruktive Lungenerkrankung, Schlafapnoe und Lungenfibrose (53).
Gerinnung und Thrombozytenfunktion bei PAH
In der Lunge tragen Kapillaren zu etwa
40%,Ateriolen zu 50% undVenolen zu etwa
10% zum Gefäßwiderstand bei. Nur die Arteriolen und Venolen regulieren ihren
Durchmesser aktiv durch Kontraktion und
Relaxation der glatten Gefäßmuskelzellen.
Physiologisch wird der pulmonale Gefäßwiderstand durch endotheliale Mediatoren
reguliert. Bei der PAH besteht eine endotheliale Dysfunktion, tumorartige Vermehrung
der glatten Muskelzellen sowie eine Veränderung der Adventitia mit Gefäßinflammation und Thrombose (13, 14). Diese Veränderungen führen zu so genannten plexiformen Läsionen (Abb. 1), bei der besonders kleine Pulmonalarteriolen am Ende regelrecht zuwachsen. Ausgelöst durch verschiedenen Pathomechanismen wie Hypoxie, Toxine, Autoimmunprozesse führt die
Erkrankung bei genetischer Disposition zur
Entwicklung einer Endotheldysfunktion,
Gerinnungsstörung und Vaskonstriktion mit
Gefäßeinengung der Lungengefäße und Erhöhung des pulmonal vaskulären Widerstandes, Rechtsherzbelastung und -versagen (47). Thrombose und Störung der
Thrombozytenfunktion sind dabei von pathophysiologischer Bedeutung (2, 47).
Thrombose
Bei Thrombosen in Gefäßen mit einem
Durchmesser von <200 µm geht man von
In-situ-Thrombosen aus und nicht von embolischen Ereignissen (47). Die Thrombosen verkleinern das Gefäßlumen und können weitere Gefäßumbauvorgänge aktivieren. Bei PAH-Patienten werden in der histologischen Untersuchung häufig Thrombosen der kleinen Pulmonalgefäße beobachtet. Dafür wurde von Wagenvoort et al.
der Begriff thrombogenic pulmonary artery
disease geprägt (56). Es handelt sich dabei
nicht um eine eigenständige Erkrankung,
sondern um die histologische Folge der
komplexen Verschiebung des Gleichgewichts der Mediatoren und des Remodellings bei der PAH (16, 58).
In zwei retrospektiven Studien wurden in
57% (16) bzw. in 56% (4) der Patienten mit
idiopathischer PAH eine thrombogene pulmonale Arteriopathie nachgewiesen. Chronische thrombotische Gefäßläsionen wurden auch bei anderen PAH-Formen beschrieben, z. B. nach Appetitzüglereinnahme oder bei der portopulmonalen Form
(12). Dabei scheinen die In-situ-Thrombosen der Pulmonalgefäße mit hohem Alter
(p = 0,002) und langem Verlauf der Erkrankung (p = 0,007) korreliert zu sein (57). Bei
Kindern mit idiopathischer PAH sind diese
Läsionen selten (57).
Gerinnung und Fibrinolyse
Sehr komplex ist die Frage, welche Mediatoren für die thrombogenen Gefäßläsionen
ursächlich oder welche als Folge der Erkrankung verändert sind (2, 31). Einige Mediatoren tragen sowohl zur Vasokonstriktion, Zellproliferation als auch zur Thrombose bei (Tab. 2) (2, 13, 47). Für die veränderte Konzentration der Mediatoren spielt die
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Antikoagulation bei Hypertonie
Fehlfunktion des Endothels (7) mit verminderter Bildung vasodilatatierender Faktoren, wie Stickstoffmonoxid (18, 41) und
Prostazyklin (8) eine zentrale Rolle, ebenso
die erhöhten Konzentrationen von Endothelin 1 (19), Thromboxan (8), vasointestinales
Peptid (9, 48) und Serotonin (25).
Das verschobene Gleichgewicht zwischen der verminderten Produktion von
Prostazyklin und der erhöhten Bildung von
Thromboxan A2 führt zur Vasokonstriktion,
Proliferation, Thrombose und Inflammation
der pulmonalen Gefäße und ist von Bedeutung für die Progression der PAH (Abb. 1).
Die gestörte Endothelfunktion führt auch zu
einer vermehrten Bildung von Gerinnungsfaktoren, z. B. des von-Willebrand-Faktors
(27), des Plasminogenaktivator-Inhibitors
(PAI-1) und des t-PA (tissue plasminogen
activator) (5). Aktivität und Zusammensetzung des von-Willebrand-Faktors waren
Prädiktoren der 1-Jahres-Überlebensrate
bei PAH-Patienten (36).
Auf der anderen Seite sind bei PAHPatienten antithrombotische Faktoren vermindert. So ist die Expression von Thrombomodulin, einem endothelialen Rezeptor
für Thrombin, bei PAH vermindert (6, 60)
Diese Veränderungen können zu lokalen
thrombotischen Ereignissen in der pulmonalen Strombahn führen. Zudem wirken
Thrombin und Fibrinogenspaltprodukte, die
bei PAH erhöht sind (28) und im Rahmen
der vermehrten Thrombenbildung auftreten, als starke Wachstumsfaktoren (20) und
induzieren bzw. verstärken das GefäßRemodelling (Abb. 1, Tab. 2). Die Therapie
mit Prostazyklin kann die endotheliale Dysfunktion und die veränderte Hämostase bei
PAH-Patienten verbessern. Die intravenöse
Gabe von Prostazyklin über 30 Tage erhöhte die Plasmaspiegel von Thrombomodulin
und reduzierte die Spiegel von P-Selektin,
einem Thrombozytenaktivator (52). Intravenöses Prostazyklin verbesserte bei PAHPatienten auch die Proteolyse des von-Willebrand-Faktors (55) und reduzierte die
Plasmaspiegel von t-PA und PAI-1 (5, 15)
Abb. 1 Ursachen und Risikofaktoren der pulmonalen arteriellen Hypertonie (PAH): Verschiedene Erkrankungen führen
zur Endotheldysfunktion mit Hemmung der spannungsabhängigen Kaliumkanäle und erhöhtem Kalziumeinstrom. Dies führt
zu anhaltender Vasokonstriktion, erhöhter Thromboseneigung und Gefäß-Remodelling mit plexiformer Arteriopathie.
bzw. 5-Hydroxytryptamin und Thromboxan
A2 freigesetzt (24). Serotonin löst im Tierversuch eine starke pulmonale Vasokonstriktion (38) und Proliferation der glatten
Muskelzellen (34) aus. PAH-Patienten wiesen ca. 50fach erhöhte Serotoninspiegel im
Serum gegenüber Gesunden auf. Der Serotoningehalt der Blutplättchen war demgegenüber bei Patienten auf etwa die Hälfte reduziert (25). Dies spricht für eine verminderte
Serotonin-Speicherfunktion der Thrombozyten bei PAH. Diese Störung persistierte
auch nach Lungentransplantation (25).
In einer Familie mit gestörter SerotoninSpeicherfunktion der Thrombozyten entTab. 2 Mediatoren der thrombogenen pulmonalen
Vaskulopathie
Vasokonstriktion + Thrombose
Zellproliferation
Endothelin-1
erhöht
Plasminogen-Aktivator-Inhibitor
PAI-1 erhöht,
Thrombomodulin vermindert
Thromboxan A2
erhöht
Thromboxan A2 erhöht,
von-Willebrand-Faktor erhöht,
Fibrinopeptide erhöht
NO vermindert, Prostazyklin vermindert
Thrombozytenfunktion
Durch die Aggregation von Blutplättchen
werden Vasokonstriktoren wie Serotonin
Serotonin
erhöht
Serotonin erhöht,
Thrombozytenaggregation erhöht
vasoaktives intestinales Peptid vermindert
wickelte ein Mitglied 20 Jahre nach Diagnose des Thrombozytendefekts eine PAH (23).
Eine gestörte Thrombozytenfunktion könnte ein weiterer wichtiger Pathomechanismus bei PAH darstellen.
Rechtsherzinsuffizienz
Mehr als 80% der Patienten mit PAH weisen
zum Zeitpunkt der Diagnose eine Rechtsherzinsuffizienz auf. Bei Linksherzinsuffizienz besteht eine jährliche Inzidenz für
Embolien von 1–4,5% (1). Obwohl keine
kontrollierten Studien vorliegen, ist ein erhöhtes Embolierisiko auch bei Rechtsherzinsuffizienz mit großem, hypokinetischen
rechtem Ventrikel und verminderter Geschwindigkeit des Blutflusses zu vermuten.
Antikoagulation bei PAH
Antikoagulation mit Phenprocoumon wurde in wenigen unkontrollierten, nicht randomisierten Studien bei Patienten mit PAH untersucht. Die meisten Studien wiesen auf eine verbesserte Überlebensrate der mit Phenprocoumon behandelten Patienten hin (32).
Diese Studien bilden die Grundlage, dass in
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Grünig, Ehlken, Nagel
Abb. 2 Plexiforme
Läsion der Pulmonalarteriolen bei einem Patient
mit familiärer PAH: Das
Lumen der kleinen
Pulmonalarteriole ist fast
verschlossen. Die glatten
Muskelzellen sind tumorartig vermehrt.
deutschen (46) und internationalen Leitlinen (3, 37) für pulmonale Hypertonie die
Antikoagulation für PAH-Patienten empfohlen wird. Fuster et al. untersuchten retrospektiv 120 Patienten mit schwerer idiopathischer PAH (mittlerer PA-Druck 64
mmHg), die zwischen 1955 und 1977 in der
Mayo-Klinik (Rochester, USA) betreut
wurden (17). Der mittlere Nachbeobachtungszeitraum betrug 14 Jahre. Die Patienten waren im Mittel 34 Jahre alt, 73% waren
Frauen. 78 waren mit Warfarin innerhalb
der ersten 12 Monate nach Diagnosestellung therapiert worden. Die Patienten erhielten ansonsten keine PH-spezifische
Therapie, da diese damals nicht verfügbar
war. Dementsprechend war die mittlere
Überlebensrate sehr schlecht. Nur 21% der
Patienten lebten noch fünf Jahre nach Diagnosestellung. Die 78 Patienten, die eine Antikoagulation mit Warfarin erhalten hatten,
wiesen eine signifikant bessere 3-Jahresüberlebensrate gegenüber den 34 Patienten
ohne Antikoagulation auf (p = 0,02). Von
den verstorbenen Patienten hatten in derAutopsie 57% eine thrombogene pulmonale
Vaskulopathie. Die Therapie mit Warfarin
erwies sich als unabhängiger positiver prognostischer Prediktor (17).
In der zweiten Studie untersuchten Rich et
al. (20) prospektiv den Effekt von Kalziumantagonisten bei 64 Patienten mit idiopathischer PAH, die an der Universität von Illinois
(USA) zwischen Juli 1985 und März 1991 behandelt und bis Oktober 1991 nachuntersucht
worden waren. In einer Subanalyse wurde die
Begleitmedikation mittels Digoxin, Diuretika
und Warfarin untersucht. Eine Antikoagulation mit Warfarin hatten nur Patienten erhalten
(n = 35 von 65), die in der Ventilations/Perfusionsszintigraphie Auffälligkeiten aufwiesen. Bei den Patienten, die auf Kalziumantagonisten ansprachen und eine Reduktion des
pulmonalvaskulären Widerstandes um >20%
erreichten (Responder, n = 17; 26%), ergab
die zusätzliche Antikoagulation keine weitere
Verbesserung der Überlebensrate. Bei Patienten, die nicht auf die Kalziumantagonisten angesprochen hatten (74%), war demgegenüber
die Überlebensrate signifikant von der zusätzlichen Antikoagulation beeinflusst worden (p
= 0,025). So wiesen die Kalzium-Non-Responder mit zusätzlicher Antikoagulation 1-,
3-, und 5-Jahresüberlebensraten von 91, 62
und 47% auf, gegenüber 52, 32 und 31% der
Kalzium-Non-Responder ohne zusätzliche
Antikoagulation (50).
Ähnliche Befunde ergab eine japanische
retrospektive Kohortenstudie von Ogata et
al. bei 20 Patienten mit idiopathischer PAH
(mittleres Alter 31,2 Jahre, NYHA-Klasse
II-III) (44). Sieben der 20 Patienten hatten
Nifedipin 30–40 mg/Tag und Warfarin
(INR 2–3) erhalten. Dreizehn Patienten
wurden nicht therapiert. Die 5-Jahresüberlebensrate war bei den Therapierten signifikant besser, als die der Patienten ohne Therapie (57 vs. 15%; p < 0,025) (44).
Keine Verbesserung der 5- und 10-Jahresüberlebensrate oder der pulmonalarteriellen Drucke fanden Frank et al. bei 69 Patienten mit idiopathischer PAH, von denen
45 Phenprocoumon und 24 keine Antikoagulation erhalten hatten (14). Dem-
gegenüber zeigte sich bei der zweiten untersuchten Kohorte von 104 Patienten mit
Aminorexfumarat-induzierter PAH eine
verbesserte 5- (63 vs. 38%) und 10-JahresÜberlebensrate (39 vs. 20%) (14). Alle Patienten erhielten zusätzlich Digitalis und
Diuretika, einige erhielten Steroide und
Alpha-Adrenergika. Die Effekte durch die
Zusatzmedikation waren nicht untersucht
worden.
Die Studie von Kawut et al. (33) spricht
dafür, dass die Antikoagulation auch bei anderen Formen der PAH die Prognose verbessert. In dieser retrospektiven Studie wurden
zwischen Januar 2004 und Juni 2002 prognostische Faktoren bei 84 konsekutiven Patienten mit idiopathischer (78%), familiärer
(17%) und Appetitzügler-induzierter PAH
(5%) untersucht. Sie hatten ein mittleres Alter von 42 Jahren und einen mittleren PADruck von 55 mmHg. Warfarin hatten 79
der 84 Patienten (86%) erhalten. In der multivariaten Analyse erwies sich die zusätzliche Antikoagulation als unabhängiger positiver prognostischer Faktor (p = 0,05) (33).
Insbesondere bei Patienten, die Prostazyklin intravenös erhalten, scheint die Antikoagulation mit Phenprocoumon jedoch mit
einem erhöhten Blutungsrisiko verbunden zu
sein (45). Ogawa et al. wiesen in einer retrospektiven Kohortenanalyse bei 9 von 31 konsekutiven PAH-Patienten (22,6%), die Epoprostenol intravenös und eineAntikoagulation
mit Phenprocoumon erhalten hatten, zum Teil
schwere Blutungskomplikationen auf (45). In
9 der 11 Blutungsepisoden hatten die Patienten
Hämoptysen, in zwei Fällen anhaltendes Nasenbluten entwickelt. Ein Patient mit Hämoptysen musste eine Notoperation der Lunge erhalten. Dabei lag nur bei einem der neun Patienten mit Blutungskomplikationen der INRWert außerhalb des therapeutischen Bereichs.
Die anderen Patienten hatten INR-Werte von
1,5–2. Alle Patienten waren Japaner.
Bislang liegt nur eine Studie zu Azetylsalizylsäure und Clopidogrel bei PAH-Patienten vor (51).
Diskussion
Die Rationale bei Patienten mit PAH für eine Antikoagulation, beruht auf pathogeneti-
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Antikoagulation bei Hypertonie
schen und klinischen Daten. So wurde bei
vielen Patienten mit verschiedenen PAHFormen postmortem histologisch eine pulmonale thrombogene Arteriopathie, vor allem der kleinen Lungengefäße, nachgewiesen (16, 56, 58). Thrombotische Läsionen
der kleinen Pulmonalgefäße sind bei PAH
häufig. Sie sind mit dem Alter und der Erkrankungsdauer, nicht aber mit der Form
der PAH assoziiert (57). ZudemzeigenpathophysiologischeArbeiten bei PAH eine endotheliale Dysfunktion (7) mit vermehrter Gerinnungsneigung (5, 6, 27, 28, 36, 60), verminderter Fibrinolyse (6, 28) sowie gestörterThrombozytenfunktion (15, 24, 34, 38). Diese Veränderungen können zu lokalen thrombotischen Ereignissen in der pulmonalen Strombahn führen,
die den pulmonal vaskulärenWiderstand weiter
erhöhen und proliferative Vorgänge aktivieren.
So wird durch Thrombin und Fibrinogenspaltprodukte das Zuwachsen der Pulmonalgefäße
verstärkt (20). Diese Befunde erklären, warum
die Antikoagulation mit Phenprocoumon die
Prognose verbessert, da die In-situ-Thrombose
vor allem der kleinen Gefäße gehemmt und damit die Produktion von Fibrin, Fibrinspaltprodukten sowie von Thrombin verhindert wird.
DieskanndasVoranschreitendesintrapulmonalen Remodellings vermindern. (31). Unklar
bleibt, ob die thrombogene pulmonaleVaskulopathie eine der Ursachen oder eine Folge der
PAH darstellt.
Weitere Gründe für eine Antikoagulation
sind die Rechtsherzinsuffizienz bei PAH-Patienten und die Ergebnisse aus vier Kohortenstudien (17, 33, 44, 50), die eine bessere
Überlebensrate durch die Antikoagulation
zumindest bei Patienten mit idiopatischer
PAH, in zwei Arbeiten auch bei Patienten mit
anderen Formen zeigen (14, 33). Diese Arbeiten waren jedoch nicht randomisiert und
abgesehen von der Studie von Rich et al. (50)
retrospektiv. Eine fünfte Studie ergab bei Patienten mit idiopathischer PAH keine signifikante Verbesserung der Prognose durch die
Antikoagulation (14). Diese fünf beschriebenen Studien weisen zum Teil erhebliche methodische Schwächen auf und erlauben keine
Metaanalyse (32). So wurden sehr heterogene Einschlusskriterien insbesondere in Bezug auf Alter, Einschluss pädiatrischer Patienten, Erkrankungsdauer, Dosis und Komedikation verwendet (32). Zusätzliche Effekte
der Komedikation wurden nicht analysiert
bzw. ausgeschlossen. Zurzeit liegt keine randomisierte kontrollierte Studie zur Antikoagulation bei PAH vor.
Daher haben deutsche und US-amerikanische Leitlinien die Empfehlung zur
Antikoagulation bei der idiopathischen und
familiären PAH mit einem Evidenzniveau
von B (3, 37) (retrospektive Studien) bzw. C
(46) (Expertenempfehlung) versehen. Bei
der Antikoagulation sollte die Ziel-INR von
1,5–2,5 erreicht werden (3, 37, 46). Für andere PAH-Formen ist die Datenlage stärker
eingeschränkt. Die Empfehlung hat hier den
Evidenzgrad C (Expertenempfehlung) (37,
46). Möglicherweise profitieren KalziumAntagonisten-Responder weniger von der
Antikoagulation (17). Bei PAH-Patienten,
die eine intravenöse Therapie mit Prostazyklin erhalten, ist von einem deutlich erhöhten pulmonalen Blutungsrisiko mit der Gefahr von Hämoptysen auszugehen, insbesondere wenn hohe Prostazyklindosen
benötigt werden (45). Bei ihnen sollte die
Antikoagulation besonders eng überwacht
werden. Prostazyklin, ein potenter Thrombozytenaggregationshemmer (61), hemmt
die Hyperkoagulabilität bei PAH-Patienten.
Möglicherweise wirken Phenprocoumon
und Prostazyklin synergistisch (45). Bei der
portopulmonalen Form sowie Patienten mit
PAH und Sklerodermie (11) besteht u. U. ein
erhöhtes Risiko für gastrointestinale Blutungen. Wegen gastrointestinalerTeleangiektasien,
der häufigen intrapulmonalen und intrahepatischen aterio-venösen Shunts ist die Indikation
zurAntikoagulation bei PAH-Patienten im Rahmen eines Morbus Osler besonders zurückhaltendzustellen.DiesgiltauchfürdiePAHbeiangeborenenHerzfehlern(46).AuchMedikamenteninteraktionensindbeiderGabevonPhenprocoumonzubeachten.FürvieleMedikamenteist
eine Potenzierung der Antikoagulation beschrieben, z. B. für Metronidazol (43), Makrolide (9), Chinolone (30), Serotonininhibitoren
(49) und Amiodoron (42). Auch bei den PAHspezifischen Therapien sind Medikamenteninteraktionen beschrieben. So kann Bosentan die
Wirkung von Phenprocoumon reduzieren (42).
Sitaxsentan erfordert möglicherweise eine Dosisreduktion von Phenprocoumon (62).
Erfahrungen zum prognostischen Effekt
von Thrombozytenaggregationshemmern
wie Azetylsalizylsäure und Clopidogrel bei
PAH fehlen. Eine prospektive, doppelblin-
de, Placebo-kontrollierte Studie mit Überkreuzdesign von Azetylsalizylsäure 80 mg/
Tag und 75 mg/Tag Clopidogrel bei PAHPatienten zeigte, dass beideArzneimittel die
Thrombozytenaggregation hemmen, nicht
aber den Plasmaspiegel von P-Selektin reduzieren (51). P-Selectin-Spiegel sind bei
PAH als Ausdruck der gesteigerten Thrombozytenaktivität erhöht. Durch Azetylsalizylsäure wird bei den Patienten die Thromboxan A2-Produktion inhibiert (51).
Zur Evaluation der prognostischen und hämodynamischen Effekte der Antikoagulation
bei PAH ist eine randomisierte, kontrollierte
Studie erforderlich. In der Zusammenschau
der positiven Erfahrungsberichte und der häufigen pulmonalen thrombotischen Vaskulopathie bei PAH ist eine solche Studie allerdings
ethisch kaum vertretbar. Sinnvoll wäre ggf. eine Studie Antikoagulation mit Phenprocoumon versus Gabe von Thrombozytenaggregationshemmern. Zukünftig sollten Anstrengungen unternommen werden, die PAH früh zu diagnostizieren, um durch frühe Therapie u. a.
dieVeränderung der Gerinnung undThrombozytenfunktion rasch korrigieren zu können.
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Hämostaseologie 4/2008
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Korrespondenzadresse:
Priv.-Doz. Dr. med. E. Grünig
Zentrum für Pulmonale Hypertonie
Thoraxklinik Heidelberg
Amalienstr. 5, 69126 Heidelberg
E-Mail: [email protected]
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