Der Körper R 1 Idee

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Der Körper ∗ R
1
Der Körper ∗ R
Skript zum Seminarvortrag von Tomas Bayer
Proseminar zur Nichtstandard-Analysis, 6. Februar 2012
1 Idee
R soll zu einem Körper ∗ R erweitert werden, der unendliche und infinitesimale Elemente
enthält und die wesentlichen Eigenschaften von R erhält. Anders als in Nelsons Nichtstandardanalysis wird der Körper R dabei echt erweitert. Diese Konstruktion nutzt einfache
Mittel der Algebra und der Mengenlehre und kommt dabei ohne die axiomatische Verwendung der Attribute Standard“ und Nichtstandard“ aus. Später definiert man Standard“
”
”
”
und Nichtstandard“ gerade als die Elemente von R bzw. ∗ R\R und schafft so die Analogie
”
zu Nelsons Nichtstandardanalysis.
Hierzu wird ähnlich wie bei der Konstruktion von R aus Q-wertigen Cauchy-Folgen, ∗ R
aus reellwertigen Folgen konstruiert. Konstante Folgen soll dann einfach den reellen Zahlen
entsprechen und Folgen wie (1, 2, 3, . . . ) sollen später unendliche Zahlen darstellen.
Satz 1.
(RN , +, ·) ist ein kommutativer Ring mit Eins, wobei RN =
×∞i=1 R = {(ai)i∈N | ai ∈ R} und
(a1 , a2 , a3 , . . . ) + (b1 , b2 , b3 . . . ) := (a1 + b1 , a2 + b2 , a3 + b3 , . . . )
(a1 , a2 , a3 , . . . ) · (b1 , b2 , b3 . . . ) := (a1 b1 , a2 b2 , a3 b3 , . . . )
für alle (ai )i∈N , (bi )i∈N ∈ RN . Es gilt 0 = (0, 0, 0, . . . ) und 1 = (1, 1, 1, . . . ).
Ohne Beweis. (Man sieht leicht, dass RN alle diese Eigenschaften von R erbt.)
Bemerkung.
(RN , +, ·) ist kein Körper, denn er hat Nullteiler:
(1, 0, 0, 0, . . . ) · (0, 1, 1, 1, . . . ) = (0, 0, 0, . . . ) = 0
Insbesondere haben Nullteiler keine multiplikativen Inversen. Um dies zu vermeiden, versucht man Folgen die sich nur in unwesentlich vielen Stellen unterscheiden zu äquivalenten
Elementen zu erklären. Insbesondere sollte (1, 0, 0, 0, . . . ) dann äquivalent zur Nullfolge sein.
Mit Hilfe dieser Äquivalenzrelation wird dann, genau schon wie bei der Konstruktion von
R, eine Quotientenmenge gebildet und Addition und Multiplikation auf ihr durch Addition
und Multiplikation der Repräsentanten definiert. Diese nötige Äquivalenzrelation wird durch
einen Ultrafilter definiert.
Der Körper ∗ R
2
2 Ultrafilter
Definition (Filter, Oberfilter, Ultrafilter).
Ein Mengensystem F ⊂ P(M ) heißt Filter“ über der Menge M , wenn
”
(F1) F 6= ∅ und ∅ ∈
/F
(F2) A, B ∈ F ⇒ A ∩ B ∈ F
(F3) A ∈ F, A ⊂ B ∈ P(M ) ⇒ B ∈ F
Ein Filter G auf M heißt Oberfilter“ von F, wenn F ⊂ G.
”
Ein Filter F heißt Ultrafilter“, wenn er keinen echten Oberfiler hat.
”
Lemma 2.
F ist genau dann Ultrafilter über M , wenn
∀A ⊂ M : A ∈ F ⇔ M \A ∈
/F
Ohne Beweis. (siehe letzter Vortrag)
Definition (frei, fixiert).
Ein Ultrafilter F heißt frei“, wenn:
”
∀A ∈ F : |A| = ∞
Ein nicht freier Ultrafilter heißt fixiert“.
”
Bemerkung.
Offenbar können freie Ultrafilter nur über unendlichen Mengen existieren. Man kann sie zwar
nicht explizit angeben, eine nichtkonstruktive Existenzaussage findet man aber trotzdem:
Satz 3 (Charakterisierung freier Ultrafilter).
Sei F ein Ultrafilter über M , dann ist äquivalent:
(i) F ist frei.
(ii) M ist unendlich und F ist Oberfilter des Filters der kofiniten Teilmengen
T = {A ⊂ M | |M \A| < ∞}
Beweis.
(i) ⇒ (ii): Offenbar ist M unendlich, denn über endlichen Mengen ist jeder Ultrafilter
fixiert. Angenommen T 6⊂ F. Dann existiert eine kofinite Menge A ⊂ M mit A ∈
/
F. Weil F Ultrafilter ist, folgt M \A ∈ F. Das ist aber eine endliche Menge, ein
Widerspruch zur Voraussetzung, dass F frei ist, also nur unendliche Mengen enthält.
(ii) ⇒ (i): Sei A ∈ F beliebig, dann gilt M \A ∈
/ F und es folgt M \A ∈
/ T . Daher ist
Der Körper ∗ R
3
|M \(M \A)| = ∞, also |A| = ∞. Also ist F frei.
Satz 4.
Zu jedem Filter existiert ein Ultrafilter als Oberfilter.
Ohne Beweis. (folgt aus dem Lemma von Zorn, siehe letzter Vortrag)
Folgerung 5.
Über jeder unendlichen Menge gibt es freie Ultrafilter.
Beweis.
Nach Satz 4 existiert ein Oberfilter des Filters der kofiniten Teilmengen, der ein Ultrafilter
ist. Nach Satz 3 ist dieser frei.
2
Lemma 6 (Charakterisierung fixierter Ultrafilter).
Sei F ein Ultrafilter über einer Menge M . Dann gilt
(i) Ist A, B ⊂ M mit A ∪ B ∈ F, so gilt A ∈ F oder B ∈ F.
(ii) Ist F fixiert, so gilt F = {A ⊂ M | a ∈ A} für ein a ∈ M .
Beweis.
(i) Angenommen A, B ∈
/ F, dann ist M \A, M \B ∈ F und damit
M \(A ∪ B) = M \A ∩ M \B ∈ F
nach (F2). Also A ∪ B 6∈ F im Widerspruch zur Annahme.
(ii) Ist F fixiert, so enthält F endliche Mengen. Sei A = {a1 , . . . , an } eine kleinste endliche
Menge. Angenommen n > 1. Dann ist A = {a1 }∪{a2 , . . . , an } und nach (i) ist {a1 } ∈ F
oder {a2 , . . . , an } ∈ F und A im Widerspruch zur Annahme nicht minimal. Es folgt
n ≥ 1 und damit n = 1, weil ∅ 6∈ F.
Daher existiert ein a0 ∈ F mit {a0 } ∈ F. Sei A ⊂ M . Ist a0 ∈ A, dann ist {a0 } ⊂ A
und A ∈ F nach (F3). Ist a0 ∈
/ A, so ist a0 ∈ M \A, daher M \A ∈ F und A ∈
/ F.
Damit ist gezeigt F = {A ⊂ M | a0 ∈ A}.
3 Konstruktion des Körpers ∗ R
Im Folgenden sei dazu F ein fest gewählter Ultrafilter über N.
Definition.
Für alle α = (ai )i∈N , β = (bi )i∈N ∈ RN sei
I(α, β) := {i ∈ N | ai = bi } ⊂ N
und
α ∼ β :⇔ I(α, β) ∈ F
Der Körper ∗ R
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Satz 7.
∼ ist eine Äquivalenzrelation auf RN .
Beweis.
(i) I(α, α) = {i ∈ N | ai = ai } = N ∈ F nach (F1), also α ∼ α
(ii) α ∼ β ⇒ {i ∈ N | ai = bi } ∈ F ⇒ {i ∈ N | bi = ai } ∈ F ⇒ β ∼ α
(iii) α ∼ β, β ∼ γ ⇒ I(α, β), I(β, γ) ∈ F. Dann ist nach (F2):
I(α, β) ∩ I(α, γ) ∈ F
Für i ∈ I(α, β) ∩ I(α, γ) gilt ai = bi = ci , also i ∈ I(α, γ), also
I(α, β) ∩ I(α, γ) ⊂ I(α, γ)
Daher ist nach (F3) auch I(α, γ) ∈ F, also α ∼ γ.
Definition (∗ R).
Das Tripel (∗ R, ∗+, ∗·) mit ∗ R := RN / ∼ und den Abbildungen ∗+ : ∗ R × ∗ R → ∗ R und
∗ ∗
· : R × ∗ R → ∗ R, gegeben durch
[α] ∗+ [β] := [α + β]
und
[α] ∗· [β] := [α · β]
für alle [α], [β] ∈ ∗ R heißt Körper der hyperreellen Zahlen“.
”
Satz 8.
Der Körper der hyperreellen Zahlen (∗ R, ∗+, ∗·) ist ein Körper.
Beweis.
Wohldefiniertheit: Seien [α] = [α0 ] und [β] = [β 0 ] für α, α0 , β, β 0 ∈ RN . Dann gilt I(α, α0 ) ∈ F,
I(β, β 0 ) ∈ F, nach (F2) also I(α, α0 ) ∩ I(β, β 0 ) ∈ F. Für i ∈ I(α, α0 ) ∩ I(β, β 0 ) gilt ai = a0i
und bi = b0i , also ai + bi = a0i + b0i und i ∈ I(α + β, α0 + β 0 ). Damit ist
I(α, α0 ) ∩ I(β, β 0 ) ⊂ I(α + β, α0 + β 0 ) ∈ F
nach (F3). Daher ist [α + β] = [α0 + β 0 ], also [α] ∗+ [β] = [α0 ] ∗+ [β 0 ] und die Addition
unabhängig von den Repräsentanten der Äquivalenzklasse. Der Beweis der Wohldefiniertheit
der Multiplikation wird analog geführt.
Körpereigenschaften: Man sieht leicht, dass ∗ R alle Eigenschaften von RN erbt. Als Beispiel
soll hier nur die Assoziativität der Addition gezeigt werden:
([α] ∗+ [β]) ∗+[γ] = [α+β] ∗+[γ] = [(α+β)+γ] = [α+(β+γ)] = [α] ∗+[β+γ] = [α] ∗+([β] + [γ])
Es ist also auch ∗ R ein kommutativer Ring mit Eins. Es bleibt damit nur die Existenz
multiplikativ inverser Elemente zu zeigen.
Sei [α] = [(a1 , a2 , a3 , . . . )] ∈ ∗ R\ {0} beliebig. Es folgt I(α, 0) ∈
/ F. Weil F Ultrafilter ist,
Der Körper ∗ R
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gilt N\I(α, 0) = {i ∈ N | ai 6= 0} ∈ F. Definiere
α0 := (a01 , a02 , a03 , . . . ) a0i :=
1
ai
ai = 0
sonst
Nun ist I(α0 , α) = {i ∈ N | ai 6= 0} ∈ F, also α0 ∼ α. α0 hat keine Nulleinträge, damit ist
α0
−1
−1
−1
−1
:= (a0 1 , a0 2 , a0 3 , . . . )
definiert, α0 hat ein Inverses in RN und [α] = [α0 ] daher ein Inverses in ∗ R.
Bemerkung.
2
• Algebraische Interpretation: Die Menge I = α ∈ RN | α ∼ 0 ist ein Ideal im kommutativen Ring RN und genau dann ein maximales Ideal, wenn F ein Ultrafilter ist.
Daraus folgt sofort, dass ∗ R = RN /I ein Körper ist.
• Nimmt man die Kontinuumshypothese als wahr an, so sind alle, durch unterschiedliche
freie Ultrafilter konstruierte Körper ∗ R isomorph (siehe [EGH55], Theorem 3.5).
• Es gilt |R| = |∗ R|. Beweisskizze: Mit injektiven Abbildungen RN → ∗ R und ∗ R → R
sowie einfacher Kardinalzahlarithmetik und |R| = |P(N)| folgt:
ℵ 0
c = |R| ≤ |∗ R| ≤ RN = cℵ0 = 2ℵ0
= 2ℵ0 ·ℵ0 = 2ℵ0 = c
Beispiel.
Sei α = (1, 0, 1, 0, . . . ), β = (0, 1, 0, 1, . . . ). α und β sind Nullteiler in RN . Nachwievor gilt
[α] ∗· [β] = 0, daher gilt offensichtlich nun nichtmehr [α] 6= 0 und [β] 6= 0.
Je nach Wahl von F enthält dieser nämlich, weil er ein Ultrafilter ist, entweder die Menge
der geraden Zahlen oder ihr Komplement, die Menge der ungeraden Zahlen. Damit folgt
dann entweder α = 1 und β = 0 oder α = 0 und β = 1.
Satz 9.
R ist ein Unterkörper von ∗ R.
Beweis.
Es muss gezeigt werden, dass es einen injektiven Homomorphismus von R nach ∗ R gibt.
Definiere
ϕ : R → ∗ R, r 7→ [(r, r, r, . . . )]
Offenbar ist ϕ ein Homomorphismus, es gilt
ϕ(r) ∗· ϕ(s) = [(r, r, r, . . . )] ∗· [(s, s, s, . . . )] = [(rs, rs, rs, . . . )] = ϕ(rs)
Die Addition verhält sich genauso und ϕ(1) = [(1, 1, 1, . . . )] = 1∗ R .
Ist r 6= s, so gilt I((r, r, r, . . . ), (s, s, s, . . . )) = ∅. nach (F1) gilt daher I((r, r, r, . . . ), (s, s, s, . . . )) ∈
/
F und damit ϕ(r) 6= ϕ(s). ϕ ist also injektiv.
2
Notation.
Satz 9 erlaubt die sinnvolle Kurzschreibweise r := [(r, r, r, . . . )] für r ∈ R.
Der Körper ∗ R
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Bemerkung.
Ist F ein fixierter Ultrafilter, so existiert nach Lemma 6(ii) ein m ∈ N, sodass {m} ∈ F.
Damit gilt dann für alle α = [(a1 , a2 , a3 , . . . )] ∈ ∗ R gerade
ϕ(am ) = [(am , am , am , . . . )] = [(a1 , a2 , . . . , am , . . . )]
ϕ ist dann sogar ein Isomorphismus und ∗ R ∼
= R, die umständliche Konstruktion also sinnlos.
In Kapitel 6 wird später gezeigt, dass die Wahl eines freien Ultrafilter tatsächlich eine echte
Erweiterung von R im Sinne der Nichtstandardanalysis zulässt. Im Folgenden soll daher
davon ausgegangen werden, dass F frei ist. Die Existenz ist durch Satz 5 gesichert.
4 Ordnung auf ∗ R
Definition (angeordneter Körper).
Ein Körper (K, +, ·) mit einer totalen Ordnung ≤ auf K heißt angeordnet“, wenn für alle
”
a, b, c ∈ K gilt:
(i) a ≤ b ⇒ a + c ≤ b + c
(ii) 0 ≤ a, 0 ≤ b ⇒ 0 ≤ ab
Definition.
Für alle α = (ai )i∈N , β = (bi )i∈N ∈ RN sei
R(α, β) := {i ∈ N | ai ≤ bi }
und
[α] ∗≤ [β] :⇔ α ≤ β :⇔ R(α, β) ∈ F
Satz 10.
(i) ∗≤ definiert eine totale Ordnung auf ∗ R.
(ii) Eingeschränkt auf R stimmt ∗≤ mit ≤ überein.
(iii) ∗ R ist ein angeordneter Körper.
Beweis.
(i)
(i) Wohldefiniertheit: Seien [α] = [α0 ] und [β] = [β 0 ], sodass [α] ∗≤ [β] für α, α0 , β, β 0 ∈
RN . Dann gilt I(α, α0 ), I(β, β 0 ), R(α, β) ∈ F. Also
I(α, α0 ) ∩ I(β, β 0 ) ∩ R(α, β) ∈ F
Für ein i ∈ N in diesem Schnitt gilt ai = a0i , bi = b0i und ai ≤ bi also auch a0i ≤ b0i ,
damit ist
I(α, α0 ) ∩ I(β, β 0 ) ∩ R(α, β) ⊂ R(α0 , β 0 ) ∈ F
und damit [α0 ] ∗≤ [β 0 ].
Der Körper ∗ R
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(ii) Reflexivität: Es gilt [α] ∗≤ [α], weil ≤ reflexiv auf R ist, also R(α, α) = N ∈ F.
(iii) Transitivität: Aus [α] ∗≤ [β], [β] ∗≤ [γ] folgt R(α, β), R(β, γ) ∈ F. Im Schnitt
R(α, β) ∩ R(β, γ) ∈ F gilt ai ≤ ci , weil ≤ transitiv auf R ist, daher
R(α, β) ∩ R(β, γ) ⊂ R(α, γ) ∈ F
Also α ∗≤ γ.
(iv) Antisymmetrie: Aus [α] ∗≤ [β], [β] ∗≤ [α] folgt R(α, β), R(β, α) ∈ F, damit wieder
R(α, β) ∩ R(β, α) ∈ F. Es gilt ai ≤ bi , bi ≤ ai für alle i in diesem Schnitt, also
ai = bi , weil ≤ antisymmetrisch auf R ist. Damit gilt
R(α, β) ∩ R(β, α) ⊂ I(α, β) ∈ F
Also [α] = [β].
(v) Totalität: Sei i ∈ N, dann gilt ai ≤ bi oder bi ≤ ai , weil ≤ totale Ordnung über
R ist, es folgt i ∈ R(α, β) ∪ R(β, α) und R(α, β) ∪ R(β, α) = N ∈ F. Damit
R(α, β) ∈ F oder R(β, α) ∈ F nach Lemma 6(i) und damit α ∗≤ β oder β ∗≤ α.
(ii) r ∗≤ s ⇔ [(r, r, r, . . . )] ∗≤ [(s, s, s, . . . )] ⇔ R((r, r, r, . . . ), (s, s, s, . . . )) ∈ F ⇔ r ≤ s
(iii)
(i) [α] ∗≤ [β] ⇒ {i ∈ N | ai ≤ bi } ∈ F. Weil R angeordnet ist, folgt:
⇒ {i ∈ N | ai + ci ≤ bi + ci } ∈ F ⇒ [α + γ] ∗≤ [β + γ]
(ii) 0 ∗≤ [α], 0 ∗≤ [β] ⇒ {i ∈ N | 0 ≤ ai } , {i ∈ N | 0 ≤ bi } ∈ F. Der Schnitt ist wieder
im Filter und im Schnitt gilt 0 ≤ ai bi , weil R angeordnet ist, also
R(0, α) ∩ R(0, β) ⊂ R(0, αβ) ∈ F
und 0 ∗≤ [α][β].
2
Bemerkung.
Wie auch in R definiert man über jedem angeordneten Körper auch ∗≥, ∗<, ∗>, die Begriffe
positiv, negativ sowie den Betrag.
5 unendliche und infinitesimale Zahlen
Definition (endlich, unendlich, infinitesimal, infinitisemal benachbart).
Seien α, β ∈ ∗ R. α heißt
(i) endlich“, wenn ∃n ∈ N : |α| ∗≤ n.
”
(ii) unendlich“ oder unbeschränkt“, wenn ∀n ∈ N : |α| ∗≥ n.
”
”
(iii) infinitesimal“, wenn ∀n ∈ N : |α| ∗≤
”
1
n.
Der Körper ∗ R
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α und β heißen infinitesimal benachbart“ (α ≈ β), wenn α ∗− β infinitesimal ist.
”
Satz 11 (Eigenschaften unendlicher und infinitesimaler Zahlen).
(i) α ∈ ∗ R ist genau dann unendlich, wenn α nicht endlich ist.
(ii) R enthält nur endliche Elemente und das einzige infinitesimale Element ist 0. Infini”
tesimal benachbart“ entspricht in R also gleich“.
”
(iii) Ist α ∈ ∗ R\ {0} infinitesimal, dann ist
(iv) Ist α ∈ ∗ R unendlich, so ist
1
α
1
α
unendlich.
infinitesimal.
(v) Ist α ∈ ∗ R endlich und β ∈ ∗ R unendlich, so ist α ∗+ β unendlich.
(vi) Ist α1 ≈ α2 , β1 ≈ β2 , so folgt α1 ∗+ β1 ≈ α2 ∗+ β2
(vii) Ist α1 ≈ α2 , β1 ≈ β2 und α1 , β1 endlich, so folgt α1 ∗· β1 ≈ α2 ∗· β2 .
Beweis.
(i) Ist α nicht endlich, so gilt ∀n ∈ N : |α| ∗≤
6 n. Weil ∗≤ eine totale Ordnung ist folgt
|α| ≥ n für alle n ∈ N.
(ii) Unendliche Elemente gibt es nicht, weil R archimedisch ist. |0| ≤ n1 für alle n ∈ N. Für
jede andere reelle Zahl r gibt es wegen der Archimedeseigenschaft genügend großes
n ∈ N, sodass |r| ∗≥ n1 . Damit ist 0 einziges infinitesimales Element. Für a, b ∈ R gilt:
a ≈ b ⇔ a − b ist infinitesimal ⇔ a − b = 0 ⇔ a = b
(iii) Sei α ∈ ∗ R\ {0} infinitesimal, dann gilt ∀n ∈ N : |α| ∗≤
1 ∗
≥ n für alle n ∈ N also ist 1 unendlich.
α
α
(iv) Sei α ∈ ∗ R unendlich. Dann ist ∀n ∈ N : |α| ∗≥ n, also
ist infinitesimal.
1
n.
Es folgt
1 ∗
1
|α| ≤ n
1 ∗
|α| ≥
und α1 ∗≤
1
n
n und
und
1
α
(v) Es existiert ein m ∈ N mit |α| ∗≤ m und ∀n ∈ N : |β| ∗≥ n oder äquivalent ∀n ∈ N :
|β| ∗≥ n + m. Es folgt mit der Dreiecksungleichung
∀n ∈ N : |α ∗+ β| ∗≥ |β| ∗− |α| ∗≥ (n + m) − m = n
(vi) Es gilt ∀n ∈ N : |α2 ∗− α1 | ∗≤
1
∗
2n , |β2 −
β1 | ∗≤
1
2n ,
also:
|(α1 ∗+ β1 ) ∗− (α2 ∗+ β2 )| ∗≤ |α1 ∗− α2 | ∗+ |β1 ∗− β2 | ∗≤ 2
1
1
=
2n
n
(vii) Aus (ii) folgt, dass β2 auch endlich ist. Damit gibt es n1 , n2 ∈ N mit |α|1 ∗≤ n1 , |β|2 ∗≤
Der Körper ∗ R
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n2 . Es gilt ∀n ∈ N : |α2 ∗− α1 | ∗≤
1
∗
2n1 ·n , |β2 −
β1 | ∗≤
1
2n2 ·n ,
also gilt für alle n ∈ N:
|α1 β1 ∗− α2 β2 | = |α1 β1 ∗− α1 β2 ∗+ α1 β2 ∗− α2 β2 | ∗≤ |α1 β1 ∗− α1 β2 | ∗+ |α1 β2 ∗− α2 β2 |
= |α|1 |β1 ∗− β2 | ∗+ |β2 | |α1 ∗− α2 | ∗≤ n1
1
1
1 ∗
+ n2
=
2n1 n
2n2 n
n
Lemma 12 (Eigenschaften von ≈).
(i) ≈ ist eine Äquivalenzrelation.
(ii) Die Äquivalenzklassen von ≈ enthalten entweder nur unendliche Zahlen oder aber nur
endliche Zahlen.
(iii) Zu jeder endlichen Zahl gibt es genau eine infinitesimal benachbarte reelle Zahl.
Beweis.
(i)
(i) Reflexivität ist klar, weil α ∗− α = 0 infinitesimal.
(ii) Ist α ≈ β, so ist α ∗− β infinitesimal, dann gilt ∀n ∈ N : |α ∗− β| ∗≤ n1 . Im Betrag
kann −1 multipliziert werden: ∀n ∈ N : |β ∗− α| ∗≤ n1 . Also ist β ∗− α infinitesimal
und β ≈ α.
(iii) Ist α ≈ β, β ≈ γ, so ist ∀n ∈ N : |α ∗− β| ∗≤ n1 und ∀n ∈ N : |β ∗− γ| ∗≤ n1 oder
1
1
äquivalent ∀n ∈ N : |α ∗− β| ∗≤ 2n
und ∀n ∈ N : |β ∗− γ| ∗≤ 2n
. Dann gilt für alle
n ∈ N auch
|α ∗− γ| = |α ∗− β ∗+ β ∗− γ| ∗≤ |α ∗− β| ∗+ |β ∗− γ| ∗≤ 2
1
1
=
2n
n
Also α ≈ γ.
(ii) Sei M eine Äquivalenzklasse, die nicht nur unendliche Elemente enthält. Sei α ∈ M
endlich und β ∈ M . Dann gilt α ≈ β, also ∀n ∈ N : |α ∗− β| ∗≤ n1 , insbesondere
|α ∗− β| ≤ 1. Außerdem gibt es ein n ∈ N mit |α| ∗≤ n. Damit folgt
|β| = |α ∗− (α ∗− β)| ∗≤ |α| ∗+ |α ∗− β| ∗≤ n + 1 ∈ N
Damit ist β endlich und M enthält nur endliche Elemente.
(iii) Sei α ∈ M endlich. Daher existiert ein n ∈ N mit |α| ∗≤ n. Setze
A = {s ∈ R : s ∗≤ α} ⊂ R
Offenbar gilt −n ∈ A, weil α ∗≥ −n. Durch n ist A nach oben beschränkt. Da R
ordnungsvollständig ist, existiert s := sup A ∈ R.
Für alle n ∈ N gilt dann s + n1 ∈
/ A, somit s + n1 ∗> α, also s ∗− α ∗> − n1 . s ∗− n1
∗
ist keine obere Schranke, weil s − n1 < s. Daher existiert ein a ∈ A mit a ∗> s − n1 .
Es folgt s − n1 ∗≤ a ∗< α, also s ∗− α ∗< n1 . Zusammen gilt |s ∗− α| ∗< n1 und das für
beliebiges n ∈ N, also s ≈ α und s ∈ M ∩ R.
Der Körper ∗ R
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Sei t ∈ M ∩ R. Dann folgt t ≈ s und nach (ii) t = s. Damit ist M ∩ R = {s} .
2
(i) und (iii) motivieren die folgenden Definitionen:
Definition (Monade, Standardanteil).
(i) Die Äquivalenzklassen von ≈ heißen Monaden“.
”
(ii) Sei α ∈ ∗ R endlich und β ∈ R diejenige reelle Zahl mit α ≈ β, dann heißt st(α) := β
Standardanteil“ von α.
”
6 Eigenschaften von ∗ R
Lemma 13.
Sei α ∈ RN und F frei.
(i) Gilt lim α = r, so ist [α] ≈ r.
n→∞
(ii) Gilt lim α = ±∞, so ist [α] unendlich.
n→∞
Beweis.
(i) Sei n ∈ N beliebig. Weil lim α = r existiert ein N ∈ N, sodass |ai − r| ≤
n→∞
1
n
für alle
1
n
i ≥ N . Gilt für ein i ∈ N also ≤ |ai − r|, so folgt daher i < N , damit:
1
, |α − r| ⊂ {1, . . . , N − 1}
R
n
Damit ist R( n1 , |α − r|) endlich. Weil F frei ist, folgt R( n1 , |α − r|) ∈
/ F, also
|α − r|. Weil ∗≤ total ist, folgt |α − r| ∗< n1 für alle n ∈ N und damit [α] ≈ r.
1 ∗
n 6≤
(ii) Angenommen lim α = +∞, also α divergiert bestimmt. Dann gibt es für jedes n ∈ N
n→∞
ein N ∈ N, sodass ai ≥ n für alle i ≥ N . Damit ist wieder R(α, n) ⊂ {1, . . . , N − 1} ∈
/
F, daher [α] ∗> n und [α] ist unendlich. Der Fall lim α = −∞ verläuft analog.
n→∞
Satz 14.
Ist F frei, so enthält ∗ R sowohl unendliche als auch nicht triviale infinitesimale Elemente.
Beweis.
Betrachte die Folge α = (ai )i∈N mit ai = i. α divergiert bestimmt gegen +∞, nach Lemma
1
ist nach Satz 11(iv) dann infinitesimal und sicher nicht 0.
2
13(ii) ist [α] unendlich. [α]
Folgerung 15.
(i) R ist ein echter Teilkörper von ∗ R.
(ii) ∗ R ist nicht archimedisch.
Der Körper ∗ R
11
(iii) ∗ R ist nicht ordnungsvollständig.
Beweis.
(i), (ii) folgt aus Satz 14.
(iii) Zu zeigen ist, dass nicht jede nach oben beschränkte Menge ein Supremum hat. Betrachte N ⊂ ∗ R. Sei α ∈ ∗ R positiv und unendlich. Eine solche Zahl existiert nach Satz
14. Offenbar ist α eine obere Schranke von N. Angenommen, β ist eine kleinste oberere
Schranke von N. Aus −1 ∗< 0 folgt β − 1 ∗< β. Angenommen β − 1 ist endlich, dann
existiert ein n ∈ N, sodass β − 1 ∗≤ n, dann gilt β ∗≤ n + 1 und n + 1 ∈ N, also ist β im
Widerspruch zur Annahme endlich. Damit ist β − 1 im Widerspruch zur Minimalität
von β eine kleinere obere Schranke als β. N hat also kein Supremum.
Literatur
[EGH55]
P. Erdős, L. Gillman, M. Henriksen: An isomorphism theorem for realclosed fields. Annals of Mathematics, 61 (1955), 542-554
[Go98]
R. Goldblatt: Lectures on the Hyperreals. Springer, 1998
[LaRo94]
D. Landers, L. Rogge: Nichtstandard Analysis. Springer, 1994
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