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DER GLAUBEN UND DAS
GELD
WAS JESUS, MOSES, MOHAMMED UND
BUDDHA ÜBER GELD SAGEN
21.12.2011 | Oliver Köhler | Kommentar schreiben | Artikel drucken
In London kampiert die Occupy-Bewegung gegen die Macht der Großbanken vor dem Dom von St
Paul's, in Düsseldorf befindet sich das Zeltlager im Schatten der Johanneskirche. Es mag nur Zufall
sein, aber seit dem Beginn der Finanzkrise wird immer öfter nach dem Verhältnis von Glauben und
Geld gefragt. Wie steht es im Christentum und Judentum, im Islam, Buddhismus und Hinduismus
um das Verhältnis zum Geld – und der Gier danach? Geld wird in vielen heiligen Schriften erwähnt:
Jesus hat die Geldwechsler aus dem Tempel vertrieben, Mohammed verbot Zinsen und Buddha hat
sich dem Reichtum komplett entsagt. Ein Streifzug durch die Religionsgemeinschaften auf der
Suche nach dem richtigen Umgang mit dem Geld.
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Wer sich an einer christlichen Finanzethik
ausrichtet, sollte nicht in Teufels Küche
kommen. Oberkirchenrat Thomas Begrich ist
Leiter der Finanzabteilung der Evangelischen
Kirche in Deutschland und hat Anfang
Oktober einen "Leitfaden für ethisch
nachhaltige Geldanlage in der evangelischen
Kirche" veröffentlicht, in dem die Prinzipien
für christlich vertretbare Geldgeschäfte stehen.
Die schließen spekulative Geschäfte aus, sowie
Geschäfte, die mit Kinderarbeit, Missachtung von Menschenrechten, Drogen, Rüstung, Glücksspiel,
Pornografie, Abtreibung, Atomenergie, Gentechnologie, Massentierhaltung, Tierversuchen und mit
der Abholzung des Regenwaldes zu tun haben. "Wer sich daran gehalten hat, wird auch in der
Finanzkrise keine Probleme mit seinem Gelddepot haben", sagt Begrich. Die Prinzipien stünden so
nicht in der Bibel. Aber sie fühlten sich einer modernen christlichen Ethik verpflichtet, die sowohl
bei Protestanten als auch Katholiken verankert sei. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken
schreibt in einem Merkblatt zu ethischen Investitionen: Es soll "sichergestellt werden, dass mit der
eigenen Geldanlage im Sinne einer christlichen Ethik Gutes bewirkt und Schlechtes vermieden
wird." Sowohl für den Einzelnen als auch für die Allgemeinheit.
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SYSTEMSTART?
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DER LANGE ATEM
ARTIKEL KUNST
"WIR HABEN
EINEN ANSPRUCH
DARAUF"
Paulus schrieb in einem Brief an die Kolosser: "Alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das
tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn." Demnach kann Geld ein
anvertrautes Gut sein, womit verantwortlich umgegangen werden muss, erklärt Begrich. "Dieses
Verantwortungsbewusstsein fasste auch Calvin so zusammen, dass Schuldner und Gläubiger aus
Geldgeschäften gleich viel Gewinn erzielen sollen. Momentan wird aber die Not ausgenutzt, zu
einem Grade jenseits von dem, was unser Glaube uns gebietet." Dies sei im Fall der Staaten in der
Eurozone zu erkennen, dessen Staatsdefizite sie wirtschaftlich in die Knie zwingen. Für Begrich ist
die Lösung mehr als klar: "Wir brauchen eine klare Regulierung der Märkte, und für die Kirche ist
ebenso also klar, dass man sich an diesen Auswüchsen nicht beteiligen darf."
ARTIKEL KUNST
"STREET ART IST
UNDERGROUND"
Judentum - Zins: Ja. Wucher: Nein!
ARTIKEL KUNST
DIE STADT, DAS
LAND, DAS KINO
"Mit Familie und Freunden, die in Not geraten sind, soll man keine Geschäfte machen", erklärt Elisa
Klapheck, liberale Rabbinerin und Publizistin in Frankfurt am Main, eines der Hauptprinzipien des
Judentums. Drei Formen von Zinsverbot legt das Judentum fest. Zinsen dürfen nicht gegenüber
Armen geltend gemacht werden, sie dürfen nicht in "Wucher" umschlagen, und – wie oben erwähnt
– nicht gegen Familien geltend gemacht werden, wobei die Definition von Familie im Judentum sich
auf das Volk im Allgemeinen bezieht. Grundsätzlich jedoch seien Zinsen nötig. Um etwas zu
finanzieren, könne Geld verliehen werden. So fasst Klapheck Kredit als Ausdruck des Vertrauens
zusammen, bei dem die Überzeugung wichtig ist, dass das Geld zurückgezahlt wird. Der Zins diene
als Ausgleich für das Risiko, das der Geldgeber hat, weil er das Geld geliehen hat. "Auch für das
Gemeinwohl, wenn es um eine Altersvorsorge geht, ist für gute Sachen Zins erlaubt", ergänzt
Klapheck.
ARTIKEL KUNST
WAS EINE
LEINWAND MIT
POLITIK ZU TUN
HAT
ARTIKEL KUNST
UND EIN BILD
DAZU
Eine große Rolle spiele bei der Regulierung von Geldgeschäften die Idee des Gemeinwohls. Eine
Idee, die auch bei einer Reform der Finanzwirtschaft zum Tragen kommen sollte, wobei der
historische Kontext, in dem sie entstanden sind, besonders interessant ist. Grundsätzlich soll sich
die Wirtschaft zwar allein organisieren, ein Riegel aber soll dort vorgeschoben werden, wo
spekulative Geschäfte Not verursachen. Früher waren das vor allem Spekulationsgeschäfte mit
Nahrungsmitteln, sagt Klapheck. "In solchen Fällen wurden Waren zurückgehalten, um ihren Wert
zu vermehren, obwohl die Menschen nichts zu essen hatten: Das ist eine Wertvermehrung, die der
Gemeinschaft nicht zugute kommt. Zinse sind in Ordnung, Wirtschaft ist in Ordnung,
wirtschaftliche Cleverness ist in Ordnung, sie soll der Gemeinschaft aber nicht schaden." Im
Judentum muss sich auch der Geschäftsmann mit seiner Welt auseinander setzen und
Verantwortlichkeit übernehmen, um das Gemeinwohl zu schützen.
ARTIKEL KUNST
"KANN MAN
DAVON LEBEN?"
ARTIKEL KUNST
120 MILLIONEN
FÜR EINEN
MUNCH?
Buddhismus - Grundzüge des Ethischen
Bankenwesens
Das Prinzip einer Verantwortung eines jeden
Einzelnen kommt auch einem buddhistischen
Verständnis der ökonomischen Moral sehr
nahe. Karl-Heinz Brodbeck ist Ökonom und
hat über buddhistische Wirtschaftsethik
geforscht und geschrieben, auf der Suche nach
einer Antwort zur Frage, wie Geld – vor allem
Geldgeschäfte – und der Buddhismus
miteinander zu vereinbaren sind. Er hat nicht
den Anspruch, eine grundlegende buddhistische Wirtschaftsethik zu formulieren. Dazu
unterscheiden sich die buddhistischen Schulen in ihren Interpretationen des überlieferten Kanons
zu sehr. Auf der Basis der Madhyamaka-Schule des Buddhismus geht er von dem Prinzip aus, dass
im Buddhismus "Geld eine gegenseitige Abhängigkeit aller menschlichen Beziehungen schafft, sei es
bei Arbeit oder zum Zwecke der Produktion. Dennoch hat Geld aber keine Substanz, ist im
Wesentlichen eine Illusion." Das Wert des Geldes hängt demnach von dem Vertrauen ab, dem wir
ihm beimessen.
Wie Brodbeck weiter ausführt, ist das, was wir derzeit beobachten, "ein systematischer Missbrauch
des Vertrauens". Banken sollten eigentlich Gelder verwalten und in Form von Krediten in Umlauf
bringen, doch missbrauchten sie das Vertrauen der Kunden für eigene Zwecke, "nämlich zum
Handel mit dem Geld und entwickeln Finanzprodukte, die in sich selber Betrug sind, z.B. das
Schneeballsystem. Die Finanzkrise ist also eine gigantische Vertrauenskrise. Von einem
buddhistisch ethischen Standpunkt aus ist das inakzeptabel." Der Ausweg könne nur "die Einsicht
der gegenseitigen Abhängigkeit und die richtige geistige Haltung sein. Deswegen sind ethische
Banken, die keine spekulativen Geldgeschäfte mit Waffen, Nahrungsmitteln und unzüchtigen
Geschäften treiben, so unterstützenswert."
Islam - Im Sinne der 99%
Mohammed mag als Prophet nichts gegen die Wirtschaft gehabt haben, aber seine Prinzipien zu
Geldgeschäften haben große Ähnlichkeit mit denjenigen der Occupy-Bewegung. Taoufik Bouhmidi
ist geschäftsführender Leiter der FMF - Finanzberatung für Muslime & Freunde in Frankfurt. Das
Finanzberatungsunternehmen, für das er arbeitet, orientiert sich an islamischen
Wirtschaftsprinzipien, allen voran dem Zinsverbot. Wie er erklärt, war der Prophet "Mohammed
zwar selber Geschäftsmann, aber Zinsen nehmen und geben hat er verboten und dagegen die
härtesten Sanktionen erhoben". Mit dem Zinsverbot wollte er die ungerechte Umverteilung des
Geldes bekämpfen.
Bouhmidi: "Im Islam ist Geld nur Tauschmittel und keine Ware an sich und darf sich aus sich
heraus nicht reproduzieren; das heißt, aus 100 Euro dürfen nicht ohne Ware im Hintergrund
einfach so 105 Euro werden." Der Grundgedanke dahinter sei auf ökonomische Gerechtigkeit
ausgerichtet. Die Befürchtung Mohammeds sei gewesen, dass sich langfristig der Großteil der
Menschen durch die Rückzahlung von Zinsen zwangsläufig versklave gegenüber einer Hand voll
Kreditgebern, die immer mehr Zinsen kassieren könnten. Darauf aufbauend sind spekulative
Geschäfte und Optionsgeschäfte ebenfalls streng verboten. Wer sich von einer islamischen Bank
Kredit leihe, müsse, so Bouhmidi, einen Prozentsatz seines Gewinns abtreten, aber er brauche sich
nicht davor fürchten, in Krisenzeiten seine Verpflichtungen nicht einhalten zu können. Damit stehe
der Kreditnehmer auf Augenhöhe mit dem Kreditgeber in einem partnerschaftlichen Verhältnis –
und in keinem der Sklaverei.
Hinduismus - Jeder für sich selber entscheiden
In Indien erlebt Religion zurzeit einen gewaltigen Aufschwung, der sich auch finanziell bemerkbar
macht. 2010 hat der Tirumala-Tirupati-Tempel in der indischen Provinz Andhra Pradesh den
Vatikan als reichste religiöse Stätte der Welt überholt. Die indische Mittelklasse wächst und wendet
sich immer mehr der Religion zu. Bei aller Liebe zum Geistigen ist der Hinduismus äußerst
pragmatisch, wenn es um die Moral der Geldgeschäfte geht. Vilwanathan Krishnamurthy ist
Vizepräsident des Sri-Ganesha-Hindu-Tempels in Berlin, Neukölln. Wie er sagt, sind Manager in
Großbanken niemandem anderes als sich selber verantwortlich: "Hindus haben als solche keine
moralische Verpflichtung; dennoch müssen sie sich im Klaren sein, dass sie für ihr nächstes Leben
verantwortlich sind. Das Prinzip von Kharma besagt, dass man in all seinen Handlungen das eigene
Schicksal bedenken muss."
Ein Prinzip, das ernst genommen wird. Auch wenn die Zahl der Milliardäre in Indien wächst, fielen
doch immer wieder auf den Straßen Indiens Yogis auf, die – wenn man mit ihnen ins Gespräch
kommt – teilweise von beträchtlichen Lebensläufen als Geschäftsleute, Manager, Banker erzählten.
Das ist ein relativ normaler Werdegang, erklärt Krishnamurthy: "Man sagt, bei uns hat man zwei
Leben in einem. Mit 60 legen viele Leute alles Materielle ab und erforschen, wer sie sind, was sie
geleistet haben und auf welchem Weg sie sind. Darunter sind auch einige ehemalige Geschäftsleute,
die alles an die Familie abgeben und meditieren. Alles, was sie haben, ist Stoff. Den Rest müssen sie
sich erbetteln." Wer sich seiner moralischen Verpflichtung als Manager nicht bewusst gewesen sei,
habe immer noch Zeit bis zu seinem Tod das nachzuholen.
Oliver Köhler schreibt für Zeitungen und Magazine. Er lebt in Berlin.
Fotos: ©Grammbo/ photocase.com; ©nino.ruti/ photocase.com
Links
Informationen zu Oberkirchenrat Thomas Begrich
Rabbinerin Elisa Klapheck auf der Seite der ARK (Allgemeine Rabbinerkonferenz)
Sri Ganesha Hindu Tempel in Berlin
Finanzberatung für Muslime und Freunde
Homepage von Karl-Heinz Brodbeck
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