Kolloquium zur Prüfungsvorbereitung Psychologie PD Dr. Klaus Konrad [email protected] [email protected] Beispiel Petra Petra sitzt an ihrem Schreibtisch. Noch vier Tage bis zur Numerik-Klausur. Wie soll sie das schaffen? Das ist Stoff für mindestens vier Wochen Full-TimePaukerei. Bei diesem Anlauf muss es klappen, sonst ist das Vordiplom gelaufen - und das Mathe-Studium sowieso. Petra fängt an ... Die Bewertung Man kann grundsätzlich die folgenden drei Normen für die Bewertung von Leistungen zugrundelegen: Lehrziele als Bezugsnorm (kriteriale Bezugsnorm) Leistungsverteilung in einer Gruppe als Bezugsnorm (soziale Bezugsnorm) eigene frühere Leistungen als Bezugsnorm (individuelle Bezugsnorm). Praxis: 50% Norm Zusammenfassung Persönliche Erfahrungen und Vorerfahrungen Bewertungssituation Gesellschaftliche, pädagogische Funktion Funktionen der Notengebung Lernzielebenen Lernzieltaxonomien Beispiele Bezugsnormen zur Festlegung einer Leistung Ausblick Lernen fängt mit dem Verstehen an Reduktion Elaboration Texte bearbeiten – SQ3R Pauken muss sein Sinnvolles Wiederholen Mnemotechniken Zeit- und Terminplanung Aufmerksamkeit/Konzentration Bedeutung – aktuelle Relevanz Abgrenzung Aufmerksamkeit vs. Konzentration Hirnbiologische Grundlagen Explikatives (erklärendes) Konstrukt für Schulleistung Unterschiedliche Modelle der Aufmerksamkeit Unser Vorwissen Was nicht wahrgenommen wird, gibt es nicht – stimmt das? Ist es sinnvoll beim Lernen Musik zu hören oder fern zu sehen? Kann unser Gehirn mehrere Informationen zeitgleich verarbeiten? In welcher Beziehungen stehen Aufmerksamkeit und Bewusstheit? Gibt es ein „Aufmerksamkeitszentrum“ im Gehirn? „Wer nicht wahrgenommen wird, den gibt es nicht“ Für einen Organismus ist Aufmerksamkeit eine zentrale Instanz beim Management der Informationsverarbeitung. Ihre Aufgabe ist die Selektion in einem Wettstreit nicht nur der Reize, die auf das Gehirn einwirken, sondern auch derjenigen internen Areale, die sie verarbeiten. Der Gewinner im Streit um die Aufmerksamkeit setzt sich auf Kosten aller anderen durch. Nur das, worauf die Aufmerksamkeit fällt, kann auch bewusst und dann erinnert werden. Aufmerksamkeit ist die primäre Ressource der Informationsgesellschaft Medien sind Träger einer gebündelten Aufmerksamkeit "Damit überhaupt Ordnung geschaffen werden kann im Chaos der verschiedenen Sinneseindrücke, schafft sich das Gehirn Zustände, in denen alles gleichzeitig behandelt wird." Doch das geschieht unbewusst. Im Mittelpunkt unseres Bewusstseins hingegen kann für einen Zeitraum von drei Sekunden immer nur eine Sache stehen. Multitasking: Der Stau im Kopf "Aber wir können gleichzeitig den Fokus der Aufmerksamkeit auf einem Sachverhalt halten und im Hintergrund mit 'gleitender Aufmerksamkeit' – wie wir es beim Autofahren tun – etwas anderes mitverfolgen. Wir können also durchaus Musik hören und gleichzeitig Mathehausaufgaben machen“. Unser Gehirn schaltet dann sehr schnell zwischen verschiedenen Kontexten hin und her. Aufmerksamkeit und Bewusstheit Nur die Inhalte, die auch mit Aufmerksamkeit besetzt sind, rücken ins Bewusstsein. Insofern spielt die selektive Aufmerksamkeit bei der Auswahl der Inhalte, die ins Bewusstsein kommen, und auch natürlich bei jenen, die gespeichert werden können, eine große Rolle Aufmerksamkeit kann von außen durch Sinnesreize oder von innen durch Emotionen oder andere Empfindungen erregt werden Eine Person hat für sich selbst den Eindruck, dass sie Aufmerksamkeit bewusst steuern und auf etwas Bestimmtes richten kann. Hirnbiologische Grundlage Aufmerksamkeit wird im Hirnstamm generiert cholinerges System: Acetylcholin noradrinerges System: Noradrenalin dopaminerges System: Dopamin serotonines System: Serotonin Besonders wichtig: cholinerges System, das den Thalamus direkt ennerviert und dort Bedingungen schafft, die für die Übertragung von Sinnesinformation besonders günstig sind. Verwaltung und Organisation der Aufmerksamkeit Die Zuteilung von Aufmerksamkeit unterliegt einem distributiv organisierten Wettbewerb, der sich in einem weitverzweigten Netzwerk selbst strukturiert Einen zentralistischen Dirigenten, der „Aufmerksamkeit“ verwaltet gibt es nicht. Ein starker oder unerwarteter Reiz zieht Aufmerksamkeit automatisch auf sich, aber das Gehirn setzt Prioritäten auch selbst, und das oft unbewusst Beispiel: Man sucht einen Namen, findet ihn nicht, die Aufmerksamkeit wandert zum nächsten Problem, und plötzlich taucht der gesuchte Name im Bewusstsein auf. Konzentration und Aufmerksamkeit Was ist Konzentration? „Unter Konzentration versteht man die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit auf relevante Dinge richten zu können und diesen Fokus aufrechterhalten zu können.“ (Weinberg et. al 1995) Was ist Aufmerksamkeit? „Die auf die Beachtung eines Objekts (...) gerichtete Bewusstseinhaltung, durch die das Beobachtungsobjekt bewusst wahrgenommen wird. Dabei tritt auf der Objektseite ein herausheben bestimmter Teilinhalte, auf der Subjektseite ein erhöhter konzentrierter Einsatz des Aufnahme und Verarbeitungsapparats ein.“ (Dorsch, Psychologisches Wörterbuch) Stress und Aufmerksamkeit Für das Gehirn gibt es einen optimalen Arbeitszustand Bei zuviel Aufregung sinkt die Konzentrationsfähigkeit Im Extremfall tritt das unter Schock ein. Beispiel Wenn man maximal aktiviert ist oder etwas Schreckliches erlebt hat, dann ist man nicht mehr in der Lage, Aufmerksamkeit selektiv zu handhaben. Dann nimmt man alle kleinen, unwichtigen Details wahr, was natürlich auf Kosten koordinierter Handlungen geht. Selektive Aufmerksamkeit Definition: Fähigkeit des Subjekts, selektiv bestimmte Wahrnehmungen, Ereignisse bzw. Informationen zu verarbeiten und andere Informationen dabei auszuschließen. Ziel ist dabei, bestimmte Informationen (möglichst ohne Interferenz mit anderen Informationen) dem Bewusstsein bzw. der Steuerung von Denken und Handeln zugänglich zu machen. Übersicht: Aufmerksamkeitsfunktionen Aufmerksamkeit Intensität Selektivität Fokussierung der Aufmerksamkeit Aufmerksamkeitsaktivierung intrinsisch phasisch Wechsel des Aufmerksamkeitsfokus Aufrechterhaltung der Aktivierung tonisch Monotone Umstände = Vigilanz Lange Aufgaben = Daueraufmerksamkeit Teilung des Aufmerksamkeitsfokus Selektive Aufmerksamkeit Cocktailparty-Phänomen Aufmerksamkeit „Eine wesentliche Funktion der Aufmerksamkeit ist die Selektion von bestimmten Inhalten oder Informationen. Ziel ist es die Informationen auszulesen, die für ein zielgerichtetes Denken und Handeln notwendig sind.“ Das Cocktailparty-Phänomen Stellen Sie sich vor, Sie besuchen eine Cocktailparty, bei der sich die Anwesenden in kleinen Gruppen zu Gesprächen zusammenfinden, während im Hintergrund Musik gespielt wird. Sie gesellen sich selbst zu einer Gruppe und nehmen an deren Unterhaltung teil. Den akustischen Hintergrund dieser Unterhaltung bildet eine Geräuschkulisse, die aus vielen akustischen Ereignissen besteht (Klingen der Gläser, Musik, Unterhaltung der anderen Gäste usf.). In einer solchen Situation können Sie leicht an sich selbst beobachten, dass sie zwar eine große Menge an Signalen gleichzeitig hören können, diese aber als Geräuschkulisse wahrnehmen, während sie sich auf einen Beitrag ihres Gesprächspartners konzentrieren. Sie nehmen auch das Gespräch einer benachbarten Gruppe nicht wahr, obwohl der Sprecher möglicherweise näher zu Ihnen steht als ihr derzeitiger Gesprächpartner. Diese Situation veranschaulicht einen wesentliche Funktion der Aufmerksamkeit, nur einen kleinen Teil der sensorisch enkodierten Signale bewusst zu verarbeiten (selektive Aufmerksamkeit). Klassische Ansätze zur selektiven Aufmerksamkeit Ergebnisse zum dichotischen Hören (Cherry, 1953) Dem linken und dem rechten Ohr einer Vp werden gleichzeitig je einen „Nachricht“ dargeboten. Eine der Nachrichten ist zu „beschatten“, d.h. laut nachzusprechen Theorien und Modelle Strukturmodelle Filtermodelle Kapazitätsmodelle Ressourcenmodelle Prozessmodelle Handlungsmodelle Selektive auditive Aufmerksamkeit Filtertheorie von BROADBENT (1958) Grundannahme: sensorische Information durchläuft das System ungehindert, bis es zu einer Verengung (Flaschenhals) kommt. Ausschließlich Infos, die bestimmten physikalischen Merkmalen entsprechen werden weitergeleitet und semantisch und bewusst verarbeitet. Selektive auditive Aufmerksamkeit Dämpfungstheorie von TREISMAN (1964) Informationen werden abgeschwächt weitergeleitet und nicht aufgrund physikalischer Eigenschaften ausgefiltert. Nutzung eines Wahrnehmungsfilters. Wie fördern /aktivieren Sie Ihre Aufmerksamkeit? Welche „Hilfsmittel“ und Strategien nutzen Sie? Tipps zur Aufmerksamkeit Eigene Aufmerksamkeit beobachten Sich munter machen Ablenkende Gedanken fixieren ... ... ... Wie gut können wir unsere selektive Aufmerksamkeit steuern? Der Stroop-Test: Aufgabe: Benenne möglichst schnell die Farbe, in der die Wörter geschrieben sind! Konzentrationstraining im Sport Tip 1: Sei ehrlich zu Dir selbst und schaffe im Training ähnliche Anforderungen an die Aufmerksamkeitskontrolle wie im Wettkampf. die meisten Athleten tendieren dazu, das Training so zu organisieren, dass möglichst wenig Ablenkung auftreten kann. Je mehr ein Sportler sich schon im Training daran gewöhnt, unter ablenkenden und ungünstigen Bedingungen Leistung zu bringen, desto besser wird er im Wettkampf sein. Finden Sie Möglichkeiten der Selbstkontrolle für die Prüfungsvorbereitung Konzentrationstraining im Sport Tip 2: Benutze Schlüsselwörter um die Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Aspekt der Situation zu richten. Schlüsselwörter können auch als Abrufreize für eine zuvor gelernte Reaktion oder Routine dienen. intruktional („Schulter vor!“) Übertragen Sie diese motivational („Los jetzt!“) Selbstanweisungen auf emotional ( „Locker...“) Prüfungssituationen Wichtig: Das Schlüsselwort sollte einfach sein und so trainiert werden, dass es die beabsichtigte Reaktion automatisch auslöst. Konzentrationstraining im Sport Tip 3: Etabliere Routinen, um die Aufmerksamkeit auf relevante Aspekte zu lenken. Das hilft, stabile Leistung auch in ungewohnten und ablenkenden Bedingungen sicherstellen. Welche Routinen helfen bei der Prüfungsvorbereitung weiter? Extratip: Der Abruf von Routinen lässt sich gut durch Schlüsselwörter vereinfachen! Konzentrationstraining im Sport Tip 4: Bleib in der Gegenwart! Eine Selbstbewertung der Leistung während der Ausführung bringt nichts. Sportler tendieren dazu, ihre Leistung schon während der Ausführung in „gut“ oder „schlecht“ einzuteilen. Meist kommt es dabei zu einem Rückbezug auf den Selbstwert oder einer Übergeneralisation („immer“, „nie“). Dies führt, neben motivationalen Problemen, zu erheblichen Aufmerksamkeitsproblemen während der Bewegungsausführung. Ein guter Sportler sollte nach einer schlechten Leistung in der Lage sein, (distanziert) nach möglichen Ursachen und Defiziten zu suchen, anstatt zu übergeneralisieren und an seinem Selbstwert zu zweifeln. Lernen und Gedächtnis Drei Modelle des Gedächtnisses Lernstrategien Gedächtnistricks Eine "alte" Theorie der Informationsverarbeitung R E Ii Z z E e Black Box Reaktion Gedächtnis Bezeichnet die Fähigkeit, Infos aufzunehmen und zu speichern (aufzubewahren) und bei Bedarf wieder abzurufen. Dieser Prozess vollzieht sich in einem Gedächtnissystem, dass aus mehreren Speichern besteht. Gedächtnisprozesse Enkodieren (erstmalige Verarbeitung von Infos, die zu Repräsentation im Gedächtnis führt) Speichern (Aufbewahrung des enkodierten Materials über die Zeit hinweg) Abrufen (auch „Retrieval“, späteres Wiederauffinden der gespeicherten Infos Das Mehrspeichermodell von Atkinson & Shiffrin, 1968 Modell 1 "Neue" Theorie der Info-Verarbeitung Interferenz Zerfall Wahrnehmung R e i z e Sensorisches Gedächtnis - visuell - auditiv - taktil Mustererkennung ArbeitsGedächtnis - phon. Schleife - Notizblock - Zentr. Exekutive Abrufen Speichern Langzeitgedächtnis - semantisch, episodisch, prozedural - explizit, implizit A n t w o r t Multi-Speicher-Modell Atkinson und Shiffrin und andere schlugen eines der detailliertesten und einflussreichsten MultiSpeicher-Modelle vor. Verarbeitungssystem = Gruppe von drei Gedächtnisstrukturen: den sensorischen Speicher den Kurzzeitspeicher und den Langzeitspeicher Merkmale der Gedächtnissysteme Kapazität Merkmale der Repräsentation dem externen Reiz sehr ähnlich Dauer Sensorisches Gedächtnis groß Arbeitsgedächtnis klein flexibel; phonologisch, visuell kurz; < 15 s Langzeitgedächtnis praktisch unendlich semantisch, verbal, visuell lang sehr kurz; < 5s Empirische Bestätigung für das MultiSpeicher-Modell Zahlreiche Befunde haben diese Annahme getrennter Kurz- und Langzeitspeicher unterstützt: Beeinträchtigungen durch Hirnschädigungen: So hatten Menschen mit Hirnschädigung (H.M.) zwar normale Gedächtnisspannen, waren aber oft nicht in der Lage, sich an neue Informationen zu erinnern. Diese Beobachtung legte das Vorhandensein eines separaten Kurzzeitspeichers nahe. Sensorisches Gedächtnis Annahme: es gibt für jede Sinnesmodalität ein sensorische Gedächtnis (Register). Sensorisches Gedächtnis im visuellen Bereich ist das Ikonische Gedächtnis (hier können große Infomengen über kurze Zeit (0,5 Sek.) gespeichert werden) oder im auditiven Bereich das Echoische Gedächtnis (Infos werden leicht durch neue ersetzt) Eigenschaften dieser Register passen zu unserer Interaktion mit der Umwelt. Wir machen ständig Erfahrungen mit neuen visuellen, auditiven usw. Stimuli (Reizen). Sie müssen verarbeitet werden. Bitte merken Sie sich die folgende Zahlenreihe 19451939191819141871 Kurzzeitgedächtnis (KZG) Mechanismus der das zeitweilige Speichern von Infos erlaubt. Begrenzte Kapazität, die Speicherkapazität ist auf ca. sieben (+/-2) Informationseinheiten begrenzt. 8173494285 JMRSOFLPTZB Verbesserung der Enkodierung ist möglich durch Wiederholen (zeitlich klug organisiert) Chunking, Prozess der Neuanordnung/Rekodierung aufgrund von Ähnlichkeiten oder anderen Organisationsprinzipien 19451939191819141871 1945 1939 1918 1914 1871 Prozesse des KZG • Der Abruf (Retrieval) aus dem KZG erfolgt sehr rasch. • Das KZG ist kein Ort, sondern ein Prozess (kurzfristige besondere Konzentration auf notwendige Elemente). • Ermöglicht psychologische Präsenz (Zwischenstation für Infos). So kann die Repräsentation einer sich verändernden Situation bewahrt werden. Langzeitgedächtnis (LZG) LZG ist der Speicher für alle Erfahrungen, Infos, Emotionen, Fertigkeiten, Wörter, Begriffsklassen, Regeln, Urteile usw., die man sich aus dem sensorischen und dem KZG angeeignet hat. Das LZG macht das Gesamtwissen einer Person über sich und die Welt aus. Ohne LZG ist der Mensch nicht lebensfähig Prozesse im LZG Fähigkeit zu erinnern wird optimal, wenn es gute Übereinstimmung gibt zwischen den Umständen unter denen Info enkodiert (Enkodierung) wurde und unter denen man versucht, sie abzurufen (Abruf). Beispiele für Abrufen: freie Reproduktion (Rekonstruktion von zuvor Gelerntem) Cued Recall Passives Wissen kann in Regel erinnert werden, wenn man einen Hinweis oder ein Stichwort bekommt. Wiedererkennen („recognition“). Schwierigkeiten beim Erinnern erfolgen meist beim Abrufen gespeicherter Infos. Eine Einteilung nach der Dauerhaftigkeit des Gedächtnisses reicht nicht Autobiografisches (episodisches G.) Gedächtnis: Dinge, die wir erlebt haben Faktengedächtnis (semantisches G.): Schulund Allgemeinwissen Prozedurales Gedächtnis: erlernte Bewegungsabläufe Priming-System: (unvollständige) Sinneseindrücke wiedererkennen Diese Fragen sollten Sie jetzt beantworten können! Worin unterscheiden sich autobiografisches Gedächtnis und Faktengedächtnis? Wielange speichern die sensorischen Register? Wielange speichert und wieviele Informationen umfasst der (1) Langzeitspeicher und der (2) Kurzzeitspeicher? Wie kann man das Kurzzeitgedächtnis erweitern bzw. verbessern? Wie kann man das Langzeitgedächtnis erweitern bzw. verbessern? Was bewirkt Wiederholung? Ja oder nein? Das Gedächtnis hat eine begrenzte Speicherkapazität Faktengedächtnis lässt mit zunehmendem Alter nach Es ist schwerer, sich an Dinge zu erinnern, die Sie nicht interessieren Angst verstärkt das Erinnerungsvermögen Jemand, der an Amnesie leidet, hat kein Gedächtnis Ihre Ess- und Trinkgewohnheiten können Ihr Gedächtnis beeinflussen Je jünger man ist, desto leichter fällt das Lernen Eine Erinnerung prägt sich für alle Zeiten ein Erinnerungen verändern sich im Laufe der Zeit Lesen Sie den Text und prägen Sie sich Details ein! Herr Markwart ist Hausmeister im Gebäudekomplex Albertstr. 303 in Berlin-Mitte. In diesem 11stöckigen schon etwas älteren Gebäude sind 110 Mietparteien untergebracht und der Hausmeister hat eigentlich nicht sehr viel zu tun. Nur neun Mietparteien sind gewerbliche Mieter, u.a. ein Rechtsanwalt und Steuerberater, zwei Ärzte, eine Unternehmensberatung, ein Zahnarzt und eine gutgehende Pension mit 25 Zimmern. Sehr viele junge Familien leben nicht im Haus. Die Miete ist mit 9,90 Euro pro Quadratmeter für den nicht gewerblich genützten Raum noch relativ preisgünstig, wenn man die zentrale Lage in der belebten und verkehrgünstig zu erreichenden Innenstadt berücksichtigt. Leider gibt es hier kaum Parkmöglichkeiten, dafür aber einen kleinen Park mit altem Baumbestand, Grünflächen und einem Ententeich, etwas sehr seltenes im Stadtzentrum. Nur wenige Mieter haben einen hauseigenen Parkplatz in unmittelbarer Nähe ihres Hauses. Seit vielen Jahren ist Albert Markwort in Berlin-Mitte Hausmeister des Hauses in der Adelbertstr. 303, einem 12stöckigen Neubaukomplex. Hier sind neben vielen jungen Familien auch 10 gewerbliche Mieter untergekommen, u.a. ein Steuerberater und Rechtsanwalt, zwei Ärzte, und eine Pension mit 25 Zimmern. Der Hausmeister hat immer viel zu tun aber die Geschäfte der Pension laufen schlecht. Die Miete ist mit knapp unter 10.- Euro pro Quadratmeter für private Mieter nicht wirklich teuer. Leider gibt es kaum Parkmöglichkeiten, aber einen Park. Fragen zum „Vergessen“? Können Informationen tatsächlich aus dem Gedächtnis gelöscht werden? Ist Vergessen nur ein Problem der Aufmerksamkeit? Funktioniert Vergessen wie eine Müllabführ des Gehirns? Stehen Personen, die Ihr Gedächtnis verloren haben vor dem autobiografischen Nichts? Ist Vergessen eine Strategie, um Energie zu sparen? Selbsttest Sie vergessen, wo Sie etwas hingelegt haben. Sie verlieren Gegenstände in der Wohnung oder im Haus. Sie erkennen Orte nicht wieder, wo Sie laut Aussage anderer schon öfters gewesen sind. Sie finden es schwierig, einer Fernsehsendung zu folgen. Sie müssen nachprüfen, ob Sie etwas erledigt haben, das Sie sich vorgenommen hatten. Sie beginnen, etwas zu lesen (ein Buch, eine Zeitschrift), ohne sich daran zu erinnern, dass Sie es schon einmal gelesen haben. Faktoren, die das Vergessen beeinflussen Depression Stress Alter Drogen Kopfstöße Nervosität Ernährung Vergessen Manchmal vergessen wir aber auch den Namen einer unsympathischen Person oder unangenehme Termine. Vergessen scheint also auch aufgrund von Emotionen zu erfolgen. "Spurenzerfallstheorie" und die "Interferenztheorie des Vergessens" Spurenzerfallstheorie = das Verstreichen der Zeit bewirkt das Vergessen Interferenztheorie des Vergessens entsteht Vergessen durch Überlagerung von Informationen. proaktiver Hemmung: – wenn der Abruf der gelernten Information von Ereignissen beeinträchtigt wird, die vor dem Lernen selbst aufgetreten sind. retroaktiver Hemmung – wenn der Abruf der gelernten Information von Ereignissen gestört wird, die nach dem Lernen folgen. Ebbinghaus: Die Vergessenskurve Ebbinghaus (1885): Über das Gedächtnis. Lernen von sinnlosen Silben im Selbstversuch PEL WUK BUP LOC ... Formen des Vergessens Proaktive Hemmung: zeitlich früher Gelerntes hemmt später Gelerntes. Retroaktive Hemmung: später Gelerntes hemmt früher Gelerntes. affektive Hemmung: hohe Erregung, Angst oder Abneigung gegen den Stoff hemmen sowohl den Erwerb als auch das Abrufen gespeicherter Informationen. (Ebbinghausche Lernkurve, Mehrmaliges Wiederholen) Gedächtnisprobleme, vor allem beim Abrufen („retrieval“) Retroaktive Interferenz Neues Wissen stört das Erinnern alten Wissens. Proaktive Interferenz Altes Wissen stört den Erwerb neuen Wissens. Gedächtnisproblem: Retroaktive Interferenz Retroaktive Interferenz: Neues Wissen überlagert altes Wissen. Experiment: KG: Liste 1 lernen - Pause --------- - Liste-1-Test EG: Liste 1 lernen - Liste 2 lernen - Liste-1-Test Kontrollgruppe (KG) > Experimentalgruppe (EG) ist Nachweis von retroaktiver Interferenz. Beispiel: Ähnlichkeit von Liste 1 und Liste 2 Gedächtnisproblem: Proaktive Interferenz Proaktive Interferenz: Altes Wissen erschwert den Erwerb neuen Wissens. Experiment: KG: Pause - Liste 2 lernen - Liste-2-Test EG: Liste 1 lernen - Liste 2 lernen - Liste-2-Test Kontrollgruppe (KG) > Experimentalgruppe (EG) ist Nachweis von proaktiver Interferenz. Fazit Beim Vergessen spielen wahrscheinlich beide Prozesse, also das Verstreichen der Zeit und Interferenzen, eine Rolle. Nach neueren Befunden ist das Vergessen gut-gelernter Informationen in erster Linie ein Ergebnis von Abruffehlern, d.h. die Information ist noch da, aber wir können sie nicht abrufen. Entstehungsgeschichte Arbeitsgedächtnis Das Multi-Speicher-Modell wurde u.a. deshalb kritisiert, weil die Darstellung des Kurzzeitgedächtnisses und des Langzeitgedächtnisses übervereinfacht war. Studien mit Doppelaufgaben (Baddeley und Hitch (1974)), bei denen zwei verschiedene Denk- und Gedächtnis-tätigkeiten gleichzeitig durchzuführen waren, ergaben klare Hinweise darauf, dass die Kapazität unseres Kurzzeitgedächtnisses durchaus aus mehr als die von Miller (1956) postulierten 7 plus/minus Einheiten betragen kann (vgl. Baddeley, 1990). Diese Befunde veranlassten Baddeley und Hitch (1974) dazu, das Konzept des Kurzzeitgedächtnisses durch ein Arbeitsgedächtnis (working memory) zu ersetzen. 2. Modell Arbeitsgedächtnis 3 Komponenten: Eine modalitätsfreie zentrale Exekutive ähnlich der Aufmerksamkeit - Sie hat eine limitierte Kapazität, und wird bei den meisten Denkanforderungen verwendet. Dienstsysteme (slave systems) artikulatorische oder phonologische Schleife (articulary loop), die die Information in einer phonologischen Form erhält visuell-räumliches Notizbuch (visuo-spatial scratch pad od. Sketch pad), welches für räumliche und/oder visuelle Kodierung spezialisiert ist. Arbeitsgedächtnis (Baddeley, 2000) Das AG ist ein System für Verarbeitung und Speicherung von Information und die Koordination der dafür erforderlichen Ressourcen; es umfasst drei Komponenten: "Phonologische Schleife" "Visuell-räumlicher Zeichenblock" "Zentrale Exekutive" Arbeitsgedächtnismodell Visuell-räumlicher Notizblock Phonologische Schleife Zentrale Exekutive Visuelle Semantik Episodisches LZG Sprache Nachteile Die Rolle, welche die zentrale Exekutive spielt, bleibt relativ unklar. begrenzter Kapazität, aber es erwies sich als schwierig, diese Kapazität zu messen. modalitätsfrei und bei zahlreichen Prozessoperationen beteiligt, aber die präzisen Beschränkungen ihres Funktionierens bleiben unklar. Von besonderer Bedeutung ist, dass es eine wachsende Anzeichen/Hinweise dafür gibt, dass die zentrale Exekutive nicht einheitlich ist. Esslinger & Damasion (1985) untersuchten einen ehemaligen Buchhalter (EVR), der einen großen (zerebralen) Hirntumor gehabt hatte. Er hatte einen hohen IQ und zeigte das bei Tests erforderliche Schließen, flexible Hypothesentesten und Resistenz gegenüber Ablenkung und Gedächtnis-Interferenz, so dass die zentrale Exekutive intakt zu sein schien. Trotzdem zeigte er extrem schwaches Entscheidungsverhalten und Urteilen (z.B. brauchte er Stunden, um zu entscheiden, wo er essen sollte) und als Folge davon wurde er bei vielen Arbeitsstellen entlassen. Modell der Verarbeitungsebenen 3. Modell Das Modell der Verarbeitungsebenen geht auf Craik und Lockhart (1972) zurück. Die bisher dargestellten Forschungsergebnisse zeigen, dass Menschen Informationen auf flexible Weise enkodieren. Sie legen auch nahe, dass man sich an phonemisch kodierte Informationen nur über kurze und sich über relativ lange Zeiträume an semantisch kodierte Informationen erinnern kann. Das Modell der Verarbeitungsebenen konnte diese Erkenntnisse in einem kohärenten Rahmen integrieren. Modell der Verarbeitungsebenen Verabeitungstiefe (Craik & Lockhart, 1972) Tiefe = Bedeutung des Stimulus, nicht die Zahl der Verarbeitungsschritte Orientierungsaufgaben: semantisch, phonologisch, visuelle Merkmale Sehr gute inzidentelle (beiläufig) Behaltensleistung für semantische Orientierung Wichtiger Beitrag: Fokussierung der Relevanz der Enkodiersituation für Gedächtnis Gute Gedächtnisleistung Verarbeitungstiefe (Selbstbezug >) semantisch > phonologisch > visuell inzidentell praktisch so gut wie intentional Beispiel: Experimente in Vorlesung Grad der Elaboriertheit Je vielfältiger neues Wissen mit altem in Bezug gesetzt wird, desto besser wird es behalten Beispiel: Generieren besser als Lesen von Verben Gute Gedächtnisleistung Bei Vermeidung von retroaktiver und proaktiver Interferenz Reduktion der Ähnlichkeit von Lernmaterial Verfügbarkeit von geeigneten Hinweisreizen Enkodierspezifität/Kontexteffekte Kongruenz von Einpräge- und Erinnerungsphase, state dependency Beispiele: Lernen und Erinnern unter/über Wasser, Stimmungs- und Raumeffekte Lernstrategien Organisieren Elaborieren Wiederholen • Organisieren Informationen ordnen Relevanz Themen, Kategorien, Oberbegriffe Techniken einsetzen wie Unterstreichen Herausschreiben Mind mapping (Begriffsnetz)e) Lernstrategien Organisieren Elaborieren Wiederholen • Elaborieren „Tiefe“, semantische Bearbeitung explizite Bezüge zum Vorwissen herstellen Beispiele, Kommentare, Querverbindungen kluges Lesen (sich vorher Fragen stellen) Mnemotechniken bildhafte Vorstellungen Loci-Methode Schlüsselworttechnik Klassische Gedächtniskunst: Mnemonik mit Orten und Bildern (loci et imagines) Historie: Simonides (um 556 – 468) als Erfinder der Mnemonik Grundlegendes Prinzip: Lerninhalte werden über Vorstellungsbilder verortet Praktische Vorgehensweise 1. Gut bekannte Folge von Orten auswählen 2. Orte liegen an einem gemeinsamen Weg 3. Orte haben eine feste Reihenfolge 4. Vorstellungsbilder der zu lernenden Begriffe bildhaft mit den verschiedenen Orten assoziieren 5. Verwendung besonders bizarrer Assoziationen 6. Beim Abrufen der Begriffe (Vorstellungsbilder) in der Vorstellung den Weg von Ort zu Ort durchgehen Lernstrategien Organisieren Elaborieren Wiederholen • Wiederholen Behalten wird durch öftere Beschäftigung mit dem Stoff besser Üben (Wiederholung des Tuns) Wiederholungen verteilen Pausen und Erholung einplanen Gedächtnistricks Seit der Antike werden Gedächtnishilfen benutzt, die auf bildlichen Vorstellungen beruhen. Laut Cicero (der im 1. Jahrhundert v.Chr. lebte) wurde die erste Gedächtnishilfe dieser Art um das Jahr 500 v.Chr. von dem griechischen Dichter Simonides entwickelt. Simonides malte sich einen Raum mit markanten Ecken und Vorsprungen aus. Um eine Reihe von Gegenständen zu behalten, stellte er diese Gegenstände im Geiste an bestimmte Stellen im Raum Einkaufsliste im Kopf Denken Sie an die Gegenstände, die Sie sich merken wollen und platzieren Sie sie an den ausgewählten Stellen in Ihrer Wohnung oder eines bekannten Weges. Es kommt vor allem darauf an, sich eine eigene Route auszuwählen, deren Stationen Sie sehr gut kennen. Vielleicht denken Sie an markante Orte in Ihrer Straße, etwa eine beschädigte Laterne, einen Briefkasten oder eine Bushaltestelle. Oder Sie wählen sich zehn markante Stellen in ihrer Wohnung aus, die eine natürliche Reihenfolge ergeben, etwa indem Sie sich vorstellen, vom Eingang über den Flur in die Küche zu gehen und so weiter. Telefonnummern und Zahlen Um sich Zahlen - wie etwa Telefonnummern - zu merken, bietet sich eine erste Übersetzung der Zahlen in Begriffe an, unter denen man sich mehr vorstellen kann. Um die Zahl-Wort-Verknüpfungen einfacher zu behalten, werden Begriffe gewählt, die sich mit den entsprecheden Zahlen reimen. Beispiel: 069/109458 Nun lassen sich komplizierte mehrstellige Zahlen behalten, indem man aus den Worten eine Geschichte bastelt. "Der Schnuller (0) ist bekleckst (6) und liegt in der Scheune (9). Der Vater schimpft: Heinz (1), du sollst den Schnuller (0) nicht immer mit in die Scheune (9) nehmen. Vor Aufregung fällt dem Vater das Bier (4) runter und bekleckst seine Strümpfe (5) und seine Tracht (8)." Eine Alternative ist die folgende Übersetzung der Zahlen 0 = Ei 1 = Einhorn 2 = Zwillinge 3 = Dreirad 4 = Stuhl (mit vier Beinen) 5 = Hand (mit fünf Fingern) 6 = Würfel (mit sechs Seiten) 7 = Siebenschläfer 8 = Sanduhr 9 = Kegelspiel Namen merken Berufsnamen Tiernamen Herr Nuskowsky könnte doch mit einer Nuss auf dem Kopf Ski fahren