Zurich Open Repository and Archive University of Zurich Main Library Strickhofstrasse 39 CH-8057 Zurich www.zora.uzh.ch Year: 2016 Festschrift Georg Friedrich Götz-Preis Edited by: Georg-Friedrich-Götz-Stiftung Posted at the Zurich Open Repository and Archive, University of Zurich ZORA URL: https://doi.org/10.5167/uzh-124049 Published Version Originally published at: Festschrift Georg Friedrich Götz-Preis. Edited by: Georg-Friedrich-Götz-Stiftung (2016). Zürich: Universität Zürich. Georg-Friedrich-Götz-Stiftung Medizinische Fakultät der Universität Zürich Georg-Friedrich-Götz-Preis 2011 Festschrift Georg-Friedrich-Götz-Preis 2010 aus Anlass der Verleihung des Georg-Friedrich-Götz-Preises 2011 Prof. Dr. med. Onur Boyman «Neue Behandlungsansätze für Tumore und Autoimmunerkrankungen» Dr. med., Dr. sc. nat. Ataman Sendoel «Sauerstoff und der programmierte Zelltod» 9. Juni 2011 Inhaltsverzeichnis Tagungsprogramm 7 Georg Friedrich Götz 9 Laudationes 10 Die Preisträger 2010 15 Bisherige Preisträger 16 Neue Behandlungsansätze für Tumore und Autoimmunerkrankungen 30 Nützliche und schädliche Immunantworten 30 IL -2/Anti-IL -2-Antikörper-Komplexe 32 Literaturliste 42 Sauerstoff und der programmierte Zelltod 44 Referenzen 58 5 Tagungsprogramm Götz-Preisverleihung vom 9. Juni 2011 Grosser Hörsaal Ost, UniversitätsSpital Zürich 17.00 Uhr Begrüssung der Gäste durch Prof. Dr. Dr. Klaus W. Grätz, Dekan 17.10 Uhr Einführung und Würdigung des Preisträgers Prof. Dr. med. Onur Boyman durch Prof. Dr. Dr. Klaus W. Grätz, Dekan 17.15 Uhr Kurzreferat von Prof. Dr. med. Onur Boyman, Dermatologische Klinik und Poliklinik, UniversitätsSpital Zürich 17.40 Uhr Einführung und Würdigung des Preisträgers Dr. med., Dr. sc. nat. Ataman Sendoel durch Prof. Dr. Dr. Klaus W. Grätz, Dekan 17.45 Uhr Kurzreferat von Dr. med., Dr. sc. nat. Ataman Sendoel, Institut für Molekulare Biologie, Universität Zürich 18.10 Uhr Preisverleihung durch Prof. Dr. Andreas Fischer, Rektor der Universität Zürich, Präsident der Georg-Friedrich-Götz-Stiftung 18.15 Uhr Apéro 7 Georg Friedrich Götz und die Gründung einer Stiftung für den Fortschritt in der Medizin Georg Friedrich Götz wurde am 28. April 1893 in Frankfurt am Main geboren. Er war in mehreren Bereichen erfolgreich geschäftlich tätig, so bereits in jungen Jahren als Führer eines Tabakgeschäftes. Später betrieb er seine Firma MDF (Mittel-Deutsche-Fahrscheinfabrik) bei Frankfurt, wo Fahrscheine für Busse und Strassenbahnen gedruckt wurden. Vermögend geworden, zog Georg Friedrich Götz sich in den Fünfziger Jahren aus dem aktiven Geschäftsleben zurück. 1960 siedelte er gemeinsam mit seiner späteren Ehefrau Heidi Hergenröther in die Schweiz nach Ascona. Zwei Jahre später erkrankte er an einem Lungenkarzinom und wurde zur Operation nach Zürich ins Bethanien-Krankenhaus überwiesen, wo Dr. Karl Mülly ihn erfolgreich operierte. Mit dem Arzt verband Georg Friedrich Götz anschliessend eine herzliche Freundschaft und gemeinsam entwickelten sie die Idee einer Stiftung, die hervorragende medizinische Leistungen belohnen sollte. Am 22. Mai 1964 wurde die «Georg Friedrich Götz-Stiftung» in Zürich offiziell gegründet. 1968 musste Georg Friedrich Götz sich wieder ins Krankenhaus begeben, diesmal wegen einer schweren Darmerkrankung. Er wurde wieder von Dr. Karl Mülly operiert. Auf diese erneute Operation hin beschloss Georg Friedrich Götz, die Stiftung bereits im darauffolgenden Jahr in Kraft zu setzten. Der erste «Georg Friedrich Götz-Preis» wurde 1969 an Professor Lindenmann vom Institut für Medizinische Mikrobiologie für seine Grundlagenforschungen über den Krebs verliehen. 1972 erkrankte Georg Friedrich Götz an Prostatakrebs, wovon er sich nicht mehr erholte. Am 21. November desselben Jahres starb er in der Klinik St. Agnese in Muralto und wurde auf seinen Wunsch im elterlichen Grab in Frankfurt-Griesheim beigesetzt. 9 Laudationes Die Götz-Preis-Kommission, bestehend aus Herrn Prof. A. Aguzzi (Präsident), Frau Prof. A. Trkola und Herrn Prof. G.A. Spinas schlägt für den Götz-Preis 2011 folgenden Kandidaten vor: Herrn Prof. Dr. med. Onur Boyman 10 Begründung Herrn Prof. Boyman wurde erstmals im Juni 2009 von der Dermatologischen Klinik eingeladen, um einen Vortrag über seine Forschungsresultate zu halten. Dabei hat er hochinteressante Daten vorgestellt, gemäss derer er in der Lage war, das Immunsystem mittels sogenannter Zytokin/Antikörper-Komplexe selektiv und äusserst effizient zu stimulieren. Somit konnte er durch diese Behandlung eine sehr starke Anti-Tumorantwort gegen das Melanom bewirken, ohne jedoch dabei bedeutende schädliche Nebeneffekte zu erzeugen. Diese Resultate wurden kürzlich in den «Proceedings of the National Academy of Sciences USA » publiziert und basierend auf Prof. Boymans origineller Arbeit, welche 2006 in «Science» erschienen ist. Aber auch vor 2009 war Prof. Boyman kein Unbekannter für die Dermatologische Klinik des USZ . Hier hat er nämlich nach seinem Medizinstudium während mehrerer Jahre die Immunpathologie der Psoriasis erforscht und ein einzigartiges Mausmodell für die Psoriasis entwickelt, in welchem die Haut und Immunzellen menschlichen Ursprungs sind. Diese Arbeit wurde im «Journal of Experimental Medicine» publiziert, und dieses Modell wird derzeit weltweit in der akademischen sowie industriellen Grundlagen- und präklinischen Forschung benutzt. Auch wurde Prof. Boyman während dieser Zeit von seinen Mitarbeitern auf professionellem wie auch persönlichem Niveau stets äusserst geschätzt. In diesem Jahr hat Prof. Boyman eine Förderungsprofessur des SNF erhalten, welche es ihm ermöglicht hat, zusammen mit seiner Forschungsgruppe an unsere Klinik zurückzukehren, worüber ich mich sehr freue. Im Rahmen dieser Förderungsprofessur ist Prof. Boyman auch klinisch tätig, da er über eine Spezialisierung in Allergologie und klinischer Immunologie wie auch Innerer Medizin verfügt. Alles in allem ist Prof. Boyman ein äusserst begabter Kliniker und Forscher sowie ein sehr geschätzter Mitarbeiter. Die Mitglieder des Preiskomitees sind der Meinung, dass Prof. Boyman die Tätigkeiten eines «clinical scientist» auf geradezu vorbildlicher Weise ausführt. Sein Leistungsausweis lässt noch Grosses von ihm in der Zukunft erwarten. Laudatio Der Georg Friedrich Götz-Preis 2011 wird an Prof. Dr. med. Onur Boyman verliehen in Anerkennung seiner Beiträge zur Forschung auf dem Gebiet der Immunologie, und besonders für die Modulation von Immunantworten durch Antikörper-Zytokin Immunkomplexen sowie der Pathogenese der Psoriasis. Prof. Dr. Dr. K. W. Grätz Dekan Prof. Dr. A. Aguzzi Präsident der Götz-Preis-Stiftung 11 Laudationes Die Götz-Preis-Kommission, bestehend aus Herrn Prof. A. Aguzzi (Präsident), Frau Prof. A. Trkola und Herrn Prof. G. A. Spinas schlägt für den Götz-Preis 2011 folgenden Kandidaten vor: Herrn Dr. Ataman Sendoel 12 Begründung Herr Dr. Sendoel ist Postdoktorand am Institute of Molecular Life Sciences der Universität Zürich. Er hat an der Universität Zürich und Lausanne Medizin studiert und nach dem Staatsexamen seine Ausbildung mit dem postgraduate Kurs in experimenteller Medizin und Biologie fortgesetzt. Um seine Forschungsarbeit weiter vertiefen zu können, ist er danach dem Labor von Prof. Dr. Michael Hengartner beigetreten und hat im Rahmen des MD -PhD Programms seinen PhD in Molekularbiologie erworben. Er ist seit Anfang 2009 als Postdoktorand bei Prof. Dr. Michael Hengartner tätig, wobei er einen Teil seiner Forschungstätigkeit im renommierten Cold Spring Harbor Laboratory in New York bei Prof. Dr. Scott Lowe fortgesetzt hat. Das Hauptaugenmerk der Forschung von Dr. Sendoel gilt dem programmierten Zelltod (Apoptose). In einem Hauptteil seiner Arbeit untersuchte er den Zusammenhang zwischen Hypoxie (Sauerstoffmangel) und der Auslösung der Apoptose. Er konnte zeigen, dass Signaltransduktionswege, die durch die Hypoxie aktiviert werden, den Zelltod komplett blockieren können. In diesem Zusammenhang konnte er im Rundwurm C. elegans ein neues Gen namens tyr-2 identifizieren, welches durch Hypoxie induziert wird um den programmierten Zelltod zu blockieren und dadurch diese zwei biologischen Prozesse verknüpft. Besonders interessant daran ist, dass dieser Mechanismus nicht-zellautonom ist. Er konnte nämlich zeigen, dass hypoxische Zellen durch Sekretion von tyr-2 die Nachbarzellen daran hindern können den Zelltod einzuleiten, ein Mechanismus also, wodurch über Sein oder Nicht-sein weit entfernter Zellen bestimmt werden kann. Da fast alle soliden Tumore solche hypoxische Bereiche aufweisen, könnte diese Arbeit einerseits Antworten liefern, warum gewisse Tumore so therapieresistent sind. Im Weiteren konnte Dr. Sendoel zeigen, dass dieses Protein auch in Melanomen den Zelltod verhindert, eine Beobachtung die von grosser Bedeutung für die Entwicklung neuer Medikamente gegen diesen äusserst aggressiven Krebs sein könnten. Diese Erkenntnisse, die in der Fachzeitschrift «Nature» publiziert wurden, sind ein weiterer Schritt, die Komplexität eines Tumors zu verstehen und könnten helfen in Zukunft neuartige Therapieansätze zu entwickeln. Laudatio Der Georg Friedrich Götz-Preis 2011 wird an Dr. Ataman Sendoel verliehen in Anerkennung seiner Beiträge auf dem Gebiet der Krebsforschung. Prof. Dr. Dr. K. W. Grätz Dekan Prof. Dr. A. Aguzzi Präsident der Götz-Preis-Stiftung 13 Die Preisträger 2010 Prof. Dr. med. Onur Boyman Dermatologische Klinik und Poliklinik, UniversitätsSpital Zürich 15 Dr. med., Dr. sc. nat. Ataman Sendoel Institut für Molekulare Biologie, Universität Zürich Bisherige Preisträger des Georg Friedrich Götz-Preises 16 1969 Prof. Dr. Jean Lindenmann Institut für Medizinische Mikrobiologie der Universität Zürich «Grundlagenforschung über den Krebs» PD Dr. Dominik Felix Institut für Hirnforschung der Universität Zürich «Peptide als mögliche Ueberträgersubstanzen im Nervensystem» 1974 Prof. Dr. F. G. J. Hayhoe Departement of Medicine, Cambridge University, England «Leukämie und Lymphoma» PD Dr. Volker Henn Neurologische Klinik der Universität Zürich «Bewegungswahrnehmung und neuronale Organisation der vestibulo-oculomotorischen Kontrollvorgänge» Prof. Dr. Werner Straub Departement für Innere Medizin der Universität Zürich «Entstehung und Vermeidung von Thrombosen» Krankenhaus Bethanien, Zürich – einmaliger Beitrag 1975 Prof. Dr. Willhelm Rutishauser Departement für Innere Medizin der Universität Zürich «Angiographische Analyse der Herzfunktion» Prof. Dr. Hans Peter Krayenbühl Departement für Innere Medizin der Universität Zürich «Beziehung zwischen Parametern der Ventrikelkontraktilität und dem chronisch belasteten Myokard» PD Dr. Marko Turina Chirurgische Klinik A der Universität Zürich «Entwicklung einer Herz-Lungenmaschine für Säuglinge und Kleinkinder» 1977 Prof. Dr. Alexander A. Borbély Pharmakologisches Institut der Universität Zürich «Schlaf- und Schlafrhythmen: Parallelen zwischen Ratte und Mensch» PD Dr. Herbert M. Keller Neurologische Klinik der Universität Zürich «Doppler-Ultraschall-Verfahren zur nichtinvasiven Abklärung zerebraler Durchblutungsstörungen» PD Dr. Gerd Niemeyer Augenklinik der Universität Zürich «Beiträge zum Verständnis der Netzhautfunktion» 1978 Prof. Dr. P. Deyhle Departement für Innere Medizin der Universität Zürich «Grundlegende Beiträge zur endoskopischen Diagnostik und Elektrochirurgie» PD Dr. Andreas Grüntzig Departement für Innere Medizin der Universität Zürich «Rekanalisation von Arterienstenosen mittels Dilatationskatheter – Erfahrungen mit Beinarterien und Herzkranzgefässen» 17 Bisherige Preisträger des Georg-Friedrich-Götz-Preises 1979 Dr. Ernst Rinderknecht Biochemisches Institut der Universität Zürich «Isolierung und Strukturaufklärung von zwei insulinähnlichen Wachstumshormonen» 18 PD Dr. Jürgen L. Zapf Departement für Innere Medizin der Universität Zürich «Wirkungsweise von zwei insulinähnlichen Wachstumshormonen und Entdeckung des spezifischen Trägereiweisses dieser Hormone» PD Dr. med. Peter Grob Departement für Innere Medizin, Klinische Immunologie der Universität Zürich «Zahlreiche Beiträge zur klinischen Immunologie» 1982 PD Dr. med. Beat Steinmann Stoffwechselabteilung Universitäts-Kinderklinik Zürich «Erbkrankheiten des Bindegewebes-Modelle für das Verständnis erworbener Störungen» 1980 Prof. Dr. Jan A. Fischer Orthopädische Klinik der Universität Zürich «Nachweis der differenziert regulierenden Wirkung von extrazellulärem Kalzium und Magnesium auf die Sekretion von Parathyreoidhormon» PD Dr. med. Rainer Otto Röntgendiagnostisches Zentralinstitut UniversitätsSpital Zürich «Krebsdiagnostik im Abdomen mittels Ultraschall und Computertomographie» Prof. Dr. Marcus C. Schaub Pharmakologisches Institut der Universität Zürich «Beiträge zum Verständnis der Funktionen der Regulationseiweisse und der Ca-Ionen bei der Muskelkontraktion" PD Dr. med. Gino Pedio Abt. Zytologie, Institut für Pathologie UniversitätsSpital Zürich «Die Wertigkeit der Feinnadelbiopsie in der Krebsdiagnostik» PD Dr. P. Rüegsegger Institut für Biomedizinische Technik der Universität und der ETH Zürich «Erleichterung der Osteoporoseforschung durch Entwicklung computertomographischer Verfahren für die Erfassung von graduellen Veränderungen in der Knochenmineralisation» 1981 Ass. Prof. Dr. med. H. Binz Institut für Immunologie und Virologie der Universität Zürich «Beiträge zur Charakterisierung des T-Zell-Rezeptors und zum Verständnis der Regulation der Immunantwort» PD Dr. med. Felix Walz Gerichtlich-Medizinisches Institut der Universität Zürich «Fussgängerverletzungen in Zürich bei Tempo 60 und während des Versuchs ‹Tempo 50› » PD Dr. sc. techn. Peter Niederer Institut für Biomedizinische Technik der Universität und ETH Zürich «Kollisionsablauf und Schweregrad der Fussgängerunfälle bei 35 und 25 km/h Aufprallgeschwindigkeit» 19 Bisherige Preisträger des Georg-Friedrich-Götz-Preises PD Dr. med. Viktor Meyer Abteilung Chirurgie der Hand und peripheren Nerven Universitätsspital Zürich «Heutiger Stand der mikrochirurgischen Rekonstruktion peripherer Nerven» 20 1983 PD Dr. med. Adriano Fontana Departement für Innere Medizin, Klinische Immunologie der Universität Zürich «Wegweisende Beiträge zur Neuroimmunologie» PD Dr. med. Ruedi Lüthy Abteilung für Infektionskrankheiten Medizinische Poliklinik Universitätsspital Zürich «Wissenschaftliche und klinische Beiträge zur Chemotherapie von Infektionskrankheiten» 1984 PD Dr. med. Helmut L. Haas Neurochirurgische Klinik UniversitätsSpital Zürich «Die epileptische Nervenzelle» PD Dr. phil. Manuel Hulliger Institut für Hirnforschung der Universität Zürich «Zur Bedeutung der Fussmotorik bei natürlichen Bewegungen» Prof. Dr. med. Alex M. Landolt Neurochirurgische Klinik UniversitätsSpital Zürich «Hypophysenadenome – zellbiologische Modelle zwischen Endokrinologie und Neurochirurgie» 1985 Prof. Dr. sc. nat. Thomas Bächi Institut für Immunologie und Virologie der Universität Zürich «Strukturelle und funktionelle Charakterisierung von Viren» Prof. Dr. med. Peter St. Groscurth Anatomisches Institut, Abteilung Zellbiologie der Universität Zürich «Morphologie der durch T-Lymphozyten und Makrophagen vermittelten Zytolyse» 1986 PD Dr. sc. nat. Hans Hengartner Institut für Pathologie der Universität Zürich «Die durch T-Lymphozyten vermittelte Immunantwort: Antigenerkennung und Effektormechanismus» PD Dr. med. Reinhard A. Seger Medizinische Klinik, Kinderspital Zürich «Kongenitale Erkrankungen des Phagozytose-Systems: Ihr Beitrag zum Verständnis der Infektabwehr» 1987 PD Dr. med. dent. Werner-Hans Mörmann Zahnärztliches Institut der Universität Zürich «Computer-unterstützte Zahnrestaurationen mit Keramik- und Kunststoffmaterialien» 1988 PD Dr. phil. II Peter Bösiger Institut für Biomedizinische Technik und Medizinische Informatik der Universität und ETH Zürich «Kernspintomographische Erfassung von Gewebeveränderungen und Organfunktionen» 21 Bisherige Preisträger des Georg-Friedrich-Götz-Preises Prof. Dr. med. Anton Valavanis Leiter der Abteilung für Neuroradiologie, Departement Medizinische Radiologie des UniversitätsSpitals Zürich «Fortschritte in der Diagnostischen und Interventionellen Neuroradiologie» 22 1990 Prof. Dr. med. Otto M. U. Hess Departement für Innere Medizin Medizinische Poliklinik, Kardiologie des UniversitätsSpitals Zürich «Koronare Vasomotorik und Myokardperfusion» PD Dr. med. Peter Josef Meier-Abt Abteilung für Klinische Pharmakologie Medizinische Klinik des UniversitätsSpitals «Hepatozelluläre Transportsysteme und deren Bedeutung für die Ausscheidung von Arzneimitteln in die Galle» 1991 PD Dr. med. Ludwig Karl von Segesser Departement für Chirurgie, UniversitätsSpital Zürich «Gefahrlose Herz-Lungenmaschine?» Prof. Dr. med. Peter Sonderegger Biochemisches Institut, Universität Zürich «Molekulare Analyse des Axonwachstums» 1992 Frau Prof. Dr. med. Charlotte Elisabeth Remé Augenklinik, UniversitätsSpital Zürich «Wo viel Licht, da viel Schaden: Lichtwirkungen und Lichtschäden in der Netzhaut» Dr. sc. nat. ETH Hanspeter Pircher Departement Pathologie, UniversitätsSpital Zürich «Immunologische Reaktivität und Toleranz von T-Lymphozyten analysiert in transgenen Tiermodellen» 1993 Frau PD Dr. med. Leena Bruckner-Tudermann Westfälische Wilhelms-Universität Münster «Genetisch bedingte Hautblasen: Ein Naturexperiment zum Zusammenwirken zwischen Epithel und Mesenchym» Prof. Dr. med. Manfred Frey Klinik für Wiederherstellungschirurgie UniversitätSpital Zürich «Das Lächeln: Chirurgische Rekonstruktion und Quantifizierung» 1994 PD Dr. Ulrich Klaus Franzeck Departement für Innere Medizin, Abteilung Angiologie, UniversitätsSpital Zürich «Transkutane Sauerstoffpartialdruckmessungen bei peripheren Durchblutungsstörungen» PD Dr. Christoph Schmid Departement für Innere Medizin, Abteilung Endokrinologie und Stoffwechsel, UniversitätsSpital Zürich «IGF I als endokrin und parakrin gesteuerter und wirksamer Wuchs- und Differenzierungsfaktor des Knochens» 23 Bisherige Preisträger des Georg-Friedrich-Götz-Preises 1995 PD Dr. rer. nat. Graeme McKinnon Magnetresonanz-Zentrum, UniversitätsSpital Zürich «Temperature Monitoring and Interventional Device Positioning in Magnetic Resonance Imaging» 24 PD Dr. med. Andrea Superti-Furga Abteilung für Stoffwechsel- und Molekularkrankheiten Universitäts-Kinderklinik «Es muss nicht immer Kollagen sein: Chondrodysplasien und Sulfatstoffwechsel» 1996 PD Dr. Christine Bandtlow Institut für Hirnforschung, Universität Zürich «Wirkungsmechanismen von Hemmstoffen des Nervenfaserwachstums im Gehirn: ein Blick hinter die Kulissen» PD Dr. Norbert Dillier Klinik für Ohren-, Nasen- Hals- und Gesichtschirurgie, UniversitätsSpital Zürich «Auf der Suche nach der optimalen Sprachcodierung für Cochlear Implants» 1997 PD Dr. Paul Komminoth Departement Pathologie, UniversitätsSpital Zürich «Pluriglanduläre, genetisch bedingte, endokrine Neoplasien: von der Morphologie zur Molekulargenetik» PD Dr. Jean-Marc Fritschy Institut für Pharmakologie, Universität Zürich «Struktur und Regulation von Neurotransmitter-Rezeptoren» 1998 PD Dr. Martin Meuli Kinderspital Zürich «Fetal Surgery for Myelomeningocele» PD Dr. Dominik Straumann Neurologische Klinik, UniversitätsSpital Zürich «When Nerve Cells Bounce out of Control ... Instability of the Saccadic Systems after Deafferentiation from the Omnipause Neurons» 1999 PD Dr. Thomas Kündig Dermatologische Klinik, UniversitätsSpital Zürich «Verfahren zur Steigerung der Immunogenität von Impfstoffen» 2000 PD DR. med. vet. Max Gassmann Physiologisches Institut, Universität Zürich «Sauerstoffmangel und Erythropoietin» Prof. Dr. med. Hans-Uwe Simon Pharmakologisches Institut, Universität Bern «Regulation of eosinophil and neutrophil apoptosis – similarities and differences» PD Dr. med. Franz Vollenweider Psychiatrische Universitätsklinik Zürich «Halluzinationen und Gehirn» 25 Bisherige Preisträger des Georg-Friedrich-Götz-Preises 2001 Dr. phil. nat. Thierry Hennet Physiologisches Institut, Universität Zürich «Kongeniale Defekte der Glykolysierung: von den Hefen zum Menschen» 26 Prof. Dr. med. Reinhard Dummer Dermatologische Klinik, UniversitätsSpital Zürich «Hauttumore verstehen und gezielt behandeln» PD Dr. med. Uwe Rudolph Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Universität Zürich «Eine neue Pharmakologie für Benzodiazepine» 2002 PD Dr. rer. nat. Jürgen Götz Psychiatrische Universitätsklinik Zürich, Abteilung für Psychiatrische Forschung «Die Alzheimer’sche Krankheit Wechselwirkung zwischen Tau und beta-Amyloid» PD Dr. med. Farhad Hafezi Augenklinik, UniversitätsSpital Zürich «Molekular Mechanismen der Photorezeptoren Apoptose bei Netzhautdegenerationen: Lichtschäden als Modellansatz» 2003 PD Dr. med. Michael A. Grotzer Universitäts-Kinderklinik Zürich, Abteilung für Neuro-Onkologie «Neue therapeutische Konzepte für kindliche primitive neuroektodermale Hirntumoren» PD Dr. med. Frank Ruschitzka UniversitätsSpital Zürich, Abteilung Kardiologie «Atherosklerose und rheumatoide Arthritis – Die Geschichte zweier Erkrankungen» 2004 Frau Dr. med. Anna Lauber-Biason Kinderspital Zürich, Abteilung Pädiatrische Endokrinologie «Ein molekularer Weg zur Klärung des Diabetes beim Kind» Prof. Dr. med. Gerd A. Kullak-Ublick UniversitätsSpital Zürich, Abteilung für Klinische Pharmakologie und Toxikologie «Rolle von nukleären Rezeptoren beim hepatischen und intestinalen Medikamententransport» Prof. Dr. med. Marc Y. Donath UniversitätsSpital Zürich, Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie «Insulinproduktion bei Übergewicht und Diabetes: Von der Adaptation zur Krankheit» Dr. med. Markus Glatzel UniversitätsSpital Zürich, Institut für Neuropathologie «Neue Wege in der Diagnostik der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit» 2005 Frau PD Dr. med. Silvia Marino UniversitätsSpital Zürich, Institut für Klinische Pathologie «Medulloblastome – Entwicklungsmechanismen ausser Kontrolle» 27 Bisherige Preisträger des Georg-Friedrich-Götz-Preises 2006 PD Dr. med. Huldrych Günthard UniversitätsSpital Zürich, Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene «‹Viral setpoint›: Interaktionen zwischen dem HI -Virus und seinem Wirt» 28 2007 PD Dr. med. Matthias Baumgartner Universitäts-Kinderklinik Zürich, Abteilung Stoffwechsel und Molekulare Pädiatrie «3-Methylcrotonyl-CoA-Carboxylase-Mangel – Von der Molekularen Basis zur Praxis im Neugeborenen-Screening» Dr. sc. nat. ETH Klaas Martinus Pos Universität Zürich, Physiologisches Institut der Epithelialtransport Abteilung «Acriflavine resistance protein B – AcrB: Rotation und Peristaltik führen zu Antibiotika-Resistenz» 2008 Prof. Raimund Dutzler, PhD Universität Zürich, Departement Biochemie «Ionenkanäle, die elektrischen Schalter unserer Zellen» Prof. Dr. med. Romeo Ricci ETH Hönggerberg, Institut für Zellbiologie «Zelluläre Stress-Signale und ihre Rolle in metabolischen und inflammatorischen Erkrankungen» 2009 Dr. rer. nat. Mathias Florian Heikenwälder Institut für Neuropathologie, Universitätsspital Zürich «Molekulare und zelluläre Mechanismen der Prionenvermehrung: Wie Prionen unser Immunsystem überlisten.» Mickaël Lesurtel, MD, PhD Klinischer Assistenzprofessor, Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie, Universitätsspital Zürich «Platelet-Derived Serotonin Mediates Liver Regeneration» 2010 Prof. Dr. sc. nat. Lars Hangartner Institut für Medizinische Virologie, UniversitätsSpital Zürich «Das Problem der Immunodominanz bei variablen Viren» Dr. med. Mike Recher Departement für Innere Medizin, UniversitätsSpital Zürich «Einmarsch- und Rückzugsgebiete von Viren» 29 Neue Behandlungsansätze für Tumore und Autoimmunerkrankungen Onur Boyman Nützliche und schädliche Immunantworten 30 Die hauptsächliche Aufgabe unseres Abwehrsystems (oder Immunsystems) ist die Verteidigung unseres Körpers gegen gefährliche äussere Einflüsse, wie typischerweise Infektionen. Dieses Zusammenspiel zwischen dem Immunsystem und dem angreifenden Organismus ist dabei präzise kontrolliert, so dass nur schädigende Einwirkungen auf den Körper eine Immunantwort bewirken, ohne dass dabei diese Immunantwort gesunde körpereigene Zellen zerstören soll. Ein Fehlwirken dieses Zusammenspiels kann zu Erkrankungen wie Allergien und Autoimmunerkrankungen oder zu einem erhöhten Krebsrisiko führen. So ruft eine Immunantwort gegen ungefährliche äussere Einflüsse, wie z. B. Blütenstaub oder Baumpollen, bei empfindlichen Personen Pollenallergien hervor. Das Angreifen des Immunsystems von gesunden körpereigenen Zellen verursacht eine Autoimmunerkrankung, wie z. B. bestimmte Formen der Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus), der Polyarthritis oder der Schuppenflechte (Psoriasis). Hingegen muss das Immunsystem in der Lage sein, krebsartig veränderte, körpereigene Zellen zu erkennen und zu eliminieren, um somit der Entstehung von Tumoren vorzubeugen. Dies ist tatsächlich der Fall, da z. B. Transplantatempfänger, welche lebenslang eine das Immunsystem unterdrückende (sog. immunsuppressive) Behandlung einnehmen müssen, eine erhöhte Rate an Tumoren aufweisen.1 Diese fein abgestimmten Funktionen des Immunsystems werden mittels des Zusammenwirkens von Billionen weisser Blutkörperchen, insbesondere der Lymphozyten, mit den verschiedenen Zellen unserer Organe koordiniert. Dabei spielen T-Lymphozyten eine besondere Rolle, wobei die Untergruppe der CD 8-positiven T-Lymphozyten (kurz als CD 8+ T-Zellen bezeichnet) krebsartig entartete oder durch ein Virus infizierte Körperzellen zu erkennen und zu eliminieren vermag. Die zweite Untergruppe der T-Lymphozyten, nämlich die CD 4+ T-Zellen, hilft den CD 8+ T-Zellen bei dieser Aufgabe, weshalb CD 4+ T-Zellen auch T-Helfer-Zellen genannt werden.2 Zusätzlich gibt es eine spezialisierte Untergruppe von CD 4+ T-Zellen, die sog. regulatorischen T-Zellen (kurz als Treg bezeichnet), welche schädliche TZellantworten gegen körpereigene Zellen unterdrücken können.3 Die Anzahl und der Aktivierungszustand dieser T-Zellpopulationen stehen dabei unter der Kontrolle von Botenstoffen des Immunsystems, insbesondere Zytokinen.4 Das Immunsystem verfügt über eine ganze Reihe von Zytokinen, welche verschiedene Funktionen ausüben. Von diesen Zytokinen spielt das Interleukin-2 (abgekürzt als IL -2) eine ganz spezielle Rolle. So ist IL -2 in der Lage, CD 8+ T-Zellen stark zu stimulieren, so dass diese sich vielfach teilen und somit ihre Zahl massiv zunimmt. Zusätzlich führt IL -2 CD 8+ T-Zellen in einen aktivierten Zustand über, in welchem sie entartete oder virusinfizierte Zielzellen angreifen und zerstören können. Aufgrund dieser Eigenschaften wurde IL -2 bereits Anfang der achtziger Jahre in der Behandlung von bestimmten metastatischen (d. h. sich an mehrere Stellen oder Organe ausbreitenden) Tumoren angewendet. Dabei war die Wirkung der IL 2-Immuntherapie insbesondere bei der Behandlung des metastatischen bösartigen schwarzen Hautkrebs (malignes Melanom) beeindruckend. So führt eine Immuntherapie mit hochdosiertem IL -2 bei eben diesen Tumorpatienten zu einem Langzeitüberleben von bis zu 10 % der Patienten über mehr als 20 Jahre, was, verglichen mit einer Überlebensrate von unter 5 % innert 5 Jahren bei unbehandelten Patienten, einen beachtlichen Therapieeffekt darstellt.5,6 Doch leider kann diese IL -2-Behandlung schwere Nebenwirkungen wie z. B. die Ansammlung von Körperflüssigkeit in den Lungen (sog. Lungenödem) oder einen schweren Leberschaden verursachen,5,7 weshalb diese Therapiemöglichkeit nicht verbreitet ist. Zudem aktiviert IL -2 nicht nur CD 8+ T-Zellen, welche wie oben beschrieben tumorartige Körperzellen eliminieren können, sondern auch Treg, welche eben diese Aktivität der CD 8+ T-Zellen gegen entartete Körperzellen unterbinden können.3 Dies bedeutet, dass die Wirkung der Treg in der Anti-Tumorantwort unerwünscht ist. Hingegen könnten Treg in Autoimmun­erkrankungen eine Dämpfung oder gar Unterbindung der schädlichen, gegen gesunde körpereigene Zellen gerichteten T-Zellantwort bewirken. Man müsste also die zwei ge- 31 Onur Boyman Neue Behandlungsansätze für Tumore und Autoimmunerkrankungen Zellzahl in der Milz (in Mio.) ung 1 125 100 gensätzlichen Wirkungen von IL -2, d. h. die Stimulierung von CD 8+ T-Zellen und die Aktivierung von Treg, voneinander trennen können. Dies ist kürzlich durch unsere Entdeckung sog. IL -2/ Anti-IL -2-Antikörper-Komplexe möglich geworden.8 Treg CD8+ T-Zellen 75 32 50 IL -2/Anti-IL -2-Antikörper- 25 IL-2/S4B6Komplexe IL-2 Kontrolle IL-2/JES6-1A12Komplexe Komplexe 0 Abbildung 1. Zellzahlen von T-Zell-Populationen in der Milz von Mäusen, welche mit verschiedenen IL -2/Anti-IL -2-Antikörper-Komplexen behandelt wurden. Normale (d. h. C 57BL /6) Mäuse erhielten entweder Wasser (Kontrolle), IL 2, IL -2/S 4B 6-Komplexe oder IL -2/JES 6-1A 12-Komplexe, wonach die Anzahl der regulatorischen T-Zellen (Treg, weisse Balken) und der CD 8+ T-Zellen (schwarze Balken) in der Milz bestimmt wurde. Man sieht, dass die IL -2/S 4B 6-Komplexe vorwie­gend die CD 8+ T-Zellen stimulieren, während die IL -2/JES 6-1A 12-Komplexe selektiv die Treg aktivieren. Übernommen in abgeänderter Form aus Publikationen 8 und 9. IL -2/Anti-IL -2-Antikörper-Komplexe bestehen aus IL -2 sowie einem speziellen, gegen eine definierte Stelle des IL -2 gerichteten monoklonalen Antikörper. Ein monoklonaler Antikörper ist ein Y-förmiges Molekül, welches in grossen Mengen von einem bestimmten B-Lymphozyten produziert wird und eine spezifische Zielstruktur z. B. von IL -2 erkennt, diese bindet und somit abdeckt. Also bindet der Anti-IL -2-Antikörper das IL -2 und formt somit einen IL -2/Anti-IL -2-Antikörper-Komplex. Nun können solche IL -2/Anti-IL -2-Antikörper-Komplexe nach wie vor CD 8+ T-Zellen und Treg aktivieren, jedoch verschiebt sich das Gleichgewicht der Stimulation entweder zugunsten der ersteren oder der letzten, je nachdem, welchen Anti-IL -2-Antikörper man benutzt. Die Verabreichung von IL -2 ohne Anti-IL -2-Antikörper aktiviert CD 8+ TZellen und Treg etwa gleichermassen. Hingegen führt die Kombination von IL -2 und dem Anti-IL -2-Antikörper S 4B 6 zu Komplexen, welche fast ausschliesslich eine Vermehrung von CD 8+ T-Zellen, nicht aber von Treg, bewirken.8 Interessanterweise zeigt die Verwendung von IL -2 und dem Anti-IL -2-Antikörper JES 6-1A 12 den gegensätzlichen Effekt: Komplexe von IL -2 und dem Anti-IL -2-Antikörper JES 6-1A 12 bewirken eine selektive Vermehrung von Treg, wohingegen CD 8+ T-Zellen durch diese Komplexe praktisch nicht stimuliert werden8,9 (Abbildung 1). Der Grund für diese bevorzugte bzw. selektive Stimulierung von CD 8+ T-Zellen oder Treg mittels IL -2/S 4B 6- bzw. IL -2/JES 6-1A 12-Komplexen beruht darauf, dass diese zwei Anti-IL -2-Antikörper verschiedene Regionen des IL -2 verdecken10. Die dadurch entstehenden IL -2/Anti-IL -2-Antikörper-Komplexe können nicht mehr ungehindert an die verschiedenen IL -2-Andockungsstellen (auch IL -2-Rezeptoren genannt) binden, welche sich auf den CD 8+ T-Zellen oder Treg befinden. CD 8+ T-Zellen weisen eine hohe Dichte sog. zweiteiliger IL 2-Rezeptoren auf, welche das IL -2 v. a. über die Beta-Kette binden. Dahingegen enthalten Treg eine grosse Anzahl sog. dreiteiliger IL -2-Rezeptoren, welche das IL -2 mittels der Alpha-Kette binden. Die Hypothese ist nun die folgende, dass der S 4B 6 Anti-IL -2-Antikörper die Region von IL -2 verdeckt, welche normalerweise mit der Alpha-Kette interagiert, wodurch die Bindung dieser IL -2/S 4B 6-Komplexe an Beta-Kettenreiche CD 8+ T-Zellen bevorzugt wird. Der JES 6-1A 12 Anti-IL -2-Antikörper hingegen verdeckt die IL ‑2-Domäne, welche in der Regel von der Beta-Kette gebunden wird, wodurch nur noch die Alpha-Ketten-Bindungsstelle frei ist und somit ausschliesslich Treg stimuliert werden (Abbildung 2). Sowohl S 4B 6 wie auch JES 6-1A 12 sind Anti-IL -2-Antikörper, welche gegen das Maus-IL -2, nicht jedoch gegen das menschliche IL -2, gerichtet sind. Es existiert eine Vielzahl anderer Anti-IL 2-Antikörper, welche ähnlich wie S 4B 6 und JES 6-1A 12 agieren. Ferner gibt es auch Anti-IL -2-Antikörper, welche das 33 Kopfzeile Neue Behandlungsansätze für Tumore und Autoimmunerkrankungen Abbildung 2 Anti-IL-2-Antikörper S4B6 IL-2 IL-2Rezeptor α βγ Treg Signal B Viel Signal βγ Abbildung 3 Treg Signal Proliferation (%) CD8+ Anti-IL-2-Antikörper JES6-1A12 α 34 βγ Abbildung 2. Modell zur Erklärung der bevorzugten Stimulierung von Treg oder CD 8+ T-Zellen mittels verschiedener IL -2/Anti-IL -2-Antikörper-Komplexe. (A) Der S 4B 6 Anti-IL -2-Antikörper (grün) bindet die Region von IL -2 (schwarzer Kreis im blau markierten IL -2-Molekül), welche normalerweise mit der Alpha (a)-Kette des IL -2-Rezeptors interagiert, wodurch die Bindung dieser IL ‑2/S 4B 6Komplexe an Beta (b)-Ketten-reiche CD 8+ T-Zellen bevorzugt wird. (B) Der JES 6-1A 12 Anti-IL -2-Antikörper (rot) hingegen verdeckt die IL -2-Domäne (schwarzes Dreieck im blau markierten IL -2-Molekül), welche in der Regel von der b-Kette gebunden wird, wodurch nur noch die a-Ketten-Bindungsstelle frei ist und somit ausschliesslich Treg stimuliert werden. Übernommen in abgeänderter Form aus Publikation 10. βγ CD8+ Kein Signal 100 IL-2 75 50 IL-2 + Anti-IL-2Antikörper 0 0 8 16 24 32 Antikörpermenge (µg/ml) 25 Proliferation (%) A IL-2 + Anti-IL-2Antikörper 100 75 50 25 0 0 0.1 10 1000 Antikörpermenge (µg/Injektion) Titration von Anti-IL-2-Antikörper bei fixer IL-2-Konzentration Titration von Anti-IL-2-Antikörper bei fixer IL-2-Konzentration in vitro in vivo Abbildung 3. In vitro neutralisierender Anti-IL -2-Antikörper stimuliert in vivo. Die Beimengung einer steigenden Dosis von S 4B 6 Anti-IL -2-Antikörper (links, Punkte) reduziert den Effekt einer fixen IL -2-Konzentration (links, Quadrate) auf T-Zellen in vitro, d. h. in der Kulturschale, was durch die Verminderung der Teilung (Proliferation) der T-Zellen zum Ausdruck kommt. In vivo, d. h. im Lebenden, hingegen führt die Mischung von demselben Anti-IL -2-Antikörper (rechts, Punkte) mit einer fixen IL -2-Konzentration zu einer mit steigender Antikörpermenge zunehmenden Proliferation von T-Zellen. menschliche IL -2 binden und somit menschliche IL -2/Anti-IL -2-AntikörperKomplexe bilden. Diese menschlichen IL -2/Anti-IL -2-Antikörper-Komplexe zeigen je nach Antikörper dieselben Eigenschaften wie IL -2/S 4B 6- oder IL -2/ JES 6-1A 12-Komplexe11. Es soll hier erwähnt werden, dass Antikörper in der Regel dazu dienen, ihre Zielstruktur zu binden und unwirksam zu machen. Dies wird am Beispiel der Impfung gegen saisonale Grippeviren veranschaulicht, welche eine Aktivierung von spezifischen B-Lymphozyten verursacht, die hohe Konzentrationen an sog. neutralisierenden Antikörpern bilden. Diese Antikörper binden sich dann an Oberflächenstrukturen der Grippeviren und machen diese Viren unschädlich, wodurch die Viren «neutralisiert» werden. Da die oben genannten Anti-IL -2-Antikörper ebenfalls neutralisierende Antikörper sind, d. h. die Funktion von IL -2 nichtig machen, war die Wirkung von IL ‑2/Anti-IL -2Antikörper-Komplexen vollkommen unerwartet und höchsterstaunlich. Der Unterschied liegt darin, dass die neutralisierende Eigenschaft der AntiIL -2-Antikörper in vitro, d. h. in der Kulturschale, getestet wurde, während hingegen die stimulierende Wirkung von IL -2/Anti-IL -2-Antikörper-Komplexen in vivo, d. h. im lebenden Organismus (in diesem Fall: der Maus), zum Ausdruck kommt (Abbildung 3). Dies führt vor Augen, dass die Testung von biologischen Prozessen in vitro unzureichend ist und in vivo verifiziert werden muss. Im Folgenden soll die Anwendung dieser zwei verschiedenen IL -2/AntiIL -2-Antikörper-Komplexe in Modellen von Tumoren und Autoimmunerkran­ kungen beschrieben werden. Anwendung von IL -2/Anti-IL -2-Antikörper-Komplexen in Tumoren Wie bereits oben beschrieben, zeigt die Verabreichung von hochdosiertem IL ‑2 bei Patienten mit metastatischem Melanom eine vielversprechende Langzeitwirkung. Jedoch kann eine solche hochdosierte IL -2-Behandlung schwere Nebenwirkungen verursachen, welche zu einem lebensgefährlichen Lungenödem oder Leberschaden führen können. Wegen diesen Nebenwirkungen kann die IL -2-Behandlung Melanompatienten häufig nicht angeboten werden oder die Dosis der IL -2-Immuntherapie 35 Abbildung 4 Onur Boyman Kopfzeile A Kontrolle B IL-2 400 400 300 300 200 200 100 100 0 4 Kontrolle 0 8 12 4 8 12 IL-2/S4B6 IL-2/S4B6 niedrigdosiert hochdosiert 400 400 300 300 200 200 100 100 0 0 4 8 12 IL-2 hochdosiert IL-2/S4B6 niedrigdosiert 4 8 12 Tage nach Tumorimplantation C 37 D 100 95 90 85 IL-2/S4B6 hochdosiert IL-2 Kontrolle hochdosiert Abbildung 4. Vergleich von nützlichen und schädlichen Effekten einer IL -2-Behandlung. (A) Tumorwachstum (gezeigt als Tumorgrösse in mm2) eines Melanomknötchens in Mäusen, welche entweder Wasser (Kontrolle), hochdosiert IL -2, niedrigdosiert IL -2/S 4B 6-Komplexe oder hochdosiert IL ‑2/ S 4B 6-Komplexe erhielten. (B) Tumorknötchen in der Lunge von Mäusen, welche entweder mit Wasser (Kontrolle), hochdosiertem IL -2 oder niedrigdosierten IL -2/S 4B 6-Komplexen behandelt wurden. niedrigdosiert 80 75 IL-2/S4B6 niedrigdosiert IL-2/S4B6 hochdosiert IL-2 Sauerstoffsättigung im Blut (%) 0.31 0.29 0.27 0.25 0.23 0.21 0.19 0.17 0.15 0.13 0.11 Kontrolle Eine Behandlung mit niedrigdosierten S 4B 6-ähnlichen IL -2/Anti-IL -2-Antikörper-Komplexen zeigte einen ähnlichen Behandlungserfolg wie hochdosiertes IL -2, jedoch führte diese Therapie zu keinem Lungenödem sowie zu keiner Beeinträchtigung der Sauerstoffsättigung des Blutes12. Die Anwendung von hochdosierten S 4B 6-ähnlichen IL -2/ Anti-IL -2-Antikörper-Komplexen wies einen sehr effizienten Anti-Tumor-Effekt auf. Mäuse, welche dieses Behandlungsregime erhielten, wiesen nach zwei Wochen praktisch keine Tumore auf, während das Mass der Nebenwirkungen niedriger war, als dasjenige mit hochdosiertem IL -2. Diese Befunde hatten ihre Gültigkeit sowohl für hautständige Melanome wie auch für metastatische Lungenherde dieses Melanoms (Abbildung 4). Die niedrigere Toxizität von S 4B 6ähnlichen IL -2/Anti-IL -2-AntikörperKomplexen bei erhöhter Anti-TumorEffektivität beruht darauf, dass diese Komplexe die Beta-Ketten-reichen CD 8+ T-Zellen und natürlichen Killerzellen aktivieren und deren Anzahl vermehren können, wodurch die AntiTumor-Antwort signifikant verstärkt Lungenödem (in g) 36 kann nicht gesteigert werden, wodurch der Behandlungserfolg nicht verbessert werden kann. Aus eben diesen Gründen haben wir in einem etablierten Melanommodell in der Maus die Anwendung von IL -2/Anti-IL -2-Antikörper-Komplexen getestet und dabei die Anti-Tumorwirkung dieser Komplexe mit deren Nebenwirkungen genauer studiert. Interessanterweise haben wir dabei beobachtet, dass CD 8+-T -Zell-stimulierende IL -2/Anti-IL -2-Antikörper-Komplexe mit S 4B 6, oder einem S 4B 6-ähnlichen gegen menschliches IL -2 gerichteten Antikörper, eine stärkere Anti-Tumorantwort als hochdosiertes IL ‑2 zeigte, ohne jedoch dabei dasselbe Ausmass an Nebenwirkungen zu erreichen.12 Die Details dieser Resultate sind unten beschrieben. Wie aufgrund der Literatur zu erwarten war, resultierte die Verabreichung von hochdosiertem IL -2 in einer signifikanten Verzögerung des Tumorwachstums. Jedoch wurde dieser Behandlungserfolg von einem beträchtlichen Lungenödem begleitet, welches einen kritischen Abfall der Sauerstoffsättigung des Blutes verursachte (Abbildung 4). Tumorgrösse (in mm2) hochdosiert (C) Lungenödem (in g) in Mäusen, welchen entweder Wasser (Kontrolle), hochdosiertes IL -2, niedrigdosierte IL -2/S 4B 6-Komplexe oder hochdosierte IL ‑2/S 4B 6-Komplexe verabreicht wurden. (D) Sauerstoffsättigung im Blut (in %) in Mäusen, welche entweder mit Wasser (Kontrolle), hochdosiertem IL -2 oder niedrigdosierten IL ‑2/S 4B 6-Komplexen therapiert wurden. Übernommen in abgeänderter Form aus Publikation 12. Onur Boyman 38 Neue Behandlungsansätze für Tumore und Autoimmunerkrankungen wird. Jedoch ist die Bindung dieser S 4B 6-ähnlichen IL -2/Anti-IL -2-Antikörper-Komplexe an die Alpha-Ketten-reichen Treg und Alpha-Ketten-tragenden Gefässzellen vermindert, wodurch erstens die dämpfende Wirkung der Treg umgangen sowie zweitens die toxische Wirkung von IL -2 auf die Gefässzellen der Lungen und Leber stark reduziert wird.12 Da die obigen Resultate mittels AntiIL -2-Antikörper erhalten wurden, welche gegen das menschliche IL -2 gerichtet sind, besteht die Möglichkeit, dass diese Behandlung in Zukunft in der Klinik an Melanompatienten getestet werden könnte. Ausserdem wurden diese Abbildung 5 IL-2/JES6-1A12 Auftreten von Diabetes (%) Kontrolle Alter (in Wochen) Daten auch durch die Resultate anderer Forschungsgruppen belegt.13,14 Anwendung von IL -2/Anti-IL -2-Antikörper-Komplexen in Autoimmunerkrankungen Autoimmerkrankungen, wie z. B. bestimmte Formen der Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus), werden unter anderem durch das unkontrollierte Angreifen von Zielorganen durch gegen Selbst gerichtete Lymphozyten verursacht. Diese sog. autoreaktiven Lymphozyten sollten eigentlich durch die Wirkung der Treg in Schach gehalten werden, wobei jedoch in Autoimmunerkrankungen die autoreaktiven Lymphozyten Überhand gewinnen.3 Daher könnte Abbildung 5. Verzögertes Auftreten von Diabetes IL -2/JES 6-1A 12-behandelten NOD -Mäusen. in NOD -Mäuse wurden ab dem Alter von 10 Wochen während 10 Wochen (angezeigt durch den grauen Bereich) entweder mit Wasser (Kontrolle, weisse Punkte) oder IL -2/JES 6-1A 12-Komplexen (schwarze Punkte) behandelt. Das Auftreten von Diabetes mellitus wurde durch regelmässige Blutzuckermessungen bestimmt. Übernommen in abgeänderter Form aus Publikation 15. eine gezielte Vermehrung der Treg dieses Ungleichgewicht theoretisch wieder ins Lot bringen. Dies ist, wie unten geschildert, tatsächlich der Fall. Die sog. «nonobese diabetic» Maus (kurz NOD -Maus) entwickelt spontan ab dem Alter von 10 bis 20 Wochen einen Diabetes mellitus, welcher durch autoreaktive T-Lymphozyten verursacht wird. (Es sei hier erwähnt, dass die normale Lebenserwartung einer Maus etwa 2 bis 3 Jahre beträgt.) Die Behandlung von NOD -Mäusen mittels IL -2/JES 6-1A 12-Komplexen während dieser Zeit verhindert oder verzögert das Auftreten des Diabetes mellitus in diesen Mäusen für etwa 7 Monate, während etwa zwei Drittel der unbehandelten Mäuse zu diesem Zeitpunkt bereits erkrankt sind (Abbildung 5).15 In diesen NOD -Mäusen tritt der Diabetes mellitus graduell auf, d. h. die Produktion des blutzuckerregulierenden Hormons Insulin nimmt stufenweise ab. Dies beruht darauf, dass die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) langsam durch die autoreaktiven T‑Lymphozyten zerstört werden. Während dieser Zeit kann, wie oben geschildert, eine Behandlung mit Vermehrung der Treg zur Kontrolle dieser autoreaktiven T-Lymphozyten und somit zur Verschonung der restlichen insulinproduzierenden Pankreaszellen führen. Wenn jedoch mehr als 90 % der insulinproduzierenden Zellen des Pankreas zerstört sind, kann keine ausreichende Insulinherstellung mehr gewährleistet werden. Diese Individuen müssen dann zu einer Insulinbehandlung greifen, wobei eine regelmässige Verabreichung von Insulin notwendig wird. Eine noch experimentelle Alternative bei diesen insulinabhängigen Diabetesfällen besteht in der Transplantation von insulinproduzierenden Pankreaszellen. Da diese insulinproduzierenden Pankreaszellen von einem fremden Spender stammen, würden diese Zellen im diabeteskranken Empfänger vom Immunsystem als fremd erkannt und abgestossen werden, weshalb eine immunsuppressive Behandlung des Empfängers notwendig wird. Vor kurzem haben wir in Kollaboration mit einem Forscherteam in Sydney diese Situation in Mäusen nachgestellt. Dabei wurde Mäusen zuerst Streptozotocin verab- 39 Onur Boyman Neue Behandlungsansätze für Tumore und Autoimmunerkrankungen 40 Überleben der transplantierten Pankreaszellen (%) Abbildung 6 Kontrolle IL-2 IL-2/JES6-1A12Komplexe Tage nach Transplantation reicht, welches eine Zerstörung der insulin­produzierenden Pankreaszellen bewirkt, wodurch die Mäuse diabetisch wurden. Danach erhielten diese diabetischen Mäuse ein Transplantat von insulinproduzierenden Pankreaszellen von einem anderen Mausstamm. Wie zu erwarten war, wurden diese transplantierten Pankreaszellen innert 3 bis 4 Wochen abgestossen, und diese Mäuse erkrankten wiederum an Diabetes mellitus. Falls jedoch die Empfängermäuse kurz vor der Transplantation der Pankreaszellen mittels IL -2/JES 6-1A 12Komplexen vorbehandelt wurden, fand bei fünf von sechs Mäusen keine Transplantatabstossung statt, und die Mäuse entwickelten keinen Diabetes mellitus (Abbildung 6). Die Vorbehandlung Abbildung 6. Fremde insulinproduzierende Pankreaszellen überleben in mit IL -2/JES 6-1A 12-Komplexen vorbehandelten Wirten. Durch die Streptozotocin-Verabreichung wurden Empfängermäuse diabetisch. Danach erhielten sie insulinproduzierende Pankreaszellen von einem anderen Mausstamm, wobei sie 3 Tage vor der Transplantation entweder mittels Wasser (Kontrolle, schwarze Dreiecke), IL -2 (weisse Quadrate) oder IL ‑2/JES 61A 12-Komplexe (graue Diamanten) erhielten. Gezeigt ist das Überleben der transplantierten Pankreaszellen. Übernommen in abgeänderter Form aus Publikation 9. mittels IL -2/JES 6-1A 12-Komplexen funktionierte durch die Erhöhung der Frequenz der Treg, wodurch die Aktivierung der gegen die transplantierten Pankreaszellen gerichteten T‑Lymphozyten verhindert wurde.9 Theoretisch könnte diese Treg-induzierende Behandlung auch bei anderen Autoimmunerkrankungen oder bei der Transplantation von Zellen anderer Organe zur Anwendung kommen. Tatsächlich haben verschiedene Forschergruppen bislang diese Behandlung in Modellen verschiedener Autoimmunerkrankungen, wie z. B. einer der multiplen Sklerose ähnlichen autoimmunen Nervenerkrankung9 oder der autoimmunen Muskelkrankheit Myasthenia gravis16, angewendet. Zusammenfassend wurden in verschiedenen Tiermodellen für Tumore oder Autoimmunerkrankungen vielversprechende Resultate mittels der Anwendung von IL -2/Anti-IL -2-Antikörper-Komplexen erreicht. Da diese Komplexe auch mittels menschlichem IL -2 und gegen das menschliche IL -2 gerichteten Antikörpern geformt werden können,11,12 besteht die Hoffnung, dass diese Komplexe in Zukunft auch in der Klinik zur Anwendung kommen könnten. Dies wird jedoch noch beachtliche Vorbereitungsarbeit sowie etliche Kontrollversuche erfordern. Es soll abschliessend noch erwähnt werden, dass Komplexe auch mit anderen Zytokinen und deren Anti-Zytokin-Antikörper gebildet werden können. So sind z. B. IL -7/Anti-IL -7-Antikörper-Komplexe in der Lage, Antikörper-produzierende B-Lymphozytenvorläufer zu stimulieren17. Diese Entdeckungen eröffnen neue Möglichkeiten, um mit dem Immunsystem zu interagieren und somit eine gezielte Immunstimulierung zu bewirken. 41 42 Onur Boyman Neue Behandlungsansätze für Tumore und Autoimmunerkrankungen Literaturliste 12. Krieg, C., Letourneau, S., Pantaleo, G. & Boyman, O. Improved IL -2 immunotherapy by selective stimulation of IL -2 receptors on lymphocytes and endothelial cells. Proc Natl Acad Sci U S A 107, 11906 – 11 (2010). 13. Verdeil, G., Marquardt, K., Surh, C. D. & Sherman, L. A. Adjuvants targeting innate and adaptive immunity synergize to enhance tumor immunotherapy. Proc Natl Acad Sci U S A 105, 16683 – 8 (2008). 14. Jin, G. H., Hirano, T. & Murakami, M. Combination treatment with IL -2 and anti-IL -2 mAbs reduces tumor metastasis via NK cell activation. Int Immunol 20, 783 – 9 (2008). 15. Tang, Q. et al. Central role of defective interleukin-2 production in the triggering of islet autoimmune destruction. Immunity 28, 687 – 97 (2008). 16. Liu, R., Zhou, Q., La Cava, A., Campagnolo, D. I., Van Kaer, L. & Shi, F. D. Expansion of regulatory T cells via IL -2/anti-IL -2 mAb complexes suppresses experimental myasthenia. Eur J Immunol 40, 1577 – 89 (2010). 17. Boyman, O., Ramsey, C., Kim, D. M., Sprent, J. & Surh, C. D. IL -7/anti-IL -7 mAb complexes restore T cell development and induce homeostatic T cell expansion without lymphopenia. J Immunol 180, 7265 – 75 (2008). 1. Ulrich, C., Kanitakis, J., Stockfleth, E. & Euvrard, S. Skin cancer in organ transplant recipients—where do we stand today? Am J Transplant 8, 2192 – 8 (2008). 2. O’Shea, J. J. & Paul, W. E. Mechanisms underlying lineage commitment and plasticity of helper CD 4+ T cells. Science 327, 1098 – 102 (2010). 3. Malek, T. R. & Castro, I. Interleukin-2 receptor signaling: at the interface between tolerance and immunity. 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Friedrich Nietzsche hatte dabei wohl kaum an den programmierten Zelltod gedacht und doch hat sich dieser Aphorismus aus medizinischer Sicht bewahrheitet. Wir wissen heute, rund 130 Jahre später, dass der programmierte Zelltod (Apoptose) von grosser Bedeutung ist für die Homöostase eines Gewebes. Zellen, die ihre Funktion erfüllt haben, Zellen die in zu grosser Anzahl gebildet wurden oder Zellen, die für den Organismus gefährlich sein könnten, werden durch den physiologischen Prozess der Apoptose eliminiert. Die Deregulierung dieses Prozesses spielt dabei in vielen Krankheiten wie beispielsweise Krebs eine wichtige Rolle. Rund ein Jahrhundert nach Nietzsche’s Aphorismus begannen Wissenschaftler die molekularen Grundlagen des programmierten Zelltodes zu untersuchen; Untersuchungen in denen der Fadenwurm Caenorhabditis elegans als Modellorganismus eine sehr wichtige Rolle einnahm. Die Entwicklung von der Eizelle zum ausgewachsenen Fadenwurm folgt nämlich einem strikt vorgegebenen Schema und führt zu Organismen mit genau 959 Zellen. Der Apoptose-Forschung war vorausgegangen, dass John Sulston 1983 den kompletten Zellstammbaum (Beschreibung der Herkunft aller adulten Zellen aus der Zygote) des Fadenwurms beschrieb2 (Abbildung 1). Ein bestimmter Aspekt war dabei besonders rätselhaft: Von den 1090 Zellen die während der Entwicklung gebildet werden finden sich nur 959 Zellen im adulten Organismus wieder. Die fehlenden 131 Zellen werden als Teil eines Programms während der Entwicklung systematisch eliminiert, wobei immer dieselben Zellen zum gleichen Entwicklungszeitpunkt absterben. Die hohe Reproduzierbarkeit suggerierte einerseits, dass hinter diesem Prozess ein Programm steckt – daher der Name programmierter Zelltod – und andererseits, dass man den programmierten Zelltod als eine Art Zelldeterminierung ansehen kann. Ähnlich wie es einer Zelle vorbestimmt ist ein Neuron zu werden, ist es 131 Zellen vorbestimmt durch die Apoptose eliminiert zu werden. Eine wichtige Schlussfolgerungen daraus war nun, dass – falls es sich tatsächlich um eine Zelldeterminierung handelt – es auch Gene geben müsste, die dies kontrollieren. Also fing man an nach solchen Genen zu suchen. Drei Gene bilden die Hauptkomponenten der apoptotischen Maschinerie: ced-3 (ced für cell death abnormal), ced-4 und ced-9. ced-3 und ced-4 wirken dabei proapoptotisch, ced-9 hemmt die Apoptose3 – 5 (Abbildung 2). Loss-offunction Mutationen in ced-3 und ced-4 oder eine gain-of-function Mutation in ced-9 führen dazu, dass Zellen, die normalerweise während der Embryonalentwicklung absterben, die Apoptose nun nicht einleiten können. Dies führt zu einem Organismus mit 1090 statt 959 Zellen. Das Nervensystem beispielsweise wächst von 302 auf 407 Neuronen. Der Durchbruch im eigentlichen Sinne gelang als man bemerkte, dass die Gene, die im Fadenwurm die Apoptose kontrollieren, zu einem hohen Grad konserviert sind. Die Homologe finden sich auch in Säugetieren wie auch im Menschen: ced-9 ist homolog zum Proto-Onkogen Bcl-2 (B-cell lym- phoma 2), ced-4 zu APAF -1 (Apoptotic Protease Activating Factor 1) und ced-3 entspricht der ausführenden Caspase. Diese gehört zur Familie von CysteinProteasen, welche Zielproteine nach der Aminosäure Aspartat hydrolysieren und die morphologischen Veränderungen während dem Zelltod herbeiführen. Die Grundmechanismen der Apoptose ähneln sich bei Fadenwurm und Säugetieren, nur ist es so, dass in evolutionär höheren Organismen die Signaltransduktionswege wesentlich verzweigter und komplizierter aufgebaut sind. Deregulierung der Apoptose ist in einer Vielzahl von Pathologien involviert. Die Tumorigenese beispielsweise setzt eine überaus komplexe Kaskade zellulärer Insulte voraus um in einem malignen Phänotyp zu münden. Unabhängig von den einzelnen Tumorentitäten, kann man Prinzipien festmachen, die allen Tumorarten unterliegen, wobei der individuelle Beitrag, die Reihenfolge und der Zeitpunkt sehr verschieden sein können. Hanahan und Weinberg definieren 2011 in ihrer Neuauflage der «Hallmarks of Cancer» mindestens acht solche Prinzipien, die allen Tumorentitäten gemein sind.6 Die Verhin- 45 Ataman Sendoel Sauerstoff und der programmierte Zelltod Figure 1: 47 Abbildung 1: Zellstammbaum von C. elegans. Während der Entwicklung werden 1090 Zellen gebildet, wovon 131 Zellen durch den programmierten Zelltod wo man einige der durch Apoptose elimierten Zellen sehen kann Abbildung 1. Zellstammbaum von C. elegans. Während der Entwicklung werden 1090 Zellen gebildet, woeliminiert werden. Rot eingerahmt ein vergrösserter Teileindes Zelltstammbaums von 131 Zellen durch den programmierten Zelltod eliminiert werden. Rot eingerahmt vergrösserter Teil des Zelltstammbaums wo man einige der aus durch Apoptose elimierten (rote Kreise). Entnommen Referenz 2. Zellen sehen kann (rote Kreise). Entnommen aus Referenz 2. Kopfzeile Figure 2: Decision healthy cell 48 Sauerstoff und der programmierte Zelltod Engulfment Apoptosis apoptotic cell apoptotic cell engulfing cell C. elegans EGL-1 CED-9 CED-4 CED-3 Mammals BH3-only proteins BCL-2 APAF1 caspase Degradation engulfed cell Abbildung 2. Vereinfachte Darstellung der Signaltransduktionswege der Apoptose in Säugern Abbildung 2: Vereinfachte Darstellung der Signaltransduktionswege der Apoptose in Säugern und in C. elegans. und in C. elegans. Figure 3: Abbildung 3. Tumorhypoxie dargestellt durch Pimonidazole (grün). Hoechst 33342 (blau) und das HIF-1induzierte Gen CA9 (rot) aus einem Xenograftexperiment mit humanen kolorektalen HT29 Zellen. EntAbbildung 3: Tumorhypoxie dargestellt durch Pimonidazole (grün). Hoechst 33342 (blau) nommen aus Referenz 7. und das HIF-1-induzierte Gen CA9 (rot) aus einem Xenograftexperiment mit humanen kolorektalen HT29 Zellen. Entnommen aus Referenz 7. derung der Apoptose ist eine dieser Grundentitäten, wobei die Apoptose in zweierlei Hinsicht von Bedeutung ist. Einerseits ist nämlich die Verhinderung der Apoptose Grundvoraussetzung für unkontrolliertes Tumorwachstum. Andererseits ist aber die Apoptose auch grundlegender Effektormechanismus der konventionellen Chemotherapie, da die meisten Chemotherapeutika Signaltransduktionswege aktivieren, die in den Zelltod münden. Das Dilemma konventioneller Tumorbehandlung wird dabei ersichtlich: Ein Tumor der notwendigerweise darauf beruht defekte Apoptoseprogramme aufzuweisen, wird mit einer Substanz behandelt, deren Wirksamkeit von einem intakten Apoptoseprogramm abhängt. Das Verständnis der tumorrelevanten Signaltransduktionswege der Apoptose ist daher aus pathogenetischer wie auch therapeutischer Sicht von essentieller Bedeutung. Grundsätzlich setzen sich Defekte in der Apoptoseeinleitung aus zwei Komponenten zusammen: Den zellautonomen Defekten in der Apoptosemaschinerie und den inhibitorischen Interaktionen mit der Zellumgebung. Ein solider Tumor kann im eigentlichen Sinne als Organ angesehen werden, der aus den Untereinheiten der Tumorzelle, der sogenannten Stromazelle und der tumorassoziierten Vaskulatur besteht und eingebettet ist in die extrazelluläre Matrix. Die Interaktion zwischen diesen Zellen wie auch die Interaktion zwischen Tumorzellen und der Tumormikroumgebung beeinflussen ganz entscheidend das Tumorverhalten und die Therapieantwort. Ein ganz wichtiger Faktor ist dabei die Sauerstoffversorgung. Das autonome Tumorwachstum führt dazu, dass die Sauerstoffversorgung im neugebildeten Gewebe unzureichend ist (Hypoxie). Tumore müssen somit Blutgefässe und Lymphgefässe neu bilden, wobei die neugebildeten Gefässe strukturelle wie physiologische Abnormalitäten aufweisen. Dies führt dazu, dass die Sauerstoffversorgung in gewissen Gewebeteilen trotz neugebildeter Gefässe unzureichend bleibt und sich hypoxische Geweberegionen ausbilden, die heterogen über den Tumor verteilt sind7 (Abbildung 3). Wir wissen heute, dass die Tumorhypoxie für solide Tumoren unausweichlich ist. Gleichzeitig stellt die Tumorhypoxie einen nega- 49 Ataman Sendoel 50 tiven Prognosefaktor dar.8 Aber welche molekularen Mechanismen sind dafür verantwortlich und welche Faktoren sind involviert? Die Adaption auf Hypoxie wird hauptsächlich durch einen Transkriptionsfaktor kontrolliert, den Hypoxia-inducible Factor (HIF ). Das heterodimere HIF gehört zu der PER ARNT -SIM (PAS ) Unterfamilie der basic-helix-loop-helix (bHLH ) Transkriptionsfaktoren und besteht aus einer sauerstofflabilen α-Untereinheit und einer konstitutiv vorhandenen β-Untereinheit. HIF induziert die Transkription von Genen, welche die Adaption auf tiefen Sauerstoffpartialdruck im Gewebe bewerkstelligen. Die Stabilität der α-Untereinheit wird dabei posttranslational durch molekularen Sauerstoff kontrolliert. Unter normoxischen Bedingen hydroxylieren die Prolylhydroxylasen PHD 1, PHD 2 und PHD 3 zwei spezifische Prolylreste (P 402 und P 564) innerhalb der ODD (oxygen dependent degradation) Domäne von HIF α9-12. Dies führt dazu, dass HIF α durch den von Hippel-Lindau Tumorsuppressor (VHL ) abgebaut wird. VHL ist die substraterkennende Untereinheit der Sauerstoff und der programmierte Zelltod CBC (VHL ) E 3 Ubiquitin-Ligase, welche zusammen mit Elongin B, Elongin C, Cullin-2 und Rbx die Polyubiquitinierung von HIF α und damit den Abbau durch das 26S -Proteasom einleitet9 – 12 (Abbildung 4). Unter hypoxischen Bedingungen hingegen sind die PHD ’s aufgrund des fehlenden molekularen Sauerstoffs inaktiv. HIF α wird damit nicht hydroxyliert und kann im Nukleus als Heterodimer mit der β-Untereinheit die Transkription aktivieren (Abbildung 4). Die HIF -induzierten Zielgene sind dabei zelltypspezifisch; schätzungsweise können 2 – 5 % des Genoms durch HIF kontrolliert werden und vermitteln die zelluläre Adaptation auf verringerten Sauerstoff in untransformierten wie auch neoplastischen Zellen. In Tumoren ist HIF als Folge der Tumorhypoxie wie auch aufgrund von genetischen Alterationen überexprimiert.8 Überexpression von HIF korreliert mit höherer Patientenmortalität wie auch deutlich höherer Resistenz gegenüber konventionellen Therapien8 (Chemotherapie und Strahlentherapie). Die Bedeutung dieses Signaltransduktionsweges für die Tumorigenese wird auch anhand des Morbus Hippel-Lindau Gene sind daran beteiligt, dass hypoxische Tumorzellen resistenter werden? Könnte es sein, dass das HIF System die Apoptose verhindert und damit die Tumorigenese sowie die Therapie entscheidend beeinflusst? Um diese Fragestellungen zu untersuchen sind wir zurückgegangen zum Fadenwurm C. elegans. Einerseits sind beide Signaltransduktionswege – jene der Apoptose wie auch des HIF Systems – konserviert im Fadenwurm. Andererseits wurden entscheidende Komponenten beider Signaltransduk- deutlich. Die von Hippel-Lindau Erkrankung ist eine seltene, autosomal dominante Tumorerkrankung, welche durch Mutation des VHL Genes ausgelöst wird.13 Dies führt zu einer konstitutiven Aktivierung des HIF Systems. Das VHL -Syndrom ist hauptsächlich durch Hämangioblastome der Retina und des zentralen Nervensystems (60 % befinden sich im Kleinhirn), Nierenzellkarzinomen und Phäochromozytomen charakterisiert. Doch welches sind die Mechanismen, die zu diesen Tumoren führen? Welche heraufregulierten Figure 4: Elongin B PHD 1-3 Normoxia: Elongin O2 O2 P-OH P-OH HIF-1alpha VHL Cul 2 P-OH P-OH HIF-1alpha HIF-1alpha Rbx E2 Ub PHD 1-3 P P HIF-1alpha P P HIF-1alpha 26s Proteasome Ub CBP/p300 HIF-1beta Hypoxia: 51 TACGTG Target gene HRE: Hypoxia response element nucleus Abbildung Schematische Darstellung der Regulation des Hypoxia-inducible factor (HIF). Abbildung 4: 4: Schematische Darstellung der Regulation des Hypoxia-inducible factor (HIF). Kopfzeile wild-type C. elegans Sauerstoff und der programmierte Zelltod C. elegans gem line sperm C. elegans embryo oocytes late pachytene region (death zone) Abbildung 5. Der programmierte Zelltod (Apoptose) kommt in C. elegans während der Entwicklung im somatischen Abbildung 5: Der programmierte Zelltod (Apoptose) kommt in C. elegans während der Entwicklung im somatischen Gewebe (rechts unten) und Gewebe unten) undvor im(links adulten in Keimbahn der Keimbahn unten). In der Keimbahn werdenProzess etwa 50% im adulten(rechts Tier in der Keimbahn unten).Tier In der werden vor etwa(links 50% aller Keimzellen in einem stochastischen durch den programmierten eliminiert. Pfeile: Apoptotische Zellen. aller Keimzellen inZelltod einem stochastischen Prozess durch den programmierten Zelltod eliminiert. Pfeile: Apoptotische Zellen. 52 tionswege zuerst in C. elegans entdeckt. Das HIF System im Fadenwurm besteht aus einer einzigen HIF α Isoform (im Gegensatz zu drei Isoformen im Menschen) und einer HIF β Isoform. EGL -9 ist dabei die einzige Prolylhydroxylase, welche die Hydroxylierung von HIF α steuert, ein Mechanismus der erstmalig in C. elegans entdeckt wurde.9 Welche Auswirkungen hat die Aktivierung des HIF Systems nun auf die Apoptoseeinleitung? In einer Serie von Experimenten konnten wir zeigen, dass genetische Mutationen, die zur Stabilisierung von HIF α führen (Mutationen der Gene vhl-1 oder egl-9), die Apoptoseeinleitung komplett inhibieren.14 Dieser Phänotyp ist dabei strikt abhängig von HIF α: vhl-1; hif-1 Doppelmutanten beispielsweise zeigen normale Apoptose. HIF wirkt also im Fadenwurm als ein antiapoptotischer Faktor. Auf welcher Stufe der Signaltransduktionsmaschinerie wird die Apoptoseeinleitung inhibiert? Apoptose, die durch ionisierende Strahlung (IR ) ausgelöst wird, ist abhängig von einem konservierten Signaltransduktionsweg, der upstream der zentralen Apoptosemaschinerie zuerst den DNA -Schaden erkennt, Kinasen rekrutiert, die dann weiter downstream in der Kette, den Tumorsuppressor p53 (genannt CEP -1 in C. elegans) aktiviert. Der Tumorsuppressor p53 seinerseits induziert transkriptional das BH 3-only domain Protein EGL -1, welches durch Bindung an den CED -9-CED -4 Komplex der mitochondrialen Membran zur Aktivierung von CED -4 führt. Wir konnten einerseits nachweisen, dass die Komponenten, welche DNA -Schädigungen erkennen nicht durch HIF -1 beeinflusst werden und voll funktionsfähig sind. Andererseits waren auch die Komponenten der zentralen Apoptosemaschinerie (CED 3, CED -4, CED -9) nicht durch die Aktivierung von HIF α tangiert. Hingegen fanden wir, dass HIF α die Aktivierung wie auch die Konzentration des Tumorsuppressors p53 inhibiert und durch Hemmung dieser Funktion die Apoptose verhindert.14 Welche Gene sind verantwortlich für die antiapoptotische Funktion von HIF -1? Um diese Frage zu beantworten haben wir einen RNA interferenz (RN Ai) basierten, genetischen Screen durchgeführt und getestet, welche HIF Zielgene (aus 2 microarray Datensätzen) diesen Phänotyp mediieren. Der Screen führte zur Identifikation eines Gens, genannt tyr-2 in C. elegans, welches heraufreguliert wird durch HIF und die Apoptoseeinleitung inhibiert indem es die Funktion des Tumorsuppressors p53 hemmt.14 Das Gen tyr-2 gehört zu der Familie der Tyrosinasen und ist homolog zum menschlichen Enzym L-dopachrom-Tautomerase (DCT ) (auch tyrosinase-related protein 2 genannt), welches L-Dopachrom zu 5,6 Dihydroxyindol-2-carboxylat (DHICA ) umwandelt. Dieser Reaktionsschritt ist einer von zwei möglichen Wegen der Melaninbiosynthese. Um zu verstehen wie nun eine Tyrosinase die Apoptose inhibiert, muss kurz auf die Fadenwurmanatomie eingegangen werden. Als Modellorgan für die obengenannten ApoptoseExperimente dient die Keimbahn des Fadenwurms, ein aus zwei symmetrisch angelegten, u-förmigen Schläuchen bestehendes Organ (Abbildung 5). Überraschenderweise fanden wir, dass weder HIF α noch TYR -2 exprimiert waren in der Keimbahn. Hingegen haben wir gefunden, dass HIF die TYR -2 Expression ganz spezifisch in zwei chemosensorischen Neuronen im Kopfbereich induziert (Abbildung 6). Diese zwei Nervenzellen, die ASJ chemosensorischen Neuronen zeichnen sich durch Dendriten aus, welche ciliäre Fortsätze an der Körperoberfläche haben. Um zu testen, ob diese zwei Neuronen für den antiapoptotischen Effekt verantwortlich sind, haben wir spezifisch diese zwei Zellen mit Hilfe eines Lasers ablatiert. 53 Ataman Sendoel Kopfzeile Figure 7: Dies führte dazu, dass die inhibitorische Funktion von HIF wieder komplett rückgängig gemacht wurde. HIF Stabilisierung in den zwei Neuronen hemmt also die Apoptose in einem entfernten Gewebe auf nicht-zellautonome Weise. Mehrere Punkte deuten darauf hin, dass aus Neuronen sekretierte TYR -2 die Apoptoseeinleitung in der 54 Gonade direkt inhibiert. Erstens haben wir mithilfe bioinformatischer Untersuchungen herausgefunden, dass TYR -2 ein sekretiertes Protein ist. Ektopische TYR -2 Expression in diesen zwei Neuronen inhibiert die Apoptose. Ektopische Expression einer TYR -2 Version, welche nicht sekretiert werden kann (durch Deletion des signal peptide), hemmt die Apoptose nicht. Figure 6:Zweitens, Hemmung der Endozytose in der Keimbahn Normoxia: EGL-9 26S Proteasome P621 HIF-1 P621-OH VHL-1 HIF-1 CED-3 Ub HIF-1 apoptosis CEP-1 EGL-1 CED-4 CED-9 germ cell ASJ sensory neuron Hypoxia or mutation in egl-9 or vhl-1: Abbildung 6. Die zwei ASJ chemosensorischen Neuronen im Kopfbereich sekretieren TYR-2 in einem HIF-1-abhängigen Prozess. Pfeile: ASJ Neuronen. Hypoxia HIF-1 EGL-9 HIF-1 AHA-1 VHL-1 tyr-2 nucleus TYR-2 TYR-2 CED-3 CEP-1 EGL-1 CED-4 CED-9 germ cell ASJ sensory neuron Abbildung antagonisiert diedie Apoptose indem es die TYR-2 TYR-2 induziert. TYR-2 is ein sekreAbbildung 7.7:HIF-1 HIF-1 antagonisiert Apoptose indem es Tyrosinase die Tyrosinase induziert. tiertes welches in der Keimbahn die Funktion des Tumorsuppressors p53 inhibiert und somit die TYR-2 Protein, is ein sekretiertes Protein, welches in der Keimbahn die Funktion des Tumorsuppressors Apoptose hemmt. p53 inhibiert und somit die Apoptose hemmt. DAPI TYR-2 Abbildung 6: Die zwei ASJ chemosensorischen Neuronen im Kopfbereich sekretieren TYR-2 in einem HIF-1-abhängigen Prozess. Pfeile: ASJ Neuronen. 55 Ataman Sendoel 56 macht die HIF -mediierte Hemmung der Apoptoseeinleitung rückgängig. Dies deutet darauf hin, dass mindestens ein Protein in die Keimbahn aufgenommen werden muss. Drittens, ektopische Expression in der Keimbahn einer TYR -2 Version welche nicht sekretiert werden kann, genügt um die Apoptoseeinleitung komplett zu hemmen. Diese Experimente weisen zusammengefasst darauf hin, dass TYR -2 von den chemosensorischen Neuronen sekretiert, in die Keimbahn aufgenommen wird und die Apoptose in der Keimbahn durch Inhibition des p53 Tumorsuppressors hemmt (Abbildung 7). Ist dies nun ein C. elegans-spezifischer Mechanismus oder ist die Funktion von TYR -2 konserviert? Um dies zu untersuchen, haben wir in humanen Melanomazellen das zu TYR -2 homologe DCT durch shRNA (small hairpin RNA ) abgeschaltet und die Apoptose untersucht (induziert durch das Chemotherapeutikum Cisplatin). Wir fanden, dass – ähnlich wie im Fadenwurm – DCT die Apoptoseeinleitung verhindert. Im weiteren sahen wir, dass eine Punktmutation, welche die L-Dopachrom-Tautomerase Funktion von DCT beeinträchtigt, die Sauerstoff und der programmierte Zelltod Apoptose nicht hemmen konnte. Die Tautomerase Funktion scheint also ursächlich in der antiapoptotischen Funktion dieses Proteins zu sein. Diese Inhibition geschieht, wie auch schon im Fadenwurm, auf der Ebene von p53. DCT knock-down durch shRNA führt zu einer Erhöhung der p53 Konzentration in humanen Melanomazellen. Das Verständnis aberranter Signaltransduktionswege, welche die Apoptose in Tumoren beeinflussen ist aus pathogenetischer wie auch therapeutischer Sicht von grosser Bedeutung. Zusammengefasst haben wir im Fadenwurm C. elegans einen neuen Signaltransduktionsweg beschrieben, welcher dazu führt, dass HIF Stabilisierung infolge Hypoxie oder genetischer Alteration, die Apoptose auf der Ebene des Tumorsuppressors p53 hemmt. Dies geschieht aufgrund des HIF -induzierten, sekretierten Proteins TYR -2. Das menschliche Homolog DCT zeigt in humanen Melanomazellen auch eine antiapoptotische Wirkung, welches auf eine evolutionär konservierte Funktion hindeutet. Insbesondere die nicht-zellautonome Funktion von HIF könnte dabei aus tumorbiologischer Sicht ein sehr wichtiges Moment darstellen, da dies nun bedeuten könnte, dass einzelne hypoxische Tumorarreale die Apoptose in anderen Tumorregionen nicht-zellautonom diktieren. DCT könnte damit ein vielversprechendes Zielprotein darstellen für medikamentöse Therapien. 57 58 Ataman Sendoel Sauerstoff und der programmierte Zelltod Referenzen: 12. Yu, F, White, S B., Zhao, Q & Lee, F S. 2001. 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