Teil 2 A MIGT 2008/2009 H. Himmer 1 Strategisches Marketing Strategie im Unternehmen1 „Der Angriff besitzt seinen fast einzigen Vorzug in der Überraschung.“ Carl P. G. von Clausewitz (Vom Kriege, III/9) Der Strategiebegriff stammt aus dem Griechischen (stratos = Heer, agos = Führer) und bezeichnet die Kunst der Heeresführung. Carl von Clausewitz zieht als erster Parallelen zwischen Militär und Wirtschaft. In den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts führen von Neumann und Morgenstern den Strategiebegriff aus einem mathematisch-spieltheoretischen Kontext in die Wirtschaftstheorie ein. Obwohl die Prognose der Zukunft für jedes Unternehmen ein mehr oder minder großes Problem darstellt, müssen immer wieder Aussagen darüber getroffen werden, welche Veränderungen im Umfeld zu erwarten sind und wie mit diesen Veränderungen im Sinne des Geschäftserfolgs umzugehen ist. Zentrale Herausforderungen ergeben sich hier durch die Vielfalt von Ereignissen, deren Mehrdeutigkeit sowie die Schwierigkeit, komplexe Probleme in überschaubare Einheiten zu zerlegen. Im Umgang mit diesen immer wiederkehrenden Herausforderungen sind strategische Managemententscheidungen in der Regel dadurch gekennzeichnet, dass sie längerfristige Ziele ins Auge fassen, die durch mittel- und kurzfristige Ansätze und Methoden realisiert werden sollen. 1 4managers; Strategisches Management; ILTIS GmbH; Rottenburg; 2008 Teil 2 A MIGT 2008/2009 H. Himmer 2 Ziel des Strategischen Managements ist es in der Regel die Entwicklung von Unternehmen zu gestalten. Der dabei zur Verfügung stehende Gestaltungsspielraum erstreckt sich von der Totalplanung, die die Möglichkeit der allumfassenden Steuerung einer Unternehmensentwicklung zugrunde legt, bis hin zu der Auffassung, dass Unternehmen prinzipiell unsteuerbar sind. Innerhalb dieses weiten Feldes ist ein Strategisches Management eine ganz bewusste Form, über die Entwicklung von Unternehmen zu denken und dementsprechend zu handeln. Strategisches Management beinhaltet also im Wesentlichen die Ausdehnung strategischer Aktivitäten über den reinen Planungsprozess hinaus. Ziel des strategischen Managements ist es, die strategische Orientierung des Unternehmens im Tagesgeschäft nachhaltig zu verankern, damit aus Strategien Handeln wird. Das traditionelle Strategische Management ist dann noch durch die strategische Kontrolle zu ergänzen, die als selbständiges Steuerungsinstrument den Planungsprozess kritisch absichernd begleitet. Teil 2 A MIGT 2008/2009 H. Himmer 3 Beispiel für ein Strategiemodell Abbildung 1: Institut für Strategisches Management; Johannes-Kepler-Universität Linz; 2007 Strategisches Marketing und Operatives Marketing Strategisches Marketing Das strategische Marketing stellt den zentralen marktorientierten Teil des strategischen Managements dar. Als Leitideen des strategischen Marketings können folgende angeführt werden2: 1) Gewinnbringende Orientierung an den Bedürfnissen, Erwartungen und Forderungen der Austauschpartner 2) Systematische Einbeziehung der natürlichen und gesellschaftlichen Umwelt in die Marketingplanung 3) Erhöhte Beachtung der organisatorischen Einbindung des Marketing Kernkonzept Marketing 2 M. Kruse; Marketing ambulanter Pflegedienste; in: Gesundheits- und Qualitätsmanagement; Hrsg: G. E. Braun und H.-K. Selbmann; S. 47 Teil 2 A MIGT 2008/2009 H. Himmer 4 Abbildung 2: F. Bradley; Strategic Marketing; John Wiley & Sons; 2003; scope of strategic marketing Strategisches Marketing umfasst alle Aktivitäten, die sich mit der Analyse der strategischen Ausgangssituation eines Unternehmens sowie mit der Formulierung, Bewertung, Auswahl und Implementierung von marktbezogenen Strategien befassen und dadurch einen Beitrag zur Erreichung der Unternehmensziele leisten. Abbildung 3: Steinbild; Strategisches Marketing; Teil 1; FH Frankfurt; 2008; S. 3 Teil 2 A MIGT 2008/2009 H. Himmer 5 Operatives Marketing Die durch das strategische Marketing festgelegten grundsätzlichen Vorgehensweisen werden durch das operative Marketing konkretisiert. Dabei wird vor allem auf die Elemente des klassischen Marketing-Mix (4-P) und operative Controlling-Instrumente zurückgegriffen. Strategische Marketingplanung Der Kern der strategischen Marketingplanung beinhaltet: Analyse Marktanalyse Kundenanalyse Wettbewerbsanalyse Selbstanalyse Generalplanung Vision Zukunftsbild, Leuchtturm Mission Zweck, Grundsätze, Werte (Leitbild) Strategie Grundsätzliche Ausrichtung Ziele Inhalt – Ausmaß – Zeitbezug (operationale Ziele) Strategien siehe auch als Beispiel ein Strategiemodell (S. 3) Wettbewerbsstrategien Positionierungsstrategien Positionierungsstrategien Innovationsstrategien Portfoliostrategien Teil 2 A MIGT 2008/2009 H. Himmer 6 Abbildung 4: http://tutor2u.net/business/images/strategic_marketing_process.gif Schritt 1: Analyse In der Situationsanalyse werden aufgrund von Marktforschungs-Daten über die bisherige Situation im Unternehmen, der Konkurrenz sowie von Prognosen über die voraussichtliche Entwicklung des Unternehmens und des Marktes Stärken und Schwächen sowie der Handlungsbedarf ermittelt. Zur sorgfältigen Beurteilung der Situation können/müssen sehr viele relevante Faktoren herangezogen werden. Dies macht die Situationsanalyse sehr komplex und langwierig - und damit für die meisten Anwendungssituationen in der Praxis untauglich. Man geht daher so vor, dass man sich auf wenige, aber sehr wichtige Faktoren konzentriert, d.h. Modelle der Situation konstruiert und dabei von "unwichtigen" Faktoren abstrahiert. Diese Situationsmodelle werden nun methodisch unterstützt, d.h. es existieren Analysemethoden, die ganz bestimmte Einflussfaktoren hoch gewichten und von anderen Faktoren absichtlich weglassen. Marktforschung Abbildung 5: W. Pelz; Strategisches und operatives Marketing; Ein Leitfaden zur Erstellung eines professionellen Marketing-Plans; S. 16/F. 32 Teil 2 A MIGT 2008/2009 H. Himmer 7 Analyse-Methoden (Praxis)3 ABC-Analyse4 Die ABC-Analyse ist eine einfache und wirksame Methode, mit deren Hilfe man die Konzentrationsschwerpunkte in einer Datenmenge feststellen kann. Die ABC-Analyse wurde von H. Ford Dickie im Jahr 1951 beschrieben. Grundlage von Dickie's Artikel waren vermutlich die Ergebnisse von V. Pareto („80/20 Regel“) und M. O. Lorenz („Lorenzkurve“), die damit erstmals in der Theorie der Unternehmensführung ihre Anwendung fanden. Sie wird vor allem in der Produktprogrammanalyse eingesetzt; man bildet hierbei zunächst eine Rangfolge der eigenen Produkte gemessen an ihrem Wert für das Unternehmen. BewertungsKriterien für die Rangfolgenbildung können Deckungsbeitrag, Umsatz, Potential etc. sein. Nun kumuliert man diese Kriterienwerte für die einzelnen Produkte und erhält damit eine Lorenz-Kurve der folgenden Art. Abbildung 6: ABC-Analyse; H. J. Ott; Marketing-Konzeption Angenommen, die obenstehende ABC-Analyse nimmt als Bewertungskriterium den Anteil der Produktumsätze am Gesamtumsatz, dann sieht man folgendes: 15 % der Produkte bringen 72% des Umsatzes, während knapp 65 % der Produkte lediglich 10% des Umsatzes bringen. Typischerweise gibt es wenige Produkte, die für das Unternehmen sehr wertvoll sind; diese werden als A-Produkte bezeichnet. Auf der anderen Seite gibt es viele Produkte, die das Unternehmen (aus Tradition, als Synergieträger für andere Produkte etc.) im Programm hat, die jedoch für sich gemessen an den angelegten Kriterien - nicht besonders wertvoll sind (C-Produkte). Die Kategorie von Produkten, die dazwischen liegen, werden als B-Produkte bezeichnet. 3 4 H. J. Ott; Marketing-Konzeption; Situationsanalyse; 2008 http://www.abc-analyse.info/abc/geschichte.html Teil 2 A MIGT 2008/2009 H. Himmer 8 Eine Erweiterung der ABC-Analyse stellt die XYZ-Analyse oder RSU-Analyse dar. Ergänzend kann dabei eine weitere Dimension in Kombination mit der ABC-Analyse (oder alleine) eingefügt werden. In der Materialwirtschaft ist das häufig nachfolgende Einteilung. X (R) relativ gleichförmig, nur gelegentliche Schwankungen unbeständig, trendmäßig steigend oder fallend, z. B. saisonale Schwankungen völlig unregelmäßig Y (S) Z (U) hoch (gute Planbarkeit) mittel (mittlere Planbarkeit) niedrig (schlechte Planbarkeit) Beispiel ABC-Analyse5 Rohdaten aus Datenbank Kunden-Nr 12030 45992 45600 93482 45832 95690 85821 22362 88347 23040 Umsatz in € (01-10/2008) 14.000,00 23.000,00 37.000,00 460.000,00 56.000,00 650.000,00 75.000,00 82.000,00 98.000,00 101.000,00 1. Sortieren der Daten, absteigend, nach zu analysierendem Kriterium (hier=Umsatz) 2. Berechnen der Summe aller zu analysierenden Kriterien 3. Berechnen des Anteiles jedes Kunden an diesem Gesamtumsatz in Prozent aufgrund der sortierten Daten aus Schritt 1 4. Kumulieren der Prozentwerte aus dem vorstehenden Schritt 5. Festlegen der Grenzen (A, B, C) soweit sinnvoll, so dass je nach Sinnhaftigkeit die Kategorien "A", "B" und "C" entstehen. Die drei Kategorien werden im Marketing als Marktsegmente bezeichnet. Für jedes Marktsegment können unterschiedliche Verkaufsstrategien entwickelt werden. 5 H. Zingel; Kosten- und Leistungsrechnung; BWL-Bote; http://www.bwl-bote.de/20080103.htm Teil 2 A MIGT 2008/2009 H. Himmer 9 SWOT-Modell Abbildung 7: http://www.braincenter.at/bilder/strategie.gif Chancen-Risiken-Analyse Hier werden wichtige Ereignisse und Trends in der Unternehmensumwelt danach bewertet, ob sie für das Unternehmen ein sehr hohes Erfolgspotential beinhalten (Chancen) oder auf der anderen Seite existenzgefährdend werden können (Risiken). Die Strategieempfehlung lautet dann so, dass die Chancen genutzt und die Risiken vermieden werden müssen. Abbildung 8: http://www.asstech.com/de/artikel/images/08abb2.gif Teil 2 A MIGT 2008/2009 H. Himmer 10 Ressourcenanalyse Die Ressourcenanalyse bzw. Stärken-Schwächen-Analyse analysiert und bewertet die Ressourcen eines Unternehmens oder eines strategischen Geschäftsfeldes. Sie bewertet die Vor- und Nachteile des Unternehmens im Vergleich zu seinen stärksten Konkurrenten und deckt dabei Handlungsspielräume auf. Sie versucht Gründe, für die in der Vergangenheit aufgetretenen und in der Gegenwart auftretenden Stärken und Schwächen zu finden. Die Ergebnisse können dabei in einem Stärken-Schwächen-Profil visualisiert werden. Eigenes Unternehmen Stärkster Konkurrent Abbildung 9: M. Markus; Planungsmethoden der Strategischen Situationsanalyse SWOT-Analyse: Kombination von Chancen-Risiken- und Ressourcenanalyse Die SWOT-Analyse (Strengthes-Weaknesses-Opportunities-Threats) kombiniert die RessourcenAnalyse (S,W) und die Chancen-Risiken-Analyse (O,T), berücksichtigt also Gegebenheiten im Unternehmen selbst sowie aus der Umwelt des Unternehmens. Folgende Fragen sind dabei jeweils zu analysieren: • Strengths: Die Stärken des Unternehmens im Vergleich zu seinen Wettbewerbern sind herauszuarbeiten: Worin liegen die Vorteile des Unternehmens gegenüber der Konkurrenz? Was kann das Unternehmen gut; worin liegt die Kernkompetenz bzw. das Teil 2 A MIGT 2008/2009 H. Himmer 11 Alleinstellungsmerkmal (USP)? Welche wichtigen Ressourcen hat nur das eigene Unternehmen? Was sehen andere als Stärken des Unternehmens an? • Weaknesses: Die Schwächen im Vergleich zu den Wettbewerbern sind herauszuarbeiten: Worin liegen die Nachteile? Was wird schlechter gemacht als in anderen Unternehmen? Was kann verbessert werden? Was sollte vermieden werden? • Opportunities: Welche Chancen und positiven Gelegenheiten kommen auf das Unternehmen von außen (Markt, Kunden, Gesetze, Politik, Technologien, Lifestyle der Zielgruppen...) zu? Welche interessanten Trends können ausgemacht werden? • Threats: Welche Bedrohungen können auf das Unternehmen zukommen? Welche Hindernisse und Probleme deuten sich bereits an? Was macht der Wettbewerb? Ändern sich die Marktanforderungen? Wird unsere Kernkompetenz irrelevant? Können wir neue Technologien in das Unternehmen assimilieren? Haben wir finanzielle Probleme? Welche Bedrohung kann unternehmenskritisch werden? Die Kombination von Ressourcen-und Chancen-Risiken-Analyse erfolgt dadurch, dass die Stärken analysiert und daraus mögliche Chancen abgeleitet werden. Aus den Schwächen können mögliche Bedrohungen abgeleitet werden. Andererseits kann aber auch zur Bedrohung werden, wenn man die eigenen Stärken nicht nutzt. Chancen bieten sich, wenn man die eigenen Schwächen beseitigen kann. Abbildung 10: D. Pfaff; Praxishandbuch Marketing; Grundlagen und Instrumente; Campus Verlag; 2004; S. 111 Nachfolgend ein Beispiel der SWOT-Analyse aus dem Konsumgüterbereich. Teil 2 A MIGT 2008/2009 Abbildung 11: H. Jenny; Die Anwendung der SWOT-Analyse in der Praxis; KMU-Magazin Nr. 3; 2006; S. 12 H. Himmer 12 Teil 2 A MIGT 2008/2009 H. Himmer 13 Benchmarking Betreibt man systematischen und permanenten Konkurrenzvergleich, so spricht man von Benchmarking. Folgende Arten von Benchmarking mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen können unterschieden werden Typ Definition Vergleich und Analyse internes Benchmarking ähnlicher Tätigkeiten oder Funktionen innerhalb des Unternehmens oder mit assoziierten Unternehmen wettbewerbs- Vergleich und Analyse von Produkten, orientiertes Benchmarking Dienstleistungen, Prozessen und Methoden bei direkten Konkurrenten Vergleich und Analyse funktionales Benchmarking von Produkten, Dienstleistungen, Prozessen und Funktionsrealisierungen von (branchenfremden) Unternehmen, die in keinem Wettbewerbsverhältnis stehen. Vorteile • Datenerfassung einfach • gute Ergebnisse für diversifizierte, herausragende Unternehmen • • • • • • • Nachteile • begrenzter Blickwinkel • interne Vorurteile geschäftsrelevante Informationen vergleichbare Produkte, Prozesse eigene Positionierung im Wettbewerb • höchstes Potential zum Finden innovativer Lösungen Erweiterung des Ideenspektrums bereitwillige Akzeptanz von Lösungsmöglichkeiten Zugang zu entsprechenden Datenbanken • • • • schwierige Datenerfassung branchenorienti erte Sichtweise Gefahr der Adaption nicht optimaler Praktiken zeitaufwendige Analyse schwierige Transformation der Praktiken auf das eigene Unternehmen Lebenszyklusanalyse Das Modell des Produktlebenszyklus geht davon aus, dass alle Produkte auf dem Markt eine begrenzte Lebensdauer haben. Der Lebenszyklus eines Produkts setzt sich aus mehreren Phasen zusammen, die ein Produkt/eine Dienstleistung durchlaufen kann. Die Bezeichnung wurde in diesem Zusammenhang zum ersten Mal von Theodore Levitt 1965 verwendet. Teil 2 A MIGT 2008/2009 H. Himmer 14 Abbildung 12: D. Pfaff; Praxishandbuch Marketing; Grundlagen und Instrumente; Campus Verlag; 2004; S. 87 Für die einzelnen Phasen ergeben sich bestimmte Implikationen hinsichtlich des Einsatzes von Marketinginstrumenten: Am Beginn einer Produkt- oder Dienstleistungseinführung steht die Entwicklungsphase, in der es zu Verlusten kommt, da keine Erträge fließen. Einführung Nach Entwicklung und Erprobung wird das Produkt zunächst in relativ kleinen Stückzahlen eingeführt. Der Bekanntheitsgrad ist noch gering und die Vertriebsstrukturen werden aufgebaut. Käufer sind oft vor allem solche, die sich ihre Vorreiterrolle gerne etwas mehr kosten lassen. Es fallen hohe Kosten für Werbung und Vertrieb an, so daß sich trotz hoher Produktpreise Verluste ergeben. Wachstumsphase Die Marketingmaßnahmen beginnen Erfolg zu zeigen, das Produkt erreicht einen hinreichenden Bekanntheitsgrad, der Umsatz steigt zum Teil sprunghaft an, womit sich erste Gewinne realisieren lassen. Gleichzeitig treten die ersten Mitbewerber am Markt auf. Reifephase Hinter dem Umsatzanstieg versteckt sich nun ein leichter Gewinnrückgang, denn jetzt setzt der Kampf um Marktanteile ein. Preissenkungen helfen, Kunden zu erreichen, denen Schnäppchen wichtiger sind, als zu den ersten Nutzern innovativer Produkte zu gehören. Sättigungsphase Der Kampf um Marktanteile verstärkt sich, die Wettbewerber ziehen sämtliche Register ihres Marketingrepertoires. Das Umsatzvolumen erreicht sein Maximum und die Grenzgewinne werden negativ. Der Verlust an Gewinnen schreitet von nun an fort. Teil 2 A MIGT 2008/2009 H. Himmer 15 Rückgangssphase (Degeneration) Umsatz und Deckungsbeitrag gehen bedrohlich zurück und schließlich stirbt das Produkt aus. Ursachen sind der technische Fortschritt, die wirtschaftliche Überholung, gesetzliche Maßnahmen oder eine Trendwende der Mode. Hier kann nun die Wiederbelebung (Wiedereinführung mit verändertem Produkt = Relaunch) erfolgen oder auch die endgültige Streichung aus dem Sortiment. Ein erweiterter Produktlebenszyklus kann so dargestellt werden: Abbildung 13: R. T. Kreutzer; Praxisorientiertes Marketing; Grundlagen, Instrumente, Fallbeispiele; Springer; 2006; S. 135 Portfolioanalyse Innerhalb der Betriebswirtschaftslehre hat sich zur Darstellung als Standard und Synonym für den Begriff Produktlebenszyklus das zweidimensionale Vier-Felder-Portfolio mit relativen Dimensionen der Boston Consulting Group (BCG-Matrix) etabliert. Daneben wird die Neun-Felder-Matrix von McKinsey (McKinsey-Matrix) als etwas genaueres Modell verwendet. Eher selten, aber im Einzelfall interessant ist die Produktlebenszyklusbetrachtung von Arthur D. Little (ADL-Modell) mit 16 bis 20 Feldern.6 Zur Portfolio-Analyse siehe die erweiterte MIGT-Sammlung Balanced Scorecard: Umfassende strategische Planungsmethode Die Balanced-Scorecard-Methode (BSC) will alle für den Erfolg eines Unternehmens wichtigen Faktoren abbilden, messbar machen und kommunizieren. Basis der BSC ist ein umfassendes 6 Wikipedia.org Teil 2 A MIGT 2008/2009 H. Himmer 16 Kennzahlensystem, das vergangenheits- und zukunftsorientierte Kennzahlen vereint und auch nichtfinanzielle Messgrößen integriert. Zur Portfolio-Analyse siehe die erweiterte MIGT-Sammlung Teil 2 A Aktuelle Werbung PUMA MIGT 2008/2009 H. Himmer 17 Teil 2 A MIGT 2008/2009 H. Himmer 18 Fallstudie 2 PUMA AG RUDOLF DASSLER SPORT Kurzüberblick Design, Entwicklung und Marketing eines großen Angebots von Sport- und Lifestyleartikeln. Dazu gehören Schuhe, Textilien und Accessoires. Distribution: PUMA hat Partner in mehr als 130 Ländern. Konsolidierte Umsatzerlöse: Die konsolidierten Umsatzerlöse für das Finanzjahr 2007 betrugen 2.373,5 Millionen Euro. Umsatz nach Kategorien: Aufgeschlüsselt nach Kategorien betrugen die Umsätze im Jahr 2007: Konsolidierte Umsätze Schuhe: € 1.387,8 Millionen Textilien: € 827,3 Millionen Accessoires: € 158,3 Millionen € 2.373,5 Millionen Mitarbeiter: 9204 (Ende 2007) Anteil am Konzernumsatz 58,5 % 34,9 % 6,7 % 100 % Marken: PUMA und Tretorn Offizielle Firmensprache: Englisch Produktionsstätten: PUMA lässt in Produktionsstätten in mehr als 40 Ländern produzieren. Unternehmensleitlinie/Mission PUMA verfolgt das langfristige Ziel, zum begehrtesten Sportlifestyle-Unternehmen zu werden. Unternehmensstrategie Unter der Zielsetzung, „das begehrteste Sportlifestyle-Unternehmen“ zu sein, soll die Position von PUMA als eine der wenigen echten Multi-Category-Marken gestärkt und die vielfältigen Möglichkeiten des Sportlifestyle-Marktes in allen Kategorien und Regionen konsequent genutzt werden. Ein Multi-Category-Anbieter zu sein bedeutet, die Kategorien und Geschäftsfelder zu besetzen, die PUMA die Möglichkeit bieten, insbesondere durch das Ausnutzen seiner einzigartigen Markenpositionierung eine dauerhafte Wertsteigerung zu erzielen. Teil 2 A MIGT 2008/2009 H. Himmer 19 Die Phase IV ist durch Expansion, die sich in drei Bereiche aufteilt, gekennzeichnet: • Expansion der Produktkategorien • Regionale Expansion • Expansion mit Nicht-PUMA-Marken Expansion der Produktkategorien Die Ausweitung der Produktkategorien in der Phase IV beinhaltet sowohl ein Wachstum in bereits bestehenden Geschäftsfeldern als auch den Einstieg in neue Produktkategorien. Die Erweiterung des bestehenden Produktportfolios wird durch eine Produkt- Offensive im gesamten Spektrum des Sportlifestyle von Sport bis hin zur Mode forciert. Darüber hinaus wird PUMA in neue Kategorien expandieren, die langfristige Wachstumsmöglichkeiten versprechen. Hierbei kommen vor allem Produktkategorien in Frage, in denen sich die Marke PUMA auf unverwechselbare Art und Weise vom Markt und vom Wettbewerb abheben kann. Regionale Expansion Neben der Expansion der Produktkategorien wird PUMA sowohl im Großhandels- als auch im eigenen Einzelhandelsgeschäft regional expandieren. Durch eine Ausweitung der Shop-in-ShopSysteme und anderer verkaufsfördernder Instrumente werden die Geschäftsbeziehungen zu den bereits bestehenden als auch neuen Handelspartnern intensiviert und dadurch die Präsenz und Sichtbarkeit der Marke weiter erhöht. Darüber hinaus ist es das Ziel, die wesentlichen Vertriebslizenzen zu beenden bzw. vorzeitig abzulösen und das Geschäft zu konsolidieren. Damit soll das vorhandene Potential der Marke in den jeweiligen Märkten schneller ausgeschöpft und in profitables Wachstum umgewandelt werden. Daneben werden die PUMA-eigenen Einzelhandelsgeschäfte vor allem in den bereits stark entwickelten Märkten ein einzigartiges Schaufenster für die Marke sein und es zudem ermöglichen unmittelbar auf neue Trends zu reagieren und entsprechend innovative Produkte schneller am Markt anzubieten. Durch eine gezielte Expansionsstrategie in Verbindung mit einer stärkeren Vertikalisierung der Geschäftsabläufe soll der Anteil des eigenen Einzelhandelsgeschäfts am konsolidierten Umsatz weiter gestärkt und ausgebaut werden. Expansion mit Nicht-PUMA-Marken PUMA schließt neben der Marke Tretorn (seit 2001) die Expansion mit Nicht-PUMA-Marken nicht aus. Weitere Akquisitionen könnten folgen, sofern diese, nach entsprechender Bewertung und Prüfung zur langfristigen Wertsteigerung des Unternehmens beitragen. Unternehmensentwicklung Im Jahr 1993 hat PUMA die Phase I der langfristigen Unternehmensentwicklung eingeläutet. Nach der Schaffung einer starken Finanzposition in Phase I sowie überdurchschnittlichen Investitionen in Marketing und Produkt in Phase II hat sich PUMA in Phase III auf das Ziel konzentriert, die Begehrtheit der Marke weiter zu steigern und in profitables Wachstum umzuwandeln. In Phase IV, die Anfang 2006 begonnen hat, verfolgt PUMA das langfristige Ziel, zum begehrtesten Sportlifestyle-Unternehmen zu werden. Weiteres Ziel ist die Stärkung und Weiterentwicklung von PUMA als eine der führenden „Multicategory“-Sportlifestylemarken. Um dieses Ziel zu erreichen, wird PUMA sich konsequent an einer Reihe von Eckpfeilern orientieren: Markenbegehrtheit, Nachhaltigkeit, Produktlebenszyklus-Management, Unternehmenswerte, Organisationsstruktur und Wertschöpfung. PUMA will die Phase IV unter anderem auf der Basis dieser Eckpfeiler umsetzen und sich dabei auf drei Kernbereiche konzentrieren: Expansion der Produktkategorien, regionale Expansion sowie eine Expansion über Nicht-PUMA Marken. Teil 2 A MIGT 2008/2009 H. Himmer 20 Die Expansion der Produktkategorien bezieht sich sowohl auf das Wachstum innerhalb des bestehenden Geschäfts als auch auf den Einstieg in für PUMA neue Produktkategorien. Das Unternehmen wird die Expansion der Produktkategorien auf mehreren Ebenen forcieren, indem neue, starke Akzente im Bereich Sportlifestyle – von Sport bis hin zur Mode – gesetzt werden. Neben der Erweiterung des Produkt-Portfolios in bestehenden und neuen Kategorien wird das Unternehmen zudem seine regionale Expansion beschleunigen. Es ist beabsichtigt, die regionale Expansion sowohl in Ländern, die bereits von PUMA Tochtergesellschaften betreut werden, als auch durch verschiedene selektive Joint Ventures und die Rücknahme von Lizenzen im Kerngeschäft zu forcieren. Zunächst sind Joint Ventures mit mehrheitlicher Beteiligung mit den früheren Lizenznehmern in Japan (Textil), China/Hong Kong, Taiwan und Argentinien gegründet worden sowie 100%-ige Tochtergesellschaften in Indien und Dubai für die Region Mittlerer Osten, die am 01. Januar 2006 das operative Geschäft in den jeweiligen Ländern übernommen haben. In Phase IV erwägt das Unternehmen erstmals auch selektiv durch andere Marken zu expandieren. Am Ende der Phase IV könnten Zweitmarken bis zu 10% des gesamten Geschäfts ausmachen. Aus heutiger Sicht sieht das Management das langfristige Unternehmenspotenzial bei 4 Milliarden Euro, wobei in den kommenden fünf Jahren ein großer Teil davon ausgeschöpft werden soll. Phase IV sieht darüber hinaus deutliche Investitionen insbesondere in die Bereiche Marketing, Vertrieb (inklusive eigenes Retailgeschäft), sowie in den Bereich Produktentwicklung und Design vor. Ausblick Deutliche Steigerung der Auftragsbestände Die Auftragsbestände wiesen zum Jahresende zum zwölften Mal in Folge ein Wachstum auf. Die Aufträge stiegen währungsbereinigt um 9,8% auf € 1.187,7 Mio. und beinhalten im Wesentlichen Lieferungen für das erste und zweite Quartal 2008. Nach Produktbereichen erhöhten sich die Aufträge bei Schuhen währungsbereinigt um 4,7% auf € 721,1 Mio., Textilien verbesserten sich um 19,9% auf € 397,7 Mio. und Accessoires um 13,6% auf € 68,9 Mio. In der Regionen EMOA verbesserten sich die Auftragsbestände währungsbereinigt um 10,2% auf € 712,0 Mio. Die Auftragsbestände in der Region Amerika sind währungsbereinigt um 3,2% auf € 241,3 Mio. zurückgegangen. Der Rückgang ist ausschließlich auf den US-amerikanischen Markt zurückzuführen. Mit einem deutlichen Anstieg insbesondere auf dem chinesischen Markt erhöhten sich die Aufträge in der Region Asien/Pazifik um 26,0% auf € 234,4 Mio. Management bestätigt währungsbereinigtes Umsatzwachstum im einstelligen Bereich Basierend auf den konsolidierten Geschäftsergebnisse für das 1. Quartal 2008 bestätigt das Management für das Geschäftsjahr 2008 trotz eines weiterhin schwierigen Marktumfeldes ein währungsbereinigtes Umsatzwachstum im einstelligen Bereich. In dem außergewöhnlichen Sportjahr 2008 wird PUMA weiterhin wie geplant in Marketingaktivitäten investieren, um das langfristige Wachstumspotenzial zu sichern. Die operative Marge könnte aufgrund der geplanten Marketingaufwendungen beeinflusst werden. In einem volatilen Marktumfeld ist es schwierig, die Auswirkung auf die Profitabilität für 2008 zu prognostizieren. Teil 2 A MIGT 2008/2009 H. Himmer 21 Markenstrategie In der Phase IV der langfristigen Unternehmensentwicklung verfolgt PUMA das Ziel, eine begehrte Marke mit globalem Auftritt und einer entsprechenden Verbraucherrelevanz zu sein. Mit unseren Produkten, die Werte wie Designkompetenz, Innovation, Individualität und Offenheit verkörpern, setzen wir immer wieder neue Akzente auf unserem Weg, die weltweit begehrteste Sportlifestylemarke zu sein. Diese Strategie haben wir im vergangenen Jahr erfolgreich umgesetzt, indem von PUMA ausgerüstete Athleten in Kategorien wie Running und Motorsport herausragende Erfolge erzielt haben. Außerdem haben wir die Marke durch unsere innovativen Markeninitiativen „I’m Going“ und „Urban Mobility“ im Sportlifestyle-Segment nachhaltig positioniert. Das Jahr 2008 bietet PUMA aufgrund einiger sportlicher Großereignisse viele Chancen und Möglichkeiten. Beim Afrika-Cup in Ghana gelang PUMA gleich ein erfolgreicher Auftakt: Mit einem starken Portfolio von neun von 16 Mannschaften erzielten wir nicht nur eine außerordentliche Markenpräsenz als führender Ausrüster, sondern stellten mit Ägypten zum sechsten Mal den Afrikameister. Mit unseren innovativen Produkt- und Marketingkonzepten werden wir auch bei der Euro 2008, den Olympischen Spielen und dem Volvo Ocean Race an den Start gehen. Das Volvo Ocean Race markiert gleichzeitig den Einstieg von PUMA in die Kategorie Segeln. Neben den sportlichen Höhepunkten wird PUMA unter dem Begriff Sportlifestyle auch die Bandbreite seiner Produkte gezielt erweitern, in neue Kategorien investieren und damit auch weiterhin die Richtung für innovatives Design vorgeben. Insgesamt wird das Jahr 2008 das Beste vereinen, das eine der weltweit begehrtesten Sportlifestylemarken zu bieten hat. Marketing Die Positionierung von PUMA als Sportlifestyle-Marke haben wir im vergangenen Jahr weiter forciert, indem wir unsere Kompetenz im Bereich Sport mit dem Know-How im Bereich Lifestyle verbunden haben. Durch globale Marketinginitiativen wie „I’m Going“ und „Urban Mobility“ hat PUMA seine Innovationen und seinen außergewöhnlichen Stil auf prägnante Weise zum Ausdruck gebracht. Das Jahr 2008 bietet uns mit seinen sportlichen Großereignissen viele Chancen und Möglichkeiten, PUMAs Image als global begehrte Sportlifestylemarke weiter zu stärken. Mit unserer preisgekrönten Werbekampagne „Until Then“ gelang uns im Vorfeld der Fußball-Europameisterschaft bereits ein hervorragender Start in dieses Sportjahr. Der futuristisch anmutende Werbespot zeigt unsere Vision von der Zukunft des Fußballs und bewirbt und stärkt damit unsere neue Fußball-Kollektion v1.08. Mit neun von insgesamt 16 Mannschaften beim Afrika-Cup erzielte PUMA gleich zu Beginn des Jahres nicht nur eine außerordentliche Markenpräsenz als führender Ausrüster auf dem Spielfeld, sondern stellte mit Ägypten zum sechsten Male den Afrikameister. Dies bildet eine ausgezeichnete Ausgangsposition für die Fußball-Europameisterschaft 2008, bei der PUMA mit einem starken Portfolio von fünf Teams an den Start geht. Unser Ziel im Segment Fußball lag in den vergangenen Jahren darin, uns zu einem der führenden Wettbewerber und Angreifer im Fußball zu entwickeln. Die Euro 2008 ist eine ideale Plattform für PUMA, um unsere Position als klare Nummer drei der weltweit führenden Fußballmarken nicht nur zu stärken, sondern weiter auszubauen. Bei den Olympischen Spielen in Peking gehen Athleten aus insgesamt 15 Leichtathletik-Verbänden in PUMA-Ausrüstung an den Start. Sie werden für eine starke Markenpräsenz sorgen, wodurch wir PUMAs Position als eine der führenden Running-Marken weiter ausbauen und im Jahr der Olympischen Spiele Akzente setzen werden. Im Mittelpunkt der Markenbotschaft steht dabei unsere Teil 2 A MIGT 2008/2009 H. Himmer 22 „Runway“-Kollektion, mit der PUMA eine Produktlinie anbietet, die Sport Performance und Lifestyle symbiotisch integriert. Im Oktober 2008 gehen wir mit unseren innovativen Produkt- und Marketingkonzepten beim Volvo Ocean Race, der längsten und härtesten Segelregatta der Welt, an den Start. Das Volvo Ocean Race markiert gleichzeitig PUMAs Einstieg in den Segelsport. Dadurch erweitert PUMA sein Portfolio im Bereich Premium Sportlifestyle-Kategorien und setzt seine geplante Expansion in neue Segmente konsequent fort. Zugleich ist PUMA das erste Sportlifestyle-Unternehmen, das in den Segelsport einsteigt. Retail Im abgelaufenen Geschäftsjahr eröffnete PUMA insgesamt 25 Concept Stores und hat damit seine Einzelhandelsaktivitäten weiter vorangetrieben sowie seine Position im Bereich Retail ausgebaut. Das neue Design unserer Concept Stores hat sich aufgrund seiner neuen, flexiblen Ausrichtung bewährt und zur Steigerung von Umsatz und Markenbildung beigetragen. PUMA plant auch künftig die Forcierung neuer Konzepte im Bereich Einzelhandel, die es uns ermöglichen, innovative Produkte in einem markengerechten Umfeld zu präsentieren und damit gleichzeitig ein einzigartiges Markenerlebnis zu schaffen. Beispiel: Informations-Sammlung/Interview: Im Gespräch: Puma-Chef Jochen Zeitz „Ich habe immer genug Handlungsspielraum“ Teil 2 A MIGT 2008/2009 H. Himmer 23 03. Februar 2008 Viele kleine Dinge, die in der Summe sehr hilfreich sind: Die Zusammenarbeit mit dem neuen Großaktionär PPR beschreibt Jochen Zeitz als reibungslos. Gegen eine Entscheidung, Puma von der Börse zu nehmen, hätte er nichts einzuwenden. Puma rüstet neun der 16 Fußballmannschaften aus, die bis zum 10. Februar in Ghana um den Afrika-Cup spielen. Adidas und Nike lästern über Masse statt Klasse, wenn sie auf Ihr Engagement in Afrika angesprochen werden... ... es ist doch klar, dass die Wettbewerber angesichts unserer Dominanz in Afrika nicht so viel davon halten. Gleichzeitig versuchen sie aber, uns Mannschaften abzujagen. Gelingt es ihnen? Nein, sie kamen nicht zum Zug, auch wenn ihre Wunschliste sehr lang war. Wir konnten mit allen Top-Mannschaften die Verträge langfristig verlängern - zum Beispiel mit Ghana, Kamerun und der Elfenbeinküste. Geht das nur mit Bestechung? Beim Afrika-Cup gab es bisher schon mindestens zwei Versuche, Spiele zu manipulieren. Mit den Verbänden, mit denen wir zusammenarbeiten, gibt es diese Problematik nicht. Wo Bestechung eine Rolle spielen könnte, würde es bei uns gar kein Gespräch geben. Wie überzeugt Puma die Afrikaner dann? Fast jedes afrikanische Team käme am liebsten zu uns. Wir geben ihnen nicht nur einen Ausrüstervertrag und Geld. Wir sind echte Partner, unterstützen zum Beispiel die Jugendarbeit, organisieren Testspiele und finden Trainingslager. Außerdem engagieren wir uns grundsätzlich für Afrika, zum Beispiel mit der Kampagne „United for Africa“ oder „Peace One Day“, und wir lancieren innovative Ideen weltweit über Afrika. Damit haben wir zum Bild des afrikanischen Fußballs positiv beigetragen. Solch ein tiefgreifendes Engagement bietet keiner unserer Wettbewerber. Mit neuen Ideen wie dem Kurzarmtrikot oder dem Einteiler der Spieler von Kamerun provozieren Sie immer wieder die Konkurrenz und den Weltfußballverband Fifa. Sind das nicht nur Werbegags? Nein, es geht um das innovative Design der Produkte verbunden mit der Funktionalität, zum Beispiel mit dem Ziel, das geringste Gewicht für ein Trikot zu erreichen. Mit unseren Innovationen verstoßen wir nicht gegen Spielregeln, sondern interpretieren diese immer wieder neu und verschieben damit manchmal auch die Grenzen. Der Sportartikelmarkt Afrika ist noch winzig. Warum engagieren Sie sich dort trotzdem so stark? Dafür gibt es zwei gute Gründe. Zum einen ist Afrika ein Zukunftsmarkt. Zum anderen passt der afrikanische Fußball perfekt zur Marke Puma mit seiner Farbenfreude und Vielfalt, der Leidenschaft der Spieler und der Fans, dem Spaß am Sport. Es geht nicht nur um das Gewinnen. Das Motto „Dabeisein ist alles“ gilt dort noch. Puma hat aber auch Weltmeister Italien im Portfolio. Den Ausrüstervertrag haben Sie schon vor der WM 2006 für sieben Jahre bis 2014 verlängert. Müssen Sie nun auch erheblich mehr zahlen wie Adidas für die deutsche Mannschaft? Teil 2 A MIGT 2008/2009 H. Himmer 24 Der Preis ist zwar gestiegen, aber nicht in die Dimensionen, die jetzt gehandelt werden. Zahlen nenne ich aus Wettbewerbsgründen allerdings nicht. Würden Sie in einem Bieterwettbewerb mitmischen, in dem es um 20 oder 25 Millionen Euro im Jahr geht? Nike hatte dem DFB sogar 62 Millionen Euro im Jahr geboten. Das schließe ich nicht aus. Es hängt von der Strategie ab, von der Mannschaft und den Marktpotentialen. Deutschland war für uns aber kein Thema. Warum nicht? Der Preis war uns viel zu hoch. Das teuerste Engagement von Puma ist in diesem Jahr das Volvo Ocean Race. Dort sind Sie mit einem eigenen Boot zum ersten Mal dabei. Was versprechen Sie sich davon? Segeln ist im Gegensatz zum Fußball kein Massensport. Segeln ist eine unserer neuen Produktkategorien. Wie in anderen Sportarten sehen wir hier für uns die Möglichkeit, sportliche Hochleistung in innovative und designorientierte Produkte zu übersetzen. Die Schuhe, Jacken oder Hosen sollen dann auch für Nichtsegler attraktiv sein. Außerdem sind wir wieder einmal die erste Sportmarke, die sich mit dem Segelsport ein neues Segment erschließt. Als wichtigster Segelwettbewerb der Welt gilt aber der America's Cup. Das Volvo Ocean Race ist dafür der härteste Wettbewerb, sozusagen der Everest des Segelns: 38.000 Seemeilen, in acht Monaten einmal um den Globus. Hart ist auch das Geschäft in den Vereinigten Staaten. In den ersten neun Monaten 2007 ist Ihr Umsatz dort um zehn Prozent gesunken, vor allem wegen der Schwierigkeiten Ihres größten Kunden, der Sporthandelskette Foot Locker. Wann rechnen Sie mit einer Besserung? Wir haben in den vergangenen Monaten immer wieder darauf hingewiesen, dass es frühestens zum Ende des ersten Quartals eine Besserung geben wird. Bleibt es bei dieser Prognose? Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Das Marktumfeld sowie das getrübte Konsumklima in den Vereinigten Staaten bleiben herausfordernd. Ich hoffe aber auf eine Besserung. Ist die Vorhersage also unsicherer geworden? Dass sich die Rahmenbedingungen nicht verbessert haben, ist allseits bekannt und zeigt sich - allein schon an den Börsen in der ganzen Welt. Im vergangenen Quartal ist der Umsatz von Puma überraschend stark um zehn Prozent auf 504 Millionen Euro gestiegen. Ist das die Rückkehr zu alter Wachstumsstärke nach dem leichten Rückgang in den ersten neun Monaten zuvor? Wir sind 2006 um 34 Prozent gewachsen. Das musste erst einmal verdaut werden. Das Geschäft in Europa ist zuletzt etwas besser gelaufen als erwartet. Amerika hat nicht so stark negativ zu Buche geschlagen wie in den Quartalen zuvor. Und Asien hat sich positiv entwickelt. Wir haben in den meisten Ländern dazugewonnen, was im ersten Halbjahr so nicht der Fall war. Man darf aber nicht Teil 2 A MIGT 2008/2009 H. Himmer 25 den Effekt unterschätzen, den in der ersten Hälfte des Vorjahres die Fußball-WM in Deutschland hatte. Was bringt Puma die Zusammenarbeit mit Ihrem französischen Großaktionär PPR? Konkrete Projekte nennen Sie immer noch nicht. Wir werden nicht alles, was wir vorhaben, groß veröffentlichen. Aber zum Beispiel haben wir unser erstes Geschäft in Westafrika, in Ghana, mit Hilfe einer Tochtergesellschaft von PPR vor dem AfrikaCup eröffnet. PPR kann uns in Afrika mittelfristig auch im Vertrieb unterstützen. Es sind insgesamt viele kleine Dinge in vielen Bereichen, die in der Summe sehr hilfreich sind, weil sie unser Geschäft stärken. Wie ist das Verhältnis zu PPR? Haben Sie jetzt wieder mehr Freiheiten als mit dem früheren Großaktionär, den Geschwistern Herz? (lacht) Ich hatte und habe immer genug Handlungsspielraum. Der wesentliche Unterschied ist, dass PPR als strategischer Investor in einem Geschäft tätig ist, in dem auch wir tätig sind. Das macht die Zusammenarbeit leichter als mit einem reinen Finanzinvestor. PPR hält mittlerweile 64 Prozent der Puma-Aktien und will langsam weiter aufstocken. Ist es für Sie wichtig, ob Puma an der Börse bleibt oder nicht? Ob börsennotiert oder nicht - an meiner Arbeit und an unserer Strategie würde sich nichts ändern. Auch mit dem Einstieg von PPR hat sich die Unternehmensführung nicht verändert. Wir haben uns noch nie an Quartalen und kurzfristigen Erfolgen orientiert. Indirekt würden wir ohnehin an der Börse verbleiben, weil PPR dort notiert ist. In den vergangenen Jahren haben Sie mit Ihren Aktienoptionen allerdings stark von dem kräftig gestiegenen Börsenkurs profitiert. Die Höhe des Verdiensts beeinflusst ja nicht die Art der Unternehmensführung. Ich führe ein Unternehmen nicht, um mit Aktienoptionen Geld zu verdienen, sondern so, wie ich es für richtig halte. Das Gespräch führte Joachim Herr Text: F.A.Z. (Frankfurter Allgemeine Zeitung), 04.02.2008, Nr. 29 / Seite 14 Bildmaterial: ASSOCIATED PRESS