Marktchancen nutzen Aktionen zur Steigerung der Erträge Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) Marktchancen nutzen Aktionen zur Steigerung der Erträge Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) Impressum Gesamtbearbeitung Arbeitsgruppe Kundenbindung des VDV-Ausschusses für Marketing und Kommunikation (AMK) Beiträge von Friedhelm Bihn, Köln Katrin Fech, Hamburg Yvonne Funke, Hamburg Hermann Klodner, Nürnberg Ulf Middelberg, Hannover Cornelia Muhl-Hünicke, Magdeburg Torsten Reh, Hamburg Guido Verhoefen, Hannover Eva Troschke, Neubrandenburg Susanne Weghorn, Nürnberg Ingo Wortmann, Ulm Redaktion Friedhelm Bihn, Köln Dr. Till Ackermann, Köln Stephan Anemüller, Köln Herausgeber Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Kamekestraße 37–39, 50672 Köln Gestaltung Kai Uhlemann Herstellung Cede Druck GmbH, Köln; gedruckt auf Papier aus 100 Prozent Sekundärfasern © 2009 Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) 2 Idee des Papiers Marktchancen nutzen – Aktionen zur Steigerung der Erträge Gute Ideen gehören verbreitet und umgesetzt. Unter dieses Motto könnte man diese Sammlung von erfolgreichen Marketing-Aktionen zur Steigerung von Fahrgastzahlen, Kundenbindung und Erträgen stellen. Eine Gruppe von MarketingPraktikern teilt Erfahrung und Ansätze und stellt sich als Ansprechpartner zur Verfügung, wenn Kolleginnen und Kollegen auf den Geschmack kommen und diese oder jene Idee im eigenen Unternehmen umsetzen wollen, um zum Wohle aller Marktchancen zu nutzen. 3 Inhaltsverzeichnis IBus und Bahn fahren – mehr als ein Trend 5 10Kommunikation: Starke Marke 13 1Günstig und umweltschonend – Vorteile von Bus und Bahn 5 11Kundenbindung: Wer sich um Stamm­ kunden kümmert, behält sie auch 15 2Ein umfassendes Konzept ist die Basis für jeden Erfolg 6 12Rückholermarketing: Wer kündigt, ist noch nicht verloren 16 3Appell zur aktiven Kundenorientierung 17 Marketing bringt Wachstum 17 Verzeichnis der Bildquellen 18 IIBeispielhaftes Marketing – und noch mehr ist möglich 7 1Tarifkommunikation: Preisvergleich – ein gutes Argument 7 2Information: Dynamische Fahrgastinformation im Biergarten 8 3Zuzüglermarketing: neue Bürger – neue Fahrgäste 8 4Testangebote: Wer schnuppern darf, bleibt 9 5Qualitätssicherung: Vor allem Leistung überzeugt 10 6Nachtliniennetz: Neue Angebote erhöhen die Zahlungsbereitschaft 11 7Universal Design: Zugangsbarrieren abbauen 11 8Mobilitätserziehung: In der Schule fürs Leben lernen 12 9Kundenbetreuung: Willkommen im Club! 12 4 Mehr als ein Trend Bus und Bahn fahren – mehr als ein Trend Fahrgäste im öffentlichen Personennahverkehr Mio. Fahrten 10.216 10.000 9.780 9.810 2002 2003 9.925 10.285 10.031 9.000 Quelle: VDV-Statistik 2004 2005 2006 2007 In den letzten fünf Jahren haben die VDV-Mitgliedsunternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) einen kontinuierlichen Fahrgastzuwachs von über fünf Prozent erreicht. Viele Fahrgäste nutzten Busse und Bahnen das erste Mal, andere nutzten Busse und Bahnen bereits häufiger. Diese positive Entwicklung ist durch viele Faktoren begründet. Die sich bietenden Chancen gilt es zu nutzen und zu verstärken, um eine stabile Basis für eine anhaltend positive Fahrgastentwicklung bei den Verkehrsunternehmen und -verbünden zu schaffen. Jedes Verkehrsunternehmen und jeder Verkehrsverbund steht in der Verantwortung, sich die Frage zu stellen, durch welche Marketing-Maßnahmen dieser positive Trend nachhaltig stabilisiert bzw. weiter ausgebaut werden kann. 1Günstig und umweltschonend – Vorteile von Bus und Bahn Ein Grund für die positive Entwicklung der vergangenen Jahre sind die gestiegenen Mobilitätskosten des motorisierten Individualverkehrs, die vor allem durch höhere Kosten für Treibstoffe, aber auch beim Unterhalt, Steuern und Versicherungen und bei der Wiederbeschaffung verursacht wurden. Das Fahren mit Bussen und Bahnen ist – trotz der regelmäßigen Preissteigerungen im ÖPNV – deutlich günstiger: Für eine durchschnittliche Tankfüllung lässt sich in den meisten Städten ein ganzer Monat Bus und Bahn ­fahren. Wer mit öffentlichen Verkehrsmitteln ein ganzes Jahr lang zur Arbeit pendelt, spart – verglichen mit den Autokosten nach ADAC – 500 Euro im Jahr. 5 Mehr als ein Trend Dies führt auch dazu, dass in Regionen mit einer guten öffentlichen Verkehrs­anbindung mehr Menschen auf ein Auto verzichten. So hatte 2004 beispielsweise in Berlin und Hamburg nur jeder zweite Haushalt mindestens einen Pkw 1) . Insgesamt verfügt im Bundesgebiet nur etwa jeder zweite Ein-Personen-Haushalt (54 Prozent) über ein Auto. Und: Die aktuelle Klimadiskussion lässt das Umweltbewusstsein wieder wachsen. 28 Millionen Fahrgäste nutzen täglich den ÖPNV. Sie tragen damit aktiv zum Klimaschutz bei, da Busse und Bahnen im Vergleich zum Pkw nur ein Drittel des klimaschädlichen CO2 ausstoßen. So kann jeder Einzelne durch häufigeres Nutzen von Bussen und Bahnen schnell und pragmatisch einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. 2Ein umfassendes Konzept ist die Basis für jeden Erfolg Zur Steigerung der Erträge über den Fahrgastmarkt ist ein umfassendes Marketing-Konzept erforderlich. Grundlage des Marketing ist dabei eine bewusste Absatz- und Kundenorientierung aller Unternehmensbereiche und das Eigenverständnis des Unternehmens als Dienstleister mit dem Ziel, die Bedürfnisse der Verkehrskunden bestmöglich zu erfüllen. Ein solches Konzept muss die klassischen absatzpolitischen Instrumente des Marketing-Mix umfassen: Produktpolitik entspricht Verkehrsangebot Preispolitik entspricht Tarifpolitik Distributions­ politik entspricht Vertriebssystem Kommunikations­ politik entspricht Kundenansprache und -service Inzwischen wurde der klassische » 4P-Ansatz « 2) von verschiedenen Autoren um weitere » P« erweitert. So werden heute – gerade im Dienstleistungsbereich – auch zum Teil Personal und Prozess in den Marketing-Mix einbezogen. Viele Unternehmen unterschätzen in der Kundengewinnung und -bindung die prozess­o rientierten und personalwirtschaftlichen Bereiche und verlassen sich fälschlicherweise vielmehr alleine auf Produktkenntnisse. 1)Statistisches Bundesamt, Im Blickpunkt: Verkehr in Deutschland 2006, Wiesbaden 2006, Seite 24 6 2)im Englischen beginnen alle vier Begriffe mit »P«: Product, Price, Place, Promotion Beispielhaftes Marketing Die Marketingmaßnahmen dienen letztlich dazu, die Erträge zu steigern bzw. Gewinne zu erzielen. Das Marketing in Verkehrsunternehmen sollte jede Stufe der ÖPNV-Entwicklung begleiten, d. h. auch in jeder Fahrplanperiode auf der Basis aktueller Nachfragedaten realisiert werden. Dabei sind im Rahmen einer regelmäßigen Aktualisierung Anpassungen an die Erfordernisse des Marktes auf den folgenden Ebenen vorzunehmen: Verkehrsangebot, z. B. – Linienwege – F ahrzeuge – H altestellen und Fahrplan Tarifpolitik, z. B. – Tarifsystem und ­- niveau – Ticketsortiment Vertriebssystem, z. B. – Verkaufsstellen – Automaten – Verkaufsförderung – moderne ­Vertriebswege Kundenansprache und -management, z. B. – F ahrgast- und ­Kundeninformation (Produktinformation) – Werbemaßnahmen – Ö ffentlichkeitsarbeit Kontakt Tarifkommunikation Preisvergleich: Matthias Müller, Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), [email protected] Andrea Langermann, Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS), [email protected] Beispielhaftes Marketing – und noch mehr ist möglich Marktforschungsstudien haben ergeben, dass vor allem bei der Informiertheit der Bürger und bei der Akzeptanz gegenüber dem ÖPNV weiterhin deutliche Defizite bestehen. Zirka 22 Prozent aller Wege werden deshalb nicht mit dem ÖPNV zurückgelegt 3) . Mit geeigneten kommunikativen Maßnahmen, insbesondere im Freizeit- und Einkaufsverkehr, kann dieses Defizit angegangen werden: kundengerechte Information über Angebot und Zugang (Tarif etc.) bestmöglich zum Kunden bringen – am besten in handlicher schriftlicher Form oder per Internet. Eine Vielzahl verschiedenster Maßnahmen hat sich in der Praxis bewährt. 1Tarifkommunikation: Preisvergleich – ein gutes Argument Gerade im Internet ist es möglich, zusätzliche Argumente über den Nutzen von Bussen und Bahnen anzubieten. So haben etwa der Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart GmbH (VVS) oder die Berliner Verkehrsbetriebe AöR (BVG) Preisvergleichsrechner ins Internet gestellt. Die dort entwickelte Software kann mit geringen Mitteln auf die örtlichen Gegebenheiten in anderen Verkehrsräumen umgesetzt werden. Damit kann jeder Kunde für sich selbst ausrechnen, dass in der Regel der öffentliche Verkehr auch nach Tariferhöhungen immer noch billiger ist als der Individualverkehr. Auch der Umweltbilanzrechner der Deutschen Bahn AG bietet gute Argumente für den Umstieg auf Busse und Bahnen (www.bahn.de/ umweltmobilcheck). 3) Infas/DIW, Mobilität und demografischer Wandel, 2005 7 Beispielhaftes Marketing 2Information: Dynamische Fahrgastinformation im Biergarten Einen neuen Weg zur Fahrgastinformation sind jetzt die Dresdner Verkehrsbetriebe AG (DVB) gegangen, indem sie eine dynamische Fahrgastinformationstafel mit Echtzeitangaben in einem Biergarten aufgestellt haben. Eine solche frühzeitige Information macht für die Kunden die Freizeit planbarer und reduziert die Wartezeit an der Haltestelle auf ein Minimum. Eine Brauerei und der Hersteller der Infotafel haben große Teile der Kosten für die Installation des Displays übernommen. Mit einer solchen Einrichtung könnten z. B. auch Einkaufszentren ihren Kunden einen Mehrwert bringen. Kontakt: Jan Bleis, Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB), [email protected] Bewährt hat sich auch das Infomanagement, das die Hamburger Hochbahn AG in dessen Auftrag gemeinsam mit dem Hamburger Verkehrsverbund (HVV) entwickelt hat. Ziel ist die Bekanntmachung des HVVAngebotes bei Gelegenheits- und Seltennutzern als Alternative zum Individualverkehr. An hoch frequentierten Plätzen wie in Krankenhäusern, Einkaufszentren, Bezirksämtern oder Museen findet der Besucher in modular aufgebauten Displays alle relevanten Informationen rund um das Mobilitäts-, Service- und Tarifangebot des HVV. 2007 wurden über mittlerweile 52 Standorte rund 160.000 Infobroschüren abgesetzt. Kontakt: Sven Nielsen, Hamburger Hochbahn AG, [email protected] 8 3Zuzüglermarketing: Neue Bürger – neue Fahrgäste Die Zu- und Abwanderungen von Kunden zeigen die hohe Bedeutung, etwa Neubürgern in der Stadt direkt mit dem Zuzug Informationen über das öffent­ liche Verkehrsangebot zukommen zu lassen. In Zusammenarbeit mit dem Einwohnermeldeamt der Stadt hat beispielsweise die Münchner Verkehrs­ gesellschaft mbH (MVG) ein MobilitätsmanagementProgramm »Gscheid mobil« erfolgreich eingeführt, das alle jährlich 85.000 Neu-Münchner erreichen soll. Dabei nutzten Neubürger mit Mobilitätsberatung Beispielhaftes Marketing 4Testangebote: Wer schnuppern darf, bleibt Neubürgeransprache wird meist auch mit dem Angebot von Schnuppertickets verbunden, mit denen das Verkehrsangebot konkret getestet werden kann. Aber auch andere Schnupperangebote können nachhaltigen Erfolg bringen. So haben etwa die Unternehmen der Westfälischen Verkehrsgesellschaft mbH (WVG), Münster, mit einem SchnupperAbo mit einer Mindestlaufzeit von drei Monaten die Zahl der Abonnenten um mehrere hundert steigern können; bis zu 80 Prozent der gewonnenen neuen Kunden bleiben länger als ein Jahr dabei. Am wirkungsvollsten war bei dieser Werbeaktion die Direktansprache durch Busfahrerinnen und Busfahrer. Kontakt: Dr. Uwe Rennspieß, Westfälische Verkehrsgesellschaft (WVG), [email protected] den ÖPNV um 7,6 Prozent häufiger. Das Institut für Stadtbauwesen und Stadtverkehr der RWTH ­A achen wird jetzt in einem vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung geförderten Forschungsvorhaben Neubürgerkampagnen (Stuttgart, Heidelberg, Offenburg, Aachen, Freiburg) evaluieren. In Nürnberg werden die erforderlichen Adressen innerhalb des Konzernverbunds über die Versorgungsunternehmen zur Verfügung gestellt. Kontakt: Sabine Nallinger, Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG), [email protected] Auch im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) wurde im Jahr 2008 erneut die sogenannte SchnupperAboAktion durchgeführt: Zum 1. Oktober, 1. November oder 1. Dezember 2008 konnten Bus- und Bahnkunden drei Monate lang die Vorteile eines VRR-Abo­ Tickets testen. Insgesamt 18 Verkehrsunternehmen im VRR bieten dieses Probeabo an. Das SchnupperAbo des VRR richtet sich vor allem an Fahrgäste, die zwar öfter mit Bus und Bahn unterwegs sind, bislang aber kein reguläres Abonnement abgeschlossen haben, weil ihnen zum Beispiel die Laufzeit zu lang erschien. Mit dem dreimonatigen Abo zur Probe sollen die Kunden die Möglichkeit nutzen, die AboTickets des VRR mit allen ihren Vorteilen ausgiebig zu testen, Preisvorteil inklusive. 9 Beispielhaftes Marketing des Ticket1000/2000, BärenTicket und YoungTicketPLUS. Kontakt: Andrea Wirth / Ute Kmiecik, Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR), [email protected], [email protected] 5Qualitätssicherung: Vor allem Leistung überzeugt Die Kommunikation mit dem Bild eines Marktschreiers wird durch Großflächen, Plakate in Fahrzeugen und Kundencentern sowie durch Hörfunkspots intensiv unterstützt. Des Weiteren setzten die Verkehrsunternehmen vor Ort zahlreiche Promotionaktionen ein, um den direkten Kundenkontakt für die Anwerbung neuer Abonnenten zu nutzen. Bei diesem Aktio­ nen wird u. a. ein echter Marktschreier eingesetzt. Im ersten Monat der dreimonatigen Aktion wurden zirka 5.200 neue Abo-Anträge abgeschlossen. Diese verteilen sich auf die unterschiedlichen Zielgruppen 10 Die Analyse der Nachfrageentwicklung bzw. Fluktuation beispielsweise in Nürnberg hat ergeben, dass – bei einem Fahrgastanstieg von drei Prozent – die Zuwanderungen, also Wanderungen von anderen Verkehrsmitteln und neue ÖPNV-Fahrten z. B. durch Zuzüge, 2006 19 Prozent und die Abwanderungen, d. h. vor allem Wanderungen vom ÖPNV zu anderen Verkehrsmitteln und Wegzüge von Personen, 16 Prozent betrugen. Nur noch ein Viertel der Fahrgäste fährt mit Bussen und Bahnen, weil ihnen die Alternative zum ÖPNV fehlt. Also führen Unzufriedenheiten mit einzelnen Leistungsmerkmalen des ÖPNV schneller als früher zu Abwanderungen auf vorhandene Alternativen. Die VAG Verkehrs-Aktiengesellschaft Nürnberg hat z. B. ein aktives Lob- und Beschwerdemanagement. Aber auch die weitere Optimierung der Qualität des Grundangebotes (Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit) ist permanente Aufgabe. Das aktuelle ÖPNV-Kundenbarometer 2007, das die Qualitätswahrnehmung von Fahrgästen von insgesamt 25 Verkehrsunternehmen und -verbünden nach bis zu 32 Leistungsmerkmalen ermittelt hat, zeigt aber auch, dass die Globalzufriedenheit in der Spitze von 2,60 auf 2,39 (Fünfer-Skala) signifikant gesteigert werden konnte; auch in der Breite fiel diese Entwicklung positiv aus. Kontakt: Hermann Klodner, Verkehrs-AG Nürnberg (VAG), [email protected] Beispielhaftes Marketing 6Nachtliniennetz: Neue Angebote erhöhen die Zahlungsbereitschaft Die SWU Verkehr GmbH (SWU) hat 2005 in der Doppelstadt Ulm / Neu-Ulm ein Nachtliniennetz im ÖPNV eingeführt. In Rahmen der vorangestellten Marktforschung wurde eine deutliche, über den Normaltarif hinausgehende Zahlungsbereitschaft für ein solches Angebot ermittelt. Wesentlich war auch, dass eine zusätzliche dritte Abfahrt um 3:30 Uhr – geplant waren ursprünglich nur Fahrten um 1:30 Uhr und 2:30 Uhr – eine merklich höhere Zahlungsbereitschaft generiert als nur zwei Abfahrten (vgl. Abb.). Auf dieser Basis wurde ein Nachtzuschlag entwickelt und in den Verbundtarif integriert. Kontakt: Ingo Wortmann, SWU Verkehr, [email protected] 7Universal Design 4) : Zugangsbarrieren abbauen Barrierefreiheit beim Zugang zum System nutzt allen Kunden. Deshalb gilt es, diese Angebote – statt isoliert mit Blick auf Menschen mit Behinderungen – für alle Kunden zu entwickeln. Bei der üstra Hannoversche Verkehrsbetriebe AG steht für diesen Paradigmenwechsel der Begriff des »universal design«, das im üstra-Marketingkonzept eine der Säulen zur Kundengewinnung und Ertragssteigerung ist. In der aktuellen Diskussion um die Nachrüstung von Fahrzeugen mit Rollstuhlplätzen (Stichwort: EU-Richtlinie 85/2005) hat die üstra deshalb in die neue­ren Busse einen zweiten Rollstuhlstellplatz ­eingebaut. Ein Zugewinn an Komfort ist dieser Platz durch (Klapp-) Sitzmöglichkeit auch für Eltern, die einen ­Kinderwagen dort direkt im Blick haben. Unabhängig von einer Änderung der StVZO bietet die neue Situation in den Bussen der üstra so in jedem Fall mehr Komfort im Sinne des universal design. Ergebnis der Conjoint-Analyse: Erlöskurven für zwei und drei Abfahrten pro Nacht mit Erlösmaximum Die ursprünglich prognostizierten Fahrgastzahlen und Erlöserwartungen sind zwischenzeitlich bei einigen Linien bereits übertroffen. Das Projekt hat deutlich gezeigt, dass eine von einem großen Kundenkreis gewünschte Angebotsausweitung zu einer höheren Zahlungsbereitschaft führt und die entsprechenden tariflichen Maßnahmen einen spürbaren Finanzierungsbeitrag des Nutzers ermöglichen. Trainings für Rollstuhlfahrer ergänzen das Angebot. Dabei gibt die üstra in Kooperation mit Anbietern aus der Rehatechnik-Branche auch Tipps zu Nutzung und Ausstattung der Rollstühle. In vielen Fällen können die Rollstuhlfahrer so selbst viel für den Abbau von Zugangshemmnissen tun, ohne dass teure Investitio­ nen im »System ÖPNV« erforderlich wären. Zudem vermarktet die üstra Erlebnis- und Schulungstage für 4)Unter dem Begriff »universal design« versteht man ein Angebot, das alle Kunden in gleicher Weise nutzen können, unabhängig vom Alter oder einer Behinderung 11 Beispielhaftes Marketing 8Mobilitätserziehung: In der Schule fürs Leben lernen Gerade auch bei Schülern sind mit Erreichen des 18. Geburtstages bzw. des Führerscheins starke Abwanderungen zu Gunsten des Pkw zu verzeichnen. In der Altersgruppe bis 19 Jahren zeigen sich insgesamt sehr deutlich die Imageprobleme des ÖPNV. Hier kann durch eine Reihe von Maßnahmen in der Mobilitätserziehung (Unterrichtsmaterialien, »Busschule« etc.), die zahlreiche Verkehrsunternehmen und -verbünde anbieten, eine positive Einstellung zum ÖPNV geschaffen und negativen Einflussfaktoren rechtzeitig entgegengewirkt werden. Sinnvoll ist auch die Ausbildung von Fahrzeugbegleitern (i. d. R. älteren Schülern), die mittlerweile von einer großen Zahl von Verkehrsunternehmen im Ausbildungsverkehr eingesetzt werden. Kontakt: Dr. Andreas Huber, Hamburger Verkehrs­ verbund (HVV), [email protected] Senioren (mit Teilnahmebeitrag). Eine spezifische Abo-Kampagne des Verbundes Großraum-Verkehr Hannover (GVH) für diese Zielgruppe, die rund 600 neue Abonnenten brachte, rundet das Engagement Ralf Dedden, GVH Großraum-Verkehr Hannover, [email protected] 9Kundenbetreuung: Willkommen im Club! Senioren (mit Teilnahmebeitrag). Eine spezifische Abo-Kampagne des Verbundes Großraum-Verkehr Hannover (GVH) für diese Zielgruppe, die rund 600 neue Abonnenten brachte, rundet das Engagement ab. Somit entfalten die beschriebenen Maßnahmen positive Erlöswirkungen – unmittelbar und perspektivisch bei möglichen Änderungen der Erstattungsregelungen für die Schwerbehindertenbeförderung. Kontakt: Ulf Middelberg / Elke Schmidt, Üstra Hannoversche Verkehrsbetriebe, [email protected] [email protected] 12 Der VRR setzt auf frühzeitige Information von Schülern und Schulen. Unter dem Motto »Willkommen im Club!« ist in den letzten Jahren eine Aktion zum sicheren Umgang mit Bus und Bahn entstanden. Das Info-Paket, das in den vierten Grundschulklassen verbundweit verteilt wird, wurde in Zusammenarbeit mit den Verkehrsunternehmen und Verkehrspädagogen entwickelt. Als Ergänzung zu den Printprodukten und Arbeitsblättern ist in 2008 ein Film gedreht worden. Der Film Beispielhaftes Marketing erzählt die Geschichte der SchokoTicket-Kinder, die auf ihrem Weg durch den Nahverkehr begleitet werden. Der Film ist Bestandteil eines Paketes an Lernmaterialien, welches ab Januar 2009 den Grundschulen zur Verfügung gestellt wird. Das real produzierte Filmmaterial wurde im Studio noch mit animierten Zeichentrickszenen ergänzt. Abo. Viele* gute Gründe: Zentrales Thema des Filmes ist die Verkehrs- und Mobilitätserziehung von Schülerinnen und Schülern der Altersklasse von sieben bis 13 Jahren. Die Szenen zeigen die richtige Nutzung von Bus und Bahn und die Möglichkeiten sich über das Leistungsangebot des öffentlichen Verkehrs zu informieren. Der fertige Film ist später in einzelne thematische Kapitel unterteilt und wird als DVD ausgegeben. 1 beide übertragbar Beispielvergleich 1 Monatskarte Abo:cleverCard Mit Abo:clever gespart: 1 Monat 38,50 6 32,00 6 6,50 6 12 Monate 462,00 6 384,00 6 78,00 6** ** Das sind über 60 Tage im Jahr geschenkt. Kontakt: Ute Kmiecik, Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR), [email protected] Abo: 10Kommunikation: Starke Marke Die Magdeburger Verkehrsbetriebe GmbH (MVB) nutzte die Tarifanpassung 2007, um die ­bisherige Fahrkartenkategorie »Jahreskarte ABO« in »Abo:cleverCard« umzubenennen. Ziel dabei war es, eine ­M arke zu etablieren, die dem Käufer in einem Wort ein positives Signal für seine Kaufentscheidung sowie den deutlichen Preisvorteil vermittelt. Das Wort »clever« versinnbildlicht hier die intelligente Wahl des Kunden für die Fahrkartenart mit dem besten Preis-Leistungsverhältnis im Fahrpreisgefüge der MVB. Im Rahmen der kommunikationspolitischen Maßnahmen wurden verschiedene Anzeigenmotive entwickelt, die einerseits neben einer Beispielvergleichsrechnung (bis zu 78,00 Euro im Jahr gespart) auch den Produktvorteil klar und deutlich hervorheben: cleverCard MIT UNS BLEIBEN SIE BEWEGLICH. * Wer Abo fährt, hat mehr. Für das Schöne im Leben. Mehr über unsere Abo:cleverCards: www.mvbnet.de »Abo. Viele gute Gründe: Wer ABO fahrt, hat mehr. Für das Schöne, das Süße, das Herzhafte im Leben.« und andererseits mit emotionalen Elementen punkten: »Umsonstfahrer – Charlie und Lotte dürfen mit.« Neben der Plakatierung und Anzeigenschaltung im Verkehrsgebiet der MVB wurde zeitgleich die im ­Dezember 2006 gestartete Aktion »Abokunden werben Abokunden« fortgeführt sowie in Kooperation mit dem größten Einkaufszentrum der Stadt eine öffentlichkeitswirksame Marketingaktion gestartet, bei der es hochwertige Einkaufsgutscheine zu gewinnen gab. 13 Beispielhaftes Marketing Umsonstfahrer* Umsonstfahrer* * Alle Be gültigen MV sitzer von B-Mo oder Abo:c natskarten leverCard s können au Berufsverke ßerhalb des hrs: werkt 8 bis 14 Uh ags von r un sowie sams d von 18 bis 6 Uhr tags, an Feiertag sonntags und en ganztäg ig kostenlos ihr Fahrr mitnehmen ad . Lotte darf mit. Charlie darf mit. MIT UNS BLEIBEN SIE BEWEGLICH. Noch mehr MVB-Service unter: www.mvbnet.de Der Erfolg der Kommunikationskampagne ist nachhaltig. Bis zum 31.03.2008 konnten insgesamt 1.475 neue Abonnenten gewonnen werden. Wenn man von einer durchschnittlichen Laufzeit eines Abonnements in Höhe von drei Jahren und einem Durchschnitts­ preis von 30 Euro pro Monat ausgeht, ergibt dies eine Einnahmesicherung von ca. 1.600.000 Euro. Kontakt: Cornelia Muhl-Hünicke Magdeburger Verkehrsbetriebe GmbH (MVB) [email protected] 14 * Alle Besitz er von gültige n MVB-Mon atskarten oder Abo: cleverCard s können ko stenlo ihren Hund s mitnehmen . MIT UNS BLEIBEN SIE BEWEGLICH. Noch mehr MVB-Service unter: www.mvbnet.de Beispielhaftes Marketing 11Kundenbindung: Wer sich um Stammkunden kümmert, behält sie auch Bei den Rückgewinnungsaktionen stellte sich auch heraus, dass viele Kunden nicht die gesamte Angebotspalette kennen und dankbar für ein beratendes Gespräch sind. Dies bestätigt auch die Notwendigkeit, vor allem den Stammkunden durch verstärkte persönliche Ansprache zu zeigen, dass sie wichtige Kunden sind. So sollten sie als erste über Veränderungen des Angebotes oder besondere Aktionen informiert werden. Verschiedene Verkehrsunternehmen oder -verbünde bieten auch zusätzliche Benefits für Stammkunden, regelmäßige mailings bis hin zur Einrichtung von Kundenclubs an. Hierunter fallen ­etwa verbilligter Eintritt bei Veranstaltungen bis hin zu eigenen Kundenveranstaltungen (z. B. Verkehrsverbund Rhein-Ruhr mit Ü50-Party, Kinotag, Musical­ tag). die kontaktiert wurden, 7,7 Prozent ihr Abonnement erneuert haben. Andererseits stellte sich in einer bei Senioren, in den Altersgruppen von 63 bis 75 Jahren, durchgeführten Rückgewinnungsmaßnahme heraus, dass viele Senioren ihre Abos endgültig und sehr bewusst kündigen: Die Trefferquote war fast null. Bei den Wuppertaler Stadtwerken AG (WSW) konnte durch aktive Stammkundenbetreuung, Kündigungsvermeidungs- und -rückgewinnungsaktivitäten die durchschnittliche Vertragslaufzeit auf über fünf Jahre gesteigert werden. Kontakt: Martin Eßler, Hamburger Hochbahn AG, [email protected] Ralph Birkenstock, Wuppertaler Stadtwerke (WSW), [email protected] Kontakt: Andrea Wirth, Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR), [email protected] 12Rückholermarketing: Wer kündigt, ist noch nicht verloren Nach einer Untersuchung der Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR) nutzt nur noch jeder fünfte ehemalige Schülerticket-Abonnent im Anschluss ein anderes Abo-Angebot. Andere Untersuchungen haben ergeben, dass jeder 4. Abonnent zwischen dem ersten und dem zweiten Vertragsjahr kündigt. Dies zeigt die Bedeutung, bei gekündigten Abos anzusetzen und an der Wiedergewinnung von Kunden zu arbeiten. Die Hamburger Hochbahn AG (Hochbahn) hat in einem Pilotprojekt beispielsweise erreicht, dass von 7.000 Schülern, Studenten und Auszubildenden, 15 Appell zur aktiven Kundenorientierung Appell zur aktiven Kundenorientierung In diesem Aktionspapier sind nur einige Beispiele für zumeist schnell umsetzbare Marketing-Aktivitäten angeführt. Diese sollen Anregungen geben, in dem aufgezeigten Sinn aktiv zu werden. Zahlreiche weitere VDV-Mitgliedsunternehmen setzen die hier geschilderten Maßnahmen bereits erfolgreich um. Für Dienstleistungsunternehmen ist Kundenorientierung ein strategischer Eckpfeiler. Marketing ist die ganzheitliche marktorientierte Unternehmensführung. Marketing bringt Wachstum In den vergangenen Jahren ist das Angebot des öffentlichen Verkehrs mit Bussen und Bahnen in Deutschland in einer umfassenden Qualitätsoffensive auf einen Stand gebracht worden, der weltweite Anerkennung gefunden hat. Vor allem bei den bisherigen Nicht­ kunden gibt es aber Informationsdefizite in der Bevölkerung – »der ÖPNV ist besser als sein Ruf«. Seit Jahren bewegt sich nach einer Untersuchung von Prof. Ronald Pörner das Marketing-Budget der ÖPNVUnternehmen – im Vergleich zu anderen Dienstleistungsunternehmen – in einem eher bescheidenen Rahmen. 90 Prozent der Unternehmen verfügen über ein Marketing-Budget von bis zu zwei Prozent des Umsatzes. Dabei zeigen die in einzelnen Verkehrsunternehmen und -verbünden aufgenommenen Kunden­wertanalysen, dass in Marketing-Maßnahmen investiertes Geld gut angelegt ist. 5)Pörner, Ronald, Marketingorientierung der deutschen ÖPNV-­Unter­ nehmen – Ergebnisse eines empirischen ­Forschungsprojektes, in: fhtw-transfer, Veröffentlichungen der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, Nr. 30-98, Berlin 1998 16 Neben der Kostensenkung in den Unternehmen zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit muss wieder die Steigerung der Fahrgeldeinnahmen durch aktiveres Marketing und das Marketing selbst seinen entsprechenden Stellenwert erhalten. Bildquellen Verzeichnis der Bildquellen Seite 1 Fotos: Stock Xchange/Steve Woods, Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR); Composing: Kai Uhlemann (VDV) 3 Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) 5 Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) 8–9 Münchner Verkehrs­gesellschaft mbH (MVG) 10 Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) 11 Probst & Consorten Marketing-Beratung 12 üstra Hannoversche Verkehrsbetriebe AG 13–14 Magdeburger Verkehrsbetriebe GmbH (MVB) 17 Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) Kamekestraße 37–39 · 50672 Köln Telefon 0221 57979-0 · Fax 0221 57979-8000 E-Mail [email protected] · Internet www.vdv.de