Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Ökonomie der Informationsgesellschaft Lehrstuhlinhaber: Prof. Dr. Peter Welzel Wettbewerbspolitik und Regulierung Allgemeine Volkswirtschaftslehre für Betriebswirte und Sozioökonomen 5. Semester Skript zu Kapitel 3 Wettbewerbspolitik und Regulierung WS 2001/2002 PD Dr. Karl Morasch Wettbewerbspolitik und Regulierung Regulierung natürlicher Monopole Inhaltsverzeichnis 3 Regulierung natürlicher Monopole 86 3.1 Regulierungsbegriff und Theorie der Regulierung 87 3.1.1 Staatliche Regulierung: Begriffsklärung und Überblick 3.1.1.1 Regulierungsbegriff 3.1.1.2 Branchenstruktur der Regulierung 3.1.1.3 Begründung und Ziele staatlicher Regulierung 3.1.1.4 Spezifische Regulierungsinstrumente 3.1.1.5 Regulierungsträger 87 87 88 89 90 93 3.1.2 Theorie der Regulierung 3.1.2.1 Normative Theorie der Regulierung 3.1.2.2 Positive Theorie der Regulierung 94 94 97 3.2 Formen der Regulierung 102 3.2.1 Erstbeste und zweitbeste Regulierung 103 3.2.2 Einproduktfall: Rentabilitätsregulierung 3.2.2.1 Rentabilitätsregulierung - Darstellung des Grundkonzepts 3.2.2.2 Beurteilung der Rentabilitätsregulierung 105 105 107 3.2.3 Regulierung im Mehrproduktfall: Ramsey-Preise 3.2.3.1 Grundproblem der Regulierung im Mehrproduktfall 3.2.3.2 Referenzsituation: Einheitlicher Preis für alle Nachfrager 3.2.3.3 Ramsey-Preise: Berücksichtigung der Nachfrageheterogenität 108 109 109 3.2.4 Alternativen zur kostenorientierten Regulierung 111 3.2.5 Monopolistische Bottlenecks und Access-Pricing 3.2.5.1 Lokalisierung monopolistischer Bottlenecks 3.2.5.2 Netzzugang bei angreibaren Netzen vs. monopolistischen Bottlenecks 3.2.5.3 Disaggregierte vs. globale Regulierung in Märkten mit Bottlenecks 113 113 110 114 115 © K. Morasch, 2001 Wettbewerbspolitik und Regulierung Regulierung natürlicher Monopole 3 Regulierung natürlicher Monopole Der dritte Gliederungspunkt der Lehrveranstaltung beschäftigt sich mit dem Bereich der Regulierung, insbesondere der Regulierung natürlicher Monopole. Dieser Veranstaltungsteil ist wie folgt aufgebaut (vgl. Folie 3-1): 3.1 Regulierungsbegriff und Theorie der Regulierung 3.2 Grundlegende Formen der Regulierung 3.3 Regulierung in der Praxis: Telekommunikation und Energieversorgung # 3-1 Inhaltlich wird hier ein Grenzbereich zwischen dem marktwirtschaftlichen Organisationsmechanismus und planwirtschaftlichen Steuerungskonzepten analysiert: Im Gegensatz zur rein rahmensetzenden Wettbewerbspolitik wird der Wirtschaftsprozeß in regulierten Branchen durch staatliche Maßnahmen explizit beeinflußt. • Im ersten Abschnitt (3.1) wird zunächst der zugrundegelegte Regulierungsbegriff erläutert. Anschließend wird kurz die normative Theorie der Regulierung vorgestellt, die Staatseingriffe als Maßnahmen zur Korrektur von Marktversagen begründet. Dem wird die positive Theorie gegenübergestellt, die die tatsächlich beobachtbare Regulierung als Ergebnis eines „Marktes für Regulierung“ erklärt. • In 3.2 werden verschiedene Formen der Regulierung natürlicher Monopole vor dem Hintergrund mikroökonomischer Konzepte analysiert. Dabei werden zunächst die grundlegenden Probleme bei der Ausgestaltung der Regulierung thematisiert. Danach werden kostenorientierte Ansätze für den Einprodukt- und den Mehrproduktfall behandelt. Schließlich werden Alternativen zur kostenorientierten Regulierung und Konzepte für „monopolistische Bottlenecks“ (z.B. Schienennetz) vorgestellt. • In 3.3 wird die konkrete Ausgestaltung der Regulierung in den Bereichen Telekommunikation und leitungsgebundene Energieversorgung diskutiert. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der aktuellen Politik in diesen Bereichen, zum bessern Verständnis wird jedoch auch auf die historische Entwicklung der Regulierung eingegangen. Da zu diesem Themenkreis mit den Kapiteln 4 und 5 in Knieps, G., Brunekreeft, G. (2000), Zwischen Regulierung und Wettbewerb. Netzsektoren in Deutschland, Heidelberg: Physica sehr gut geeignete Quellen vorliegen, wird auf ein Behandlung im Skript verzichtet. - 86 - © K. Morasch, 2001 Wettbewerbspolitik und Regulierung Regulierung natürlicher Monopole 3.1 Regulierungsbegriff und Theorie der Regulierung Wie Folie 3-2 zeigt, soll in diesem Abschnitt zunächst eine Begriffsklärung und ein allgemeiner Überblick zum Thema „Regulierung“ gegeben werden. In einem zweiten Schritt werden dann die normative und die positive Theorie der Regulierung vorgestellt. Regulierungsbegriff • Was versteht man unter “staatlicher Regulierung”? • Wo wird reguliert? (Branchenstruktur der Regulierung) • Warum wird reguliert? (Begründung und Ziele) • Wie wird reguliert? (Regulierungsinstrumente) • Wer reguliert? (Träger der Regulierung) Theorie der Regulierung • Normative Theorie: Begründung der Regulierung • Positive Theorie: Erklärung der Regulierung # 3-2 3.1.1 Staatliche Regulierung: Begriffsklärung und Überblick Im folgenden wird zunächst geklärt, was „staatliche Regulierung“ von anderen Formen der Wirtschaftspolitik unterscheidet. Anschließend wird die Branchenstruktur der Regulierung kurz angesprochen. Der Rest des Abschnitts beschäftigt sich dann allgemein mit Zielen, Mitteln und Trägern der Regulierung (eine detailierte Analyse für die Bereiche leitungsgebundene Energieversorgung und Telekommunikation erfolgt in 3.3). 3.1.1.1 Regulierungsbegriff Unter „Regulierung“ wird durch allokatives Marktversagen begründete Wirtschaftspolitik bezeichnet, die im Gegensatz zur Wettbewerbspolitik gezielt auf einzelne Sektoren ausgerichtet ist und bei der in die Gewerbe- und Vertragsfreiheit eingegriffen wird. Die genaue Abgrenzung des Begriffs ist umstritten. Eine mögliche Definition gibt Folie 3-3: "Staatliche Regulierung umfaßt alle hoheitlichen Eingriffe in die Gewerbe- und Vertragsfreiheit, die nicht allein der Festlegung und Durchsetzung allgemein gültiger Spielregeln der Marktwirtschaft dienen." # 3-3 Von Regulierung spricht man also dann, wenn sich der Staat nicht auf Rahmensetzung beschränkt, sondern direkt in das Marktgeschehen eingreift. Im Bereich der Vertragsfreiheit wäre diese dann gegeben, wenn in einer Branche die Preise zwischen Käufer und Verkäufer nicht frei ausgehandelt werden können, sondern durch den Staat genehmigt - 87 - © K. Morasch, 2001 Wettbewerbspolitik und Regulierung Regulierung natürlicher Monopole werden müssen (z.B. Strompreise). Entsprechend stellt die Notwendigkeit einer staatlichen Genehmigung bei der Aufnahme einer bestimmten Gewerbetätigkeit (z.B. im Straßengüterverkehr) einen direkten Eingriff in die Gewerbefreiheit dar. Nicht zur Regulierung zählen somit alle indirekten staatlichen Maßnahmen, die für alle gleichermaßen geltenden Rahmenbedingungen darstellen. Beispiele hierfür sind die Geld- und Fiskalpolitik (Steuern, Konjunkturprogramme), die Infrastrukturpolitik und die Wettbewerbspolitik (z.B. das allgemeine Kartellverbot). Unklar ist, ob auch sogenannte Verhaltens- und Qualitätsregulierungen (z.B. Sicherheitsbestimmungen im Luftfahrtsbereich; staatliche Vorgabe von Normverträgen im Versicherungswesen), die für alle Marktteilnehmer des Sektors gleichermaßen Gültigkeit haben, unter den Regulierungsbegriff fallen - zumindest in der klassischen Regulierungstheorie wird dies verneint: Lediglich bei gezielter, unternehmensspezifischer Steuerung von Preisen, Mengen, Investitionen und Marktzutritt wird hier von Regulierung gesprochen. 3.1.1.2 Branchenstruktur der Regulierung Bevor konkreter auf den ökonomischen Hintergrund staatlicher Regulierung eingegangen wird, soll zunächst ein Überblick darüber gegeben werden, welche Branchen in der BRD betroffen sind. Die Abbildung in Folie 3-4 differenziert die einzelnen Wirtschaftssektoren nach der Intensität staatlicher Regulierung (von „wenig oder nicht“ bis „sehr stark“) und weist gleichzeitig den jeweiligen Anteil an der gesamten Bruttowertschöpfung (Produktionswert abzüglich Vorleistungen) im Jahr 1991 aus: Regulierungsintensität in der BRD Anteile an der Bruttowertschöpfung (1991) wenig oder nicht 75% • Strom/Gas/Wasser • Agrarbereich • Eisenbahnen • Briefverkehr • Gesundheit • Telekommunikation • Straßengüterverkehr • Taxi-/Luftverkehr • Wohnungsvermietung • Bank-/Versicherungswesen bedeutend sehr stark 17% 8% # 3-4 Quellen: Fels/Schmidt (1984), S. 267 und Statistisches Bundesamt, Fachserie 18. Der Anteil regulierter Wirtschaftsaktivität ist mit rund einem Viertel der volkswirtschaftlichen Einkommensentstehung relativ bedeutend. Jedoch kann nur ein Drittel der insgesamt regulierten Sektoren zu den sehr stark beeinflußten Branchen gezählt werden, - 88 - © K. Morasch, 2001 Wettbewerbspolitik und Regulierung Regulierung natürlicher Monopole wobei deren Anteil durch die deutliche Liberalisierung im Bereich Nachrichtenübermittlung (Postreform) in den letzten Jahren zurückging. Die aktuellen Deregulierungsmaßnahmen in den Bereichen Telekommunikation, Eisenbahnen, leitungsgebundene Energieversorgung sowie Straßengüterverkehr bedingen einen weiteren Rückgang der Regulierungsintensität, auch wenn in diesen Bereichen die Regulierung meist nicht vollständig abgebaut wird. 3.1.1.3 Begründung und Ziele staatlicher Regulierung Der direkte staatliche Eingriff in einzelne Sektoren hinein ist in einer grundsätzlich marktwirtschaftlich orientierten Wirtschaftsordnung nicht selbstverständlich, sondern bedarf einer besonderen Begründung. Die „normative Theorie der Regulierung“ (genaueres dazu in 3.1.2.1) argumentiert dabei mit Marktversagen: Sogenannte Branchenbesonderheiten würden zu einem Marktergebnis führen, das im Rahmen des gesellschaftlich vorgegebenen Zielsystems nicht optimal ist. Da diese Besonderheiten, auf die später näher eingegangen wird, im allgemeinen nicht nur kurzfristiger Natur sind, ist auch eine dauerhafte Einschränkung des Markt- und Wettbewerbsmechanismus notwendig. Der Wettbewerb in seiner reinen Form wird somit auf Dauer - d.h. zumindest, solange die Besonderheiten Bestand haben bzw. solange sich das Zielsystem nicht ändert - beschnitten und durch staatliche Interventionen zumindest teilweise ersetzt. In solchen Sektoren kommt somit idealtypischerweise staatliche Regulierung zur Anwendung. Als Beispiel sei auf eine in der Literatur als sehr wichtig anerkannte Besonderheit im Bereich der Elektrizitätsversorgung verwiesen, das natürliche Monopol (vgl. die Analyse in Kapitel 1) bei der Energieverteilung. Dies bedeutet, daß bei gegebenen Marktverhältnissen ein einziger Produzent Strom am kostengünstigsten anbieten kann und damit Monopolist ohne Wettbewerbsdruck ist. Da die ansonsten üblichen Wettbewerbsprozesse wegfallen (und aufgrund irreversibler Kosten auch kein potentieller Wettbewerb besteht), ist das Marktergebnis auf diesem Monopolmarkt suboptimal. Es könnte daher sinnvoll sein, daß der Staat als Vertreter der Gesellschaft im Sektor der Elektrizitätsversorgung interveniert, um damit die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt zu erhöhen. Aus dieser Begründung der Regulierung ergeben sich dann entsprechend die Ziele sektoraler Wirtschaftspolitik, die jeweils branchenspezifisch festgelegt werden - in 3.3 werden Sie die entsprechenden Ziele der Energie- und der Telekommunikationspolitik im Detail kennenlernen. Meist existiert ein größerer Zielkatalog, dessen Einzelziele typischerweise nicht autonom sind, sondern vielmehr in einem Komplementär- bzw. Kon- - 89 - © K. Morasch, 2001 Wettbewerbspolitik und Regulierung Regulierung natürlicher Monopole kurrenzverhältnis zueinander stehen. Folgende Zielvorstellungen staatlicher Regulierung spielen in den meisten Branchen eine wichtige Rolle (vgl. Folie 3-5): • Statische (allokative) Effizienz: Dieses Ziel ist die logische Konsequenz der normativen Theorie der Regulierung, die als Maßstab für Marktversagen den sozialen Überschuß (bzw. dessen Nicht-Maximierung beim Wettbewerbsprinzip) festlegt. Der Regulierungseingriff sollte demnach gerade so gestaltet sein, daß die Marktversagenskomponente neutralisiert und eine Annäherung an das gesellschaftliche Optimum erreicht wird (z.B. Verhinderung der Monopolpreisbildung durch ein natürliches Monopol). • Dynamische Effizienz: Positive externe Effekte im Forschungsbereich führen ohne staatliche Eingriffe zu einer suboptimalen Fortschrittsrate und reduzieren das zukünftig zur Verfügung stehende Güterbündel (die Produktionsmöglichkeitenkurve verschiebt sich langsamer nach außen, als dies bei Internalisierung entsprechender Fortschrittsgewinne der Fall wäre). Das Regulierungsziel ist in diesen Fällen somit die Erhöhung dynamischer Effizienz durch innovationsfördernde Maßnahmen. • Verteilungsgerechtigkeit: Die Änderung der realen Einkommens- und Vermögensverteilung zählt zu den Zielen der staatlichen Intervention (z.B. bei der hier nicht behandelten Agrarpolitik), da die theoretisch mögliche vollständige Trennung von Allokation und Distribution praktisch oft nicht durchführbar erscheint bzw. politisch nicht durchsetzbar ist. Unabhängig davon ergibt sich eine Änderung der Verteilungssituation jedoch auch bei Regulierungseingriffen, die nicht aufgrund dieser Zielvorstellung ergriffen wurden (z.B. hat jede Preiskontrolle direkte Umverteilungswirkungen). • Freiheit: Dieses Finalziel ist im allgemeinen nicht in den offiziellen Zielkatalogen enthalten. Jeder Regulierungseingriff verändert (beschränkt) jedoch die individuellen Freiheitsspielräume und muß daher im Rahmen eines prinzipiell liberalen Leitbildes begründet werden. 3.1.1.4 Spezifische Regulierungsinstrumente Regulierung basiert also darauf, daß die wettbewerblichen Ergebnisse auf diesen durch Besonderheiten geprägten Märkten im Rahmen eines Zielsystems nicht gewollt sind. Dies hat entsprechende Konsequenzen für die Wahl der eingesetzten Instrumente: - 90 - © K. Morasch, 2001 Wettbewerbspolitik und Regulierung Regulierung natürlicher Monopole • Der marktwirtschaftliche Wettbewerbsprozeß wird in diesen Sektoren nicht nur vorübergehend (wie bei sektoraler Strukturpolitik), sondern dauerhaft ausgeschaltet. • Es erfolgt auch keine Beschränkung darauf, für alle Unternehmen dieser Branche gleichermaßen geltende Rahmenbedingungen zu schaffen (Verhaltensregulierung; Ordnungspolitik), vielmehr wird in diesen Bereichen zusätzlich durch direkte Eingriffe in die Gewerbe- und Vertragsfreiheit gelenkt (Prozeßpolitik). Regulierung ist demnach Steuerung in einem Sektor. Es existiert eine Marktordnung (direkte Beeinflussung des Markt- und Preismechanismus) im Gegensatz zur ansonsten üblichen Wettbewerbsordnung. Allein aus dem Bekenntnis zur Notwendigkeit der Regulierung ist noch nichts über deren konkrete Ausprägung und Intensität gesagt ist: Das Ausmaß, in dem der Wettbewerb eingeschränkt und statt dessen „planwirtschaftlich“ gesteuert wird, ist zum einen zwischen den einzelnen Sektoren verschieden und ändert sich zum anderen im Zeitablauf. Im Augenblick wird die Gestaltung der Regulierung von einer eher marktwirtschaftlichen Grundausrichtung geprägt: Es sollen nur diejenigen Bereiche in einem Sektor reguliert werden, bei denen der Wettbewerb wirklich versagt (z.B. Netzzugang bei der Telekommunikation); durch Wettbewerb in den anderen Bereichen erhofft man sich ein insgesamt effizienteres Ergebnis (z.B. Wettbewerb zwischen verschiedenen Anbietern bei Ferngesprächen). Nach diesen grundsätzlichen Überlegungen, soll nun versucht werden, die verschiedenen Regulierungsinstrumente zu klassifizieren. Üblicherweise wird dabei zunächst zwischen fiskalischen und marktorganisatorischen Maßnahmen unterschieden. Bei dieser Unterscheidung können dann die fiskalischen Instrumente wiederum nach zwei Ausprägungen eingeteilt werden: • Der direkte fiskalische Eingriff zählt zu den stark interventionistischen staatlichen Instrumenten. Man versteht darunter die Gründung staatlicher Unternehmen bzw. die Verstaatlichung bisher privater Unternehmen. Staatliche Unternehmen haben gerade in Deutschland eine lange Tradition, während dieser Unternehmenstyp in den Vereinigten Staaten kaum existiert. Staatliche Unternehmen sind zwar traditionell vorwiegend auf Märkten mit Marktversagen zu finden (z.B. Deutsche Bundesbahn), existieren jedoch auch in anderen Bereichen (z.B. Postbank). Gegenwärtig besteht die Tendenz, im Rahmen der Deregulierungsmaßnahmen, aber auch aus fiskalischen Erwägungen diese staatlichen Unternehmen zu privatisieren (z.B. Deutsche Telekom). - 91 - © K. Morasch, 2001 Wettbewerbspolitik und Regulierung • Regulierung natürlicher Monopole Unter einem indirekten fiskalischen Eingriff sind sektorspezifische Steuern bzw. Subventionen zu verstehen, mit deren Hilfe ein bestimmtes Marktergebnis erreicht werden soll. Beispielsweise kann versucht werden, mit Hilfe von Energiesteuern („Ökosteuer“) die entsprechenden negativen externen Effekte auf das gesellschaftliche Optimum zu reduzieren. Im Vergleich zu Subventionen, die häufig unternehmensspezifisch ausgerichtet sind, ist eine sektorspezifische Steuer relativ marktkonform, da alle Unternehmen in diesem Bereich gleichermaßen mit dieser Rahmenbedingung konfrontiert sind. Die marktorganisatorischen Instrumente stellen jedoch den eigentlichen Kern einer staatlich geschaffenen Marktordnung dar. Dabei bietet sich eine Unterscheidung in ordnungspolitische und prozeßpolitische Maßnahmen an (vgl. Folie 3-6): Ordnungspolitik Prozeßpolitik (rahmensetzend) (einzelne Marktteilnehmer werden direkt reguliert) - Erlaubnis wettbewerbswidriger Verträge (Bereichsausnahmen des GWB) - Marktzutrittsbeschränkungen - Qualitätsfestsetzung (z.B. Versicherungsnormverträge) - Mengenkontingentierungen - Investitionskontrolle - Preiskontrolle (z.B. Rentabilitätsregulierung) # 3-6 Zunächst zu den ordnungpolitischen Instrumenten: Mit Hilfe rahmensetzender Mittel, die ähnlich einer sektorspezifischen Steuer für alle Unternehmen gleichermaßen Gültigkeit besitzen, kann Einfluß auf Marktprozesse und -ergebnis genommen werden. Neben den sogenannten Verhaltensregulierungen (Qualitätsfestsetzung in Form von Versicherungsnormverträgen, Mindestsicherheitsstandards im Verkehrsbereich etc.) zählt dazu insbesondere die Schaffung von Bereichsausnahmen im GWB: Dies bedeutet, daß – zumindest bis zu einem gewissen Grad – wettbewerbsbeschränkende Maßnahmen der Unternehmen geduldet werden. So konnten beispielsweise die Elektrizitätsversorgungsunternehmen bis zur aktuellen Deregulierung im Energiewirtschaftsgesetz untereinander absprechen, wer die alleinige Versorgung in welchem Gebiet übernimmt (sog. Demarkationsverträge) - diese ansonsten verbotenen Gebietskartelle sind hier erlaubt. Zentrales Charakteristikum der staatlichen Regulierung sind jedoch prozeßpolitische Maßnahmen, d.h. direkte Eingriffe in die Gewerbe- und Vertragsfreiheit („old style regulation“). Hierbei schafft der Staat nicht nur einen Rahmen, innerhalb dessen die Marktteilnehmer agieren können, sondern er ergreift weitergehende Steuerungsmaßnahmen. Hierunter fällt beispielsweise die bereits genannte staatliche Genehmigung von Preisen in regulierten Branchen, was einen sehr weitgehenden Eingriff in die marktwirt- - 92 - © K. Morasch, 2001 Wettbewerbspolitik und Regulierung Regulierung natürlicher Monopole schaftliche Ordnung darstellt - solche Preisfixierungen setzen den Marktmechanismus außer Kraft und sind somit im Gegensatz zu alternativen Maßnahmen wie z.B. Subventionen nicht marktkonform. Neben der Preiskontrolle spielen Marktzugangsbeschränkungen (z.B. Taxikonzessionen), Investitionskontrollen (z.B. bei der leitungsgebundenen Energieversorgung) und Mengenkontingentierungen (z.B. Milchkontingente im Rahmen der Agrarpolitik) eine wichtige Rolle. Vielfach bedingen sich diese Instrumente gegenseitig: Staatlich garantierte Mindestpreise führen zu einem Überschußangebot und damit, zumindest längerfristig, zur Notwendigkeit einer Mengenkontingentierung. 3.1.1.5 Regulierungsträger Der Begriff „Regulierung“ stammt ursprünglich aus den USA. Dort üben normalerweise unabhängige Regulierungskommissionen mit eigener Rechtsstellung die Aufsicht über private Unternehmen aus. Bei der bundesdeutschen Ausprägung von Regulierung spielen demgegenüber traditionell auch Unternehmen in öffentlichem Besitz und gemischtwirtschaftliche Unternehmen eine wichtige Rolle. Hierzu zählen bzw. zählten beispielsweise die Bundesbahn, die Bundespost oder auch viele Energieversorgungsunternehmen (solche staatlichen Unternehmen sind dagegen in den USA so gut wie unbekannt). Da hier der Staat die Unternehmenspolitik selbst bestimmen kann, ist eine Regulierung im US-amerikanischen Sinne - zumindest solange die öffentlichen Unternehmen Monopolisten sind - nicht notwendig. Entscheidungsträger sind in Deutschland traditionell meist Ministerien auf Bundes- bzw. Länderebene, z.B. Wirtschaftsministerium (für Energie) oder Postministerium (für Post und Telekom, inzwischen aufgelöst). Ferner sind die spezielle Fachaufsichten, so die energierechtliche Fachaufsicht oder die Bundesaufsichtsämter für Kreditwesen bzw. Versicherungswesen, zu nennen. Schließlich zählt auch das Bundeskartellamt, insbesondere im Zusammenhang mit der Mißbrauchsaufsicht, zu den relevanten Entscheidungsträgern im Bereich der Regulierung. Wie bereits angesprochen existieren demgegenüber in den USA unabhängige Regulierungskommissionen mit eigener Rechtsstellung, die einen - häufig vage formulierten gesetzlichen Auftrag ausführen, und ihre Entscheidungen nach einem öffentlichen Anhörungsverfahren fällen. Diese Kommissionen sind keiner der drei staatlichen Gewalten eindeutig zuordenbar, während in der Bundesrepublik Deutschland zumindest eine starke Abhängigkeit von der Exekutive, bei den Ministerien sogar eine Identität festzustellen ist. Die stärkste Ähnlichkeit mit einer US-amerikanischen Regulierungskommission ist noch beim Bundeskartellamt und bei den Bundesaufsichtsämter für das Kredit- - 93 - © K. Morasch, 2001 Wettbewerbspolitik und Regulierung Regulierung natürlicher Monopole bzw. Versicherungswesen festzustellen: Sowohl die organisatorische Stellung (Unabhängigkeit von der Exekutive) als auch die Zielsetzungen sind hier vergleichbar. Neben den Entscheidungsträgern spielen bei der sektoralen Wirtschaftspolitik auch die Einflußträger, d.h. die Interessenvertreter eine wichtige Rolle. Dabei sind insbesondere die Unternehmensverbände und Gewerkschaften in den entsprechenden Sektoren zu nennen. 3.1.2 Theorie der Regulierung Es existieren zwei unterschiedliche Erklärungsansätze für staatliche Regulierung, die eine jeweils völlig unterschiedliche Perspektive bieten: Während die normative Theorie das Marktversagensargument bemüht und staatliche Eingriffe für wohlfahrtssteigernd hält, erklärt die positive Theorie Regulierung aus den Eigeninteressen der beteiligten Akteure (Politiker, Behörden, Unternehmen und Gewerkschaften) und sieht somit die Gefahr einer Verschlechterung gegenüber der Situation ohne wirtschaftspolitische Interventionen (vgl. Folie 3-7): Normative Theorie Positive Theorie Begründung: (Dauerhaftes) Marktversagen führt zu suboptimalen Ergebnissen des Wettbwerbs Erklärung: Eigeninteressen von - Politikern - Behörden - Unternehmen/Gewerkschaften Ziel: Korrektur des Marktversagens (insbesondere zur Sicherung der allokativen Effizienz) Ziele: - Stimmenmaximierung - Budgetmaximierung - Wettbewerbsschutz # 3-7 3.1.2.1 Normative Theorie der Regulierung Grundlage der normativen Theorie der Regulierung ist das Vorliegen von Marktversagen aufgrund von Besonderheiten in einem Sektor. Die verschiedenen Marktversagenstatbestände sind bereits in Kapitel 1 angesprochen werden. Darum soll hier nur noch einmal kurz die Grundüberlegung skizziert werden, und es soll darauf eingegangen werden, unter welchen Umständen daraus die Notwendigkeit der Regulierung einer Branche abgeleitet werden kann (anstatt sich auf weniger intensive Politikeingriffe zu beschränken). - 94 - © K. Morasch, 2001 Wettbewerbspolitik und Regulierung Regulierung natürlicher Monopole Die Ökonomie der BRD kann durch die Dominanz marktwirtschaftlicher Organisationsprinzipien charakterisiert werden. Die Koordination einzelwirtschaftlicher Aktivitäten erfolgt somit grundsätzlich über Märkte, auf denen sich nach Angebot und Nachfrage bildende Preise für Markträumung sorgen (sollen). Die preisabhängige Nachfrage ist dabei das Ergebnis der Nutzenmaximierung der privaten Haushalte, während sich das Angebot in Abhängigkeit vom Marktpreis aus der Gewinnmaximierung von Unternehmen ergibt, die ihre Produkte mit Hilfe verschiedener Produktionsfaktoren (effizient) herstellen. Diese Produktionsfaktoren, insbesondere Arbeit und Kapital, gehören den privaten Haushalten, die ihr Einkommen aus den Faktorentlohnung erzielen. Wie in Kapitel 1 gezeigt wurde, ist dann unter den idealen Bedingungen vollkommenen Wettbewerbs ein allokativ effizientes Ergebnis sichergestellt. Durch geeignete Umverteilung der Anfangsausstattungen kann zudem das Wohlfahrtsmaximum erreicht werden - Allokation und Distribution sind trennbar. In der Realität sind die Bedingungen für vollkommenen Wettbewerb im allgemeinen nicht erfüllt. In den meisten Fällen erscheint es jedoch ausreichend, durch eine geeignete Wettbewerbspolitik (vgl. Kapitel 2) einen „funktionsfähigen“ Wettbewerb herzustellen oder durch eine entsprechende Besteuerung oder Subventionierung externe Effekte zu internalisieren. Die normative Theorie der Regulierung behauptet jedoch, daß solche (weitgehend) marktkonforme Maßnahmen in bestimmten Sektoren (z.B. leitungsgebundene Energieversorgung) nicht ausreichen, um eine gesellschaftlich akzeptables Marktergebnis sicherzustellen. Aufgrund von Besonderheiten (z.B. Kostenstrukturen, die zu einem natürlichen Monopol führen) sei selbst dann von dauerhaftem Marktversagen auszugehen, das sich in einem (allokativ) suboptimalen Ergebnis widerspiegelt. Daraus wird dann die Notwendigkeit abgeleitet, Marktkoordination durch staatliche Regulierung zu ersetzen. Üblicherweise wird dabei die Effizienz des Marktes in einer Branche mit dem partialanalytischen Wohlfahrtsmaß des sozialen Überschusses (Summe aus Konsumentenrente und Produzentenrente) beurteilt. Dies ist genau genommen jedoch nur dann zulässig, wenn Auswirkungen auf andere Märkte (allgemeines Gleichgewicht) vernachlässigt werden können und zudem Verteilung und Allokation wirklich trennbar sind, was bei Marktversagen nicht notwendigerweise gegeben ist (Umverteilung mit allokativen Nebenwirkungen). Auch im Skript wird im weiteren eine Orientierung am sozialen Überschuß erfolgen, die dahinterliegenden Probleme sollten ihnen aber bewußt sein. - 95 - © K. Morasch, 2001 Wettbewerbspolitik und Regulierung Regulierung natürlicher Monopole Konkret werden im Rahmen der normative Theorie der Regulierung folgenden Ausprägungen von Marktversagen angeführt (vgl. Folie 3-8): • Das natürliche Monopol spielt vor allem in Branchen mit Netzen eine wichtige Rolle, d.h. bei der leitungsgebundenen Energieversorgung, im Verkehr (insbesondere Bahn) und in der Telekommunikation. Es sollte beachtet werden, daß nicht alle Formen von Marktmacht als Begründung angeführt werden: Bei Oligopolwettbewerb erscheint die Wettbewerbspolitik im allgemeinen als ausreichend. • Externe Effekte werden insbesondere im Bereich der Agrar- und Energiepolitik als Regulierungsargument bemüht. Daraus allein läßt sich die Notwendigkeit einer staatlichen Regulierung jedoch nicht ableiten, da auch durch marktkonformere Maßnahmen wie Steuern und Subventionen eine Internalisierung sichergestellt werden kann. • (Reine) öffentliche Güter erfordern eine staatliche Bereitstellung. Dieses Argument spielt insbesondere bei der Straßeninfrastruktur eine Rolle. • Unvollkommene Information ist ein wichtiges Argument bei der Regulierung im Gesundheitsbereich und bei Versicherungen. • Von ruinöser Konkurrenz spricht man dann, wenn in einem Markt bedeutsame Markteintritts- und -austrittsbarrieren bestehen und gleichzeitig von den Unternehmen unbeeinflußbare Angebots- und Nachfrageschwankungen eine Rolle spielen dies wird z.B. bei der kapitalintensiven Stromherstellung angenommen. Bei einem Angebotsüberschuß sind die Unternehmen aufgrund der Marktaustrittsbarrieren zumindest kurzfristig bereit, ihre Produkte zu nicht kostendeckenden Preisen abzusetzen. Dies ist dann problematisch, wenn bei einem länger andauernden Angebotsüberhang effiziente Unternehmen aufgrund von Liquiditätsproblemen aus dem Markt ausscheiden müssen. Letztendlich basiert das Argument also auf einem Versagen der Kapitalmärkte - anstatt einer Regulierung solcher Branchen wäre wohl eine Korrektur dieser Kapitalmarktunvollkommenheiten sinnvoller. - 96 - © K. Morasch, 2001 Wettbewerbspolitik und Regulierung Regulierung natürlicher Monopole 3.1.2.2 Positive Theorie der Regulierung Die zentrale Aussage der normativen Theorie der Regulierung besteht in der Begründung von Regulierungseingriffen durch Marktversagen, also als logische Konsequenz theoretischer Argumente. Für eine Erklärung der tatsächlich beobachtbaren sektoralen Wirtschaftspolitik ist die normative Theorie jedoch weniger geeignet: • In der Realität wurden in der Regel zuerst staatliche Eingriffe vorgenommen, die erst später durch eine adäquate Theorie gerechtfertigt wurden. • Meist bildet sich gegen (ökonomisch begründete) Deregulierungsmaßnahmen vehementer Widerstand von Unternehmen und Gewerkschaften dieser Branche. Dies ist kaum erklärbar, wenn die Regulierung vorher tatsächlich rein aus Gemeinwohlerwägungen (und damit im allgemeinen zuungunsten der entsprechenden Branche) erfolgte. • Auch die Aufsichtsbehörden verhalten sich bezüglich der Deregulierung meist passiv oder sogar ablehnend - meist müssen externe Kommissionen zur Ausarbeitung von Deregulierungskonzepten beauftragt werden. Dieses Verhalten ist unplausibel, wenn davon ausgegangen wird, daß sich die Behörden ausschließlich am Gemeinwohl orientieren. Die Positive Theorie der Regulierung, ein Zweig der sogenannten „Ökonomische Theorie der Politik“, versucht, diese von der normativen Soll-Welt abweichende Realität zu erklären. Dabei existiert eine ganze Reihe von verschiedenen, nur ansatzweise integrierten Ansätzen. Nachfolgend wird zunächst die Grundidee der sogenannten CaptureTheorie vorgestellt. Darauf aufbauend werden die Wohlfahrtswirkungen der Regulierung in diesem Kontext - die Kosten des sogenannten „unproductive rent seeking“ abgeleitet. Schließlich wird dargestellt, wie eine Abwägung zwischen der Ineffizienz des Marktes aufgrund von (allokativem) Marktversagen und der durch Regulierung verursachten sogenannten „X-Ineffizienz“ erfolgen kann. (a) Grundidee der Capture-Theorie Prominentester Vertreter der Capture-Theorie ist der amerikanische Ökonom Stigler, nach dessen Ansicht das tatsächlich beobachtete Ausmaß der Regulierung die Konsequenz eines Marktprozesses ist - des Marktes für Regulierung. Auf diesem Markt treffen Regulierungsangebot und -nachfrage zusammen (vgl. Folie 3-9): - 97 - © K. Morasch, 2001 Wettbewerbspolitik und Regulierung Regulierung natürlicher Monopole Regulierungsmarkt : “Preis ” Menge Nachfrage nach Regulierung: - Arbeitnehmer - Management - Eigentümer Angebot an Regulierung: - Politiker - Verwaltung # 3-9 • Nachfrage nach Regulierung durch eine Branche entsteht als logische Schlußfolgerung der Überlegung, daß der Staat aufgrund seiner hoheitlichen Befugnisse auch wettbewerbsbeschränkend in einzelne Branchen einzugreifen vermag. Insbesondere der Schutz vor Marktzutritt sowie die Investitionsregulierung ist dabei für die etablierten Unternehmen von Interesse. Außergewöhnlich hohe Eigenkapitalrenditen sind aufgrund einer kompensierenden Preisregulierung zwar nicht zu erwarten, aber ein befriedigendes kartellähnliches Überleben im institutionalisierten Rahmen gibt genügend Anreize für eine entsprechende Nachfrage nach staatlicher Aktivität. Gegenüber einem privaten Kartell hat staatliche Regulierung den Vorteil, daß „Trittbrettfahrerverhalten“ ausgeschlossen wird. Die Unternehmen sind daher bereit, Geldsummen für Anwälte, Repräsentation und Öffentlichkeitsarbeit aufzuwenden („Lobbying“), um Regulierungseingriffe in ihrer Branche herbeizuführen bzw. zu erhalten. Die bereitgestellten Geldbeträge hängen dabei von den potentiell zu erreichenden Vorteilen der Regulierung ab. • Staatliches Angebot an Regulierung ist in erster Linie eine Konsequenz des wählerstimmenmaximierenden Verhaltens der Politiker: Wettbewerbsbeschränkende Regulierungen haben entsprechende Vorteile für die betroffenen Unternehmen und deren Mitarbeiter, so daß mit Wählerstimmen bzw. Spenden gerechnet werden kann. Beschäftigungsintensive oder zahlungskräftige Sektoren, die in der Lage sind, ihre Interessen effizient zu organisieren und überzeugend zu vermitteln, befinden sich somit in einer guten Ausgangssituation. Voraussetzung ist jedoch eine Verschleierung dieser Umverteilung der Einkommen zugunsten der regulierten Branche, wobei die bereits angesprochene Öffentlichkeitsarbeit der Branche eine wichtige Rolle spielt. Bei bereits bestehender Regulierung kommen zusätzlich Aspekte aus dem Bereich der Bürokratietheorie ins Spiel: Die Regulierungsbehörde hat ein Interesse am Erhalt des Regulierungsbereichs, da ansonsten die Gefahr besteht, daß sie Aufgabenbereiche verliert oder sogar aufgelöst wird (z.B. Postministerium). - 98 - © K. Morasch, 2001 Wettbewerbspolitik und Regulierung Regulierung natürlicher Monopole Aus diesen Überlegungen ergibt sich folgende Vorhersage für die Regulierungsaktivität: • Branchen werden eher reguliert, wenn sie über „starken“ Interessengruppen verfügen. • Regulierungen bleiben tendenziell bestehen, auch wenn der ursprünglich Grund für die Eingriffe gar nicht mehr gegeben ist. Die Vorhersagen der Capture-Theorie können die tatsächlich beobachtbare Regulierung in vielen Bereichen recht gut erklären. Zwei Beispiele: • Der ursprünglich sehr beschäftigungsreiche (starke Interessengruppe!) Agrarsektor wird trotz relativ wenig überzeugenden normativen Argumenten zumindest bis in jüngste Zeit intensiv reguliert. • In den Sektoren, in denen Netze eine wesentliche Rolle spielen (Eisenbahn, leitungsgebundene Energieversorgung, Telekommunikation), wurden nur sehr zögernd Deregulierungsmaßnahmen ergriffen, obwohl schon lange klar ist, daß das Marktverssagensargument nur für den eigentlichen Netzbereich gilt und selbst dort durch Veränderungen der Technologie (Mobilfunk) teilweise kein natürliches Monopol mehr vorliegt. (b) Wohlfahrtswirkung: Kosten des „unproductive rent seeking“ Posner hat den Ansatz von Stigler weiterentwickelt und untersucht die Wohlfahrtswirkungen der Regulierung, die sich auf Grundlage der Capture-Theorie ergeben. Gerade die genannte Verwendung von Ressourcen zur Herbeiführung des regulierenden Eingriffes („unproductive rent seeking“), also die von der Nachfrageseite eingesetzte Geldsumme, zählt nach seiner Ansicht zu den wichtigsten „Monopol-Verschwendungen“. Folie 3-10 veranschaulicht diese Überlegungen, indem die - aus Sicht der Regulierungsnachfrager - maximal sinnvollen Aufwendungen für Regulierung dargestellt werden: p Maximalausgaben für Regulierung: (A - C) Minimaler Wohlfahrtsverlust: (B + C) Maximaler Wohlfahrtsverlust: (A + B) B pR p* GK A C N xR x x* - 99 - # 3-10 © K. Morasch, 2001 Wettbewerbspolitik und Regulierung Regulierung natürlicher Monopole Konkret wird davon ausgegangen, daß bei Einführung von Regulierung ein Preisniveau von pR anstelle von p* (Grenzkostenpreisniveau) zu erwarten ist (es wird hier angenommen, daß kein natürliches Monopol vorliegt!). Die Unternehmen der Branche sind dann maximal bereit den Nettozuwachs an Produzentenrente (A–C) für ihre LobbyingAktivitäten aufzuwenden. In diesem Fall entsteht der maximale Wohlfahrtsverlust (A+B), der aus dieser Ressourcenverschwendung sowie der allokativ wirkenden Produktionsminderung resultiert. Wenn demgegenüber die Einführung von Regulierung ohne Geldaufwand von Seiten der Regulierungsnachfrager erfolgt, entsteht - abgesehen von den Umverteilungswirkungen - nur der minimale Wohlfahrtsverlust (B+C). Die Capture-Theorie geht also davon aus, daß Regulierung nicht aus Gemeinwohlerwägungen, sondern vielmehr im Interesse der betroffenen Industrie, der Regulierungsbehörden und der Politiker erfolgt. Diese Akteure können diese Eigeninteressen durchsetzen, da die Regulierenden und Regulierten im allgemeinen gut organisiert sind, während die Interessen der Konsumenten und der Steuerzahler aufgrund der breiten Streuung dieser Personen einen niedrigen Organisationsgrad aufweisen. In der wirtschaftspolitischen Realität kann dann nicht davon ausgegangen werden, daß Regulierungsbereiche und Regulierungsintensität nach wohlfahrtsmaximierenden Überlegungen bestimmt werden: Regulierung ist nicht exogen durch eine wohlfahrtsmaximierende Behörde vorgegeben, sondern entsteht endogen im politischen Prozeß, wobei es insbesondere durch das Interesse der Regulierungsbehörden tendenziell zu einer Intensivierung der Regulierung in bereits regulierten Branchen kommt. Insgesamt ist dann zu erwarten, daß die Regulierungsintensität der Volkswirtschaft tendenziell zu hoch ist und zudem nicht notwendigerweise diejenigen Branchen reguliert werden, bei denen diese Form der Wirtschaftspolitik tatsächlich sinnvoll wäre. Dem Marktversagen in der normativen Theorie stellt die positive Theorie somit ein Politikversagen gegenüber. (c) Markversagen vs. Politikversagen: X-Ineffizienz durch Regulierung Aus den politiökonomischen Überlegungen ergibt sich selbst für grundsätzlich gerechtfertigte Regulierungseingriffe (z.B. bei natürlichen Monopolen), daß diese nicht notwendigerweise zu einer Wohlfahrtssteigerung führen: Den Vorteilen der Regulierung (Korrektur des Marktversagens) müssen die Kosten der Regulierung gegenübergestellt werden. Zu diesen Kosten der Regulierung zählen dabei die direkten Regulierungsaufwendungen (Personal und Ausstattung im Unternehmen und der Behörde), die bereits erwähnte Verschwendung (z.B. für Öffentlichkeitsarbeit) sowie - vermutlich auf Dauer quantitativ am bedeutsamsten - die Abweichung von der kostenminimalen Produktion. - 100 - © K. Morasch, 2001 Wettbewerbspolitik und Regulierung Regulierung natürlicher Monopole Warum kommt es in regulierten Branchen zu ineffizienter Produktion? Geschützte Unternehmen sehen sich geringerem bzw. keinem Wettbewerbsdruck ausgesetzt (Stadtwerke im ÖPNV und der Energieendverteilung; Deutsche Bundesbahn bis 1990) und können darüberhinaus häufig die entstehenden Kosten zumindest weitgehend überwälzen (kostenorientierte Regulierung - näheres in 3.2) - es besteht somit kein ausreichender Anreiz zu kostenminimaler Produktion. Langfristig noch problematischer ist, daß bei einer kostenorientierten Preisregulierung höhere Gewinne, die durch kostensenkende Innovationen entstehen, wieder „wegreguliert“ werden. Diese verschiedenen Phänomene (technisch) ineffizienter Produktion werden überlicherweise unter dem Begriff XIneffizienz zusammengefaßt. Folie 3-11 zeigt nun vor diesem Hintergrund die Abwägung zwischen Nutzen und Kosten der Regulierung: p Nutzen der Regulierung pM GKR pR p* GK N Kosten der Regulierung xM xR GE x* x # 3-11 Der Nutzen der Regulierung besteht in der Ausweitung der Produktion von xM auf xR (mit pR = GKR) und damit der Herstellung allokativer Effizienz. Die Kosten der Regulierung bestehen im Verlust der technischen Effizienz: Die Grenzkosten GKR liegen über den Grenzkosten bei optimaler Produktion GK. Wenn die dunkle Fläche mit den Kosten der Regulierung (höhere Grenzkosten) größer ist als das helle Rechteck das den Nutzen der Regulierung (höhere Produktion) angibt, so ist es gesamtwirtschaftliche vorteilhaft auf die Regulierung zu verzichten. - 101 - © K. Morasch, 2001 Wettbewerbspolitik und Regulierung Regulierung natürlicher Monopole 3.2 Formen der Regulierung Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit der Fragestellung, wie staatliche Kontrolle eines natürlichen Monopols ausgeübt wird bzw. werden sollte. Der Regulierungseingriff als solcher wird somit akzeptiert; der zu schaffenden Aufsichtsbehörde müssen jedoch auf der Basis ökonomischer Überlegungen Anhaltspunkte dazu gegeben werden, nach welchen Kriterien der interventionistische Eingriff durchzuführen ist. Grundsätzlich hat die Behörde dabei folgende Überlegungen zu berücksichtigen (vgl. Folie 3-12): • Sozialer Überschuß - Tarifhöhe - Produktionskosten (statisch, dynamisch) • Versorgungssicherheit - aus Kundensicht - aus Anbieterperspektive (ausreichender Gewinn) • Produktqualität # 3-12 Bei der folgenden theoretischen Analyse erfolgt eine Beschränkung auf den Aspekt „sozialer Überschuß“, wobei ein ausreichender Gewinn für die Anbieter in der Regel als Nebenbedingung mitberücksichtigt wird. Der Abschnitt ist folgendermaßen aufgebaut (vgl. Folie 3-13): Zunächst wird auf das Problem eingegangen, daß die erstbeste Lösung („Preis gleich Grenzkosten“) beim natürlichen Monopol meist zu Verlusten für den Anbieter führt und deswegen üblicherweise stattdessen auf die (zweitbeste) Durchschnittskostenregulierung zurückgegriffen wird. Anschließend wird die Rentabilitätsregulierung für den Einproduktfall diskutiert, die eine häufig verwendete Form der kostenorientierten Regulierung darstellt. Die besonderen Probleme der Preisregulierung im Mehrproduktfall werden dann in einem weiteren Unterabschnitt erläutert. Schließlich werden Alternativen zur kostenorientierten Regulierung vorgestellt. • Erstbeste und zweitbeste Regulierung • Einproduktfall: Rentabilitätsregulierung • Mehrproduktfall: Ramsey-Preise • Alternativen zur kostenorientierten Regulierung • Monopolistsche Bottlenecks und Access Pricing # 3-13 - 102 - © K. Morasch, 2001 Wettbewerbspolitik und Regulierung Regulierung natürlicher Monopole 3.2.1 Erstbeste und zweitbeste Regulierung Das optimale Marktergebnis kann bei partialanalytischer Betrachtung mit Hilfe des Konzepts des sozialen Überschusses eindeutig definiert werden: das (allokative) Optimum ist erreicht, wenn die Summe aus Konsumenten- und Produzentenrente – unabhängig von ihrer Verteilung - maximal ist. Dies ist im Einproduktfall genau dann gegeben, wenn (i) die Grenzkosten dem Marktpreis entsprechen, (ii) der Markt zu diesem Preis geräumt wird (kein Angebots- oder Nachfrageüberschuß) und (iii) der entsprechende Output kostenminimal produziert wird. Eine „First-best“-Regulierung sollte nun den optimalen Preis im Schnittpunkt von Nachfrage- und Grenzkostenfunktion festlegen. Diese „First-best“-Regulierung stößt jedoch beim natürlichen Monopol auf Schwierigkeiten: Wenn die Durchschnittskostenkurve im relevanten Bereich über der Grenzkostenkurve liegt, was bei konstanten oder fallenden Grenzkosten immer gegeben ist, so führt eine Preisregulierung nach der Regel „Preis gleich Grenzkosten“ zu einem Verlust für das regulierte Unternehmen (vgl. Folie 3-14): p DK Unternehmensverlust bei erstbester Lösung Monopol pM Zweitbeste Lösung ps=DK Erstbeste Lösung DK(x*) p* GK N xM xs x* GE x # 3-14 Die Skalenerträge sind im vorliegenden einfachen Fall mit konstanten Grenzkosten GK durch Fixkosten verursacht. Im unregulierten Monopol liegt der Preis pM über den Durchschnittskosten - die Bedienung des Marktes ist für den Monopolisten somit attraktiv. Bei „First-best“-Regulierung würde das Unternehmen gezwungen, zum Preis p* anzubieten (die entsprechenden Nachfrage beträgt dann x*) und müßte damit einen Verlust in Höhe der schraffierten Fläche [DK(x*) – p*] x* hinnehmen. Dies hätte jedoch zwangsläufig den Marktaustritt zur Folge, d.h. eine entsprechende Regulierung führt zur Nicht-Produktion des entsprechenden Gutes. Theoretisch wäre es denkbar, den entstehenden Verlust durch eine direkte Subvention des Staates auszugleichen - genaueres dazu bei der Diskussion der Alternativen zur kostenorientierten Regulierung in 3.2.4. In der Praxis der westlichen Industrieländer ist die- - 103 - © K. Morasch, 2001 Wettbewerbspolitik und Regulierung Regulierung natürlicher Monopole ses Vorgehen jedoch nicht üblich. Dies ist teilweise durch politiökonomische Erwägungen (direkte Subventionen an einen Monopolisten sind den Wählern schwer vermittelbar) und Informationsprobleme (Unsicherheit über die genaue Kosten- und Nachfragestruktur) bedingt. Zudem sind zur Finanzierung der Subventionen entsprechenden Staatseinnahmen nötig, die in der Regel nicht allokationsneutral erhoben werden können und damit an anderer Stelle zu Verzerrungen führen. Stattdessen wird üblicherweise auf die sogenannte „Second-best“- oder Durchschnittskostenregulierung zurückgegriffen: Es wird dem Unternehmen zumindest die Deckung der Durchschnittskosten zugestanden. Der soziale Überschuß wird unter dieser Nebenbedingung maximiert, wenn der Preis ps so festgelegt wird, daß er gerade den Durchschnittskosten im Schnittpunkt zwischen Durchschnittskostenkurve und Nachfragekurve entspricht - es werden dann xs Einheiten abgesetzt und der regulierte Monopolist erzielt keinen (ökonomischen) Gewinn. Jeder niedrigere Preis hätte den Marktaustritt (und damit eine Verringerung des sozialen Überschusses auf Null), jeder höhere Preis dagegen eine stärkere Abweichung vom „First-best“-Zustand zur Folge. Im nächsten Abschnitt (3.2.2) werden wir eine spezielle Form dieser „Second-best“-Regulierung, die Renditeregulierung, genauer kennenlernen. Schwieriger gestaltet sich die Preissetzung im Mehrproduktfall. Es existieren dann viele Kombinationen der einzelnen Produktpreise, die insgesamt gerade zur Kostendeckung des Unternehmens ausreichen. So könnte z.B. bei der Produktion zweier Outputs ein Gut gerade zu Grenzkosten verkauft werden, während der Preis des zweiten Produktes so hoch angesetzt wird, daß der insgesamt entstehende Fixkostenblock abgedeckt wird. Alternativ könnte bei beiden Produkten ein gewisser Aufschlag über die jeweiligen Grenzkosten festgelegt werden, so daß bei beide Produktlinien positive Deckungsbeiträge erwirtschaftet werden. Die optimale Lösung diese Problems wird in 3.2.3 beschrieben. Ein zentraler Kritikpunkt an der kostenorientierten Regulierung (dies gilt für „first-best“ und „Second-best“-Regulierung) liegt darin, daß bestenfalls allokative Effizienz, jedoch weder Kosteneffizienz noch dynamische Effizienz sichergestellt ist: Die Behörde hat keine oder nur geringe Möglichkeiten zur Überprüfung, ob die entstandenen Kosten zur Erstellung des Outputs tatsächlich notwendig waren. Unternehmen, die in vor Neueintretern geschützten Märkten einer kostenorientierten Regulierung unterliegen, haben dann keinen Anreiz zur effizienten Produktion oder zu kostensenkenden Innovationen es existiert quasi eine staatliche Garantie dafür, daß kostendeckende Preise erzielt wer- - 104 - © K. Morasch, 2001 Wettbewerbspolitik und Regulierung Regulierung natürlicher Monopole den. Mit zunehmender zeitlicher Länge des staatlichen Regulierungseingriffs entstehen damit tendenziell immer höhere Kosten („X-Ineffizienz“) dieser Intervention. Im folgenden wird zunächst die Umsetzung des Second-best-Konzeptes im Einproduktfall am Beispiel der Renditenregulierung dargestellt. Anschließend wird mit der Analyse von Ramsey-Preisen eine wichtige Form staatlicher Preisregulierung im Mehrproduktfall diskutiert. In 3.2.4 wird dann auf Alternativen zur kostenorientierten Preisregulierung insbesondere „price-caps“ und die Subventionierung natürlicher Monopole - näher eingegangen. Schließlich wird in 3.2.5 das Problem der Zugangspreisregulierung bei monopolistischen Bottlenecks thematisiert. 3.2.2 Einproduktfall: Rentabilitätsregulierung In der Praxis stößt die im letzten Abschnitt vorgestellte kostenorientierte Regulierung auf das Problem, daß die Regulierungsbehörde die Kosten- und Nachfragefunktionen meist nicht genau kennt. Eine Bestimmung der optimalen „Second-best“-Lösung (pS, xS) ist dann nicht direkt möglich. Alternativ wird darum ein Konzept verfolgt, das dem Unternehmen (das im allgemeinen besser über die entsprechenden Größen informiert ist) die Entscheidung über Preise und Mengen überläßt, aber den (ökonomischen) Gewinn beschränkt. 3.2.2.1 Rentabilitätsregulierung - Darstellung des Grundkonzepts Die Rentabilitätsregulierung findet insbesondere bei US-amerikanischen Kontrollbehörden praktische Anwendung. Die Grundidee besteht darin, daß dem regulierten Unternehmen eine bestimmte „faire“ Rendite auf ihren Kapitalstock erlaubt wird. Dies bedeutet, daß die entsprechende Firma Inputmengen, Outputniveau und Absatzpreis frei bestimmen kann, solange der erzielte Gewinn die zugesagte Rentabilitätsschwelle nicht überschreitet. Übersteigt die Rendite den entsprechenden Grenzwert, so verhängt die Aufsichtsbehörde Strafen gegen das regulierte Unternehmen. Es sei jedoch zu diesem Punkt angemerkt, daß die US-amerikanische Regulierungsaufsicht von diesem Ideal insofern abweicht, als daß die geltend gemachten Kosten auf ihre Betriebsnotwendigkeit untersucht werden. Ein Grund dafür ist die Befürchtung, daß ansonsten im Rahmen der beobachteten Kostenrechnung auch in unregulierte Märkte diversifiziert und die staatliche Kontrolle somit neutralisiert wird. Bei der formalen Darstellung soll jedoch von der Grundidee einer reinen Rentabilitätsregulierung ausgegangen werden. Bezüglich der Maximalrentabilität von Kapital f existiert - 105 - © K. Morasch, 2001 Wettbewerbspolitik und Regulierung Regulierung natürlicher Monopole für die Unternehmen im Zwei-Input-Fall dann die folgende Restriktion (Arbeitsvolumen l, Lohnsatz w, Kapitalstock K): ( px − K wl ) ≤ f Der Marktpreis für Kapital kann nach dem Opportunitätskostenprinzip durch den Zinssatz für Fremdkapital auf den Finanzmärkten, r, approximiert werden. Der ökonomische Gewinn π einer Unternehmung ergibt sich bei diesen Kapitalkosten wie folgt: π = px − wl − rK Die erlaubte Maximalrendite f muß von der Regulierungskommission jedoch (etwas) höher als der Fremdkapitalzins r festgesetzt werden (f > r), da die Unternehmung und damit das eingesetzte Eigenkapital Risiko trägt: Würde nur eine Rendite von f = r erlaubt, dann wäre die Unternehmung bezüglich aller Input- und Outputniveaus indifferent - dies schließt insbesondere die Alternative mit ein, die Firma aufzulösen und das vorhandene Eigenkapital risikolos und bequem auf den Bondmärkten zu investieren. Es wird somit ein gewisser ökonomischer Absolutgewinn in Höhe von π ≤ ( f − r) K zugelassen. Grafisch kann diese administrative Gewinnrestriktion dann wie folgt dargestellt werden (vgl. Folie 3-15): Gewinn Der erlaubte Gewinn steigt mit dem Kapitaleinsatz Steigung = (erlaubte Rendite - Marktzins) Kapitalstock # 3-15 Es besteht somit folgender Zusammenhang mit dem Grundkonzept der Durchschnittskostenregulierung: Der Preis darf die Durchschnittskosten DK(x), bei denen als Kapitalkosten ja lediglich das Produkt von r und K berücksichtigt wird, etwas überschreiten. Die Grundidee soll nun nochmals an einem Zahlenbeispiel verdeutlicht werden: Ein Unternehmen investiert 100 Mio. DM bei jeweils 50% Eigenkapital und Fremdkapital; der Anleihezinssatz r betrage dabei 8%. Dem Unternehmen wird eine faire Rendite f von - 106 - © K. Morasch, 2001 Wettbewerbspolitik und Regulierung Regulierung natürlicher Monopole 10% zugebilligt. Damit beträgt der maximale bilanzielle Gewinn 10 Mio. - 4 Mio. = 6 Mio. DM (10% auf 100 Mio. eingesetztes Kapital abzüglich 8% auf 50 Mio. DM Fremdkapital). Dieser Gewinn ist allerdings aus ökonomischer Sicht weniger relevant: Als ökonomischer Gewinn wird dem Unternehmen maximale 10 Mio. - 8 Mio. = 2 Mio. DM zugestanden (10% auf 100 Mio. DM abzüglich Fremdkapitalkosten und Opportunitätskosten des Eigenkapitals in Höhe von 8%) - je nach tatsächlichem Risiko der Investition kann der ökonomische Gewinn auch niedriger ausfallen. 3.2.2.2 Beurteilung der Rentabilitätsregulierung Folie 3-16 führt die Vorteile und Probleme der Rentabilitätsregulierung auf: Vorteile • geringer Verwaltungsaufwand • Nachvollziehbarkeit Nachteile • Spielräume der Bilanzpolitik • Kapitalbewertung zu Anschaffungspreisen • Willkür bei Rentabilitätsfestlegung • Anreize zu nicht-kostenminimaler Produktion (statisch, dynamisch) # 3-16 Die Vorteil der Rentabilitätsregulierung bestehen darin, daß sie im Vergleich zu Regulierungsalternativen relativ einfach ist, was einen entsprechend geringen Verwaltungsaufwand (d.h. geringe direkte Regulierungskosten) bedingt und darüber hinaus auch nachvollziehbare Gleichbehandlung aller regulierten Unternehmen gewährleistet, wodurch Insidervorteile durch die Kenntnis von Durchführungsgewohnheiten der staatlichen Aufsicht ausgeschlossen werden. Diesen Vorteilen stehen jedoch eine Reihe von Problemen gegenüber. Die ersten drei beziehen sich dabei auf die geeignete Feststellung der Maßgrößen für den Kapitalstock und die faire Rendite: • Die Bestimmung des Kapitalstocks (Anlagevermögen) hängt von der verwendeten Abschreibungsmethode ab. Die Unternehmen werden konsequenterweise versuchen, ihre Abschreibungen so gering als möglich auszuweisen, da durch diese Bilanzpolitik die Kapitalbasis und somit der erlaubte Absolutgewinn ansteigt. • Die historisch bedingten bilanziellen Positionen sind für die Bewertung des Kapitalstocks eigentlich irrelevant, da korrekterweise von Wiederbeschaffungspreisen (und nicht von Anschaffungspreisen) der Investitionsgüter ausgegangen werden muß - - 107 - © K. Morasch, 2001 Wettbewerbspolitik und Regulierung Regulierung natürlicher Monopole dies ist zumindest dann der Fall, wenn von einem unendlichem Investitionshorizont ausgegangen wird. Bei positiven Inflationsraten führt dies jedoch zu einer erheblichen Ausdehnung des zugrundeliegenden Kapitalstocks. • Die Differenz zwischen r und f sollte vom Ausmaß des firmen- oder branchenspezifischen Risikos abhängig sein. Dieses Risiko vermindert sich jedoch typischerweise in den regulierten Bereichen, da potentielle Neueintreter von der Behörde abgewiesen werden können. Damit verbleibt den Unternehmen lediglich das Risiko von Nachfrageschwankungen. Da somit Eigenkapitalrenditen aus nicht regulierten Branchen als Grundlage zur Festlegung von f ungeeignet sind, bleibt letztlich ein weiter Ermessensspielraum auf Seiten der Regulierungsbehörde. Darüber hinaus existiert jedoch noch ein grundlegendes Problem, das als Averch-Johnson-Effekt bekannt ist - die Namensgebung resultiert aus der Forschungsarbeit der beiden amerikanischen Wissenschaftler Averch und Johnson im Jahr 1962: Aus Sicht der Unternehmen stellt die Rentabilitätsregulierung eine Einschränkung ihrer Verhaltensfreiheit dar. Input- und Outputmengen sowie Absatzpreise können zwar frei bestimmt werden, jedoch darf die Maximalrendite f jetzt nicht mehr überschritten werden. Damit ändert sich für die Unternehmen gegenüber der Situation ohne Regulierung die Zielfunktion: Es wird nun der Gewinn π unter der Nebenbedingung (px-wl)/K ≤ f maximiert. Wenn die Rentabilitätsregulierung greift (d.h. die unbeschränkte Monopollösung nicht mehr realisierbar ist), so kann das Unternehmen durch eine Veränderung der Inputmengenrelationen gegenüber der unregulierten Situation seinen Gewinn erhöhen: Durch eine Erhöhung des Kaptialstocks steigt der zulässige Gewinn. Es wird also nicht mehr die kostenminimale Faktoreinsatzkombination gewählt - die Kapitalintensität ist in rentabilitätsregulierten Sektoren zu hoch (dieser Effekt läßt sich auch empirisch belegen). 3.2.3 Regulierung im Mehrproduktfall: Ramsey-Preise Die Mehrzahl der in der ökonomischen Realität existierenden natürlichen Monopole produzieren nicht nur einen Output, sondern gleichzeitig mehrere Güter. Beispiele hierfür sind (i) städtische Energieversorgungsunternehmen, die gleichzeitig Strom und Gas verkaufen, (ii) Elektrizitätsunternehmen, die zu unterschiedlichen Nachfragesituationen (zeitabhängige Verbrauchsspitzen) und gleichzeitig an verschiedene Abnehmergruppen (Haushalte, Industrie) liefern, und (iii) Eisenbahnunternehmen, die Güter- und Personentransport durchführen. - 108 - © K. Morasch, 2001 Wettbewerbspolitik und Regulierung Regulierung natürlicher Monopole 3.2.3.1 Grundproblem der Regulierung im Mehrproduktfall Aus all diesen Konstellationen resultieren unterschiedliche Nachfragekurven, mit denen das Unternehmen gleichzeitig konfrontiert ist. Diese verschiedenen Nachfragekurven implizieren jedoch in ökonomischer Hinsicht die Produktion unterschiedlicher Outputs, selbst wenn in physikalischer Betrachtung das Produkt identisch ist. Bei „First-best“-Regulierung müßten die Preise jedes einzelnen dieser Güter in Höhe ihrer jeweiligen Grenzkosten festgesetzt werden, was jedoch wie im Einproduktfall zu Verlusten führen kann. Bei „Second-best“-Regulierung wurden darum im Ein-Güter-Fall die Absatzpreise in Höhe der Durchschnittskosten festgelegt (z.B. durch eine Rentabilitätsregulierung). Bei der Produktion mehrerer Güter existieren jedoch viele Kombinationen von Preisen, die gerade zur Abdeckung aller Kostenbestandteile führen. Es stellt sich für die Behörde somit das Problem, in welcher Höhe Aufschläge über die Grenzkosten der einzelnen Outputs festgelegt werden, um den Fixkostenblock abzudecken. Mit anderen Worten: Welche der Absatzpreiskombinationen, die gerade zu einem Null-Gewinn des Unternehmens führen, sind aus wohlfahrtstheoretischer Perspektive zu wählen? 3.2.3.2 Referenzsituation: Einheitlicher Preis für alle Nachfrager Im folgenden wird zur Vereinfachung ein Unternehmen unterstellt, das zwei Güter zu identischen und konstanten Grenzkosten produziert und auf den jeweiligen Märkten anbietet. Dies kann z.B. ein Telekommunikationsunternehmen sein, das sowohl Nahgespräche als auch Ferngespräche produziert. Die Nachfrage nach Ferngesprächen N1 sei relativ preiselastisch, diejenige nach Nahgesprächen N2 relativ preisunelastisch - diese Annahme dürfte der Realität entsprechen. Falls das Unternehmen zu einem Preis in Höhe der Grenzkosten anbieten würde, entstände bei den genannten Modellannahmen ein Verlust in Höhe des Fixkostenblockes. Der soziale Überschuß auf den beiden Gütermärkten entspräche dann der Summe der Konsumentenrenten (KR1 + KR2), da bei konstanten Grenzkosten keine Produzentenrente entsteht. Der Regulierungsbehörde stehen jetzt mehrere Optionen zur Verfügung, um einen unternehmerischen Verlust zu vermeiden. So könnte ein einheitlicher Aufschlag z über die Grenzkosten festgelegt werden, der gerade so bemessen ist, daß der Fixkostenblock abgedeckt wird („Einheitstarif“). Die wohlfahrtsanalytischen Konsequenzen ergeben sich dann entsprechend Folie 3-17: - 109 - © K. Morasch, 2001 Wettbewerbspolitik und Regulierung Regulierung natürlicher Monopole Nahgesprächsnachfrage p Ferngesprächsnachfrage Wohlfahrtsverlust Einheitstarif GK x 1' x1 x2' x2 x 1, x 2 # 3-17 Die preiselastischere Nachfrage (diejenige nach Ferngesprächen) wird deutlich stärker zurückgedrängt, als dies bei der preisunelastischeren Nachfrage (derjenigen nach Nahgesprächen) der Fall ist. Der allokative Nettowohlfahrtsverlust, der gegenüber der Ausgangssituation mit Grenzkostenpreisen entsteht, fällt also insbesondere aufgrund des Verhaltens der ersten Konsumentengruppe (der Ferngesprächskunden) an, die bei höheren Preisen die Nachfrage stärker einschränken. 3.2.3.3 Ramsey-Preise: Berücksichtigung der Nachfrageheterogenität Würde die Regulierungsbehörde statt dessen das unterschiedliche Verbraucherverhalten berücksichtigen und die preiselastischere Nachfragegruppe geringer belasten, da dann geringere Mengenwirkungen und somit geringere Allokationsverluste zu erwarten sind, so ergibt sich folgendes Bild (vgl. Folie 3-18): Nahgesprächsnachfrage p Ferngesprächsnachfrage Verringerter Wohlfahrtsverlust Nahgesprächstarif Ferngesprächstarif GK x 1’ x1 x 2’ x2 x1, x2 # 3-18 Der Regulierungsbehörde stellt sich also die Aufgabe den sozialen Überschuß unter der Nebenbedingung zu maximieren, daß die Produzentenrente gerade zur Deckung des Fixkostenblockes ausreicht. Die resultierenden Preise nennt man Ramsey-Preise und im Optimum ergibt sich folgende Preisstruktur: p1 − GK1 p − GK 2 η1 = 2 η2 p1 p2 - 110 - © K. Morasch, 2001 Wettbewerbspolitik und Regulierung Regulierung natürlicher Monopole Der Aufschlag auf die Grenzkosten ist also umso höher, je geringer die Nachfrageelastizität ist. Es sollte an dieser Stelle allerdings kurz darauf hingewiesen werden, daß andere Aspekte möglicherweise gegen eine solche Preissetzung sprechen: Zum einen können hierbei „soziale“ Gesichtspunkte angeführt werden (die Nachfrage ist preisunelastisch weil bestimmte Nachfragergruppen keine Ausweichmöglichkeiten haben), zum anderen sollte man sich möglicherweise Gedanken über eine angemessene kostenmäßige Zuordnung der Fixkosten machen (wie stark ist der tatsächliche Einfluß der jeweiligen Teilproduktion auf die Höhe der fixen Kosten?). 3.2.4 Alternativen zur kostenorientierten Regulierung Zur Vermeidung der Probleme der kostenorientierten Regulierung, gibt es eine Reihe von Alternativvorschlägen, die nun kurz angesprochen werden sollen (vgl. Folie 3-19): • Dynamische Preisobergrenzen ("price caps") • Subventionierung der Anbieter ("Loeb-Magat-Subvention") • Versteigerung von Lizenzen • Verzicht auf Regulierung # 3-19 Dynamische Preisobergrenzen („price caps“) zielen insbesondere darauf, der dynamischen Ineffizienz (kein Anreiz zu Kostensenkungen) entgegenzuwirken. Bei dieser Art der Regulierung werden Kosten und Gewinne der Unternehmen weitgehend ignoriert. Vielmehr wird ein dynamischer Preispfad festgelegt: Die Preise dürfen sich maximal um die Inflationsrate abzüglich der erwarteten Produktivitätssteigerung erhöhen (d.h. real evt. auch nominal - müssen die Preise fallen). Durch „price caps“ wird dem Monopolisten eine Anreiz zur Kostenreduktion gegeben, weil die realisierten (zusätzlichen) Gewinne im Gegensatz zur Rentabilitätsregulierung zulässig sind und damit beim Unternehmen verbleiben. In der Praxis wurde dieses Verfahren bei der Telekom-Regulierung in Großbritannien mit Erfolg angewendet. Da bei dynamischen Preisobergrenzen die statische Allokationswirkung weitgehend unberücksichtigt bleibt, erscheint es sinnvoll im Zeitablauf zwischen „price caps“ und kostenorientierter Regulierung abzuwechseln: Nach einigen Jahren dürfte die Kosteneffizienz wieder erreicht sein und somit allokative Ineffizienzen in den Vordergrund treten. - 111 - © K. Morasch, 2001 Wettbewerbspolitik und Regulierung Regulierung natürlicher Monopole Die Subventionierung wurde bereits in 3.2.1 als Möglichkeit angesprochen, das Problem von Verlusten des Monopolisten bei der „First-best“-Regulierung zu lösen. Eine spezielle Form der Subventionierung, die zusätzlich den Vorteil hat, daß die Regulierungsbehörde nur die Nachfrage, nicht aber die Kosten kennen muß, stellt der sogenannte „Loeb-Magat-Mechanismus“ dar: Hier wird dem Monopolisten die gesamte Konsumentenrente als Subvention ausgezahlt. Da das Unternehmen nun den gesamten sozialen Überschuß erhält, wird es die effiziente Preis-Mengen-Kombination wählen (gleichzeitig besteht auch eine ausreichender Anreiz zur Kostenminimierung). Die praktischen Umsetzung dieses Verfahrens stößt jedoch auf Schwierigkeiten, da üblicherweise die notwendigen Informationen über die Nachfrage nicht gegeben sind. Zudem dürfte die Subventionssumme sehr hoch sein - es ergeben sich dann extreme Verteilungswirkungen und allokative Verzerrungen bei der Finanzierung der Subvention. Die letztgenannten Probleme lassen sich jedoch vermeiden, wenn das Verfahren mit dem folgenden Alternativvorschlag, der Versteigerung von Lizenzen kombiniert wird. Bei der Versteigerung von Lizenzen wird einem Unternehmen für eine bestimmte Zeitspanne, z.B. 10 bis 20 Jahre, das Monopol in dem entsprechenden Markt garantiert. Den Zuschlag erhält dasjenige Unternehmen, das die niedrigsten Preise für die Abnehmer bietet (sinnvollerweise als dynamische Preisobergrenze) bzw. - bei Kombination mit dem Loeb-Magat-Mechanismus - bereit ist, die höchste Auktionsgebühr zu bezahlen (die dann an die Konsumenten weitergeleitet wird). Dieses Verfahren zielt darauf ab, Wettbewerb in Märkten mit natürlichem Monopol einzuführen: Da Konkurrenz mehrerer Unternehmen bei der Produktion nicht kosteneffizient wäre, wird der Wettbewerb auf das Recht zum Marktzutritt beschränkt. Als letzte Alternative zur kostenorientierten Regulierung kommt - insbesondere wenn man die Ergebnisse der Capture Theorie berücksichtigt - auch ein völliger Verzicht auf Regulierung in Betracht: Falls die potentiellen Wohlfahrtsgewinne durch Regulierung relativ gering und die Regulierungskosten (z.B. wegen Informationsbeschaffung) bedeutsam sind, kann ein Verzicht auf staatliche Intervention vorteilhaft sein. Dieses Argument wird verstärkt, wenn man berücksichtigt, daß zumindest in langfristiger Perspektive nahezu alle Märkte bestreitbar sind - die Monopolpreise erodieren dann aufgrund (potentieller) Konkurrenz. Demgegenüber führt (kostenorientierte) Regulierung vor allem zu kurzfristigen Wohlfahrtsgewinnen, die jedoch aufgrund des Abweichens von der kostenminimalen Produktion im Laufe der Zeit häufig in Verluste übergehen. - 112 - © K. Morasch, 2001 Wettbewerbspolitik und Regulierung Regulierung natürlicher Monopole 3.2.5 Monopolistische Bottlenecks und Access-Pricing In Netzmärkten liegt ein natürliches Monopol üblicherweise nur im Bereich der Netzinfrastruktur (z.B. Schienennetz) vor, während im Bereich der Netzdienstleistungen (z.B. Personennahverkehr) Wettbewerb möglich ist. Früher wurde bei solchen Netzmärkten dann meist die gesamte Branche reguliert bzw. als staatliches Monopolunternehmen verwaltet. Erst in jüngerer Zeit wird im Rahmen von Deregulierungsbestrebungen versucht, staatliche Eingriffe auf den Bereich des „monopolistischen Bottlenecks“ zu beschränken. In diesem Abschnitt beschäftigen wir uns mit dem zugrundeliegenden Konzept der „disaggregierte Regulierung“ und den bei einem solchen Regulierungsansatz auftretenden Problemen. Dazu wird zunächst abgeklärt, unter welchen Umständen eine Netzinfrastruktur tatsächlich einen monopolistischen Bottleneck darstellt. Danach wird die Notwendigkeit der Regulierung des Netzzugangs diskutiert. Schließlich wird das Konzept der disaggregierten Regulierung erläutert und dem Alternativansatz der „global price caps“ gegenübergestellt. 3.2.5.1 Lokalisierung monopolistischer Bottlenecks Ein regulierungsbedürftiger monopolistischer Bottleneck liegt nur dann vor, wenn ein Netzbereich sowohl durch nicht ausgeschöpfte Bündelungsvorteile als auch durch irreversible Kosten gekennzeichnet ist. • Sind Bündelungsvorteile ausgeschöpft, wie beispielsweise bei Telefonfernleitungen, so herrscht in einem Markt aktiver Wettbewerb. Regulierende Eingriffe sind dann nicht notwendig. • Aber auch bei Netzen die eindeutig ein natürliches Monopol darstellen (z.B. Busverkehr auf dem Land) kann auf Regulierung verzichtet werden, wenn potentieller Wettbewerb den Mißbrauch der Marktmacht durch das aktive Unternehmen verhindert. Ausgehend von der Theorie bestreitbarer Märkte (contestable markets) spricht man von „angreifbaren Netzen“, wenn der freie Markteintritt einer großen Zahl potentieller Wettbewerber mit gleichwertiger Technologie, die Abwesenheit irreversibler Kosten (d.h. keine Marktaustrittsbarrieren) und Bertrand-Nash-Verhalten der Neueintreter (d.h. diese betrachten den aktuellen Preis des etablierten Unternehmens als gegeben) gewährleistet ist. • Demgegenüber liegen bei einem monopolistischen Bottleneck (z.B. Schienennetz) irreversible Kosten vor, die als „sunk costs“ für das eingesessene Unternehmen im Gegensatz zu den potentiellen Konkurrenten nicht mehr entscheidungsrelevant sind. - 113 - © K. Morasch, 2001 Wettbewerbspolitik und Regulierung Regulierung natürlicher Monopole Diese niedrigeren entscheidungsrelevanten Kosten bedingen einen Spielraum für strategisches Verhalten, so daß ineffiziente Produktion oder die Realisierung von Monopolrenten nicht mehr zwangsläufig Marktzutritt nach sich ziehen. Folie 3-20 stellt das Problem der Lokalisierung monopolistischer Bottlenecks nochmals im Überblick dar: Bündelungsvorteile (natürliches Monopol) ausgeschöpfte Bündelungsvorteile irreversible Kosten ohne irreversible Kosten monopolistische Bottleneck-Einrichtungen potenzieller Wettbewerb (angreifbare Netze) aktiver Wettbewerb # 3-20 3.2.5.2 Netzzugang bei angreibaren Netzen vs. monopolistischen Bottlenecks Wird in einer Branche ein monopolistischer Bottleneck lokalisiert, so stellt sich die Frage, wie die Regulierung konkret ausgestaltet werden sollte. Die Befürworter einer disaggregierten Regulierung argumentieren, daß in diesem Fall nur der Bottleneck reguliert werden soll. Sollen Netzdienstleistungen somit wettbewerbsmäßig angeboten werden, so stellt sich grundsätzlich das Problem der Organisation der Netzzusammenschaltung. Bei angreifbaren Netzen besitzen die Netzbetreiber keine stabile Marktmacht. Aufgrund der Disziplinierungswirkung des potentiellen Wettbewerbs kann dann erwartet werden, daß private Verhandlungen zwischen Netzeigentümern über die Zusammenschaltung und zwischen Dienstleistungsanbietern und Netzeigentümern über den Netzzugang zu ökonomisch effizienten Lösungen führen. Da auch im angreifbaren natürlichen Monopol Fixkosten und entsprechend Größenvorteile bedeutsam sind, ist eine Grenzkostenpreissetzung nicht realisierbar. Bei einer Verhandlungslösung läßt sich jedoch eine effiziente Zuordnung von Overhead-Kosten realisieren, was im Rahmen einer schematischen Regulierungsregel im allgemeinen nicht erreichbar ist. Regulierung ist somit bei angreifbaren Netzen nicht nur unnötig, sondern tendenziell wettbewerbsschädlich, d.h. sie kann zu einer Verzerrung von Preisen und damit zu ineffizienten Entscheidungen führen. - 114 - © K. Morasch, 2001 Wettbewerbspolitik und Regulierung Regulierung natürlicher Monopole Demgegenüber führt Markmacht in monopolistischen Bottlenecks auf unregulierten Märkten zu einer ineffizienten Höhe der Zusammenschaltungs- bzw. Zugangstarife (grundsätzliches Monopolproblem) und zu Diskriminierungsanreizen, falls der Monopolist auch in Bereichen außerhalb des Bottleneck aktiv ist. Es besteht somit die Notwendigkeit, das etablierte Unternehmen zumindest im Netzzugangsbereich zu regulieren Zentrales Ziel einer Regulierung muß dabei die Gewährleistung eines diskriminierungsfreien Netzzugangs sein, da ansonsten die Wettbewerbskräfte auf den Märkten für Netzdienstleistungen nicht wirksam werden können. Dabei spielt das Konzept einer „wesentlichen Einrichtung“ (essential facilities doctrine) wie es auch in § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB n.F. im sogenannten „allgemeinen Netzzugangstatbestand“ zum Ausdruck kommt eine wesentliche Rolle. Eine Einrichtung ist dann als wesentlich anzusehen, wenn folgende beide Bedingungen erfüllt sind: • Die Einrichtung ist unabdingbar, um Kunden zu erreichen bzw. Wettbewerbern die Geschäftstätigkeit zu ermöglichenken. Dies bedeutet in anderen Worten, daß kein aktives Substitut verfügbar ist. Eine solche Situation ergibt sich, wenn aufgrund von Bündelungsvorteilen ein natürliches Monopol vorliegt. • Die Einrichtung kann nicht mit angemessenen Mitteln dupliziert werden, um dadurch den aktiven Anbieter zu disziplinieren. Diese bedeutet, daß auch kein potenzielles Substitut existiert. Genau dieser Fall tritt bei irreversiblen Kosten auf. Der wettbewerbsrechtliche Begriff der „wesentlichen Einrichtung“ entspricht somit weitgehend dem regulierungstheoretischen Konzept des „monopolistischen Bottleneck“. 3.2.5.3 Disaggregierte vs. globale Regulierung in Märkten mit Bottlenecks Bei der konkreten Ausgestaltung der Regulierung in Märkten mit monopolistischen Bottlenecks spielt die Regelung der Zusammenschaltungs- und Zugangsbedingungen (insbesondere Zugangstarife) zu wesentlichen Einrichtungen eine zentrale Rolle. Prinzipiell sind zwei Ansatzpunkte denkbar: Im Rahmen der disaggregierten Regulierung wird ausschließlich der monopolistische Bottleneck reguliert während sich bei einem globalen Regulierungsansatz die Regulierung auf alle Geschäftsfelder des BottleneckEigners erstreckt. Als (theoretischer) Idealfall ist zusätzlich die vertikale Separierung denkbar, bei der der Netzbetreiber nicht im Bereich der Netzdienstleistungen oder bei der Bereitstellung komplementärer angreifbarer Netze aktiv ist. - 115 - © K. Morasch, 2001 Wettbewerbspolitik und Regulierung Regulierung natürlicher Monopole (a) vertikale Separierung Bei strikter vertikaler Separierung spielen Diskriminierungsanreize keine Rolle und außerhalb des Bottlenecks ist somit unverzerrter Wettbewerb sichergestellt. Es verbleibt somit nur das bereits behandelte Problem der Regulierung eines natürlichen Monopol. Diesem grundsätzlichen Vorteil vertikaler Separierung stehen jedoch zwei Probleme gegenüber: • Da die (Monopol-)Unternehmen in den Netzbranchen traditionell vertikal integriert sind, würde vertikale Separierung in der Praxis einen gravierenden Eingriff in die Eigentumsrechte der etabilierten Unternehmen bedeuten. • Vertikale Integration ist meist nicht zufällig, sondern zur Realisierung von Verbundvorteilen und zur Minimierung von Transaktionskosten notwendig. Diese Kostenvorteile würden bei vertikaler Separierung verloren gehen. (b) „virtuelle Separierung“ (accounting separation) Wird aus diesen Gründen auf eine vertikale Separierung verzichtet, so muß im Rahmen einer disaggregierten Regulierung versucht werden, durch „virtuelle Separierung“ (accounting separation) diskriminierendes Verhalten des Bottleneck-Eigners zu verhindern. Dazu muß zunächst ein Netzzugangsgebot (third party access) festgelegt werden, um somit die extremste Form des Marktmachtmißbrauches zu unterbinden. Da der gleiche Zweck jedoch durch entsprechend hohe Zugangstarife oder unzureichende Qualität erreicht werden kann, muß über ein Diskriminierungsverbot sichergestellt werden, daß Wettbewerber genauso wie die eigenen Downstream-Abteilungen des etablierten Unternehmens behandelt werden. Bei der Regulierung der Zugangsgebühren wird dabei üblicherweise auf das Konzept der langfristigen Zusatzkosten (long run incremental costs) zurückgegriffen; alternativ kommt auch ein Regulierung mittels price caps infrage. Um Overhead-Kosten angemessen zuordnen zu können, sind ein Verbot der Quersubventionierung zwischen Monopol und den Wettbewerbsbereich und getrennte Buchführungen (accounting separation) für die beiden Bereiche notwendig. Es ist jedoch zu beachten, daß eine eindeutige Kostenzuordnung in vielen Fällen schwierig sein dürfte und auch eine strikte Trennung der Buchführung in der Praxis schwer kontrollierbar ist. Zudem läßt sich das Quersubventionierungsverbot häufig dadurch umgehen, daß stattdessen im Unternehmen reale Ressourcen aus dem Monopol in den Wettbewerbsbereich verlagert werden. - 116 - © K. Morasch, 2001 Wettbewerbspolitik und Regulierung Regulierung natürlicher Monopole (c) „global price caps“ Vor dem Hintergrund der Probleme der disaggregierten Regulierung bietet sich das Konzept sogenannter „global price caps“ an. Dabei werden alle Geschäftsbereiche (Netzinfrastruktur und Netzdienstleistungen) des Monopolisten reguliert, wobei jedoch durch die Festlegung des price caps als Index eine Preisstrukturanpassung möglich ist. In diesem Fall entfallen die Diskriminierungsanreize: Höhere Zugangsgebühren (und damit die Realisierung von Monopolrenten im Bereich der Netzinfrastruktur) bedingen jetzt geringere Absatzpreise im Downstream-Markt (und damit geringere Gewinne bei den Netzdienstleistungen). Ausgangspunkt dieser globalen Regulierung ist die „efficient component pricing rule“ (ECPR). Die ECPR zielt auf eine effiziente Produktion im Endproduktmarkt bzw. effizienten Marktzutritt und nimmt dafür in Kauf, daß die Monpolrenten beim etablierten Unternehmen verbleiben: Die Zugangsgebühr deckt bei diesem Konzept die gesamten Opportunitätskosten des etablierten Unternehmens, also nicht nur die Bereitstellungskosten, sondern auch den Verlust der Gewinne im Endproduktmarkt. Es besteht dann kein Diskriminierungsanreiz: Die Zugangsgebühren werden so festgelegt, daß Marktzutritt genau dann stattfindet, wenn der Neueintreter marginal effizienter ist als das etablierte Unternehmen. Der Nachteil dieser Methode besteht jedoch darin, daß die Monopolrenten im ursprünglichen Umfang erhalten bleiben. Durch die Festlegung eines „global price caps“ lassen sich die Gewinne jedoch auf einem niedrigeren Niveau als im unregulierten Markt beschränken, ohne für das etablierte Unternehmen Diskriminierungsanreize zu schaffen, da aufgrund der Rückwirkungen auf die Endproduktpreise überhöhte Zugangstarife diesem keine Vorteile bieten. Die bei virtueller Separierung auftretenden Schwierigkeiten werden somit vermieden. Dem stehen jedoch die grundlegenden Probleme von price caps, insbesondere die geeignete Festlegung der Preisentwicklung und der Gewichte der einzelnen Preise gegenüber. - 117 - © K. Morasch, 2001