Chinesischer Restsatz für Ringe Lena Wehlage 22. Mai 2017 1 1 Einleitung Ziel dieses Vortrags zum allgemeinen chinesischen Restsatz ist es, den im letzten Vortrag kennengelernten chinesischen Restsatz über simultane Kongruenzen mithilfe der Ringtheorie umzuformulieren. Dazu werden zunächst einige Begrie zur Ringtheorie wiederholt und an Beispielen erläutert sowie der Restklassenring Z/mZ zerlegt. 2 Motivation Zur Motivation und Wiederholung sei zunächst folgendes Theorem genannt, welches am Ende umformuliert werden soll. Der chinesische Restsatz. Seien m1 , . . . , mn paarweise teilerfremde natürliche Zahlen und seien a1 , . . . , an ganze Zahlen. Dann hat die simultane Kongruenz x ≡ a1 mod m1 , x ≡ a2 mod m2 , . . . , x ≡ an mod mn Q eine Lösung x, die eindeutig ist mod m = ni=1 mi . 3 Zerlegung des Restklassenrings Nach erfolgreicher Zerlegung des Restklassenrings Z/mZ entsteht die Möglichkeit, anstatt in einem groÿen Restklassenring Z/mZ, in vielen kleinen Restklassenringen Z/mi Z zu rechnen. Denition 3.1. Sei R eine Menge mit zwei Verknüpfungen +, ·. Das Tripel (R,+,·) heiÿt Ring genau dann, wenn die folgenden Axiome erfüllt sind: (i) Es gilt Assoziativität, d.h. es gilt: (a + b) + c = a + (b + c) sowie (a · b) · c = a · (b · c) für alle a, b, c ∈ R. (ii) Es gibt ein neutrales Element bezüglich +, d.h. ein Element e ∈ R mit e + a = a = a + e für alle a ∈ R. (iii) Jedes Element a ∈ R besitzt ein Inverses bezüglich +, d.h. es gibt ein b ∈ R mit a + b = e = b + a. (iv) Es gilt Kommutativität bezüglich +, d.h. es gilt: a + b = b + a für alle a, b ∈ R. (v) Es gelten die Distributivgesetze, d.h. (a + b) · c = a · c + b · c, a · (b + c) = a · b + a · c für a, b, c ∈ R. Der Ring heiÿt kommutativ, falls die Multiplikation kommutativ ist. Beispiel 3.1. 1. Die Menge aller Matrizen Mn,n (K) bildet mit der Matrizenaddition und -multiplikation einen Ring. Dieser ist für n > 1 nicht kommutativ. 2. Die Polynome über einem Körper K bilden einen Ring K[X] 2 3. Das Tripel (Z,+,·) ist ein kommutativer Ring, woraus leicht abgeleitet werden kann, dass auch (Z/mZ,+,·) ein kommutativer Ring ist. Q R2 , . . . , Rn Ringe. Dann ist ihr direktes Produkt ni=1 Ri deniert als die Menge aller Tupel (r1 , r2 , . . . , rn ) ∈ R1 × · · · × Rn zusammen mit kom- Denition 3.2. Seien R1 , ponentenweiser Addition und Multiplikation. Beispiel 3.2. Sei R1 = Z/2Z und R2 = Z/9Z. Dann besteht R = R1 × R2 aus allen Paaren (a + 2Z, b + 9Z), 0 ≤ a < 2, 0 ≤ b < 9. Also hat R = R1 × R2 genau 18 Elemente. Das Einselement in R ist (1 + 2Z, 1 + 9Z). Beispielberechnung zur Addition: ((3 + 2Z), (5 + 9Z)) + ((1 + 2Z), (2 + 9Z)) = (0 + 2Z, 7 + 9Z) Beispielberechnung zur Multiplikation: ((3 + 2Z), (5 + 9Z)) · ((1 + 2Z), (2 + 9Z)) = (1 + 2Z, 1 + 9Z) Denition 3.3. Es seien R und R0 Ringe. Eine Abbildung ϕ : R → R0 heiÿt Ringhomo- morphismus, wenn gilt: (i) ϕ(a + b) = ϕ(a) + ϕ(b) für alle a, b ∈ R (ii) ϕ(a · b) = ϕ(a) · ϕ(b) für alle a, b ∈ R Ein Ringhomomorphismus heiÿt Isomorphismus, wenn ϕ ein Inverses besitzt, d.h. wenn es einen Ringhomomorphismus ψ : R0 → R mit ψ ◦ ϕ = idR und ϕ ◦ ψ = id0R gibt. Bemerkung 3.1. Äquivalent hierzu ist, dass der Homomorphismus ϕ bijektiv ist. Beispiel 3.3. 1. Sei R = K[X], R0 = K und wähle λ ∈ K. Dann ist die Abbildung ϕλ : K[X] → K 1 a0 + a1 x + · · · + an xn 7→ a0 + a1 λ1 + · · · + an λn ein Ringhomomorphismus. 2. Sei R = K[X], R0 = Mn,n (K) und wähle A ∈ R0 . Dann ist die Abbildung ϕA : K[X] → Mn,n (K) a0 + a1 x1 + · · · + an xn 7→ a0 + a1 A1 + · · · + an An ein Ringhomomorphismus. 3. Sei nun R = Z und R0 = Z. Handelt es sich bei folgender Abbildung: f : Z→Z a 7→ 2a um einen Ringhomomorphismus? zu (i): f (a + b) = 2(a + b) = 2a + 2b = f (a) + f (b) zu (ii): f (a · b) = 2(a · b) = 2ab 6= 4ab = f (a) · f (b) Antwort: f ist kein Ringhomomorphismus. 3 4. Sei nun R = Z und R0 = Z/12Z. Handelt es sich bei folgender Abbildung: g : Z → Z/12Z b 7→ 4b um einen Ringhomomorphismus? zu (i): g(a + b) = 4(a + b) mod 12 = 4a + 4b mod 12 = g(a) + g(b) zu (ii): g(a · b) = 4(ab) ≡ 16ab mod 12 ⇔ 4ab ≡ 4ab mod 12 = g(a) · g(b) Antwort: g ist ein Ringhomomorphismus. Wenn man einen Isomorphismus zwischen zwei Ringen kennt, den man in beiden Richtungen leicht berechnen kann, dann lassen sich alle Aufgaben in dem einen Ring auch in dem anderen Ring lösen. Satz 3.1. Seien m1 , . . . , mn paarweise teilerfremde ganze Zahlen, und sei m = m1 · m2 · · · mn . Dann ist die Abbildung ϕ : Z/mZ → n Y Z/mi Z, a + mZ 7→ (a + m1 Z, . . . , a + mn Z) i=1 ein Isomorphismus von Ringen. Beweis. Beachte zuerst, dass ϕ wohldeniert ist. Ist nämlich a ≡ b mod m, dann folgt a ≡ b mod mi für 1 ≤ i ≤ n. Zum Beweis, dass es sich bei ϕ um einen Homomorphismus von Ringen handelt folgende Zwischenbehauptung: ϕ ist verträglich mit Multiplikation, d.h. für alle a, b ∈ Z ist zu zeigen: ϕ(a + mZ)ϕ(b + mZ) = ϕ((a + mZ)(b + mZ)) Beweis: ϕ(a + mZ)ϕ(b + mZ) = ϕ((a + mZ)(b + mZ)) ⇔ (a + m1 Z, . . . , a + mn Z)(b + m1 Z, . . . , b + mn Z) = ϕ(ab + mZ) ⇔ (ab + m1 Z, . . . , ab + mn Z) = (ab + m1 Z, . . . , ab + mn Z) Der Beweis zur Verträglichkeit von ϕ mit der Addition erfolgt analog. Nun bleibt Qn die Bijektivität zu zeigen. Um die Surjektivität zu beweisen, sei (a1 +m1 Z, . . . , an + mn Z ∈ i=1 Z/mi Z. Dann folgt aus Satz 2.1, dass dieses Tupel ein Urbild unter ϕ hat. Die Injektivität folgt aus der Eindeutigkeit in Satz 2.1. Beispiel 3.4. Zerlege Z180 in ein Produkt von Restklassenringen. Lösung: Z180 ∼ = Z4 × Z5 × Z9 4 Beispiel 3.5. Um ganze Zahlen a = 13 und b = 17 zu multiplizieren, wird das Produkt nach oben abgeschätzt, etwas durch ab ≤ 20 · 20 = 400. Die Moduli mi werden so gewählt, dass deren Produkt oberhalb Q der Schranke liegt. Für die Moduli m1 = 4, m2 = 3, m3 = 5 und m4 = 7 gilt m = i mi = 420. Das Produkt ab wird in drei Schritten berechnet: 1. Der Isomorphismus ϕ : Z4 20 → Z4 × Z3 × Z5 × Z7 liefert ϕ(a) = (1, 1, 3, 6) und ϕ(b) = (1, 2, 2, 3) 2. Die Bilder ϕ(a)undϕ(b) werden im Produktring Q i Zmi multipliziert: ϕ(a) · ϕ(b) = (1 · 1, 1 · 2, 3 · 2, 6 · 3) = (1, 2, 1, 4) 3. Wir wollen die simultane Kongruenz x ≡ 1 mod 4 x ≡ 2 mod 3 x ≡ 1 mod 5 x ≡ 4 mod 7 lösen. Wir lösen: 3 · 5 · 7 · x1 ≡ 1 mod 4 4 · 5 · 7 · x2 ≡ 1 mod 3 4 · 3 · 7 · x3 ≡ 1 mod 5 4 · 3 · 5 · x4 ≡ 1 mod 7 Die Lösungen der xi mit 1 ≤ i ≤ 4 sind: x1 = 1 x2 = 2 x3 = 4 x4 = 2 Daher erhalten wir x ≡ 3 · 5 · 7 · 1 + 4 · 5 · 7 · 2 + 4 · 3 · 7 · 4 + 4 · 3 · 5 · 2 ≡ 1481 mod 4 · 3 · 5 · 7 ≡ 221 mod 420 Eine Lösung der simultanen Kongruenz ist x = 221 = ab. 5 4 Der allgemeine chinesische Restsatz Denition 4.1. Sei R ein Ring. Eine Teilmenge I ⊂ R heiÿt Ideal in R, wenn gilt: (i) a, b ∈ I ⇒ a + b ∈ I (ii) r ∈ R, a ∈ I ⇒ ra ∈ I Bemerkung 4.1. 1. Jeder Ring enthält die sogenannten trivialen Ideale: Nullideal {0} und das Einheitsideal R. 2. Wir bezeichnen zwei Ideale I, J in einem Ring R als koprim, falls I + J = R ist. Beispiel 4.1. 1. Ausgehend von beliebigen Idealen I, J ⊂ R kann man die folgenden Ideale bilden: I + J := {a + b : a ∈ I, b ∈ J}, I · J := { <∞ X ai bi : ai ∈ I, bi ∈ J}, i=1 I ∩ J := {x : x ∈ I, x ∈ J}. Seien x, y ∈ I ∩ J und r inR zu (i): Die Denition der Ideale führt zu: x + y ∈ I und x + y ∈ J und somit x+y ∈I ∩J zu (ii): Die Denition der Ideale führt zu: rx ∈ I , rx ∈ J und somit rx ∈ I ∩ J 2. 2Z = {2r : r ∈ Z} ⊆ Z ist das Ideal der geraden Zahlen Seien a, b ∈ I, z, z 0 ∈ Z. zu (i): Wähle Elemente a = 2z und b = 2z 0 . Dann folgt: a + b = 2z + 2z 0 = 2(z + z 0 ) ∈ 2Z zu (ii): Wähle r ∈ Z beliebig und ein Element a = 2z . Dann folgt: a · r = r · 2 · z ∈ 2Z 3. Ist ϕ : R → R0 ein Ringhomomorphismus, so ist der Kern ker ϕ := ϕ−1 (0) = {r ∈ R : ϕ(ϕ) = 0} ein Ideal. 6 Denition 4.2. Sei R Ring und I Ideal in R. Dann bildet die Menge R/I = {x + I : x ∈ R} mit folgender Verknüpfung einen Ring: · (x + I) + (y + I) = (x + y) + I · (x + I) · (y + I) = (x · y) + I Diesen Ring nennt man Quotientenring. Beispiel 4.2. Z/2Z ist ein Beispiel für einen Quotientenring. Satz 4.1. Seien R, I wie in Denition 4.2. Dann ist die Abbildung π : R → R/I, x 7→ x + I, ein Ringhomomorphismus, genannt die kanonische Projektion. Der allgemeine chinesische Restsatz. Sei R ein Ring und seien I1 , · · · , In ⊂ R paarweise koprime Ideale, d.h. es gelte Ii + Ij = R für i 6= j . Ist dann πi : R → R/Ii jeweils die kanonische Projektion, so ist der Homomorphismus ϕ : R → R/I1 × . . . × R/In , x 7→ (π1 (x), . . . , πn (x)), surjektiv und erfüllt kerϕ = I1 ∩ . . . ∩ In , induziert also einen Isomorphismus R/ ∩ni=1 Ii → f n Y R/Ii i=1 Dabei bezeichnet klassenringe R/Ii . Qn i=1 R/Ii = R/I1 × · · · × R/In das ringtheoretische Produkt der Rest- 7 Literatur [1] BOSCH, Siegfried: Algebra. 8. Auage, Springer-Verlag, Berlin 2013. [2] BUCHMANN, Johannes: Einführung in die Kryptographie. 6. Auage, SpringerVerlag, Heidelberg 2016. [3] ZIMMERMANN, Karl-Heinz: Diskrete Mathematik Kapitel 14, Technische Universität Hamburg https://tubdok.tub.tuhh.de/bitstream/11420/1025/3/part3.pdf (12.05.2017) 8