Ihr Betriebsarzt informiert (Vogel-) Grippe – Pandemie (Information für Arbeitgeber) Die Virusgrippe (Influenza) gehört zu den bedeutsamsten Infektionskrankheiten des Menschen. Sie ist seit alters her bekannt und wird doch in ihrer Gefährlichkeit bis in unsere Tage unterschätzt. Erste Berichte über Epidemien mit zahlreichen Todesopfern gibt es bereits aus der Zeit von Hippokrates im 5. Jahrhundert vor Christus. Immer noch kostet die Influenza jedes Jahr allein in der Bundesrepublik zwischen 7000 und 15 000 Menschen das Leben (und verursachen der Wirtschaft einen Millionenschaden). Erkrankungsrate und Todesrate übertreffen die von AIDS oder der infektiösen Gelbsucht (Virushepatitiden) bei weitem - auch wenn dies in der Öffentlichkeit nicht so wahrgenommen wird. In "normalen" Wintern infizieren sich allein in Europa, Nordamerika und Japan etwa 100 Millionen Menschen mit Influenza - jeder zehnte Erwachsene und jedes dritte Kind. Die letzte größere Epidemie im Winter 1995/96 kostete in der Bundesrepublik schätzungsweise 30 000 Todesopfer. Solche Epidemien treten etwa alle zwei bis fünf Jahre auf. Pandemien, also weltumfassende Epidemien, entstehen, wenn ein neuer Subtyp des Virus entstanden ist, gegen den es in der Bevölkerung noch keine Immunität gibt. Derartige Pandemien kommen alle 10 bis 40 Jahre vor, dabei werden bis zu 50 % der Bevölkerung infiziert. Im 20. Jahrhundert gab es drei schwere Pandemien: • die "spanische" Grippe im Winter 1918/19, ausgelöst durch den Subtyp A/H1N1, kostete 20 bis 50 Millionen Menschen weltweit das Leben, in Deutschland starben damals etwa 100 000 Infizierte. • die "asiatische" Grippe, ausgelöst vom Subtyp A/H2N2, forderte 1957/58 etwa eine Million Opfer und • an der "Hongkong"-Grippe im Zeitraum 1968/70 starben immerhin noch etwa 800 000 Menschen weltweit. Die häufigsten Komplikationen der Influenza sind: Lungenentzündung, Mittelohrentzündung, Hirnhautentzündung und Herzmuskelentzündung. Diese können jeweils primär oder sekundär auftreten. Zur Wahrscheinlichkeit einer Lungenentzündung bei Influenza-Infektion schwanken die Angaben von 2 bis zu 38 %. Das Influenza-Virus kommt nicht nur beim Menschen vor. Seit über 100 Jahren ist die "Vogelgrippe" bekannt: Alle 15 Unterarten (so genannte H-Subtypen) des Influenza-AVirus infizieren weltweit auch Vögel. Zug- und Wasservögel, vor allem Enten, dienen dem Erreger als Reservoir. Diese Wildvögel erkranken selbst oft nur geringfügig; Hausgeflügel wie Hühner oder Puten sind dagegen anfälliger. Bei ihnen kann es zu Vogelgrippe-Epidemien durch hoch pathogene, dh. sehr aggressive Subtypen des Influenza-Erregers mit bis zu 100%iger Sterblichkeit kommen. Solche Ausbrüche werden auch als "Geflügelpest" bezeichnet. Erst seit 1997 ist gesichert, dass Vogelgrippe-Viren – es handelte sich um Erreger der Subtypen H5, H7 und H9 – auch auf den Menschen übertragbar sind. Dies jedoch nur in seltenen Fällen und bei intensivem Kontakt mit infiziertem Geflügel. Bei den Erregern der "normalen" Influenza A beim Menschen handelt es sich um Viren der Subtypen H1, H2 und H3. Arbeitsmedizin Nord • M. Mönnich • Dr. J. Seiter • Ärzte für Arbeitsmedizin Ihr Betriebsarzt informiert Aktuelle Situation der Vogelgrippe in Asien: Hier handelt es sich um das sehr aggressive Vogel-Influenzavirus vom Typ H5N1. Nach dem Stand vom 04. Oktober 2004 gab es laut WHO in Thailand 16 und in Vietnam 27 Erkrankungsfälle bei Menschen, die – labordiagnostisch bestätigt – auf H5N1 zurückzuführen waren. Von den 43 Erkrankten sind 31 gestorben. Wegen dieser hohen Aggressivität des Erregers auch im Menschen beobachtet die WHO die derzeitige Entwicklung mit Besorgnis. Epidemien sind momentan nicht zu befürchten, da das Vogelvirus anscheinend nicht von Mensch zu Mensch übertragen wird. Dies könnte sich jedoch ändern, wenn es in Individuen, die gleichzeitig von H5N1 und humanen Influenza-Viren (etwa vom derzeit grassierenden Typ H3N2 oder H1N1) infiziert sind, zu einer Neukombination des Genmaterials der beiden Erreger kommt. Dann könnte ein hoch pathogenes Influenzavirus entstehen, das auch leicht von Mensch zu Mensch weitergegeben werden kann. Da gegen einen solchen Erreger keinerlei Immunität in der Bevölkerung bestünde, würde in einem solchen Fall eine weltweite Pandemie mit Millionen von Toten drohen. Der volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Schaden würde kaum abschätzbar sein. Man rechnet mit einem hohen Prozentsatz an personellen Ausfällen durch Tod in den Betrieben. Schutzmassnahmen: Die derzeit verfügbaren Influenza-Impfstoffe zur Prävention der menschlichen Grippe sind zwar nicht gegen Vogelgrippe wirksam, werden von der WHO dennoch empfohlen, um einen gleichzeitigen Befall von humanen und tierischen Influenza-Viren zu verhindern. Noch gibt es keinen spezifischen Impfstoff gegen das in Asien grassierende Vogelgrippevirus. Die Entwicklung einer Vakzine wird dadurch erschwert, da sie nicht – wie bisher üblich – in Hühnerembryonen erfolgen kann, weil der Virustyp H5N1 die Hühnerembryonen tötet. Die Impfstoffentwicklung greift deshalb auf andere, wenig erprobte und nicht allseits akzeptierte Verfahren zurück. Somit besteht das Problem, dass es zu Beginn der Pandemie einen wirksamen Impfstoff gegen den aggressiven Vogelgrippe Virus nicht geben wird. Daher ist, neben der derzeit verfügbaren Grippeimpfung, nur die zusätzliche Prophylaxe mit einem Medikament (Tamiflu), welches auch zur Therapie von Virusinfektionen verwandt wird, möglich. Dieses Medikament muss hierzu über die Zeitdauer der Grippewelle, die in 2 Wellen von je ca 6 Wochen verlaufen wird, in einer Dosierung von 1 Tbl. täglich eingenommen werden (die therapeutische Dosierung, dh. wenn eine Person an der Grippe schon erkrankt ist, ist 2x1 Tbl.). Daher ist für Sie selbst und Ihr Personal hier in Deutschland - speziell aber Ihre Außendienstmitarbeiter im asiatischen Raum - im Falle einer Pandemie neben der „Standardgrippeimpfung“ die zusätzliche prophylaktische Einnahme dieses Medikaments nach derzeitigem Wissensstand die einzige Möglichkeit, sich zu schützen. Die laut Presseberichten georderte Bevorratung der Landesregierung mit Tamiflu reicht im Ernstfall für die Behandlung von 177 000 Erkrankten und ist zunächst Personen zur Aufrechterhaltung der Infrastruktur vorbehalten (Polizei, Ärzte, Politiker, usw.). Nach Aussagen des RKI sowohl für die Prophylaxe als auch für die Behandlung der Bevölkerung zu wenig. Da im Falle einer Pandemie mit Engpässen zu rechnen ist, empfiehlt sich die rechtzeitige Bevorratung mit Tamiflu. Arbeitsmedizin Nord • M. Mönnich • Dr. J. Seiter • Ärzte für Arbeitsmedizin