Wissensbasierte Systeme 6. Aussagenlogik Rationales Denken, Logik, Resolution Michael Beetz Plan-based Robot Control 1 Inhalt 6.1 Motivation 6.2 Die Wumpus-Welt 6.3 Rational denkende Agenten 6.4 Aussagenlogik: Syntax & Semantik 6.5 Logische Folgerbarkeit 6.6 Logische Ableitungen: Resolution Plan-based Robot Control 2 6.1.1 Motivation • bisher: – – – – Agenten mit 1 Ziel Weltzustand zugänglich Aktionen deterministisch ⇒ einfache Suchprogramme ausreichend • Suchprogramme – allgemeine Algorithmen aber: spezielle Problemräume aber: heuristische Schätzfunktion Plan-based Robot Control 3 6.1.2 Motivation (2) • Frage: wie kann man allgemeinere Problemlösungsprogramme realisieren? • Idee: ein Programm das lernt, indem man ihm Fakten über eine Problemklasse und deren Lösung erzählt – Advice Taker (McCarthy) • Wir benötigen eine Sprache zur Repräsentation Plan-based Robot Control 4 6.1.3 Wissensbasierter Ansatz • Um kompetent zu agieren muss ein Agent unter Umständen nachfolgende Arten von Wissen benutzen. Wissen über: – – – – – den aktuellen Weltzustand noch nicht wahrgenommene Eigenschaften der Umgebung die Veränderungen der Umgebung Ziele des Agenten die Effekte der Aktionen in verschiedenen Situationen • Bisherige Suchtechniken werden weiter benutzt – aber in anderen Problemräumen Plan-based Robot Control 5 6.2.0. Die Wumpus-Welt Plan-based Robot Control 6 6.2.1 Die Wumpus-Welt (1) • Ein 4×4 Feld. • Im Kästchen, in dem der Wumpus sich befindet, und in den direkten Nachbarkästchen nimmt man einen üblen Geruch wahr (Stench). • In den Kästchen neben einer Fallgrube (Pit) nimmt man einen Luftzug wahr (Breeze). • Im Kästchen mit dem Gold glitzert es (Glitter). • Wenn der Agent in eine Wand läuft, bekommt er einen Schlag. • Wenn der Wumpus getötet ist, hört man es überall. (Todesschrei) • Wahrnehmungen werden als 5-Tupel dargestellt. Z.B. [Stench, Breeze, Glitter, None, None] bedeutet, dass es stinkt, zieht und glitzert, aber es gab weder einen Schlag noch einen Todesschrei. Der Agent kann seinen Standort nicht wahrnehmen! Plan-based Robot Control 7 6.2.2. Die Wumpus-Welt (2) • Aktionen: gehe vorwärts, 90o nach rechts drehen, 90o nach links drehen, greife ein Objekt im selben Kästchen, schiee (es gibt nur einen Pfeil), verlasse die Höhle (funktioniert nur in Kästchen [1,1]). • Der Agent stirbt, wenn er in eine Fallgrube fällt oder dem lebenden Wumpus begegnet. • Anfangszustand: Agent in [1,1] nach Osten schauend, irgendwo 1 Wumpus, 1 Haufen Gold und 3 Fallgruben. • Ziel: Hole das Gold und verlasse die Höhle. Plan-based Robot Control 8 6.2.3 Die Wumpus-Welt (3): Eine Beispielkonfiguration Plan-based Robot Control 9 6.2.4 Die Wumpus-Welt (4) Plan-based Robot Control 10 • In (a): (Position = [1,1]) Perzept = { ¬Stench, ¬Breeze, ¬Glitter, ¬Bump, ¬Scream } • mögliche Überlegungen: da ¬Stench: Wumpus 6∈ {[1, 2], [2, 1]} da ¬Breeze: Pit 6∈ {[1, 2], [2, 1]} • Schlussfolgerungen: [1,2] ist sicher; [2,1] ist sicher ⇒ Action = forward (nach [1,2]) Plan-based Robot Control 11 6.2.5 Die Wumpus-Welt (5) Plan-based Robot Control 12 • In (b): (Position = [2,1]) Perzept = { ¬Stench, +Breeze, ¬Glitter, ¬Bump, ¬Scream } • mögliche Überlegungen: da ¬Stench: Wumpus 6∈ {[1, 1], [3, 1], [2, 2]} da Breeze: Grube ∈ {[1, 1], [3, 1], [2, 2]} ferner gilt: Grube befindet sich nicht in [1,1] (Agent war dort ohne reinzufallen der einzige sichere Ort ist ⇒ Action = kehre nach [1,1] (turn left, turn left, forward) Plan-based Robot Control 13 6.2.6 Die Wumpus-Welt (6) Plan-based Robot Control 14 • In (c): (Position = [1,2]) Perzept = { +Stench, ¬Breeze, ¬Glitter, ¬Bump, ¬Scream } • mögliche Überlegungen: da Stench: Wumpus ∈ {[1, 1], [1, 3], [2, 2]} da ¬Breeze: Grube ∈ {[1, 1], [1, 3], [2, 2]} – Wumpus ist nicht an der Stelle [1,1] (Agent war dort) – Wumpus ist nicht an der Stelle [2,2] (sonst Gestank in [2,1]) ⇒ Wumpus muss in [1,3] sein! • die einzige nicht explorierte benachbarte Zelle, die sicher ist, ist [2,2] ⇒ Action = gehe nach [2,2] (turn right, forward) Plan-based Robot Control 15 6.2.7 Die Wumpus-Welt: andere Schlussfolgerungsmuster Luftzug in [1,2] und [2,1] ⇒ keine sichere Aktion Annahme: Gruben sind uniform verteilt Grube ist wahrscheinlich in [2,2] Gestank in [1,1] ⇒ Agent kann sich nicht fortbewegen Planung: schiesse geradeaus Falls der Wumpus dort ist ⇒ stirbt er ⇒ sicher Falls der Wumpus nicht dort ist ⇒ sicher Plan-based Robot Control 16 6.3.1 Kandidaten für die Repräsentation von Wissen Plan-based Robot Control 17 6.3.2 Warum nicht ... LISP? • prozedurale, implizite Kodierung • einseitige Benutzung natürliche Sprache? • Ausdrucksstärke • Mehrdeutigkeit • Kontextabhängigkeit Plan-based Robot Control 18 6.3.3 “Wissensrepräsentationshypothese” Any mechanically embodied intelligent process will be comprised of structural ingredients that • we as external observers naturally take to represent a propositional account of the knowledge the overall process exhibits, and • independent of such external semantical attribution, play a formal and essential role in determining the behavior that manifests that knowledge. Plan-based Robot Control 19 6.3.4 Komponenten der Agentenfunktion eines wissensbasierten Agenten Plan-based Robot Control 20 6.3.5 Rational denkende Agenten • Bisher lag das Schwergewicht auf rational handelnden Agenten. • Oft setzt rationales Handeln aber rationales (logisches) Denken durch den Agenten selbst voraus. • Dazu müssen Teile der Welt symbolisch in einer Wissensbasis (knowledge base oder KB) repräsentiert sein: – KB enthält Sätze in einer Sprache mit einer Wahrheitstheorie (Logik), d.h. wir (als Auenstehende) können Sätze als Aussagen über die Welt interpretieren. (Semantik) – Die Sätze haben allein durch ihre Form einen kausalen Einfluss auf das Verhalten des Agenten in einer Weise, die in Korrelation zum Inhalt der Sätze steht. (Syntax) • Interaktion mit der KB durch ASK und TELL (vereinfacht): ASK(KB,α) = JA gdw. α folgt aus der KB TELL(KB,α) = KB’, so dass α aus KB’ folgt. FORGET(KB,α) = KB’, nicht monoton (wird nicht behandelt) Plan-based Robot Control 21 6.3.6 3 Ebenen Im Kontext der Wissensrepräsentation unterscheidet man 3 Ebenen [Newell 1990]: Wissensebene: abstrakteste Ebene; umfasst das gesamte Wissen, dass in der KB steckt; z.B. automatische DB-Auskunft wei, dass die eine Fahrt Ulm-Freiburg DM 88,– kostet. Symbolische Ebene: Kodierung des Wissens in einer formalen Sprache: Preis(Ulm, Freiburg, 88.00) Implementierungsebene: Die interne Darstellung der Sätze, z.B.: • als String Preis(Ulm,Freiburg,88.00)“ ” • als Wert in einer Matrix. Wenn ASK und TELL korrekt funktionieren, reicht es, sich auf der Wissensebene zu bewegen. Vorteil: sehr komfortable Benutzerschnittstelle. Benutzer hat selbst mentales Weltmodell (Aussage über die Welt) und teilt dies einfach dem Agenten mit (TELL). Plan-based Robot Control 22 6.3.7 Ein wissensbasierter Agent Ein wissensbasierter Agent benutzt seine Wissensbasis um • • • • sein Hintergrundwissen zu repräsentieren seine Beobachtungen zu speichern und seine durchgeführten Aktionen zu speichern . . . um daraus Handlungen abzuleiten Plan-based Robot Control 23 6.3.8 Formeln und Fakten Eine Logik ermöglicht die Axiomatisierung von Domänwissen und das Schlussfolgern auf der Basis dieses Wissens. Plan-based Robot Control 24 6.3.9 Was ist eine Logik? Logik = Syntax + Semantik + Kalkül Syntax = wie man Information kodiert • • • • on(a,b) on(a,b) ∨ on(c,b) ∀x,y,z. on(x,y) ∧ on(y,z) → on(x,z) ∀n. ∃m. natural(n) → natural(m) ∧ >(m,n) Semantik = Was die Ausdrücke bedeuten Kalkül = Wie man mit den Ausdrücken rechnet Plan-based Robot Control 25 6.3.10 Was ist eine Logik? (2) • eine formale Sprache – Syntax – Semantik – Ausdrucksstärke • Schlussfolgerungsprobleme (z.B. logische Folgerung) – Entscheidbarkeit – Berechnungskomplexität • Inferenzprozedur – Korrektheit und Vollständigkeit – Komplexität des Verfahrens Plan-based Robot Control 26 6.3.11 Warum Logik? 1. KI als Ingenieurs- und wissenschaftliche Disziplin. Andere Disziplinen benutzen mathematische Apparate um ihre wissenschaftlichen Grundlagen zu beschreiben. Hat die KI mathematische Grundlagen? 2. Genesereth, Nilsson: Fortschritt in Ingenieurs- und wissenschaftlichen Disziplinen erfordert einen geeigneten mathematischen Apparates mit dem man gute Ideen ausdrücken und vereinheitlichen kann. 3. Wir wollen KI Programme in einer mathematischen Sprache (physikalische Systeme: Differentialgleichungen) formalisieren. 4. Dann können wir Eigenschaften von KI Programmen wie ihre Korrektheit und ihre Vollständigkeit, etc., beweisen. Logik = mathematischer Apparat der KI Plan-based Robot Control 27 6.3.12 Meinungen PRO There is no convincing sense of “works” without an independent account of what the system should be doing. (Brachman) PRO Anyone who attempts to develop theoretical apparatus relevant to systems that use and manipulate declaratively represented knowledge, and does so without taking into account the prior theoretical results of logicians on these topics, risks (at best) having to repeat some of the work done by the brightest minds of the twentieth century an (at worse) getting it wrong. (Genesereth, Nilsson) CONTRA To summarize: The logistic project of expressing “naive physics” in first-order logic has not been successful. One reason may be that the basic argument was flawed. You cannot write down axioms independent of a program for manipulating them if the inferences you are interested in are not deductions. Unfortunately, very few interesting inferences are deductions. (McDermott) Plan-based Robot Control 28 6.3.13 Perspektive des Problemlösens mit Logik (McDermott) 1. AI programs or systems must be based on a substantial body of knowledge. 2. We can and should express that knowledge before we write the programs themselves. This will often involve making what is implicit explicit. Furthermore, the knowledge should guide the writing of the programs. 3. We should choose one or another formal logical language for expressing the knowledge. advantage: meaning of the sentences. 4. The knowledge must be represented somehow in the program. 5. The right way to do this is to conceive the datastructures of the system as formulae of a logical language, aand to conceive the basic algorithm as a realization of a provably sound deductive apparatus. Plan-based Robot Control 29 6.4.1 Deklarative Sprachen Bevor man ein System konstruiert, das lernen, denken, planen, erklären, . . . kann, muss man in der Lage, sein Wissen auszudrücken. Wir brauchen eine präzise, deklarative Sprache. • deklarativ: System glaubt P gdw. es P für wahr hält (man kann P nicht glauben ohne eine Vorstellung, was es bedeutet, dass die Welt P erfüllt). • präzise: Wir müssen wissen, – welche Zeichenketten als Sätze gelten, – was es bedeutet, dass ein Satz wahr ist und – wann ein Satz aus anderen Sätzen folgt. Eine Möglichkeit: Aussagenlogik Plan-based Robot Control 30 6.4.2 Grundideen der Aussagenlogik Aussagen: Die Grundbausteine der Aussagenlogik sind nicht weiter zerlegbare, atomare Aussagen (atomare Propositionen), wie z.B. • Der Block ist rot“ ” • Der Wumpus ist in [1,3]“ ” und logische Konnektoren und“, oder“, nicht“, mit denen wir Formeln aufbauen können. ” ” ” Uns interessiert: • Wann ist eine Aussage wahr? • Wann folgt eine Aussage aus einer Wissensbasis KB , symbolisch: KB |= ϕ ? • Können wir einen (syntaktischen) Ableitungsbegriff, symbolisch KB ` ϕ , so definieren, dass er mit dem Folgerungsbegriff übereinstimmt? ; Bedeutung und Implementierung von ASK Plan-based Robot Control 31 6.4.3 Syntax der Aussagenlogik Abzählbares Alphabet Σ von atomaren Aussagen: P, Q, R, . . .. Aussagenlogische Formeln: ϕ, ψ −→ | | | | | | | P ⊥ > ¬ϕ ϕ∧ψ ϕ∨ψ ϕ⇒ψ ϕ⇔ψ atomare Formel Falschheit Wahrheit Negation Konjunktion Disjunktion Implikation Äquivalenz Operatorpräzedens: ¬ > ∧ > ∨ >⇒=⇔. (Ggf. muss geklammert werden. ) Atom: atomare Formel Literal: (u.U. negierte) atomare Formel Klausel: Disjunktion von Literalen Plan-based Robot Control 32 6.4.4 Semantik: Intuition Atomare Aussagen können wahr (T oder true) oder falsch (F oder false) sein. Der Wahrheitswert von Formeln ergibt sich aus den Wahrheitswerten der Atome (Wahrheitsbelegung oder Interpretation). Beispiel: (P ∨ Q) ∧ R • Wenn P und Q falsch sind und R wahr ist, ist die Formel nicht wahr. • Wenn dagegen P und R wahr sind (Q egal), ist die Formel wahr. Plan-based Robot Control 33 6.4.5 Semantik – formal Eine Wahrheitsbelegung der Atome in Σ oder Interpretation über Σ ist eine Funktion I : I : Σ ⇒ {T, F}. Interpretation I(ϕ) bzw. ϕI einer Formel ϕ: I |= > I 6|= ⊥ I I |= P gdw. P I |= ¬ϕ gdw. I 6|= ϕ I |= ϕ ∧ ψ gdw. I |= ϕ und I |= ψ I |= ϕ ∨ ψ gdw. I |= ϕ oder I |= ψ I |= ϕ ⇒ ψ gdw. wenn I |= ϕ, dann I |= ψ I |= ϕ ⇔ ψ gdw. I |= ϕ, genau dann, wenn I |= ψ =T I erfüllt ϕ (I |= ϕ) oder ϕ ist wahr unter I , falls I(ϕ) = T. Plan-based Robot Control 34 6.4.6 Beispiel P Q R I: S 7−→ 7−→ 7−→ 7−→ .. T F F T ϕ = ((P ∨ Q) ⇔ (R ∨ S)) ∧ (¬(P ∧ Q) ∨ (R ∧ ¬S)). Frage: I |= ϕ? Plan-based Robot Control 35 6.4.7 Terminologie Eine Interpretation I heit Modell von ϕ, falls I |= ϕ Eine Interpretation ist Modell einer Menge von Formeln, falls sie alle Formeln der Menge erfüllt. Eine Formel ϕ heit • erfüllbar, wenn es I gibt, die ϕ erfüllt, • unerfüllbar, wenn ϕ nicht erfüllbar ist, • falsifizierbar, wenn es I gibt, die ϕ nicht erfüllt, und • allgemeingültig (Tautologie), wenn für alle I gilt, dass I |= ϕ. Zwei Formeln heien • logisch äquivalent (ϕ ≡ ψ), wenn für alle I gilt, dass I |= ϕ gdw. I |= ψ. Plan-based Robot Control 36 6.4.7 Die Wahrheitstabellenmethode entscheiden wir, ob eine Formel erfüllbar, allgemeingültig usw. ist? ; Wahrheitstabelle aufstellen Beispiel: Ist ϕ = ((P ∨ H) ∧ ¬H) ⇒ P allgemeingültig? P F F T T H F T F T P ∨H F T T T (P ∨ H) ∧ ¬H F F T F ((P ∨ H) ∧ ¬H) ⇒ P T T T T Da die Formel unter allen möglichen Wahrheitsbelegungen wahr ist (von allen Interpretationen erfüllt wird), ist ϕ allgemeingültig. Erfüllbarkeit, Falsifizierbarkeit, Unerfüllbarkeit entsprechend. Plan-based Robot Control 37 6.4.8 Normalformen Eine Formel ist in konjunktiver Normalform (KNF), wenn die Formel aus einer Konjunktion von Disjunktionen von Literalen li,j besteht, d.h. wenn sie die folgende Gestalt hat: mi n _ ^ ( li,j ). i=1 j=1 Eine Formel ist in disjunktiver Normalform (DNF), wenn die Formel eine Disjunktion von Konjunktionen von Literalen ist: mi n ^ _ ( li,j ). i=1 j=1 Zu jeder Formel existiert mindestens eine äquivalente Formel in KNF und eine in DNF. Eine Formel in DNF ist erfüllbar gdw. ein Disjunkt erfüllbar ist. Eine Formel in KNF ist allgemeingültig gdw. wenn jedes Konjunkt allgemeingültig ist. Plan-based Robot Control 38 6.4.9 Erzeugen der KNF 1. 2. 3. 4. Eliminiere ⇒ und ⇔: Schiebe ¬ nach innen: Verteile: ∨ über ∧ Vereinfache: α ⇒ β ; (¬α ∨ β) usw. ¬(α ∧ β) ; (¬α ∨ ¬β) usw. ((α ∧ β) ∨ γ) ; ((α ∨ γ) ∧ (β ∨ γ)) (α ∨ α) ; α usw. Ergebnis ist eine Konjunktion von Disjunktionen von Literalen • Ein analoges Verfahren überführt eine beliebige Formel in eine äquivalente Formel in DNF. • Formeln können bei der Transformation exponentiell aufgebläht werden. Plan-based Robot Control 39 6.5.1 Folgerbarkeit: Intuition Eine Menge von Formeln (eine KB) beschreibt die Welt u.U. nur unvollständig, d.h. lässt die Wahrheitswerte einiger Aussagen offen. Beispiel: KB = {P ∨ Q, R ∨ ¬P, S} Ist definitiv bzgl. S, lässt aber P, Q, R offen (allerdings nicht beliebig). Modelle von KB: P F F T T Q T T F T R F T T T S T T T T In allen Modellen von KB ist Q ∨ R wahr, d.h. Q ∨ R folgt logisch aus KB. Plan-based Robot Control 40 6.5.2 Logische Folgerbarkeit – formal Die Formel ϕ folgt aus KB, wenn ϕ in in allen Modellen von KB wahr ist (symbolisch KB |= ϕ): KB |= ϕ gdw. I |= ϕ für alle Modelle I von KB Beachte: Auch hier ist |= wieder ein Metasymbol; diesmal werden andere Objekte in Beziehung zueinander gesetzt! Einige Eigenschaften der Folgerungsbeziehung: • Deduktionssatz: KB ∪ {ϕ} |= ψ gdw. KB |= ϕ ⇒ ψ • Kontrapositionssatz: KB ∪ {ϕ} |= ¬ψ gdw. KB ∪ {ψ} |= ¬ϕ • Widerspruchssatz: KB ∪ {ϕ} ist unerfüllbar gdw. KB |= ¬ϕ Frage: Können wir KB |= ϕ entscheiden, ohne alle Interpretationen betrachten zu müssen (die Wahrheitstabellenmethode)? Plan-based Robot Control 41 6.5.3 Beweis des Deduktionssatzes ⇒“ Annahme: KB ∪ {ϕ} |= ψ, d.h. jedes Modell von KB ∪ {ϕ} ist auch Modell von ψ. ” Sei I ein beliebiges Modell von KB. Ist I auch Modell von ϕ dann folgt daraus, dass I auch Modell von ψ. Damit ist aber auch I ein Modell von ϕ ⇒ ψ, d.h. KB |= ϕ ⇒ ψ. ⇐“ Annahme KB |= ϕ ⇒ ψ. Sei I ein beliebiges Modell von KB, welches auch Modell ” von ϕ, d.h. I |= KB ∪ {ϕ} . Aufgrund der Annahme ist I auch Modell von ϕ ⇒ ψ und damit auch von ψ, d.h. KB ∪ {ϕ} |= ψ. Plan-based Robot Control 42 6.5.4 Beweis des Kontrapositionssatzes KB ∪ {ϕ} |= ¬ψ ⇔ KB |= ϕ ⇒ ¬ψ ⇔ KB |= (¬ϕ ∨ ¬ψ) ⇔ KB |= (¬ψ ∨ ¬ϕ) ⇔ KB |= ψ ⇒ ¬ϕ ⇔ KB ∪ {ψ} |= ¬ϕ (1) (2) Hinweis: (1) und (2) sind jeweils Anwendungen des Deduktionssatzes. Plan-based Robot Control 43 6.5.5 Inferenzregeln, Kalküle und Beweise Oft können wir aus Formeln in der KB wei tere Formeln erzeugen (oder ableiten), die auf Grund der syntaktischen Struktur der KB-Formeln logisch folgen müssen. Beispiel: Falls KB = {. . . , (ϕ ⇒ ψ), . . . , ϕ, . . .}, dann gilt immer KB |= ψ. ; Inferenzregeln, z.B. ϕ,ϕ⇒ψ ψ Kalkül: Menge von Inferenzregeln (und u.U. sogenannten logischen Axiomen) Beweisschritt: Anwendung einer Inferenzregel auf eine Menge von Formeln. Beweis: Sequenz von Beweisschritten, wobei die jeweils neu abgeleiteten Formeln hinzugenommen werden und im letzten Schritt die Zielformel erzeugt wird. Plan-based Robot Control 44 6.5.6 Korrektheit und Vollständigkeit Falls es im Kalkül C einen Beweis für eine Formel ϕ ∈ KB gibt, schreiben wir KB `C ϕ (u.U. ohne Subskript C). Ein Kalkül C heit korrekt, wenn alle aus einer KB ableitbaren Formeln auch tatsächlich logisch folgen: KB `C ϕ impliziert KB |= ϕ. Folgt normalerweise aus der Korrektheit der Inferenzregeln und der logischen Axiome. Ein Kalkül heit vollständig, falls jede Formel, die logisch aus KB folgt, auch aus KB ableitbar ist: KB |= ϕ impliziert KB `C ϕ. Plan-based Robot Control 45 6.6.0 Inferenzregeln • Modus Ponens: α → β, α β • Konjunktionseliminierung: α1 ∧ α2 ∧ ... ∧ αn αi • Konjunktionseinführung: α1, α2, ..., αn α1 ∧ α2 ∧ ... ∧ αn • Disjunktionseinführung: αi α1 ∨ α2 ∨ ... ∨ αn • Unit Resolution: α ∨ β, ¬α β • Resolution: α ∨ β, ¬β ∨ γ α∨γ Plan-based Robot Control 46 6.6.1 Resolution: Idee Wir wollen jetzt ein Ableitungsverfahren studieren, das nicht darauf beruht, dass man alle Interpretationen durchprobiert. Idee: Man versucht zu zeigen, dass eine Formelmenge unerfüllbar ist. Allerdings: Es wird vorausgesetzt, dass alle Formeln in KNF vorliegen. Aber: In den meisten Fällen sind die Formeln nahe an KNF (und es ex. eine schnelle erfüllbarkeitserhaltende Transformation) Nichtsdestotrotz: Auch dieses Ableitungsverfahren benötigt im schlechtesten Fall exponentiell viel Zeit (das lässt sich aber vermutlich nicht vermeiden). Plan-based Robot Control 47 6.6.2 Resolution: Repräsentation Annahme: Alle Formeln in der Formelmenge KB liegen in KNF vor. Äquivalent können wir annehmen, dass KB eine Menge von Klauseln ist. Wegen der Kommutativität, Assoziativität und Idempotenz von ∨ können wir Klauseln auch als Mengen von Literalen auffassen. Die leere Menge von Literalen wird als 2 geschrieben. Menge von Klauseln: Menge von Literalen: Literale: Negation des Literals: ∆ C, D l l. Eine Interpretation I erfüllt C gdw. es ein l ∈ C gibt, so dass I |= l. I erfüllt ∆ falls für alle C ∈ ∆ : I |= C. D.h. I 6|= 2, I 6|= {2}, I |= { }, für alle I. Plan-based Robot Control 48 6.6.3 Die Resolutionsregel C1 ∪ {l}, C2 ∪ {l} C1 ∪ C2 C1 ∪ C2 wird Resolvente der Elternklauseln C1 ∪ {l} und C2 ∪ {l} genannt. l und l sind die Resolutionsliterale. Beispiel: {a, b, ¬c} resolviert mit {a, d, c} zu {a, b, d}. Beachte: Die Resolvente ist nicht äquivalent mit den Elternklauseln, folgt aber aus diesen! Notation: R(∆) = ∆ ∪ {C | C ist Resolvente zweier Klauseln aus ∆} Plan-based Robot Control 49 Ableitungen Wir sagen D kann aus ∆ mit Hilfe von Resolution abgeleitet werden, d.h. ∆ ` D, wenn es C1, C2, . . . , Cn = D gibt, so dass Ci ∈ R(∆ ∪ {C1, . . . , Ci−1}), für 1 ≤ i ≤ n. Lemma (Korrektheit) Wenn ∆ ` D, dann ∆ |= D. Beweisskizze: Da alle D ∈ R(∆) aus ∆ logisch folgen, ergibt sich das Lemma durch Induktion über die Länge der Ableitung. Plan-based Robot Control 50 6.6.4 Vollständigkeit? Ist Resolution auch vollständig? D.h. gilt ∆ |= ϕ impliziert ∆ ` ϕ? Höchstens für Klauseln. Aber: ( ) {a, b}, {¬b, c} |= {a, b, c} 6` {a, b, c} Aber man kann zeigen, dass Resolution widerlegungsvollständig ist: ∆ unerfüllbar impliziert ∆ ` 2. Satz ∆ ist unerfüllbar gdw. ∆ ` 2. D.h. wir können mit Hilfe des Widerspruchtheorems zeigen, dass KB |= ϕ. Plan-based Robot Control 51 6.6.5 Resolution: Ausblick Resolution ist ein vollständiges Beweisverfahren. Es gibt noch andere (Davis-Putnam Prozedur, Tableaux-Verfahren, . . . ). Für eine Implementation des Verfahrens muss man noch eine Strategie festlegen, die angibt, wann welche Resolutionsschritte ausgeführt werden. Im schlechtesten Fall kann ein Resolutionsbeweis exponentielle Länge haben. Allerdings gilt dies höchstwahrscheinlich auch für alle anderen Beweisverfahren. Für KNF-Formeln in propositionaler Logik ist die Davis-Putnam Prozedur (Backtracking über alle Wahrheitsbelegungen) das in der Praxis schnellste“ vollständige Verfahren, das ” auch als eine Art von Resolutionsverfahren aufgefasst werden kann. Plan-based Robot Control 52 6.6.6 Wo ist der Wumpus: Die Situation Plan-based Robot Control 53 6.6.7 Wo ist der Wumpus: Wissen über die Situation B = Breeze, S = Stench, Bi,j = es zieht im Kästchen (i, j) ¬S1,1 ¬B1,1 ¬S2,1 B2,1 S1,2 ¬B1,2 Invariantes Wissen über Wumpus und Geruch: R1 : ¬S1,1 ⇒ ¬W1,1 ∧ ¬W1,2 ∧ ¬W2,1 R2 : ¬S2,1 ⇒ ¬W1,1 ∧ ¬W2,1 ∧ ¬W2,2 ∧ ¬W3,1 R3 : ¬S1,2 ⇒ ¬W1,1 ∧ ¬W1,2 ∧ ¬W2,2 ∧ ¬W1,3 R4 : ... S1,2 ⇒ W1,3 ∨ W1,2 ∨ W2,2 ∨ W1,1 Zu zeigen: KB |= W1,3 Plan-based Robot Control 54 6.6.8 Klauseldarstellung der Wumpus-Welt Situationswissen: ¬S1,1, ¬S2,1, S1,2, . . . Regelwissen: R1 : S1,1 ∨ ¬W1,1, S1,1 ∨ ¬W1,2, S1,1 ∨ ¬W2,1 R2 : . . . , S2,1 ∨ ¬W2,2,. . . R3 : . . . R4 : ... ¬S1,2 ∨ W1,3 ∨ W1,2 ∨ W2,2 ∨ W1,1 Negierte Zielformel: ¬W1,3 Plan-based Robot Control 55 6.6.9 Resolutionsbeweis für die Wumpus-Welt Resolution: ¬W1,3, S1,2, ¬S1,1, ; ; ; ¬W1,1, ; .. .. ¬W2,2, ; Plan-based Robot Control ¬S1,2 ∨ W1,3 ∨ W1,2 ∨ W2,2 ∨ W1,1 ¬S1,2 ∨ W1,2 ∨ W2,2 ∨ W1,1 ¬S1,2 ∨ W1,2 ∨ W2,2 ∨ W1,1 W1,2 ∨ W2,2 ∨ W1,1 S1,1 ∨ ¬W1,1 ¬W1,1 W1,2 ∨ W2,2 ∨ W1,1 W1,2 ∨ W2,2 .. W2,2 2 56 6.6.10 Von Wissen zu Aktionen Wir können jetzt neue Fakten inferieren, aber wie setzen wir das Wissen in Aktionen um? Negative Selektion: Schliee alle beweisbar gefährlichen Aktionen aus A1,1 ∧ EastA ∧ W2,1 ⇒ ¬F orward Positive Selektion: Schlage nur Aktionen vor, die beweisbar sicher sind A1,1 ∧ EastA ∧ ¬W2,1 ⇒ F orward Unterschiede? Aus den Vorschlägen muss der Agent sich dann noch eine Aktion aussuchen“ ” Plan-based Robot Control 57 6.7.1 Probleme mit der Aussagenlogik Obwohl Aussagenlogik für die Darstellung der WUMPUS-Welt ausreichend ist, ist sie doch ziemlich umständlich. 1. Regeln müssen für jedes einzelne Feld aufgestellt werden R1 : R2 : R3 : ... ¬S1,1 ⇒ ¬W1,1 ∧ ¬W1,2 ∧ ¬W2,1 ¬S2,1 ⇒ ¬W1,1 ∧ ¬W2,1 ∧ ¬W2,2 ∧ ¬W3,1 ¬S1,2 ⇒ ¬W1,1 ∧ ¬W1,2 ∧ ¬W2,2 ∧ ¬W1,3 ... 2. Tatsächlich müssten wir ja eigentlich alle atomaren Aussagen mit einem Zeitindex versehen, der die Gültigkeit der Aussage in der Zeit beschreibt ; weitere Aufblähung der Regeln. ; mächtigere Logik, in der wir Objektvariablen benutzen können ; Prädikatenlogik 1. Stufe (first-order predicate logic) Plan-based Robot Control 58 6.7.2 Zusammenfassung • Rationale Agenten benötigen Wissen über ihre Welt, um rationale Entscheidungen zu treffen. • Dieses Wissen wird mit Hilfe einer deklarativen (Wissensrepräsentations-) Sprache dargestellt und in einer Wissensbasis gespeichert. • Wir benutzen dafür (zunächst) Aussagenlogik. • Aussagenlogische Formeln können allgemeingültig, erfüllbar oder unerfüllbar sein. • Wichtig ist der Begriff der logischen Folgerbarkeit. • Folgerbarkeit kann durch einen Kalkül mechanisiert werden kann ; Resolution. • Aussagenlogik wird selbst für kleine Weltausschnitte sehr schnell unhandlich. Plan-based Robot Control 59