Kunstherz und Herzunterstützungssysteme

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HINTERGRUNDINFORMATION
Kunstherz und Herzunterstützungssysteme: Was ist das?
Wenn die Pumpleistung des Herzens durch pharmakologische Unterstützung oder durch
Rhythmus-Verbesserung mit einem Schrittmacher nicht mehr ausreichend gestärkt werden
kann, verbleibt als letzte Möglichkeit die Unterstützung oder der Ersatz mit mechanischen
Pumpen und eine Transplantation.
Da das Herz aus zwei Kammern besteht (Die linke pumpt den großen Körperkreislauf bei
hohem Druck, die rechte den Lungenkreislauf bei niedrigem Druck), wären zur vollständigen
Unterstützung zwei Pumpen notwendig. Da aber die rechte Kammer nur gegen einen niedrigen
Druck pumpt, kann man die Restfunktion des Herzens oft dahingehend ausnützen, nur die
Funktion der linken Kammer zu ersetzen.
Bei einem Totalherzersatz wird das Herz entnommen und statt dessen eine Doppelpumpe
eingebaut. Dies erschien in der Frühzeit der Blutpumpen als einzig gangbarer Weg bei einem
schwer geschädigten Herzen, hat sich aber in den meisten Fällen als unnötig großer Eingriff
herausgestellt.
Deshalb wird heute meist mit Unterstützungspumpen gearbeitet, die die Herzkammern wie
Turbolader entlasten und den Aufbau des Blutdrucks übernehmen. Wird nur die linke Kammer
unterstützt, spricht man von einem Linksherzunterstützungssystem, bei zwei Pumpen von
einem biventrikulären Unterstützungssystem.
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Welche Pumpen gibt es?
Früher waren die Blutpumpen als Membranpumpen dem natürlichen Herzen nachempfunden,
mit einer pulsierenden Membran und mit Einstrom- und Ausstromklappen. Damit glaubte man
das Blut möglichst schonend pumpen zu können, um Blutzerstörung und die Bildung von
Gerinnseln zu vermeiden.
Intensive Forschungen zur Biokompatibilität und den technischen Eigenschaften von Pumpen
machten es möglich, Rotationspumpen zu entwickeln, die trotz enorm hoher
Umdrehungszahlen (je nach Typ bis 30000 Umdrehungen pro Minute) das Blut schonend
pumpen können. Dabei gibt es Zentrifugalpumpen, bei denen das Blut durch Zentrifugalkräfte
bewegt wird, und Axialpumpen, die ähnlich wie Turbinen aufgebaut sind. Bei diesen Pumpen
gibt es nur ein bewegtes Teil, das bei den neuesten Pumpen im Blut schwimmt. Damit werden
Gerinnsel fast vollständig vermieden.
Die Energieversorgung erfolgt über eine Leitung durch die Bauchwand, von einem
Ansteuergerät mit Akkumulatoren. Die dazu notwendige Tasche ist sehr unauffällig: Mit einer
Größe wie bei einem mittleren Photoapparat kann man zwischen 6 und 10 Stunden unterwegs
sein, bevor die Akkumulatoren getauscht werden müssen. In der Nacht schließt man sich an
einer stationären Versorgung an.
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Wer profitiert von einem Kunstherz:
Patienten, bei denen Pharmaka und eventuell auch besondere Schrittmacher keine
ausreichende Pumpleistung des Herzens mehr bewirken und die dadurch in ihrem Alltag
äußerst eingeschränkt sind (NYHA-Classification 3- und 4).
Dazu gehören Patienten nach schweren Herzinfarkten und Patienten mit Herzmuskelschwäche,
die aus verschiedenen Ursachen (u.a. Autoimmunerkrankungen, Herzmuskelentzündung,
Nebenwirkung bei onkologischen Therapien) entstehen kann. Allerdings dürfen die anderen
Organe (zum Beispiel Leber, Nieren) noch nicht bleibend von der schlechten Durchblutung
geschädigt sein.
Was ist heute möglich: Lebenserwartung, Lebensqualität
Die Lebenserwartung mit Kunstherz hat sich in den letzten 10 Jahren massiv verbessert:
Heute überleben in guten Zentren mehr als 80% der vorher todgeweihten Patienten mehr als 2
Jahre, bei uns liegt diese Zahl heute bei 85%!
Anders als bei den früher verwendeten Membranpumpen gibt es von der Pumpe her so gut wie
keine technische Begrenzung der Lebensdauer.
Die meisten Patienten merken bereits in den ersten Tagen nach der Implantation eine deutliche
Verbesserung der Kreislaufsituation, nach einem Rehabilitationsaufenthalt können sie
üblicherweise den Alltag problemlos bewältigen, leichten Sport ausüben und machmal sogar
wieder ihrem Beruf nachgehen. Im Alltag sind die Patienten meist nicht als solche zu erkennen.
Zur Vermeidung von Blutgerinnseln müssen unsere Patienten (so wie Patienten mit künstlichen
Herzklappen) blutverdünnende Mittel einnehmen.
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Meilensteine der Wiener Forschung und klinischen Anwendung
1968
Prof. Navratil baut eine interdisziplinäre Forschungsgruppe auf, erste Arbeiten zur
mechanischen Herzunterstützung mit einem pulsatilen Ballon in der Hauptschlagader
1974
Erster Langzeiteinsatz von Blutpumpen als Bypass am Kalb mit Namen "Esmeralda".
( Wolner, Thoma, Losert, Fasching)
1977
Entwicklung eines Total-Herz-Ersatzes
1982
Weltweit erster Einsatz eines Total-Herz-Ersatzes in Salt Lake City)
1984
Erste Herztransplantation in Wien
1986 Erster Totalherzersatz als Überbrückung zu einer Transplantation, erste erfolgreiche
Überbrückung in Europa
1988 Gemeinsam mit der TU Athen weltweit erste Computersimulation der Blutzerstörung in
Rotationsblutpumpen
1993
Entlassung von Patienten mit elektromagnetischen Systemen nach Hause
1997 Gemeinsam mit dem Baylor-College in Houston weltlängster Einsatz von
Rotationsblutpumpen im Experiment
1998
Gemeinsam mit Berlin weltweit erste klinische Einsätze von Rotationsblutpumpen
1999
Weltweit erste Entlassung eines Patienten mit Rotationsblutpumpe nach Hause
2003 Weltweit erste klinische Studie zur physiologisch angepassten Regelung von
Rotationsblutpumpen
2006 Weltweit erster Einsatz einer Rotationsblutpumpe mit hydromagnetischer
berührungsloser Lagerung (Heartware HVAD)
2009 Nichtinvasive kontinuierliche Beobachtung der Wechselwirkung zwischen Herz und
Blutpumpe
2010 Langzeit-Evaluierung einer daumengroßen hydromaggnetisch gelagerten Blutpumpe für
minimal-invasive Implantation mit Wiener Kanülenentwicklung
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Wiener Forschungsschwerpunkte heute:
Implantation unter maximaler Schonung der Restherzfunktion: Durch besondere Strategien
bei der Implantation und in der ersten postoperativen Phase wird eine maximal schonende
Adaptierung des Herzens, insbesondere der rechten Seite, an die neue Situation
vorgenommen. Damit ist es möglich, in praktisch allen Fällen nur mit einer Pumpe zur
Unterstützung der linken Seite, also des Körperkreislaufes auszukommen, und so dem
Patienten große Systeme zu ersparen.
Miniaturisierung der Systeme: Eine Kunstherz-Implantation stellt heute noch einen sehr
großen Eingriff dar. Gemeinsam mit Firmen wird an einer nächsten Generation von Systemen
gearbeitet, die mit wesentlich kleineren chirurgischen Eingriffen eingebaut werden können. Die
Wiener Gruppe beschäftigt sich dabei insbesondere mit der Entwicklung von Kanülen, die das
Blut aus dem Herzen aufnehmen und keine Blutgerinnsel verursachen dürfen.
Automatische Regelung mit Anpassung an den physiologischen Bedarf: Heute werden die
Pumpen auf eine konstante Drehzahl eingestellt, die einen Kompromiß zwischen der
Unterstützung in Ruhe und bei körperlicher Tätigkeit darstellt. Die Anpassung wird dabei durch
die Restfunktion des Herzens übernommen. Um eine noch bessere Adaptierung insbesondere
auch an erhöhte körperliche Aktivität zu erreichen, werden Methoden zur automatischen
Regelung der Drehzahl entwickelt. Die Wiener Gruppe hat dazu die weltweit erste klinische
Studie erfolgreich durchgeführt.
Kontinuierliche Überwachung und Optimierung der verbleibenden Herzfunktion: Um die
Versorgung des Patienten über viele Jahre sicherzustellen, ist es wichtig, die verbleibende
Funktion insbesondere der rechten Herzkammer sicherzustellen. Dazu werden die von der
Pumpe erhaltenen Daten ausgewertet, die wichtige Informationen über die Wechselwirkung
zwischen Implantat und Organismus enthalten.
Anwenderfreundlichkeit: - Sicherheit und Alltags-Tauglichkeit: Gerade bei
lebenserhaltenden Systemen ist die Klarheit und Selbstverständlichkeit der Bedienbarkeit von
wesentlichster Bedeutung. Fehlbedienungen oder Irrtümer könnten zu lebensbedrohenden
Zuständen führen. Eine Pumpe sollte so selbstverständlich zu bedienen sein wie ein guter
Photoapparat. Die Wiener Gruppe ist daher seit zehn Jahren besonders um diese Fragen
bemüht, hat Informationsmaterial und Übungssysteme entwickelt. Derzeit leiten wir eine
europaweite Multi-Center-Studie, die weitere Verbesserungen in der Gestaltung der
Komponenten und des Trainings bringen soll.
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Der Boltzmann-Cluster für Kardiovaskuläre Forschung
Der Ludwig Boltzmann Cluster (LBC) für kardiovaskuläre Forschung entstand 2006 im Zuge der
Restrukturierung der Ludwig Boltzmann Institute (LBI) aus drei bis dahin eigenständigen
Instituten, dem LBI für Interventionelle Kardiologie und Rhythmologie am Wiener
Wilhelminenspital, dem LBI für herzchirurgische Forschung am AKH Wien und dem LBI für
kardiovaskuläre Forschung am AKH Wien. Die im LBC für kardiovaskuläre Forschung
arbeitenden WissenschaftlerInnen haben die Cluster-Bildung von Anfang an als Chance
gesehen, durch die „Fusion“ dreier thematische verwandter Institute Synergien auf
verschiedenen Gebieten der kardiovaskulären Medizin nutzen zu können. Der LBC für
kardiovaskuläre Forschung stellt sich daher die Aufgabe mit einem interdisziplinären Ansatz die
klassische Trennung zwischen Innerer Medizin und Chirurgie im Bereich der kardiovaskulären
Medizin zu überwinden, um sich der aktuellen Problemstellungen der kardiovaskulären
Forschung anzunehmen.
Durch die Zusammenarbeit von ForscherInnen aus dem Grundlagenbereich und aus dem
klinischen Umfeld fließen Ideen aus diesen beiden Bereichen in die Forschung des LBC für
kardiovaskuläre Forschung ein. Ein weiterer Vorteil der Clusterbildung ist es, dass aufgrund der
verschiedenen Arbeitsansätze auch ein breites Spektrum an Methoden verwendet und
verschiedene Geräte und Techniken und die damit verbundene Expertise genützt werden. Das
spielt beispielsweise bei der gemeinsamen Nutzung teurer Großgeräte eine wichtige Rolle. Der
dritte Vorteil liegt in der Positionierung des Clusters am Übergang von Grundlagenforschung
und Klinischer Forschung. Das bringt die MitarbeiterInnen des Clusters in die beneidenswerte
Position, direkten und raschen Zugang zu biologischem Material von PatientInnen wie
beispielsweise Blut- oder Plasmaproben bzw. Gewebeproben zu haben.
Die Hauptforschungsgebiete des Clusters liegen im Bereich Kunstherz und
Kreislaufunterstützung, im Bereich Postinfarkt Remodeling mit Schwerpunkt
geschlechtsspezifische Unterschiede und auf dem Gebiet der Gefäßerkrankungen.
Klinisch besonders relevant sind dabei die Erforschung neuer Kunstherzmodelle und der
Verlauf von Patienten mit Diabetes mellitus nach Koronarinterventionen mit Stents.
In der Grundlagenforschung werden die Assoziation des Fettgewebes mit
Herzkreislauferkrankungen, der Schutz des Herzens während einer Herzoperation, und der
mögliche Einsatz von Stammzellen in der Therapie von Herz- und Gefäßerkrankungen sowie
der Bau neuer kleinkalibriger Gefäßprothesen untersucht.
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Gesprächspartner
Univ. Prof. Dr. med. Günther. Laufer
Leiter der Klinischen Abteilung für Herzchirurgie der MedUni Wien am AKH,
Zahlreiche Funktionen in internationalen Gesellschaften.
Univ.Prof. Dipl.Ing. Dr. techn. Heinrich Schima
Zentrum für medizinische Physik und Biomedizinische Technik der MedUni Wien
Technischer Leiter des Wiener Kunstherzprogramms. Mehrere internationale Preise und eines
österreichischen Staatspreises. Präsident der Europäischen Gesellschaft für Künstliche
Organe, Vorstandsmitglied internationaler Gesellschaften.
Univ.Prof. Dr. med. Georg Wieselthaler
Klinische Abteilung für Herzchirurgie der MedUni Wien am AKH,
Medizinischer Leiter des Wiener Kunstherzprogramms. Träger internationaler Preise,
Vizepräsident der Internationalen Gesellschaft für Rotationsblutpumpen.
Univ. Prof. Dr. Johann Wojta
Koordinator des Ludwig-Boltzmann-Clusters für Kardiovaskuläre Forschung.
Koordinator des Center of translational Research der MedUni Wien.
Leiter des Forschungslabors der Abt. Kardiologie. Mehrere internationale Preise.
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