Zukünftige Klimaänderungen und mögliche Folgen für die Region Virgen Workshop, 7. Oktober 2011 Maria Balas, Astrid Felderer © Michael Kranewitter Inhalt Klimawandel – was bedeutet das? Ein Blick in die Vergangenheit Wie wird das Klima im 21. Jahrhundert? Welche Bereiche sind vom Klimawandel betroffen? 2 Klimawandel – was bedeutet das? 3 momentaner Zustand der Atmosphäre (zu einer bestimmten Zeit, an einem bestimmten Ort) Charakter des Wetters über einige Tage oder eine Jahreszeit Durchschnitt aller Wettererscheinungen an einem Ort o. einer Region über einen längeren Zeitraum (min. 30 Jahre) 4 Das Klimasystem 5 Quelle: www.klima-der-erde.de Klimawandel Klimawandel über längere Zeit andauernde Abweichungen vom langjährigen Mittelwert Sonnenaktivität KLIMAFAKTOR MENSCH Vulkanismus Wechselwirkungen Erdoberfläche Quelle: Paeth 2007 (verändert) CO2-Konzentration in den letzten 250 Jahren von ca. 280 auf 385 ppm angestiegen übertrifft die natürliche Bandbreite der letzten 650.000 Jahre 6 Ein Blick in die Vergangenheit 7 Klimawandel findet statt! Mittlere Sommer- und Wintertemperatur im Alpenraum 1760-2007 (relativ zum Mittel 1851-2000) (Quelle: ZAMG) Zunahme d. Jahresmitteltemperatur im Alpenraum u. in Österreich seit vorindustrieller Zeit rund 2°C = 2,5 fache Erwärmungsrate im Vergleich zum globalen Mittel (+0,8°C) Seit Mitte 1970er Jahre +1,5°C Erwärmung stärker im Sommer als im Winter 8 8 Klimawandel findet statt! Alpen reagieren besonders sensibel auf klimatische Änderungen Anstieg der Schneefallgrenze seit 1950 um mehr als 100m Seit dem letzten Gletscherhöchststand (ca. 1850) haben die österr. Gletscher mehr als 50% ihrer Fläche verloren Wahrnehmbare Zunahme von meteorologischen Extremereignissen wie Hitzewellen, Starkregenereignisse, Trockenperioden, Murenabgänge, etc. Veränderung alpiner Ökosysteme – u. a. Verlust von Schutzfunktionen und ökonomischen Werten (z.B. Bergwälder) Änderungen in der Biodiversität – Invasion nichtheimischer Pflanzen und Tiere 9 Klimawandel findet statt! 10 Quelle: Glletscherarchiv.de Wie wird das Klima im 21. Jahrhundert? 11 Klimaszenarien - global Globale THG-Emissionen [GtCO2 eq/Jahr] Quelle: IPCC 2007: WG1-AR4 Sehr unterschiedliche Treibhausgasszenarien (politischgesellschaftlicher Unsicherheitsfaktor) Daher auch sehr unterschiedliche Temperaturszenarien Die Modellunsicherheiten sind durch den grauen Balken dargestellt Klimaszenarien - global Treibhausgasemissionen: aktuell vs. IPCC Szenarien 13 Klimamodelle Sind komplexe physikalische Modelle, die das Klimasystem in vereinfachter Form abbilden Dadurch ist möglich, Vorgänge im Klimasystem zu simulieren. Enormer Rechenaufwand notwendig Globale Klimamodelle räumliche Auflösung von 100 bis 150 km Regionale Klimamodelle höhere räumliche Auflösung (10 x 10 km) Ergebnisse zeigen eine Bandbreite der möglichen Entwicklungen auf 14 regionales Modell Quelle: ZAMG globales Modell Klimaszenarien - Alpenraum TEMPERATUR Veränderung der Durchschnittstemperatur 2021/2050 - 1971/2000 (HADCM3/CCLM/A1B) (Quelle: reclip:century) Periode 1993-2010 Mitteltemperatur Virgen 6,4 °C Bis 2050 Zunahme der Mitteltemperatur um ca. 2,3 – 2,5 °C (relativ zum Mittel 1971/2000) Klimaszenarien - Alpenraum NIEDERSCHLAG Zeitraum 1993-2010 Jahresniederschlag im Durchschnitt 819mm Veränderung des saisonalen Niederschlags (SOMMER – WINTER) 2021/2050 - 1971/2000 (HADCM3/CCLM/A1B) (Quelle: reclip:century) Abnahme des Sommerniederschlags Zunahme des Winterniederschlags Saisonale Trends nach Klimaregionen Temperatur 1971/2001 - 2021/2050 Anstieg in °C (2x A1B, B1) Winter Niederschlag 1971/2001 - 2021/2050 Veränderung in % (2x A1B) 2,2 ++ 1,8 1,8 1,6 Frühling +11% 1,8 +8% 1,6 + =/+13% 1 1,2 1,2 +7% ~<-/= 1,2 1,2 +13% -10/+10% 1,2 1,1 + +13% 1,7 +10% <-/-> (Quelle: reclip:century) <-/-> -13%/= <-/= <-/= Saisonale Trends nach Klimaregionen Niederschlag 1971/2001 - 2021/50 Veränderung in % (2x A1B) Temperatur 1971/2001 - 2021/50 Anstieg in °C (2x A1B, B1) +++ 2,3/0,6 Sommer 2,3/1 2,3/1,2 2,5/1,3 ++ -10%/<- 2,3/1,7 Herbst 1,9 1,9 2 1,8 - -8%/<- <- 1,9 2,1 = <- <- 2,3/1 2,5/1,1 2,5/1,1 - <- =/<- (Quelle: reclip:century) =/-15% <- -9%/<- <<-/-8% =/-12% Klimaszenarien - Alpenraum STARKREGENEREIGNISSE große Unsicherheiten gegeben bis 2050 Zunahme der Starkregenereignisse (Quelle: reclip:century) Klimaszenarien - Alpenraum ZUNEHMENDE VARIABILITÄT DES SOMMERNIEDERSCHLAGS REMO-UBA A1B 20 Quelle: Prettenthaler & Formayer 2011 Klimaszenarien - Alpenraum SOMMERTAGE (>25 °C) Zwischen 1993-2010 durchschn. 18,8 Sommertage/Jahr durchschn. 46,5 Tage mit >10 Std. Sonnenscheindauer bis 2050 Zunahme der Sommertage um ca. 3-6 Tage/Jahr (relativ zum Mittel 1971/2000) (Quelle: reclip:century) Klimaszenarien - Alpenraum FROSTTAGE (TEMPERATURTAGESMINIMUN <0 °C) Zwischen 1993-2010 durchschnittlich 132 Frosttage/Jahr bis 2050 Abnahme der Frosttage um ca. 23 – 25 Tage/Jahr (relativ zum Mittel 1971/2000) (Quelle: reclip:century) Veränderung der Schneedeckendauer Änderung der Schneedeckendauer im Jahresmittel von 2041-2070 bezogen auf das Mittel von 1961-1990 (CCLM) (Quelle: ZAMG) Tage mit Schneedecke (zwischen 1993 und 2010 im Schnitt 109,4 Tage/Jahr) Bis 2070 Abnahme der Tage mit durchgehender Schneedecke um 30% bis 50% Zunehmende Klimavariabilität: in höheren Lagen durch Niederschlagszunahme im Winter auch Jahre mit mehr Schneefall möglich ZUSAMMENFASSUNG TRENDS • Anstieg der Durchschnittstemperatur • Zunahme der Sommertage (u. Hitzetage) • Abnahme der Frosttage • Verlagerung des Niederschlags vom Sommer in den Winter • Erhöhte Niederschlagsvariabilität • Weniger Tage mit durchgehender Schneedecke 24 Welche Bereiche sind vom Klimawandel betroffen? Gletscher/Permafrost Landschaftsbild Naturgefahrensituation Forstwirtschaft Wasser Landwirtschaft Siedlungen/ Infrastruktur Biodiversität 25 © www.jestl.at Tourismus Naturgefahren = Hochwässer, Murgänge, Rutschungen, Lawinen, Steinschläge und Felsstürze Naturgefahren prägen den Alpenraum bereits seit jeher Grundsätzlich Zunahme des Schadenpotenzials durch Siedlungsausdehnung/Wertsteigerung Klimawandel zusätzlicher Faktor © www.sueddeutsche.de Erhöhung des Naturgefahrenpotenzials durch : Zunahme extremer Wetterereignisse (Starkniederschläge, Stürme, Hagel, Dürre, etc.) Auftauen des Permafrosts Auswirkungen auf alle Bereiche: Siedlungen, Infrastruktur, Forstwirtschaft, Tourismus, …. 26 Permafrost = ganzjährig gefrorene Fels und Bodenbereiche je nach Lage und Exposition kann in den Alpen bereits oberhalb der natürlichen Waldgrenze mit Permafrost gerechnet werden Permafrost reagiert genauso wie Gletscher sehr sensibel auf klimatische Änderungen Durch Ausschmelzen der Permafrostflächen sind Lockermaterialien leichter mobilisierbar Vermehrte Rutschungen, Muren, Sturzprozesse 27 © PermaNET 2011 Permafrostindikator Blockgletscher 28 Quelle: Google Earth Permafrostdegradation Permafrostverteilung in VIRGEN (Quelle: Projekt PERMALP 08) 29 © www.touren-biker.de Infrastruktur Verkehrsinfrastruktur, Energienetze, Telekommunikation,… = kritische Infrastruktur Temporärer Ausfall oder Beeinträchtigungen Versorgungsengpässe und hohe volkswirtschaftliche Schäden Behinderung von Pendlerströmen, Erreichbarkeit von Pflegebedürftigen, Versorgung mit Nahrungsmitteln, etc. Extreme Wetterereignisse und häufigere Massenbewegungen können Infrastrukturen (z. B. Verkehrswege, Stromleitungen, Wanderwege, etc.) beeinträchtigen, beschädigen oder zerstören Temporärer Zusammenbruch von Hauptverkehrsverbindungen: starke Auswirkungen auf Regionalwirtschaft (Behinderung von Pendlerströmen, Ausfall von Arbeitstagen) 30 Forstwirtschaft hohe Empfindlichkeit gegenüber klimatischen Veränderungen (lange Umtriebszeiten, Schutzfunktion) hohe ökonomische, gesellschaftliche und landeskulturelle Relevanz (Landschaftsbild, Schutzwirkung, etc.) Prinzipiell höhere Zuwachsleistungen möglich Anstieg der Waldgrenze Veränderung des Landschaftsbildes Erhöhter Wasserbedarf durch steigende Temperaturen, längere Vegetationsperioden, stärkere Verdunstung Weniger Niederschlag im Sommer Trockenheit Zuwachsverluste infolge schlechter Wasserversorgung Starkniederschläge Bodenerosion Mildere Winter & längere Sommer begünstigen Vermehrung & Ausbreitung von Schadinsekten (Borkenkäfer) verminderte Widerstandskraft klimabedingt vorgeschwächte Wälder Klimawandelfolgen beeinträchtigen Schutzwirkungen, Wohlfahrtswirkungen und die Erholungswirkung Landwirtschaft Verlängerung der Vegetationsperiode Bessere Nutzung des über den Winter gespeicherten Bodenwassers Weniger Niederschlag im Sommer Trockenheit Ertragsunsicherheit & Veränderungen in der Futterqualität Trockenheit & höhere Bodentemperaturen begünstigen Entwicklung von Engerlingen Starkniederschläge Bodenerosion Grünlandlagen mit > 800 mm Jahresniederschlag erhöhtes Produktionspotenzial Aber: Virgen derzeit ca. 817 mm Jahresniederschlag Wasserversorgung auf den Almen Auftreten neuer Krankheitserreger in der Tierhaltung © www.virgen.at Wasser Geringe Abnahme der Jahresniederschläge möglich Verlagerung des Niederschlagsmaximums vom Sommer- ins Winterhalbjahr Im Winter: Mehr Niederschläge in Form von Regen Änderung des Abflussregimes: Höhere Abflüsse im Winter frühere Abflussspitze im Frühjahr © Umweltbundesamt Zunahme der Sommerniederwässer Abnahme der Gletscherfläche (max. 20% der heutigen Gletscherfläche sind Mitte des Jh. noch vorhanden) langfristig mehr Sommerniederwässer Engpässe in der Wasserversorgung Nutzungskonflikt um die Ressource Wasser Mehr Starkniederschläge im Sommer: kleinräumige Überflutungen u. Massenbewegungen 33 Tourismus © www.virgen.at Derzeit ein mildes Klima (Luftkurort) und sonnenreich „Meran von Osttirol“ Veränderungen des Landschaftsbildes Mehr Sommertage aber nur geringe Zunahme an Hitzetagen Verlängerung der Sommersaison: „Goldener Herbst“ Im Winter: Abnahme der Schneesicherheit Veränderungen im Bedarf und der Verfügbarkeit von Energie- und Wasser für den Tourismus Chancen für den Sommer- und Herbsttourismus durch Änderungen des Urlaubsverhaltens Erholung in „guter“ Luft 34 Ökosysteme/Artenvielfalt Das Klima prägt mit Standortfaktoren (Bodenart, Hydrologie, Landschaftstruktur) die Vielfalt auf allen Ebenen (Gene, Arten, Lebensgemeinschaften) Von zahlreichen Faktoren beeinflusst Klimawandel zusätzliche Gefahr © www.ulrich-kelber.de Verbreitungsgebiete verschieben sich entlang der Klimazonen, Höhen- und Feuchtegradienten Alpen gelten durch hohe Zahl an endemischen Pflanzen- und Tierarten als sehr betroffen (Alpen- Mannsschild, Gletscherhahnenfuß, etc.) Veränderung der Anzahl der Arten und der Artenzusammensetzung in Lebensgemeinschaften und Biotopen Veränderungen in der Phänologie (Blühbeginn, Zunahme der Generationen bei Insekten) Ausbreitung von Generalisten (wärmeliebende, nicht heimische Arten) 45% der alpinen Arten bis 2100 vom Aussterben bedroht 35 Bauen/Wohnen Abnahme der Heizgradtage Niederschlagszunahme im Winter: lokal höhere Schneelasten möglich Beschädigung oder Zerstörung von Gebäuden durch Massenbewegungen, © www.n24.de vermehrte Starkniederschläge sowie das Auftauen von Permafrost Beschädigung von Energieanlagen (Sonnenkollektoren, Photovoltaik-Module) in exponierten Lagen durch extreme Wetterereignisse (Stürme, Hagel) Gesundheit © www.faz.net Zunahme der UV-Strahlung durch Abnahme des stratosphärischen Ozons Sonnenbrand, vorzeitige Hautalterung, höheres Risiko für Hauttumore und -krebs Veränderungen der Ausbreitungs- und Übertragungsbedingugen für Krankheitsüberträger (Zecken - FSME) 36 DANKE für Ihr Interesse! Maria Balas und Astrid Felderer Abt. Umweltfolgenabschätzung und Klimawandel T: +43-(0)1-313 04/3457 oder +43-(0)1-313 04/3246 [email protected] [email protected] www.klimawandelanpassung.at Umweltbundesamt www.umweltbundesamt.at Vernetzt im Klimawandel Virgen ■ 7.Oktober 2011