Makroökonomie I 1 Kapitel I: Probleme und Theorien Kapitel I: Makroökonomische Probleme und Theorien 1. Zentrale Fragen der Makroökonomie 1.1 Abgrenzung zur Mikroökonomie 1.2 Makrotheorie als Grundlage der Stabilitätspolitik 2. Ökonomische Modelle und makroökonomische Theorie 2.1 Konzepte und Analysetechnik der Makroökonomie 2.2 Wachstums- und Konjunkturtheorie 3. Bruttoinlandsprodukt und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung 3.1 Das Sozialprodukt als zentrales makroökonomisches Aggregat 3.2 Grundlagen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung Dieses Dokument darf nur im Rahmen der Vorlesung Makroökonomie I an der Universität Tübingen im WS 2011/12 verwandt werden. Es darf weder vervielfältigt, zitiert noch anderweitig benutzt werden. Makroökonomie I 2 Kapitel I: Probleme und Theorien 1. Zentrale Fragen der Makroökonomie 1.1 Abgrenzung zur Mikroökonomie Mikroökonomie Verhaltensanalyse individueller Akteure (Mikroebene) Entscheidungen einzelner Haushalte: Konsum, Sparen, Arbeitsangebot Entscheidungen einzelner Unternehmen: Produktionsplanung (Faktoreinsatz und Güterangebot) Mengen- und Preisdynamik auf einzelnen Märkten: Preis- und Mengenbestimmung, Gleichgewicht oder Ungleichgewicht Fokus einzelwirtschaftlicher Optimierung dient oftmals als Basis betriebswirtschaftlicher Anwendung Makroökonomie I 3 Kapitel I: Probleme und Theorien Makroökonomie Gesamtwirtschaftliche Perspektive (Makroebene) Betrachtung aggregierter Größen: Güterpreise, Produktionsoutput, Zinssatz, etc. Analyse der Mengen- und Preisdynamik (Gleichgewicht oder Ungleichgewicht) auf Makromärkten Makromärkte: Gütermarkt, Arbeitsmarkt, Kreditmarkt, Devisenmarkt Herausforderung Marktinterdependenz: Mengen- und Preisbewegungen auf verschiedenen Makromärkten können nicht isoliert betrachtet werden Theorie strebt Verknüpfung mehrerer Makromärkte an Zielsetzung: simultane Analyse der Marktdynamik Makroökonomie I 4 Kapitel I: Probleme und Theorien Zentrale makroökonomische Fragestellungen Welche Faktoren bestimmen den Lebensstandard eines Landes? Welcher Zusammenhang besteht zwischen Nachfrage und Produktion? Bestimmt die Nachfrage die Produktion? Wie wirkt eine Ausweitung der Geldmenge auf den Gütermarkt oder den Arbeitsmarkt? Inwiefern unterscheidet sich die kurzfristige von der langfristigen Untersuchungsperspektive? Wie kann das gesamtwirtschaftliche Wachstum erhöht werden? Welchen Einfluss auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung haben außenwirtschaftliche Einflüsse (Außenhandel, Kapitalströme)? Wie kann Arbeitslosigkeit erklärt werden? Welche Rolle spielt die Wirtschaftspolitik? Makroökonomie I 5 Kapitel I: Probleme und Theorien 1.2 Makrotheorie als Grundlage der Stabilitätspolitik Wirtschaftspolitik dient der Verbesserung der Lebensverhältnisse (Wohlstandsmehrung; Problemfelder: Allokation, Distribution, Stabilisierung) Wirtschaftspolitische Problemfelder und Politikarten: Stabilitätspolitik erfordert, wachstums-, konjunktur- und geldtheoretische Kenntnis Makroökonomische Theoriebildung dient der Entwicklung von Strategien und der Umsetzung von Maßnahmenbündeln der Wirtschaftspolitik Makroökonomie I 6 Kapitel I: Probleme und Theorien Gängige Klassifikation wirtschaftspolitischer Zielsetzungen: Stabilitätspolitische Zielsetzungen sind primär Produktionswachstum, hohe Beschäftigung und Geldwertstabilität Makroökonomie I 7 Kapitel I: Probleme und Theorien Arbeitslosenquote Arbeitslosenquote zeigt stufenförmigen Anstieg Kein Rückgang nach Produktionseinbruch Entwicklungsmuster scheint sich jedoch in den 2000er Jahren aufzulösen Makroökonomie I 8 Kapitel I: Probleme und Theorien Inflation Inflationsspitzen (73/74, 80/81, 92/93) getrieben durch Energiepreisschocks und Zweitrundeneffekte Great Moderation ab 1990er Jahren durch New Economy, weitere internationale Integration globaler Faktor- und Gütermärkte, Erwartungsstabilisierung Makroökonomie I 9 Interdependenz von Güter- und Arbeitsmarkt Kapitel I: Probleme und Theorien Makroökonomie I 10 Kapitel I: Probleme und Theorien 2. Ökonomische Modelle und Theorien 2.1 Konzepte und Analysetechnik der Makroökonomie Abstraktion und Komplexitätsreduktion Entwicklung von theoretischen Modellen erfordert Konzentration auf zentrale Zusammenhänge zwischen Variablen Komplexität der Realität erzwingt Abstraktion im Modell Strom- versus Bestandsgrößen Dimension Messung Beispiele Stromgröße Menge pro Zeiteinheit Zeitintervall - Einkommen einer Person - Ausgaben einer Person Bestandsgröße Menge - Vermögen einer Person - umlaufende Geldmenge Zeitpunkt Makroökonomie I 11 Kapitel I: Probleme und Theorien Makrotheorie und empirische Beobachtungen Wie können zentrale Fragen der Makroökonomie und empirische Beobachtungen verbunden werden? Empirie: Wirkungszusammenhänge (Kausalität oder Korrelation?) zwischen gesamtwirtschaftlichen Aggregaten; Modell: Hypothesen über Kausalität zwischen Makrovariablen Differenzierungsmerkmale makroökonomischer Theorien und Modelltypen Haupterklärungsziel Grad der mikroökonomischen Fundierung Annahmen bezüglich der Räumung von Märkten insb. Gültigkeit des Sayschen Theorems 1 Annahmen bezüglich der Friktionen und Unvollkommenheiten von Märkten insb. Stabilität von Anpassungsmechanismen und Rationalität der Akteure Partial- versus Totalanalyse: Werden alle Märkte oder nur Teilmärkte betrachtet? 1 Saysches Theorem (Jean Baptiste Say, 1767-1832): „Jedes Angebot schafft sich seine Nachfrage.― Makroökonomie I 12 Kapitel I: Probleme und Theorien Aufbau theoretischer Modelle Exogene Variablen: werden außerhalb des Modells bestimmt und stellen den Input des Modells dar Endogene Variablen: werden innerhalb des Modells bestimmt und stellen den Output des Modells dar Eigenschaften eines guten Modells: Konzentration auf die wichtigsten Variablen Empirische Relevanz Makroökonomie I 13 Kapitel I: Probleme und Theorien Beispiel: partialanalytische Betrachtung des Brotmarkts Nachfrage: Q d Q d Q d DP, Y mit P 0, Y 0 Q d = nachgefragte Menge P = Preis für Brot Y = Einkommen Angebot: Q S P, Pm S Q S Q S mit 0, 0 P Pm Q S = angebotene Menge Pm = Preis für Mehl (oder andere Inputs) Marktgleichgewicht: QS QD Makroökonomie I 14 Kapitel I: Probleme und Theorien Einkommen und Preise für Mehl oder andere Inputs werden als exogen angenommen Nachfragekurve: Q d DP, Y Angebotskurve: Q S S P, Pm Reaktion von Preis und Menge auf eine Erhöhung der Nachfrage P S D2 D1 Q Makroökonomie I 15 Empirische Überprüfung von Modellen Kapitel I: Probleme und Theorien Makroökonomie I 16 Kapitel I: Probleme und Theorien Beispiel: Nachfragekurve Schätzung der Gleichung: Q d P Y = konstanter Term = Teil der Nachfrage, die weder von den Preisen noch von den Einkommen abhängt = Reaktion der Nachfrage auf die Preise (erwartetes Vorzeichen: –) = Reaktion der Nachfrage auf das Einkommen (erwartetes Vorzeichen: +) = Störterm = Messfehler Aufgaben der empirischen Wirtschaftsforschung (a) Test theoretischer Modelle (b) Numerische Spezifizierung funktionaler Zusammenhänge, Z.B. Q d DP, Y 60 10 P 2Y Makroökonomie I 17 Kapitel I: Probleme und Theorien 2.2 Wachstums- und Konjunkturtheorie (Trend-Zyklus-Dichotomie)