Leseprobe Kortendieck Volkswirtschaftslehre kompakt – Mikroökonomie und Makroökonomie Volkswirtschaftslehre Studienbrief 2-020-2801 1. Auflage 2009 HDL HOCHSCHULVERBUND DISTANCE LEARNING Volkswirtschaftslehre kompakt – Mikroökonomie und Makroökonomie Impressum Die Berufsbezogenen Weiterbildungsstudiengänge Sozialmanagement und Öffentliches Dienstleistungsmanagement in der Studienform Fernstudium wurden als Projekt entwickelt und durch die Bund-LänderKommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung gefördert. Verfasser: Prof. Dr. Georg Kortendieck Professor für Betriebswirtschaftslehre im Sozialen Sektor/Sozialmanagement an der Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel, Fachbereich Sozialwesen Der Studienbrief wurde auf der Grundlage des Curriculums für das Modul „Volkswirtschaftslehre“ verfasst. Die Bestätigung des Curriculums und des Studienbriefes erfolgten durch den Fachausschuss für Sozialmanagement, dem folgende Mitglieder angehören: Dr. P. Bachmann (TFH Wildau), Prof. Dr. H. Bassarak (FH Nürnberg), RD G. Guldner (TFH Wildau), Prof. Dr. L. Kolhoff (FH Braunschweig/Wolfenbüttel), Prof. D. Kramer PhD (ASH Berlin), Dipl.-Philosoph T. Liewald (Parität. Akademie gGmbH, Berlin), Prof. Dr. K. Schellberg (EFH Nürnberg), Prof. Dr. G. Schwarz (HS München (em.)/Inst. f. Sozialmanagement, München), Prof. Dr. L. Ungvári (TFH Wildau), Prof. Dr. S. Wagner (Parität. Akademie gGmbH, Berlin), Prof. Dr. A. Wöhrle (HS Mittweida), Dr. R. Wulfert (Service-Agentur des HDL, Brandenburg). 1. Auflage 2009 ISBN 978-3-86946-009-3 Redaktionsschluss: September 2009 Studienbrief 2-020-2801 © 2009 by Service-Agentur des Hochschulverbundes Distance Learning. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung und des Nachdrucks, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung der Service-Agentur des HDL reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Service-Agentur des HDL (Hochschulverbund Distance Learning) Leiter: Dr. Reinhard Wulfert c/o Agentur für wissenschaftliche Weiterbildung und Wissenstransfer e. V. Magdeburger Straße 50, 14770 Brandenburg Tel.: 0 33 81 - 35 57 40 E-Mail: [email protected] Fax: 0 33 81 - 35 57 49 Internet: http://www.aww-brandenburg.de Volkswirtschaftslehre kompakt – Mikroökonomie und Makroökonomie Inhaltsverzeichnis Abkürzungen...................................................................................................................................................................................4 Einleitung..........................................................................................................................................................................................5 Literaturempfehlung.....................................................................................................................................................................7 1 Einführung in die Volkswirtschaftslehre............................................................................................................7 1.1 Gegenstand der Volkswirtschaftslehre.............................................................................................................................................8 1.2 Einführung in das volkswirtschaftliche Denken............................................................................................................................9 1.3 Methodologische Grundlagen...........................................................................................................................................................11 1.4 Der homo oeconomicus: Der Nutzenmaximierer...................................................................................................................... 13 2 Mikroökonomie: Das Handeln des Einzelnen im Markt..............................................................................14 2.1 Bedürfnisse, Bedarf und Nachfrage................................................................................................................................................. 15 2.2 Güter, Produktion, Kosten und Angebot....................................................................................................................................... 22 2.3 Angebot und Nachfrage auf dem Markt....................................................................................................................................... 31 2.4 Angebot und Nachfrage: Wie reagieren die Märkte?................................................................................................................ 37 2.5 Spezialisierung und Austausch.......................................................................................................................................................... 41 2.6 Gewinn, Unternehmertum und Marktformen............................................................................................................................. 45 3 Makroökonomie: Aggregate und Gesamtmärkte........................................................................................ 55 3.1 Die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung als Ex-post-Analyse........................................................................................... 58 3.2 Die makroökonomische Ex-ante-Analyse..................................................................................................................................... 61 3.2.1 Der Gütermarkt........................................................................................................................................................................................ 63 3.2.2 Der Arbeitsmarkt..................................................................................................................................................................................... 65 3.2.3 Konsum, Sparen und Investitionen..................................................................................................................................................68 3.2.4 Geldmenge, Zins und Preisniveau.................................................................................................................................................... 73 Lösungen zu den Kontrollfragen........................................................................................................................................... 79 Literaturverzeichnis.................................................................................................................................................................... 83 Sachwortverzeichnis.................................................................................................................................................................. 85 HDL Volkswirtschaftslehre kompakt – Mikroökonomie und Makroökonomie Abkürzungen HDL a autonomer Konsum (unabhängig vom Einkommen) AD aggregate demand (Nachfragekurve) AS aggregate supply (Angebotskurve) Aufl. Auflage b marginale Konsumquote (abhängig vom Einkommen) BIP Bruttoinlandsprodukt BSP Bruttosozialprodukt bspw. beispielsweise C Konsum Ed. Edition EU Europäische Union Hrsg. Herausgeber I Investitionen i Zins i. d. R. in der Regel M Geldmenge P Preis p. M. pro Monat S Sparen S. Seite TN Teilnehmer UStd. Unterrichtsstunde sog. sogenannte w Lohn w/P Reallohn (Lohn/Preis) Y Volkseinkommen, Output Ya Einkommen (Haushalt) Yn gesamtwirtschaftliche Nachfrage Volkswirtschaftslehre kompakt – Mikroökonomie und Makroökonomie Einleitung Im Rahmen des HDL-Studienangebotes soll zur ökonomischen Fundierung mit den folgenden Studienbriefen ein allgemeiner Überblick über die wichtigsten Fragestellungen der Volkswirtschaftslehre gegeben werden. Die drei Studienbriefe konzentrieren sich dabei auf einen Überblick über: Studienbrief 12-020-2801: Mikroökonomie und Makroökonomie Die Volkswirtschaftslehre untersucht das Wirtschaften von Haushalten und Unternehmen. Sie wird unterteilt in: Die mikroökonomische Angebots-, Nachfrage und Markttheorie, die erklären, wie sich die Nachfrager und die Anbieter in Märkten verhalten und wie ihre Kauf- und Verkaufsabsichten koordiniert werden. Die makroökonomische Analyse des Güter-, Arbeits-, Geld- und Kapitalmarktes in einer offenen Volkswirtschaft. Sie zeigt, wie das Volkseinkommen einer Volkswirtschaft entsteht, verteilt und verwendet wird und wie die gesamtwirtschaftlichen Märkte zusammenhängen, wie es zu Vollbeschäftigung und Preisniveaustabilität kommt und wodurch Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes entstehen. Studienbrief 2-020-2802: Wirtschaftspolitik Das volkswirtschaftliche Theorie- und Aussagengebäude untersucht überwiegend das Wirtschaften in Märkten. Da der Marktmechanismus aber an eine Reihe von Voraussetzungen gebunden ist, die in der Realität nicht vollständig erfüllt sind (Marktmängel) oder aber überhaupt nicht vorliegen (Marktversagen), bedarf es Korrekturen von außen – durch den Staat. Studienbrief 2-020-2803: Soziale Sicherung und Sozialpolitik Ein insbesondere für das Sozialmanagement besonders wichtiger Teil der staatlichen Eingriffe in das Marktgeschehen ist die Sozialpolitik. Durch Versicherung und Fürsorge werden die elementaren Risiken der Wirtschaftssubjekte abgesichert. HDL Volkswirtschaftslehre kompakt – Mikroökonomie und Makroökonomie Einführung und Übersicht zum Studienbrief: „Volkswirtschaftslehre kompakt – Mikroökonomie und Makroökonomie“ Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie haben sich als Pädagogin selbstständig gemacht und bieten Schülernachhilfe an. Da Sie davon leben müssen, sollten Sie Ihren Lebensunterhalt aus dieser Tätigkeit bestreiten können. Wie viel Geld wollen Sie pro Stunde nehmen? Was nimmt die Konkurrenz? Wie groß sind eigentlich die Zahlungsbereitschaft und das Zahlungsvermögen der Eltern? Sind Sie zu teuer, dann kommen nur wenige, und Sie müssen sich eine neue Arbeit suchen. Welche Annahme haben Sie dann bereits getroffen? Die Eltern der Schüler reagieren auf Preise: Je höher der Preis, desto geringer die Nachfrage. Warum ist die Nachfrage bei einem höheren Preis geringer? Weil die Eltern zu Alternativen greifen, zur Konkurrenz gehen oder aber ihre Nachfrage nach Nachhilfestunden bei geringem Einkommen vielleicht sehr schwach ausgeprägt ist. Volkswirtschaftslehre ist nach Bofinger (2006, S. 33) die Wissenschaft, die erklärt, wie Märkte funktionieren (s. Kapitel 1). Im obigen Beispiel waren Sie ein Anbieter auf dem Markt für Nachhilfeleistungen. Wenn Sie stattdessen bei einem Bildungsträger als Arbeitnehmer arbeiten wollen, bewerben Sie sich zunächst auf dem Arbeitsmarkt. Ihr Arbeitgeber bietet seine Leistungen auf verschiedenen Bildungsmärkten an. Ihr Einkommen tragen Sie entweder in den Super- oder auf den Wochenmarkt, um sich Nahrungsmittel zu kaufen. Da Sie nicht viel verdienen, organisieren Sie Ihre Wohnungseinrichtung auf dem Flohmarkt. Schließlich zahlen Sie einen großen Teil Ihres Einkommens für Miete auf dem Wohnungsmarkt. Sollten Sie dennoch etwas sparen, haben Sie vielleicht Aktien (die Zeiten werden auch wieder besser), die Sie an der Börse erworben haben. So sind Sie Anbieter (Arbeit, Leistungen, Geld) und Nachfrager (Essen, Miete, Möbel, Anlagen). Die Mikroökonomie, um die es im Kapitel 2 geht, versucht, die grundlegenden Verhaltensmuster von Nachfragern und Anbietern zu erklären und zeigt auf, wie die unterschiedlichen Pläne in Märkten koordiniert werden. Ihr einzelwirtschaftliches Verhalten führt über die verschiedenen Märkte zu einer permanenten Veränderung auf den Güter- und Geldmärkten. Jeder Einkauf verbessert den Umsatz der Anbieter, jede Geldausgabe, jede Geldeinnahme verändert den Geldmarkt. Wie aber reagieren Angebot und Nachfrage, wenn man die gesamte Bundesrepublik betrachtet? Hier müssen wir unbedingt neben den Haushalten und den Unternehmen noch zwei „Global Player“ einführen – den Staat und das Ausland. Um die 40 % des Volkseinkommens werden durch den Staat über Steuern und Sozialversicherungsabgaben gelenkt. Dass Deutschland wie kein anderes Land auf der Welt von der Ausfuhr von Maschinen und vom PKW-Export abhängig ist, wissen Sie sicherlich. Wie kommt es zu Arbeitslosigkeit, warum steigen die Preise, warum wird der Dollar mal höher, mal günstiger bewertet? Diese Fragen, die mit Hilfe der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage und Angebote beantwortet werden, stehen im Mittelpunkt des Kapitels 3, der Makroökonomie. HDL Volkswirtschaftslehre kompakt – Mikroökonomie und Makroökonomie Literaturempfehlung Hervorragende Einführungsbücher in die Volkswirtschaftslehre sind – Mankiw, N./Taylor, M (2008): „Grundzüge der Volkswirtschaftslehre“. – Bofinger, P. (2006): „Grundzüge der Volkswirtschaftslehre. Eine Einführung in die Wissenschaft von Märkten“. Ein schon lange erfolgreiches Buch ist: – Baßeler, U./Heinrich, J./Utecht, B. (2006): „Grundlagen und Probleme der Volkswirtschaft“. Klassisch aufgebaut mit fundierter Darlegung der mikro- und makroökonomischen Theorie ist das Lehrbuch von – Engelkamp, P./Sell, F. L. (2007): „Einführung in die Volkswirtschaftslehre“. Anders konzipiert und sehr stark auf die Interaktion abzielend ist das gut lesbare und wenig mathematische Werk von: – Homann, K./Suchanek, A. (2005): „Ökonomik – eine Einführung“. Das bislang einzige auf den Sozialen Bereich hin geschriebene und nach wie vor sehr ansprechende Buch ist von – Finis Siegler, B. (2009): „Ökonomik Sozialer Arbeit“. Wer die volkswirtschaftlichen Theorien und ihre politischen Implikationen mit Hilfe von für das Fernstudium vom HDL empfohlenen Materialien vertiefen will, sei auf den guten Studienbrief von – Eibner, W. (2003): „Ausgewählte Aspekte der mikroökonomischen Theorie“ und das Standardwerk von – Mankiw, N. G. (2003): „Makroökonomik: Mit vielen Fallstudien“ verwiesen. 1 Einführung in die Volkswirtschaftslehre Sie lernen in diesem einleitenden Kapitel, • den Gegenstand der Volkswirtschaftslehre als Wissenschaft, Studienziele • wie Volkswirte „ticken“ und welche Grundaussagen die Volkswirtschaftslehre trifft, • welche methodologischen Annahmen und Theorien typischerweise den volkswirtschaftlichen Aussagen zugrunde liegen und warum volkswirtschaftliche Aussagen oft sehr abstrakt sind und schließlich • wie der bekannte „homo oeconomicus“ entstanden ist und welchen Aussagewert er besitzt. HDL Volkswirtschaftslehre kompakt – Mikroökonomie und Makroökonomie Die Volkswirtschaftslehre ist eine junge Wissenschaft. Erst seit dem 18. Jahrhundert beschäftigte man sich systematisch mit ökonomischen Fragestellungen. Der Arzt F. Quesnay (1694 – 1774) stellte fest, dass der Wirtschaftskreislauf aus Angebot und Nachfrage und den entsprechenden Geldströmen aus Einnahmen und Ausgaben dem menschlichen Blutkreislauf ähnelt. Der Moralphilosoph und Theologe A. Smith (1723 – 1790) untersuchte in seinem für die Volkswirtschaftslehre grundlegenden Werk: „The Wealth of Nations – Der Wohlstand der Nationen“ (1776) die Grundlagen der Funktionsweise von Märkten und beschrieb in seinem zweiten Hauptwerk: „Theorie der ethischen Gefühle“ (1759), dass die für die Gesellschaft vorteilhafte Koordination individueller Entscheidungen und die Kanalisierung des Eigennutzes nur durch eine ethische Fundierung und durch Regeln ermöglicht wird. Das Wort „Ökonomie“ wurde und wird häufig synonym für den Begriff „Wirtschaft“ gewählt. Es stammt vom griechischen Wort „oikos“ ab und bedeutet so viel wie Haushalten. Der englischsprachige Begriff für Wirtschaft – economics – weist noch auf die alte Sprachwurzel hin. Volkswirtschaftslehre wurde deshalb lange Zeit auch noch als National-Ökonomie bezeichnet. 1.1 Gegenstand der Volkswirtschaftslehre Die Volkswirtschaftslehre beschäftigt sich mit nationalen und internationalen Marktproblemen (Bofinger, 2006, S. 33): Warum schwanken die Preise einzelner Güter so stark wie der Benzinpreis im Jahre 2008? Warum werden manchmal viele Produkte (Benzin, Milch, Brot, Miete) teurer (Inflation)? Warum verlieren nach der Bankenkrise im Jahr 2008/2009 so viele Leute ihren Arbeitsplatz in der Autoindustrie (Arbeitslosigkeit)? Warum gibt es trotz hoher Arbeitslosigkeit gleichzeitig einen Fachkräftemangel? Wenn die Arbeitslosigkeit steigt, steigen dann auch die Umsätze der Wohlfahrtseinrichtungen, die sich um die Arbeitslosen kümmern? Warum wächst die Wirtschaft in einigen Ländern schneller als in anderen; warum werden einige Länder immer reicher, andere aber bleiben arm? Volkswirtschaftliche Fragestellungen stellen Marktprozesse und wirtschaftliche Entscheidungen in den Mittelpunkt. Ein Markt ist durch das Aufeinandertreffen von Angebot und von Nachfrage gekennzeichnet. Die Bedürfnisse werden entweder durch das Einkaufen auf einem Markt oder durch Selbsterstellung in einer Organisation befriedigt. Für die Haushalte stellt sich immer wieder die Frage, ob sie ihre Bedürfnisse effektiver (wirksamer) und effizienter (kostengünstiger) durch Eigenarbeit oder aber durch Nachfrage bei Dritten befriedigen können. Wenn Sie heute Nachmittag Besuch zum Kaffee erhalten, backen Sie dann einen Kuchen selbst oder kaufen Sie ihn beim Bäcker? Selbst wenn Sie ihn nicht beim Bäcker kaufen, könnten Sie den Kuchen bereits tiefgefroren beim nächsten Supermarkt erworben haben und ihn jetzt auftauen. HDL Volkswirtschaftslehre kompakt – Mikroökonomie und Makroökonomie Die Volkswirtschaftslehre geht davon aus, dass es systemunabhängige Tatbestände gibt (Engelkamp/Sell, 2007, S. 11 ff.): 1) Die Bedürfnisse der Menschen sind unbegrenzt und unterschiedlich. 2) Die bereitgestellten Güter und Leistungen sind im Vergleich zu den Bedürfnissen knapp, d. h. nicht in ausreichendem Maße vorhanden. 3) Weil das Knappheitsproblem herrscht, müssen die Menschen wirtschaften. 4) Sie können entweder mit gegebenen Ressourcen (z. B. Arbeit, Geld und Zeit) nur ein bestmögliches Ergebnis (Maximalprinzip) oder ein bestimmtes Ergebnis mit einem Minimum an Ressourcen (Minimalprinzip) erreichen. Wirtschaften bedeutet also, entweder das Maximal- oder das Minimalprinzip anzuwenden (s. Bild 1.1). Wenn dagegen mehr Güter als Bedürfnisse vorhanden sind, müssen Menschen nicht wirtschaften: Sie leben im Schlaraffenland. Minimalprinzip Maximalprinzip Ziele (Nutzen) konstant maximieren Mittel (Kosten) minimieren konstant Ausprägung Wirtschaftlichkeitsgrößen Bild 1.1 Das Ökonomische Prinzip 1.2 Einführung in das volkswirtschaftliche Denken Mankiw/Taylor (2008) haben volkswirtschaftliche Regeln formuliert, die das volkswirtschaftliche Denken wiedergeben: 1) Alle Menschen stehen vor abzuwägenden Entscheidungen Es gibt nichts umsonst. Alle Menschen müssen wirtschaften. Deswegen stehen Menschen immer wieder vor Zielkonflikten, in denen sie abwägen müssen. Typische Konflikte bestehen zwischen Effizienz und Gerechtigkeit: Effizienz bedeutet, aus den knappen Ressourcen möglichst viel herauszuholen (ein möglichst großer Kuchen). Gerechtigkeit bedeutet, dass die Nutzung der Ressourcen fair verteilt wird (z. B. eine Gleichverteilung bei dem Konsum des Kuchens). Der Zielkonflikt besteht darin, dass der Kuchen bei einer Gleichverteilung eventuell gar nicht gebacken wird, wenn der Kuchenbäcker für seine Mühe nur ein gleich großes Stück erhält wie derjenige, der nichts zum Kuchen beigetragen hat. 2) Die Kosten eines Gutes bestehen aus dem, was man für den Erwerb eines Gutes aufgeben muss In der Ökonomie werden Güter als Oberbegriff für Sachgüter und Leistungen verwendet. Ein Gut oder auch Produkt stellt ein Mittel zur Bedürfnisbefriedigung dar. Bei der Nutzung oder Bereitstellung eines Gutes kommt es immer zu einem Zielkonflikt: Verglichen werden die Kosten und Nutzen alternativer Aktionen. HDL 10 Volkswirtschaftslehre kompakt – Mikroökonomie und Makroökonomie Beipiel B 1.1 Der US-amerikanische Autohersteller General Motors (GM) meldet Insolvenz an (Frühjahr 2009): Soll die Bundesregierung dem Autohersteller Opel (Tochtergesellschaft von GM) mit ein paar Milliarden Euro helfen? Die Kosten einer Unterstützung beziffern sich nicht einfach nach dem Geldbetrag, sondern auch danach, was man mit diesem Geld noch machen könnte: zum Beispiel in das Bildungsangebot investieren. Dies ist das Prinzip der Opportunitätskosten: Was muss man aufgeben, um etwas anderes zu erlangen? Weitere Opportunitätskosten fallen bei dieser Unterstützung an: Da Opel geholfen wird, stehen die anderen Autohersteller als Konkurrenten schlechter da: – VW muss dadurch vielleicht doch Arbeiter entlassen, – Mercedes verlagert aufgrund des Absatzeinbruchs einen weiteren Teil der Produktion ins Ausland, um Kosten einzusparen. 3) Rational entscheidende Leute denken in Grenzbegriffen Rationales Handeln bedeutet, gemäß seiner Ziele und seines Informationsstandes so zu handeln, dass ein möglichst optimaler Zielerreichungsgrad realisiert wird. Dabei machen wir jedoch nicht ständig große Pläne, sondern entscheiden uns im täglichen Leben so, dass wir unsere Entscheidungen nur in kleinen Schritten abwandeln. Beispiel B 1.2 Wann kaufen Sie ein neues Auto? Als die „Abwrackprämie“ (Frühjahr 2009) kam, haben viele Leute sich „spontan“ für den Neukauf entschieden. Vielleicht hätte auch ein Betrag von weniger als 2.500 Euro ausgereicht, sie zum Kauf zu bewegen. Unsere Entscheidungen orientieren sich an kleinen, überschaubaren Schritten: marginale Veränderungen. Ein Volkswirt sagt: Ein Entscheidungsträger entscheidet sich dann und nur dann für eine bestimmte Aktion, wenn der Grenznutzen der Aktion die Grenzkosten übersteigt. Das bedeutet, dass der zusätzliche Nutzen, den der vorgezogene Kauf eines PKW stiftet, größer sein muss als der Preis, den Sie nach Abzug der Abwrackprämie noch bezahlen mussten. 4) Die Menschen reagieren auf Anreize Die „Abwrackprämie“ macht deutlich, wie sehr die Käufer diesen Preisvorteil zu schätzen wussten, sonst wäre der (kurzfristige) Erfolg nicht so durchschlagend gewesen. Das bedeutet, dass sich die Menschen bei ihren Entscheidungen von monetären Nutzen- und Kostenvorstellungen leiten lassen. Sicherlich stimmt das nicht in allen Fällen, aber in vielen, vor allem bei Aktionen auf Märkten. Das Verhalten der Akteure wird dadurch prognostizierbar und hilft damit den unternehmerischen Entscheidungen außerordentlich. Wie sollten Unternehmen sonst Preise kalkulieren? HDL Volkswirtschaftslehre kompakt – Mikroökonomie und Makroökonomie 11 5) Durch Arbeitsteilung und Handeln kann es jedem besser gehen Warum kaufen Haushalte überhaupt auf Märkten ein? Warum erstellen sie die Leistungen nicht selbst? Warum gibt es überhaupt Unternehmen, die etwas anbieten? Eine Unternehmung zielt auf Fremdbedarfsdeckung ab, d. h., eine Wohlfahrtseinrichtung ist zunächst dafür da, den Bedarf von Klienten und Auftraggebern zu befriedigen. Warum können die privaten Haushalte ihren Bedarf nicht selbst decken? Haushalte sind dadurch gekennzeichnet, dass sie nur ihren Eigenbedarf decken. Durch Arbeitsteilung haben sich die Menschen spezialisiert und können durch ihr vergrößertes Wissen und durch Austausch alle gemeinsam eine bessere Wohlfahrt erreichen. Fremdbedarfsdeckung ist dann erfolgreich, wenn sie mehr Nutzen stiftet als die Eigenbedarfsdeckung. Um die fremd produzierten Güter und Dienstleistungen absetzen zu können, müssen mindestens zwei Seiten tauschen können und tauschen wollen. 6) Märkte sind gewöhnlich gut für die Organisation des Wirtschaftslebens Warum vertraut man dem Markt? Preise informieren die Marktteilnehmer und tragen durch deren Handlungen zur Koordination unzähliger Entscheidungen bei. Preise spiegeln den individuellen und gesellschaftlichen Wert einer Leistung wider. Die unsichtbare Hand des Marktes steuert den Eigennutz der Marktteilnehmer durch den freien Wettbewerb der Kräfte. Auch wenn jeder Anbieter seinen Gewinn maximieren will, muss er die Aktionen seiner Konkurrenten berücksichtigen und mit den Reaktionen der Nachfrager rechnen. Fassen wir zusammen: Wirtschaften ist eine Zusammenfassung – planvolle, menschliche Tätigkeit – des Entscheidens zwischen Alternativen, – der Spezialisierung und – des Austauschs, – zum Zweck der Bedürfnisbefriedigung – bei knappen Mitteln. 1.3 Methodologische Grundlagen Die Wirtschaftswissenschaften sind Teil der Sozialwissenschaften und untersuchen das menschliche Handeln und seine Auswirkungen auf wirtschaftliche Vorgänge. Im Gegensatz zu den anderen Sozialwissenschaften orientiert man sich aber sehr stark an den formalwissenschaftlichen Gesetzen der Mathematik und naturwissenschaftlichen Gesetzen wie der Systemtheorie, Kybernetik oder sogar der Thermodynamik. Wenn es um die Weiterentwicklungen von Systemen und Institutionen geht, werden Anleihen bei der Evolutionstheorie genommen. Das verleiht der Ökonomik einen exakten Anspruch, der aber infolge der individuellen, situationsabhängigen und von psychischen wie soziologischen Bedingungen beeinflussten wirtschaftlichen Handlungen der Akteure keineswegs eingehalten werden kann. Zwar werden mit Hilfe von Schätzmo- HDL 12 Volkswirtschaftslehre kompakt – Mikroökonomie und Makroökonomie dellen die Wachstumsraten, die Arbeitslosigkeit oder aber auch das individuelle Verhalten von Marktteilnehmern prognostiziert. Diese Schätzungen basieren aber auf vielen expliziten und impliziten Annahmen. Ohne diese Prognosen kann aber eine Regierung weder eine Steuerschätzung vornehmen noch wichtige Reformgesetze einleiten. Wissenschaftliches Arbeiten in der Volkswirtschaftslehre ist deshalb gekennzeichnet durch: – Modellhafte Analyse von Entscheidungen, Märkten und Volkswirtschaften; – Ceteris-paribus-Annahme: Wir untersuchen die Veränderung von Variablen unter Konstanthaltung aller sonstigen Größen; – es gibt nur wenige Experimente; – die Theoriebildung ist zur Überprüfung von Hypothesen auf das Beobachten und Auswerten von Daten und Statistiken angewiesen. Folgendes Beispiel soll der Veranschaulichung des Modelldenkens dienen (s. B 1.3): Beispiel B 1.3 Eine Sozialarbeiterin kann in ihrer vorgegebenen Arbeitszeit (Budget 40 Stunden die Woche) Klienten beraten und Akten bearbeiten (s. Bild 1.2): Klienten beraten 10 C B 5 A 0 Bild 1.2 5 10 15 Akten bearbeiten Die Produktionsmöglichkeitskurve Es gibt unterschiedliche Kombinationsmöglichkeiten, die als Produktionsmöglichkeitskurve dargestellt werden. Kombinationen wie der Punkt A sind suboptimal, weil die Sozialarbeiterin mehr Klienten beraten und mehr Akten bearbeiten könnte. Der Punkt C ist nicht erreichbar in der vorgegeben Arbeitszeit. Optimal sind alle Punkte B auf der Möglichkeitskurve, die die Arbeitszeit voll ausschöpfen. HDL Volkswirtschaftslehre kompakt – Mikroökonomie und Makroökonomie 1.4 13 Der homo oeconomicus: Der Nutzenmaximierer Kaum eine Annahme der Volkswirtschaftslehre hat für so viel Kritik und Ablehnung gesorgt wie die Annahme, dass die Menschen Nutzenmaximierer seien. Um Aussagen über das menschliche Verhalten zu treffen, wird idealtypisch angenommen: dass Menschen umfassend über alle möglichen entscheidungsrelevanten Umstände informiert sind: Sie entscheiden stets sicher! Menschen können eine Vielzahl von Informationen fehlerfrei verarbeiten! Menschen können ihre Wünsche stets in eine widerspruchsfreie Rangordnung bringen: Sie entscheiden sich nicht heute so und morgen anders! Menschen wählen von allen Alternativen stets die für sie beste aus! Der Konsument sucht unter der Einschränkung seines begrenzten Einkommens immer die für ihn größtmögliche Nutzenkombination aus. Merksatz Ein Produzent setzt seine Produktionsfaktoren so ein, dass sie ihm stets einen möglichst großen Gewinn abwerfen (Eibner, 2003, Abschn. 1.2). Trotz dieser eingeschränkten Annahmen können viele Erklärungen gegeben werden, denen man ohne Weiteres zustimmen mag: Wenn die Preise sinken, fragen die Menschen mehr nach. Unternehmer versuchen, durch Optimierung ihrer Produktionsabläufe ihre Gewinnsituation zu verbessern. Man kann auch erklären, warum in Kartellen Preisabsprachen immer wieder von einzelnen Mitgliedern gebrochen werden – weil sie sich durch die Verletzung der Absprachen noch höhere Gewinne versprechen. Auch wenn die Annahme rationalen Verhaltens viele gute Erklärungsansätze geliefert hat, darf man die Verhaltensannahme nicht zur normativen Grundlage erklären, also zum „so soll es sein“. Diese Verhaltensannahme stellt keinen Imperativ dar, sondern zieht nur ein bestimmtes menschliches Verhalten mit ins Kalkül. Die „Behavioural Economics“ entwickeln den Ansatz rationalen Verhaltens weiter, indem sie annehmen, dass Menschen systematisch Fehler begehen, weil sie bei Informationsverarbeitung überfordert sind. Die interessante Frage ist, ob man solche Fehler prognostizieren und steuern kann. Faustregeln helfen den meisten Menschen dabei, grundsätzliche Entscheidungen zu treffen (Bofinger, 2006, S. 113). Zu langes Überlegen schadet nur. Die Informationsökonomie zeigt dagegen auf, welche Gefahren Märkten vor allem drohen, wenn eine Marktseite mehr Informationen als die andere hat und diese systematisch zu ihrem Vorteil ausnutzt. Die Existenz von NonprofitOrganisationen in besonders informatorisch heiklen Bereichen wie dem Gesundheits- oder dem Sozialbereich kann man dadurch begründen, dass man diesen mehr traut, weil sie keine Gewinne (insbesondere aus ihrem Informationsvorsprung) erzielen wollen. HDL