Springer-Lehrbuch Springer Berlin Heidelberg New York Hongkong London Mailand Paris Tokio Helmut Koch Einfuhrung in die Mathematik Hintergriinde der Schulmathematik Zweite, korrigierte und erweiterte Auflage Springer Professor Dr. Helmut Koch Humboldt-Universitat zu Berlin Institut fiir Mathematik ioogg Berlin Deutschland e-mail: [email protected] Mathematics Subject Classification (2000): 97-oi,ii-01 Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme BibliografischeInformation Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothekverzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblioarafie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet iiber <http:lldnb.ddb.de> abrufbar. ISBN 3-540-20391-5 Springer-VerlagBerlin Heidelberg New York ISBN 3-540-43022-9 1. Auflage Springer-VerlagBerlin Heidelberg New York Dieses Werk ist urheberrechtlich geschiitzt. Die dadurch begriindeten Rechte, insbesondere die der Obersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags,der Entnahmevon Abbildungenund Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmungoder der Vervielfdtigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen,bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfdtigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulbsig. Sie ist grundsatzlich vergiitungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer-Verlagist ein Unternehmen von Springer Science+BusinessMedia @ Springer-VerlagBerlin Heidelberg 2002, zoo4 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daD solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebungals frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden diirften. Satz: Datenerstellung durch den Autor unter Venvendung eines Springer Tfi-Makropakets Einbandgestaltung: design &production GmbH, Heidelberg Gedruckt auf saurefreiem Papier 401314zck - 5 4 3 2 1 o Vorwort zur zweiten Auflage Auf vielfachen Wunsch habe ich fur die zweite Auflage ein zusatzliches Kapitel mit Losungen der Aufgaben geschrieben. In vielen Fallen wird der Losungsweg detailliert beschrieben. Andererseits bleiben einige Aufgaben, bei denen die Losung unmittelbar hingeschrieben werden kann, unerwahnt. Im ubrigen wurde der Text der ersten Auflage, abgesehen von der Berichtigung einiger Druckfehler und Unstimmigkeiten, unverandert iibernommen. Ich danke Joachim Naumann fur wertvolle Hinweise und wiederum Peter Pelikan fiir seine Hilfe bei der Endredaktion. Berlin, im November 2003 Helmut Koch Vorwort Das vorliegende Buch wendet sich an Leser, die einen Einblick in die Mathematik als einen Bestandteil unserer Kultur gewinnen mochten. Daher ist es auf das Grundsatzliche ausgerichtet und lasst Anwendungen fast ganz beiseite. Es orientiert sich am Schulstoff, geht aber uber diesen hinaus und hinterfragt ihn. Einerseits wird in diesem Buch nur die Kenntnis der Mathematik, die in allgemeinbildenden Schulen bis etwa zur achten Klasse vermittelt wird, vorausgesetzt; andererseits wird die Bereitschaft und Fahigkeit des Lesers zur aktiven Mitarbeit erwartet, ohne die ein Eindringen in den Geist der Mathematik unmoglich ist. Ein grofier Teil des Inhalts dieses Buches kommt im Curriculum fiir Studierende der Mathematik und erst recht von anderen Disziplinen, die an Universitaten gelehrt werden, nicht vor. Das Buch durfte daher als Zusatzliteratur fur Studierende, die an Mathematik interessiert sind, geeignet sein. In den ersten vier Kapiteln wird die Entwicklung des Zahlbegriffs, angefangen von der Reihe der naturlichen Zahlen, die aufzusagen wir im Kleinkindalter erlernen, bis hin zu den reellen Zahlen, dargestellt. Das funfte Kapitel gibt eine Darstellung der Geometrie der Ebene, die sich an das erste Buch der Elemente des Euklid von Alexandria anschliefit. Der dort gegebene axiomatische Aufbau wurde richtungsweisend fur die gesamte Mathematik. Die Idee besteht darin, die einfachsten Gegebenheiten einer Theorie in Form von Axiomen zu formulieren, deren Inhalt der Leser als offensichtlich richtig empfindet, um daraus alles ubrige mit logischen Schliissen abzuleiten. Dieses Prinzip wird im vorliegenden Buch konsequent durchgefuhrt: Unsere Axiome betreffen einerseits die Reihe der naturlichen Zahlen (Kapitel 1) und andererseits die Punkte der Ebene (Kapitel 5). Die Kapitel 6 bis 8 bieten eine Mischung von Geometrie und reeller F'unktionentheorie: Die geometrische Realisierung einer Funktion ist eine ebene Kurve. Umgekehrt ist eine ebene Kurve durch eine Funktion definiert. Im Kapitel9 wird der Zahlbegriff mit den komplexen Zahlen zum Abschlufi gebracht. Schliefilich ist das zehnte Kapitel der nicht-euklidischen Geometrie gewidmet. Das genauere Programm des Buches wird in der Einleitung beschrieben. Eine Reihe von Kollegen haben Teile des Manuskriptes gelesen und wertvolle Anregungen fur Verbesserungen und Berichtigungen gegeben. Ich danke insbesondere Ursula Bahr, Ingmar Lehmann, Wladislaw Narkiewicz, Florin Nicolae und Wolfgang Schulz fur ihre Hilfe. Mein Dank gilt auch Bianca Wust fur die Herstellung des Textes als Latex-File und den Studenten Oliver Kutz und Peter Pelikan fur ihren Beistand bei der Herstellung der Abbildungen und der Endredaktion. In die Gestaltung des Buchumschlags wurde die Computer-Grafik Tzflany lamp von Erwin P. Stoschek und Dagmar Schonfeld aufgenommen, denen ich fur die Erlaubnis danke, diese Grafik verwenden zu durfen. Berlin, im Dezember 2001 Helmut Koch Inhaltsverzeichnis Einleitung .................................................... 1 1 Natiirliche Zahlen ........................................ 1.1 Zahlen ................................................ 1.2 Die Nachfolgerbeziehung ................................ 1.3 Bezeichnungen fur naturliche Zahlen ...................... 1.4 Mengen und Abbildungen von Mengen .................... 1.5 Axiome fur die Nachfolgerbeziehung ...................... 1.6 Definition und Beweis durch vollst2indige Induktion ......... 1.7 Grundregeln der Addition ............................... 1.8 Kleinerbeziehung und Subtraktion ........................ 1.9 Addition, Folgerungen aus den Grundregeln ................ 1.10 Definition der Multiplikation ............................. 1.11 Die Grundregeln der Multiplikation und das Distributivgesetz 1.12 Teilerbeziehung und Division . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.13 Division mit Rest und euklidischer Algorithmus ............ 1.14 Grofiter gemeinsamer Teiler und kleinstes gemeinsames Vielfaches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.15 Potenzen .............................................. 1.16 Das Summen- und Produktzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Die 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 2.9 2.10 2.11 2.12 0 und die ganzen Zahlen .............................. 43 Die romischen Zahlzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Die Einfuhrung der 0 ................................... 44 Der Zahlenstrahl und die geometrische Reihe . . . . . . . . . . . . . . . 47 Negative Zahlen ........................................ 48 Beweis der Rechengesetze der Addition und Multiplikation . . . 51 Die Kleinerbeziehung im Bereich der ganzen Zahlen . . . . . . . . . 57 Die Potenzen von ganzen Zahlen ......................... 58 Variation uber das Thema ,,Beweis durch vollstandige Induktion" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Positionssysteme ....................................... 63 Die Grundrechenarten in einem Positionssystem ............ 66 Lineare Diophantische Gleichungen ....................... 72 Der Satz von der eindeutigen Primzahlzerlegung . . . . . . . . . . . . 77 VIII Inhaltsveraeichnis 2.13 2.14 2.15 2.16 Folgerungen aus der eindeutigen Primzahlzerlegung . . . . . . . . . 79 Teilbarkeitsregeln....................................... 81 Der kleine Fermatsche Satz .............................. 84 Public Key Cryptology .................................. 86 3 Rationale Zahlen .........................................89 3.1 Definition der rationalen Zahlen als Aquivalenzklassen geordneterpaare ............................................ 90 3.2 Definition von Addition und Multiplikation rationaler Zahlen 93 3.3 Die Rechengesetze fur rationale Zahlen .................... 95 3.4 Die Bruchrechnung ..................................... 97 3.5 Potenzen von rationalen Zahlen .......................... 99 3.6 Die Kleinerbeziehung fur rationale Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 3.7 Positionsbruche ........................................106 3.8 ~ b e die r Perioden der Positionsdarstellungen rationaler Zahlenll2 3.9 Die Summe der m-ten Potenzen ..........................116 3.10 Irrationale Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 4 Reelle Zahlen .............................................123 4.1 Fundamentalfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 4.2 Definition der reellen Zahlen .............................128 4.3 Die Grundrechenoperationen mit reellen Zahlen . . . . . . . . . . . . 129 4.4 Die Kleinerbeziehung fur reelle Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 4.5 Unendliche Positionsbruche ..............................133 4.6 Vollstiindigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .137 4.7 Wurzeln ............................................... 139 4.8 Potenzen mit rationalen Exponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .143 4.9 Potenzen mit reellen Exponenten .........................145 4.10 Unendliche Summen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .149 4.11 Beschrankte Zahlmengen ................................151 5 Euklidische Geometric der Ebene .........................155 5.1 Das Inzidenzaxiom und das Abstandsaxiom ................ 156 5.2 Strecken. Strahlen und konvexe Mengen ...................159 5.3 Winkel und Dreiecke ....................................162 5.4 Winkelmessung ........................................165 5.5 Kongruenz .............................................167 5.6 Parallelen und Senkrechte ............................... 171 5.7 Das Parallelenaxiom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 5.8 Ahnlichkeit von Dreiecken ...............................176 5.9 Rechtwinklige Dreiecke ..................................179 5.10 Kreise .................................................183 5.11 Koordinatensysteme .................................... 188 5.12 Bewegungen ........................................... 195 Inhaltsverzeichnis IX 6 Reelle Funktionen einer Veranderlichen ................... 197 6.1 Polynomfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 6.2 Stetige Funktionen .....................................200 6.3 Der Satz von Bolzano ...................................202 6.4 Die Umkehrabbildung ...................................206 6.5 Streng monotone Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 6.6 Die Definition des Differentialquotienten ...................211 6.7 Differentiationsregeln ...................................216 6.8 Potenz, Exponentialfunktion und Logarithmus ............. 219 6.9 Der Mittelwertsatz .....................................226 6.10 Potenzreihenentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .229 6.11 Extremwerte einer Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .234 6.12 Berechnung von Grenzwerten mit Hilfe des Differentialquotienten .................................................236 7 MaB undIntegra1 .........................................241 7.1 Teilmengen der euklidischen Ebene .......................241 7.2 Dreiecke ............................................... 244 .............................................. 7.3 Polygone 247 7.4 MeGbare Teilmengen der euklidischen Ebene ............... 255 7.5 Die Kreisscheibe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .258 7.6 Das bestimmte Integral .................................263 7.7 Der Hauptsatz der Integralrechnung ...................... 268 7.8 Weitere Regeln fiir den Umgang mit Integralen ............. 269 7.9 Die Kurvenlange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .272 7.10 Die Bogenlgnge des Kreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .279 7.11 Das Cartesische Model1 der euklidischen Geometrie . . . . . . . . . 284 7.12 Verifikation der Axiome E.l bis E.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 7.13 Kurvenlhge und Bewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .286 7.14 Verifikation von Axiom E.5 ..............................289 8 Trigonometric 9 8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6 ............................................291 Die trigonometrischen Funktionen ........................291 Die Additionstheoreme der trigonometrischen Funktionen . . . . 294 Die Ableitung der trigonometrischen Funktionen . . . . . . . . . . . 296 Die Umkehrfunktionen der trigonometrischen Funktionen .... 298 Dreiecksberechnungen ...................................300 Drehungen ............................................. 304 Die 9.1 9.2 9.3 9.4 9.5 komplexen Zahlen .................................... 307 Quadratische Gleichungen ...............................308 Die Definition der komplexen Zahlen ......................309 Polarkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 Komplex-konjugierte Zahlen .............................313 Die Analysis der komplexen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .314 X Inhaltsverzeichnis 9.6 9.7 9.8 9.9 9.10 9.11 9.12 Komplexe Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .316 Der sogenannte Hauptsatz der Algebra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .317 Polynome mit Koeffizienten in Zahlkorpern ................319 Rationale Funktionen mit Koeffizienten in Zahlkorpern . . . . . . 323 Gleichungen dritten Grades mit komplexen Koeffizienten . . . . 326 Gleichungen dritten Grades mit reellen Koeffizienten . . . . . . . . 329 Potenzreihen ...........................................330 10 Nicht-euklidische Geometrie ..............................335 10.1 Das Poincar6sche Model1 der nicht-euklidischen Geometrie . . . 336 10.2 Der nicht-euklidische Abstand zweier Punkte . . . . . . . . . . . . . . . 337 10.3 Nicht-euklidische Bewegungen ............................340 10.4 Das Trennungsaxiom .................................... 344 10.5 Nicht-euklidische Winkelmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 10.6 Das Kongruenzaxiom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 10.7 Der n.-e. Satz des Pythagoras . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 11 Losungen der Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 Literaturverzeichnis ..........................................393 Index .........................................................395 Symbolverzeichnis ...........................................395 Sachwortregister ............................................ 399 Namensregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .405 Einleitung Das Anliegen dieses Buches Obwohl die Mathematik, mit dem Einzug der Rechentechnik und elektronischen Datenverarbeitung in so gut wie alle Lebensbereiche, eine wachsende Rolle in der modernen Gesellschaft spielt, ist sie noch immer im Bewusstsein der meisten Menschen, die diese Gesellschaft bilden, abwesend. Offenbar vermittelt der Mathematikunterricht an unseren allgemeinbildenden Schulen kein Bild davon, was Mathematik uberhaupt ist. Man vermutet, sie sei etwas schrecklich Trockenes, das man glucklicherweise mit der Beendigung der Schule hinter sich gebracht hat. Diese Situation wird in erstaunlich kompetenter Weise in einem Vortrag dargestellt, den der Dichter und Philosoph Hans Magnus Enzensberger 1998 vor dem Internationalen Mathematiker Kongress in Berlin gehalten hat [En1999]. Dieser Vortrag bildete den letzten Anstoti fur mich, dieses Buch iiber die Schulmathematik zu schreiben. Dabei schwebte mir ein Leser vor, der bereit ist, mitzudenken und sich Schritt fur Schritt in die Gedankenwelt der Mathematik einzuarbeiten. Die Konzeption des Buches ergab sich aus einer Reihe von uberlegungen: 1. Der Schulstoff der Mathematik ist ebenso faszinierend wie die Mathematik, die man in der Universitat erlernt. Insbesondere, wenn man in einigen Punkten ein wenig uber den Schulstoff hinausgeht. 2. Die Mathematik ist kein trockenes Regelwerk, das man muhsam auswendig zu lernen hat, urn es nach der Prufung gleich wieder zu vergessen. Sie ist ein logisches Gebaude, in dem alles bewiesen wird und eine Tatsache aus der anderen folgt. Das bedeutet, bis zum Ende durchdacht, dass dieses Buch mit der Mathematik zu beginnen hat, die ein dreijahriges Kind zusammen mit dem Sprechen erlernt, der Zahlenreihe 1,2,3, . . .. Aller Umgang mit Zahlen muss daraus abgeleitet werden. Die Mathematik erwachst aus der Zahlenreihe wie eine Pflanze aus ihrem Keim: Aus der Zahlenreihe ergibt sich die Addition und aus der wiederholten Addition die Multiplikation der naturlichen Zahlen. Als Umkehrung der Addition und Multiplikation erhalt man die Subtraktion und die Division, die jedoch nur unter gewissen Voraussetzungen fur die beteiligten Zahlen 2 Einleitung ausfuhrbar sind: Die Subtraktion a - b ist nur moglich, wenn a grofier als b ist und die Division a : b ist nur moglich, wenn b ein Teiler von a ist. Um die Subtraktion fur alle Zahlen durchfuhren zu konnen, muss man den Bereich der Zahlen von den naturlichen Zahlen auf die ganzen Zahlen erweitern. Diese Erweiterung ist eindeutig, wenn die Erhaltung der fundamentalen Rechenregeln der Assoziativitat und Kommutativitat von Addition und Multiplikation sowie des Distributivgesetzes verlangt wird. Entsprechendes gilt fur die Erweiterung des Bereiches der ganzen Zahlen zum Bereich der rationalen Zahlen, fur die endlich die vier Grundrechenarten, abgesehen von der Division durch 0, unbeschrankt ausfuhrbar sind. Wenden wir uns nun den Potenzen und deren Umkehrung, den Wurzeln, zu, so sehen wir, dass selbst eine so einfache Aufgabe wie das Ziehen der Quadratwurzel aus 2 im Bereich der rationalen Zahlen unmoglich ist. Dagegen kann man 2 durch das Quadrat von einer rationalen Zahl beliebig gut approximieren. Hieraus ergibt sich das Konzept der Folgen rationaler Zahlen, die gegen eine neue Art von Zahlen, die reellen Zahlen, konvergieren. Im Bereich der reellen Zahlen sind alle vier Grundrechenarten, abgesehen von der Division durch 0, unbeschrankt ausfuhrbar und aus positiven Zahlen lassen sich beliebige Wurzeln ziehen. Aber es gibt immer noch Gleichungen in einer Unbekannten der Form mit reellen Koeffizienten a l , . . . ,a,, die keine Losung haben. Das einfachste Beispiel ist x2 1 = 0. Daher muss man auch den Bereich der reellen Zahlen noch erweitern zum Bereich der komplexen Zahlen. Die komplexen Zahlen haben schliefilich alle wunschbaren Eigenschaften, solange wir die Erhaltung der Assoziativitat und der Kommutativitat sowie des Distributivgesetzes fordern. In der Mathematik werden auch andere Zahlbereiche betrachtet, worauf wir in diesem Buch aber nicht eingehen. 3. Ein wesentlicher Teil der Faszination, die von der Mathematik ausgeht, kommt her von der Kombination von Zahl und Geometrie. Das bedeutet, dass Geometrie in der gleichen Strenge zu entwickeln ist wie der Zahlbegriff. Wir beschranken uns dabei in diesem Buch auf die Ebene. Der axiomatische Aufbau der Geometrie im ersten Buch der Elemente von Euklid, welche den Stand der Mathematik im dritten vorchristlichen Jahrhundert wiedergeben, blieb richtungsweisend bis ins 19. nachchristliche Jahrhundert. Ein wesentlicher Punkt war die Frage nach der Beweisbarkeit des Parallelenaxioms, die schliefilich in der ersten Halfte des 19. Jahrhunderts durch G a d , Lobatschewski und Bolyai durch die Erschaffung der nicht-euklidischen Geometrie negativ beantwortet wurde. Allerdings wurde sowohl die Existenz der euklidischen wie auch der nicht-euklidischen Geometrie erst durch die Konstruktion von Modellen auf der Grundlage der reellen Zahlen in der zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts bewiesen. + Einleitung 3 4. Einige mathematische Zusammenhange, die mich in der Schulzeit fasziniert haben und dazu fiihrten, dass ich begann, mich in einem grofien Teil meiner Freizeit mit Mathematik zu beschaftigen, sind die folgenden: A) Die Exponentialfunktion ex zur Basis e, wobei e z 2,71828 eine Zahl ist, die erst im Zusammmenhang mit der Ableitung der Exponentialfunktion auftaucht, hat zwei bemerkenswerte Eigenschaften: Sie ist gleich ihrer eigenen Ableitung, und sie lafit sich in Form einer unendlichen Potenzreihe schreiben: dabei bedeutet n!das Produkt der Zahlen 1,2,. . . , n. Die folgende Tabelle 1 zeigt, wie sich die Polynome mit wachsendem n mehr und mehr an die Funktion ex anschmiegen: Tabelle 1 In Tabelle 1werden die Werte der Funktionen ex und cpn(x) mit einer Genauigkeit von vier Stellen nach dem Komma angegeben. B) Die Zahl 7r ist ursprunglich eine geometrische Grofie. Sie ist der Flacheninhalt des Kreises mit dem Radius 1 und gleichzeitig ist 27r die Lange der zugehorigen Kreislinie. Leibniz entdeckte die folgende unendliche Reihe fur 2: C) Die trigonometrischen Funktionen cos cu und sin a sind zunachst ihrer Definition nach ebenfalls geometrische Grofien, die von einem Winkel a im Gradmafi abhangen, wobei einem rechten Winkel das Mafi 90" zukommt. Wenn man die Ableitungen dieser Funktionen berechnen will, so sieht man, dass es gunstiger ist, zum Bogenmafi iiberzugehen, 4 Einleitung d.h. dabei ist das MaB eines rechten Winkels gleich der Lange des entsprechenden Bogens des Einheitskreises, also ~ / 2 Schreiben . wir fur die so normierten Funktionen sin x und cos x, so'gilt Diese Reihendarstellungen erinnern an die Reihendarstellung der Exponentialfunktion. Fuhrt man komplexe Zahlen mit Hilfe einer GroBe i mit der Eigenschaft i2 = -1 ein, so findet man cosx + i s i n x = eZx. D) Gewisse Dreieckskonstruktionen fuhren auf quadratische Gleichungen mit Mittelglied. Diese lassen sich leicht losen. Wie kann man aber Gleichungen dritten, vierten Grades usw. losen? Alle dargestellten mathematischen Zusammenhange gehen in der Tat ein wenig uber die Schulmathematik hinaus, aber eben nur ein wenig. Sie sollen unter anderem in diesem Buch dargestellt werden. Der inhaltliche Aufbau des Buches Aus den obigen uberlegungen ergab sich fast zwangslaufig der Aufbau des Buches in zehn Kapiteln. Ein elftes Kapitel enthalt die Losungen der Aufgaben. Kapitel 1. Natiirliche Zahlen Das sind die Zahlen der Reihe 1,2,3,. . .. Hier steht uns zunachst als Beweishilfsmittel fast nur die vollstandige Induktion zur Verfugung. Wir haben also zuerst den Umgang mit ihr zu erlernen, gleichzeitig miissen wir lernen, was ein mathematischer Beweis ist. Dieser Anfang mag fur den Leser das schwierigste Stuck Arbeit mit dem Buch sein. Er sollte daher nicht gleich aufgeben, hat er das erste Kapitel bewaltigt, so hat er alle Voraussetzungen, auch die folgenden zu verstehen. Der Aufbau der Arithmetik der naturlichen Zahlen aus der Zahlenreihe findet sich in E. Landaus Buch Grundlagen der Analysis, Leipzig 1930. Dieses Buch ist jedoch im "Landauschen Telegrammstil" geschrieben und daher fur den Anfanger ganz ungeeignet. Kapitel 2. Ganze Zahlen Hier werden die 0 und die negativen Zahlen den naturlichen Zahlen hinzugefugt. Die Einfuhrung der 0 und damit der Positionsschreibweise der naturlichen Zahlen war eine epochale Erfindung indischer Mathematiker etwa im Einleitung 5 5. Jahrhundert, genauer ist dies der Endpunkt einer Entwicklung, die mindestens im alten Babylon begann. Ebenso alt ist das Experimentieren mit negativen Grofien. Zu einer allgemeinen Akzeptanz der negativen Zahlen kam es jedoch erst im 19. Jahrhundert. Kapitel 3. Rationale Zahlen Hier geht es um den Umgang mit Bruchen. Wahrend wir die ganzen Zahlen durch Hinzufugung der 0 und der negativen Zahlen zu den naturlichen Zahlen gedanklich in einfacher Weise erhalten konnen, ist dies fur die Gewinnung der rationalen aus den ganzen Zahlen nicht mehr der Fall. Schon in der Hauptschule muss der Schuler akzeptieren, dass eine rationale Zahl auf unendlich viele Weisen als ein Bruch dargestellt werden kann. Man spricht in diesem Fall in der Universitatsmathematik von einer rationalen Zahl als e Zahlenpaaren. In der Tat ist es in der Univereiner ~ ~ u i v a l e n z k l a s swon sitat ublich, auch die ganzen Zahlen als ~~uivalenzklassen (Differenzen) von Paaren naturlicher Zahlen einzufuhren. Ich folge hier (nach einigem Experimentieren) der Methode in der Schule, die begriffsmafiig einfacher ist. Die Einfuhrung neuer Objekte als Aquivalenzklassen von schon bekannten Objekten stellt ein wichtiges Handwerkszeug der modernen Mathematik dar. Sie 1 s t sich sicher leichter aneignen an einem Beispiel (den rationalen Zahlen), bei dem sie dem Leser aus der Schule prinzipiell bereits bekannt ist. Kapitel 4. Reelle Zahlen Als vorlaufige Kronung des Aufbaus des Zahlenreiches werden die reellen Zahlen mit Hilfe von ~quivalenzklassenvon Fundamentalfolgen eingefuhrt. Dies mag abstrakter sein als Dedekindsche Schnitte, ist aber einerseits gunstiger fur die Einfuhrung der Rechenregeln und andererseits nicht abstrakter als die Einfuhrung der rationalen Zahlen in Form von ~~uivalenzklassen von Zahlenpaaren, d.h. von Bruchen, die man den Schiilern der sechsten Klasse der Hauptschule zumutet. Im Kapitel 1 werden das Assoziativ- und Kommutativgesetz der Addition und Multiplikation sowie das Distributivgesetz bewiesen. Bei den Erweiterungen des Zahlbereichs in den Kapiteln 2, 3 und 4 wird gezeigt, dass diese Erweiterungen eindeutig bestimmt sind, wenn man die Erhaltung dieser Gesetze verlangt. Hierzu gehort insbesondere die vieldiskutierte Regel, dass das Produkt zweier negativer Zahlen positiv ist, allgemeiner fiir beliebige Zahlen a und b. Die Tatsache, dass eine Erweiterung des Zahlbereiches unter Erhalt der oben genannten Gesetze moglich ist, ist keineswegs trivial, vielmehr ist sie Ausdruck einer prastabilisierten Harmonie im Reiche der Zahlen. Kapitel 5. Euklidische Geometrie der Ebene Es wird ein axiomatischer Aufbau der euklidischen Geometrie der Ebene gegeben, wobei die Axiome des Euklid durch ein Trennungs-, ein Langen- und 6 Einleitung ein Winkelaxiom erganzt werden. Dieser Aufbau lehnt sich starker an das euklidische Original an als Hilberts Grundlagen der Geometrie, die 1899 erschienen. Er kann auf G.D. Birkhoff's Arbeit A Set of Postulates for Plane Geometry Based on Scale and Protractor aus dern Jahre 1932 zuruckgefuhrt werden. Unsere Darstellung folgt dern Buch von G.E. Martin The Foundations of Geometry and the Non-Euclidean Plan [Ma1996]. Ebenso wie im ersten Buch der Elemente des Euklid wird das Parallelenaxiom zunachst zuruckgehalten und damit wird neben der euklidischen auch die nicht-euklidische Geometrie vorbereitet. Letztere wird anhand des Poincarc!schen Modells im Kapitel10 angedeutet. Ebenso wie im ersten Buch der Elemente des Euklid geht unser Aufbau bis zum Satz des Pythagoras. Es folgen dann aber noch die Einfuhrung von Koordinaten nach Descartes und von Bewegungen. Kapitel 6. Reelle Funktionen einer Veranderlichen In diesem Kapitel flieflen Arithmetik und Geometrie zusammen im Begriff der Funktion und ihrer geometrischen Realisierung als Kurve. Der Differentialquotient wird zunachst als Anstieg der Tangente an die Kurve eingefuhrt. ~ b e den r Schulstoff hinaus fuhrt der Beweis der Taylorschen Entwicklung fur eine Funktion mit geniigend guten Eigenschaften. Dies laflt sich verhaltnismafiig kurz im Anschluss an Mathematik aus dern Schulstoff darstellen und gehort zu den interessantesten Ergebnissen der durch Newton und Leibniz angestofienen Entwicklung der Theorie der reellen Funktionen. Kapitel 7. MaB und Integral Dieses Kapitel beginnt mit einer rein geometrischen Betrachtung des Flacheninhalts von Polygonen und komplizierteren Figuren auf der Grundlage von Kapitel 5. Insbesondere wird die Zahl T als Flacheninhalt des Einheitskreises eingefuhrt und das bestimmte Integral als Flacheninhalt definiert. Es folgt eine rein arithmetische Einfuhrung des Integralbegriffs und der Vergleich mit dern bestimmten Integral. Weiter wird die Lange einer ebenen Kurve geometrisch eingefuhrt und anschlieflend durch das Kurvenintegral beschrieben. Dies liefert die Grundlage fur den exakten Beweis, dass der Umfang des Einheitskreises gleich dern doppelten Inhalt der Kreisflache ist. Das Kapitel schlieflt mit dern Beweis, dass das in Abschnitt 5 eingefuhrte cartesische Koordinatensystem zu einem Model1 der euklidischen Geometrie der Ebene fuhrt. Das bedeutet insbesondere, dass wir damit alle Mathematik, die in diesem Buch vorkommt, aus der Reihe der naturlichen Zahlen abgeleitet haben. Kapitel 8. Trigonometrie Das Kapitel beginnt mit der geometrischen Definition der Winkelfunktionen sin a , cos a , tan a und cot a. Es folgen Ableitung und Reihenentwicklung der Winkelfunktionen, die damit als von der Geometrie unabhangige Funktionen gegeben sind. Weiter werden die Umkehrfunktionen der trigonometrischen Einleitung 7 Funktionen betrachtet und die trigonometrischen Satze uber Dreiecke abgeleitet. Kapitel 9. Komplexe Zahlen und algebraische Gleichungen Die komplexen Zahlen wurden erst im 19. Jahrhundert als mathematische Objekte anerkannt, obgleich ihre formale Einfuhrung (als Paare reeller Zahlen) vie1 einfacher ist als die Einfuhrung der rationalen oder reellen Zahlen. Die komplexen Zahlen werden in diesem Buch in Abschnitt 9.1 definiert. Die nachsten Abschnitte behandeln Polynome in einer Unbestimmten und die Losung der zugehorigen algebraischen Gleichungen. Besondere Aufmerksamkeit gelten den Gleichungen zweiten und dritten Grades. Das Kapitel schliefit mit dem Beweis des Fundamentalsatzes der Algebra und Folgerungen aus diesem Satz. Kapitel 10. Nicht-euklidische Geometrie Wir beschranken uns hier im wesentlichen auf eine ausfiihrliche Darstellung des Poincarkschen Modells fur die nicht-euklidische Geometrie der Ebene mit Beweis samtlicher Axiome und des nicht-euklidischen Satzes des Pythagoras. Weitere Satze werden in Form von ubungsaufgaben dargestellt. Dabei wird deutlich, dass wir uns in einer bezuglich der euklidischen Geometrie vollig andersgearteten aber dennoch sehr harmonischen Welt befinden. Hintergriinde der Schulmathematik Der Untertitel "Hintergrunde der Schulmathematik" sol1 andeuten, dass die grundlegenden Satze der Mathematik, die im Schulunterricht als gegeben hingenommen werden, hier bewiesen werden. Es bedeutet nicht, dass wir uns mit den Grundlagen der Mathematik im Sinne der mathematischen Logik befassen. Vielmehr begnugen wir uns hier mit der "Wald- und Wiesenlogik", d.h. der Logik des gesunden Menschenverstandes, die allerdings in dem folgenden Abschnitt prazisiert wird. Wir betrachten die Mengenlehre, die in der Didaktik der letzten Jahrzehnte eine so grofie Rolle gespielt hat, nur als eine prazise Sprechweise fur Sachverhalte der Mathematik. Das Buch wendet sich an jedermann, der eine Zehnklassenbildung erfolgreich absolviert hat, und gewillt ist, die Energie aufzubringen, sich aktiv mit Mathematik zu beschaftigen. Es enthalt das Material, das jeder Mathematiklehrer beherrschen sollte und durfte daher insbesondere als Grundlage fur eine Vorlesung fur Lehramtskandidaten geeignet sein. Schliefllich sollte das Buch auch fur Diplom-Mathematiker interessant sein, da ein grofier Teil seines Inhalts im Lehrplan fur Diplomanden nicht vorkommt. Eine unuberschaubare Menge von Buchern ist der Popularisierung der Mathematik gewidmet. Allen diesen Buchern ist gemeinsam, dass sie schon voraussetzen, dass man Mathematik kennt, und dass sie versuchen auf dieser Grundlage einzelne Aspekte deutlich zu machen. So wird der Eindruck 8 Einleitung erweckt, dass man in die Mathematik als gemutliche Freizeitbeschaftigung eindringen kann. Aber es gibt keinen Konigsweg in die Mathematik. Will man ihren inneren Aufbau verstehen, ist harte, konzentrierte Arbeit erforderlich. Wer hierzu bereit ist, dern sei das vorliegende Buch empfohlen. Der formale Aufbau des Buches Zu Beginn des Buches werden alle Begriffe sehr sorgfaltig eingefuhrt und alle Beweise sehr ausfuhrlich ausgefuhrt. Dies wurde auf die Dauer ermudend sein. In dern Mafie wie der Leser den Umgang mit Mathematik erlernt, wird die Darstellung kurzer. Schon von der Schule her hat man sich den Gebrauch des Assoziativitatsgesetzes und anderer Gesetze beim Operieren mit Zahlen soweit eingepragt, dass man sich nicht mehr Rechenschaft daruber ablegt, welches Gesetz man gerade anwendet. So werden wir auch in spateren Abschnitten darauf verzichten, diese und ahnliche grundlegende mathematische Beziehungen, die sich der Leser bereits eingepragt hat, zu zitieren. Dagegen werden alle vorhergehenden Satze, die fur das Verstandnis des Beweises wichtig sind, mit ihrer Nummer oder mit ihrem individuellen Namen genannt. Die Definition einmal eingefuhrter Begriffe wird im allgemeinen nicht wiederholt. 1st dern Leser ein auftretender Begriff unklar, so kann er im Stichwortverzeichnis nachsehen, wo die Seite, auf welcher der Begriff definiert wird, angegeben ist. Am Ende der meisten Abschnitte des Buches stehen Aufgaben. Diese dienen einerseits der Einpragung der in dern entsprechenden Abschnitt eingefuhrten Begriffe und Satze. Andererseits werden weitere mathematische Ergebnisse als Aufgaben aufbereitet und so dern Leser in Kurzform zuganglich gemacht. Diese Aufgaben erfordern zu ihrer Losung im allgemeinen einen starkeren geistigen Einsatz als die erstgenannten. Das Buch bemiiht sich, den naturlichen Fluss der Sprache beizubehalten, trotzdem haben wir einige immer wiederkehrende Phrasen abgekurzt. Hierzu gehoren z.B. = zum Beispiel, U.S.W.= und so weiter, 0.B.d.A. = ohne Beschrankung der Allgemeinheit, bzw. = beziehungsweise, d.h. = das heifit. Die mathematischen Lehrsatze des Buches sind kapitelweise durchnumeriert. Im allgemeinen folgt auf den Satz sein Beweis. Das Ende des Beweises ist durch das Zeichen markiert. In einigen Fallen geht jedoch der Beweis dern Satz voraus. Dann steht das Zeichen direkt hinter dern Wortlaut des Satzes. Dies gilt auch fiir die Falle, in denen der Beweis dern Leser als ubungsaufgabe uberlassen wird. Zusatzliche Informationen zu Lehrsatzen werden oft unter der Bezeichnung "Bemerkung" dargestellt. Das Ende der Bemerkung wird manchmal ebenfalls durch gekennzeichnet. In einigen Fallen werden logische Zusammenhhge praziser bezeichnet als dies in der Umgangssprache ublich ist. Seien a und b zwei Aussagen. Dann bedeutet "es gilt a oder b", dass eine der beiden Aussagen a und b richtig ist. Es konnen auch beide Aussagen richtig sein. Will man dagegen sagen, dass eine der beiden Aussagen a und b aber nicht beide zugleich richtig sind, Einleitung 9 so sagt man "es gilt entweder a oder b". Zum Beispiel ist die Aussage "2 ist kleiner als 3 oder 3 ist kleiner als 4" richtig, aber die Aussage "es gilt entweder 2 ist kleiner als 3 oder 3 ist kleiner als 4" ist falsch. "Aus a folgt b" bedeutet, dass b richtig ist, falls a richtig ist. Insbesondere gilt "aus a folgt b" immer dann, wenn a falsch ist. In diesem Sinne ist die Aussage "aus 3 ist kleiner als 2 folgt 4 ist kleiner als 3" richtig, aber die Aussage "aus 2 ist kleiner als 3 folgt 4 ist kleiner als 3" ist falsch. Wenn a aus b und b aus a folgt, so fasst man dies zusammen, indem man sagt " a gilt genau dann, wenn b gilt" oder "a gilt dann und nur dann, wenn b gilt". Man sagt auch, dass die Aussagen a und b aquivalent sind. Die Kontraposition einer Aussage der Form aus a folgt b lautet aus nicht b folgt nicht a. Die Kontraposition gilt genau dann, wenn die ursprungliche Aussage gilt. Formelzeilen, die im darauf folgenden Text zitiert werden, sind durch zwei durch einen Punkt getrennte Zahlen gekennzeichnet, die in Klammern eingeschlossen sind. (3.2) bedeutet die zweite gekennzeichnete Formelzeile des dritten Kapitels. Die Kapitel sind in Abschnitte eingeteilt. Ein Hinweis auf den sechsten Abschnitt im vierten Kapitel wird kurz durch "Abschnitt 4.6" gekennzeichnet. Entsprechend bedeutet "Abb. 5.7" den Hinweis auf die siebente Abbildung im fiinften Kapitel und "Aufgabe 3.3.1" bedeutet den Hinweis auf die Aufgabe 1 im Abschnitt 3.3. Arbeiten und Bucher, auf die verwiesen wird, werden mit den Anfangsbuchstaben der Verfasser und dem Erscheinungsjahr im laufenden Text angezeigt. Die zugehijrigen genauen Angaben findet man im Literaturverzeichnis. 1 Naturliche Zahlen 1.1 Zahlen Die erste Beruhrung rnit Mathematik haben wir im Kleinkindalter. Zusammen rnit dem Sprechen lernt das Kind zahlen. Das Zahlen beginnt rnit der Eins und setzt sich zunachst auf wenige Zahlen fort. Mit der Zeit lernt das Kind immer langere Zahlenreihen herzusagen bis ihm schliefilich bewusst wird, dass hinter jeder Zahl eine weitere Zahl folgt, d.h. es gibt unendlich viele Zahlen. Damit lost sich der Begriff der Zahl von den zu zahlenden Gegenstanden wie Finger, Kugeln, usw. und stellt sich als etwas heraus, das nur in den Kopfen der Menschen existiert, denn von irgendwelchen zu zahlenden Gegenstanden gibt es immer nur endliche viele. 1.2 Die Nachfolgerbeziehung Wir erlernen den Umgang rnit naturlichen Zahlen anhand unserer Erfahrungen rnit mehr oder weniger kleinen Zahlen und nehmen an, dass die so gefundenen Regeln auch fur beliebig grofie Zahlen gelten. Der Mathematiker mochte jedoch fur alles einen Beweis haben. Er formuliert die einfachsten Beziehungen zwischen Zahlen, die ihm offensichtlich erscheinen, und versucht alles andere rnit dem gesunden Menschenverstand daraus herzuleiten. Die einfachsten Beziehungen werden dann als Axiome und die Herleitung von Regeln fur Zahlen aus den Axiomen als Beweise bezeichnet. Statt von Regeln spricht man oft von Satzen der Mathematik. Es stellt sich heraus, dass die Erkenntnis, dass es zu jeder Zahl eine weitere gibt, bei praziser Formulierung ausreichend ist, um die Gesetzmafiigkeiten zwischen naturlichen Zahlen, d.h. den Zahlen eins, zwei, drei, usw. abzuleiten. Axiom. Jede Zahl hat einen Nachfolger: Der Nachfolger von eins ist zwei, der Nachfolger von zwei ist drei, usw. 1.3 Bezeichnungen fur nat urliche Zahlen Der Leser hat in den ersten Schulklassen gelernt, Zahlen zu bezeichnen. Die Reihe der naturlichen Zahlen wird durch