D. Wolke Manuskript zur Vorlesung für Informatiker Diskrete algebraische Strukturen SS 2002 Literatur 1. Martin Aigner: Diskrete Mathematik. Vieweg, 1993 2. Norman L. Biggs: Discrete Mathematics. Oxford Science Publications, 1989. 3. R. Graham, D. Knuth, O. Patashnik: Concrete Mathematics. Addison-Wesley. § 1. Mengentheoretische Grundbegriffe. 1.1. Cantorsche Mengen-Definition (Georg Cantor, 1845–1918). Eine Menge ist eine Zusammenfassung von wohlbekannten und wohlunterscheidbaren Objekten unserer Anschauung oder unseres Denkens (welche die Elemente M genannt werden) zu einem Ganzen. x∈M :⇔ x ist Element von M , x 6∈ M :⇔ x ist nicht Element von M , M1 = M2 :⇔ ∀ x : x ∈ M1 ⇔ x ∈ M2 M1 ⊆ M2 :⇔ ∀ x : x ∈ M1 ⇒ x ∈ M2 (M1 ist Teilmenge von M2 , M2 ist Obermenge von M1 ). 5) M1 ⊂ M2 (oder auch M1 ⊂ M2 ) :⇔ M1 ⊆ M2 ∧ M1 6= M2 1) 2) 3) 4) 6= (M1 ist echte Teilmenge von M2 , M2 ist echte Obermenge von M1 ). 6) Schreibweisen für Mengen M = {a, b, . . .}, z.B. M = {1, 2}, M = N = {1, 2, 3, . . .} (aufzählende Schreibweise. Die Reihenfolge der Elemente spielt keine Rolle. Jedes Element wird nur einmal genannt). M = {x|x hat die Eigenschaft A} z.B. M = {x|x ∈ N ∧ x ≤ 10} (Definition durch eine Eigenschaft). 7) ∅ := leere Menge. 2 8) Spezielle Mengen N = {1, 2, 3, . . .} natürliche Zahlen, N0 = {0, 1, 2, . . .} nichtnegative ganze Zahlen, Z = {0, 1, −1, 2, −2, . . .} ganze Zahlen, Q : rationale Zahlen, R : reelle Zahlen, R+ = {x ∈ R| x > 0}, C : komplexe Zahlen. 1.2. Verknüpfungen von Mengen M, M1 , . . . Mengen 1) M1 ∪ . . . ∪ Mn = n S Mj := {x| ∃ j ≤ n : x ∈ Mj } j=1 (Vereinigung der Mengen M1 , . . . , Mn ). 2) M1 ∩ . . . ∩ Mn = n T Mj := {x| ∀ j ≤ n : x ∈ Mj } j=1 (Durchschnitt der Mengen M1 , . . . , Mn ). 3) M1 , . . . , Mn heißen disjunkt :⇔ M1 ∩ . . . ∩ Mn = ∅. M1 , . . . Mn heißen paarweise disjunkt :⇔ (∀ j, k : 1 ≤ j < k ≤ n ⇒ Mj ∩ Mk = ∅). 4) M1 \M2 := {x|x ∈ M1 ∧ x 6∈ M2 } (Mengen-Differenz,M1 ohne M2 ). 5) M1 × M2 := Menge der Paare (a, b) mit a ∈ M1 , b ∈ M2 . Zwei Paare (a, b) und (a0 , b0 ) werden genau dann identifiziert, wenn a = a0 und b = b0 . Analog: M1 × . . . × Mn = Menge der n-Tupel (a1 , . . . , an ) (a1 ∈ M1 , . . . , an ∈ Mn ) Cartesisches Produkt“ der Mengen M1 , M2 bzw. M1 , . . . Mn ” (René Descartes, 1596–1650). 1.3. Def. Eine (zweistellige) Relation R auf der Menge M ist eine Teilmenge von M × M. aRb (d.h. a steht in Relation zu b) :⇔ (a, b) ∈ R. 1.4. Def. Eine Relation R auf der Menge M heißt a) reflexiv, falls ∀ a ∈ M : aRa, b) symmetrisch, falls ∀ a, b ∈ M : aRb ⇒ bRa, c) transitiv, falls ∀ a, b, c ∈ M : aRb ∧ bRc ⇒ aRc. Eine reflexive, symmetrische und transitive Relation auf M heißt Äquivalenzrelation. 3 1.5. Satz. Sei R eine Äquivalenzrelation auf M . Beh. M zerfällt in (unter Umständen unendlich viele) paarweise disjunkte Teilmengen Mj (die sogenannten Äquivalenzklassen) mit den Eigenschaften a) Auf jedem Mj gilt für beliebige a, b ∈ Mj : aRb. b) Für verschiedene j, k und a ∈ Mj , b ∈ Mk gilt ¬ aRb. 1.6. Def. M1 , M2 nichtleere Mengen. 1) Eine Abbildung oder Funktion f von M1 in M2 ist eine Vorschrift, die jedem a ∈ M1 genau ein b = f (a) ∈ M2 zuordnet. Abstrakt : f ⊆ M1 × M2 mit : Zu jedem a ∈ M1 existiert genau ein b ∈ M2 mit (a, b) ∈ f . Schreibweise: f : M1 → M2 , a → b = f (a) Def.-Bereich Zielbereich Abb. Vorschrift 2) 3) 4) 5) 6) Wird a ∈ M1 durch f das Element b ∈ M2 zugeordnet, so heißt b = f (a) das Bild (oder der Funktionswert) von a bei f . f (M1 ) := {b ∈ M2 | ∃ a ∈ M1 : b = f (a)} Bildbereich“ oder Bild von M1“. ” ” f (M1 ) ⊆ M2 . f : M1 → M2 heißt injektiv : ⇔ ∀ a1 , a2 ∈ M1 : a1 6= a2 ⇒ f (a1 ) 6= f (a2 ) f : M1 → M2 heißt surjektiv : ⇔ ∀ b ∈ M2 ∃ a ∈ M1 : b = f (a) f : M1 → M2 heißt bijektiv : ⇔ f ist injektiv und surjektiv. Seien f1 : M1 → M2 , f2 : M2 → M3 Abbildungen. Dann wird durch f2 ◦ f1 : M1 → M3 , a → f2 (f1 (a)) eine Abbildung von M1 in M3 , die Verknüpfung oder Komposition der Abbildungen f1 und f2 definiert. Folg. f1 , f2 Bijektionen von M auf M . Dann ist auch f2 ◦ f1 Bijektion von M auf M. Sei f : M1 → M2 bijektiv. Dann gibt es zu jedem b ∈ M2 genau ein a ∈ M1 mit f (a) = b. a wird das Urbild von b genannt, a = f −1 (b). Die Abbildung f −1 : M2 → M1 , b → f −1 (b). heißt die Umkehrabbildung von f . 7) Für B ⊆ M2 heißt f −1 (B) = {a ∈ M | f (a) ∈ B} das Urbild von B Hinweis: f −1 (B) kann leer sein oder auch aus mehreren Elementen bestehen. 1.7. Def. 4 1) M heißt endlich :⇔ M ist leer oder es existiert ein n ∈ N und eine bijektive Abbildung von M auf {1, . . . , n}. 2) M heißt abzählbar unendlich :⇔ es existiert eine bijektive Abbildung von M auf N. 3) M heißt überabzählbar :⇔ M ist weder endlich noch abzählbar unendlich. 4) Für ein endliches M bezeichnet |M | (bzw. #M ) die Anzahl der Elemente von M . Für nicht endliches M wird |M | als ∞ definiert. Endliche Mengen M werden auch durch |M | < ∞ gekennzeichnet. 1.8. 1) Def. Zwei Mengen M1 und M2 heißen gleichmächtig, wenn es eine bijektive Abbildung von M1 auf M2 gibt. 2) Folg. |M1 | < ∞, M2 gleichmächtig zu M1 . Dann ist |M2 | = |M1 |. § 2. Kombinatorik Für n ∈ N bezeichne Nn die Menge {1, . . . , n}. 2.1. 1) Def. Eine bijektive Abbildung ϕ von Nn auf Nn heißt Permutation (n-Permutation). ! 1 ... n Schreibweise: ϕ= oder kurz ϕ(1) . . . ϕ(n) . ϕ(1) . . . ϕ(n) Die Menge der n-Permutationen wird mit Sn bezeichnet. 2) Folg. |Sn | = n! (= 1 · 2 · . . . · n, n-Fakultät). 3) 1 ≤ j ≤ n. 1 ≤ a1 , . . . , aj ≤ n, paarweise verschieden. (a1 , . . . , aj ) bezeichnet die Permutation, welche a1 in a2 , a2 in a3 , . . . , aj−1 in aj , aj in a1 überführt, und die übrigen Zahlen fest läßt (j–Zykel). 4) Folg. Jede n-Permutation ist Produkt (= Komposition) von paarweise elementefremden Zykeln. 2.2. Satz. 1) Jede n-Permutation ist Produkt von Zweierzykeln (= Transpositionen, d.h. Vertauschungen je zweier Zahlen). 2) ϕ ∈ Sn . ϕ = τ1 . . . τk = τ10 . . . τj0 (τ1 , . . . , τk , τ10 , . . . , τj0 Transpositionen). Dann sind entweder k und j beide geradzahlig oder beide ungeradzahlig. 5 3) ϕ ∈ Sn heißt gerade Permutation, falls es Produkt von geradzahlig vielen Transpositionen ist. Andernfalls heißt es ungerade. Für n ≥ 2 gibt es genau 12 n! gerade Permutationen. 6 2.3. Def. Binomial- und Multinomialkoeffizienten. 1) n : = 1 für n ∈ N0 0 n n! für 1 ≤ k ≤ n; k, n ∈ N. := (n − k)!k! k n : = 0 für n ∈ N, k ∈ N, k > n. k Binomialkoeffizienten“. ” 2) Folg. n n = , 0 ≤ k ≤ n. k n−k n n−1 n−1 = + , 1 ≤ k ≤ n. k k−1 k n Insbesondere ∈ N für 0 ≤ k ≤ n, n ∈ N0 . k n die Anzahl der k–elementigen Teilmengen 3) Folg. Für 1 ≤ k ≤ n, n ∈ N ist k von Nn . 4) n ∈ N0 . k ≥ 2; n1 , . . . , nk ∈ N0 ; n1 + . . . + nk = n. n n! (0! := 1). := n1 , . . . , n k n1 ! . . . nk ! Multinomialkoeffizienten“. ” 5) n, k, n1 , . . . , nk wie in 4). Dann ist die Anzahl der Abbildungen ϕ : der Eigenschaft, daß n1 Zahlen durch ϕ auf 1, n2 Zahlen durch ϕ auf 2, .. .. . . nk Zahlen durch ϕ auf k abgebildet werden = n . Insbesondere ist ( ) ∈ N. n1 , . . . , n k Nn → Nk mit 7 2.4. Binomischer und multinomischer Satz. 1) a, b ∈ R, a0 = b0 := 1, n ∈ N0 . Dann gilt n X n (a + b) = ak bn−k . k k=0 n 2) k ≥ 2; a1 , . . . , ak ∈ R. n ∈ N0 . Dann gilt n (a1 + · · · + ak ) = X n an1 · · · ank k . n1 , . . . , n k 1 Dabei wird über alle k–Tupel (n1 , . . . , nk ) ∈ Nk0 mit n1 + · · · + nk = n summiert. 3) n n X X n n n k (−1) =2 , = 0, k k k=0 k=0 2 n X n 2n = , k n k=0 r X m n m+n = (0 ≤ r ≤ min(m, n)). k r − k r k=0 2.5. Stichproben. n, k ∈ N. 1) Ein k–Tupel s = (a1 , . . . , ak ) mit a1 , . . . , ak ∈ Nn (bzw. einer beliebigen n–elementigen Menge M ) heißt Stichprobe aus Nn (bzw. M ) vom Umfang k. 2) s heißt Stichprobe ohne Wiederholung, falls die aj paarweise verschieden sind. 3) Eine Stichprobe s heißt geordnet, falls 1 ≤ a1 ≤ a2 ≤ . . . ≤ ak ≤ n. (Bei einer n–elementigen Menge M = {x1 , . . . , xk } muß eine Anordnung der xj vorgegeben sein). Hinweis: Die Sprechweise geordnet–ungeordnet“ wird vielfach entgegengesetzt benutzt. ” 2.6. Stichproben-Anzahlen. n, k ∈ N. 1) Die Anzahl aller k–Stichproben aus Nk ist = nk . Dies ist die Anzahl aller Abbildungen von Nk in Nn . 2) Die Anzahl aller k–Stichproben aus Nk ohne Wiederholung ist = n(n − 1) . . . (n − k + 1) (insbesondere = 0 für k > n). Dies ist die Anzahl aller injektiven Abbildungen von Nk in Nn . 8 3) Die Anzahl aller geordneten k–Stichproben aus 4) Die Anzahl aller geordneten k–Stichproben aus Nk ist = Nn n+k−1 . k n ohne Wiederholung ist = . k 2.7. Stirling–Zahlen (James S., 1692–1770). 1) n ∈ N, k ∈ N0 . Die Anzahl der Möglichkeiten, Nn in k paarweise disjunkte, nichtleere Teilmengen zu zerlegen, wird als Stirling-Zahl 2. Art, Sn,k bezeichnet. S0,0 := 1, S0,k := 0 für k ≥ 1. Folg. Sn,k = 0 für k > n, Sn,0 = 0 für n > 0. 2) Die Anzahl der surjektiven Abbildungen von Nn auf Nk ist = k! Sn,k . 3) Für n, k ∈ N gilt Sn,k = Sn−1,k−1 + k Sn−1,k . 4) Für r, n ∈ N gilt n X n r = r(r − 1) . . . (r − k + 1) Sn,r . k=0 2.8. Inklusions–Exklusions–Prinzip. M, M1 , . . . , Mn endliche Mengen. 1) |M1 ∪ . . . ∪ Mn | = n X j=1 (−1)j+1 X |Mk1 ∩ . . . ∩ Mkj |. 1≤k1 <k2 <...<kj ≤n 2) M1 , . . . , Mn Teilmengen von M . Dann ist die Anzahl der x ∈ M , die in keinem Mk liegen, n X X = |M | − (−1)j+1 |Mk1 ∩ . . . ∩ Mkj |. j=1 1≤k1 <k2 <...<kj ≤n 3) Für n ∈ N heißt eine Permutation ϕ ∈ Sn ein n–Derangement, falls ϕ kein j ≤ n fest läßt. Die Anzahl der n–Derangements ist 1 1 1 . = n! 1 − + − + . . . + (−1)n 1! 2! n! § 3. Diskrete Wahrscheinlichkeitstheorie. Ω nicht leere, endliche oder abzählbar unendliche Menge. 3.1. Def. 9 1) Gegeben sei eine Abbildung P : Ω → [0, 1] = {x ∈ Eigenschaft X P (a) = 1 R | 0 ≤ x ≤ 1} mit der a∈Ω (Wegen 0 ≤ P (A) ≤ 1 können die a ∈ Ω in irgendeiner Reihenfolge durchlaufen werden). Das Paar (Ω, P ) heißt diskreter Wahrscheinlichkeitsraum (W–Raum). Die Abbildung P heißt die Wahrscheinlichkeitsverteilung. 2) Jede Teilmenge A ⊆ Ω heißt Ereignis, die einelementigen Teilmengen {a} heißen Elementarereignisse. X Für A ⊆ Ω heißt P (A) := P (a) die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses A. a∈A 3) P (∅) = 0 (leeres Ereignis) P (Ω) = 1. A1 , A2 , . . . endlich oder abzählbar unendlich viele, paarweise disjunkte Ereignisse. Dann gilt P n oder [ j=1 ∞ Aj = n oder X ∞ P (Aj ) j=1 1 4) Bsp. 1. Ω = {1, . . . , n}. P (a) = für 1 ≤ a ≤ n. n Gleichverteilung“ ” λn −λ 2. Ω = N0 , λ > 0. P (n) = e (n ∈ N0 ) n! Poisson–Verteilung mit dem Parameter λ“ (Simeon Denis P., 1781–1840). ” 3.2. Def. (Ω, P ) diskreter W –Raum 1) Ω0 endlich oder abzählbar unendlich. Eine Abbildung ξ : Ω → Ω0 heißt Zufallsvariable oder Zufallsgröße. 2) Durch P 0 : Ω0 → [0, 1], P 0 (a0 ) = P ({a ∈ Ω | ξ(a) = a0 }) wird auf Ω0 eine Zufallsverteilung definiert, die durch ξ bedingte Verteilung. P 0 heißt das Bild von P durch ξ. 3.3. Binomialverteilung. n ∈ N, 0 ≤ p ≤ 1. Ω–Menge der n–Tupel (a1 , . . . , an ) mit a1 , . . . , an ∈ {0, 1}. In (a1 , . . . , an ) stehe k mal die Eins und n − k mal die Null. P (a1 , . . . , an ) := pk (1 − p)n−k . ξ : Ω → Ω0 = {0, . . . , n}, ξ(a1 , . . . , an ) = a1 +. . .+an = AnzahlderEinsen in (a1 , . . . , an ) . n 0 ≤ k ≤ n. P 0 (k) = P (Menge der n–Tupel mit k Einsen) = pk (1 − p)n−k . ξ heißt k binomial verteilt mit den Parametern n und p. 10 3.4. Def. 1) Zwei Ereignisse A1 und A2 eines W –Raumes (Ω, P ) heißen (stochastisch) unabhängig wenn P (A1 ∩ A2 ) = P (A1 ) · P (A2 ). 2) ξ1 , ξ2 : Ω → Ω0 Zufallsvariable. ξ1 und ξ2 heißen (stochastisch) unabhängig, falls für alle A01 , A02 ⊆ Ω0 gilt P {a ∈ Ω | ξ1 (a) ∈ A01 , ξ2 (a) ∈ A02 } = P {a ∈ Ω | ξ1 (a) ∈ A01 }) · P ({a ∈ Ω | ξ2 (a) ∈ A02 } . 3.5. Def. (Ω, P ) W –Raum, ξ : Ω → Ω0 ⊆ R. 1) Im Fall der Konvergenz der Reihe heißt X X E(ξ) := P (a) ξ(a) = P ({a ∈ Ω | ξ(a) = a0 })a0 a0 ∈Ω0 a∈Ω der Erwartungswert von ξ. 2) Es existiere E(ξ). Im Fall der Existenz heißt X V (ξ) := E((ξ − E(ξ))2 ) = P (a)(ξ(a) − E(ξ))2 a∈Ω die Varianz von ξ. 3.6. Folg. ξ1 , ξ2 : Ω → Ω0 ⊆ R. E(ξ1 ), E(ξ2 ), V (ξ1 ), V (ξ2 ) existieren. Dann gilt 1) E(ξ1 + ξ2 ) = E(ξ1 ) + E(ξ2 ). 2) E(ξ1 · ξ2 ) = E(ξ1 ) · E(ξ2 ), falls ξ1 , ξ2 unabhängig. 3) V (ξ1 ) = E(ξ12 ) − (E(ξ1 ))2 . 4) V (ξ1 + ξ2 ) = V (ξ1 ) + V (ξ2 ), falls ξ1 , ξ2 unabhängig. § 4. Erzeugende Funktionen. an ∈ R (oder C) für 0 ≤ n ≤ n0 bzw. n ∈ N0 . Im ersten Fall kann durch an = 0 für n > n0 zu einer Folge (an )n∈N0 ergänzt werden. ∞ X 4.1. Def. Die Potenzreihe P (x) = an xn wird als erzeugende Funktion (erz. Pon=0 tenzreihe) zur Folge (an ) bezeichnet. Im Fall an = 0 für n > n0 ist P (x) ein Polynom. 11 4.2. Koeffizientenvergleich. 1) P (x) = a0 + . . . + an xn , Q(x) = b0 + . . . + bn xn Polynome vom Grad ≤ n. Falls P (x) = Q(x) für mindestens n + 1 Werte x ∈ R (bzw. C), sind P und Q identisch (d.h. a0 = b0 , . . . , an = bn ). ∞ ∞ X X n 2) Die Potenzreihen P (x) = an x und Q(x) = bn xn seien konvergent für n=0 n=0 |x| < r(r > 0) und es gelte dort P (x) = Q(x). Dann folgt ∀ n ∈ N 0 , an = b n . 4.3. Rechnen mit Potenzreihen. P (x) = ∞ X n an x , Q(x) = n=0 ∞ X bn x n . n=0 Die folgenden Regeln gelten dort, wo die Reihen absolut konvergieren ∞ X 1) P (x) + Q(x) = (an + bn )xn , n=0 2) P (x) Q(x) = ∞ X n cn x mit cn = n=0 n X aν bn−ν ν=0 3) Genau dann existiert eine Reihe R(x) = ∞ X dn xn mit P (x) R(x) = 1, falls P (x) für n=0 |x| < r (r > 0) konvergiert, und a0 6= 0 ist. In diesem Fall konvergiert R(x) für |x| < r0 mit einem r0 > 0. Die dn lassen sich wie folgt rekursiv berechnen: a0 d0 = 1, an d0 + an−1 d1 + . . . + a0 dn = 0 (n ≥ 1). 4.4. Def. Sei d ∈ N. Die Folge (f (n))n∈N0 aus R (oder C) genügt einer homogenen linearen Rekursion der Länge d, wenn es q1 , . . . , qd ∈ R (oder C) gibt qd 6= 0, so daß für alle n ∈ N0 (*) erfüllt ist. f (n + d) + q1 f (n + d − 1) + . . . + qd f (n) = 0 12 Bsp. Durch die Bedingungen F (0) = 1, F (1) = 1, F (n) = F (n − 1) + F (n − 2) (n ≥ 2) wird die Folge der Fibonacci-Zahlen definiert (Fibonacci = Leonardo von Pisa, 1170?–1250?) 4.5. Satz. d ∈ N; q1 , . . . , qd ∈ R (oder C), qd 6= 0. Das Polynom q(x) = 1+q1 x+. . .+qd xd zerfalle über C wie folgt in Linearfaktoren q(x) = (1 − α1 x)d1 · · · (1 − αk x)dk (α1 , . . . , αk ∈ C, paarweise verschieden: d1 , . . . , dk ∈ Dann sind die folgenden Aussagen äquivalent: N). (f (n))n∈N0 Folge in R (oder C). 1) f (n + d) + q1 f (n + d − 1) + . . . + qd f (n) = 0 für n ≥ 0 (f genügt einer homogenen, linearen Rekursion der Länge d). ∞ X p(x) 2) F (x) = f (n) xn = mit einem Polynom p(x) vom Grad < d. q(x) n=0 (Die erzeugende Potenzreihe ist eine rationale Funktion). k X gj (x) mit Polynomen gj (x) vom Grad < dj 3) F (x) = (1 − αj x)dj j=1 (Partialbruchzerlegung). 4) Für alle n ≥ 0 gilt f (n) = k X pj (n) αjn j=1 mit Polynomen pj vom Grad < dj . Bsp. Für die Fibonacci–Folge (F (n)) gilt ∞ X n=0 F (n) xn = x 1 − x − x2 √ √ a b 1+ 5 1− 5 α1 −α2 = + α1 = , α2 = , a= √ , b= √ · 1 − α1 x 1 − α2 x 2 2 5 5 ! √ √ 1 1+ 5 n 1− 5 n F (n) = √ − 2 2 5 13 § 5. Teilbarkeit in N und Z 5.1. Divisionsalgorithmus. g ∈ Z, q ∈ N. Dann existieren eindeutig a ∈ Z und r ∈ N0 mit 0 ≤ r < q, so daß g = aq +r. r heißt der (kleinste nichtnegative) Rest bei Division von g durch q. 5.2. Def. a1 , a2 ∈ Z, a1 6= 0. 1) a1 teilt a2 (kurz: a1 |a2 ), wenn a2 /a1 ∈ Z. a1 heißt Teiler von a2 , a2 heißt Vielfaches von a1 , a1 heißt echter Teiler von a2 . wenn a1 |a2 und |a1 | < |a2 |. 2) a1 , a2 ∈ Z, nicht beide = 0. Die größte Zahl d ∈ N, die a1 und a2 teilt, heißt größter gemeinsamer Teiler von a1 und a2 . Kurz: d = (a1 , a2 ) = ggT (a1 , a2 ). 3) a1 und a2 heißen teilerfremd (bzw. relativ prim), falls (a1 , a2 ) = 1. 5.3. Euklidischer Algorithmus (Eucleides, ≈ 300 vor ZR) n1 , n2 ∈ N. Man bilde folgendes (nach endlichen vielen Schritten abbrechendes) Schema von Divisionen (a1 , . . . , aj−1 ∈ N0 ). (1) (2) .. . n 1 = a1 n 2 + n 3 , n 2 = a2 n 3 + n 4 , .. . 0 < n3 < n2 0 < n4 < n3 .. . (j − 2) nj−2 = aj−2 nj−1 + nj , (j − 1) nj−1 = aj−1 nj , 0 < nj < nj−1 Dann gilt : (n1 , n2 ) = nj . 5.4. Folgerungen zum Euklidischen Algorithmus. 1) n1 , n2 ∈ N. Dann ist (n1 , n2 ) die kleinste natürliche Zahl d, die sich in der Gestalt d = an1 + bn2 (a, b ∈ Z) darstellen läßt. 2) (n1 , n2 ) = 1. Dann existieren a, b ∈ Z mit an1 + bn2 = 1. 3) Jeder gemeinsame Teiler von n1 und n2 teilt (n1 , n2 ). 4) Aus m|n1 · n2 und (m, n1 ) = 1 folgt m|n2 . 5.5. Def. p ∈ N heißt Primzahl, wenn a) p > 1 und 14 b) 1 und p die einzigen natürlichen Teiler von p sind. 5.6. Satz von der eindeutigen Primfaktorzerlegung. n ∈ N, n > 1. Dann besitzt n genau eine Zerlegung der Gestalt n = pa11 · . . . · pakk mit 2 ≤ p1 < . . . < pk , Primzahlen; a1 , . . . , ak ∈ N. ( Kanonische Zerlegung“ von n) ” 5.7. n ∈ N, n > 1, n = pa11 · . . . · pakk (kanonische Zerlegung). Beh. 1) d ∈ N ∧ d|n ⇔ d = pb11 · . . . · pbkk mit 0 ≤ b1 ≤ a1 , . . . , 0 ≤ bk ≤ ak . 2) d(n) := Anzahl der natürlichen Teiler von n, bzw. Teilerfunktion. d(1) = 1 d(n) = (a1 + 1) · . . . · (ak + 1) für n > 1. 5.8. Darstellung natürlicher Zahlen im g–adischen System. g ∈ N, g ≥ 2. Dann gibt es zu jedem n ∈ N eindeutig k ∈ N0 ; a0 , . . . , ak ∈ {0, 1, . . . , g − 1}, ak 6= 0, so daß n = ak g k + ak−1 g k−1 + . . . + a1 g + a0 . a0 , . . . , ak heißen die Ziffern von n (in der g–adischen Darstellung).+ 5.9. Darstellung reeller Zahlen im g–adischen System. g ∈ N, g ≥ 2 (1) Sei aν ∈ {0, 1, . . . , g − 1} für ν ∈ N, a0 ∈ N0 . Dann heißt die absolut konvergente ∞ P Reihe ± aν g −ν ein g–adischer Bruch. ν=0 (2) Ein g–adischer Bruch heißt eigentlich, wenn er nicht die Periode g − 1 hat (d.h. wenn es kein N ∈ N0 gibt mit aN +1 = aN +2 = · · · = g − 1 ). (3) Jeder g–adische Bruch stellt eine eindeutig bestimmte reelle Zahl dar. (4) Jede reelle Zahl läßt sich auf genau eine Art durch einen eigentlichen g–adischen P Bruch darstellen. Die Summe ± aν g −ν wird abgekürzt durch ± a0 , a1 a2 · · · . (5) Die Brüche ± a0 , a1 a2 · · · ak (g−1)(g−1) · · · und ± a0 , a1 a2 · · · ak−1 (ak +1)00 . . . (ak 6= g − 1 im Fall k > 0 ; bzw. ± a0 , (g − 1)(g − 1) · · · und ± (a0 + 1), 00 . . . ) stellen dieselbe reelle Zahl dar. Dies sind die einzigen Fälle von Mehrdeutigkeit. § 6. Algebraische Strukturen. 6.1. Def. M nicht leere Menge. 15 1) Eine Abbildung ◦ : M × M → M (d.h. jedem Paar (m1 , m2 ) ∈ M1 × M2 wird eindeutig ein m0 = m1 ◦ m2 ∈ M zugeordnet) heißt Verknüpfung auf M. M mit Verknüpfungen ◦1 , . . . , ◦k wird durch (M, ◦1 , . . . , ◦k ) abgekürzt. Eine Menge M 6= ∅ mit Verknüpfungen ◦1 , . . . , ◦k wird als algebraische Struktur bezeichnet. 2) Eine Verknüpfung ◦ auf M heißt kommutativ, falls für alle m1 , m2 ∈ M m1 ◦ m2 = m2 ◦ m1 gilt. 3) Eine Verknüpfung ◦ auf M heißt assoziativ, falls für alle m1 , m2 , m3 ∈ M (m1 ◦ m2 ) ◦ m3 = m1 ◦ (m2 ◦ m3 ) gilt. 4) Ein Element e ∈ M heißt bezüglich der Verknüpfung ◦ links-neutral (rechtsneutral, neutral), falls für alle m ∈ M e ◦ m = m (m ◦ e = m, m ◦ e = e ◦ m = m) gilt. 6.2. Def. (M, ◦1 , . . . , ◦k ), (M 0 , ◦01 , . . . , ◦0k ) algebraische Strukturen mit jeweils k Verknüpfungen. 1) Eine Abbildung ϕ : M → M 0 heißt Homomorphismus von M in M 0 (bzw. verknüpfungstreu), wenn für alle m1 , m2 ∈ M ϕ(m1 ◦1 m2 ) = ϕ(m1 ) ◦01 ϕ(m2 ), . . . , ϕ(m1 ◦k m2 ) = ϕ(m1 ) ◦0k ϕ(m2 ) gilt. 2) Eine Abbildung ϕ : M → M 0 heißt Isomorphismus von M auf M 0 , wenn a) ϕ : M → M 0 bijektiv und b) ϕ Homomorphismus ist. Falls ein Isomorphismus von M auf M 0 existiert, heißt M isomorph zu M 0 . Kurz: M∼ = M 0. 3) Ein Isomorphismus ϕ von (M, ◦1 , . . . , ◦k ) auf sich heißt Automorphismus. 6.3. Def. 1) Eine Menge G 6= ∅ mit einer Verknüpfung · heißt Gruppe, wenn a) · assoziativ ist, b) ein neutrales Element e existiert, c) zu jedem g ∈ G ein g −1 ∈ G existiert, so daß g · g −1 = g −1 · g = e ist. g −1 heißt das Inverse zu g. (Es kann gezeigt werden, daß zu jedem g ∈ G das Element g −1 eindeutig bestimmt ist. 2) Falls auf G das Kommutativgesetz gilt, heißt G kommutativ oder abelsch (Niels Henrik A., 1802–1829). 3) |G| heißt die Ordnung der Gruppe. 16 6.4. Folg. Die Menge der Automorphismen einer algebraischen Struktur (M, ◦1 , . . . , ◦k ) mit der Komposition als Verknüpfung bildet eine Gruppe, die Automorphismengruppe der Struktur (M, ◦1 , . . . , ◦k ). Das neutrale Element ist die identische Abbildung id : M → M, a → a. 6.5. Def. Eine Menge R 6= ∅ mit zwei Verknüpfungen + und · heißt Ring, wenn a) (R, +) abelsche Gruppe ist, b) (R, ·) das Assoziativgesetz erfüllt, c) für alle a, b, c ∈ R (a + b) · c = (a · c) + (b · c), a · (b + c) = (a · b) + (a · c) gilt (Distributivgesetze). Falls 0 das neutrale Element von (R, +) ist und 1 6= 0 aus R existiert, das neutrales Element von (R, ·) ist, heißt R Ring mit Eins. Falls (R, ·) kommutativ ist, heißt R kommutativer Ring. 6.6. Def. Ein kommutativer Ring mit Eins und der Eigenschaft: “(R\{0}, ·) ist Gruppe“ heißt Körper. § 7. Gruppen G und G0 (mit Verknüpfung ·) bezeichnet Gruppen. 7.1. Def. U ⊆ G. 1) U heißt Untergruppe von G, wenn (U, ·) Gruppe ist. 2) U heißt Normalteiler von G, wenn a)U Untergruppe ist und b) für alle g ∈ G g · U · g −1 = {b ∈ G | b = g · u · g −1 mit einem u ∈ U } ⊆ U gilt. 7.2. Satz von Lagrange (Joseph Louis L., 1736–1813). Sei |G| = n ∈ N, U Untergruppe von G. Dann ist |U | ein Teiler von n. 7.3. Homomorphiesatz für Gruppen. ϕ : G → G0 Homomorphismus von G auf G0 . e(e0 ) sei das neutrale Element von G(G0 ). 1) Ker ϕ := {g ∈ G | ϕ(g) = e0 } (Kern des Homomorphismus). Beh. Ker ϕ ist Normalteiler von G. 17 2) Sei N Normalteiler von G. Durch die Relation g1 R g2 genau dann, wenn g2 = u g1 mit einem u ∈ N wird auf G eine Äquivalenzrelation definiert. Die Äquivalenzklassen heißen die Nebenklassen von N in G. Die Nebenklassen haben die Gestalt gN = {g u | u ∈ N } mit einem g ∈ G. Durch g1 N · g2 N := (g1 g2 )N wird auf der Menge der Nebenklassen eine Verknüpfung definiert, die die Gruppenaxiome erfüllt. Die so definierte Gruppe heißt die Faktorgruppe von G nach N . Kurz: G/N . 3) G0 = ϕ(G) ∼ (∼ = G/Ker ϕ. = bedeutet isomorph). 7.4. Beispiel. m ∈ teiler in (Z, +). N. Die Menge mZ = {a ∈ Z | a = mg mit einem g ∈ Z} ist NormalZm = (Zm , +) := Z/mZ. Zm = {0, . . . , m − 1}. Für a, b ∈ {0, . . . , m − 1} sei r = ( a + b, a + b − m, falls falls a + b ∈ {0, . . . , m − 1} a + b ≥ m. Dann gilt a + b = r (Addition modulo m). 7.5. Def. 1) g ∈ G heißt von unendlicher Ordnung, falls alle Elemente g 0 := e, g 1 , g 2 , . . . verschieden sind. Andernfalls heißt g von endlicher Ordnung. Dann existiert ein n ∈ N mit g n = e. Das kleinste solche n heißt die Ordnung von g (ord(g)). 2) Folg. Die Menge {e, g, g −1 , g 2 , g −2 , . . .} falls ord(g) = ∞ bzw. {e, g, . . . , g n−1 }, falls ord(g) = n bildet eine abelsche Untergruppe von G, die von g erzeugte Untergruppe. 3) Im Fall |G| = n ∈ N ist die Ordnung eines jeden Gruppenelements Teiler von n. 7.6. Def. G heißt zyklische Gruppe, falls sie von einem Element g erzeugt wird (d.h. wie in 7.5 2) beschaffen ist). Jedes solches g heißt erzeugendes Element der zyklischen Gruppe. 7.7. Satz. G zyklische Gruppe. Dann gilt 1) Falls |G| = ∞, ist G isomorph (Z, +). 2) Falls |G| = m, ist G isomorph (Zm , +). § 8. Modular-Arithmetik. m ∈ N, a, b, c ∈ Z. 18 8.1. Def. a und b heißen kongruent modulo m (a ≡ b mod m oder a ≡ b (m)), falls m|b − a, bzw. a und b bei Division durch m denselben Rest lassen. 8.2. Folg. 1) Aus aj ≡ bj (m) (j = 1, 2) folgt a1 + a2 ≡ b1 + b2 (m) und a1 a2 ≡ b1 b2 (m). 2) Aus ac ≡ bc(m) folgt a ≡ b(m), falls (c, m) = 1. 3) Die Relation ≡ mod m ist eine Äquivalenzrelation auf Z. Z wird in m Äquivalenzklassen, die Restklassen mod m, aufgeteilt. Diese werden repräsentiert durch die Zahlen 0, . . . , m − 1. Die durch a repräsentierte Restklasse wird mit a bezeichnet. Die Menge der m Restklassen wird (s. 7.4) mit Zm bezeichnet. 8.3. 1) Durch a + b := a + b, a · b := a · b werden auf Zm zwei Verknüpfungen (Addition und Multiplikation mod m) eingeführt. 2) (Zm , +) ist eine zyklische Gruppe. Jedes a mit 0 < a < m, (a, m) = 1 ist erzeugendes Element. (Zm , +) : Additive Restklassengruppe mod m. 3) a ∈ Z besitzt ein multiplikatives Inverses (d.h. a · a∗ = 1 bzw. a a∗ ≡ 1(m)) genau dann, wenn (a, m) = 1. 4) Z∗m = {a | 0 ≤ a < m, (a, m) = 1}. (Z∗m , ·) ist eine abelsche Gruppe, die multiplikative Restklassengruppe mod m. 5) ϕ(m) := |Z∗m | = |{0 ≤ a < m, (a, m) = 1}|. Eulersche Funktion (Leonhard E., 1707–1783). 8.4. Satz. ϕ(1) = 1, ϕ(m) = (p1 − 1)pa11 −1 · · · (pk − 1)pakk −1 , falls m = pa11 · · · pakk (kanonische Zerlegung). 8.5. Satz von Fermat-Euler (Pierre de F., 1601–1655). Aus (a, m) = 1 folgt aϕ(m) ≡ 1 mod m. 8.6. Def. 1) (a, m) = 1. Das kleinste d ∈ N mit ad ≡ 1(m) heißt die Ordnung von a mod m. d = ordm (a). 2) Folg. ordm (a) ist die Ordnung des Elements a in der Gruppe (Z∗m , ·). 3) ordm (a) ist Teiler von ϕ(m). 19 4) (a, m) = 1. a heißt Primitivwurzel mod m, falls ordm (a) = ϕ(m). Dies ist gleichbedeutend mit (i) a◦ , a1 , . . . , aϕ(m)−1 sind mod m paarweise inkongruent, (ii) a ist erzeugendes Element von (Z∗m , ·). 5) Folg. (Z∗m , ·) ist genau dann zyklisch, wenn es eine Primitivwurzel mod m gibt. 8.7. Satz (Euler). Zu genau den folgenden Moduln m existieren Primitivwurzeln: m = 1, 2, 4, pk , 2 pk (p > 2, prim; k ∈ N). 8.8. Folg. 1) Für jedes m ∈ N mit m > 1 ist Zm (+, ·) ein kommutativer Ring mit Eins. 2) Für jede Primzahl p (und nur für diese) ist Zp (+, ·) ein Körper. § 9. Ringe und Polynome. R bezeichnet einen kommutativen Ring. 9.1. Def. 1) Ein a ∈ R\{0}, zu dem es ein b ∈ R\{0} gibt mit a · b = 0, heißt Nullteiler. Bsp. In Zm = {0, . . . , m − 1} sind genau die a mit a 6= 0 und (a, m) > 1 Nullteiler. 2) Ein kommutativer Ring ohne Nullteiler heißt Integritätsbereich. 3) Sei R ein Ring mit Eins. Jedes a ∈ R\{0}, zu dem es ein multiplikatives Inverses gibt, heißt Einheit. Folg. In einem Körper ist jedes a ∈ K\{0} Einheit. 9.2. Satz. Jeder Integritätsbereich R läßt sich in einen Körper K mit folgender Eigenschaft einbetten. Zu jedem a ∈ K existiert ein b ∈ R mit ab = c ∈ R. (Oder: Die a ∈ K lassen sich formal als ac−1 mit c ∈ R schreiben). K ist bis auf Isomorphie eindeutig bestimmt und heißt der Quotientenkörper von R. Bsp. Q ist der Quotientenkörper von Z. 9.3. Def. Ein Unterring I von R (d.h. (I, +, ·) Ring) heißt Ideal, falls für alle a ∈ I und alle r ∈ R das Produkt ar zu I gehört. Bsp. 1) Die Ideale in Z sind die Mengen mZ (m ∈ N0 ). 2) In einem Körper K gibt es nur die zwei Ideale {0} und K. 9.4. Faktorisierung nach einem Ideal. I Ideal in R. 20 1) Auf R wird durch a ∼ b, falls a − b ∈ I eine Äquivalenzrelation eingeführt. 2) Für ein a ∈ R bezeichne a die Äquivalenzklasse in der a liegt. Durch a + b := a + b, a · b := a · b wird die Menge der Äquivalenzklassen zu einem Ring, dem Faktorring R/I (R nach I). 9.5. Def. 1) Für einen kommutativen Ring R sei x Element eines Oberringes R∗ von R, für das keine Relation a0 + a1 x + . . . + an xn = 0 (n ∈ N0 , a0 , . . . , an ∈ R, an 6= 0) gelte (x heißt Unbestimmte oder transzendent über R). 2) Jeder Ausdruck f (x) = a0 + a1 x + . . . + an xn (n ∈ N, a0 , . . . , an ∈ R) heißt ein Polynom über R (bzw. mit Koeffizienten aus R). Falls alle aν = 0 sind, heißt f (x) das Nullpolynom. Diesem wird kein Grad zugeteilt (manchmal der Grad −∞). Falls a0 6= 0, a1 = . . . = an = 0, heißt f (x) konstantes Polynom, oder Polynom vom Grad Null. Falls n ∈ N, an 6= 0, heißt n der Grad von f (x). Außer beim Nullpolynom können Summanden der Gestalt 0·xν fortgelassen werden. 3) Durch die Verknüpfungen (a0 + a1 x + . . . + an xn ) + (b0 + . . . + bn xn ) := (a0 + b0 ) + (a1 + b1 )x + . . . + (an + bn )xn , (a0 + . . . + an xn ) · (b0 + . . . + bm xm ) := a0 b0 + (a0 b1 + a1 b0 ) x + (a0 b2 + a1 b1 + a2 b0 )x2 + . . . . . . + (an−1 bm + an bm−1 )xn+m−1 + an bm xn+m wird die Menge der Polynome zu einem kommutativen Ring, dem Polynomring R[x] über R. 9.6. Division von Polynomen. K Körper, K[x] der Polynomring über K. f (x), g(x) ∈ K[x], g(x) nicht das Nullpolynom. Beh. Es gibt eindeutig zwei Polynome q(x) und r(x) ∈ K[x] mit a) r(x) = Nullpolynom oder Grad von r < Grad von g und 21 b) f (x) = q(x) g(x) + r(x). 9.7. Def. 1) f (x), g(x) ∈ R[x]. f (x) heißt Teiler von g(x), falls es ein q(x) ∈ R[x] gibt mit f (x) q(x) = g(x). 2) d(x) heißt größter gemeinsamer Teiler von f (x) und g(x) (ggT), falls a) d(x) Teiler von f (x) und g(x) und b) jeder gemeinsame Teiler t(x) von f (x) und g(x) Teiler von d(x) ist. 9.8. Satz. K Körper. f (x), g(x) ∈ K[x], beide ungleich dem Nullpolynom. Beh. 1) Es existiert ein ggT von f (x) und g(x). Dieser kann nach dem Divisionsschema des Euklidischen Algorithmus gemäß 9.6.b) berechnet werden. 2) Sei d(x) ein ggT von f (x) und g(x). Dann gibt es q1 (x), q2 (x) ∈ K[x] mit d(x) = q1 (x)f (x) + q2 (x)g(x). 9.9. Einsetzhomomorphismus. f (x) = a0 + a1 x + . . . + an xn ∈ R[x], α ∈ R. 1) f (α) := a0 + a1 α + . . . + an αn ∈ R (Funktionswert von f bei α). 2) Mit Hilfe der Schreibweise f (x) = a0 + x(a1 + x(a2 + . . . + x(an−1 + xan ) . . .)) können Funktionswerte relativ rasch berechnet werden. (Horner-Schema, William George H., 1786–1837). 9.10. Def. α ∈ R (oder aus einem Oberring R∗ von R) heißt Nullstelle von f (x) ∈ R[x], wenn f (α) = 0. 9.11. Folg. K Körper. Beh. 1) α ∈ K ist Nullstelle des Polynoms f (x) ∈ K[x] genau dann, wenn g(x) = x − α Teiler von f (x) ist. 2) f (x) ∈ K[x] vom Grad n ∈ N hat in K höchstens n Nullstellen. 9.12. Def. f (x) ∈ R[x] heißt (über R) irreduzibel, wenn a) f (x) vom Grad ≥ 1 ist und b) f (x) keine Zerlegung f (x) = g(x) h(x) mit g(x), h(x) ∈ R[x] und Grad | g, Grad | h ≥ 1 existiert. 9.13. Satz von der eindeutigen Primfaktorzerlegung in K[x]. 22 K Körper. f (x) = a0 + a1 + . . . + an xn ∈ K[x], n ≥ 1, an 6= 0. Dann gibt es über K irreduzible, normierte (d.h. von der Gestalt b0 + . . . + bd−1 xd+1 + xd , d ∈ N) Polynome f1 (x), . . . , fr (x) mit f (x) = an f1 (x) . . . fr (c). Bis auf die Reihenfolge sind die fj (x) eindeutig bestimmt. 9.14. Def. und Folg. K 0 Ober– oder Erweiterungskörper von K, α ∈ K 0 . 1) α heißt algebraisch über K, wenn α Nullstelle eines Polynoms f (x) ∈ K[x] ist. 2) α algebraisch über K, α 6= 0. Dann gibt genau ein in K[x] irreduzibles f (x) ∈ K[x] vom Grad n ∈ N, f (x) = a0 + a1 x1 + . . . + an−1 xn−1 + xn (f normiert, d.h. Leitkoeffizient = 1) mit f (α) = 0. f heißt das Minimalpolynom von α. α heißt algebraisch vom Grad n. 3) α algebraisch vom Grad 1 ⇔ α ∈ K. § 10. Endliche Körper. p bezeichnet Primzahlen. 10.1. Def. K Körper mit den neutralen Elementen 0 und 1, wobei 0 6= 1. 1) Falls für alle n ∈ N n · 1 = 1| + .{z . . + 1} 6= 0, heißt K Körper der Charakteristik n mal Null (char K = 0). Bsp. char Q = char R = char C = 0. 2) Es gebe ein n ∈ N mit n · 1 = 0. Dann ist das kleinste solche n eine Primzahl p. In diesem Fall heißt K Körper der Charakteristik p (char K = p). Bsp. char Zp = p. 10.2. Satz. p prim, n ∈ N. 1) Es existiert ein f (x) ∈ Zp [x] vom Grad n, das über Zp irreduzibel ist. 2) Sei Fn = {f (x) ∈ Zp [x], Grad von f ≤ n − 1 bzw. f (x) = Nullpolynom }. Dann ist |Fn | = pn . 3) Sei f (x) ∈ Zp [x], vom Grad n, irreduzibel über Zp . Für g(x), h(x) ∈ Fn sei g(x) h(x) = q(x) f (x) + r(x) mit r(x) ∈ Fn . Durch g(x) + h(x) (Polynomaddition) und g(x) · h(x) := r(x) (Polynommultiplikation modulo f (x)) werden auf Fn zwei Verknüpfungen definiert, die (Fn , +, ·) zu einem Körper machen. Dieser Körper wird als GF(pn ) bezeichnet (Galois-Feld, Evariste G., 1811–1832). 23 4) Die additive Gruppe (Fn , +) ist isomorph zum Vektorraum dition). Die multiplikative Gruppe (Fn \{0}, ·) ist zyklisch. 5) Jeder endliche Körper K ist isomorph zu einem GF (pn ). Znp (mit der Vektorad- § 11. Graphen. Die im Folgenden auftretenden Mengen E (= Ecken) und K (= Kanten) sind stets endlich. 11.1. Def. 1) Sei K eine Menge von zweielementigen Teilmengen {ei , ej } (ei 6= ej ) aus E. Dann heißt das Paar G = (E, K) Graph. E heißt die Eckenmenge, die e ∈ E heißen Ecken (engl. vertices) des Graphen G. K heißt die Kantenmenge von G, {ei , ej } ∈ K heißt eine Kante (engl. edge) des Graphen. Für k = {ei , ej } ∈ K (kurz: k = ei ej ∈ K) heißen ei und ej die (End-) Ecken der Kante k. Oder: k verbindet ei und ej , ei und ej sind in G benachbart (adjazent). Falls k = e e0 , heißen die Ecke e und die Kante k inzident. Im Folgenden werden E und K immer als Ecken– und Kantenmenge eines gegebenen Graphen G = (E, K) aufgefaßt. 2) G0 = (E 0 , K 0 ) heißt Teil– oder Untergraph von G = (E, K), falls E 0 ⊆ E und K 0 ⊆ K gilt. 3) Hinweis: Ein erweitertes Konzept läßt auch Schlingen“ ej ej und mehrfaches Auf” treten von Kanten k = ei ej (Mehrfachkanten) zu. Man spricht dann von Multigraphen. Falls bei den Kanten {ei , ej } eine Reihenfolge der Ecken festgelegt wird ~k = (ei , ej ) oder = (ej , ei ) spricht man von einem gerichteten Graphen (s. 11.11.). 11.2. Beispiele. 1) Ist |E| = n ∈ N und |K| = n2 (d.h. G enthält alle möglichen Kanten {ei , ej } (1 ≤ i < j ≤ n)), heißt G vollständig, G = Kn . 2) Ist E = E1 ∪ E2 mit E1 , E2 6= ∅, E1 ∩ E2 = ∅ und gilt für jedes k = ei ej ∈ K : ei ∈ E1 , ej ∈ E2 bzw. ei ∈ E2 , ej ∈ E1 , dann heißt G bipartit. 11.3. Def. und Folg. 1) Für e ∈ E heißt die Anzahl der Kanten k ∈ K, die in e enden (d.h. |X {k ∈ K | k = e e0 , e0 6= e}| ), der Grad d(e) der Ecke e. 2) d(e) = 2 | K |. Insbesondere ist die Anzahl der Ecken mit ungeradem Grad stets e∈E gerade. 24 11.4. Def. 1) Ein Weg in G (von e1 nach en ) ist eine Folge von Kanten e1 e2 , e2 e3 , . . . , en−1 en ∈ K mit paarweise verschiedenen Ecken e1 , . . . , en . n ist die Länge des Weges. Ohne die Vorschrift e1 , . . . , en paarweise verschieden“ heißt e1 e2 , . . . , en−1 en ein Kantenzug ” von e1 nach en . 2) Ein Kreis in G (geschlossener Weg) ist eine Kanten–Folge e1 e2 , e2 e3 , . . . , en−1 en , en e1 mit paarweise verschiedenen Ecken e1 , . . . , en . n heißt die Länge des Kreises. Bsp. {e1 e2 , e2 e1 } (e1 6= e2 ) ist ein Kreis der Länge Zwei. 3) G heißt zusammenhängend, falls es zu je zwei verschiedenen Ecken e, e0 in E einen Weg von e nach e0 gibt. 4) Folg. Im Fall E 6= ∅ gibt es (bis auf die Reihenfolge) eindeutig eine Zerlegung E = E1 ∪ . . . ∪ Em , K = K1 ∪ . . . ∪ Km (E1 , . . . , Em 6= ∅, paarweise disjunkt) mit a) k = e e0 ∈ Kj ⇒ e, e0 ∈ Ej , b) Gj = (Ej , Kj ) zusammenhängend j = 1, . . . , m). Die Gj heißen Zusammenhangskomponenten (= größte zusammenhängende Teilgraphen) von G. 5) e ∈ E heißt isoliert, falls d(e) = 0 (d.h. die Zusammenhangskomponente von G, in der E liegt, ist =({e}, ∅)). 6) k ∈ K heißt Brücke (in G), falls a) G zusammenhängend und b) G0 = (E, K\{k}) nicht zusammenhängend. 7) e, e0 ∈ E, e 6= e0 . Als Abstand d(e, e0 ) von e und e0 wird die Länge des kürzesten Weges in G von e nach e0 definiert (falls es einen solchen gibt). Anderfalls d(e, e0 ) = ∞. 11.5. Def. G = (E, K), E = {e1 , . . . , en }, K = {k1 , . . . , kq }, n ∈ N, q ∈ N0 . 1) Die (symmetrische) n × n–Matrix A = (aij ) mit aij = 1, falls ei ej ∈ K, = 0 sonst, heißt Adjazenz- oder Nachbarschaftsmatrix des Graphen G. 2) Die n × q–Matrix B = (bij ) mit bij = 1, falls ei Ecke von kj , = 0 sonst 25 heißt Inzidenzmatrix von G. (d) (d) 3) Folg. Für d ≥ 1 sei Ad = (aij ). Dann ist aij die Anzahl der Kantenzüge der Länge d von ei nach ej . 11.6. Def. Zwei Graphen G = (E, K) und G0 = (E 0 , K 0 ) heißen isomorph, falls es eine bijektive Abbildung ϕ : E → E 0 gibt, so daß für alle Mengen {ei , ej } ⊆ E (ei 6= ej ) gilt {ei , ej } ∈ K genau dann wenn {ϕ(ei ), ϕ(ej )} ∈ K 0 . 11.7. Def. Ein Kantenzug e1 e2 , . . . , ej−1 ej in G heißt Eulersch (von e1 nach ej ) wenn dieser jede Kante k ∈ K genau einmal durchläuft. Ein Graph mit einem Eulerschen Kantenzug heißt Eulerscher Graph (Leonhard E., 1707–1783). 11.8. Satz. ei , ej ∈ E (nicht notwendig verschieden). G = (E, k) besitzt einen Eulerschen Kantenzug von ei nach ej genau dann, wenn a) G zusammenhängend ist und b) d(e) gerade, falls e 6= ei , ej und ( d(ei ), d(ej ) ungerade, falls d(ei ), d(ej ) gerade, falls ei = 6 ej , ei = ej . 11.9. Def. 1) Ein Kreis in G heißt Hamiltonscher Kreis, falls er jede Ecke einmal durchläuft (William Rowan H., 1805–1865). 2) Handlungsreisenden– oder travelling salesman-Problem. Auf dem vollständigen Graphen Kn sei eine Kostenfunktion“ ” f : K → R+ = {x ∈ R, x > 0} gegeben (z.B. Entfernung, Transportkosten). Man finde in Kn einen Hamiltonschen Kreis mit minimalen Kosten ( = Summe der f (k) auf den Kanten des Kreises). 11.10. Def. und Folg. 1) G heißt planar (oder plättbar), wenn G = (E, K) wie folgt dargestellt werden kann: Die Ecken eν ∈ E werden identifiziert mit Punkten Pν ∈ R2 (verschiedene Ecken entsprechen verschiedenen Punkten). Die Kanten eν eµ werden identifiziert mit rektifizierbaren Wegen Wνµ (z.B. Polygonzügen) in R2 von Pν nach Pµ . Es muß gelten: a) Außer Pν (als Anfangspunkt) und Pµ (als Endpunkt) durchläuft Wνµ keinen weiteren Pκ . 26 b) Zwei verschiedene Wege Wνµ und Wν 0 µ0 schneiden einander nur in dem eventuellen gemeinsamen Anfangs– oder Endpunkt. 2) Folg. Sei K3,3 der bipartite Graph mit |E1 | = |E2 | = 3 und |K| = 9 (vollständiger bipartiter Graph). Beh. Die Graphen K5 und K3,3 sind nicht planar. 11.11. Def. 1) Sei |E| = n ∈ N, 1 ≤ m ≤ n. Eine Abbildung f : E → {1, . . . , m} heißt zulässige Färbung von G (mit höchstens m Farben), falls für jede Kante ee0 ∈ K gilt: f (e) 6= f (e0 ) (benachbarte Ecken erhalten verschiedene Farben“). Das kleinste m ” welches eine Färbung mit m Farben ermöglicht, heißt die chromatische Zahl von G. 2) Vierfarben-Vermutung. Für jeden planaren Graphen ist die chromatische Zahl ≤ 4 (Bewiesen mit Computer–Hilfe durch Kenneth Appel und Wolfgang Haken, 1976). 11.12. Def. ~ eine Menge von (angeordneten) Paaren (e, e0 ) mit e 6= e0 aus E × E. G ~ = 1) Sei K ~ heißt gerichteter Graph. Die Paare ~k = (e, e0 ) heißen gerichtete Kanten. (E, K) Im Gegensatz zu 11.1. ist (e, e0 ), (e0 , e) ∈ ~k zulässig. Für ein ~k = (e, e0 ) heißt e die Anfangsecke, e0 die Endecke von k. 2) Für e ∈ E heißt ~ ~k = (e0 , e)}| der In-Grad, d+ (e) = |{~k ∈ K| ~ ~k = (e, e0 )}| der Aus-Grad d− (e) = |{~k ∈ K| − von e. Im Fall d (e) = 0 heißt e Senke, im Fall d+ (e) = 0 heißt e Quelle. 3) Ein (gerichteter) Kantenzug (e1 , e2 ), . . . , (en−1 , en ), (en , e1 ) mit paarweise verschie~ denen e1 , . . . , en heißt gerichteter Kreis in G. ~ der keinen gerichteten Kreis, enthält, heißt azyklisch. 4) Ein gerichteter Graph G, § 12. Bäume. 12.1. Def. 1) Ein zusammenhängender Graph ohne Kreise heißt Baum. Ein Graph, dessen Zusammenhangskomponenten Bäume sind, heißt Wald. 2) Ecken vom Grad Eins heißen Endecken. Kanten eines Baumes mit mindestens einer Endecke heißen Blätter. 12.2. Satz. Für einen Graphen G = (E, k) sind folgende Aussagen äquivalent. 27 a) G ist ein Baum. b) Je zwei Ecken sind durch genau einen Weg verbunden. c) G ist zusammenhängend und |K| = |E| − 1. 12.3. Def. G zusammenhängender Graph. 1) Ein Untergraph G0 von G mit der gleichen Eckenmenge wie G, der Baum ist, heißt aufspannender Baum. 2) Folg. G besitzt mindestens einen aufspannenden Baum. 3) Auf G sei eine Gewichtsfunktion f (d.h. f : K → R+ = {x ∈ R|x > 0}). Ein P aufspannender Baum G0 = (E, k 0 ) von G mit minimalem Gewicht f (G0 ) = f (k) k∈K 0 heißt minimaler aufspannender Baum (bzgl. der Gewichtsfunktion f ). 12.4. Def. G = (E, K) Baum. 1) Falls in E eine Ecke e0 ausgezeichnet wird, heißt G Wurzelbaum und e0 die Wurzel. 2) e, e0 ∈ E. e0 heißt Vorgänger von e, falls a) e 6= e0 und b) e0 auf dem eindeutig bestimmten Weg von e0 nach e liegt. e heißt dann Nachfolger von e0 . 3) Für e ∈ E\{e0 } heißt die Länge des Weges von e0 nach e die Länge oder Höhe l(e) von e. l(e0 ) := 0. Die Länge oder Höhe des Wurzelbaumes ist = max l(e). e∈E (Diese hängt ab von der Wahl der Wurzel). 4) e heißt unmittelbarer Nachfolger von e0 , wenn a) e Nachfolger von e0 ist und b) e0 und e benachbart sind. 5) Ein Wurzelbaum heißt binärer Baum, wenn jede Ecke höchstens zwei unmittelbare Nachfolger hat. § 13. Asymptotische Analyse Bachmann-Landau-Symbolik; Paul B., 1837–1920; Edmund L., 1877–1938) f, g : N → R 13.1. Def. Sei g(n) > 0 für alle n ∈ N (oder zumindest für n ≥ n0 ) 1) f (n) = O(g(n)) (oder kurz f = O(g)) heißt: Es gibt ein C > 0, so daß für alle n die Ungleichung |f (n)| ≤ C g(n) gilt. Gesprochen: f gleich Groß O von g. f höchstens von der Größenordnung g“, g nicht von kleinerer Größenordnung als ” ” 28 f“. Jedes zulässige C heißt O–Konstante. f (n) 6= O(g(n)) heißt: Zu jedem C 0 > 0 gibt es ein m mit |f (m)| > C 0 g(m). sin n = O(1), ln n = O(na ) für jedes a > 0, Bsp. A n n = O(e ) für jedes A ∈ R, n 2 e 6= O(n ). 2) f1 (n) = f2 (n) + O(g(n)) bedeutet f1 (n) − f2 (n) = O(g(n)). √ √ Bsp. 21 (n + 1)n = 12 n2 + O(n), n + 1 = n + O(1). 3) Rechenregeln mit O( ). f (n) = O(g1 (n)), g1 (n) = O(g2 (n)) bedingt f (n) = O(g2 (n)) (Transitivität), f1 (n) = O(g1 (n)), f2 (n) = O(g2 (n)) bedingt f1 (n) + f2 (n) = O(g1 (n) + g2 (n)) (Additivität). 13.2. Def. f, g : N → R+ , f (n) ≈ g(n) bedeutet: Es existieren C1 , C2 > 0, so daß für alle n C1 ≤ f (n)/g(n) ≤ C2 gilt. f und g von derselben Größenordnung“. ” 3 3 Bsp. n ≈ 2n + 17n − 5. 13.3. Def. g(n) > 0 für alle n ∈ N. f (n) = o(g(n)) bedeutet: Der Quotient f (n)/g(n) konvergiert gegen Null für n → ∞. f von kleinerer Größenordnung als g“. Gesprochen: ” f (n) gleich klein o von g(n). f (n) 6= o(g(n)) heißt: f (n)/g(n) 6→ o bzw. es gibt ein ε > o, so daß für ∞ viele n |f (n)| ≥ ε g(n) gilt. Die Aussage f (n) 6= o(g(n)) wird auch durch f (n) = Ω(g(n)) (Groß Omega, f nicht von kleinerer Größenordnung als g) abgekürzt. 1 Bsp. n2 = o(en ), n 6= o(ln n), n + = n + o(1). n 13.4. Def. f, g : N → R+ . f (n) ∼ g(n) bedeutet: f (n)/g(n) konvergiert gegen Eins für n → ∞. (f asymptotisch gleich g). 13.5. Asymptotische Formeln. n X 1 nk+1 + O(nk ). k+1 j=1 1 1 √ √ 1 2) n! = nn e−n 2πn 1 + O , bzw. ln n! = n ln n − n + ln n + 2π + O n 2 n (Stirlingsche Formel). 1) k ∈ N, 3) e1/n = 1 + jk = 1 1 1 1 1 + O 2 , ln 1 + = +O 2 . n n n n n