2. Komparativer Vorteil und das Ricardo Modell Das Prinzip des komparativen Vorteils Es gibt zwei wesentliche Gründe, weshalb Länder Außenhandel treiben: Sie unterscheiden sich voneinander im Hinblick auf Klima, Boden, Kapital, Arbeit und Technik. Sie nutzen die Kostenvorteile der Massenproduktion. Das Ricardo-Modell stützt sich auf die technologischen Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern. Diese technologischen Unterschiede bedingen eine unterschiedliche Arbeitsproduktivität. 2 Das Prinzip des komparativen Vorteils Wenn Länder sich in ihren Produktionsmöglichkeiten unterscheiden, spezialisieren sie sich auf diejenigen Produkte, bei denen sie jeweils einen komparativen Vorteil in der Produktion haben. Ein Land hat einen absoluten Vorteil gegenüber anderen Ländern bei der Produktion eines Gutes, wenn es das Gut mit weniger Ressourcenaufwand als die anderen herstellen kann. Ein Land hat einen komparativen Vorteil bei der Produktion eines Gutes, wenn sein Ressourcenaufwand in Relation zu dem der anderen Länder bei diesem Gut günstiger als bei anderen Gütern ausfällt. Wenn die Produktionsmöglichkeiten verschieden sind, hat jedes Land bei irgendeinem Gut einen komparativen Vorteil. 3 Das Prinzip des komparativen Vorteils Beispiele: Ihr Chef und Sie Paul Samuelson: Anwälte und Sekretärinnen Krugman und Obstfeld: Rosen aus Südamerika in den USA 4 Das Prinzip des komparativen Vorteils F(ritz) und E(lke) möchten als Team die Arbeiten a(bwaschen) und b(ügeln) ausführen, wofür sie gemeinsam die Zeit t verbringen müssen. Wer macht was, wenn t möglichst kurz sein soll? Prinzip des absoluten Vorteils: Jeder macht, was er/sie am schnellsten kann. O.k., wenn F schneller a kann und E schneller b kann. F macht a, E macht b. F hilft bei b, wenn er früher fertig ist und vice versa. Was ist, wenn die fixe E in beidem schneller ist, z.B. doppelt so schnell wie F bei a und dreimal so schnell wie F bei b? 5 Das Prinzip des komparativen Vorteils Prinzip des absoluten Vorteils: E arbeitet, F guckt zu. Prinzip des komparativen Vorteils: Jede(r) macht, worin er/sie in Relation zum anderen am schnellsten ist. F macht a, E macht b. F hilft bei b, wenn er früher fertig ist und vice versa. E hat einen absoluten Vorteil bei a (Faktor 2) und b (Faktor 3), aber einen komparativen Vorteil nur bei b (Faktor 3 > Faktor 2) und einen komparativen Nachteil bei a (Faktor 2 < Faktor 3). F hat einen absoluten Nachteil bei a (Faktor 1/2) und b (Faktor 1/3) , aber einen komparativen Vorteil bei a (Faktor 1/2 > Faktor 1/3), und einen komparativen Nachteil bei b (Faktor 1/3 < Faktor 1/2). 6 Das Prinzip des komparativen Vorteils Das kann man mit Hilfe von Opportunitätskosten ausdrücken: Eine a-Einheit sei der a-Output, den F in einer Stunde schafft, eine b-Einheit der b-Output, den F in einer Stunde schafft. F‘s Opportunitätskosten von a in b: 1 a-Einheit (opportunitäts-)kostet ihn 1 b-Einheit. E‘s Opportunitätskosten von a in b: Eine a-Einheit kostet sie 3/2 b-Einheiten. Eine b-Einheit opportunitätskostet F eine a-Einheit, eine b-Einheit opportunitätskostet E nur 2/3 aEinheiten. 7 Das Prinzip des komparativen Vorteils Technologie, F‘s und E‘s Output pro Stunde a-Einheiten b-Einheiten F 1 1 E 2 3 Opportunitätskosten a-Opportun.kosten [b-Einh. pro a-Einh.] b-Opportunitätskosten [a-Einh. pro b-Einh.] F 1 1 E 3/2 2/3 F‘s a-Opportunitätskosten < E‘s a-Opportunitätskosten E‘s b-Opportunitätskosten < F‘s b-Opportunitätskosten 8 Das Prinzip des komparativen Vorteils Ein Land verfügt bei der Herstellung eines Gutes dann über eine komparativen Vorteil, wenn die Opportunitätskosten für dessen Produktion in diesem Land niedriger sind als in anderen Ländern 9 Ricardianische Kuchenvermehrung Ohne Arbeitsteilung schafft das „Team“ in 2 Stunden z.B. F E Summe a-Einheiten b-Einheiten 1 2 3 1 3 4 Mit Arbeitsteilung nach dem KV-Prinzip schafft das Team in 2 Stunden z.B. a-Einheiten b-Einheiten F 2 0 E 1 4 1 /2 Summe 3 4 1 /2 10 Arbeitsproduktivität, absolute und komparative Vorteile: Das RicardoModell Eine Ökonomie mit einem Produktionsfaktor (Arbeit) 2 Länder: Das Ricardo-Modell Irrtümer über den komparativen Vorteil Der komparative Vorteil bei vielen Gütern Einbeziehung von Transportkosten und nichthandelbaren Gütern Empirische Belege für das Ricardo-Modell 11 1 Land, 1 Faktor Wir gehen von einer Volkswirtschaft aus, die wir Inland nennen. Für diese gilt: Arbeit ist der einzige Produktionsfaktor. Es werden nur zwei Güter (Wein und Käse) produziert. Das Arbeitsangebot ist unveränderlich. Die Arbeitsproduktivität ist für beide Güter unveränderlich. Auf den beiden Gütermärkten und dem Arbeitsmarkt herrscht vollständiger Wettbewerb. 12 1 Land, 1 Faktor Die konstante Arbeitsproduktivität wird anhand des Arbeitskoeffizienten dargestellt: aLW [Arbeitsstunden pro Liter Wein] = Arbeitsstunden, die für die Produktion eines Liters Wein benötigt werden. aLC [Arbeitsstunden pro Pfund Käse] = ... Die Gesamtressourcen der Volkswirtschaft setzen wir gleich L, dem gesamten Arbeitsangebot. 13 1 Land, 1 Faktor Produktionsmöglichkeiten Die Transformationskurve einer Volkswirtschaft zeigt, welche Menge eines Guts (z. B. Wein) maximal produziert werden kann, sobald eine bestimmte Produktionsmenge für ein anderes Gut (z. B. Käse) festgelegt worden ist, und umgekehrt. Die Transformationskurve unserer Volkswirtschaft ergibt sich aus folgender Gleichung aLCQC + aLWQW = L. Also oder QC = L/aLC - QW (aLW /aLC ), QW = L/aLW - QC (aLC /aLW ). 14 1 Land, 1 Faktor Weinproduktion QW in Litern Transformationskurve Inland Steigung = Opportunitätskosten des Käses, gemessen in Liter Wein pro Pfund Käse = aLC /aLW L/aLW L/aLC Käseproduktion QC in Pfund 15 1 Land, 1 Faktor Relative Preise und Angebot Die jeweilige Produktionsmenge der Güter wird durch den Preis bestimmt. Der relative Preis von Gut X (Käse), ausgedrückt in Gut Y (Wein) ist diejenige Menge von Gut Y (Wein), die gegen eine Einheit von Gut X (Käse) eingetauscht werden kann. PC sei der Dollarpreis von Käse und PW der Dollarpreis von Wein. 16 1 Land, 1 Faktor Bei vollständigem Wettbewerb auf den Gütermärkten ist Stundenlohn für Wein und Käse PW / aLW und PC / aLC Arbeiter wechseln in die Industrie, die den höheren Lohn zahlt Unter den Bedingungen vollständigen Wettbewerbs ergibt sich aufgrund der Gewinnmaximierung: Wenn PW / PC < aLW / aLC wird kein Wein produziert. Wenn PC / PW < aLC / aLW , wird kein Käse produziert. Wenn PC / PW = aLC / aLW , wird beides produziert. 17 1 Land, 1 Faktor Autarkie: Werden beide Güter nachgefragt, ist PW / aLW = w = PC / aLC also PW / PC = aLW / aLC D.h. der relative Preis des Weins PW / PC ist gleich seinen Opportunitätskosten aLW / aLC [Pfund Käse pro Liter Wein]. Offene Ökonomie: Ist PW / PC > aLW / aLC , wird nur Wein produziert. Impliziert, dass PW / aLW > PC / aLC Volkswirtschaft spezialisiert in Produktion von Wein, weil der relative Preis die Opportunitätskosten übersteigt Was, wenn PC / PW > aLC / aLW ? 18 1 Land, 1 Faktor Weinproduktion QW in Litern Erlösgerade Steigung = PC /PW L/aLW PC /PW > aLC /aLW Es wird nur Käse produziert. L/aLC Käseproduktion QC in Pfund 19 1 Land, 1 Faktor Weinproduktion QW in Litern Erlösgerade Steigung = PC /PW L/aLW PW /PC > aLW /aLC Es wird nur Wein produziert. L/aLC Käseproduktion QC in Pfund 20 1 Land, 1 Faktor Weinproduktion QW in Litern L/aLW PW /PC = aLW /aLC Es wird nur Wein, nur Käse oder beides produziert. L/aLC Käseproduktion QC in Pfund 21 2 Länder, 1 Faktor: Das RicardoModell Annahmen des Modells: Die Welt besteht aus zwei Ländern (Inland und Ausland). Jedes dieser Länder produziert zwei Güter (Wein & Käse). Arbeit ist der einzige Produktionsfaktor. Das Arbeitsangebot ist in beiden Ländern unveränderlich. Die Arbeitsproduktivität ist für beide Güter unveränderlich. Die Arbeit kann nicht von einem Land ins andere wandern. Konsumenten maximieren ihren Nutzen unter der Budgetrestriktion. Präferenzen sind homothetisch und für alle gleich. Auf allen Märkten herrscht vollständiger Wettbewerb. Die Variablen für Ausland sind mit einem Sternchen versehen. 22 Das Ricardo-Modell Absoluter Vorteil Ein Land verfügt bei der Produktion eines Guts über einen absoluten Vorteil, wenn dessen Arbeitskoeffizient niedriger ist als im Ausland. Es sei aLC < a*LC und aLW < a*LW. d.h. Inland habe einen absoluten Vorteil bei beiden Gütern. Dennoch ist Handel zum beiderseitigen Vorteil möglich, wenn die Länder sich gemäß ihren komparativen Vorteilen spezialisieren. 23 Das Ricardo-Modell Komparativer Vorteil Ein Land verfügt über einen komparativen Vorteil bei der Produktion eines Gutes, wenn dessen Opportunitätskosten niedriger sind als im Ausland. Es sei aLC /aLW < a*LC /a*LW d.h. Inland hat einen komparativen Vorteil bei der Käseproduktion. Inland hat einen komparativen Nachteil bei der Weinproduktion. Ausland hat einen komparativen Nachteil bei der Käseproduktion. Ausland hat einen komparativen Vorteil bei der Weinproduktion. Der relative Autarkiepreis des Käses ist im Inland niedriger als im Ausland. 24 Das Ricardo-Modell Weltangebot: Summe der Angebote beider Länder aLC /aLW = PC /PW < a*LC /a*LW Q*W QW L*/a*LW L/aLW L/aLC QC Inland L*/a* LC Q*C Ausland 25 Das Ricardo-Modell Weltangebot PC /PW aLC /aLW 0 1 L / aLC * L / aLC L* / aLW QC Relative Käsemenge QC QC* QC* QW QW* 26 Das Ricardo-Modell Weltangebot aLC /aLW < PC /PW < a*LC /a*LW Q*W QW L*/a*LW L/aLW L/aLC QC Inland L*/a* LC Q*C Ausland 27 Das Ricardo-Modell Weltangebot PC /PW a*LC /a *LW aLC /aLW 0 1 L / aLC * L / aLC L* / aLW QC Relative Käsemenge QC QC* * QC* QW Q 28 W Das Ricardo-Modell Weltangebot aLC /aLW < PC /PW = a*LC /a*LW Q*W QW L*/a*LW L/aLW L/aLC QC Inland L*/a* LC Q*C Ausland 29 Das Ricardo-Modell Weltangebot PC /PW a*LC /a *LW aLC /aLW 0 1 L / aLC * L / aLC L* / aLW QC Relative Käsemenge QC QC* * QC* QW Q 30 W Das Ricardo-Modell Gleichgewicht auf dem Weltmarkt PC /PW a*LC /a *LW aLC /aLW 0 1 L / aLC * L / aLC L* / aLW QC QC QC* * QC* QW Q 31 W Das Ricardo-Modell Bei Freihandel produziert jedes Land mehr von dem Gut, oder ausschließlich das Gut, bei dem sein komparativer Vorteil liegt ( = Spezialisierung gemäß komparativen Vorteilen). Spezialisierung führt dazu, dass der Preis des gehandelten Gutes im Land mit komparativem Vorteil steigt und im anderen Land sinkt Führt zu Konvergenz der Preise in den zwei Ländern 32 Das Ricardo-Modell: Handelsgewinne Zwei Wege, Außenhandelsgewinne zu zeigen: Spezialisierung und Handel als alternative zur Produktion Erweiterung der Konsummöglichkeiten 33 Das Ricardo-Modell: Handelsgewinne Bei Freihandel ist kein Land schlechter gestellt als bei Autarkie und mindestens eines besser gestellt. aLC /aLW = PC /PW < a*LC /a*LW : Nur Ausland gewinnt, Inland verliert nicht. aLC /aLW < PC /PW < a*LC /a*LW : Beide gewinnen. aLC /aLW < PC /PW = a*LC /a*LW : Nur Inland gewinnt, Ausland verliert nicht. Handel als indirekte Produktion 34 Das Ricardo-Modell: Handelsgewinne Weltangebot aLC /aLW < PC /PW < a*LC /a*LW Q*W QW L*/a*LW L/aLW L/aLC QC Inland L*/a* LC Q*C Ausland 35 Das Ricardo-Modell: Handelsgewinne Ein Zahlenbeispiel Arbeitskoeffizienten Inland Käse aLC = 1 Stunde pro Pfund Ausland a*LC = 6 Stunden pro Pfund Wein aLW = 2 Stunden pro Liter a*LW = 3 Stunden pro Liter 36 Das Ricardo-Modell: Handelsgewinne Was ist der relative Käsepreis und der relative Weinpreis? In der Produktion welchen Gutes hat Inland einen komparativen Vorteil? Zwischen welchen Werten liegt der relative Käsepreis im Freihandelsgleichgewicht? Nehmen Sie an, PC/PW = 1 Nehmen Sie das „Handel als indirekte Produktion“ Argument um zu zeigen, dass Inland vom Handel profitiert 37 Das Ricardo-Modell Relative Löhne richten sich nach den absoluten Vorteilen Wegen aLC /aLW PC /PW a*LC /a*LW folgt: * aLW aLW * aLC aLW aLW aLC w w* * PC aLW PW aLC * * aLC aLW * aLW aLC * aLC aLC Die Untergrenze ist die Produktivitätsrelation für Wein (wo Inland den komparativen Nachteil hat). Die wird angenommen, wenn Inland nicht gewinnt. Die Obergrenze ist die Produktivitätsrelation für Käse (wo Inland den komparativen Vorteil hat). Die wird angenommen, wenn Ausland nicht gewinnt. 38 Irrtümer über den komparativen Vorteil Ein Land sollte sich nicht der ausländischen Konkurrenz aussetzen, wenn seine Industrie in der Produktivität hinter der des Auslandes zurückbleibt (fehlende „Wettbewerbsfähigkeit“). Import aus Ländern, in denen niedrigere Löhne als bei uns gezahlt werden, schadet uns („Lohndumping“). Länder der Dritten Welt werden von uns ausgebeutet, weil dort für dieselben Tätigkeiten wie bei uns ein wesentlich geringerer Lohn gezahlt wird („ungleicher Tausch“). Ohne Innovationsförderung verlieren wir unseren komparativen Vorteil in allen Wirtschaftszweigen. 39 Einbeziehung von Transportkosten und nichthandelbaren Gütern Aus drei Gründen ist die Spezialisierung in der realen Weltwirtschaft eingeschränkt: Es gibt mehr als einen Produktionsfaktor. Manchmal schützen Länder bestimmte Branchen vor ausländischem Wettbewerb. Der Transport von Gütern und Dienstleistungen ist kostspielig. Die Einbeziehung der Transportkosten führt zur Herausbildung nichthandelbarer Güter. Manche Güter können gar nicht transportiert werden. 40 Empirische Belege für das Ricardo-Modell Empirie: Produktivität und Exporte 41 Empirische Belege für das Ricardo-Modell Grundlegender „Test“ des komparativen Kostenvorteils Länder haben KV (positive Exporte) wenn Autarkiepreis < Freihandelspreis Empirisches Problem: Autarkiepreis nicht verfügbar Ausnahme ist Japan in der Mitte des 19. Jahrhunderts (Bernhofen, 2005) Zeigt, das Japans Handelsstruktur mit KV Argument übereinstimmt 42 Zusammenfassung Das Ricardo-Modell kennt nur einen Produktionsfaktor (Arbeit). Es führt den Handel darauf zurück, dass die Handel treibenden Länder Unterschiede in den Relationen der Arbeitsproduktivitäten aufweisen. Jedes Land exportiert diejenigen Güter, bei denen es einen komparativen Vorteil hat. Ein Land hat einen komparativen Vorteil bei dem Gut, das es mit den im Vergleich zum Tauschpartner geringsten Opportunitätskosten produziert. Das ist zugleich das Gut, bei dem der relative Nachteil in der Arbeitsproduktivität am kleinsten bzw. der relative Vorteil am größten ist. 43 Zusammenfassung Kein Land verliert durch den Freihandel, und mindestens eines gewinnt. Liegt der relative Weltmarktpreis strikt zwischen den Autarkiepreisen der beiden Länder, gewinnen beide. Die Lohnrelation Inland zu Ausland liegt bei Freihandel zwischen der günstigsten und der ungünstigsten Produktivitätsrelation Inland zu Ausland. Transportkosten und andere Handelshemmnisse führen dazu, dass Güter, für die die Kostenunterschiede die Handelskosten nicht decken, nicht gehandelt werden. 44 Literaturhinweise Krugman und Obstfeld, Kapitel 3 (Bernhofen, D. (2005), The empirics of comparative advantage: Overcoming the tyranny of nonrefutability, Review of International Economics, 13(5), 1017-1023) 45