Die Hausdorff-Metrik und Limiten von Mengen

Werbung
Die Hausdorff-Metrik und Limiten von Mengen
Jakob Reiffenstein
Seminararbeit aus Analysis
SS 2017
1
Inhaltsverzeichnis
1 Die Hausdorff-Metrik
3
2 Konvergenz in H(X)
6
3 Kompaktheit in H(X)
8
2
Zusammenfassung
Die vorliegende Seminararbeit widmet sich zunächst der Hausdorff-Metrik. Diese lässt sich
ausgehend von einem beliebigen kompakten metrischen Raum (X, d) definieren und gibt
eine Metrik für den Hyperraum H(X) der abgeschlossenen, nichtleeren Teilmengen von X.
Das erlaubt uns, nicht nur den Abstand zweier Punkte aus X zu messen, sondern auch, wie
nahe bzw. ähnlich sich zwei Mengen aus H(X) sind.
Anschließend wird untersucht, wie sich Konvergenz bezüglich der Hausdorff-Metrik charakterisieren lässt. Schließlich lässt sich sogar beweisen, dass der Raum H(X), auf dem die
Hausdorff-Metrik definiert ist, kompakt ist. Dasselbe gilt für den Raum C(X) der zusammenhängenden Mengen aus H(X).
1
Die Hausdorff-Metrik
Definition 1.1 Sei (X, T ) ein topologischer Raum. Der Hyperraum H(X) ist definiert als die
Menge aller abgeschlossenen und nichtleeren Teilmengen von X, d.h.
H(X) := {A ⊆ X : A ist abgeschlossen und A 6= ∅}.
Für die nun folgende Definition der Hausdorff-Metrik benötigen wir die wesentlich spezifischere
Voraussetzung eines kompakten metrischen Raumes (X, d). Beachte, dass in diesem Fall die
abgeschlossenen Teilmengen von X genau die kompakten Teilmengen sind.
Definition 1.2 Sei (X, d) ein kompakter metrischer Raum, A, B ∈ H(X) und δ > 0. Bezeichne
Nδ (A) := {x ∈ X : d(x, A) < δ},
wobei d(x, A) := inf d(x, y) = min d(x, y). Dann wird die Hausdorff-Metrik definiert durch
y∈A
y∈A
Hd (A, B) := inf{ > 0 : A ⊆ N (B) und B ⊆ N (A)}.
Bemerkung 1.3. Der Ausdruck Hd (K, L) gibt an, wie stark K und L aneinander gekoppelt
sind. Und zwar liegt jedes x ∈ K nicht weiter als Hd (K, L) von L entfernt. Genauer werden wir
folgende Aussage beweisen:
Für alle K, L ∈ H(X) und x ∈ K existiert y ∈ L mit d(x, y) ≤ Hd (K, L).
(1)
Wir konstruieren ein y ∈ L mit dieser Eigenschaft. Nach Definition von Hd gilt für alle n ∈ N die
Inklusion K ⊆ NHd (K,L)+ 1 (L). Daraus folgt die Existenz von yn ∈ L mit d(x, yn ) < Hd (K, L) +
1
n.
n
Weil L kompakt ist, hat (yn )n∈N eine konvergente Teilfolge mit Grenzwert y ∈ L. Dieses y
erfüllt dann die Beziehung d(x, y) ≤ Hd (K, L).
Weiters sei angemerkt, dass die Definition von Hd offensichtlich symmetrisch in A und B ist.
Salopp gesagt wird dadurch sichergestellt, dass die Hausdorff-Metrik mit unserer Anschauung
zusammenpasst. Wenn nämlich bloß A ⊆ N (B) mit ”kleinem” > 0 gilt, folgt nicht zwingend,
dass A ähnlich zu B ist. Ein Gegenbeispiel wären die Kugeln U1 (0) und U2 (0) im Rn : Zwar gilt
U1 (0) ⊆ N (U2 (0)) für alle > 0, aber U2 (0) ⊆ N (U1 (0)) nur für > 1. Wir sehen also, dass
Mengen A, B mit ”kleinem” Abstand Hd (A, B) immer eine ähnliche Größe besitzen.
Lemma 1.4 Die Funktion Hd definiert eine Metrik auf H(X).
3
Beweis. Symmetrie und Nichtnegativität sind aus der Definition ersichtlich. Ist Hd (A, B) = 0,
dann folgt A ⊆ N (B) und B ⊆ N (A) für alle > 0. Wir behaupten, dass daraus A ⊆ B sowie
B ⊆ A folgt, also A = B. Um das einzusehen, wähle o.B.d.A. ein x ∈ A\B. Weil B kompakt ist,
gilt c := d(x, B) > 0. Setze := 2c . Wir sehen x ∈
/ N (B) im Widerspruch zur Voraussetzung.
Der wesentliche Aufwand besteht darin, die Gültigkeit der Dreiecksungleichung zu beweisen.
Wir verwenden die Hilfsaussage (1). Sind A, B, C ∈ H(X) und a ∈ A, dann gibt es aufgrund
von (1) ein b ∈ B mit d(a, b) ≤ Hd (A, B). Ausgehend von jenem b existiert wiederum ein c ∈ C
mit d(b, c) ≤ Hd (B, C). Es folgt
d(a, c) ≤ d(a, b) + d(b, c) ≤ Hd (A, B) + Hd (B, C).
Das bedeutet, dass für beliebiges δ > 0 und mit z := Hd (A, B) + Hd (B, C) die strike Ungleichung d(a, c) < z + δ gilt. Weil a ∈ A beliebig war, folgt A ⊆ Nz+δ (C) für jedes δ > 0. Analog
beweist man auch C ⊆ Nz+δ (A). Daraus folgt Hd (A, C) ≤ η + δ für alle δ > 0. Damit gilt
schließlich Hd (A, C) ≤ z = Hd (A, B) + Hd (B, C).
Bemerkung 1.5. Mit der Hausdorff-Metrik erhält man ein Instrument, mit dem man die geometrische Größe zweier Mengen vergleichen kann. Diese Aussage klingt zunächst etwas schwammig,
aber man kann ihr auch mathematisch gesehen einen Sinn geben. Und zwar lässt sich beweisen
(siehe dazu [N, 4.33]), dass es zu jedem kompakten metrischen Raum (X, d) eine sogenannte
”Größenfunktion”µ : H(X) → [0, +∞) gibt, die folgendes erfüllt:
• µ ist stetig,
• für alle A, B ∈ H(X) mit A ( B gilt µ(A) < µ(B) und
• µ({x}) = 0 für alle x ∈ X.
Als nächstes konstruieren wir eine weitere Topologie auf dem Hyperraum H(X), die VietorisTopologie. Dazu geben wir eine Basis und eine Subbasis an. Wir benötigen dafür keine Voraussetzungen an den Raum (X, T ). Wenn aber (X, d) ein kompakter metrischer Raum ist, stimmt
die Vietoris-Topologie mit der von Hd erzeugten Topologie überein.
Definition 1.6 Für einen topologischen Raum (X, T ) und beliebige U, U1 , ..., Un ∈ T definieren
wir:
• Γ(U ) := {A ∈ H(X) : A ⊆ U },
• Λ(U ) := {A ∈ H(X) : A ∩ U 6= ∅},
S
• hU1 , ..., Un i := {A ∈ H(X) : A ⊆ ni=1 Ui und A ∩ Ui 6= ∅,
i = 1, ..., n}.
Lemma 1.7 Mit der Notation von Definition 1.6 gilt
1. Γ(U ) = hU i und Λ(U ) = hX, U i,
Tn
S
2. hU1 , ..., Un i = Γ ni=1 Ui ∩
Λ(U
)
i .
i=1
Mit U :=
Sn
i=1 Ui
sowie V :=
Sm
j=1 Vj
gilt:
3. hU1 , ..., Un i ∩ hV1 , ..., Vm i = hV ∩ U1 , ..., V ∩ Un , U ∩ V1 , ..., U ∩ Vm i.
4
Beweis. Die ersten beiden Aussagen sind klar. Um 3. nachzuprüfen, betrachte man zunächst
folgende Gleichheit:
n
[
i=1
m
m
n
m
n
[
[
[
[
[
Ui ∩
Vj =
(U ∩ Vj ) =
(V ∩ Ui ) =
(U ∩ Vj ) ∪ (V ∩ Ui ).
j=1
j=1
i=1
j=1
i=1
Es bleibt zu bemerken, dass A ∩ (V ∩ Ui ) 6= ∅ impliziert, dass (als Obermenge davon) auch
A ∩ Ui 6= ∅. Dasselbe gilt für U ∩ Vj . Umgekehrt folgt für A ⊆ V gemeinsam mit A ∩ Ui 6= ∅,
dass A ∩ (V ∩ Ui ) = A ∩ Ui 6= ∅; dieselbe Aussage gilt für A ∩ (U ∩ Vj ).
Satz 1.8 Sei (X, T ) ein topologischer Raum und
B := {hU1 , ..., Un i : n ∈ N und U1 , ..., Un ∈ T }
P := {Γ(U ) : U ∈ T } ∪ {Λ(U ) : U ∈ T }
Dann ist B die Basis einer Topologie TV auf H(X), der sogenannten Vietoris-Topologie. P ist
eine Subbasis dieser Topologie.
Beweis. Aus Lemma 1.7, 3. erkennt man, dass B durchschnittsstabil ist. Wegen H(X) = hXi
ist B Basis von TV := TT
(B), d.h. von der gröbsten Topologie auf H(X), die B enthält; siehe
[K, 12.4.8]. Sei [P] := { ni=1 Pi : n ∈ N, P1 , ..., Pn ∈ P}. Wegen Lemma 1.7, 1. gilt P ⊆ B,
und infolge auch [P] ⊆ B, weil B ja durchschnittsstabil ist. Umgekehrt gilt aufgrund von 2. in
Lemma 1.7, dass B ⊆ [P]. Insgesamt ergibt das B = [P], womit P eine Subbasis von TV ist. Satz 1.9 Sei (X, d) ein kompakter metrischer Raum. Bezeichne TH die Topologie, die man
durch die Hausdorff-Metrik Hd auf H(X) erhält. Dann gilt TH = TV .
Beweis. Wir schreiben für A, B ∈ H(X) und > 0:
U (A) := {K ∈ H(X) : Hd (A, K) < }
d(A, B) := inf{d(a, b) : a ∈ A, b ∈ B}.
Wir beweisen zuerst, dass für U ∈ T die Mengen Γ(U ) und Λ(U ) immer offen bezüglich Hd
sind. Für U = X ist das klar, weil Γ(X) = Λ(X) = H(X). Für U ∈ T \{X}, A ∈ Γ(U ) sei
:= d(A, X\U ) > 0. Zu beweisen ist die Inklusion U (A) ⊆ Γ(U ). Angenommen, B ∈ U (A)
wäre keine Teilmenge von U . Dann gäbe es z ∈ B∩X\U . Wir erhielten d(z, A) ≥ d(X\U, A) = .
Im Widerspruch dazu erhalten wir aus B ∈ U (A), dass B ∈ N (A) und damit d(z, A) < . Also
gilt U (A) ⊆ Γ(U ).
Für U ∈ T \{X}, A ∈ Λ(U ) wähle ein p ∈ A ∩ U . Setze := d({p}, X\U ) > 0. Wir zeigen
U (A) ⊆ Λ(U ). Für K ∈ U (A) gilt p ∈ A ⊆ N (K). Also existiert ein x ∈ K mit d(p, x) < .
Dieses x liegt wegen d(x, X\U ) ≥ d(p, X\U ) − d(p, x) = − d(p, x) > 0 auch in U . Damit ist
K ∩ U 6= ∅ bzw. K ∈ Λ(U ).
Insgesamt erkennt man, dass P ⊆ TH und als Konsequenz TV ⊆ TH .
Für den Beweis von TH ⊆ TV genügt es, dass für alle offenen Kugeln U2 (A) mit A ∈ H(X), > 0
endlich viele Mengen U1 , ..., Un ∈ T existieren, sodass
A ∈ UA := hU1 , ..., Un i ⊆ U2 (A).
(2)
Aus der Kompaktheit von A folgt, dass A total beschränkt ist. Also lassen sich endlich viele
Mengen U1 , ..., Un ∈ T mit Durchmesser jeweils kleiner als finden, die A überdecken. Ohne
5
Beschränkung der Allgemeinheit sei auch A ∩ Ui 6= ∅ für alle i = 1, ..., n verlangt. Klarerweise
ist dann A ∈ hU1 , ..., Un i. Außerdem folgt für jedes weitere K ∈ hU1 , ..., Un i, dass jedes x ∈ K in
einem gewissen Ui enthalten ist. Da ein xi ∈ A∩Ui existiert und der Durchmesser von Ui kleiner
als ist, erhalten wir d(x, A) ≤ d(x, xi ) < . x ∈ K war beliebig und das bedeutet K ⊆ N (A).
Genauso zeigt man A ⊆ N (K). Also muss Hd (A, K) ≤ < 2 gelten, woraus (2) folgt.
Korollar 1.10 Sei (X, T ) ein kompakter topologischer Raum und d1 , d2 zwei Metriken auf X,
die beide T erzeugen (d.h. T = Td1 = Td2 ). Dann sind die von Hd1 und von Hd2 auf H(X)
induzierten Topologien ident.
Beweis. Das ist eine unmittelbare Konsequenz aus Satz 1.9.
Konvergenz in H(X)
2
Wie dem Leser/der Leserin vielleicht schon bekannt ist, kann man für Mengenfolgen eine Art von
Konvergenz definieren, die ohne Metrik und sogar ohne Topologie auskommt. Wir verwenden
hier eine Definition, die sehr wohl Rücksicht auf die Topologie von X nimmt, aber auf den ersten
Blick nichts mit der Vietoris-Topologie zu tun hat. In diesem Abschnitt wird ein Zusammenhang
zwischen diesen beiden Konvergenzarten hergestellt.
Definition 2.1 Sei (X, T ) ein topologischer Raum und (An )n∈N eine Folge von Teilmengen
von X. Wir definieren
lim inf An := {x ∈ X : Für alle U ∈ T mit x ∈ U : U ∩ An 6= ∅ für fast alle n ∈ N},
lim sup An := {x ∈ X : Für alle U ∈ T mit x ∈ U : U ∩ An 6= ∅ für unendlich viele n ∈ N}.
Falls lim inf An = lim sup An =: A sagen wir, dass An gegen A konvergiert und schreiben
lim An = A.
Offensichtlich ist lim inf An immer eine Teilmenge von lim sup An .
Lemma 2.2 Sei (X, T ) ein kompakter topologischer Raum und (An )n∈N eine Folge aus H(X).
Dann gilt auch lim sup An ∈ H(X).
Beweis. Wir beweisen folgende Gleichheit:
\ [
lim sup An =
An .
(3)
m∈N n≥m
Dazu halten wir uns vor Augen, was x ∈ lim sup An bedeutet1 :
x ∈ lim sup An ⇔
∀U ∈ T mit x ∈ U , ∀m ∈ N ∃n ≥ m : An ∩ U 6= ∅ ⇔
[
∀U ∈ T mit x ∈ U , ∀m ∈ N :
An ∩ U 6= ∅ ⇔
n≥m
∀m ∈ N : x ∈
[
n≥m
An
⇔
x∈
\ [
An .
m∈N n≥m
1
Für die dritte Äquivalenz benützen wir folgende Aussage: Sind D ⊆ X,x ∈ X beliebig, so gilt x ∈ D genau
dann, wenn jede Umgebung von x nichtleeren Schnitt mit D hat. Siehe dazu [K, 12.2.7].
6
Mit dieser Schreibweise ist klar, dass lim sup An als Schnitt abgeschlossener
S Mengen abgeschlossen ist. Außerdem ist der Schnitt über endlich viele Mengen der Form n≥m An nicht leer, weil
S
die Folge ( n≥m An )m∈N monoton fallend bezüglich der Mengeninklusion ist. Die Kompaktheit
von X impliziert, dass lim sup An , also der Durchschnitt über alle Folgenglieder, nicht leer ist. Satz 2.3 Sei (X, T ) ein kompakter topologischer Raum und (An )n∈N eine Folge aus H(X).
Existiert A = lim An , dann konvergiert An auch bezüglich der Topologie TV aus Satz 1.9 gegen
A. Erfüllt X zusätzlich das Trennungsaxiom (T2 ), dann folgt umgekehrt aus der Konvergenz
von An gegen A bezüglich TV auch lim An = A.
In einem kompakten metrischen Raum (X, d) gilt insbesondere lim An = A genau dann, wenn
limn→∞ Hd (An , A) = 0.
Beweis. Wir beweisen zuerst, dass lim An = A die Konvergenz von An gegen A bezüglich TV
nach sich zieht. Wegen Lemma 2.2 gilt A ∈ H(X). Seien U1 , ..., Uk offene Teilmengen von X
mit A ∈ hU1 , ..., Uk i. Wegen A ∩ Ui 6= ∅ für alle i = 1, ..., k lassen sich x1 , ..., xk so wählen, dass
xi ∈ A ∩ Ui ⊆ Ui . Nachdem ja lim inf An = A 3 xi gilt, gibt es Indizes Ni ∈ N, i = 1, ..., k mit
An ∩ Ui 6= ∅
für alle n ≥ Ni ,
i = 1, ..., k.
(4)
Weiters wollen wir beweisen, dass auch ein M ∈ N existiert, sodass
An ⊆
k
[
Ui
für alle n ≥ M.
(5)
i=1
S
Wir nehmen das Gegenteil an und setzen K := X\ ki=1 Ui . Dann würde eine Teilfolge Aj(n)
von An existieren, sodass für alle n ∈ N gilt Aj(n) ∩ K 6= ∅ für alle n ∈ N. Aus jedem dieser
Schnitte wähle ein xn . Die Folge xn hat dann aufgrund der Kompaktheit von K eine konvergente
Teilfolge mit Grenzwert x ∈ K. Für jede Umgebung U von x gibt es also einen Index Ñ ∈ N,
sodass für alle n ≥ Ñ gilt xn ∈ U . Dann ist insbesondere Aj(n) ∩ U 6= ∅ und das bedeutet
x ∈ lim sup An = A. Das ist ein Widerspruch zu A ∩ K = ∅.
Mit (4) und (5) erhalten wir
An ∈ hU1 , ..., Uk i für alle n ≥ N := max{M, N1 , ..., Nk },
also konvergiert An gegen A in TV .
V
Für die Rückrichtung sei A = limTn→∞
An . Wenn wir sowohl A ⊆ lim inf An als auch lim sup An ⊆
A zeigen können, folgt die Aussage aus
A ⊆ lim inf An ⊆ lim sup An ⊆ A.
Zuerst beweisen wir A ⊆ lim inf An . Sei p ∈ A beliebig und U eine offene Umgebung von p in
X. Dann ist Λ(U ) eine offene Umgebung von A. Weil An bezüglich TV gegen A konvergiert,
existiert ein N ∈ N, sodass
An ∈ Λ(U )
für alle n ≥ N.
Insbesondere gilt für n ≥ N , dass An ∩ U 6= ∅ und somit p ∈ lim inf An . Weil p beliebig war,
haben wir A ⊆ lim inf An bewiesen. Nur der Beweis von lim sup An ⊆ A steht noch aus. Der
Fall A = X ist trivial. Andernfalls sei x ∈ X\A. Aufgrund von (T2 ) und weil X kompakt ist,
erfüllt X auch (T4 ); siehe [K, 12.11.10]. Also gibt es V ∈ T mit A ⊆ V und x ∈
/ V . Dann ist
7
Γ(V ) eine offene Umgebung von A in H(X), und infolge gibt es ein N ∈ N, sodass An ∈ Γ(V )
bzw. An ⊆ V für alle n ≥ N . Das impliziert An ∩ (X\V ) = ∅ für fast alle n ∈ N. Daher gilt
x∈
/ lim sup An , denn X\V ist eine offene Umgebung von x.
Nun stellt sich die Frage, ob man für den Beweis der Rückrichtung in Satz 2.3 wirklich benötigt,
dass X Hausdorff ist. Das folgende einfache Beispiel zeigt, dass man diese Voraussetzung nicht
weglassen kann.
Beispiel 2.4. Sei X := {1, 2} versehen mit der Topologie T := {∅, {1}, {1, 2}}. Man sieht sofort,
dass H(X) = {{2}, {1, 2}}. Die Mengen h{1}i = ∅, h{1, 2}i = H(X) sowie h{1}, {1, 2}i =
{{1, 2}} bilden eine Basis der Topologie TV auf H(X). Betrachte nun die konstante Folge
An := {1, 2}, n ∈ N. Diese konvergiert offensichtlich bzgl. TV gegen {1, 2}. Allerdings konvergiert sie auch gegen {2}, weil jede Umgebung von {2} auch {1, 2} = An enthält. Gleichzeitig
erkennt man sofort, dass lim An , so wie er oben definiert wurde, eindeutig ist, falls er existiert.
In diesem Beispiel haben wir offensichtlich das Problem, dass H(X) nicht Hausdorff ist und
daher Grenzwerte nicht eindeutig sein müssen. Folgendes Lemma ist naheliegend:
Lemma 2.5 Sei (X, T ) ein kompakter (T2 )-Raum. Dann erfüllt (H(X), TV ) ebenfalls das Trennungsaxiom (T2 ).
Beweis. Für A, B ∈ H(X), A 6= B ist zu zeigen, dass A und B sich durch offene Mengen
trennen lassen. O.B.d.A. sei x ∈ A\B. Wegen [K, 12.11.10] erfüllt ist X sogar ein (T4 )-Raum.
Wir können also disjunkte U, V ∈ T wählen, sodass {x} ⊆ U und B ⊆ V . Es folgt B ∈ Γ(V ),
A ∈ Λ(U ). Wegen U ∩ V = ∅ gilt auch Γ(V ) ∩ Λ(U ) = ∅, womit wir A und B durch offene
Mengen getrennt haben.
Bemerkung 2.6. Falls (X, d) ein kompakter metrischer Raum ist, liefert die Größenfunktion µ
aus Bemerkung 1.5 eine weitere Veranschaulichung der Konvergenz in H(X). Für jede solche
Funktion gilt nämlich, dass eine Folge (An )n∈N aus H(X) genau dann gegen ein A ∈ H(X)
konvergiert, wenn für jedes > 0 eine natürliche Zahl N existiert, sodass
An ⊆ N (A) und |µ(An ) − µ(A)| < für alle n ≥ N .
Kompaktheit in H(X)
3
Lemma 3.1 (Tukey) 2 Man sagt, dass eine Familie F von Mengen endlichen Charakter hat,
wenn folgende Aussagen äquivalent sind:
• F ∈ F.
• Jede endliche Teilmenge von F liegt in F.
Für ein F mit dieser Eigenschaft gilt dann, dass für jedes D aus F ein FD ⊇ D existiert, das
maximal in F ist.
2
Das Lemma von Tukey ist äquivalent zum Auswahlaxiom.
8
Beweis. Siehe [Ke, 0.25].
Satz 3.2 (Alexander Subbase Lemma) Sei (X, T ) ein topologischer Raum und S eine Subbasis von T . Hat jede Überdeckung von X durch Mengen aus S eine endliche Teilüberdeckung,
dann ist X kompakt.
Beweis. Für diesen Beweis nennen wir eine Familie C von Teilmengen von X
• inadäquat, falls C nicht ganz X überdeckt
• endlich inadäquat, falls keine endliche Teilmenge von C ganz X überdeckt.
Damit lässt sich die Kompaktheit von X wie folgt formulieren: Jede endlich inadäquate Familie
offener Mengen ist inadäquat.
Betrachte nun die Menge der endlich inadäquaten Familien offener Mengen. Man sieht sofort,
dass diese endlichen Charakter hat. Lemma 3.1 garantiert die Existenz einer maximalen endlich
inadäquaten Familie A. Diese Familie hat dann folgende Eigenschaften: Für jedes O ∈ T , O ∈
/A
gibt es wegen der Maximalität von A endlich viele A1 , ..., Am ∈ A mit O ∪ A1 ∪ ... ∪ Am = X.
A kann damit auch keine offene Obermenge von O enthalten.
Für eine weitere nicht in A enthaltene offene Menge U finden wir genauso B1 , ..., Bn ∈ A, sodass
U ∪ B1 ∪ ... ∪ Bn = X. Dann folgt (O ∩ U ) ∪ A1 ∪ ... ∪ Am ∪ B1 ∪ ... ∪ Bn = X. Auch O ∩ U
kann also nicht in A liegen. Induktiv zeigt man, dass auch der Schnitt von endlich vielen offenen
Mengen, die nicht in A liegen, nicht in T
A liegt. Das lässt sich umformulieren zu: Wenn für ein
A ∈ A endlich viele C1 , ..., Ck ∈ T mit ki=1 Ci ⊆ A existieren, dann liegt mindestens eines der
Ci in A.
Nun wählen wir eine endlich inadäquate Familie D offener Teilmengen von X. Sei A eine maximale endlich inadäquate Familie, die D enthält. Dann ist auch S ∩ A endlich inadäquat. Dieser
Schnitt besteht nur aus Elementen von S und deshalb ist nach Voraussetzung S ∩ A sogar
inadäquat, überdeckt also nicht ganz X.
Sei schlussendlich A ∈ A, x ∈ A beliebig, dann gibt
T es aufgrund der Subbasiseigenschaft von
S endlich viele Mengen C1 , ..., Ck ∈ S mit x ∈ ki=1 Ci ⊆ A. Wie oben gezeigt, ist dann
x ∈ Ci ∈ A ∩ S für ein 1 ≤ i ≤ n. Wir haben damit gezeigt, dass
[
[
A=
A ( X.
A∈A
A∈S∩A
Also ist auch A inadäquat. D ist es als Teilfamilie von A genauso, womit X kompakt ist.
Satz 3.3 Ein beliebiger topologischer Raum (X, T ) ist genau dann kompakt, wenn (H(X), TV )
kompakt ist.
Beweis. Wir beweisen zuerst, dass die Kompaktheit von X die von H(X) impliziert. Sei P die
Subbasis von TV aus Satz 1.8. Nach Satz 3.2 genügt es, für jede Überdeckung von H(X) durch
Mengen aus P eine endliche Teilüberdeckung zu finden. Sei also
L = {Γ(Ui ) : i ∈ I} ∪ {Λ(Vj ) : j ∈ J}
(6)
S
S
so eine Überdeckung, d.h. L∈L L = H(X). Wir setzen Y := X\( j∈J Vj ) und unterscheiden
zwei Fälle:
9
S
1. Fall: Y = ∅ bzw. X =
Sn j∈J Vj . Aus der Kompaktheit von X erhalten wir endlich viele Indizes
j1 , ..., jn ∈ J mit X = k=1 Vjk . Klarerweise impliziert das
H(X) =
n
[
Λ(Vjk ).
k=1
2. Fall: Y 6= ∅. Nach Definition von Y ist in diesem Fall Y ∈ H(X) und Y ∈
/ Λ(Vj ) für alle j ∈ J.
Nachdem L ganz H(X) überdeckt, gibt es ein i0 ∈ I mit Y ∈ Γ(Ui0 ). Das bedeutet Y ⊆ Ui0
und weiter
[
Vj .
X\Ui0 ⊆ X\Y =
j∈J
Weil X\Ui0 abgeschlossen und daher kompakt ist, gibt es j1 , ..., jn ∈ J mit
X\Ui0 ⊆
n
[
Vjk .
k=1
Jedes A ∈ H(X), das nicht in Γ(Ui0 ) liegt, besitzt ein Element in X\Ui0 , woraus zusammen mit
dem bereits Gezeigten folgt, dass
H(X) = Γ(Ui0 ) ∪
[
n
Λ(Vjk ) .
k=1
Das beweist die Kompaktheit von H(X).
Für die Rückrichtung sei angenommen, dass H(X) kompakt ist, und sei (xi )i∈I ein Netz aus X.
Dann ist ({xi })i∈I ein Netz in H(X), zu dem es ein konvergentes Teilnetz ({xi(j) })j∈J geben
muss. Sei Y ∈ H(X) der Grenzwert davon und x ∈ Y ; wegen Y ∈ H(X) ist Y nicht leer. Für
eine beliebige offene Umgebung U ∈ T von x ist offenbar Λ(U ) eine offene Umgebung von Y in
H(X). Es gibt daher einen Index j0 ∈ J, sodass
{xi(j) } ∈ Λ(U )
für alle j j0
bzw. {xi(j) } ∩ U 6= ∅ für alle j j0 . Dann folgt auch {xi(j) } ∩ U 6= ∅, denn andernfalls wäre
{xi(j) } ⊆ U c . Wegen der Abgeschlossenheit von U c erhalten wir {xi(j) } ⊆ U c im Widerspruch
zur vorigen Aussage. Es folgt die Konvergenz von xi(j) gegen x, denn {xi(j) } ∩ U 6= ∅ ist offensichtlich äquivalent zu xi(j) ∈ U . X ist folglich kompakt.
Bemerkung 3.4. Für einen kompakten metrischen Raum (X, d) und A ⊆ H(X) abgeschlossen
folgt aus dem soeben bewiesenen Satz 3.3, dass A sogar kompakt ist. Weil µ aus Bemerkung
1.5 stetig ist, nimmt µ ein Maximum A auf A an. Aufgrund der Eigenschaft µ(A) < µ(B) für
A ( B ist A dann auch ein maximales Element von A in dem Sinne, dass jedes B ∈ A mit
B ⊇ A schon mit A übereinstimmen muss.
Korollar 3.5 Sei (X, d) ein kompakter metrischer Raum. Dann hat jede Folge in H(X) eine
konvergente Teilfolge. Es gilt sogar, dass jede beliebige Folge (An )n∈N nichtleerer Teilmengen
von X eine Teilfolge hat, für die lim Aj(n) existiert und in H(X) liegt.
Beweis. Die erste Aussage gilt, weil (H(X), Hd ) nach Satz 3.3 ein kompakter metrischer Raum
ist. Für die zweite bleibt zu zeigen, dass lim inf An = lim inf An und lim sup An = lim sup An . Der
10
Rest folgt dann aus der soeben bewiesenen ersten Aussage, angewandt auf die Folge (An )n∈N .
Aber auch dieser Beweis ist nicht schwierig: Sei U ∈ T mit U ∩ An 6= ∅. Angenommen, es wäre
An ⊆ U c , dann würde die Abgeschlossenheit von U c sogar An ⊆ U c nach sich ziehen. Wir hatten
aber U ∩ An 6= ∅ vorausgesetzt. Somit gilt An * U c bzw. U ∩ An 6= ∅. Also folgt die Aussage
aus
U ∩ An 6= ∅ ⇔ U ∩ An 6= ∅.
Zum Abschluss dieser Seminararbeit sollen noch die zusammenhängenden Teilmengen von X
in Hinblick auf die Hausdorff-Metrik untersucht werden. Zur Erinnerung: Eine Teilmenge Y
von X heißt zusammenhängend, falls man sie nicht als disjunkte Vereinigung zweier nichtleerer
abgeschlossener3 Mengen schreiben kann.
Definition 3.6 Ist (X, T ) ein topologischer Raum, so schreiben wir
C(X) := {A ∈ H(X) : A ist zusammenhängend}.
Definition 3.7 Sei (X, d) ein metrischer Raum und > 0. Eine (d, )-Kette ist eine endliche,
nichtleere Teilmenge {x1 , ..., xn } von X mit
d(xi , xi+1 ) < für alle i = 1, ..., n − 1.
Ist dabei p = x1 und q = xn , dann sagen wir, dass die (d, )-Kette von p nach q geht bzw. p und
q verbindet.
Eine Teilmenge Z von X nennen wir (d, )-verkettet4 , wenn für jede Auswahl von zwei Punkten
aus Z eine (d, )-Kette existiert, die beide Punkte verbindet. Ist Z ⊆ X sogar (d, )-verkettet für
jedes > 0, dann heißt Z d-stark-verkettet5 .
Lemma 3.8 Sei (X, d) ein kompakter metrischer Raum. Dann ist jedes A ∈ C(X) d-starkverkettet.
Beweis. Nach [K, 12.14.3] ist A total beschränkt. Das bedeutet, dass für jedes > 0Sendlich
viele M1 , ..., Mn ⊆ A mit Durchmessern jeweils kleiner als existieren, sodass A = ni=1 Mi .
O.B.d.A. seien M1 , ..., Mn nichtleer und abgeschlossen. Wähle x ∈ A und sei Ax die Menge
aller Punkte in A, die über eine (d, )-Kette mit x verbunden werden können. Wenn A nicht
(d, )-verkettet wäre, dann gäbe es ein y ∈ A\Ax . Wir behaupten, dass dann d(z, y) ≥ für alle
z ∈ Ax folgt. Um das einzusehen, nehmen wir das Gegenteil an, d.h. d(z, y) < für ein z ∈ Ax .
Weil z in Ax liegt, existiert eine (d, )-Kette {x = x1 , ..., xn = z}, die x mit z verbindet. Damit
wäre aber {x = x1 , ..., xn = z, y} eine (d, )-Kette von x nach y. Das ist nicht möglich, weil
y kein Element von Ax ist. Wir folgern: Für alle x̃ ∈ Ax und ỹ ∈ A\Ax ist d(x̃, ỹ) ≥ . Also
enthält jedes Mi , i = 1, ..., n, entweder nur Punkte aus Ax oder nur Punkte aus A\Ax . Daraus
folgt im Widerspruch zum Zusammenhang von A
[
[
˙
A=
Mi ∪
Mj .
Mi ∩Ax 6=∅
Mj ∩(A\Ax )6=∅
Beide Mengen sind nämlich abgeschlossen, nichtleer und disjunkt. Ax muss also schon mit A
übereinstimmen.
3
Abgeschlossen bezüglich der Spurtopologie.
engl. ”(d, )-chained”
5
engl. ”d-well-chained”
4
11
Lemma 3.9 Sei (X, d) ein kompakter metrischer Raum und (An )n∈N eine Folge aus H(X), die
gegen ein A ∈ H(X) konvergiert. Sei (n )n∈N ⊆ (0, +∞) mit limn→∞ n = 0 und An für jedes
n ∈ N eine (d, n )-verkettete Menge. Dann ist A zusammenhängend, also A ∈ C(X).
˙ mit K, L ∈ H(X)6 ,
Beweis. Angenommen, A wäre nicht zusammenhängend. Schreibe A = K ∪L
K ∩ L = ∅. Da K und L kompakt sind, ist
0 < δ := d(K, L) = inf{d(x, y) : x ∈ K, y ∈ L}.
(7)
Wie man unmittelbar nachprüft, sind dann U := N δ (K) und V := N δ (L) offen in X mit
3
3
K ⊆ U und L ⊆ V . Außerdem sind U und V disjunkt mit d(U , V ) ≥ 3δ . Es ist hU, V i eine offene
Umgebung von A in H(X). Aus der Konvergenz von An gegen A sehen wir, dass ein N ∈ N
existiert, sodass für alle n ≥ N gilt An ∈ hU, V i. Weil (n )n∈N eine Nullfolge ist, kann k ≥ N mit
k < 3δ gewählt werden. Es gilt dann Ak ∈ hU, V i, und das bedeutet, dass sowohl Ak ∩ U 6= ∅ als
auch Ak ∩ V 6= ∅. Sei xU ∈ Ak ∩ U und xV ∈ Ak ∩ V . Weil Ak eine (d, k )-verkettete Menge ist,
gibt es eine (d, k )-Kette {xU = x1 , ..., xn = xV } in Ak . Wähle i ∈ {1, ..., n − 1} als die kleinste
Zahl, für die xi ∈ U, xi+1 ∈ V gilt. Wir erhalten den Widerspruch d(U , V ) ≤ d(xi , xi+1 ) ≤ k . Satz 3.10 Sei (X, d) ein kompakter metrischer Raum. Dann ist C(X) kompakt in H(X).
Beweis. Nach Satz 3.3 müssen wir nur zeigen, dass C(X) abgeschlossen in H(X) ist. Sei (An )n∈N
eine Folge aus C(X), die gegen ein A ∈ H(X) konvergiert. Nach Lemma 3.8 ist dann jedes An
d-stark-verkettet. Es lässt sich also Lemma 3.9 anwenden, woraus wir A ∈ C(X) erhalten. Es sei noch angemerkt, dass es zu diesem Thema weitere interessante Resultate gibt, beispielsweise, dass für einen zusammenhängenden und kompakten metrischen Raum auch C(X) und
H(X) zusammenhängend sind.
6
Weil A abgeschlossen ist, ist die Abgeschlossenheit bzgl. d äquivalent zur Abgeschlossenheit bzgl. der Spurtopologie auf A
12
Literatur
[N] Sam B. Nadler Jr.: Continuum Theory: An Introduction. Taylor & Francis, 1992.
[K] Michael Kaltenbäck: Analysis 2. Vorlesungsskript SS 2015
[Ke] John L. Kelley: General Topology. Springer, 1975. (Neuauflage)
13
Herunterladen