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Fachtagung
Recht und Qualität im Heim
8.5.2013 – Fachhochschule Puch
Medikamentöse Freiheitsbeschränkungen
Leitfaden und Rechtsentwicklung
Mag. Alexandra Niedermoser, Bewohnervertretung Salzburg
Freiheitsbeschränkung durch Medikation
Quelle: Der Standard vom 6./7. April 2013; 11
Mag. Alexandra Niedermoser, Bewohnervertretung Salzburg
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Was ist eine medikamentöse Freiheitsbeschränkung?
§ 3 Abs 1 HeimAufG
In den Gesetzesmaterialien wird zur Freiheitsbeschränkung durch
medikamentöse Mittel ausgeführt, von einer solchen könne nur dann
gesprochen werden, wenn die Behandlung unmittelbar die
Unterbindung des Bewegungsdrangs bezweckt, nicht jedoch bei
unvermeidlichen bewegungsdämpfenden Nebenwirkungen, die sich bei
Verfolgung anderer therapeutischer Ziele mitunter ergeben können.
In Betracht kommt hier insbesondere:
Die Verabreichung beruhigender und dämpfender Medikamente
(Tranquilizer, Sedativa) für die rein symptomatische Behandlung von
Unruhezuständen oder Verhaltensstörungen (etwa um zu verhindern,
dass andere Personen gefährdet werden)
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Rechtsentwicklung – Literatur
• Strickmann, Heimaufenthaltsrecht2 (2012) 109 ff.
• BMJ (Hrsg), Erläuterungen zur medikamentösen Freiheitsbeschränkung.
Manual (Stand 2011).
• Barth, Freiheitsbeschränkung durch Medikamente, Zum Tatbestand der
Freiheitsbeschränkung durch medikamentöse Maßnahmen nach
HeimAufG, iFamZ 2011, 80.
• Ganner, Medikamentöse Freiheitsbeschränkungen nach dem HeimAufG –
Besonderheiten und Zulässigkeitsvoraussetzungen, in Barth (Hrsg), Die
Unterbringungs- und Heimaufenthaltsnovelle 2010, iFamZ- Spezial 2010,
46.
• Janoch, Freiheitsbeschränkung durch Medikation: Wann liegt eine
medizinische Indikation vor und welche Medikamente eignen sich zur
Durchführung von Freiheitsbeschränkungen?, Barth (Hrsg), Die
Unterbringungs- und Heimaufenthaltsnovelle 2010, iFamZ- Spezial 2010,
51. 11
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Richtungsweisende Entscheidungen zu
Freiheitsbeschränkungen durch Medikamente 1/2
OGH vom 29.5. 2008, 2 Ob 77/88z:
Um abklären zu können ob eine Freiheitsbeschränkung im Sinne des HeimAufG vorliegt, sind
folgende entscheidungswesentliche Fragen zu klären:
•
welchen therapeutischen Zweck die Anwendung jedes einzelnen der zu überprüfenden
Medikamente (zu Dominal forte liegt im Übrigen überhaupt keine Feststellung vor) verfolgt,
•
ob die Medikamente - insbesondere in der dem Bewohner verabreichten Dosierung und
Kombination („bunter Mix") - dieser Zweckbestimmung entsprechend eingesetzt wurden
bzw werden und
•
welche konkrete Wirkung für den Bewohner mit dem Einsatz der Medikamente
verbunden war und ist. Zu Recht verweist die Bewohnervertreterin in ihrem Rechtsmittel auf
die auch hier einschlägige Rechtsprechung zum Unterbringungsgesetz, wonach selbst die
therapeutisch indizierte medikamentöse Behandlung als Freiheitsbeschränkung zu
beurteilen ist, wenn sie primär der Unterbindung von Unruhezuständen und der
Beruhigung, also zur „Ruhigstellung" des Kranken dient(hier: des Bewohners) dient (7 Ob
2423/96s = SZ 70/16 mwN; 1 Ob 251/00v = SZ 74/32; vgl Barth/Engel aaO § 3 HeimAufG Anm
7).
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Richtungsweisende Entscheidungen zu
Freiheitsbeschränkungen durch Medikamente 2/2
OGH 7 Ob 62/12m – „Therapiezweck“
Sachverhalt: Der Bewohner leidet an einer schweren senilen Demenz und
einem multifaktoriellen Delir. Er erhielt – neben anderen Maßnahmen zur
Unterbindung seines Bewegungsüberschusses - Temesta, Dominal, Haldol
und Psychopax.
Aus der Entscheidung: Auch bei „Dämpfung des Bewegungsdranges auf
ein Normalmaß“ ist der Therapiezweck auf die Einschränkung des
Bewegungsdranges gerichtet und stellt eine Freiheitsbeschränkung iSd § 3
Abs 1 HeimAufG dar.
Ergebnis: FB -> formell und materiell unzulässig.
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Voraussetzungen der Heilbehandlung
Die Verabreichung von Medikamenten ist immer eine medizinische
Behandlung iSd § 110 StGB → Zustimmung zur Heilbehandlung erforderlich
Voraussetzung für Zulässigkeit
• „Informed consent“ (= informierte Einwilligung/Zustimmung) der
betroffenen, einsichts- und urteilsfähigen Person zur HB oder falls der
Betroffene nicht einsichts- und urteilsfähig ist „informed consent“ durch
seinen Vertreter (Sachwalter + Wirkungskreis, Vorsorgebevollmächtigen,
Angehörigen iSd §§ 284 b ff ABGB)
•
Liegt Zustimmung zur Heilbehandlung nicht vor
→ eigenmächtige Heilbehandlung, uU Strafbarkeit nach § 110 StGB
Ausnahme: Gefahr im Verzug
uU Zwangsbehandlung
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Auszüge aus der S3-Leitlinie "Demenzen
3.7.2. […]
Medikamente mit sedierender Wirkung sind möglichst zu vermeiden, da die Sedierung die
kognitive Leistung negativ beeinflussen und die Sturzgefahr der Erkrankten erhöhen
kann.
8.5 Schlafstörungen […]
Störungen des Nachtschlafes und des Tag-Nacht-Rhythmus sind häufig bei Patienten mit Demenz
und führen insbesondere bei Pflegenden im häuslichen Umfeld zu einer erheblichen Belastung.
Aufgrund von Sedierung, Sturzgefahr und Verschlechterung der Kognition sollten
Hypnotika nur in Situationen angewendet werden, die durch Verhaltensempfehlungen und
Interventionen nicht ausreichend verbessert werden können und die zu einer erheblichen Belastung
des Betroffenen und der Pflegenden führen. Störungen von Arbeitsabläufen und
Organisationsstrukturen in Heimen durch gestörten Schlaf von Betroffenen stellen keine
Indikation für den Einsatz von Hypnotika dar. Es liegen keine RCTs zum Einsatz von
Hypnotika bei Demenzkranken vor.
Für eine medikamentöse Therapie von Schlafstörungen bei Demenz kann keine
evidenzbasierte Empfehlung ausgesprochen werden.
Empfehlungsgrad B, Evidenzebene IV[1]
Quelle:
S3-Leitlinie "Demenzen" Herausgebende Fachgesellschaften, Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie,
Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), 61 und 73 ff
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Mögliche Nebenwirkungen bei Diazepam (Gewacalm (A), Paceum (CH), Psychopax (A, CH) sind:
Müdigkeit, starke Tagessedierung, Benommenheit, Schläfrigkeit, Mattigkeit, Schwindelgefühl, Kopfschmerzen,
Ataxie, verlängerte Reaktionszeit, Verwirrtheit, anterograde Amnesie. Überhangeffekte
(Konzentrationsstörungen, Restmüdigkeit), Beeinträchtigung der Reaktionsfähigkeit.
Bei hohen Dosen und besonders bei Langzeitbehandlung mit Diazepam:
Artikulationsstörungen, Bewegungsunsicherheit und Gangunsicherheit, Doppelbilder, Nystagmus,
Erregungszustände, Angst (Wirkungsumkehr), vermehrte Muskelkrämpfe, Einschlafstörungen und
Durchschlafstörungen, Wutanfälle, Halluzinationen, Suizidalität. Derealisations- und Depersonalisationserleben
sowie Gefühlskälte und Kritikschwäche sind typisch für eine Langzeitanwendung mit Diazepam.
Bei Überdosierung können Schwindelgefühle und kurzzeitige Amnesie auftreten sowie starke
Koordinationsstörungen und Lispeln. Dazu kann Diazepam in hoher Überdosierung eine Atemdepression bis
hin zum Atemstillstand hervorrufen. Dabei kommt es unter anderem zum Blutdruckabfall bis hin zum
Herzkreislaufstillstand. Bei Überdosierung sollte der Notarzt verständigt werden.
Wichtig ist auch der Hinweis zur Halbwertszeit von Diazepam: Die Halbwertszeit beträgt zwischen 48 und 60
Stunden, d. h., nach dieser Zeit wirkt noch die Hälfte der ursprünglichen Dosis im Körper. Bei wiederholter
Einnahme an mehreren darauffolgenden Tagen kommt es zu einer Anreicherung der Substanz im Körper.
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Diazepam#Handelsnamen
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„… Wenn jemand unruhig wird weil es ihm nicht
gutgeht, und wer sagt, der ist unruhig, und ich
komme her als Arzt und hau ihm ein
Beruhigungsmittel hinein, dann ist das
Gewalt, weil ich mich keine Bohne dafür
interessiere, warum ist er unruhig, warum ist er
unglücklich. Anstatt ich also die Ursache seiner
Unruhe beseitige, beseitige ich das Symptom,
und das ist gewalttätige Medizin
gegenüber Alten, die leider häufigst
angewendet wird …“.
Quelle: Auszug aus „Die kleine Freiheit im Heim“ im Journal Panorama vom
20.6.2007, Dr. Werner Vogt
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Bayern 1998:
Das
Leiterehepaar
eines
Altenheimes
und
drei
Mitarbeiterinnen
werden
wegen
fahrlässiger
Körperverletzung zu Geldstrafen verurteilt. Sie hatten nach
Erkenntnissen des Gerichts einen 85jährigen Mann durch zu
hohe Gaben von Sedativa ruhiggestellt und ihn nicht
regelmäßig umgebettet, so dass ein Druckgeschwür
entstand…“
Quelle:
Gewalt gegen ältere Menschen im stationären Bereich, Thomas Görgen,
Institut für Kriminologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen, 2 ff
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