6) Finanzsysteme in Entwicklungsländern 6.1) Eine Einführung in

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6) Finanzsysteme in Entwicklungsländern
6.1) Eine Einführung in die Funktionen des Finanzsystems
• Finanzsystem bringt Spar- und Investitionspläne einer Volkswirtschaft in
Übereinstimmung
Sparen
Finanzsystem:
- Wertpapiermärkte
- Bankensystem
- sonstiges
Investitions
-projekte
Kapitalakkumulation
Î
Wirtschaftswachstum
• Zur Vereinfachung betrachten wir eine geschlossene Volkswirtschaft;
• Grundproblem: diejenigen, die Geld haben, haben keine guten
Investitionsprojekte; diejenigen, die gute Investitionsprojekte haben,
haben kein Geld; Î externe Finanzierung wird notwendig
• Aufgaben des Finanzsystems:
a) Allokation der Sparmittel auf die rentabelsten Investitionsprojekte:
Optimale Investitionsregel: investiere nur wenn und nur so viel, daß der
erwartete Ertrag aus dem Investitionsprojekt mindestens so groß ist, wie
die FinanzierungskostenÎ schlechte Investitionsprojekte werden
unterlassen (Problem: Renditen sind ex ante nicht bekannt – es gibt
unterschiedliche Informationen über den Ertrag auf Seite des Kreditgebers
und auf Seite des Unternehmers = asymmetrische Informationsverteilung
Î Informationsproblem)1
b) Effiziente Allokation von Risiko/Risikodiversifikation
Î Versicherungsmarkt
Beispiel: es gebe 2 Personen in einer Ökonomie mit je einem
Investitionsprojekt, das jeweils die Investitionssumme 1 Geldeinheit
erfordert, einen erwarteten Ertrag ē und eine Varianz v hat; Die beiden
Investitionsprojekte haben aber einen Korrelationskoeffizienten K mit
K<1 und die unsicheren Erträge seien mit ei (i=1,2) bezeichnet. Wenn
beide Personen je die Hälfte der beiden Investitionsprojekte halten ergibt
sich ebenfalls ein Ertrag ē, aber eine Portfolio-Varianz
V(0.5*e1+0.5*e2)=0.25v+0.25v+2*0.5*0.5*K*v=0.5*v+0.5*K*v<v, weil
1
Man beachte: das Solow-Wachstumsmodell nimmt unterschwellig an, daß das Problem der optimalen
Allokation des Sparens auf die rentabelsten Investitionsprojekte gelöst ist. Dann ist für das Wirtschaftswachstum
wichtig, wie viel gespart wird. In diesem Kapitel wird eine gegebene Sparsumme vorausgesetzt und gefragt, wie
diese am rentabelsten verwendet wird. Man beachte, daß eine Steigerung des Sparens nicht zu mehr
Wirtschaftswachstum führt, wenn das Finanzsystem ineffizient ist. Wenn EL schlechte Finanzsysteme haben, ist
die Zuführung von Geld zum Finanzmarkt (etwa Entwicklungshilfeleistungen) unproduktiv und führt nicht zu
Wirtschaftswachstum, weil die Finanzmittel nicht in rentable Verwendungen fließen.
K<1ÎRisiko wird wegdiversifiziert! Î Diversifikation erfordert aber
Handelbarkeit/Teilbarkeit von Investitionsprojekten
ba) der Wertpapiermarkt leistet die Teilbarkeit durch die Aufteilung des
Investitionsprojektes in handelbare Anteilsscheine (Aktien oder Anleihen)
bb) Banken leisten die Diversifikationsfunktion dadurch, daß alle Sparer
ihre Sparbeträge bei Banken einlegen und Banken die Bankeinlagen in
Bankkredite für viele Kreditnehmer umwandeln;
Kreditnehmer
Einleger:
Bankbilanz
K1
Aktiva
Passiva
E1
K2
E2
Kredite Einlagen
…
…
Kn
En
• Es gibt 4 Formen von Risiko:
a) Liquiditätsrisiko: ein Unternehmen hat ein aussichtsreiches
Investitionsprojekt; erwartet aber erst in der Zukunft daraus Zahlungen,
die dieses Unternehmen aber nicht glaubhaft machen kann; außerdem hat
es heute einen Zahlungsbedarf, den es selbst nicht decken kann Î
Illiquidität (asymmetrische Informationsverteilung) Î ex ante profitable
Investition, aber ex post nicht
b) Bonitätsrisiko: ein Investitionsprojekt bringt ex ante über gesamte
Laufzeit des Projektes geringeren Ertrag als die Zahlungsverpflichtung
des Unternehmens über die gesamte Laufzeit des Projektes beträgtÎ
Bankrott
c) Verhaltensrisiko/ Betrugsrisiko (moral hazard): Kreditnehmer schädigt
Kreditgeber, indem er die ex ante vom Kreditgeber erwartete
Wahrscheinlichkeitsverteilung des Investitionsertrages zu seinen Gunsten
verändert. (asymmetrische Informationsverteilung)
d) Selbstselektionsrisiko (adverse selection): Risiko, das dadurch entsteht,
daß eine Handlung einer Person dazu führt, daß sie nur mit
unvorteilhaften Geschäftspartnern zu Geschäftsabschlüssen kommt.
Beispiel Kreditvertrag: Wenn die Bank die Zinsen erhöht laufen alle
davon, die ehrlich die höheren Zinsen zurückzahlen und es bleiben die
übrig, die wissen, daß sie sowieso die Zinsen nicht zurückzahlen werden.
(asymmetrische Informationsverteilung)
• Fremdfinanzierte Investitionsprojekte unterliegen insbesondere dem
Verhaltensrisiko und dem Selbstselektionsrisiko, wenn a) Verträge nicht
einklagbar sind (fehlender Rechtsstaat Î siehe EL) oder b) Verträge
nicht vollständig sind (incomplete contract theory)
Î Dies führt zu Zusammenbruch des Kreditmarktes oder zumindest zu
Kreditrationierung (= zum Marktzins gibt es größere Kreditnachfrage als
Angebot)
• Ausweg des Problems ist Abbau der Informationsasymmetrie durch
Kreditwürdigkeitsprüfung und Überwachung des Investitionsprojektes
(Monitoring)
• Banken haben einen Transaktionskostenvorteil beim Monitoring aus 2
Gründen:
a) Skaleneffekte des Bankbetriebs
Beispiel: es gebe n Sparer mit je einer Geldeinheit. Es gebe ein
Investitionsprojekt, das mit n Geldeinheiten zu finanzieren ist. Wenn eine
Kreditwürdigkeitsprüfung erfolgt, sind Kosten p erforderlich, dafür wird
der Investitionsertrag pro Geldeinheit aber mit Sicherheit bekannt (ē).
Andernfalls wird der Investitionsertrag eine Zufallsvariable mit einer
Varianz v sein. Die Erwartungsnutzenfunktion E[U] sei für jeden
Privatanleger identisch: E[U]=ē-a*v mit a>0
(a=Risikoaversionsparameter). Der Privatanleger wird nur
Kreditwürdigkeitsprüfung betreiben, wenn
ē-a*v<ē-p
(1)
(Riskanter Ertrag stiftet geringeren Nutzen als sicherer Ertrag abzüglich
Kontrollkosten.)
Jetzt gebe es eine Bank, die n Geldeinheiten von ihren Einlegern erhalte
und n Geldeinheiten an Kredit an das Investitionsprojekt weitergibt. Wir
nehmen weiter zur Vereinfachung an, daß die Bank den Einlegern gehört
(Genossenschaftsbank). Dann wird die Bank dieselbe Nutzenfunktion
maximieren. Allerdings reduzieren sich die Kontrollkosten pro
Geldeinheit auf p/n, weil die Bank nur einmal eine
Kreditwürdigkeitsprüfung anstelle eines jeden der n Einleger vornimmt
und die einmaligen Kosten p auf alle Einleger n umgelegt werden. Damit
spart die Bank Transaktionskosten ein aufgrund ihres Größenvorteils
(Skalenertragsvorteil) (Verwaltung von n Geldeinheiten anstelle von 1
Geldeinheit). Die Bank wird Kreditwürdigkeitsprüfung einführen, wenn
ē-a*v<ē-p/n.
(2)
Damit wird durch die Existenz der Bank die Kreditwürdigkeitsprüfung
wahrscheinlicher (nach Vergleich von (2) und (1)) und die
gesellschaftliche Wohlfahrt steigt, weil das Risiko sinkt.
b) Kostenfreie Informationen aus Einlagengeschäft (reusability of
information)
Informationen über Zahlungsströme der Unternehmen stehen Banken,
aber nicht anderen Kreditgebern als freies Gut zur Verfügung, weil
Banken auch das Kontenführungsgeschäft (Einlagengeschäft) des
Kreditnehmers duchführen (Hausbankprinzip).
c) Diesen Vorteilen des Bankbetriebs stehen die höheren BankOverheadkosten (Verwaltungskosten) im Vergleich zum Wertpapiermarkt
gegenüber.
• Kreditfinanzierung erfolgt über den Wertpapiermarkt, wenn die
Verhaltensrisiken und Selbstselektionsrisiken gering sind, Privatvermögen
im Durchschnitt sehr groß ist und Investitionsprojekte sehr groß sind.
Andernfalls erfolgt externe Finanzierung über Banken Î EL sind
überwiegend auf Bankensystem zur externen Finanzierung angewiesen.
• Bankeneinlagengeschäft erlaubt Diversifikation von Liquiditätsrisiko und
birgt die Gefahr eines „bank run“ (Bankenzusammenbruch).
Beispiel (Diamond und Dybvig, 1983)
Î Es gebe die Zeitperioden t=0,1,2.
Î Es gebe n identische (potentielle) Einleger (n sehr groß), die in t=0
eine Einheit sparen wollen und mit Wahrscheinlichkeit p in Periode t=1
konsumieren wollen und mit Wahrscheinlichkeit (1-p) in Periode t=2
konsumieren wollen (Liquiditätsrisiko). Die Wahrscheinlichkeiten z i der
einzelnen Individuen i seien statistisch unabhängig voneinander. Die
potentiellen Einleger seien Risikoavers. Formal kann mit z i das
Zufallsereignis benannt werden, daß ein potentieller Einleger vorzeitig
Liquidität benötigt:
mit Wahrscheinlichkeit p
1
zi = 
0 mit Wahrscheinlichkeit (1 − p)
Analog ist (1-z i) das Zufallsereignis des späten Konsums. Die
Zufallsvariable z i hat den Erwartungswert E[z i]=p und die Varianz
Var[z i]=p(1-p)2+(1-p)(0-p)2=(1-p)[p(1-p)+p2]=(1-p)p.
(3)
Die Kovarianz Cov[z i, z j]=0 für alle i ungleich j.
Î Es gebe Investitionsmöglichkeiten wie folgt:
t=0
t=1
t=2
Liquide
Investition
-1
r
r
(Geldhaltung)
Illiquide
-1
x
R
Sachinvestition
mit R>r>x. In Worten: Es gebe eine liquide Investition, die geringen
Ertrag erwirtschaftet (r), aber jederzeit in ein Konsumgut umwandelbar
ist. Oder es gebe eine hoch-rentierliche Sachinvestition (R), die aber bei
vorzeitigem Abbruch des Investitionsprojektes nur einen Schrottwert (x)
erlöst.
Î Jeder private potentielle Einleger hat also trade-off zwischen
rentierlichem unsicherem Einkommen und unrentierlichem sicheren
Einkommen und wird für sich eine optimale Mischung finden. Entweder
wird auf die rentierliche Investition völlig verzichtet, oder es wird
zumindest ein Teil Liquiditätsrisiko akzeptiert.
Î Wenn es eine Bank gibt, erhält die Bank n Geldeinheiten als Einlagen.
Sie kann die erhaltenen Geldeinheiten wie folgt disponieren:
t=0
n*l
t=1
-n*l*r
t=2
0
Liquide
Geldhaltung
Kredit
n*(1-l)
0
-n*(1-l)*R
Die Bank muß wählen, welchen Anteil l sie an ihren Einlagen der Periode
t=0 in liquiden Mitteln mit Einlagenzins r halten will und welchen Anteil
(1-l) sie in langfristige Kredite mit sicherem Kreditzins R investieren will.
Die Bank möchte möglichst viel in Kredit investieren, da der Ertrag höher
ist, muß dabei aber beachten, daß sie in t=1 auch den Abzug von Einlagen
gewährleisten muß, da sie sonst illiquide ist und die Kredite zum
Schrottwert x zurückgefordert werden müssen.
Î Entsprechend der Annahmen wird für eine durchschnittliche Einheit
Einlage in t=0 die Summe
1 n
∑ zi ⋅ r
n i =1
von der Bank an Einlagen in t=1 abgezogen. Wie unsicher ist dieser
Betrag?
1 n
 r2
Var  ∑ z i ⋅ r  = 2
 n i =1
 n
n
∑Var[ z i ] =
i =1
r2
r2
⋅
n
⋅
p
(
1
−
p
)
=
⋅ p (1 − p ) ,
n
n2
wobei das 2. Gleichheitszeichen aus der Annahme folgt, daß die
Zufallsvariablen unabhängig voneinander sind, also Cov[z i, z j]=0. Wenn
nun die Anzahl der Einleger besonders groß ist (unendlich groß), dann
gilt:
1 n

lim Var  ∑ z i ⋅ r  = 0
n→∞
 n i =1

Das Liquiditätsrisiko der Bank wird vollständig beseitigt! Damit reduziert
sich das Problem der Bank darauf, die richtige Quote l so zu finden, daß
die erwartete(= der tatsächlichen) Rückflußquote E[nrz i] genau gleich den
liquiden Mitteln der Bank im Zeitpunkt t=1 (also: lrn) ist. Wenn eine
Bank geringere liquide Mittel hielte, wäre sie bankrott, wenn sie höhere
liquide Mittel hielte, dann würden ihr zusätzliche Erträge aus illiquiden
Mitteln (hochverzinsliche langlaufende Kredite) entgehen. Also:
E[nrz i]=lrn
Da aber E[z i]=p gilt, muß l=p sein.
Ergebnis 1:
Es gibt ein Gleichgewicht bei dem die Bank das Liquiditätsrisiko
vollständig beseitigen kann, indem sie gerade eine Quote gleich der
Wahrscheinlichkeit des vorzeitigen Abzugs von Einlagen eines einzelnen
durchschnittlichen Einlegers in liquiden Mitteln hält (l=p).
Dies ist gesellschaftlich vorteilhaft, weil nun ohne jegliches
Liquiditätsrisiko langfristige, illiquide, aber ertragreiche Investitionen
möglich sind. Î Liquiditätsrisikodiversifikation durch Banken
Î Es gibt aber auch ein anderes Gleichgewicht, daß in einem Bank-Run
besteht (Bank-Run=sofortiger Abzug aller Einlagen einer Bank zum
Zeitpunkt t=1):
Es gelte nun folgende Regel für den Fall der Illiquidität der Bank: die
ersten Einleger, die ihre Einlagen abziehen, erhalten r als Rückzahlung,
bis die liquiden Mittel aufgebraucht sind; Danach muß die Bank ihre
illiquiden Mittel (Kredite) zum Schrottwert veräußern, um weiteren
Einlegern den Betrag r zurückzuzahlen. Wenn auch diese Einnahmen
aufgebraucht sind, erhalten weitere Einleger nur noch die Rückzahlung 0.
Î Nun haben Einleger, die eigentlich erst zum Zeitpunkt t=2 Geld
abziehen wollen, einen Anreiz dieses schon zum Zeitpunkt t=1 zu tun:
Wenn nämlich die Bank prn liquide Mittel in t=1 unterhält und einen
Veräußerungsgewinn der langfristigen Investitionen (Kredite) von x(1p)n<r(1-p)n erzielen kann, dann wird die Bank nicht in der Lage sein,
jedem Einleger n zum Zeitpunkt t=1 die Einlagen zum Zins r
zurückzuzahlen. Die letzten Einleger, die versuchen ihr Geld von der
Bank zum Zeitpunkt t=1 abzuziehen, werden 0 erhalten. Daher möchte
niemand der letzte sein und alle Einleger werden in Panik ihre
Bankeinlagen abziehen, sobald sich abzeichnet, daß alle anderen es tun Î
Bank-Run und Bankilliquidität
Î hätten alle Einleger auf die Bank zum Zeitpunkt t=1 vertraut und nicht
vorzeitig ihre Einlagen abgezogen, wäre die Bank zum Zeitpunkt t=2
nicht zahlungsunfähig gewesen.
Ergebnis 2:
Es gibt auch ein Gleichgewicht bei dem ein Bank-Run eintritt und die
Bank illiquide wird, obwohl sie ex ante nicht bankrott ist.
• Wenn ein Bank-Run Risiko existiert kann dieses durch eine staatliche
Einlagenversicherung beseitigt werden Î die letzten Einleger, die keine
Rückzahlung mehr von der Bank erhalten, erhalten diese nun von der
Einlagenversicherung; dann besteht aber kein Grund mehr, vorzeitig
Einlagen abzuziehen und ein Bank-Run unterbleibt.
• Das unten eingezeichnete Diagramm stellt eine (symmetrische)
Wahrscheinlichkeitsverteilung F(K) über die Rückzahlung aus einem
Bankkredit dar und welchen Anteil davon die Bank als Gewinn einbehält.
Wenn die Wahrscheinlichkeits-verteilung des Kredites sich nach F’(K)
verschiebt (gleicher Erwartungswert, aber höhere Varianz), dann erhält
die Bank einen Vorteil. Bei höherer Varianz steigt das Verlustrisiko und
die Gewinnchance. Aber die Einlagenversicherung trägt vollständig das
höhere Verlustrisiko, während die höhere Gewinnchance alleine der Bank
zugute kommt Î Banken werden bei Einlagensicherungssystem zu hohe
Risiken eingehen (Moral-Hazard Problem der Banken bei
Einlagensicherung)
Bankgewinn
F(K)
F’(K)
Kredit
-zins
Kreditbetrag plus
Einlagenversicherungsprämie
Erwartungswert
der Bankkreditrückzahlung
Rückzahlung
des BankKredites K
• Eine staatliche Einlagenversicherung führt aber zu einem neuen Problem:
Banken bekommen Anreiz, zu riskante Kredite zu vergeben.
• Moral-Hazard Problem der Banken bei Einlagensicherung kann gelöst
werden durch gut organisierte Bankenaufsichtsbehörde und
Bankenregulierung. Î komplexe, gut funktionierende Institutionen
notwendig
• Selbst wenn keine Einlagenversicherung existiert (eher eine Ausnahme in
Entwicklungsländern), existiert ein Anreiz der Banken, zu riskant zu
investieren; Dies kann aus einem Domino-Effekt und dem „too big to
fail“Argument hergeleitet werden.
• Domino-Effekt:
Bank 1
Bank 2
Bank 3
„fauler“ EK
Kredit
EK
Kredit
EK
Kredit
PrivatBank 2 Einlage
Bank 3 Privateinlagen
Bank 3
einlagen
„guter
Einlage
„guter“ Privat„guter“
Kredit“ Bank 2
Kredit
einlagen
Kredit
• Bank 1 hat einen Kredit, der nicht zurückgezahlt wird (fauler Kredit), der
die Höhe des Eigenkapitals (EK) übersteigt. Daher ist Bank 1 bankrott.
Bank 1 hat aber außer Einlagen von Konsumenten auch Einlagen der
Bank 2, weil Bank 1 bei Bank 2 einen Kredit aufgenommen hat. Da aber
Bank 1 bankrott ist, fällt der Kredit für Bank 2 aus. Weil die Höhe dieses
Kredites höher ist als das Eigenkapital der Bank 2, ist auch Bank 2
bankrott. Aber Bank 2 hat ihrerseits einen Kredit aufgenommen bei Bank
3, dessen Höhe das Eigenkapital von Bank 3 übersteigt. Damit ist auch
Bank 3 bankrott. Î Ein Domino-Effekt führt dazu, daß eine Bank den
Bankrott anderer Banken nach sich zieht, obwohl diese ohne den Bankrott
der ersten Bank solvent wären Î systemisches Risiko
• „Too big to fail“ Argument: Im Gegensatz zum Zusammenbruch einer
Bank, führt der Zusammenbruch eines gesamten Bankensystems zu
schwerwiegenden Folgen für das gesamte Wirtschaftssystem: eine
schwere Wirtschaftskrise ist die Folge. Um diesen externen Effekt einer
Bankenkrise zu vermeiden, wird der Staat vorsorglich eine bankrotte
Bank ab einer kritischen Größe („too big to fail“) subventionieren oder
verstaatlichen. Î Die Anreizwirkung ist identisch zu einer
Einlagenversicherung Î Banken gehen zu hohe Risiken ein, wenn sie
nicht überwacht werdenÎ Bankensystem ohne Bankenüberwachung
funktioniert nicht.
Implikationen für Entwicklungsländer
1) Kreditmärkte reagieren besonders empfindlich auf fehlende
Rechtsstaatlichkeit, weil Kreditgeschäft kein Zug-um-Zug-Austausch ist,
sondern erst eine Seite eine Leistung erbringt (Kreditvergabe) und erst in
der Zukunft die Gegenleistung erfolgt (Kreditrückzahlung). Damit besteht
immer ein Anreiz, die Gegenleistung nicht zu erbringen, wenn es keine
Einklagbarkeit und Durchsetzung von Kreditverträgen gibt. Der
Kreditgeber antizipiert dieses Verhalten und vergibt erst gar keinen
Kredit.
2) Die Fristentransformation des Kapitalmarktes gelingt bei hohem
Inflationsrisiko nicht. Es ist nicht möglich, langfristige
Investitionsprojekte langfristig zu finanzieren, weil Kreditverträge (oder
Wertpapieranleihen) auf nominale Werte lauten. Zwar ist der Nominalzins
gleich dem Realzins plus erwarteter Inflationsrate plus Risikoprämie. Bei
überraschend hoher Inflation verliert aber der Kreditgeber, weil er in
realen Werten weniger zurückbekommt als er bezahlt hat. Bei
überraschend niedriger Inflation wird der Kreditnehmer geschädigt, weil
er einen übermäßig hohen Kreditzins gezahlt hat, der eine zu hohe
Inflationsrate einkalkuliert hat. Bei unkalkulierbarem Inflationsrisiko
werden die Risikoprämien des Inflationsrisikos so hoch, daß langfristige
Verträge durch kurzfristige prolongierende Verträge ersetzt werden.
Damit bricht der langfristige Kreditmarkt in Ländern mit hohen
Inflationsraten zusammen. Dadurch entsteht aber das
Liquiditätsrisikoproblem von Diamond und Dybvig (1983), weil nun
kurzfristige Finanzierung für langfristige Projekte erforderlich wird Î
verschärfte Bank-Run Gefahr (häufige Bankenkrisen)!
3) Bankensystem nimmt in EL zentrale Stellung im Finanzsystem als
Finanzintermediär ein.
4) Das Fehlen unabhängiger Institutionen zur Überwachung des
Bankensystems (Bankenaufsicht) führt auch zu häufigen Bankenkrisen.
6.2) „Financial Repression“
• Finanzsysteme in Entwicklungsländern waren bis in die 80er Jahre durch
„financial repression“ charakterisiert. Darunter versteht man die
Unterdrückung der Entwicklung eines Finanzsystems durch die
Wirtschaftspolitik.
• In der Praxis gab es 2 Mechanismen, durch die das Finanzsystem an der
Entfaltung gestört wurde.
a) Höchstzinssätze bzw. Zinsverbot (Karl Marx: Kapital ist kein
eigenständiger ProduktionsfaktorÎ kein Zins)
b) Hohe Mindestreserve-Pflicht der Geschäftsbanken2
• Höchstkreditzinsen werden häufig damit begründet, daß den „Armen“
günstige Kreditkonditionen ermöglicht werden soll. Höchstzinssätze
führen aber zu Kreditrationierung:
Zins
Kreditangebot
Marktzins
Höchstkreditzins
Kreditrationierung
Kreditnachfrage
Investitionsvolumen
Bindende Kredithöchstzinssätze führen dazu, daß das Kreditangebot
zurück geht und Kreditnachfrage unbedient bleibt (Kreditrationierung).
Dann ist aber das Investitionsvolumen bei Höchstkreditzins NIEDRIGER
als bei Marktzins. Die günstigen Kreditkonditionen werden häufig nur den
„Freunden“ gewährt, während andere keinen Kredit erlangen Î
Vetternwirtschaft wird Tür und Tor geöffnet
• Polit-ökonomische Interpretation auf Basis von Kapitel 4: Die
Oberschicht verhindert durch die Zinsobergrenze, daß der Unterschicht
Zugang zu Kredit gewährt wird und dadurch eine eigene
2
Des weiteren waren Banken häufig verstaatlicht: Bankkredit wurde direkt nach den Wünschen der Politik
vergeben!
•
•
•
•
•
•
•
unternehmerische Erwerbsbasis geschaffen wird. Damit sichert die
Oberschicht ihre politische Macht ab, die sie verwendet, um möglichst
viele Ressourcen des Landes in die eigene Tasche zu wirtschaften.
Die Oberschicht hat Zugang zum internationalen Kapitalmarkt mit hohen
Zinsen, während der Unterschicht, die auf einheimische Banken
angewiesen ist, alle Anreize zur Kapitalakkumulation genommen werden,
weil Sparen unrentabel für sie ist.
Niedrige Zinsen führen dazu, daß Bargeldhaltung relativ attraktiver wird
zum Halten von Einlagen in Banken. Dadurch steigt aber die Steuerbasis
der Inflationssteuer. Damit kann der Staat mehr Ressourcen aus der
Gesellschaft über die Inflationssteuer heraussaugen.
Hohe Mindestreservepflicht der Banken (Agenor und Montiel, 1996, S.
153-159)
Erweiterung des Modells zur „Inflation Tax“, Kapitel 5.1
Geschlossene Volkswirtschaft mit konstantem Output normalisiert zu 1
Private Wirtschaftssubjekte können Bargeld mt halten oder aber Einlagen
bei Geschäftsbanken dt. Bargeldhaltung ist unverzinst, während Banken
einen Einlagenzins idt zahlen.
Die Bilanz des konsolidierten Bankensystems sieht wie folgt aus:
Aktiva
Passiva
MRt
Kt
dt
Kt ist das Kreditvolumen. Für Kredite gebe es einen langfristigen Zins it
und das Kreditvolumen reagiere nicht endogen auf diesen Zins. Außerdem
sei dieser Zins exogen bestimmt dadurch daß der Nominalzins gleich dem
Realzins ist. Der Realzins sei normalisiert auf den Wert 0 zur
Vereinfachung. MRt sind die Mindestreserven, die eine Geschäftsbank per
Dekret in Bargeld unterhalten muß. Genauer gelte eine
Mindestreserveregelung wie folgt:
MRt ≥ µ ⋅ d t
(4)
wobei µ (0< µ<1) die Mindestreservequote ist. Mindestreserven sind
zinslos bei der Zentralbank zu unterhalten. Daher möchte eine
Geschäftsbank möglichst wenige Mindestreserven unterhalten, weil sie
einen Depositenzins zahlen muß, um diese Einnahmen selbst zinslos bei
der Zentralbank zu hinterlegen. (Ungleichung (4) wird zur Gleichung.)
• Nehmen wir an, daß Bargeld und Bankeinlagen in unterschiedlichem
Ausmaß die Zahlungsmittelfunktion erfüllen. Allerdings sind beide
imperfekte Substitute. Dann ergibt sich die Nachfrage nach Bargeld und
Bankeinlagen wie folgt:
( )
−α
mt = m(itd ) = itd
−
( )
d t = d (itd ) = itd
+
•
•
•
•
(5)
α
Je höher die Opportunitätskosten der Bargeldhaltung (Einlagenzins), um
so niedriger ist die Bargeldhaltung. Je höher der Zinsvorteil bei
Bankeinlagen, um so höher deren Nachfrage. Zur Vereinfachung wird
eine exponentiale funktionale Form mit Zinselastizitätsparameter α (α>0)
unterstellt.
Es gebe kein Ausfallrisiko für Banken. Vollständige Konkurrenz sorge
dafür, daß Bankgewinne auf null herunterkonkurriert werden. Dann
itd = (1 − µ )it .
(6)
Linke Seite stellt Finanzierungskosten der Bank dar und die rechte Seite
die Erträge jeweils pro Einheit Einlagen. (Man beachte: Für einen Teil µ
der Einlagen (MR) werden keine Zinsen gezahlt, sondern nur ein Teil (1µ) kann Kreditzinserträge erwirtschaften!)Î Sollzins < Habenzins!
Der reale Kreditzins sei im langfristigen Gleichgewicht exogen und auf
null normiert. Dann gilt: it = π t nach der Fisher-Parität.
Der Seignorage-Gewinn der Regierung erstreckt sich jetzt nicht nur auf
die Bargeldhaltung wie in Kapitel 5.1, sondern auch auf die zinslos zu
unterhaltenden Mindestreserven µdt. Damit ergibt sich die Gleichung für
den Seignorage-Gewinn S (im langfristigen Gleichgewicht) wie folgt:
S = π [m + µ ⋅ d ]
(7)
Das Ziel der Regierung sei es, möglichst viele Ressourcen aus der
Ökonomie herauszuziehen (Maximierung des Seignorage-Gewinns),
indem eine optimale Inflationsrate π und eine optimale
Mindestreservenquote µ gewählt werden. Hierzu werden die Gleichungen
(5) und (6) in (7) eingesetzt und die Bedingungen erster Ordnung für ein
Maximum aufgeschrieben.
[
S = π ((1 − µ )π )
[
−α
+ µ ⋅ ((1 − µ )π )
α
]
]
(8)
∂S
µ
 1
α
α
−α
−α
= ((1 − µ )π ) + µ ⋅ ((1 − µ )π ) + π  − (1 − µ ) π −α −1 + π α −1 (1 − µ )  = 0
∂π
α
 α

(9a)
∂S
πµ
π
−α −1
= π  [(1 − µ )π ]
+
[(1 − µ )π ]α −1 + [(1 − µ )π ]α  = 0
(9b)
∂µ
α
α

Wenn das Gleichungssystem (9a) und (9b) nach π und µ aufgelöst wird
erhält man (Hausaufgabe: Nachrechnen!):
µ=
1−α
1+ α
− 2α
(10)
1+ α  1−α 
π=
⋅

2α  1 + α 
Wichtig ist, daß die optimale Mindestreservequote µ größer als 0 ist.
• Je größer aber die Mindestreservequote µ ist, um so kleiner wird bei
gegebener Zentralbankgeldmenge (Geldbasis) B der Anteil der Kredite
relativ zur Geldbasis bzw. Geldmenge. Beweis:
α
K = d - MR = d(1 - µ) = (1 − µ )[(1 − µ )π ] ,
(11)
wobei das erste Gleichheitszeichen aus der Bankbilanz folgt (siehe oben),
das zweite aus der Mindestreserveregel (4) zuzüglich der Annahme, daß
Banken keine freiwilligen Zentralbankgeldbestände halten; das 3.
Gleichheitszeichen folgt aus (5) und (6).
Î Gleichung (11) zeigt, daß das Kreditvolumen bei gegebener
Inflationsrate mit steigender Mindestreservequote µ fällt.
• Schlußfolgerung:
1) Wenn man das Kreditvolumen als Indikator für den
Entwicklungsstand des Finanzsystems nimmt, dann führt eine hohe
Mindestreservequote zu einem unterentwickelten Finanzsystem;
2) Eine hohe Mindestreservequote wird sich ergeben, wenn das Ziel
der Regierung (bzw. Zentralbank als verlängerter Arm der Regierung)
darin besteht, den Seignorage-Gewinn zu maximieren. Die hohe
Mindestreservequote zwingt Banken zur Haltung von Zentralbankgeld
Î die Steuerbasis der Inflationssteuer steigt!
6.3 Moral Hazard Probleme – „Too big to fail”
• Diaz-Alejandro, Carlos, 1985, Good-bye financial repression, hello
financial crash, Journal of Development Economics, Bd. 19, S. 1-24.
• IWF-Reformprogramm mit Finanzmarkt-Liberalisierung in Chile 1981
• Disinflationsprogramm mittels fester Wechselkurse (vgl. Kapitel 5.2) plus
Privatisierung der Banken plus freie Zinssätze, aber keine
Bankenaufsicht; keine Depositenversicherung
• Banken werden vornehmlich von großen Industrie-Konglomeraten
aufgekauft.
• Banken geben vornehmlich Kredit an diese Industrie-Konglomerate
(Eigentümer der Banken);
• Industrie-Konglomerate verwenden Kredite zu riskanten
Währungsspekulationen, einige verlieren Geld und zahlen den Kredit
nicht zurückÎ Bank bankrottÎ Staat muß Banken stützen, um den
Zusammenbruch des Finanzsystems zu verhindern, und verstaatlicht die
Banken wieder, nachdem er für die Verluste aufgekommen istÎ hohe
Zunahme der StaatsverschuldungÎ Vermutung der Finanzmärkte, daß
Staatsverschuldung durch Erhöhung des Seignorage-Gewinns abgebaut
werden sollÎ InflationserwartungÎ Löhne steigen in Erwartung höherer
Preise, was über den Kostendruck zu einer tatsächlich höheren Inflation
führtÎPreise steigen, während Wechselkurs fixiert ist Î reale
AufwertungÎ Leistungsbilanzdefizit steigt kontinuierlich an Î
Währungskrise und Zusammenbruch des Festkurssystems („twin crisis“)
Literatur:
Diamond, Douglas W., und Philip H. Dybvig, 1983, Bank Runs, Deposit
Insurance, and Liquidity, Journal of Political Economy, Bd. 91, S. 401-19.
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