Marketinglösungen für das mittelständische Kundensegment der Schweizer Branche für Informationstechnologie DISSERTATION der Universität St.Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG) zur Erlangung der Würde eines Doktors der Wirtschaftswissenschaften Vorgelegt von Philipp Biermann von Hugelshofen (Thurgau) und Deutschland Genehmigt auf Antrag der Herren Prof. Dr. Christian Belz und Prof. Dr. Urs Füglistaller Dissertation Nr. 3044 LithoFactory, Bonn 2005 Die Universität St.Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den darin ausgesprochenen Anschauungen Stellung zu nehmen. St.Gallen, den 19. April 2005 Der Rektor: Prof. Ernst Mohr, PhD Vorwort Ohne den Beitrag einer Reihe Menschen hätte die vorliegende Arbeit nicht verfasst werden können. Ihnen gebührt an dieser Stelle mein uneingeschränkter Dank. Da wäre zum einen mein Doktorvater und Referent Prof. Dr. Christian Belz zu nennen. Für seine dauerhafte Diskussionsbereitschaft bin ich sehr dankbar. Den sehr pragmatischen und praxisorientierten Ansatz seiner Forschung, der auch meine Arbeit prägt, weiss ich insbesondere nach einiger Zeit „im Job“ sehr zu schätzen. Ähnliches gilt für Prof. Dr. Urs Füglistaller, der sich nicht nur bereit erklärte das Korreferat zu übernehmen, sondern durch sein profundes Wissen über den KMU-Markt zum Erfolg der Arbeit beigetragen hat. Ein zentraler Baustein meiner Dissertation umfasst die qualitative und quantitative Befragung von Schweizer KMU und IT-Unternehmen. Ich möchte allen Unternehmensvertretern, die sich bereit erklärten ihre wertvolle Zeit für mein Forschungsprojekt zu investieren, von ganzem Herzen danken. Nicht unerwähnt bleiben darf selbstverständlich meine Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Marketing und Handel an der Universität St.Gallen (IMH-HSG). Die freundliche und unkomplizierte Atmosphäre ist bestimmt keine Selbstverständlichkeit und lässt allen Beteiligten die grösstmögliche Freiheit. Mein besonderer Dank gilt dabei meinen ehemaligen Kollegen Christian Schmitz und Dominik Pfeiffer, welche die Arbeit von Anfang an („Lerngruppe Projekt D“) begleitet haben und auch zu später Stunde in der „Lotusblüte“ wertvolle Sparringspartner waren. Schliesslich darf ich mich glücklich schätzen auch im privaten Umfeld die grösstmögliche Unterstützung erfahren zu haben. Meiner Verlobten Dr. Katharina Pauls danke ich für ihr grosses Herz. Trotz einer generellen Skepsis gegenüber „Fernbeziehungen“ hatte sie nicht nur stets Verständnis für meine Arbeit, sondern hat sogar bei der Dateneingabe tatkräftig und fingerfertig mitgearbeitet. Zu guter letzt haben mir meine Eltern Dr. Udo und Regula Biermann nicht nur zu Studienzeiten, sondern von Kindesbeinen an alle Abenteuer unterstützt und so meine Promotion erst ermöglicht. Ihnen ist diese Doktorarbeit gewidmet. Bonn, im Juli 2005 Philipp Biermann Inhaltsübersicht A EINFÜHRUNG: MARKETING FÜR MITTELSTÄNDISCHE KUNDEN 1 1 Problemstellung: Erfolg im Mittelstand häufig hinter den Erwartungen 1 2 Forschungsobjekt: Fehlende Verbindung zwischen IT-, Marketing- und KMUForschung 5 3 Forschungsziele: Mittelständischen Kundengruppe besser verstehen und bearbeiten 9 4 Forschungsdesign und -konzeption: Determiniert durch die Forschungsziele 11 ANBIETERDIAGNOSE: BESONDERHEITEN DER IT-BRANCHE 19 B 1 Heterogene Strukturen und Leistungen kennzeichnen IT-Branche 19 2 Besonderheiten der IT prägen ihren Vermarktungsprozess 38 KUNDENDIAGNOSE: BESONDERE STRUKTUREN UND PROZESSE PRÄGEN DEN MITTELSTAND 55 1 Grosse Anzahl mittelständischer Unternehmen macht den Markt attraktiv 55 2 Charakteristika des Mittelstandes bestimmen IT 67 3 IT bietet dem Mittelstand vielfältige Möglichkeiten 72 4 Beschaffung von IT im Mittelstand: Merkmale, Informationsquellen und Personen110 C D MITTELSTAND ALS KUNDE: HINTERGRUND, HERAUSFORDERUNGEN UND ANBIETERTYPEN 144 1 Mittelstandsfokus: Konzeptionelle und empirische Erklärungsversuche 144 2 Diverse Herausforderungen kennzeichnen den Mittelstandsmarkt 155 3 Differenzierte Bearbeitung des Kundensegments in der Praxis 162 4 Vier typische Unternehmen auf Anbieterseite 166 MARKETINGLÖSUNGEN FÜR EFFIZIENZ UND KUNDENNÄHE 176 1 Lösungen orientieren sich an den Zielen im Kundensegment 176 2 Potenzialorientierte Ansätze verbessern die Effizienz der Kundenbearbeitung 191 3 Bedürfnisorientierte Ansätze verbessern die Kundennähe 205 4 Segmentorientierte Ansätze verbessern Effizienz und Kundennähe 222 SCHLUSSBETRACHTUNG 261 E F 1 Ausführliche Zusammenfassung der Ergebnisse 261 2 Übertragbarkeit, Grenzen und Forschungsbedarf 266 I Inhaltsverzeichnis Seite INHALTSÜBERSICHT INHALTSVERZEICHNIS I II ABBILDUNGSVERZEICHNIS VII TABELLENVERZEICHNIS XII VERZEICHNIS DER FALLBEISPIELE ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS XV EINFÜHRUNG: MARKETING FÜR MITTELSTÄNDISCHE KUNDEN 1 1 Problemstellung: Erfolg im Mittelstand häufig hinter den Erwartungen 1 2 Forschungsobjekt: Fehlende Verbindung zwischen IT-, Marketing- und KMUForschung 5 3 Forschungsziele: Mittelständischen Kundengruppe besser verstehen und bearbeiten 9 4 Forschungsdesign und -konzeption: Determiniert durch die Forschungsziele 11 4.1 11 A B 1 2 II XIV Wissenschafts- und Marketingverständnis 4.2 Forschungsprozess und Forschungsinstrumente 13 4.3 Aufbau der Arbeit 16 ANBIETERDIAGNOSE: BESONDERHEITEN DER IT-BRANCHE 19 Heterogene Strukturen und Leistungen kennzeichnen IT-Branche 19 1.1 Abgrenzung und Definition der IT-Branche 19 1.2 Bedeutung der IT-Branche 20 1.3 Erlösstrukturen und -entwicklungen der IT-Branche 21 1.3.1 Hardware-Produkte als Erlösträger 21 1.3.2 Software-Produkte als Erlösträger 26 1.3.3 IT-Dienstleistungen als Erlösträger 29 1.4 Kostenstrukturen in der IT-Branche 31 1.5 Integration und Konsolidierung der IT-Branche 34 Besonderheiten der IT prägen ihren Vermarktungsprozess 38 C 1 2 3 2.1 Zur Typologisierung von Gütern und Transaktionen 38 2.2 Marktbezogene Besonderheiten des Vermarktungsobjektes IT 40 2.3 Objektbezogene Besonderheiten des Vermarktungsobjektes IT 41 2.3.1 Systemcharakter des Vermarktungsobjektes IT 41 2.3.2 Dienstleistungscharakter des Vermarktungsobjektes IT 43 2.3.3 Netzwerkcharakter des Vermarktungsobjektes IT 45 2.3.4 Technikcharakter des Vermarktungsobjektes IT 46 2.4 Wirkungen des Vermarktungsobjektes IT auf die Kundensituation 47 2.5 Wirkungen des Vermarktungsobjektes IT auf die Anbietersituation 52 KUNDENDIAGNOSE: BESONDERE STRUKTUREN UND PROZESSE PRÄGEN DEN MITTELSTAND 55 Grosse Anzahl mittelständischer Unternehmen macht den Markt attraktiv 55 1.1 Arbeitsdefinition des mittelständischen Unternehmens 55 1.2 Attraktivität des mittelständischen Kundensegments 60 1.3 Struktur des mittelständischen Kundensegments 64 Charakteristika des Mittelstandes bestimmen IT 67 2.1 Unternehmensmerkmale und IT 67 2.2 IT und organisatorische Besonderheiten des Mittelstandes 67 2.3 IT und Unternehmensführung im Mittelstand 68 2.3.1 Besonderheiten der mittelständischen Führungsstruktur 68 2.3.2 Besonderheiten der mittelständischen Unternehmensplanung 71 IT bietet dem Mittelstand vielfältige Möglichkeiten 72 3.1 Konzeptionelle Grundlagen der IT 72 3.2 Empirische Befunde zur IT in mittelständischen Unternehmen 79 3.2.1 Hinweise zur empirischen Forschung im Untersuchungskontext 79 3.2.2 Potenziale der IT im Mittelstand 80 3.2.3 Erfolgsfaktoren der IT-Nutzung im Mittelstand 81 3.3 Informationsmanagement und IT-Planung als unternehmerische Aufgabe 83 3.4 Stellenwert der IT im Mittelstand 84 3.5 Ziele der IT im Mittelstand 94 3.6 Organisation und Kontrolle der IT im Mittelstand 102 3.7 Defizite im IT-Management im Mittelstand 105 III 4 Beschaffung von IT im Mittelstand: Merkmale, Informationsquellen und Personen111 4.1 Organisationales Beschaffungsverhalten bei IT und im Mittelstand 111 4.2 Der mittelständische Beschaffungsprozess von IT 117 4.2.1 Untersuchungsmodell zur Beschreibung des Beschaffungsprozesses 117 D 1 4.2.2 Merkmale des IT-Beschaffungsprozesses 119 4.2.3 Informationsquellen im IT-Beschaffungsprozess 138 4.2.4 Beteiligte Personen im IT-Beschaffungsprozess 141 MITTELSTAND ALS KUNDE: HINTERGRUND, HERAUSFORDERUNGEN UND ANBIETERTYPEN 145 Mittelstandsfokus: Konzeptionelle und empirische Erklärungsversuche 145 1.1 Strategisch-konzeptionelle Erklärungsversuche 145 1.2 Empirische Erklärungsversuche 151 2 Diverse Herausforderungen kennzeichnen den Mittelstandsmarkt 156 3 Differenzierte Bearbeitung des Kundensegments in der Praxis 163 4 Vier typische Unternehmen auf Anbieterseite 167 MARKETINGLÖSUNGEN FÜR EFFIZIENZ UND KUNDENNÄHE 177 Lösungen orientieren sich an den Zielen im Kundensegment 177 1.1 Grundlagen der Marketingplanung 177 1.2 Marketingstrategische Überlegungen im mittelständischen Kundensegment180 E 1 1.3 1.2.1 Anforderungen an ein Modell strategischer Optionen 180 1.2.2 Strategische Optionen für das Mittelstandssegment 181 Potenzial-, Bedürfnis- und Segmentorientierte Ansätze setzen strategische Optionen um 184 1.3.1 Ausgewählte Marketingansätze für das mittelständische Kundensegment 184 1.3.2 Kategorisierung, empirische Relevanz und Reserven 2 192 2.1 Standardisierungsansatz 192 2.1.1 Grundlagen und empirische Relevanz der Standardisierung 192 2.1.2 Modularisierung kostenintensiver Dienstleistungen 194 2.1.3 Instrumente moderner IKT 199 2.1.4 Implikationen: Kosten senken, Kundenakzeptanz berücksichtigen 203 Kundenintegration und Leistungsdelegation 203 2.2 IV 189 Potenzialorientierte Ansätze verbessern die Effizienz der Kundenbearbeitung 3 2.2.1 Grundlagen und empirische Relevanz der Kundenintegration 203 2.2.2 Implikationen: Kunde auf Integration vorbereiten 206 Bedürfnisorientierte Ansätze verbessern die Kundennähe 206 3.1 206 Leistungssystemansatz 3.1.1 Grundlagen und empirische Relevanz des Leistungssystemansatzes 206 3.2 3.1.2 Verrechnung von Dienst- und Nebenleistungen 210 3.1.3 Implikationen: Kundenbedürfnis in den Mittelpunkt stellen und Komplexität vermeiden 210 Marken- und Imagepolitik 212 3.2.1 Grundlagen und empirische Relevanz der Marken- und Imagepolitik212 4 3.2.2 Markenaufbau durch Marktbearbeitung und Kommunikation 214 3.2.3 Referenzmanagement 216 3.2.4 Implikationen: Wechselwirkungen der Kommunikation beachten 222 Segmentorientierte Ansätze verbessern Effizienz und Kundennähe 4.1 223 Pricingansatz 223 4.1.1 Grundlagen und empirische Relevanz des Pricing 223 4.1.2 Leistungsbezogene Preisdifferenzierung: Günstige Preise für den Mittelstand 226 4.1.3 Mengen- und zeitbezogene Preisdifferenzierung: Mengenrabatte und Mietmodelle 227 4.2 4.1.4 Implikationen: Ergebniseffekte genau analysieren 229 Beziehungsmanagement 230 4.2.1 Grundlagen und empirische Relevanz des Beziehungsmanagements 230 4.3 4.2.2 Strategievarianten im Beziehungsmanagement 232 4.2.3 Implikationen: Kontakte maximieren, Aufwand minimieren 238 Kooperationen 239 4.3.1 Grundlagen und empirische Relevanz des Kooperationsmanagements 239 4.4 4.3.2 Intensive Zusammenarbeit mit Vertriebspartnern 241 4.3.3 Implikationen: Partnermanagement professionalisieren 244 Segmentierung 246 4.4.1 Grundlagen und empirische Relevanz der Segmentierung 246 4.4.2 Ausgewählte Segmentierungsansätze im Rahmen dieser Arbeit 250 V 4.4.3 Implikationen: Segmentierung in Massnahmen „übersetzen“ SCHLUSSBETRACHTUNG 261 1 Ausführliche Zusammenfassung der Ergebnisse 261 2 Übertragbarkeit, Grenzen und Forschungsbedarf 266 F G ANHANG Marketing-Konzept für das mittelständische Kundensegment Informationen zur schriftlichen „Marketingbefragung“ Informationen zur schriftlichen „Mittelstandsbefragung“ Verzeichnis der durchgeführten Expertengespräche Verzeichnis der durchgeführten Unternehmergespräche Literaturverzeichnis VI 259 XI XI XIII XXVIII XI XII XIV Abbildungsverzeichnis Seite Abbildung A-1: Zukünftige und aktuelle Bedeutung der KMU für die IT-Branche 2 Abbildung A-2: Anbieterziele der IT-Branche im mittelständischen Kundensegment 4 Abbildung A-3: Das Untersuchungsobjekt im Kontext betriebswirtschaftlicher Forschung 6 Abbildung A-4: Forschungsprozess und -instrumente 14 Abbildung A-5: Gliederungsübersicht der Arbeit 18 Abbildung B-1: Grösse, Wachstum und Zusammensetzung des IT-Markts (CH) 2000 bis 2004 21 Abbildung B-2: Aufbau eines Computersystems 23 Abbildung B-3: Moderne Einordnung von Rechnerkategorien 24 Abbildung B-4: Grösse, Wachstum und Zusammensetzung des Hardwaregeschäfts (CH) 2000 bis 2004 Abbildung B-5: Grösse, Wachstum und Zusammensetzung des Softwaremarkt (CH) 2000 bis 2004 Abbildung B-6: 29 Grösse, Wachstum und Zusammensetzung des Servicemarkts (CH) 2000 bis 2004 Abbildung B-7: 26 31 Kostenzusammensetzung ausgewählter Software-, IT-Beratungsund Hardwareunternehmen 32 Abbildung B-8: Einflüsse und Wirkungen der Kostenstruktur der IT-Branche 33 Abbildung B-9: Ausgewählte Akteure und Struktur der IT-Branche 36 Abbildung B-10: Besonderheiten, Wirkungen und Herausforderungen des Vermarktungsobjekts „Informationstechnologie“ 39 Abbildung B-11: Dienstleistungsanteil ausgewählter Leistungen der IT-Branche 44 Abbildung B-12: Die Stufen der innerbetrieblichen Integration 51 Abbildung C-1: Mittelstandstypologie 59 Abbildung C-2: Grösse, -wachstum und -zusammensetzung des Mittelstandsmarkts VII (CH) 2004 Abbildung C-3: 61 Einsatz und Wachstumspotenzial von ERP-Modulen in KMU (CH) bis 2006 63 Abbildung C-4: Besitz- und Führungsstruktur im Mittelstand (CH) 2004 66 Abbildung C-5: Risiken der Informationstechnik in mittelständischen Unternehmen 78 Abbildung C-6: Prozess des strategischen Informationsmanagements 83 Abbildung C-7: Aussagen zur IT im Schweizer Mittelstand 86 Abbildung C-8: IT-Affinität nach Branchenzugehörigkeit 88 Abbildung C-9: Aussagen zur Zusammenarbeit zwischen KMU und IT-Unternehmen 94 Abbildung C-10: Ziel der Informationstechnik im Mittelstand (CH) 97 Abbildung C-11: Marktorientierte Ziele nach Branchenzugehörigkeit 99 Abbildung C-12: Prozessorientierte Ziele nach Branchenzugehörigkeit 100 Abbildung C-13: Anzahl Mitarbeiter der IT-Abteilung im Mittelstand (CH) 103 Abbildung C-14: Aufteilung der IT-Kosten in Prozent des Umsatzes im Mittelstand (CH) Abbildung C-15: Zielerreichung im mittelständischen Segment 104 107 Abbildung C-16: Bedeutung und Erreichung ausgewählter Ziele der Informationstechnik 109 Abbildung C-17: Einflussfaktoren des organisationalen Beschaffungsverhaltens 111 Abbildung C-18: Untersuchungsmodell zur organisationalen Beschaffung 118 Abbildung C-19: Schwierigkeiten im IT-Investitionsprozess 119 Abbildung C-20: Schwierigkeiten im IT-Investitionsprozess nach IT-Leistung 120 Abbildung C-21: Die zwölf wichtigsten Auslöser für Marketingaktivitäten bei Microsoft 122 Abbildung C-22: Merkmale im mittelständischen Beschaffungsprozess (Phase 1) 123 Abbildung C-23: Merkmale im mittelständischen Beschaffungsprozess (Phase 2) 125 Abbildung C-24: Merkmale im mittelständischen Beschaffungsprozess (Phase 3) 126 Abbildung C-25: Merkmale im mittelständischen Beschaffungsprozess (Phase 4) 129 VIII Abbildung C-26: Merkmale im mittelständischen Beschaffungsprozess (Phase 5) 130 Abbildung C-27: Kriterien zur Produktauswahl 133 Abbildung C-28: Kriterien zur Lieferantenauswahl 134 Abbildung C-29: Kriterien der Produktauswahl nach Investitionstyp 135 Abbildung C-30: Kriterien der Anbieterauswahl nach Investitionstyp 136 Abbildung C-31: Informationsquellen im IT-Beschaffungsprozess 139 Abbildung C-32: Beteiligte Personen im IT-Beschaffungsprozess 142 Abbildung D-1: Konzeptionelle Instrumente zur Strategieentwicklung 145 Abbildung D-2: Exkurs zur Definition von Marktsegmenten 149 Abbildung D-3: Gründe für ein Engagement im mittelständischen Kundensegment 153 Abbildung D-4: Ausgewählte Zitate zum KMU-Segment 154 Abbildung D-5: Wichtige Probleme im mittelständischen Kundensegment 156 Abbildung D-6: Problemkreise im IT-Marketing für das mittelständische Kundensegment Abbildung D-7: 157 Marketinginstrumentelle Differenzierung zwischen mittelständischem und Grosskundensegment 163 Abbildung D-8: Organisatorische Verankerung der Kundengruppe Mittelstand 164 Abbildung D-9: Regionale Zuständigkeiten für das mittelständische Kundensegment 166 Abbildung D-10: Anbietertypologie im IT-Marketing für mittelständische Kunden 168 Abbildung E-1: Marketingstrategische Zusammenhänge 177 Abbildung E-2: Wirkungszusammenhänge der quantitativen und qualitativen Differenzierung 181 Abbildung E-3: Strategische Optionen im Marketing für mittelständische Kunden 182 Abbildung E-4: Marketingansätze für Effizienz und Effektivität und empirische Reserven Abbildung E-5: 188 Nutzung und Reserven ausgewählter Lösungsansätze im mittelständischen Kundensegment 190 IX Abbildung E-6: Empirische Bedeutung einzelner Massnahmen der Standardisierung 193 Abbildung E-7: Stufen der Individualisierung im Marketing und beispielhafte Aufgaben 197 Abbildung E-8: Modularer Aufbau einer Offerte und Modulbeispiele 198 Abbildung E-9: Beispielhafte Anwendungsapplikation moderner ITK im Vertriebsprozess Abbildung E-10: Call-Center Potenziale entlang des Einkaufsprozesses 199 201 Abbildung E-11: Empirische Bedeutung einzelner Massnahmen der Integration/Delegation 204 Abbildung E-12: IT-Marktleistungen und Kundennutzen für KMU als Leistungssystem 207 Abbildung E-13: Empirische Bedeutung einzelner Massnahmen des Leistungssystemansatzes 208 Abbildung E-14: Markenwert, Markenwertentwicklung und Markenwertanteil de ITBranche 211 Abbildung E-15: Empirische Bedeutung einzelner Massnahmen der Markenführung 213 Abbildung E-16: Ausgewählte Bausteine im „Referenzmix“ für Anbieter 216 Abbildung E-17: Systematisches Referenz-Management 217 Abbildung E-18: Preismodelle für Software 223 Abbildung E-19: Empirische Bedeutung einzelner Massnahmen der Preisgestaltung 224 Abbildung E-20: Empirische Bedeutung einzelner Massnahmen des Beziehungsmanagements 231 Abbildung E-21: Strategievarianten im Beziehungsmanagement 232 Abbildung E-22: Empirische Bedeutung einzelner Massnahmen der Kooperation 240 Abbildung E-23: Vertriebsmodell der SAP im mittelständischen Segment 242 Abbildung E-24: Vereinfachtes Vertriebsmodell der HP (CH) AG im Mittelstand 243 Abbildung E-25: Segmentierungskriterien in der IT-Branche 247 Abbildung E-26: Empirische Bedeutung einzelner Massnahmen der Segmentierung 248 X Abbildung E-27: Einsatz multivariater Analyseverfahren bei der Bestimmung von Marktsegmenten 250 Abbildung E-28: Eignung einzelner Segmentierungsansätze im Vermarktungsprozess 258 Abbildung G-1: Rücklauf nach Geschäftsfeldern der beteiligten IT-Unternehmen XIII Abbildung G-2: Rücklauf nach Position der befragten Manager XIV Abbildung G-3: Rücklauf nach Mitarbeiteranzahl der beteiligten IT-Unternehmen (CH) Abbildung G-4: XIV Rücklauf nach Mitarbeiteranzahl der beteiligten IT-Unternehmen (weltweit) XV Abbildung G-5: Probleme im mittelständischen Kundensegment Abbildung G-6: Fragebogen für die Marketingbefragung Abbildung G-7: Rücklauf nach Postleitzahlengebiet XXVIII Abbildung G-8: Rücklauf nach Alter der Befragten XXIX Abbildung G-9: Rücklauf nach Position der Befragten XXIX Abbildung G-10: Rücklauf nach Alter der Unternehmen XXX Abbildung G-11: Rücklauf nach Umsatz des Unternehmens XXX Abbildung G-12: Rücklauf nach Branchenzugehörigkeit XVII XXVII XXXI Abbildung G-13: Rücklauf nach Anzahl Mitarbeiter des Unternehmens XXXII Abbildung G-14: Rücklauf nach Produktbereich der Unternehmen XXXII Abbildung G-15: Rücklauf nach Kundenbereich der Unternehmen XXXIII Abbildung G-16: Rücklauf nach Jahr der getätigten Investition XXXIII Abbildung G-17: Einstellung gegenüber IT nach Unternehmenstypus XXXIV Abbildung G-18: Zusammenarbeit mit der IT-Industrie nach Unternehmenstypus Abbildung G-19: Einstellung gegenüber IT nach Branchenzugehörigkeit XXXV XXXVI Abbildung G-20: Zusammenarbeit mit der IT-Industrie nach BranchenzugehörigkeitXXXVII Abbildung G-21: IT-Ziele nach Unternehmenstyp Abbildung G-22: IT-Ziele nach Branchenzugehörigkeit XXXVIII XXXIX XI Abbildung G-23: Zielerreichung nach Branchenzugehörigkeit XL Abbildung G-24: IT-Zielerreichung nach Unternehmenstyp XLI Abbildung G-25: Fragebogen für die Mittelstandsbefragung LIV Tabellenverzeichnis Tabelle A-1: Ausgewählte im Untersuchungskontext zentrale wissenschaftliche Publikationen Tabelle A-2: Merkmale des Marketing Tabelle B-1: Horizontale Konsolidierung: Fusionen und Übernahmen in der ITBranche Tabelle B-2: 7 13 35 Vertikale Konsolidierung: Fusionen und Übernahmen in der ITBranche 37 Tabelle B-3: Beispiele für Bindungseffekte in der IT-Branche 42 Tabelle C-1: Branchenzusammensetzung des mittelständischen Kundensegments 65 Tabelle C-2: Auswirkungen und Effekte der Informationstechnik nach Analyseebenen Tabelle C-3: 73 Potenziale der Informationstechnik auf Individual- und Gruppenebene 74 Tabelle C-4: Stellenwert von IT im Mittelstand: Rotierte Komponentenmatrix 85 Tabelle C-5: Ziele von IT im Mittelstand: Rotierte Komponentenmatrix 98 Tabelle C-6: Besonderheiten organisationaler Beschaffung 111 Tabelle C-7: Ausgewählte Forschungshypothesen zur IT-Evaluation in KMU 127 Tabelle D-1: Zitate zur Wertorientierung führender IT-Unternehmen 145 Tabelle D-2: Entwicklung der IT-Branche um das Jahr 2000 151 Tabelle D-3: Zentrale Aufgaben der KMU-Abteilung bei Microsoft und SAP 165 Tabelle D-4: „Steckbrief“ verschiedener IT-Anbietertypen im mittelständischen Kundensegment Tabelle E-1: Einfluss einzelner Lösungsansätze auf die identifizierten Problemkreise XII 169 189 Tabelle E-2: Chancen und Gefahren des Standardisierungsansatzes im Mittelstand 202 Tabelle E-3: Chancen und Gefahren des Integrationsansatzes im Mittelstand Tabelle E-4: Lösungsansätze zur Verrechnung von Dienst- und Nebenleistungen in der IT-Branche 205 209 Tabelle E-5: Chancen und Gefahren des Leistungssystemansatzes im Mittelstand 210 Tabelle E-6: Ausgewählte Kriterien zur Referenzkundenbewertung 218 Tabelle E-7: Chancen und Gefahren des Markenaufbaus im Mittelstand 222 Tabelle E-8: Chancen und Gefahren des Pricingansatzes im Mittelstand 229 Tabelle E-9: Chancen und Gefahren des Beziehungsmanagements im Mittelstand 238 Tabelle E-10: Chancen und Gefahren des Kooperationsansatzes im Mittelstand 244 Tabelle E-11: Anforderungen an die Leistung: Rotierte Komponentenmatrix 251 Tabelle E-12: Anforderungen an den Anbieter: Rotierte Komponentenmatrix 251 Tabelle E-13: Ergebnisse der Clusteranalyse (Einkaufskriterien/Hardware) 252 Tabelle E-14: Clustermerkmale (Einkaufskriterien/Hardware) 252 Tabelle E-15: Ergebnisse der Clusteranalyse (Einkaufskriterien/Software) 253 Tabelle E-16: Clustermerkmale (Einkaufskriterien/Hardware) 254 Tabelle E-17: Bedeutung einzelner IT-Ziele nach Segment (Ergebnisse der Clusteranalyse: IT-Ziele) 255 Tabelle E-18: Clustermerkmale (IT-Ziele) 255 Tabelle E-19: Einstellung gegenüber IT nach Segment (Ergebnisse der Clusteranalyse: IT-Einstellung) 256 Tabelle E-20: Clustermerkmale (IT-Einstellung) 257 Tabelle E-21: Chancen und Gefahren des Segmentierungsansatzes im Mittelstand 260 Tabelle G-1: Information zur schriftlichen „Marketingbefragung“ Tabelle G-2: Ziele im mittelständischen Kundensegment nach Anbietertyp Tabelle G-3: Motivation im mittelständischen Kundensegment nach Anbietertyp XVIII Tabelle G-4: Problemkreise im mittelständischen Kundensegment XIII XVIII XIX XIII Tabelle G-5: Probleme im mittelständischen Kundensegment nach Anbietertyp Tabelle G-6: Lösungen im mittelständischen Kundensegment nach Anbietertyp XXII Tabelle G-7: Information zur schriftlichen „Marketingbefragung“ Tabelle G-8: Kreuztabellierung der verschiedenen Segmentierungsansätze Tabelle G-9: Segmentierung nach Leistungs- und Anbieterkriterien Hardware: Segmentmerkmale Tabelle G-10: XXI XXVIII XLII XLIV Segmentierung nach Leistungs- und Anbieterkriterien Software: Segmentmerkmale Tabelle G-11: Segmentierung nach IT-Zielen: Segmentmerkmale Tabelle G-12: Segmentierung nach IT-Einstellung: Segmentmerkmale XLVI XLVIII L Verzeichnis der Fallbeispiele Fallbeispiel A-1: Übernahmeangebot für Peoplesoft 2 Fallbeispiel B-1: Vertikale Integration bei HP (Deutschland) 38 Fallbeispiel B-2: Modularer Aufbau der ERP-Lösung von Oracle 42 Fallbeispiel C-1: Bedeutung des Einkaufsprozesses mittelständischer Kunden bei Microsoft (Schweiz) AG 122 Fallbeispiel D-1: „Roll-Out“ bei Cisco Systems (Schweiz) AG 152 Fallbeispiel D-2: Siebel Systems (Schweiz) AG 159 Fallbeispiel D-3: KMU-Experte HP (Schweiz) AG 171 Fallbeispiel D-4: KMU-Herausforderer Microsoft (Schweiz) AG 172 Fallbeispiel D-5: KMU-Neuling SAP (Schweiz) AG 174 Fallbeispiel D-6: KMU-Mitläufer EDS (Schweiz) AG 175 Fallbeispiel E-1: Modular gestaltete „Service Level Agreements“ verschiedener Anbieter 195 Fallbeispiel E-2: Modularisiertes Offertenmanagement 198 Fallbeispiel E-3: Modularisierte Argumentationslisten im Verkauf 198 Fallbeispiel E-4: Online-Befragung bei SAGE KHK 200 XIV Fallbeispiel E-5: SMB Value Calculator bei SAP 201 Fallbeispiel E-6: Professionelle Call-Center Lösungen 201 Fallbeispiel E-7: Leistungsdelegation bei Softwareprojekten 204 Fallbeispiel E-8: Leistungsdelegation bei Novell 204 Fallbeispiel E-9: Leistungssystem bei Abacus Research 206 Fallbeispiel E-10: Kooperatives Leistungssystem durch Cisco Systems, SAP, Swisscom Enterprise Solution 208 Fallbeispiel E-11: „Mittelstandsindex“ von Cisco Systems 214 Fallbeispiel E-12: KMU-Sponsoring bei HP (Schweiz) 215 Fallbeispiel E-13: Passive Nutzung von Referenzen über den Newsletter der SAP AG (Schweiz) 219 Fallbeispiel E-14: Aktive Nutzung von Referenzen bei der Triaton AG 220 Fallbeispiel E-15: Günstige Lösungen für KMU: SAP Business One 226 Fallbeispiel E-16: Günstige Lösungen für KMU: HP Mergercard 227 Fallbeispiel E-17: IT-Leasing bei SAGE 228 Fallbeispiel E-18: Kunden- und anspruchsgruppenorientierte Events bei SAP (Schweiz) AG 233 Fallbeispiel E-19: Beziehungsmarketing bei IBM (Schweiz) AG 237 Fallbeispiel E-20: Vertriebskooperation zwischen IBM und SAP 239 Fallbeispiel E-21: Kooperatives Distributionssystem der SAP AG im Mittelstand 242 Fallbeispiel E-22: Kooperatives Distributionssystem der HP AG (Schweiz) im Mittelstand 243 Fallbeispiel E-23: Leistungsdifferenzierung im Softwaregeschäft 249 Abkürzungsverzeichnis Abk. = Abkürzung AoA = Aufgabenorientierter Ansatz XV AG = Aktiengesellschaft Anm. = Anmerkung ASP = Application Service Provider / Providing BCG = Boston Consulting Group B2B = Business to Business B2C = Business to Consumer BfS = Bundesamt für Statistik BI = Business Intelligence BPR = Business Process Redesign / Reengineering bzgl. = bezüglich bzw. = beziehungsweise CEO = Chief Executive Officer CHF = Schweizer Franken COGS = Costs of Goods Sold CPU = Central Processing Unit CAD = Computer Aided Design CIM = Computer Integrated Manufacturing CIO = Chief Information Officer CRM = Customer Relationship Management C/S = Client-Server DAX = Deutscher Aktien Index EDI = Electronic Data Interchange EDV = Elektronische Datenverarbeitung EITO = European Information Technology Observatory EK = Eigenkapital/Einkauf ERP = Enterprise Ressource Planning FAQ = Frequently Asked Questions F&E = Forschung und Entwicklung FFS = Flexible Fertigungssysteme FN = Fussnote XVI G&A = General & Administration GDP = Gross Domestic Product GL = Geschäftsleitung HW = Hardware i.G.g. = im Grunde genommen IKT = Informations- und Kommunikationstechnologie IS = Informationssystem IT = Informationstechnologie/Information Technology IV = Informationsverarbeitung KMU = Kleine und Mittlere Unternehmen LAN = Local Area Network M&S = Marketing & Sales MA = Mitarbeiter MBO = Management Buyout MG = Muttergesellschaft Mia. = Milliarden MIND = Mittelstand in Deutschland Mio. = Millionen Mgmt. = Management MS = Mittelstand MU = Mittlere Unternehmen MW = Mittelwert (auch: arithmetisches Mittel) n = Anzahl Nennungen/Fälle (Stichprobe) o.ä. = oder ähnliches o.g. = oben genannte o. J. = ohne Jahr o. O. = ohne Ort OPP = Order Penetration Point o. S. = ohne Seite XVII p = probability (Wahrscheinlichkeit) p.a. = per annum PC = Personal Computer PPS = Produktionsplanungssysteme R&D = Research & Development RAM = Random Access Memory s = Standardabweichung SCM = Supply Chain Management Seco = Staatssekretariat für Wirtschaft SGF/SGE = Strategisches Geschäftsfeld/Geschäftseinheit SLA = Service Level Agreement SME = Small and medium enterprises sog. = sogenannte STRATOS = Strategic Orientation of small and medium sized enterprises SW = Software TG = Tochtergesellschaft UMTS = Universal Mobile Transmission System u.U. = unter Umständen v.a. = vor allem VAR = Value Added Reseller Verf. = Verfasser VP = Vertriebspartner Y2K = Year 2000 z. Bsp. = z. Bsp. z.T. = zum Teil XVIII Teil A Einführung: Marketing für mittelständische Kunden A Einführung: Marketing für mittelständische Kunden „In den nächsten 5 Jahren geht im Midmarket die Post ab!“ Larry Ellison, CEO Oracle Corp., 2003 1 Problemstellung: Erfolg im Mittelstand häufig hinter den Erwartungen Mittelständische Unternehmen bzw. kleine und mittlere Unternehmen (KMU)1 rücken in letzter Zeit vermehrt in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses. Politische Parteien und Organisationen betonen die wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung des Mittelstandes. Sowohl Unternehmerverbände als auch Gewerkschaften verweisen in ihren Argumentationen gerne auf den Mittelstand als „Rückgrat“ der Wirtschaft. Vermehrte Aufmerksamkeit entspringt auch ganzen Anbieterindustrien, die das Segment unter den aktuell veränderten Rahmenbedingungen als lukrative Erlösquelle entdeckt haben. So profitieren beispielsweise Banken oder Wirtschaftsprüfer von den neuen Rechnungslegungs- und Eigenkapitalstandards für KMU („Basel II“). Auch die Branche für Informationstechnologie (IT) setzt seit dem Konjunktureinbruch und dem Kursrückgang an den Weltbörsen im Jahr 2000 vermehrt auf den Mittelstand als Kundensegment. Die vorliegende Arbeit greift die besonderen Herausforderungen und Lösungen auf, die sich im Fall der IT-Branche stellen. Die Konzentration auf die Informationstechnologie als Anbieterbranche scheint aus verschiedenen Gründen vorteilhaft. Zum einen besitzen mittelständische Unternehmen eine erhebliche aktuelle Bedeutung als Kundengruppe. In nahezu allen grossen IT-Unternehmen werden deshalb die Ressourcen aufgestockt, Abteilungen gebildet, Manager für diese Aufgabe abgestellt oder Kampagnen konzipiert. Die Deutsche Telekom reorganisierte jüngst die gesamte Unternehmensstruktur, um besser auf die Bedürfnisse kleiner und mittelständischer Unternehmen eingehen zu können. Auch Fallbeispiel A-1 und Fallbeispiel B-1 zeigen die Bedeutung anhand zweier aktueller Übernahmen im IT-Markt. In der IT-Industrie herrscht kein Zweifel darüber, dass Wachstum v.a. über die kleinen und mittleren Unternehmen generiert werden muss, da im Grosskundenbereich derzeit nur bedingt Möglichkeiten zur Umsatz- und Gewinnsteigerung zur Verfügung stehen. 1 Vgl. zu den Begriffen C 1 1 Feindliches Übernahmeangebot für Peoplesoft Im Juni 2003 unterbreitete Oracle Corp., Weltmarktführer für Datenbankapplikationen und Anbieter von betrieblicher Software, den Aktionären des Konkurrenten Peoplesoft ein feindliches Übernahmeangebot in Höhe von 6,3 Mia. US-$. Oracle begründete diesen Schritt u.a. mit den Kundenportfolios beider Unternehmen, die vergleichsweise wenige Überschneidungen aufweisen. „While Oracle has not had a great track record with many of these middle-tier companies“, konzentrierte sich Peoplesoft in der Vergangenheit auf mittelgrosse und kleinere Unternehmen. Durch einen Erwerb könnte sich Oracle innerhalb kürzester Zeit ein zweites Standbein im potentiell rasch wachsenden Midmarket schaffen. Fallbeispiel A-1: Übernahmeangebot für Peoplesoft2 Abbildung A-1 verdeutlicht die hohe aktuelle und zukünftige Bedeutung der Kundengruppe aus Sicht der Marketing- und Verkaufsverantwortlichen in Schweizer IT-Unternehmen. So bewerten 95% der Befragten die zukünftige Bedeutung des Mittelstands für die Schweizer ITBranche als hoch oder eher hoch (Werte 4 und 5), wohingegen nur 76% dies auch über die aktuelle Bedeutung sagen würden. Mittelwert Gering 1 2 3 Hoch 5 4 3,93 Aktuelle Bedeutung der KMU für die Schweizer IT-Industrie (n=41; s=0,96) 12% 12% 76% 4,32 Zukünftige Bedeutung der KMU für die Schweizer IT-Industrie (n=41; s=0,57) 5% Aktuelle Bedeutung der KMU für Ihr Unternehmen (n=41; s=1) 7% 95% 4,00 20% 73% 4,17 Zukünftige Bedeutung der KMU für Ihr Unternehmen (n=41; s=0,92) Anteil eher geringe Bedeutung (1+2) Abbildung A-1: 2 3 2 83% 5% 12% 0% Neutral (3) 20% 40% eher hohe Bedeutung (4+5) Zukünftige und aktuelle Bedeutung der KMU für die IT-Branche3 Vgl. O.V. (2003c) Quelle: Marketingbefragung 60% 80% 100% Mittelwert Teil A Einführung: Marketing für mittelständische Kunden Allerdings treten bei der Bearbeitung der Kundengruppe erhebliche Schwierigkeiten auf, welche die Anbieter vor grosse Herausforderungen stellen. So ist zunächst festzustellen, dass der Erfolg im mittelständischen Segment in vielen Unternehmen bisher hinter den Erwartungen zurück bleibt. Gerade Anbieter, die bisher über verhältnismässig wenig Erfahrung mit mittelständischen Kunden verfügen, sehen sich mit einer teilweise erheblichen Skepsis auf Kundenseite konfrontiert. Eine im Rahmen dieser Arbeit durchgeführte Befragung kam zu dem Ergebnis, dass ein Grossteil der befragten mittelständischen Unternehmen zwischen 50 und 500 dem forcierten Engagement der IT-Branche eher skeptisch gegenüber steht.4 So titelte auch eine Fachzeitschrift mit Bezug auf die Mittelstandsinitiative des Marktführers für betriebliche Software: „Der Mittelstand hat nicht auf SAP gewartet“5 Der Einfluss der Firmengrösse auf die IT-Struktur6 und das (IT)-Beschaffungsverhalten7 ist unbestritten und empirisch belegt. So bestätigen die Untersuchungen von SEILER et al. (1993) oder SPIEGEL-VERLAG (1982) einen signifikanten Einfluss der Unternehmensgrösse auf die operative Ausgestaltung der Einkaufsprozesse. Beispielsweise unterscheidet sich die Grösse und Zusammensetzung des Buying Centers oder die hierarchische Aufhängung der Einkaufsabteilung in mittelständischen Unternehmen von der in Grossunternehmen. Nicht zuletzt wird in grösseren Betrieben auch deutlich mehr Wert auf formale Richtlinien im Investitions- und Einkaufsprozess gelegt. JULIEN (1995) vermerkt dazu: „New technology acquisition by small and large firms cannot be compared; for small firms it is an entrepreneurial act that in no way resembles the behavior of larger firms.“8 Somit sind Konzepte und Praktiken aus dem Grosskundensegment, die sich in der Vergangenheit durchaus bewährt haben, auf mittelständische Unternehmen nicht unmittelbar übertragbar. Die Gründe liegen v.a. darin, dass kleinere Unternehmen über weniger Ressourcen verfügen, andere Unternehmens- und Entscheidungsstrukturen besitzen und eine teilweise defensivere Einstellung gegenüber IT haben. Die Anbieter stellen im Mittelstand z. Bsp. eine gewisse Skepsis gegenüber IT fest. Zum anderen fehlt es an adäquaten Anpassungen auf Anbieterseite. Die Prozesse und Strukturen vieler grosser IT-Anbieter sind nach wie vor auf Grosskunden 4 5 6 7 8 Vgl. dazu Abbildung C-9 Vgl. O.V. (2002) Vgl. u.a. MARTIN (1989); DELONE (1981); EIN-DOR/SEGEV (1982); RAYMOND (1985) ; WINKELMANN (1998), S. 160 ff. Vgl. u.a. SEILER et al. (1993), ARNOLD (1995) S. 192; BERNROIDER/KOCH (2001); PROSCH (2002); SPIEGEL-VERLAG (1982); FILE/PRINCE (1992) JULIEN (1995), S. 459 3 bzw. Grossprojekte ausgerichtet. Hohe Implementierungs-, Support- und Betreuungskosten prägen nicht nur das Image der Anbieter in der Öffentlichkeit, sondern bewirken auch einen erheblichen Margendruck für die Anbieter, wenn sie nicht adäquat verrechnet werden können.9 Zusammengefasst können somit zwei Kernprobleme identifiziert werden, mit denen sich ITAnbieter im Midmarket konfrontiert sehen: Geschäftsbeziehungen zum Mittelstand weisen aufgrund hoher kundenspezifischer Kosten und zu geringer Preisdurchsetzung häufig eine geringe bzw. negative Marge auf. Das Geschäftsvolumen bleibt im Mittelstand hinter den Erwartungen zurück. trifft gar nicht zu 1 2 Margenverbesserung (besserer Preispunkt) (n=41; s=1,34) Margenverbesserung (niedrigere Kosten) (n=41; s=1,21) trifft voll und ganz zu Mittelwert 3 4 37% 3,10 20% 34% 3,12 22% 5 44% 44% 3,71 Umsatzwachstum durch Cross-Selling 10% (n=41; s=1,12) 68% 22% 3,93 Umsatzwachstum durch neue Kunden (bisherige Nichtverwender) (n=41; s=1,13) Umsatzwachstum durch neue Kunden (Kunden der Konkurrenz) (n=41; s=0,84) Anteil trifft eher nicht zu (1+2) Abbildung A-2: 0% Neutral (3) 20% 76% 3,95 73% 22% 20% 40% 60% trifft eher zu (4+5) 80% 100% Mittelwert Anbieterziele der IT-Branche im mittelständischen Kundensegment10 Entsprechend können Anbieter im KMU-Segment fünf Ziele verfolgen, die in Abbildung A-2 illustriert werden. Während sich die ersten beiden Ziele auf eine Verbesserung der Marge, also Effizienzaspekte, beziehen, geht es bei den letzten drei Zielen um Umsatzwachstum. Letzteres könnte auch als Effektivität bezeichnet werden.11 Es zeigt sich, dass Umsatzwachstum durch neuen Kunden oberstes Ziel der Anbieter im mittelständischen Kundensegment ist. Knapp ¾ der befragten Unternehmen bestätigen diese Zielsetzung. Im Gegensatz dazu fokussieren etwas weniger Unternehmen auf Umsatzwachstum durch 9 10 11 4 Implementierungskosten (Customizing, Schulungen, neue Mitarbeiter) sind bei betrieblicher Standardsoftware annähernd so hoch wie die Kosten für Hardware, Datenbanken und Softwarelizenzen. Vgl. DIEHL (1999), S. 136 Quelle: Marketingbefragung Die Begriffe Effizienz und Effektivität werden dabei als „Doing the things right“ (=Effizienz) und „Doing the right things“ (=Effektivität) verstanden. Vgl. DRUCKER (1974) S. 45 Teil A Einführung: Marketing für mittelständische Kunden Cross-Selling (68%). Eine Verbesserung der operativen Marge hat für rund die Hälfte der Anbieter Priorität. Unter Berücksichtigung der oben skizzierten Bedeutung der Kundengruppe Mittelstand stellt sich die Frage, wie die identifizierten Ziele zu erreichen sind. Die vorliegende Arbeit nimmt sich dieser Herausforderung an und untersucht, in welcher Ausgangslage sich Anbieter bzw. Kunden befinden und welche Lösungsmöglichkeiten den anbietenden IT-Unternehmen zur Verfügung stehen. 2 Forschungsobjekt: Fehlende Verbindung zwischen IT-, Marketingund KMU- Forschung Im Mittelpunkt der Arbeit steht dem Titel entsprechend das Marketing für mittelständische Kunden im Schweizerischen IT-Markt. Der Schweizer KMU-Markt bietet sich einerseits aus forschungspragmatischen Gründen an und ist darüber hinaus anderen Ländern in Europa nicht unähnlich.12 Dabei konzentriert sich die Arbeit auf Lösungen bzw. Produkte von führenden Anbietern, die vor anderen Herausforderungen stehen als kleine Unternehmen.13 Insofern sind die hier identifizierten Aspekte auf kleine lokale IT-Dienstleister nur begrenzt übertragbar. Auf Nachfragerseite betrachtet die Arbeit das Segment bzw. die Zielgruppe der mittelständischen Kunden, in der Praxis auch als Mengenkunden, C-Kunden, Kleinkunden, Commercial-, Channell- oder Standard-Accounts bezeichnet. Diese Nomenklatur bezieht sich auf folgende Eigenschaften, die sie von weiteren Segmenten, insbesondere Grosskunden, abgrenzt: Der Anteil eines Kunden am Gesamtumsatz des Unternehmens ist eher gering. Oft spricht man hier von der sog. „80/20-Regel“, da 80% aller Kunden nur 20% des Umsatzes generieren.14 Der Grossteil dieser Kleinkunden dürfte aus mittelständischen Unternehmen bestehen. Mittelständischen Kunden werden oft nur standardisierte im Gegensatz zu individualisierten Produkten angeboten. Die Bearbeitung der mittelständischen Kunden erfolgt oft über Channell-Partner, also über indirekte Distribution. 12 13 14 Vgl. HABERSAAT et al. (2003) Für eine nähere Beschreibung und Abgrenzung der IT-Branche vgl. B 1.1 Vgl. z. Bsp. HOMBURG/BEUTIN (2001) S. 214; BELZ et al. (2004), S. 209 5 Aus den bisherigen Ausführungen zum Untersuchungsobjekt ergeben sich eine Reihe betriebswirtschaftlicher Themen, deren Inhalte bei der Bearbeitung der Problemstellung hilfreich sind. Sie umfassen im Wesentlichen die Marketing- (Industriegütermarketing, insb. ITMarketing und Systemgeschäft), die Mittelstands- oder KMU- und die IT-Forschung. Abbildung A-3 stellt das Untersuchungsobjekt in den Kontext betriebswirtschaftlicher Forschung. Untersuchungsobjekt IndustriegüterMarketing Abbildung A-3: KMUForschung ITManagement Das Untersuchungsobjekt im Kontext betriebswirtschaftlicher Forschung15 Wie Abbildung A-3 deutlich macht, handelt es sich beim hier vorliegenden Forschungsobjekt um ein „Querschnittsthema“. Im Rahmen des Desk Research müssen also konzeptionelle und insbesondere empirische Vorarbeiten aus den Bereichen Marketing, KMU und IT-Management berücksichtigt werden. Tabelle A-1 gibt einen sinnvollen Überblick über die für die Problemstellung zentralen wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Neben Inhalt und Methodik informiert sie auch darüber, ob die Publikation eine Anbieterperspektive einnimmt (Marketing), sich mit mittelständischen Unternehmen beschäftigt (KMU) und Fragen der Informationstechnologie beleuchtet (IT). Im Folgenden werden die inhaltlichen Schwerpunkte der wissenschaftlichen Vorarbeiten kurz beschrieben. Auf eine ausführliche Zusammenstellung der Hauptaussagen dieser Vorarbeiten soll an dieser Stelle verzichtet werden, da sie im Laufe der Arbeit aufgegriffen werden. 15 6 Quelle: Eigene Darstellung Teil A Einführung: Marketing für mittelständische Kunden Autor(en) Methodik Marketing-Publikationen Konzeptionell DAVIS/AUSTERBERRY (1999) FILE et al. (1994) FILE (1995) FILE/PRINCE (1996) GREBE (1998) Marketing KMU empirisch quantitativ Konzeptionell empirisch quantitativ empirisch quantitativ JOHN et al. (1999) Konzeptionell REINECKE/BELZ (1994)16 ZERR (1994)17 KMU-Publikationen LYBAERT (1998) empirisch quantitativ Konzeptionell empirisch quantitativ LEIMSTOLL (2001) empirisch quantitativ PROSCH (2002) empirisch quantitativ empirisch quantiROOKS/SNIJDERS (2001) tativ STADELMANN (1996) Fallstudien empirisch quantiWINKELMANN (1998) tativ IT-Publikationen BALLANTINE et al. Fallstudien (1998) empirisch quantiBERNROIDER/KOCH (2001) tativ BLILI/RAYMOND Konzeptionell (1993) IT Inhalt Kleinkundenmarketing, insbesondere KMU als Kunden * * * Untersuchung des Einkaufsverhaltens amerikanischer Familienunternehmen von Finanzdienstleistungen Untersuchung der Marketingrelevanz des Segments „Familienunternehmen“ Subsegmentierung amerikanischer Familienunternehmen bzw. deren CEOs als Kunden einer Bank Mittelstand als Zielgruppe für das elektronische Firmenkundengeschäft deutscher Universalbanken Marketing in technologieintensiven Märkten Marketing in der Branche für Informatikgüter Marketingkonzept für Leistungssysteme Gebrauch von IT in KMU Potenziale und organisatorische Ausgestaltung der IT in KMU IT- Investitionsverhalten ostdeutscher KMU Schwierigkeiten niederländischer KMU im Anschluss an eine IT-Investition Möglichkeiten des IT-Gebrauchs in KMU Einsatz moderner IT in Schweizer KMU Prozess der IT-Evaluation in englischen KMU ERP-Auswahl in österreichischen KMU und Grossunternehmen Chancen und Gefahren von IT für KMU Best-Practice-Analyse englischer KMU bzgl. IT Bestimmungsfaktoren des erfolgreichen DELONE (1988) empirisch quantiComputereinsatzes in britischen KMU tativ Rolle von Kernkompetenzen bei der Wahl DUHAN et al. (2001) Fallstudien der IT-Strategie in englischen KMU Rolle des Top-Managers in KMU im ITMARTIN (1989) Fallstudie Mgmt. *Familienunternehmen trifft nicht zu trifft zu trifft teilweise zu Tabelle A-1: Ausgewählte im Untersuchungskontext zentrale wissenschaftliche Publikationen CRAGG (2002) 16 17 Fallstudien Ähnlich REINECKE (1996); REINECKE/BELZ (1995) Ähnlich BEINLICH (1998); DIEHL (1999); BACKHAUS et al. (1994) 7 a) Marketing-Publikationen Den Marketing-Publikation in Tabelle A-1 ist gemein, dass innerhalb der Arbeit eine AnbieterPerspektive eingenommen wird. Sie streben an, Anbieterorganisationen Informationen oder Handlungsempfehlungen zur besseren Gestaltung der Kundenbeziehung zu liefern. Innerhalb dieser Gruppe lassen sich zwei Kategorien unterscheiden. Zum einen gibt es Arbeiten, die sich mit Vermarktungsobjekten beschäftigen, die Teil- oder Schnittmenge der IT sind, z. Bsp. Software oder Systemtechnologien. Zum anderen veröffentlichten FILE et al. mehrere Arbeiten, welche die Zielgruppe (amerikanischer) Familienunternehmen in Zusammenhang mit Bankgeschäften zum Gegenstand hatten. Marketing-Publikationen, die direkt das mittelständische Kundensegment der IT-Industrie behandeln, existieren bisher nicht. Nichtsdestotrotz fliessen inhaltlich und methodisch relevante Aspekte unterstützend in die vorliegende Arbeit mit ein. Ähnliches gilt für Vorarbeiten und Lösungen, die zwar nicht im vorliegenden Kontext (IT-Marketing oder Zielgruppe KMU) entstanden sind, aber durchaus übertragbar sind (Segmentierung, Standardisierung,...). b) KMU-Publikationen KMU-Publikationen richten sich primär an Entscheidungsträger in mittelständischen Unternehmen bzw. an Forscher, die auf diesem Gebiet wissenschaftlich tätig sind. Interessant sind dabei v.a. Arbeiten, die sich mit den Merkmalen mittelständischer Unternehmen bzw. Entscheidern auseinander setzen, soweit sie für die vorliegende Marketingproblematik relevant erscheinen. Zu nennen sind hier erstens empirische Arbeiten zur Bedeutung von IT in KMU, die zahlreich vorhanden sind und insbesondere in Teil C Einzug finden. Hervorzuheben sind die Beiträge von WINKELMANN (1998) und LEIMSTOLL (2001) sowie entsprechende praxisorientierte Studien der Fachhochschule Beider Basel (FHBB). Ein zweiter relevanter Bereich betrifft das IT-Investitionsverhalten mittelständischer Unternehmer. Hier liegen mit Ausnahme der Studie von PROSCH (2002) keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vor. Ergänzend greift die Arbeit auch auf Untersuchungen zum allgemeinen Entscheidungsverhalten von KMU zurück, wie z. Bsp. bei HAMER (1988) zu finden. Diese KMU-Literatur findet insbesondere in Teil C Berücksichtigung und wird den Ergebnisse der eigenen empirischen Untersuchung im Rahmen dieser Arbeit gegenüber gestellt. c) IT-Publikationen Im Gegensatz zu KMU-Publikationen behandeln IT-Publikationen tendenziell Fragen des ITManagements, wobei eine genaue Abgrenzung nur schwer möglich ist. Zentral sind die Arbei8 Teil A Einführung: Marketing für mittelständische Kunden ten von BERNROIDER/KOCH (2001) und BLILI/RAYMOND (1993), die ERP-Bedürfnisse kleiner und grosser Unternehmen vergleichen bzw. in einem konzeptionellen Grundlagenartikel Chancen und Gefahren erörtern. Schliesslich sei bezüglich des IT-Beschaffungsprozesses noch auf VERVILLE/HALINGTON (2003) hingewiesen. Analog zu den oben angeführten KMUPublikationen fliesst auch die IT-Literatur in Teil B und C dieser Arbeit mitein. d) Zwischenfazit Als Zwischenfazit lässt sich konstatieren, dass im derzeit für die Praxis hoch interessanten Bereich IT-Marketing für mittelständische Kunden eine Forschungslücke besteht. Zwar ist für Teilbereiche der Problematik durchaus wissenschaftliche Vorarbeit geleistet worden, jedoch mangelt es noch stark sowohl an konzeptionellen wie auch empirischen Ergebnissen aus einer Anbieterperspektive. Insbesondere eine empirische Auseinandersetzung mit dem Einkaufsverhalten des schweizerischen Mittelstands fehlt bisher in der Literatur gänzlich. 3 Forschungsziele: Mittelständischen Kundengruppe besser verstehen und bearbeiten Die vorliegende Arbeit möchte auf Basis eines verbesserten Wissenstandes Lösungsvarianten zur Bearbeitung des mittelständischen Kundensegments der IT-Branche liefern. Um diesem Ziel gerecht zu werden wird sie in Teilaufgaben (Kapitel) gegliedert, die jeweils für sich ein eigenständiges Forschungsziel bearbeiten. Dabei orientiert sich der Aufbau der Arbeit konsequent an den Forschungsfragen (vgl. dazu auch Abbildung A-5). 18 Inhaltlich fusst die Arbeit auf einer ausführlichen Diagnose der Ist-Situation führender ITUnternehmen und des Mittelstandes und mündet in konkreten Handlungsoptionen zur verbesserten Bearbeitung dieser Kundengruppe. Auf analytischer Ebene sollen vorab geklärt werden, welche Ausgangssituation bei Anbietern (IT-Unternehmen) auf der einen und bei Nachfragern (mittelständische Kunden) auf der anderen Seite anzutreffen ist und welchen Rahmenbedingungen die Akteure dabei ausgesetzt sind. Dies „ist von zentraler Bedeutung für ein effizientes Marketing (und v.a. effektives, Anm. des Verf.) und wird in der Praxis häufig vernachlässigt.“19 Eine explizite, auch empirische Berück- 18 19 Vgl. PUNCH (2000), S. 16 ff. BACKHAUS (1999), S. 45 9 sichtigung der Merkmale und Bedürfnisse des mittelständischen Kundensegments ist dabei in einer Arbeit wie der vorliegenden unabdingbar.20 Anschliessend münden beide Perspektiven in der Beschreibung des Mittelstandes als Kundengruppe der IT-Branche und einer Strukturierung der Thematik. Abschliessend gilt es auf Basis der identifizierten Rahmenbedingungen konkrete Lösungsansätze für eine innovative Bearbeitung mittelständischer Kunden zu entwickeln. Nachfolgend werden die Forschungsziele der vorliegenden Arbeit näher erläutert. a) Forschungsziel 1: Anbieterdiagnose Ausgangspunkt der Arbeit ist die Frage nach der aktuellen Situation der IT-Anbieter. Hier gilt es die Besonderheiten der Branche und die groben Problemfelder und deren Determinanten bei der Vermarktung von Informationstechnologien herauszuarbeiten: Welche Merkmale kennzeichnen die IT-Branche? Wo liegen die Besonderheiten im IT-Marketing? b) Forschungsziel 2: Kundendiagnose Forschungsziel 2 hat die Nachfragerdiagnose zum Gegenstand und untersucht das mittelständische Nachfragersegment der IT-Industrie. Zentrale Bestandteile sind dabei die marketingrelevanten Eigenschaften wie Nutzen und Verwendung von IT-Leistungen sowie das Beschaffungsverhalten mittelständischer IT-Nachfrager: Welche Eigenschaften kennzeichnen das mittelständische Kundensegment aus Marketingsicht? Welchen Stellenwert hat IT und welche Ziele verfolgen mittelständische Unternehmen mit IT? Welche Besonderheiten kennzeichnet die mittelständischen IT-Beschaffung? c) Forschungsziel 3: Mittelständische Unternehmen als Kunden Nach der Situationsanalyse auf Kunden- und Anbieterseite gilt es in einem nächsten Schritt den Stellenwert des Mittelstandes als Kundengruppe der IT-Branche zu beschreiben und entsprechende Herausforderungen zu „Problemkreisen“ zu gruppieren. Ebenfalls ist an dieser 20 10 "Relationships need to be examined from all epistemological and 'side' perspectives, and this work needs to be seen as complementary, not oppositional." TYLER/STANLEY (1999), S. 111 Teil A Einführung: Marketing für mittelständische Kunden chende Herausforderungen zu „Problemkreisen“ zu gruppieren. Ebenfalls ist an dieser Stelle zu klären, welche typischen Anbieterkonstellationen zu unterscheiden sind: Warum fokussieren IT-Unternehmen auf das KMU-Segment und welchen Stellenwert hat es? Welches sind die herausragenden Problemkreise bei der Bearbeitung der Kundengruppe Mittelstand? Welche typischen Anbieterkonstellationen können unterschieden werden und wie charakterisieren sich die identifizierten Anbietertypen? d) Forschungsziel 4: Optionen und Lösungen im IT-Marketing Nachdem auf Basis einer ausführlichen Situationsanalyse Problemkreise und Anbietertypen identifiziert wurden kann abschliessend die Frage beantwortet werden, welche grundlegenden strategischen Optionen existieren und welche konkreten Lösungen zur Bearbeitung der Kundengruppe zur Verfügung stehen: Welche strategischen Optionen bieten sich im IT-Marketing für mittelständische Kunden an? Wie können diese Optionen durch konkrete Marketing-Lösungen umgesetzt werden? 4 Forschungsdesign und -konzeption: Determiniert durch die Forschungsziele 4.1 Wissenschafts- und Marketingverständnis Im Rahmen dieser Arbeit soll die Betriebswirtschaftslehre im Gegensatz zu den Grundlagenwissenschaften als angewandte Wissenschaft verstanden werden.21 Diese Unterscheidung ist insofern für das Wissenschaftsverständnis dieser Arbeit relevant, als dass sie sowohl die Themen als auch die Methoden der betriebswirtschaftlichen Forschung beeinflusst.22 Ausgangspunkt jeglicher angewandter Forschung stellt nach ULRICH (1981) ein Problem in der Praxis dar. Er spricht auch vom Praxisbezug als konstitutives Merkmal der angewandten Wissenschaften. Angewandte Sozialforschung, hier die Betriebswirtschaftslehre, sollte ihren Aus- 21 22 Vgl. WÖHE (2000), S. 33 Vgl. PUNCH (2000), S. 36 11 gangspunkt also immer in der Praxis haben, um schliesslich Wissen zur Lösung von Praxisproblemen zu schaffen. Um dies gewährleisten zu können sollten sich die Forschungsergebnisse an ihrer Einsetzbarkeit und ihrem potentiellen Nutzen messen lassen. Diesem realitätsorientierten Wissenschaftsverständnis23 folgt die vorliegende Arbeit in zweierlei Hinsicht. Zum einen sollte sich betriebswirtschaftliche Forschung nicht als Selbstzweck verstehen, sondern „zu praktisch nützlichen Ergebnissen“24 und Wissen führen. So gesehen bilden nicht Wahrnehmungen den Ausgangspunkt aller Forschungen, sondern die für die (Unternehmens)-Praxis relevanten Probleme.25 Zum anderen kennzeichnet sich ein solches Wissenschaftsverständnis instrumentell und methodisch durch eine konsequente Ausrichtung an den Forschungsfragen. Es stellt dabei eine grosse Methoden- und Instrumentenvielfalt und eine explorative Ausrichtung in den Mittelpunkt der Forschungsbemühungen. Ein derartiges Forschungsverständnis findet sich auch im „Marketingansatz“ wieder, der die vorliegende Arbeite prägt. Dabei herrscht kein Mangel an Definitionen des Begriffs Marketing in der betriebswirtschaftlichen Literatur. Trotzdem sollen an dieser Stelle die herausragenden Elemente des Marketingansatzes herausgearbeitet werden. Über den Kern des Marketing besteht zwar kein übergreifender Konsens,26 die Ansätze widersprechen sich aber auch nicht, sondern beleuchten den Begriff vielmehr aus verschiedenen Perspektiven. Ausgangspunkt ist dabei ein Verständnis des „Marketing als Führungsphilosophie“, wobei sich Unternehmen gesamthaft, inkl. des Leistungsprogrammes, am Absatzmarkt orientieren sollen.27 WEINHOLD (1991) spricht von marktgerichteter und damit marktgerechter Unternehmenspolitik. Das Marketing muss dazu beitragen, nachhaltige Kundenvorteile zu schaffen.28 Von diesem Gedanken ist auch die vorliegende Arbeit geprägt. Alle Handlungsempfehlungen und Erkenntnisse müssen sich letztendlich an diesem Kriterium messen lassen. Die besondere Perspektive des Marketing als Führungskonzeption erlaubt es nach RAFFÉE (1993), den Marketingansatz als „Grundkonzeption der Betriebswirtschaftlehre“ zu bezeichnen („Primat des Absatzes“). Er spricht diesbezüglich von einer aus Gewinn- und Wachstumszielen abgeleiteten praktischen Norm, die sich folgendermassen formulieren lässt: „Wenn Ihr Unter- 23 24 25 26 27 28 12 Vgl. TOMCZAK (1992); BELZ (1988), S. 7 ULRICH (1981), S. 3 Vgl. POPPER (1967), S. 104 Vgl. BACKHAUS (1999), S. 7 Vgl. KUSS/TOMCZAK (2002), S. 2 ff. BELZ (1998b), S.40 Teil A Einführung: Marketing für mittelständische Kunden nehmer in einer Wettbewerbswirtschaft möglichst erfolgreich sein wollt, so müsst Ihr Euer Unternehmen‚ von den Absatzmärkten her und auf diese hinführen.“29 Orientierung an Kundenwünschen Anbieter betrachten ihre Leistungen im Hinblick auf deren Fähigkeit, die Probleme (potenzieller) Kunden zu lösen. Dies setzt ein Verständnis der Kundenbedürfnisse voraus. Marktsegmentierung Anbieter teilen einen heterogenen Gesamtmarkt in kleinere Kundengruppen, deren spezifische Bedürfnisse mit differenzierten Angeboten begegnet wird. Verhaltensorientierung Anbieter berücksichtigen ökonomische, psychologische oder soziologische Variablen, die bei der Kaufentscheidung des Kunden zusammenwirken können. Schlüsselstellung der Marktforschung Anbieter bauen auf ein umfassendes System der Sammlung und Aufbereitung von Marketinginformationen, um der Marktorientierung gerecht zu werden. Marketing-Mix Anbieter verwenden mehrere Instrumente gleichzeitig und versuchen das Zusammenwirken der einzelnen Massnahmen zu optimieren. Innovationsorientierung Anbieter passen ihre Leistungen und Instrumente durch Innovationen den sich ändernden Marktgegebenheiten an. Marken Anbieter zielen auf eine Identifizierbarkeit ihrer Produkte ab (z. Bsp. durch Marken), um deren Bekanntheit zu steigern oder um sie zu profilieren. Mittelfristiger Planungshorizont Anbieter beabsichtigen im Marketing weniger kurzfristige Umsatzsteigerung als dauerhafte Erschliessung oder Sicherung von Absatzmärkten durch die Planung und Analyse von Marketingmassnahmen. Tabelle A-2: Merkmale des Marketing30 KUSS/TOMCZAK (2002) veranschaulichen und charakterisieren den Marketinggedanken durch acht Merkmale, die ihnen zufolge als typisch anzusehen sind (vgl. Tabelle A-2). Schliesslich weist BELZ (1998b) noch auf den ganzheitlichen Charakter des Marketing hin. Spitzenunternehmen beschreiten eine Kombination von konzeptionellem und kreativem Marketing. „Erst wenn es gelingt, die ganzheitlich visionären [...] Marketinginnovationen sorgfältig, analytisch und systematisch zu entwickeln und zu verfolgen, lässt sich Erfolg erwarten.31 4.2 Forschungsprozess und Forschungsinstrumente Trotz der Fokussierung der Arbeit auf die IT-Branche kann die vorliegende Problemstellung aufgrund der heterogenen Anbieter- und Nachfragerstruktur durchaus als komplex bezeichnet werden. Insofern bietet sich forschungsmethodisch eine Kombination quantitativer und qualitativer Methoden an, wobei zwischen einer qualitativen Voruntersuchung und einer quantitativen Fundierung unterschieden wird.32 29 30 31 32 RAFFÉE (1993), S. 42 Vgl. KUSS/TOMCZAK (2002), S. 5 ff. BELZ (1998b), S. 41 f. Vgl. TOMCZAK (1992); ULRICH (1981) 13 Forschungsziele und Gang der Untersuchung AnbieterPerspekti ve Expertengespräche Anbieterbefragung Expertengespräche Desk Research & Fallbeispiele KundenPerspekti ve Unternehmergespräche Mittelstandsbefragung Qualitati ve Forschung Abbildung A-4: Quantitati ve Forschung Unternehmergespräche Qualitati ve Forschung Forschungsprozess und -instrumente33 Qualitative und quantitative Forschung ergänzen sich dabei eher als dass sie in Konkurrenz zueinander stehen.34 In der vorliegenden Arbeit bilden „Experten- bzw. Unternehmergespräche“ die Grundlage für quantitative schriftliche Befragungen.35 Letztere dienen dem Zweck, die gewonnen Erkenntnisse auf eine breitere empirische Basis zu stellen. Die qualitativen Interviews haben somit einen explorativen Charakter.36 Neben einer Unterscheidung in quantitative und qualitative Instrumente unterscheidet die Arbeit zwischen der Anbieter- und Nachfragerperspektive. Begleitet wird der Forschungsprozess durch fortlaufendes Desk Research. Darüber hinaus dienen Fallbeispiele der Veranschaulichung theoretischer Inhalte.37 Die einzelnen Instrumente werden im Folgenden vorgestellt und in Abbildung A-4 zusammenhängend graphisch veranschaulicht. a) Expertengespräche Insbesondere in der Anfangsphase der Untersuchung waren Expertengespräche mit Verkaufsund Marketingverantwortlichen der IT-Branche von hoher Bedeutung. Bei der Auswahl der Personen wurde Wert darauf gelegt, dass der Gesprächspartner in einem führenden Schweizerischen IT-Unternehmen beschäftigt und mit der Thematik mittelständischer Kunden vertraut war. Die insgesamt 14 halbstrukturierte Interviews wurden anfänglich persönlich geführt, im weiteren Verlauf der Arbeit schien eine telefonische Durchführung aus Kosten- und Zeitgründen vertretbar. Die Anzahl der Gespräche wurde nach dem Kriterium des Erkenntnisgewinns 33 34 35 36 37 14 Quelle: Eigene Darstellung Vgl. HOMBURG (2000) S. 69; ähnlich argumentiert HOEPFL (1997) Vgl. VON DER GRÜN/WOLFRUM (1994) Vgl. HERRMANN/HOMBURG (2000), S. 28 Vgl. MÜHLMEYER (2001), S. 31 Teil A Einführung: Marketing für mittelständische Kunden festgelegt. Nachdem durch weitere Gespräche keine neuen Aspekte mehr genannt wurden, also eine Art „Sättigung“ eingetreten war, wurde von weiteren Interviews abgesehen. Insofern wird auch keine Repräsentativität im engeren Sinne angestrebt. Eine Liste der Gesprächspartner befindet sich im Anhang dieser Arbeit. Die entsprechenden Stichpunktprotokolle wurden den Referenten in einem Begleitordner separat zur Verfügung gestellt. b) Unternehmergespräche Als Pendant zu den oben beschriebenen Expertengesprächen wurden im Anschluss persönliche halbstrukturierte Interviews mit 16 Vertretern mittelständischer Unternehmen geführt. Die Interviewpartner wurden nach dem Prinzip der „Typischen Auswahl“ ausgesucht. Bei diesem Spezialfall der bewussten Auswahl konzentriert man sich auf relativ wenige Elemente der Grundgesamtheit, die als „typisch“ angesehen werden.38 Im vorliegenden Fall sollten die Gesprächspartner in der Geschäftsleitung oder IT-Abteilung eines schweizerischen Unternehmens zwischen 50 und 500 Mitarbeitern tätig sein. Die Befragungstechnik und Dokumentation entsprach dem Vorgehen der o.g. Expertengespräche. c) Schriftliche Anbieterbefragung Im Anschluss an die Voruntersuchung diente eine standardisierte schriftliche Anbieterbefragung zur Fundierung der qualitativ gewonnen Erkenntnisse. Zwischen Oktober und Dezember 2003 wurden die 50 grössten Unternehmen der Schweizer IT-Branche39 telefonisch kontaktiert und um die Teilnahme an der Untersuchung gebeten. Im Anschluss wurde der Fragebogen nach einigen mündlichen Erläuterungen über die Motivation der Studie per E-Mail zugesandt. Die Konzeption des Fragebogens orientierte sich dabei zum einen an der Problemstellung, zum anderen an den geführten Expertengesprächen. Insgesamt wurden 41 Fragebogen zurückgefaxt, was einer Rücklaufquote von 82% entspricht. Sie verdeutlicht das relativ grosse Interesse der IT-Branche an der Kundengruppe.40 Weitere Informationen zur Befragung finden sich im Anhang. 38 39 40 Vgl. STIER (1996), S. 121 Vgl. dazu O.V. (2003b) Als Gründe für eine Nicht-Teilnahme wurden genannt: Mittelständische Unternehmen bilden keine Zielgruppe, Mittelständische Kunden werden nur über den indirekten Vertrieb beliefert, Arbeitsüberlastung oder keine Zeit für die Befragung. 15 d) Schriftliche Kundenbefragung Ende Februar 2004 wurden 3927 Emails mit einem standardisierten Fragebogen an die Geschäftsführer Schweizer Unternehmen zwischen 50 und 500 Mitarbeiter versand, wovon 3533 Emails zugestellt werden konnten. Bis zum 15. März 2004 wurden 533 ausgefüllte Fragebögen von den Unternehmen zurückgefaxt, -gemailt oder -geschickt. Weitere 4 Fragebögen trafen verspätet ein und konnten bei der Datenauswertung nicht mehr berücksichtigt werden. Insgesamt entspricht dies einer für Emailbefragungen hervorragenden Rücklaufquote von über 15%. Die auf diesem Wege generierten Daten wurden mit verschiedenen uni- und multivariaten Verfahren ausgewertet. Nähere Informationen zur Mittelstandsbefragung finden sich im Anhang. Details zu dieser Befragung wurden den Referenten im bereits erwähnten Begleitordner separat zur Verfügung gestellt, um den Umfang der vorliegenden Arbeit zu begrenzen. e) Desk Research Das Desk Research umfasst das Literaturstudium der relevanten Quellen zu den Themen B2BMarketing, Segmentierung, IT-Marketing und KMU, insbesondere KMU und IT. Es wurden Beiträge aus Monographien, populären und wissenschaftlichen Fachzeitschriften aus dem Inund Ausland einbezogen, um die empirische Arbeit zu ergänzen und um auf bestehende Lösungen aufbauen zu können. Vom Gebrauch nicht-öffentlich zugänglicher Marktforschungsberichte musste leider Abstand genommen werden, da erstens der finanzielle Aufwand dieses Vorgehens nicht gerechtfertigt und zweitens die Weitergabe der Information im Rahmen einer wissenschaftlichen Untersuchung nur sehr begrenzt möglich ist. 4.3 Aufbau der Arbeit Wie bereits erwähnt spiegelt der Aufbau der Arbeit die Forschungsziele wider. Entsprechend gliedert sich die Untersuchung in 4 Hauptteile (Teil B bis E), eine Einführung (Teil A) sowie eine Schlussbetrachtung (Teil F), dargestellt in Abbildung A-5. Teil A dient der Heranführung an die Thematik. Er belegt die Aktualität der Fragestellung, beschreibt den Status-Quo in Forschung und Praxis und klärt methodologische Grundlagen, wie die wissenschaftliche Positionierung und den Forschungsprozess. Teil B hat die Anbieterdiagnose zum Gegenstand und beschreibt zunächst Leistungen und Merkmale der Branche für Informationstechnologie. An dieser Stelle wird auch auf die Merkmale moderner Informationstechnologie als Vermarktungsobjekt eingegangen. 16 Teil A Einführung: Marketing für mittelständische Kunden Teil C stellt das Pendant zu Teil B dar und beschäftigt sich ausführlich mit dem mittelständischen Unternehmen im Allgemeinen und informationstechnischen Aspekten im Besonderen. Er beleuchtet dabei neben dem IT-Nutzungs- auch das IT-Beschaffungsverhalten. Eine eigene empirische Untersuchung zum mittelständischen Kundensegment in der Schweiz fliesst dabei in Teil C ein. Teil D führt die Erkenntnisse aus Teil B und C zusammen und untersucht den Mittelstand als Kundengruppe der IT-Branche. Im Zentrum stehen dabei Ziele und Probleme bei der Bearbeitung des Segments. Zentral ist dabei die Identifizierung typischer Anbieterkonstellationen und vordringlicher Problemkreise. Teil E greift die bisherigen diagnostischen Ergebnisse auf und bietet konkrete Marketinglösungen an. Basierend auf vier strategischen Optionen im Mittelstandsmarkt werden Lösungsstrategien und Massnahmen vorgestellt. In Teil F werden die Erkenntnisse der Arbeit zusammengefasst und auf eine etwaige Übertragbarkeit und Limitationen hin überprüft. Abschliessend wird der weitere Forschungsbedarf aufgezeigt. 17 Teil A Einführung in die Untersuchung Problemstellung Forschungsobjekt Forschungsziele Forschungsdesign Teil B Anbieterdiagnose Forschungsziel 1 IT-Branche IT-Vermarktungsprozess Teil C Kundendiagnose Forschungsziel 2 Mittelstandsmarkt Charakteristika des Mittelstands IT-Potenziale im M ittelstand Beschaffung im M ittelstand Forschungsziel 3 Teil D Mittelstand als Kunde Hintergrund Herausforderungen Aktuelle Bearbeitung Typische Anbieterkonstellationen Teil E Marketinglösungen Forschungsziel 4 Strategische Optionen im Mittelstandsmarkt Potenzialorientierte Lösungen Bedürfnisorientierte Lösungen Segmentorientierte Lösungen Teil F Schlussbetrachtung Zusammenfassung Abbildung A-5: 41 18 Gliederungsübersicht der Arbeit41 Quelle: Eigene Darstellung Übertragbarkeit und Limitationen Teil B Anbieterdiagnose: Besonderheiten der IT-Branche B Anbieterdiagnose: Besonderheiten der IT-Branche „Die Rechenautomaten haben etwas von den Zauberern im Märchen. Sie geben einem wohl, was man sich wünscht, doch sagen sie einem nicht, was man sich wünschen soll.“ Norbert Wiener, amerikanischer Mathematiker, Jahr unbekannt 1 Heterogene Strukturen und Leistungen kennzeichnen IT-Branche 1.1 Abgrenzung und Definition der IT-Branche Es herrscht keinesfalls Einigkeit darüber, was unter „Informationstechnologie“ zu verstehen ist und welche Unternehmen bzw. Produkte der IT-Industrie zuzurechnen sind. Als Konsequenz daraus variieren Angaben über die volkswirtschaftliche Relevanz enorm, z. Bsp. bzgl. des Anteils der IT-Branche am Bruttosozialprodukt.42 Nach einer verbreiteten Definition beinhaltet Informationstechnologie „die Gesamtheit aller Verfahren und Methoden (Techniken), die dazu dienen, Informationen auf elektronischem Wege zu erfassen, zu verarbeiten und zu kommunizieren.“43 Eine sinnvolle Abgrenzung der ITIndustrie gegenüber anderen Wirtschaftszweigen ergibt sich aus ihren Produkten und Dienstleistungen. Nach gängigem Verständnis umfassen die Leistungen der IT-Branche Computersysteme, also Hardware und Software44, und begleitende IT-Dienstleistungen. 45 Bevor im Folgenden die grundlegenden Leistungen der IT-Branche näher beschrieben werden, müssen vorab drei wichtige Abgrenzungen getroffen werden, die für den Fortgang der vorliegenden Arbeit von Bedeutung sind. Erstens schliesst die Untersuchung das Telekommunikationsgeschäft insoweit aus, dass sog. „Basic Carrier Services“ oder „Netznahe Dienste“ nicht der IT-Branche zugerechnet werden. Hierunter fallen v.a. der reine Telefondienst und Dienstergänzungen (z. Bsp. Voice-Box), die keine spezifischen Investitionen erforderlich machen und für einen homogenen Massenmarkt angeboten werden. Eine differenzierte Bearbeitung des KMU-Marktes erscheint in diesem Zusammenhang zwar denkbar, die Vermarktung folgt aber anderen Prinzipien.46 Zweitens zählen nur Unternehmen zur IT-Industrie, die über eine hohe vertikale Integration verfügen. Der Kunde nutzt die Technologie in diesem Fall direkt und verkauft sie nicht als 42 43 44 45 Vgl. HANSEN/NEUMANN (2001), S. 86 HEINRICH/BURGHOLZER (1988), S. 96 Vgl. WERNER (1995), S. 20; BREUER (1995), S. 13 Vgl. exemplarisch LÜTHI (1994), S. 12 und die Ausführungen in Teil B 1.3 19 Teilkomponente seiner eigenen Produkte weiter.47 Insofern spielen Hersteller von „embedded systems“, also in Fahrzeugen oder Maschinen eingesetzte Mikrocomputer oder Prozessoren, keine Rolle in der vorliegenden Arbeit. Dies begründet sich darin, dass sich Marktstruktur, Produktnutzen, Einkaufsprozesse und Zielkunden fundamental unterscheiden.48 Drittens muss noch erwähnt werden, dass insb. die Ausgangssituation führender Schweizer ITProduzenten bzw. -Dienstleister betrachtet wird. Kennzeichnend für diese Unternehmen ist, dass sie mindestens landesweit tätig und primär keine Einzelhändler sind. Die relevanten Herausforderungen des mittelständischen Kundensegments spielen für lokale IT-Dienstleister eine untergeordnete Rolle. Sie werden nur insoweit in die Arbeit integriert, wie sie als Support- oder Vertriebskanal genutzt werden können. Ebenfalls nicht berücksichtigt werden demnach auch die grossen Handelshäuser wie Coop oder Migros, deren Marketingherausforderungen und lösungen keinesfalls auf Hard- oder Softwarehersteller übertragbar sind. 1.2 Bedeutung der IT-Branche Offensichtlich handelt es sich bei der IT-Branche um keinen homogenen klar umrissenen Industriezweig. Eine eindeutige Zuteilung einzelner Unternehmen oder von Unternehmensbereichen ist entsprechend pauschal kaum möglich. Vielmehr hängt die Zuteilung immer von der vorgenommenen Definition und einem gewissen Grad an Subjektivität ab. Wie auch in anderen Ländern ist in der Schweiz die IT-Industrie als Wirtschaftsfaktor und Schlüsseltechnologie jedoch nicht mehr wegzudenken und durchdringt als weltweit grösster Wirtschaftszweig alle Lebensbereiche. Abbildung B-1 verdeutlicht die Bedeutung der IT-Branche. Die Schweiz führt weltweit bei den IT-Ausgaben pro Person (1.621 Euro) und belegt hinter den USA und Norwegen auch den dritten Platz bzgl. der IT-Ausgaben in Prozent des Bruttosozialprodukts. Der Gesamtmarkt für Hardware, Büroausstattung, Netzwerkausrüstung, Software und ITServices betrug im Jahr 2002 in der Schweiz rund 12 Mia. Euro (über 18 Mia. CHF). Dieser leichte Rückgang gegenüber dem Vorjahr war bedingt durch einen Nachfrageeinbruch im Hardwarebereich, der auch durch das nahezu stagnierende Software- und Dienstleistungsgeschäft nicht mehr kompensiert werden konnte. 46 47 48 20 Vgl. GERPOTT (2001), S. 41 f. Vgl. JOHN et al. (1999) Vgl. ZERR (1994), S. 2. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist der Intel-Konzern, führender Anbieter von Mikroprozessoren, der seine Produkte vornehmlich an grosse Computerhersteller oder Telekommunikationsausrüster wie Dell, IBM, Siemens oder Nokia vertreibt. Teil B Anbieterdiagnose: Besonderheiten der IT-Branche Wachstum /Jahr Mio. Euro/Jahr 14.000 8% 6% 4% 2% 0% -2% -4% -6% -8% -10% 12.000 10.000 8.000 6.000 4.000 2.000 0 2000 2001 2002 2003* 2004* Hardware Office Equipm. Network Equipm. Software Service Hardware Office Equipm. Network Equipm. Software Services Abbildung B-1: Grösse, Wachstum und Zusammensetzung des IT-Markts (CH) 2000 bis 200449 Insgesamt erlebte die gesamte europäische IT-Branche im Jahr 2002 den schlimmsten Einbruch der Geschichte, v.a. gekennzeichnet durch einen schrumpfenden Hardware-Markt, Preisdruck und einen Trend zu geringer dotierten und kürzeren Verträgen im IT-Dienstleistungsgeschäft. Eine Rückkehr zu deutlich positiven Wachstumsraten wird erst für die Jahre 2004 und 2005 erwartet, wobei das Wachstum aller Voraussicht nach keinen Anschluss an die Zahlen der 90er Jahre finden wird. Auch wird der Preis- und Wettbewerbsdruck weiterhin Bestand haben.50 1.3 Erlösstrukturen und -entwicklungen der IT-Branche 1.3.1 Hardware-Produkte als Erlösträger Das englische Wort „Hardware“ bezeichnet als Sammelbegriff informationstechnische Geräte und Bauelemente, bei denen es sich um (relativ) unveränderliche Komponenten handelt.51 Zur näheren Beschreibung von Hardware wird für gewöhnlich auf die zentralen Funktionseinheiten und Komponenten eines Computersystems verwiesen.52 Eine grobe Einteilung unterscheidet dabei zwischen Eingabegeräten, der Zentraleinheit, externem Speicher und Ausgabegeräten. Abbildung B-2 gibt einen Überblick über den Aufbau eines Computersystems und stellt die elementaren Bestandteile dar. 49 50 51 52 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an EITO (2003) S. 76 und S. 367; * geschätzte Werte Vgl. EITO (2003), S. 53 Vgl. exemplarisch BREUER (1995), S. 13; O.V. (1993), S. 293; KRÜCKENBERG/SPANIOL (1990), S. 286; ZILAHI-SZABÒ (1995), S. 225; anders LAUDON/LAUDON (2004), S. 183 Vgl. HANSEN/NEUMANN (2001), S. 28; O.V. (1993), S. 775 21 Die Zentraleinheit umfasst einen oder mehrere Prozessoren und Zentralspeicher. „Motor“ eines Computersystems ist dabei der Zentralprozessor (CPU, Central Processing Unit), der entsprechend den jeweiligen Programmen die Ausführung von Befehlen und die dazu erforderlichen Ablaufsteuerungen übernimmt. Der Zentralspeicher (interner Speicher) enthält die auszuführenden Programme und die damit zu verarbeitenden Daten. Der wichtigste Teil ist der Arbeitsspeicher (Primärspeicher oder RAM). Aus ihm erhält der Prozessor die benötigten Daten und Befehle, die er dann verarbeitet und (vorübergehend) an den Arbeitsspeicher weitergibt. Der Arbeitsspeicher hingegen greift bei Bedarf auf den Sekundären, Peripheren oder Externern Speicher zurück, der v.a. der langfristigen Datenlagerung dient. Er ist langsamer, aber auch deutlich billiger als der Zentralspeicher und speichert benötigte Daten und Programme, die aufgrund der Grösse und seltenen Verwendung nicht zentral gehalten werden müssen. Die bekanntesten externen Speicher sind Magnetfestplatten, Magnetbänder, Disketten und optische Speicher, wie z. Bsp. CD-ROM. Eingabe- und Ausgabegeräte ermöglichen prinzipiell die Interaktion zwischen Mensch und Computersystem. Während Eingabegeräte Information des Bedieners sammeln und in elektronische, also computerkompatible Form umwandeln, zeigen Ausgabegeräte die Daten nach ihrer informationstechnischen Bearbeitung an. Aus Abbildung B-2 wird ersichtlich, dass es heute eine Vielzahl von Interaktionsmöglichkeiten zwischen Rechnern und Benutzern gibt. Die technische Innovationsrate ist dabei sehr hoch und eine abschliessende Darstellung der Möglichkeiten kann immer nur eine Momentaufnahme sein. Gleiches gilt für neue Entwicklungen im Bereich Übertragungsmedien, die periphere Geräte und Rechner verbinden, wie z. Bsp. Bluetooth, Infrarotübertragung (IrDA) oder Wireless LAN. 22 Teil B Anbieterdiagnose: Besonderheiten der IT-Branche Abbildung B-2: Aufbau eines Computersystems53 In der Vergangenheit wurde eine Vielzahl von Ansätzen entwickelt, um Computer zu klassifizieren. Gemäss DEGEN (1999) ergibt eine nach Prozessor-Leistungsfähigkeit erstellte Klassifikation zwar grundsätzlich Sinn, hat aber die Nachteile, dass die rasante technische Entwicklung in regelmässigen Abständen eine Gruppenneueinteilung nötig macht und sie nichts über den tatsächlichen Einsatzzweck und die Zielgruppe aussagt. Stattdessen schlägt er ein Raster vor, welches bei den Einsatzmöglichkeiten der Geräte ansetzt und entsprechend Netzwerk-, tragbare, Workstation-, Mainframe- und Supercomputer unterscheidet.54 Eine solche Einteilung entspricht dabei grob den traditionellen Rechnerkategorien, wie sie bis Anfang der 90er Jahre vor- 53 54 Quelle: HANSEN/NEUMANN (2001), S. 29 Vgl. DEGEN (1999), S. 118 23 herrschend war. Die rasante Entwicklung auf den IT-Märkten hat aber dazu geführt, dass ein modernes Klassifikationssystem Einzug gehalten hat, welches der heute dominierenden ClientServer-Struktur Rechnung trägt und in Abbildung B-3 dargestellt wird: hoch tief Mobilität hoch kommerziell Server Server Workstation Preis Einsatz Desk-Top PC Notebook-PC tief tief Abbildung B-3: kommerziell und privat Pers. Informationsmittel Leistungsfähigkeit hoch Moderne Einordnung von Rechnerkategorien55 Zu den persönlichen Informationsmitteln zählen insb. Mobiltelefone und persönliche digitale Assistenten oder PDAs (Personal Digital Assistent, auch: Palmtop oder Organizer). Mobiltelefone werden heute in der Schweiz sowohl im privaten wie im kommerziellen Bereich flächendeckend genutzt. PDAs bezeichnen heute allgemein sog. „Westentaschen-PCs“. Kernfunktionen umfassen die persönliche Planung und Organisation von Adressen, Terminen und Aufgaben. Neue Kommunikations- bzw. Synchronisationsfunktionen wie E-Mail oder andere Datentransfers erfreuen sich immer grösserer Beliebtheit. PDAs werden vorwiegend von Geschäftsleuten genutzt die viel reisen und Wert darauf legen, ortunabhängig auf ihre Daten zuzugreifen. In Zukunft werden Kombigeräte, sog. „Smartphones“, die Funktionen eines Mobiltelefons und eines PDAs integrieren, vermehrt an Bedeutung gewinnen. Notebook-PCs (auch: Laptops) sind tragbare PCs, die sich heute in Aufbau und Leistung nur wenig von Tischgeräten unterscheiden. Dem Vorteil der Mobilität steht v.a. der Kostennachteil gegenüber. Laptops kosten aufgrund des flachen LCD-Bildschirms ungefähr 50% mehr als ein vergleichbares Tischgerät und kommen entsprechend mehr im kommerziellen Bereich zum Einsatz. Desk-Top PCs sind Rechner, die stationär zu Hause oder im Büro stehen. Sie sind nach wie vor die am meisten verbreitete Computerklasse, obwohl sie seit Jahren Marktanteile an Notebook-PCs verlieren. In der Schweiz kommen heute auf 100 „White Collar Worker“ 104 PCs.56 Ursprünglich nur für den individuellen Gebrauch konzipiert wird er heute vielfach in Netzwerken als Server 55 56 24 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an HANSEN/NEUMANN (2001), S. 60 Vgl. EITO (2003), S. 76 Teil B Anbieterdiagnose: Besonderheiten der IT-Branche eingesetzt. Die Einsatzbereiche sind extrem vielfältig. Im kommerziellen Bereich stehen dabei Office-Anwendungen, Finanzverwaltung und Informations- sowie Kommunikationstätigkeiten im Vordergrund. Aber auch Programmier-, Gestaltungs- und Konstruktionsarbeiten können branchenabhängig von Relevanz sein. Workstations sind an einem Arbeitsplatz installierte Hochleistungsrechner, die ausschliesslich im kommerziellen Bereich zum Einsatz kommen und stets in ein lokales Netzwerk eingebunden sind. Sie werden im Gegensatz zu PCs v.a. für technisch-wissenschaftliche Anwendungen, Desktop-Publishing oder zur Softwareentwicklung eingesetzt, wenn eine hohe Rechenleistung erforderlich ist.57 So arbeiten im KMU-Segment viele Werbeagenturen oder Druckereien mit Workstations. Allerdings muss angefügt werden, dass durch die ansteigende Leistungsfähigkeit bei gleichzeitigem Preisverfall der Hardwarekomponenten die Grenzen immer mehr verwischen und Workstations durch PCs substituiert werden. Beispielsweise kamen früher für den Betrieb von Servern nur Workstations in Betracht, während heute auch Desktop-PCs diese Aufgabe bei entsprechender Leistungsfähigkeit verrichten können. All diesen Computerkategorien ist gemeinsam, dass sie heute mehr oder weniger in eine Client/Server-Architektur eingebunden sind und somit Teil eines Netzwerks sind. Client/Server (C/S) ist heute die wichtigste Informationsarchitektur. Der Client nimmt dabei die Rolle eines Auftraggebers ein, der Server dient als Lieferant für Daten und/oder Leistungen und bearbeitet Transaktionen (Aufgaben), die er vom Client erhalten hat. C/S-Architekturen orientieren sich also an dem Prinzip der verteilten Datenhaltung.58 Bekanntes Beispiel für diese Art Architektur ist das Internet. Einzelne Arbeitsplätze rufen dabei dezentrale Informationen ab, die auf Servern abgespeichert sind. Weitere Dienste sind Datenbankapplikationen, Email- oder Kalenderdienste. Ein Server ist also ein Computersystem, dass darauf optimiert ist, für andere Computer Daten und Programme bereitzustellen. Sie bieten ihre Leistung dabei über Netze an, sei es über lokale oder Fernnetze (Internet). Ursprünglich bezeichnete Server nur das Programm, welches die Dienste für die Clients anbietet. Es hat sich aber eingebürgert auch die Hardware, also den Rechner selbst, mit diesem Begriff zu bezeichnen.59 Wie bereits erwähnt bieten sich dafür Workstations oder Desk-Top PCs an. Gerade in kleinen Unternehmen mit geringen Kapazitätsanforderungen bietet sich aus Kostengründen eine PC-basierte Lösung an, die rund 1000 CHF kostet. Die Preise für Workstations hingegen belaufen sich auf das 10 bis 100fache. 57 58 59 Vgl. LAUDON/LAUDON (2004), S. 190 Vgl. SCHWARTZ (2001), S. 96 f. HANSEN/NEUMANN (2001), S. 74 25 Mio. Euro/Jahr Wachstum /Jahr 15% 10% 5% 0% -5% -10% -15% -20% -25% -30% -35% 4.000 3.500 3.000 2.500 2.000 1.500 1.000 500 0 2000 Server Server Abbildung B-4: 2001 2002 Workstation Workstation 2003* Laptop PC 2004* Desk Top PC Laptop PC Desk Top PC Grösse, Wachstum und Zusammensetzung des Hardwaregeschäfts (CH) 2000 bis 200460 Abbildung B-4 stellt den Hardware-Markt Schweiz (ohne persönliche Informationsmittel) und seine Bestandteile vor. Das Gesamtvolumen lag dabei 2003 bei rund 2,7 Mia. Euro, über 20% geringer als im bisher umsatzstärksten Jahr 2000. Einbussen gab es v.a. im Desktop und Server-Segment. Während sich der Abwärtstrend bei Desk-Top PCs auch in den nächsten Jahren fortsetzen wird, dürfte das Server-Geschäft in Zukunft wieder anziehen. Workstations spielen dabei eine immer kleinere Rolle, da sie immer häufiger durch leistungsfähigere und billigere Desk-Top PCs substituiert werden können. Es ist noch anzumerken, dass Abbildung B-6 den Gesamtmarkt betrachtet, also auch das sog. B2C-Geschäft an private Endkunden mit einschliesst. Schätzungen zu Folge entfallen ca. 36% der gesamten PC-Käufe (Laptop- und Desktop PCs) auf den sog. Consumer-Markt. 1.3.2 Software-Produkte als Erlösträger Ganz allgemein geben Programme der Computer-Hardware Anweisungen zur Lösung bestimmter Aufgaben. Software ist der Sammelbegriff für Computerprogramme jeglicher Art. Damit die Hardware die Anweisungen des Programms umsetzen kann, müssen diese in einer vom Rechner verständlichen Sprache, der Programmiersprache, formuliert sein. Man unterscheidet drei Arten von Software: System-, Anwendungs- und Entwicklungssoftware. Letztere dient ihrerseits der Programmierung prinzipiell beliebiger Programme und soll im vorliegenden Kontext nicht näher beschrieben werden. System- und Anwendungssoftware 60 26 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an EITO (2003), S. 387; *geschätzte Werte Teil B Anbieterdiagnose: Besonderheiten der IT-Branche hingegen spielen jedoch in praktisch jedem Unternehmen eine bedeutende Rolle und werden im Folgenden kurz vorgestellt. Systemsoftware stellt auf dem Rechner grundlegende Dienste für andere Programme zur Verfügung und ist für das Funktionieren des Computersystems unverzichtbar. Das Herzstück der Systemsoftware stellt das Betriebssystem dar. Es steuert und überwacht alle Aktivitäten auf dem Computer, insbesondere die Ausführung von Anwendungsprogrammen. Die Wahl des Betriebssystems hängt dabei nicht nur von den persönlichen Präferenzen ab, sondern auch von der zu unterstützenden Hardware. So laufen nicht alle Systeme auf sämtlichen Computerkategorien und auch die Prozessorausstattung muss nicht zwingend kompatibel sein. Die bekanntesten Betriebssysteme sind die Windows-Familie, UNIX, OS/2, Mac OS, DOS und Linux. Im Gegensatz zur Systemsoftware bietet Anwendungssoftware Lösungen für konkrete fachliche Probleme des End-Users, seien sie technisch-wissenschaftlicher, kommerziel-betrieblicher oder branchenspezifischer Art. Darüber hinaus ist v.a. im gewerblichen Bereich eine Unterscheidung in Standard- und Individualsoftware gebräuchlich. Während Erstere ohne komplexe Modifikationen verkauft werden kann bzw. sollte („auf Vorrat produziert“), handelt es sich bei Letzterer um eine speziell für einen bestimmten Betrieb konzipierte Lösung. Eine genaue Unterteilung und Beschreibung gängiger Softwareprodukte gestaltet sich sehr schwierig. Der ISIS-Katalog listet für den deutschsprachigen Raum momentan über 5000 verschieden Softwareprodukte auf. Eine Kategorisierung kann dabei aus verschiedenen Perspektiven erfolgen, wobei eine eineindeutige Zuordnung nicht immer gewährleistet sein kann.61 Da im Rahmen dieser Untersuchung insbesondere der Bereich kommerzieller Software interessiert, sollen nun die wichtigsten Anwendungen aus dem Bereich Büroinformationssysteme und betriebliche Informationssystem kurz beschrieben werden. Büroinformationssysteme („Büroanwendungen“) unterstützen typische Bürotätigkeiten und erlauben den End-Usern Informationen, die sie für ihre tägliche Arbeit brauchen, zu erfassen, zu transformieren und zu speichern.62 Zu den bekanntesten Büroanwendungen gehören Applikationen zur Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Präsentationserstellung oder EmailKommunikation. Sie sind auch in Kleinunternehmen stark verbreitet und lassen sich mit Ausnahme von Groupware-Anwendungen in praktisch allen Schweizer Unternehmen finden. Sie werden in der Regel als Softwarepaket angeboten, so dass das Unternehmen die Programme 61 62 Für eine Übersicht vgl. DEGEN (1999), S. 134 ff. HANSEN/NEUMANN (2001), S. 282 27 nicht einzeln erwerben muss. Die Preise z. Bsp. für das Microsoft Office Paket liegen in Abhängigkeit von den Ausstattungsmerkmalen bei rund 1000 CHF pro Arbeitsplatz. Betriebliche Informationssysteme decken die wesentlichen Funktionen im Unternehmen ab. Dabei hat sich in den letzten Jahren ein deutlicher Trend hin zu integrierten Standard-SoftwareSystemen entwickelt, die auch als Enterprise Ressource Planning-Systeme (ERP-Systeme) bezeichnet werden. Unter ERP versteht man eine integrierte Standardsoftware, die aus mehreren Komponenten besteht und wesentliche Prozesse des Unternehmens unterstützt. Die Integration wird dabei insbesondere durch eine zentrale Datenbank sichergestellt, die Datenredundanz vermeidet und durch die integrierte Geschäftsprozesse erst möglich werden. Gegenstand des ERPSystems waren ursprünglich betriebswirtschaftliche Grundfunktionen wie Kostenrechnung, Finanzbuchhaltung und Lagerhaltung.63 Durch den modulartigen und integrativen Charakter der Software konnten ERP-Systeme auf weitere funktionale Bereiche ausgeweitet werden und umfassen heute auch die Produktions- und Materialbedarfsplanung, F&E, das Beschaffungswesen, Produktionssteuerung, Qualitätssicherung, Warehouse-Management, Verkauf und Versand, Wartung und Service und HR-Management.64 Während die o.g. Funktionen sich i. G. g. nur unternehmensintern abspielen, ergänzen sog. „post ERP-Systeme“ die ITLandschaft um Schnittstellen zu Kunden und Lieferanten. Die bekanntesten Vertreter sind CRM-, SCM- und BI-Systeme.65 CRM (Customer Relationship Management) dient der informationstechnischen Unterstützung der Kundenbeziehung und SCM (Supply Chain Management) steuert den Waren- und Datenfluss zum Lieferanten. BI-Systeme (Business Intelligence, auch: Knowledge Management) sammeln und verdichten Daten aus verschiedenen Teilen des ERP-Systems (inkl. CRM/SCM) um den Entscheidungsträgern einen Gesamtüberblick über das Unternehmen und sein Umfeld zu liefern. Diese Horizonterweiterung auf betriebsübergreifende Prozesse und die zunehmende Vernetzung durch die Verbreitung des Internets haben dazu geführt, dass der Begriff des ERP-Systems zunehmend aus dem Mittelpunkt des Interesses verschwindet. Stattdessen etablieren sich E-Business-Systeme als zentrales Unterstützungselement sowohl innerbetrieblicher Aufgaben wie auch betriebsübergreifender Zusammenarbeit mit Kunden oder Zulieferern. Das momentan bekannteste E-Business-System auf dem Markt ist das Produkt mySAP.com. SAP integriert hier als zentrale Komponente die ERP-Lösung R/3 63 64 65 28 Vgl. MERTENS (2001), S. 183 Vgl. NORRIS et al. (2002), S. 25 f. Vgl. KOR (2002), S. 1521 Teil B Anbieterdiagnose: Besonderheiten der IT-Branche und bietet gleichzeitig die Nutzung des Internets für die Geschäftsabwicklung mit externen Dritten an.66 Mio. Euro / Jahr Wachstum /Jahr 6% 1.500 5% 4% 1.000 3% 500 2% 1% 0 0% 2000 System SW Abbildung B-5: 2001 Anwendungs SW 2002 2003* System SW 2004* Anwendungs SW Grösse, Wachstum und Zusammensetzung des Softwaremarkt (CH) 2000 bis 200467 CRM, SCM und ähnliche Zusatzfunktionen eines ERP-Systems lassen sich in der Regel in das bestehende System integrieren, auch wenn es nicht vom selben Anbieter gekauft wird. Aus diesem Grund können sich auch Aussagen über Marktführerschaft oder Sättigungsgrade immer nur auf ein bestimmtes Modul beziehen. Im ERP-Kernbereich, also Finanzen und Buchhaltung, gilt die SAP AG als Marktführer. Hauptkonkurrenten sind Oracle, Peoplesoft, Baan oder J.D. Edwards. Neben diesen „Global Playern“ ist es aber durchaus üblich, dass einzelne Unternehmen in ihren lokalen Heimatmärkten eine starke Stellung einnehmen. Die Schweiz mit ihrem lokalen Anbieter Abacus Research (St.Gallen) stellt hier keine Ausnahme dar. Der weltweite Markt für Software wird auf ca. 207 Mia. Euro geschätzt (2002), davon entfallen rund 97 Mia. Euro auf die USA und rund 63 Mia. Euro auf West-Europa. Die Verkäufe von Systemsoftware lagen dabei mit rund 52% leicht über denen von Applikationssoftware. Abbildung B-5 zeigt die Entwicklung des Softwaremarkts Schweiz für die Jahre 2000 bis 2004.68 Es wird deutlich, dass Software vom Einbrauch der IT-Branche nicht so stark getroffen wurde wie der Gesamtmarkt. Insbesondere Anwendungssoftware konnte durchweg positive Wachstumsraten auf sich verbuchen. 1.3.3 IT-Dienstleistungen als Erlösträger IT-Dienstleistungen nehmen mittlerweile weltweit eine bedeutende Stellung im ITGesamtmarkt ein. Die EITO (2003) unterscheidet dabei vier Arten von IT-Dienstleistungen im 66 67 Vgl. HANSEN/NEUMANN (2001), S. 523 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an EITO (2003), S. 367; *geschätzte Werte 29 B2B-Geschäft: Beratung, Implementierung, Betrieb und Support.69 IT-Beratung „encompasses a broad array of IT-related planning and design activities that assist clients in making IT-related decisions on business direction or information technology“70. Beispiele wären ITStrategieberatung, BPR-Projekte oder Netzwerkplanungen. Implementierung beinhaltet alle Aktivitäten, die direkt die Erstellung technischer IT-Lösungen betreffen, z. Bsp. Konfigurieren, Customizen, Installieren, Entwickeln oder Testen von IT. Mitarbeiterschulungen, wie sie im Rahmen von Softwareeinführungen oft notwendig sind, fallen ebenfalls in dieses Segment. Betrieb („Operations Management“) bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Unternehmen die ganze Verantwortung für Teile der IT-Landschaft ihrer Kunden übernehmen und diese vielfach auch physisch einlagern. Bei diesem auch unter dem Stichwort „IT-Outsourcing“ bekannten Geschäft handelt es sich vielfach um Back-Up, Archivierungs- oder Update-Dienste. SupportDienstleistungen sollen dagegen sicherstellen, dass die Systeme des Kunden (Hardware, Software, Netze) erwartungsgemäss funktionieren. Zentrale Bestandteile sind Wartungsverträge oder telefonische Hotlines, die den Usern bei Problemen weiterhelfen. Abbildung B-6 zeigt das Marktvolumen und das Wachstum des IT-Servicebereichs für die Schweiz. Es wird deutlich, dass Service-Anbieter von der allgemeinen Entwicklung profitieren konnten. Insbesondere das Support- und Betriebsgeschäft hat sich als relativ konjunkturresistent erwiesen. Zum einen neigen Unternehmen besonders in Krisenzeiten dazu kostenintensive Bereiche wie die IT an Drittanbieter auszulagern. Zum andern zeichnen sich viele ITDienstleistungsverträge dadurch aus, dass sie auf mehrere Jahre ausgelegt sind. Kunden können damit auf kurzfristige Konjunktureinbrüche nicht reagieren, in dem sie z. Bsp. zu einem günstigeren Anbieter wechseln. Ebenfalls keine Gefahr besteht für die Anbieter durch „Insourcing“ der Leistung, da die benötigten Ressourcen weder billiger noch kurzfristig verfügbar sind. Die bekanntesten Anbieter sind in der Schweiz IBM, EDS und Accenture. 68 69 70 30 Über die genaue Aufteilung in gewerbliche und private Softwarenachfrage können keine Aussagen gemacht werden. Es kann allerdings davon ausgegangen werden, dass das B2C-Softwaregeschäft vergleichsweise gering ist. Vgl. EITO (2003), S. 411. Es sei noch vermerkt, dass auch IT-Grosshändler dieser Gruppe zuzurechnen sind, da sie über die reine Vermittlertätigkeit auch vielfältige Dienstleistungen erbringen. In der Schweiz trifft z. Bsp. auf das Unternehmen Actebis zu. EITO (2003), S. 411 Teil B Anbieterdiagnose: Besonderheiten der IT-Branche Mio. Euro / Jahr 6.000 Wachstum /Jahr 14% 5.000 12% 4.000 10% 8% 3.000 6% 2.000 4% 1.000 2% 0% 0 2000 Abbildung B-6: 1.4 2001 2002 2003* 2004* Beratung Implemtierung Betrieb Support Beratung Implemtierung Betrieb Support Grösse, Wachstum und Zusammensetzung des Servicemarkts (CH) 2000 bis 200471 Kostenstrukturen in der IT-Branche Um Wettbewerbsverhalten und Optionen im IT-Markt besser zu verstehen, können insbesondere Erkenntnisse zur Erlös- und Kostenstruktur Hilfe leisten. Leider sind quantitativ fundierte Studien über die Zusammensetzung der Kostenstruktur bis heute nicht verfügbar, da es sich dabei aus Sicht der betroffenen Unternehmen um sensibles Zahlenmaterial handelt. Ähnliches gilt für die genaue Zusammensetzung der Erlöse, die, soweit nicht Bestandteil der Rechnungslegungsstandards, nur ungern publik gemacht werden. Abbildung B-7 gibt die Zusammensetzung der Betriebskosten führender IT-Unternehmen, soweit öffentlich zugänglich, wieder. In Softwareunternehmen sind die Aufwendungen für Forschung & Entwicklung (F&E), Marketing & Verkauf (M&S) und die Herstellkosten (COGS) ungefähr gleichverteilt. Die Herstellkosten nehmen in Softwareunternehmen eine vergleichsweise unbedeutende Stellung ein und umfassen in erster Linie den After-Sales-Support für die verkauften Softwareprogramme. Umso bedeutender sind dagegen Entwicklungskosten für neue Programme und Marketingkosten. Letztere basieren v.a. auf Ausgaben für die Verkaufsmannschaft und die Distributionspartner (Schulungen, Unterstützungsmaterial, ...). 71 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an EITO (2003), S. 353; *geschätzt 31 Microsoft Siebel Accenture SAP S.I. Cisco PalmOne 0% COGS / Service Abbildung B-7: 10% 20% 30% 40% Research&Development 50% 60% 70% Marketing&Sales 80% 90% 100% General&Admin Kostenzusammensetzung ausgewählter Software-, IT-Beratungs- und Hardwareunternehmen72 Die hier exemplarisch vorgestellten IT-Dienstleistungsunternehmen belegen die hohen Projektkosten, beispielsweise im Implementierungs- oder Outsourcinggeschäft, die ca. ¾ der Gesamtkosten der Unternehmen ausmachen. Die Marketing- und Verkaufskosten scheinen auf den ersten Blick nicht deutlich höher als im Softwaresegment. Allerdings ist davon auszugehen, dass viele Vertriebsanstrengungen direkt den Projektkosten zugerechnet werden und damit in Wirklichkeit höher als im Jahresabschluss ausgewiesen sind. Hardwareunternehmen haben eine ähnliche Kostenstruktur wie Softwareunternehmen, allerdings mit vergleichsweise höheren Herstellkosten. Im Unterschied zu den beiden anderen Sektoren beinhalten die Herstellkosten aber auch Material- und damit sogenannte proportionale Kosten. Die Aufwendungen für Marketing und Vertrieb sind ebenso bedeutsam. Zusammengefasst lassen sich in Hinblick auf die Kostenzusammensetzung (Kostenarten und Kostenstruktur) der IT-Branche zwei Dinge feststellen: Zum einen nehmen die Marketing- und Vertriebskosten trotz indirekter Distributionssysteme eine bedeutende Stellung ein. Ihr Anteil an den Gesamtkosten liegt unternehmensabhängig zwischen 20% und 50%. Allein die Kosten der Angebotserstellung liegen nicht selten bei bis zu 5% des Auftragswertes.73 Darüber hinaus weisen insbesondere, aber nicht ausschliesslich, Dienstleistungs- und Softwareanbieter eine hohen Fixkostenanteil auf.74 72 73 74 32 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an die Jahresabschlüsse 2003/2004 der aufgeführten Unternehmen Vgl. dazu auch ALBERS/KRAFFT (2000) Der Fixkostenanteil in der IT-Branche beläuft sich auf knapp 50% der Gesamtkosten. Vgl. BACKHAUS/FUNKE (1995), S.6 Teil B Anbieterdiagnose: Besonderheiten der IT-Branche Vo latilität Vo latilität Auslastung Auslastung Fixkosten Vertriebskosten DeckungsDeckungsbeiträge beiträge Abbildung B-8: Preise Preise Einflüsse und Wirkungen der Kostenstruktur der IT-Branche75 Diese Besonderheiten haben einen nicht unbedeutenden Einfluss auf die Unternehmen der Branche, wie Abbildung B-8 illustriert. Vor allem die hohen Vertriebskosten haben zur Folge, dass Kleinaufträge negative oder geringe Kundendeckungsbeiträge zur Folge haben, schlüsselt man die Kosten für alle Akquisitionsbemühungen dem Kunden zu. Ausserdem bedingt der hohe Anteil fixer Kosten, die weitgehend umsatzunabhängig anfallen, dass sich ein Nachfrageeinbruch überproportional auf die Gewinne der Unternehmen auswirkt. Diese Volatilität lässt sich gut empirisch anhand der Beta-Werte76 führender IT-Unternehmen zeigen, die in aller Regel über eins liegen und damit überdurchschnittliche Schwankungen gegenüber dem Gesamtmarkt aufweisen. Dies verdeutlicht auch der Kursverlauf des IT-lastigen Prime Technology Performance-Index, der in den Jahren 1998-2003 Ausschläge um bis zu 70% nach oben und unten gegenüber dem Mittelwert dieser Periode aufwies. Der repräsentativer aufgebaute S&P 500 Index zeigt im selben Zeitraum Kursgewinne bzw. Verluste von nur maximal 30%. Da die Kapazitäten (Vertriebsmitarbeiter, Programmierer, Produktionsstätten, ...) nur mitteloder langfristig angepasst werden können kommt ihrer Auslastung eine Schlüsselrolle zu. Um diese zu gewährleisten sind Anbieter auch bereit Preiszugeständnisse zu machen, um diese hohe Fixkostenbasis decken zu können. Im Extremfall kann diese Erosion dazu führen, dass sich Preise dem Niveau marginaler Kosten nähern und damit auf Vollkostenbasis negative Deckungsbeiträge generieren. Dieser Effekt wirkt stärker, je höher der Fixkostenanteil ist. In der Praxis zeigt sich der Kostenverfall in vielfältiger Form. Bekannte Beispiele sind die Preise für PC und Laptop-Computer, die schon seit Jahren aufgrund von chronischer Überkapazität ein margenschwaches Geschäft darstellen. Ebenfalls stark gesunken sind nach dem Konjunktur- 75 76 Quelle: Eigene Darstellung Der Beta-Faktor gibt die Beziehung der Kursentwicklung zwischen einem Basiswert und dem Gesamtmarkt, repräsentiert durch die Benchmark, in Form einer Sensitivitätsangabe an. Der Faktor beträgt 1, wenn sich Basiswert und Markt gleich bewegen. Analog dazu entwickelt sich der Basiswert schwächer bzw. stärker, wenn der Faktor unter bzw. über 1 ist. Sollte der Wert negativ sein, so bedeutet dies eine entgegengesetzte Entwicklung der Rendite zum Markt. 33 einbruch aber auch die Preise im Dienstleistungsgeschäft. So arbeiteten Implementierungsberater für SAP- oder Oracle-Software im Jahr 2003 für Tagessätze, die bis zu 70% unter den Tarifen des Jahres 2000 liegen. Auf der anderen Seite reagieren die Gewinne der IT-Branche allerdings auch entsprechend auf einen Nachfrageschub bzw. eine bessere Auslastung der Kapazitäten. Bis zu einem gewissen Grad stehen dann steigenden Stückzahlen und Preise relativ stabilen Gesamtkosten gegenüber, was mit einem überproportionalen Gewinnanstieg einhergeht. 1.5 Integration und Konsolidierung der IT-Branche Basierend auf den obigen Ausführungen soll nun abschliessend auf die Zusammensetzung der Wertschöpfung und entsprechende typische Geschäftsmodelle der IT-Branche eingegangen werden. Dabei zeigt sich insgesamt, dass die letzten Jahre v.a. durch sowohl horizontale wie auch vertikale Konsolidierungstendenzen geprägt waren. a) Horizontale Konsolidierung Horizontale Konsolidierung meint, dass sich die Anzahl der Anbieter innerhalb einer Wertschöpfungsstufe verringert und sich der Marktanteil der verbliebenen Unternehmen signifikant erhöht. Die vom Markt scheidenden Unternehmen werden dabei häufig übernommen bzw. fusioniert oder müssen den Betrieb gänzlich einstellen. In jüngster Vergangenheit wurden auch einige ehemals ausgegründete IT-Abteilungen grosser Unternehmen (Aachener, und Münchner Versicherung, ThyssenKrupp) wieder in die Konzernstruktur eingegliedert. Horizontale Konsolidierungserscheinungen sind typisch für Märkte mit sich abschwächendem Wachstum oder einem hohen Anteil fixer Kosten und entsprechenden Skaleneffekten. Aus Unternehmenssicht spricht man von einer horizontalen Integration, wenn sich Anbieter mit Konkurrenten aus den gleichen oder ähnlichen Märkten zusammenschliessen, sei es durch Kooperationen, Gemeinschaftsunternehmen (Joint Ventures) oder Fusionen und Übernahmen. Der Markt für informationstechnische Leistungen zeichnet sich wie oben dargelegt sowohl durch eine gewisse Reife wie auch bedeutende Skaleneffekte aufgrund hoher Fixkosten aus. Konsequenterweise reagierten die Unternehmen auf den Einbruch der IT-Konjunktur mit vielfältigen Fusionen, Übernahmen und Kooperation, wie Tabelle B-1 aufzeigt. 34 Teil B Anbieterdiagnose: Besonderheiten der IT-Branche Käufer Unternehmen Jahr der Transaktion Microsoft Navision 2002 Microsoft Great Plains 2002 Peoplesoft J.D. Edwards 2003 Oracle Peoplesoft 2003/2004 Hewlett Packard Compaq 2002 Microsoft SAP 2003/2004 Tabelle B-1: Horizontale Konsolidierung: Fusionen und Übernahmen in der IT-Branche Status Exekutiert Exekutiert Exekutiert Offen Exekutiert Abgebrochen Trotz dieser enormen Bewegung im IT-Markt kann aus heutiger Sicht der (horizontale) Konsolidierungsprozess nicht als abgeschlossen bezeichnet werden. So lassen die in vielen Bereichen weiterhin äusserst heterogenen Strukturen vermuten, dass sich die Anzahl der Anbieter in Zukunft weiter reduzieren wird.77 b) Vertikale Konsolidierung Bei einer vertikalen Konsolidierung reduziert sich die Anzahl der Anbieter in einem Markt, da sich Unternehmen unterschiedlicher Wertschöpfungsstufen zusammenschliessen oder einzelne Unternehmen Wettbewerber in nachgelagerten (Vorwärtsintegration) oder vorgelagerten Wertschöpfungsstufen (Rückwärtsintegration) attackieren. Die IT-Branche galt lange Zeit als gutes Beispiel für den Prozess der „Dekonstruktion der Wertkette“78 und das Aufbrechen vertikaler Strukturen.79 Waren Unternehmen der Computerindustrie im Jahre 1980 in sich geschlossene Wertschöpfungsketten, hatten sich diese Strukturen Ende der 90er Jahre weitgehend überlebt. Aus einem vertikalen, integrierten Geschäft wurden mehrere horizontale, desintegrierte Schichten.80 Neue Unternehmen (Intel, HP, Microsoft) nutzten einzelne Wertschöpfungselemente als Plattform für bessere oder billigere Leistungen und griffen partiell die Schwachpunkte der bisher dominierenden Unternehmen (IBM, DEC, Wang, Sperry Univac) an. Diese Spezialisierung ermöglichte wertkettenspezifische Wettbewerbsvorteile, welche die traditionellen Strukturen der IT-Industrie aufbrechen liess. 77 78 79 80 Vgl. dazu auch Teil B 2.2 Vgl. HEUSKEL (1999), S. 52 ff. Vgl. REINECKE (1996), S. 33 ff. Vgl. VON OETINGER (2000) 35 Chips Abbildung B-9: Co mputerHardware Operating system/ Database Application Software Sales & Distribution Service und Support Ausgewählte Akteure und Struktur der IT-Branche81 Aus heutiger Sicht ist dieser Trend zu relativieren, wie Abbildung B-9 verdeutlicht. Galt IBM bis anhin als einziges vertikal integriertes Unternehmen, verlassen heute immer mehr Akteure ihre angestammte Position in der Wertschöpfungskette und stossen in neue Geschäftsfelder vor, was auch die als Teil dieser Arbeit durchgeführte Anbieterbefragung bestätigt.82 Einzig die Trennung von Software- und Hardwareproduktion scheint demnach Bestand zu haben. Die Gründe für diese Entwicklung sind vielschichtig. Zum einen ermöglichen es neue Technologien den Herstellerunternehmen ihre Produkte (auch) unabhängig von ihren Distributionspartnern zu vermarkten und zu warten. Dell verkauft bekanntermassen seine Produkte ausschliesslich über das Internet und betreibt auf diesem Wege eine Vorwärtsintegration. Auch im Supportbereich eröffnen moderne Call-Center oder Internet-Lösungen für Anbieter wie Microsoft neue Möglichkeiten. Sie lindern in Kombination mit sich verändernden Einkaufsgewohnheiten der Konsumenten die Abhängigkeit von unabhängigen Vertriebspartnern. Der Telefonund in erster Linie Internetverkauf hat den klassischen Distributoren mittlerweile beachtliche Marktanteile abgenommen, zumindest im Geschäft mit standardisierten Produkten wie Laptops, Servern oder einfacher Bürosoftware. Hier zeichnen sich für die Zukunft weitere Konflikte zwischen Hersteller und Vertriebspartnern ab, wenn alternative Distributionskanäle weiter an Akzeptanz gewinnen.83 81 82 83 36 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an VON OETINGER (2000) Vgl. dazu auch Abbildung G-1 Vgl. dazu auch Fallbeispiel E-22 Teil B Anbieterdiagnose: Besonderheiten der IT-Branche Zum anderen versuchen insbesondere die führenden Hard- und Softwarehersteller profitable Teilmärkte zu besetzen, um so ihre Ertragsstruktur durch Ausweitung des Servicegeschäfts zu diversifizieren. Ausserdem erhofft man sich auf diesem Wege positive Cross-Selling-Effekte. Vor diesem Hintergrund sind die (vollzogene) Übernahme von PriceWaterhouseCoopers durch IBM und die (gescheiterte) Übernahmen der Boston Consulting Group durch Oracle zu sehen. SAP integriert momentan im Implementierungsgeschäft die ehemals unabhängige Gesellschaft SAP Systems Integration. Fallbeispiel B-1 illustriert diesen Trend zur Vorwärtsintegration. Käufer Unternehmen Jahr der Transaktion Accenture Systor 2002 Oracle Boston Consulting Group 2000 IBM PWC Consulting 2003 HP Triaton 2004 EDS A.T. Kearney 1996 Tabelle B-2: Vertikale Konsolidierung: Fusionen und Übernahmen in der IT-Branche Status Exekutiert Abgebrochen Exekutiert Exekutiert Exekutiert Nichtsdestotrotz steht diesen Konsolidierungstendenzen auch eine konträre Entwicklung gegenüber. Zwar hat die Welle neuer Unternehmen seit Anfang des Jahrhunderts stark nachgelassen, trotzdem treten weiterhin neue Akteure auf dem IT-Markt auf. Hier sei vor allem auf Ausgründungen, sogenannte Spin-Offs, hingewiesen. So hat eine Reihe grosser Unternehmen ihre bislang nur intern tätigen IT-Dienstleister in rechtlich unabhängige Einheiten ausgegliedert, die nun selbstständig am Markt agieren können und müssen. Infor, eine Ausgründung der UBS, wurde mittlerweile von Accenture übernommen. Schliesslich finden weitere Exempel für Ausgründungen innerhalb der IT-Branche selber statt. So teilte sich Palm, Hersteller von Palmcomputer, in PalmOne (Hardware) und Palmsource (Software), zwei jeweils börsennotierte Unternehmen. Triaton/HP (Deutschland) Das aus dem Zusammenschluss von Hewlett Packard und Compaq entstandene Unternehmen „New HP“ gehört zu den grössten IT-Unternehmen weltweit und in der Schweiz. Es zählt in der Schweiz rund 1.400 Mitarbeiter und erzielte im Jahr 2002 einen Umsatz von rund 1,9 Milliarden CHF. Das Angebotsspektrum des Unternehmens umfasst IT-Infrastruktur, Personal Computer und Zugangseinrichtungen, globale Dienstleistungen sowie Bildverarbeitung und Drucker. Im Februar 2004 gab HP (Deutschland) den Erwerb von Triaton bekannt. Triaton ist eines der grössten unabhängigen IT-Systemhäuser in Europa und entstand als ein Spin-off der ThyssenKrupp Gruppe. Das Angebot umfasst Applikationen und massgeschnei37 derte Lösungen und IT-Services, vom Consulting bis hin zum Outsourcing. Zu ihrer Kernzielgruppe zählen bei rund 2000 Beschäftigten insb. Unternehmen des gehobenen Mittelstandes ab rund 100 Mio. Euro Jahresumsatz mit Kerngeschäft in Deutschland, Österreich oder der Schweiz. Grosskonzerne bedient die Triaton aufgrund ihres regionalen Fokus nur in Ausnahmefällen. Triaton stellt durch seine Kompetenzen eine Erweiterung des Dienstleistungsangebots im Rahmen der „Adaptive Enterprise Strategie“ von HP dar. Diese steigert die Anpassungsfähigkeit von Geschäftsprozessen an Veränderungen im Unternehmen durch eine adaptive IT. Die Akquisition von Triaton ermöglicht HP einen erweiterten Zugang zu spezifischen vertikalen Industrien der Automobilbranche und der Fertigungsindustrie, wie Stahl, Metall, Chemie, Pharma und Gesundheitspflege. „Durch diese Akquisition werden wir unser Wachstum am deutschen Markt und in Europa beschleunigen. Gemeinsam werden wir unseren Kunden helfen, messbare Werte aus ihren IT Investitionen zu erzielen“, erläutert Francesco Serafini, Senior Vice President und General Manager, HP Services Europa, Mittlerer Osten und Afrika. „Darüber hinaus freuen wir uns, dass wir unsere strategische Partnerschaft mit ThyssenKrupp als bevorzugter Anbieter von IT Dienstleistungen ausbauen können.“ Fallbeispiel B-1: Vertikale Integration bei HP (Deutschland)84 2 Besonderheiten der IT prägen ihren Vermarktungsprozess 2.1 Zur Typologisierung von Gütern und Transaktionen Das Vermarktungsobjekt „Informationstechnologie“ weist gegenüber anderen Einkaufsgütern gewerblicher Nachfrager gewisse Besonderheiten auf, die den Spielraum der Anbieter und das Verhalten der Nachfrager beeinflussen. In der Marketingwissenschaft hat sich schon seit einigen Jahren die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Anspruch auf generelle Gültigkeit von Lösungsbeiträgen für Marketingprobleme nicht zu halten ist. So hat sich neben dem Dienstleistungsmarketing v.a. das Industriegütermarketing seit Anfang der 70er Jahre als eigenständiges Forschungsfeld etabliert. Es wird argumentiert, dass die Besonderheiten der Transaktionsprozesse auf Industriegütermärkten nicht mit Kon- 84 38 Vgl. Pressemitteilung HP (Deutschland) vom 23.02.2004 Teil B Anbieterdiagnose: Besonderheiten der IT-Branche sumgütermärkten vergleichbar wären und deshalb andere Ansätze notwenig machen.85 Aufgrund der im Gegensatz zum Konsumgüterbereich enormen Zahl möglicher Vermarktungskonstellationen wurde aber schon früh an einer weiteren Typologisierung gearbeitet.86 So erhofft man sich durch eine adäquate Typenbildung, dass die Alternativen möglicher Ausprägungen von Konstellationsmöglichkeiten überschaubarer werden und die Bewertung von Massnahmenkatalogen erleichtert wird.87 Vor diesem Hintergrund wurde eine Reihe von Ansätzen entwickelt, um die Vielfalt und Komplexität industrieller Beschaffungs- und Vermarktungsprozesse zu reduzieren.88 Theorieorientierte Arbeiten zeichneten sich dabei durch einen gewissen Abstraktionsgrad aus und stellten die Prozesse zwischen Anbieter und Nachfrager, also die Transaktionssituation, in den Vordergrund der Analyse. Im deutschsprachigen Raum hat sich hier der Ansatz von BACKHAUS (1999) bzw. BACKHAUS et al. (1994) durchgesetzt. Darüber hinaus ist auch ein Trend zu praxisorientierten Arbeiten zu verzeichnen, die sich primär auf einzelne Branchen bzw. Objektbesonderheiten beziehen. Beispiele sind Pharma-Marketing oder TelekommunikationsMarketing.89 Wenngleich bis heute kein umfassendes theoretisches Konzept zum IT-Marketing existiert, können die Charakteristika der Branche und ihre Marketingimplikationen sehr wohl beschrieben werden. Markt System Kunde Sukzessive Beschaffung Dienstleistung Netzwerk Risiko Komplexität Integration Anbieter IntegrationsIntegrationsmanagement management UnsicherheitsUnsicherheitsmanagement management Wettbewerbsdruck Konsolidierung Objekt Heterogenität Abbildung B-10: 85 86 87 88 89 90 Besonderheiten, Wirkungen und Herausforderungen des Vermarktungsobjekts „Informationstechnologie“90 Vgl. BACKHAUS (1999), S. 1 Vgl. exemplarisch ENGELHARDT/GÜNTER (1981) Vgl. KLEINALTENKAMP (1994), S. 78 Für einen Überblick vgl. KLEINALTENKAMP (1994) Vgl. GERPOTT (2001); KÜHNAPFEL (1995) Quelle: Eigene Darstellung 39 ZERR (1994) schlägt diesbezüglich vor, zwischen der Besonderheit des Objekts und der Situation zu differenzieren.91 Die vorliegende Arbeit gliedert den situativen Aspekt noch in eine Markt- und eine Kundenperspektive, um die Kräfte, die im Vermarktungsprozess auf den Kunden wirken, deutlicher zu machen. Abbildung B-10 zeigt die Zusammenhänge, welche im Folgenden näher erläutert werden. 2.2 Marktbezogene Besonderheiten des Vermarktungsobjektes IT Die IT-Branche zeichnet sich laut PROSCH (2002) durch Heterogenität, Komplexität, Dynamik und Unsicherheit aus, mit Folgen für Anbieter und Nachfrager.92 Marktbezogen ist an erster Stelle auf den verstärkten Wettbewerb unter den Anbietern für Informationstechnologie hinzuweisen, insbesondere seit dem Konjunktureinbruch im Jahr 2000. Als Folgen können Überkapazitäten, Konkurse, Preisdruck und ein allgemeiner Konzentrationsprozess angeführt werden.93 Viele Unternehmen reagierten auf die verschärfte Wettbewerbssituation mit Fusionen bzw. Übernahmen, wie auch Tabelle B-1 illustriert. Auch die in dieser Arbeit thematisierte Konzentration auf kleinere Kunden kann als Folge dieses starken Wettbewerbs bezeichnet werden. Trotzdem gilt der IT-Markt weiterhin als stark heterogen und zersplittert, sowohl im mittelständischen wie auch im Grosskundensegment. Schätzungen zu Folge vereinigten die fünf grössten PC-Anbieter der Schweiz im Jahr 2001 keine 50% Marktanteil auf sich.94 Im mittelständischen und v.a. Kleinkundensegment spielen No-Name-Anbieter aus Kostengründen eine vermutlich noch grössere Rolle. Für den Bereich betrieblicher Software zeichnet sich in der Schweiz ein ähnliches Bild ab. Hier decken die fünf grössten Anbieter (Abacus Research, SAP, Navision/Microsoft, Bison Solution, Brain) gerade ¼ des Gesamtmarkts ab.95 Davon unberührt bleiben im Übrigen die Implementierungspartner, bei denen es sich in aller Regel um Vielzahl kleinerer Unternehmen handelt. 91 92 93 94 95 40 Vgl. ZERR (1994), S.11 Vgl. dazu auch RAO/KLEIN (1994), S. 34 Vgl. dazu O.V. (2004) und die Ausführungen in B 1.4 und D 1.2 Vgl. WEISS (2003) 216 befragte Unternehmen zwischen 1 und 250 Mitarbeiter. Vgl. LEIMSTOLL/SCHUBERT (2002), S. 22 Teil B Anbieterdiagnose: Besonderheiten der IT-Branche 2.3 Objektbezogene Besonderheiten des Vermarktungsobjektes IT 2.3.1 Systemcharakter des Vermarktungsobjektes IT Zum einen zeichnen sich Güter der IT-Branche in aller Regel durch Systemcharakter aus.96 Eine objektorientierte, statische und technisch geprägte Sichtweise setzt bei den Merkmalen der Vermarktungskategorie „System“ an und bezeichnet grundsätzlich ein Güterbündel, dass sich aus mehreren, miteinander vernetzten Einzelkomponenten zusammensetzt.97 Mittlerweile werden auch standardisierte, für einen anonymen Markt produzierte Absatzleistungen auf Basis der Informationstechnologie als Systeme bezeichnet.98 Als Beispiele können komplexe Softwareanwendungen, wie PPS-Systeme, aber auch kombinierte Hard- und Softwarelösungen wie LANs angeführt werden. Zentrales Merkmal des Systemverständnisses ist der Integrationsfaktor, der einzelne Elemente zu einem vollständigen Ganzen verknüpft.99 Dabei unterscheidet man grundsätzlich zwischen einer internen und einer externen Integration.100 Interne Integration, auch Modularität, meint den oben erwähnten Vorgang der Verknüpfung unabhängiger Module zu einer vermarktungsfähigen aber komplexen Gesamtlösung. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie das Kernsystem als solches gestaltet werden kann und soll. Im Gegensatz zur externen Integration handelt es sich also um eine isolierte Perspektive, welche die Systemumwelt ignoriert.101 Modulare Strukturen sind heute in der IT-Branche stark verbreitet,102 können dabei allerdings unterschiedliche Facetten annehmen. Unterschiede treten insbesondere hinsichtlich der Frage zu Tage, inwieweit ein einzelnes Modul isoliert vermarktungsfähig ist. BALDWIN/CLARK (1998) vertreten eine stark produktions- und entwicklungsgetriebene Sichtweise. Trotzdem berücksichtigen sie sowohl Bauelemente als auch Peripheriegeräte in ihrem Modulbegriff. ZERR (1994) wird konkreter und definiert aus Marketingsicht ein Modul als „eine in sich abgeschlossene, nutzenstiftende und selbstständig vermarktbare Einheit mit klar abgegrenzten Funktionen.“103 ERPSysteme lassen sich als gutes Beispiel für diesen Modularisierungsbegriff anführen, wie Fallbeispiel B-2 verdeutlicht. 96 97 98 99 100 101 102 103 Vgl. exemplarisch DEGEN (1999), S. 147 Vgl. exemplarisch WILSON et al. (1990) Vgl. STROTHMANN/KLICHE (1989) Vgl. ZERR (1994), S. 37 Vgl. WIMMER et al. (1993), S. 16 ff. Zur externen Integration vgl. B 2.4c) Vgl. LANG (2000), S. 34 ZERR (1994), S. 40 f. 41 Oracle Corp. Oracle Corporation ist ein weltweit führendes Unternehmen der IT-Branche. Bei einem Jahresumsatz von mehr als 9 Mia. Dollar (2003) bietet das Unternehmen neben Datenbanken, Tools und Anwendungssoftware auch Beratung, Ausbildung und Support-Services. Oracle hat seinen Hauptsitz in Redwood Shores (USA) bzw. Baden-Dättwil (CH) und bietet über seine gesamte Produktlinie vollständig internetfähige Unternehmenssoftware. Die verschiedenen Funktionselemente der ERP-Lösung „Oracle E-Business-Suite“ (HR, Finance, Sell, Order, Plan, Procure,...) können als „Insellösung“, aber auch verknüpft eingesetzt werden. Stehen die einzelnen Module zwar in einer komplementären und kompatiblen Beziehung zueinander, besitzen sie dennoch einen eigenen Marktcharakter und bedürfen darüber hinaus der kundenspezifischen Anpassung („Customizing“). Fallbeispiel B-2: Modularer Aufbau der ERP-Lösung von Oracle BACKHAUS et al. (1994) erweitern dieses produktorientierte Systemverständnis um eine vermarktungsorientierte Perspektive und stellen wie erwähnt Transaktionsprozesse ins Zentrum ihrer Überlegungen. Sie charakterisieren das „Systemgeschäft“ basierend auf den Wirkungen, die von dem Vermarktungsobjekt ausgehen, insbesondere sukzessives Beschaffungsverhalten auf Kundenseite.104 Damit wählen sie einen marktseiten-integrierenden Ansatz zur Gütertypologisierung. Konstitutiv für das „Systemgeschäft“ ist dabei neben dem Fokus auf ein anonymes Marktsegment (im Gegensatz zum Einzelkunden) vor allem der Tatbestand des Kaufverbunds (im Gegensatz zur Einzeltransaktion). Beim Erwerb einer Systemtechnologie sind zukünftige Investitionen von Kaufentscheidungen in Vorphasen abhängig, da der Nachfrager Bindungen eingeht, aus denen er nicht ohne weiteres herauskommt.105 Diese Bindung wird gemeinhin als „Lock-In-Effekt“ bezeichnet.106 Investition Folgeinvestition „Lock-In“-Gründe Outsourcing weiterer FunktioKompatibilität, Wartung etc. nen Modulerweiterungen, z. Bsp. Basismodule ERP Kompatibilität, Wartung etc. CRM/Sales Anbindung weiterer Betriebs- Know-how bzgl. Prozesse und Isolierte Netzwerklösung stätten Technik etc. Laptop-Computer für den Ersatzinvestition nach VerWartung, Gewöhnung der Aussendienst schleiss Mitarbeiter etc. Tabelle B-3: Beispiele für Bindungseffekte in der IT-Branche Parzielles IT-Outsourcing 104 105 106 42 Vgl. dazu B 2.4 Vgl. BACKHAUS (1999), S. 298 ff.. Vgl. BACKHAUS et al. (1994), S. 63 Grad des „Lock-In“ sehr hoch hoch mittel gering Teil B Anbieterdiagnose: Besonderheiten der IT-Branche Er kann dabei zwar verschiedene Ausmasse annehmen, für Produkte und Leistungen der ITIndustrie ist er jedoch nie auszuschliessen. Grundsätzlich haben alle IT-Investitionen auf Kundenseite gewisse Bindungseffekte zur Folge, seien sie organisatorischer, unternehmenspolitischer, technischer oder sozialer Art. Der Bindungseffekt äussert sich in Gestalt sogenannter Wechselkosten, die entstehen, wenn der Kunde bei der Folge- oder Ersatzinvestition einen anderen Anbieter oder ein anderes System wählt. Tabelle B-3 verdeutlicht diesen Gedanken anhand einiger Beispiele aus der IT-Branche. 2.3.2 Dienstleistungscharakter des Vermarktungsobjektes IT Produkte und Leistungen der IT-Branche zeichnen sich auch durch einen gewissen Dienstleistungscharakter aus.107 Dies gilt auch für Hard- und Softwareprodukte. Die Literatur nennt drei grundlegende Argumente, warum Informationstechnik bzw. informationstechnische Systeme Dienstleistungscharakter haben.108 a) Konstitutive Merkmale Die Betriebswirtschaft kennt eine Reihe sog. konstitutiver Merkmale, die Sach- von Dienstleistungen abgrenzen sollen.109 Dies sind insbesondere die Immaterialität sowie die Integration externer Faktoren.110 Auf die Mehrzahl informationstechnischer Leistungen treffen diese Merkmale zu. Immaterialität bedeutet, dass Dienstleistungen nicht physisch angreifbar sind. Klassische IT-Dienstleistungen wie Wartung und Support erfüllen dieses Kriterium, ComputerHardware nicht. Die Frage, ob es sich bei Software um ein physisches Gut und damit ein Sachgut oder eine Dienstleistung handelt, ist in der Literatur in den 90er Jahren intensiv und teilweise kontrovers diskutiert worden.111 Ohne auf diesen Diskurs näher einzugehen kann zusammengefasst vermerkt werden, dass Software nur dann als Sachleistung (mit sowohl materiellem wie auch immateriellem Charakter) bezeichnet wird, falls vom Anbieter keine kundenspezifischen Anpassungen vorzunehmen sind.112 Für den Grossteil der heute im gewerblichen Umfeld vertriebenen Softwarelösung ist dies nicht der Fall. Selbst sogenannte Standardsoftware stellt in der Regel eine Kombination aus standardisierten Modulen und individuellen Anpassungen dar. 107 108 109 110 111 112 Vgl. exemplarisch ZERR (1994) oder REINECKE (1996). Für eine umfassende Diskussion des Dienstleistungsbegriffs vgl. MEFFERT/BRUHN (2000), S. 30 Vgl. ZERR (1994), S. 56 f. Vgl. exemplarisch MEYER (1991). Zur Kritik an den „konstitutiven Merkmalen“ vgl. ENGELHARDT et al. (1993) Vgl. KUSS/TOMCZAK (2002), S. 207 f. Vgl. BAAKEN/LAUNEN (1993), S.5 ff.; BAUER (1991), S.235 ff.; LIPPOLD (1996), S. 33 ff.; PREISS (1992), S. 28 ff.; SCHILDHAUER (1992), S. 26 ff.; DEPPE (1994), S. 107 ff. Vgl. exemplarisch PREISS (1992), S. 34 43 Davon unberührt bleiben natürlich produktergänzende Leistungen wie Schulung, Beratung oder Testinstallationen, die der folgende Abschnitt thematisiert. Mittlerweile wird Immaterialität als trennscharfes Merkmal allerdings eher kritisch gesehen und stattdessen oftmals durch den Begriff Intangibilität (auch: Nichtgreifbarkeit) ersetzt. Intangibilität geht von der subjektiven Kundenwahrnehmung aus und bezeichnet Leistungen, die für den Nutzer schwer erfassbar und durchschaubar sind.113 Aufgrund der vorhandenen Komplexität auch vieler Hardwaresysteme erfüllt das Gros der informationstechnischen Leistungen das Kriterium der Intangibilität. Die Integration externer Faktoren bezieht sich auf die Tatsache, dass Kunden bzw. Personen, Objekte oder Informationen in seinem Verfügungsbereich existentiell an der Leistungserbringung beteiligt sind. Die Leistung würde ohne dieses Zutun des Kunden nicht in der gegenwärtigen Form bestehen können, da er massgeblichen Einfluss auf den „Dienstleistungsproduktionsprozess“ hat. Die Integration des externen Faktors kann für die meisten informationstechnischen Leistungen wie betriebliche Software, Outsourcing, Netzwerke etc. bestätigt werden. Ausnahmen bilden ggfs. Peripheriegeräte wie Drucker, Bildschirme oder Standard-PCs. b) Marktfähigkeit Industrielle Leistungen im Allgemeinen und IT im Besonderen können und werden nicht ohne ergänzenden Service vermarktet. So bedürfen auch standardisierte Hardwarekomponenten der Installation und Wartung, sei es durch eigene Mitarbeiter oder den Zulieferer. Insofern zählen für MEFFERT (1986) Computer- und Softwarehäuser zur Gruppe der Dienstleistungsunternehmen, da in der Praxis Sachleistungen und Dienstleistungen verknüpft werden.114 100% Sachleistungsanteil Dienstleistungsanteil Drucker Abbildung B-11: 113 114 115 44 Laptops Netzwerke Software Outsourcing Dienstleistungsanteil ausgewählter Leistungen der IT-Branche115 Vgl. HENTSCHEL (1992), S. 21 ff. MEFFERT (1986), S. 44 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an HOOLEY et al. (1998), S. 353 IT-Beratung 0% Teil B Anbieterdiagnose: Besonderheiten der IT-Branche Serviceleistungen spielen im Marketing vieler IT-Unternehmen auch deshalb eine herausragende Rolle, da ohne sie eine Wettbewerbsdifferenzierung kaum noch möglich ist. Es wird auch argumentiert, dass insbesondere auf Industriegütermärkten der Vermarktungsprozess an sich schon Bestandteil der angebotenen Leistung ist. So treten im Verkaufsprozess Vertriebsmitarbeiter „aus der Rolle des reinen Vermittlers heraus und schaffen durch Beratung, Erarbeitung von Problemlösungen und das Management von Kundenprojekten selbst wichtige Vorteile für die Kunden.“116 Abbildung B-11 illustriert diesen Gedanken und zeigt modellhaft den Dienstleistungsanteil ausgewählter Leistungen der IT-Branche. c) Dienstleistungscharakter des modernen Produktbegriffes Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass auch die Meinung vertreten wird, bei letztlich alle Produkten handele es sich um Dienstleistungen. Aus Marketingsicht müssen Produkte und Leistungen relevante Bedürfnisse des Kunden befriedigen. Nicht die materielle Maschine, beispielsweise der PC, sondern ihre Funktionen und Fähigkeiten stehen im Zentrum des Kaufinteresses des Kunden. So gesehen ist jedes Produkt ein „Dienst am Kunden“.117 2.3.3 Netzwerkcharakter des Vermarktungsobjektes IT Als weiteres prägnantes Merkmal informationstechnischer Produkte ist der Netzwerk- oder Netzcharakter zu nennen, der primär bei Softwareleistungen vorzufinden ist.118 Im Hardwarebzw. Dienstleistungsbereich kommt dieser Effekt allerdings nur indirekt zum Tragen, da sich viele einzelne Hardwareprodukte (z. Bsp. Server) und vor allem auch Dienstleistungen direkt auf eine bestimmte Softwarekaufentscheidung beziehen (z. Bsp. SAP-Implementierung). Allgemein bedeuten Netzeffekte, dass der Nutzen eines Gutes von der Anzahl der Nutzer abhängig ist. Dabei unterscheidet man direkte und indirekte Netzeffekte.119 Kompatibilität zwischen den einzelnen Gütern bzw. Nutzern bildet die Grundlage für direkte Netzeffekte. So erlaubt es der Quasi-Standard für betriebliche Anwendungssoftware, das Office-Paket der Firma Microsoft, dass Unternehmen problemlos Dateien austauschen können. Je mehr Unternehmen auf dieses Produkt setzen, desto grösser der Nutzen für den einzelnen Kunden. Beispielsweise zeichnet sich seit einiger Zeit ab, dass immer mehr Unternehmen ihre 116 117 118 119 BELZ et al. (2000), S.11; BELZ/BUSSMANN (2001); ähnlich BARNES/GLYNN (1993), S. 44: „...services are not enough. They must be further augmented by the addition of the extra dimension of interpersonal contact, i.e. the way the customer is treated.” Vgl. dazu GRUHLER (1990), S. 111 ff. Vgl. exemplarisch MCDADE et al. (2002), S.441. Zu Netzwerkeffekten zwischen Hard- und Software vgl. GERHARDT (1992), S. 72 f. Vgl. KATZ/SHAPIRO (1985), S. 424 f. 45 Email- und Groupware-Lösungen auf Microsoft Office umstellen. Bestehende Systeme, insbesondere Lotus Notes der Firma IBM, lassen sich in ihren Augen schlechter in die existierende IT-Landschaft einfügen oder erschweren den Datenaustausch mit Drittunternehmen. Auch neue Mitarbeiter finden sich in Outlook schneller und leichter zurecht, da sie an dieses Programm gewöhnt sind. Weitere Bespiele sind Internet-, EDI oder Mobilfunkstandards. Daneben spielen aber auf gewerblichen IT-Märkten auch indirekte Netzeffekte ein grosse Rolle. Sie kommen dann zum Tragen, wenn die Verbreitung eines Gutes einhergeht mit einem steigenden Angebot an Komplementärgütern. So hat die starke Verbreitung der ERP-Lösung R/3 von SAP dazu geführt, dass Drittanbieter eine Vielzahl von Leistungen anbieten, die das Softwarepaket um weitere funktionale Module ergänzen. Ausserdem stieg mit der Diffusion von R/3 gleichzeitig auch das Angebot an produktbegleitenden Dienstleistungen wie Schulung und Implementierung. Ähnliches lässt sich im KMU-Bereich für den Schweizer Anbieter Abacus Research sagen. Schliesslich sei noch darauf verwiesen, dass IT-Güter neben einem Netzeffektnutzen auch einen Basisnutzen aufweisen. Dieser entsteht unabhängig von der Anwendung Dritter. Das Verhältnis von Basisnutzen und Netzwerkeffekt bei Leistungen der IT-Industrie kann dabei immer nur situativ, also produkt- und kundenspezifisch, bestimmt werden. So berechnete BUXMANN (2002) einen niedrigen Netzwerkeffekt für betriebliche Standardsoftware (ERP), verglichen mit mittleren und hohen Werten für Büro-Standardsoftware bzw. EDI-Lösungen. Auf Kundenseite kann angeführt werden, dass der Netzeffektnutzen offensichtlich mit dem Transaktions- und Kommunikationsbedarf des Unternehmens korreliert. 2.3.4 Technikcharakter des Vermarktungsobjektes IT Häufig wird auch auf die Komplexität und damit den Technikcharakter informationstechnischer Produkte hingewiesen.120 BROWNE (1996) bemerkt in diesem Zusammenhang beispielsweise, dass die technische Komplexität kombiniert mit der universellen Anwendbarkeit der Produkte ein komplexes Marketingumfeld zur Folge hat. So werden Software-Produkte nicht in Serie hergestellt, sind leicht veränderbar und für ihre Produktion (Programmierung) ist die Beherrschung technologischen Know-hows von grosser Bedeutung.121 Die einzelnen Programmierschritte sind dabei für den Anwender im Regelfall nicht nachvollziehbar, er nimmt nur die funktionale Ausgestaltung der Lösung wahr. Ähnliches 120 46 Vgl. ZERR (1994), S. 4; für Software vgl. DEGEN (1999), S. 148, LIPPOLD (1996). S. 26; WIMMER et al. (1993) S.19; in Bezug auf KMU vgl. FULLER (1995) Teil B Anbieterdiagnose: Besonderheiten der IT-Branche gilt für Hardwareprodukte. Hohe Inventions- und Innovationsraten oder die Verbindung verschiedener Basistechnologien, z. Bsp. der Elektronik und Telekommunikation, bedingen eine hohe technische Komplexität der Produkte. Diese Entwicklung auf Hard- und Softwareseite bleibt mithin auch nicht ohne Konsequenzen für ergänzende Dienstleistungen wie Outsourcing, Implementierung oder Support. 2.4 Wirkungen des Vermarktungsobjektes IT auf die Kundensituation Wie schon Abbildung B-10 verdeutlicht bleiben die soeben beschriebenen Besonderheiten des Vermarktungsobjekts Informationstechnologie nicht ohne Folgen für die Situation des Kunden. Im Folgenden werden die Auswirkungen beschrieben, die sich aus den o.g. Besonderheiten ergeben, wobei eine genaue Zuordnung an dieser Stelle nicht angestrebt wird. a) Sukzessive Beschaffung Insbesondere der Systemcharakter vieler Produkte der IT-Branche verursacht auf Kundenseite einen zeitlichen Kaufverbund. Wie bereits in Abschnitt B 2.3.1 erwähnt kauft der Kunde Informationstechnologie selten „auf einen Schlag“, sondern erwirbt einzelne Elemente zeitlich versetzt. Für diesen dynamischen Beschaffungsprozess kann es mehrere Gründe geben,122 im mittelständischen Bereich liegt dies insb.an beschränkten Ressourcen. Beispielsweise verfügen viele Unternehmen nicht über die finanziellen oder personellen Mittel um grosse Investitionen in einem einzigen Kaufakt durchzuführen. Während sich die betriebswirtschaftliche Literatur zur sukzessiven Beschaffung vor allem auf die inhaltliche Zerlegung beim Systemkauf in verschiedene Systemmodule konzentriert, ist im mittelständischen Segment noch ein weiteres Phänomen zeitlich gestaffelter IT-Beschaffung vorzufinden. So ist es in kleineren und mittleren Unternehmen auch üblich Leistungen in kleinerer Stückzahl zu ordern. In vielen Unternehmen wurden veraltete Personalcomputer nur sukzessive abteilungs- oder personenweise ausgetauscht, um die finanzielle Belastung zu strecken, Mitarbeiter zu belohnen oder das Produkt auf Funktionalität zu überprüfen.123 In diesem Fall stehen Erst- und Folgeinvestitionen ausnahmsweise nicht in einem engen Nutzenverbund. Häufig besteht zwischen den Käufen jedoch eine „innere Beziehung“, da die gemeinsame Nutzung der zeitlich versetzten Güter den Gesamtnutzen erhöht.124 Im Zentrum steht dabei der be- 121 122 123 124 WIMMER et al. (1993) S.19 Vgl. dazu WEIBER (1997), S. 295 ff. Vgl. Expertengespräch Bellersheim (2002) Vgl. WEIBER (1997), S. 294 47 reits beschriebene Lock-In oder Systembindungs-Effekt, nach dem frühere Kaufentscheidungen nachfolgende beeinflussen und in Bezug auf Investitionsalternativen restriktiv wirken.125 In diesem Zusammenhang muss auch auf das oft lukrative Wartungsgeschäft hingewiesen werden. Sowohl im Hardware- wie auch im Softwaremarkt fallen nach der Implementierungs- oder Installationsphase immer wieder Aufgaben an, die vom Projektpartner unabhängig von Folgeinvestitionen zu verrichten sind. Hier wechseln die Kunden nur ungern den Anbieter, da dies wiederum mit erheblichen Wechselkosten verbunden ist. Aus Vermarktungssicht kommt dem Erstkauf damit entscheidende Relevanz zu und viele Anbieter konzentrieren sich entsprechend auf diese Kaufphase. Allerdings bleiben sukzessive Kaufprozesse für Nachfrager nicht folgenlos. Im Gegenteil haben diese weitreichende Auswirkungen auf seine Beschaffungssituation, wie Abschnitt b) verdeutlicht. b) Risiko, Abhängigkeit und Unsicherheit Geschäfte im IT-Bereich mit Wechselkosten und sukzessiver Beschaffung zeichnen sich für den Nachfrager häufig durch eine gewisse Risiko bzw. Unsicherheitssituation aus.126 So besteht für den Nachfrager vor dem Initialkauf Unsicherheit über das zukünftige Verhalten des potenziellen Anbieters und damit den weiteren Verlauf der Geschäftsbeziehung.127 Der beschriebene Bindungseffekt hat zur Folge, dass sich der Anbieter nach Vertragsabschluss „opportunistisch“ verhalten und die relative Abhängigkeit des Kunden ausnutzen könnte. Als Beispiele für ein solches Vorgehen in der IT-Branche können z. Bsp. angeführt werden: Überteuertes Verbrauchsmaterial/Folgeinvestitionen (Drucker, Kopierer, Software) Implementierungskosten übersteigen Budget (Schulung, Customizing,...) Fehlende Kulanz und mangelhafter/überteuerter Service (0800-Nummern, hohe Kilomerpauschalen...) Mangelhafte Informationspolitik (Viren, Bugs,...) Da der Kunde im Gegensatz zum Anbieter über dessen zukünftiges Verhalten weniger gut informiert ist spricht man auch von „asymmetrischer Information“, auf die er durch verschiedene Verhaltensweisen reagieren kann. Zum einen wird er versuchen das Informationsdefizit durch 125 126 127 48 Vgl. BACKHAUS (1999), S. 579 f. „Wesentlicher Unterschied zwischen Unsicherheit und Risiko ist mithin der, dass bei Risiko die Wahrscheinlichkeitsrechnung in das Kriterium einfliesst, mit dem die zur Wahl zur stehenden Entscheidungsalternativen bewertet werden.“ Darüber hinaus bezieht sich „Risiko“ primär auf das Verhalten der Geschäftspartners, wohingegen „Unsicherheit“ vornehmlich auf beziehungsexterne Faktoren meint. Vgl. SPREMANN (1996), S. 110 und 695 Vgl. dazu in folgenden BACKHAUS (1999), S. 588 ff.; BACKHAUS et al. (1994), S. 36 ff.; zu den Unsicherheiten beim Softwarekauf vgl. DIEHL (1999), S. 144 ff. Teil B Anbieterdiagnose: Besonderheiten der IT-Branche geeignete Massnahmen zu reduzieren, so durch das Einholen von Referenzen.128 Zum anderen versucht er parallel die Ausbeutungsmöglichkeiten auf Seiten des Anbieters zu begrenzen. Hier stehen ihm beispielsweise diverse Optionen bei der Vertragsgestaltung wie Garantien oder Festpreise zur Verfügung. Interessanterweise scheint diese Problematik aus der Perspektive der führenden Schweizer IT-Unternehmen im mittelständischen nicht zu schwer zu wiegen. Nur 15 der 41 befragten Unternehmensvertreter bewerten die Angst des KMU vor Abhängigkeit als problematisch.129 Dies kann entweder auf ein fehlendes Bewusstsein der Manager für die Problematik oder fehlende Lock-In-Effekte zurückgeführt werden. Neben diesem opportunistischen Verhalten des Anbieters besteht im Systemgeschäft noch eine weitere Gefahr für den Kunden. So entstehen erhebliche Wechselkosten, wenn Komplementärleistungen (Updates, Support, ...) für das Produkt eingestellt werden. Diese Situation kann dann eintreten, wenn der Anbieter den Betrieb einstellt, übernommen wird oder das Produkt aus anderen Gründen eingestellt wird. Dieses Risiko erklärt die hohe Bedeutung anbieterbezogener Kriterien im Gegensatz zu produktbezogenen Kriterien bei der Softwareauswahl.130 Die erhöhte Risikoposition des Kunden hat aber neben dem Systemgeschäftcharakter noch andere Gründe. So weist GÜNTER (1990b) auf Schwierigkeiten bei der Evaluation moderner IT hin. Viele IT-Systeme zeichnen sich durch Neuigkeit, Individualisierung, Komplexität und mehrere Integrationsstufen aus, welche die Unsicherheit auf Kundenseite potenziell erhöhen. Konkret resultieren daraus u.a. Probleme bei der Erfassung der Kosten-, Erlös- und Verbundwirkung. Ebenfalls schwer zu bewerten sind die Folgen der Investition auf Mitarbeiter und das organisatorische Gefüge insgesamt. Unabhängig vom Bewertungsproblem können grosse IT-Projekte (Outsourcing, ERP) die Funktion des Unternehmens nachhaltig stören. Während andere Fehlinvestitionen (Anlagen, Maschinen, ...) für die betroffenen Unternehmen in der Regel finanzielle Konsequenzen auf der Kostenseite (Abschreibungen, ...) haben, beeinträchtigen fehlgeschlagene IT-Projekte Prozesse, Organisation und Kultur in erheblichem Masse. Im schlimmsten Fall können, bedingt durch fehlende Informationen, Mitarbeiterfluktuation o.ä., Lieferzeiten nicht eingehalten oder Produkte nicht produziert werden. In informationskritischen Branchen wie Versicherungen oder Banken ist die Informatik auch kurzfristig überlebensnotwendig. Diese Ausführungen machen deutlich, dass nicht nur die hohen Kosten den Kunden in eine besondere Risikosituation verset- 128 129 130 Vgl. dazu auch Teil E 3.2.3 Vgl. dazu auch die Informationen zur schriftlichen Anbieterbefragung im Anhang dieser Arbeit. Vgl. exemplarisch VERVILLE/HALINGTON (2003) 49 zen, sondern neben finanziellen Kosten die ganze Unternehmung in Mitleidenschaft gezogen werden kann, laufen IT-Projekte nicht nach Plan.131 Schliesslich sei noch erwähnt, dass auch der Netzwerkcharakter nicht ohne Folgen für die Einkaufssituation des Kunden bleibt. Gerade in Märkten, in denen sich noch kein „Standard“ herausgebildet hat, tun sich Kunden bei der Auswahl eines Anbieters schwer. So besteht immer das Risiko einer Fehlinvestition, da man salopp gesprochen „auf das falsche Pferd gesetzt hat“. So nutzen mittlerweile auch Werbeagenturen verstärkt Microsoft-Lösungen, obwohl die Funktionalität ihrer bestehenden Apple-Systeme vielen Graphikern überlegen erscheint. Allein die Tatsache, dass der Datenaustausch zwischen der Agentur und ihren Kunden nicht immer reibungsfrei verläuft, veranlasst viele Agenturen zum Systemwechsel trotz hoher Kosten. Auf der anderen Seite bedeutet dies, dass es für den Kunden nur selten Sinn, ergibt sich gegen einen bestehenden Quasi-Standard zu entscheiden. Entsprechend erfolglos verlaufen seit Jahren die Bemühungen von Sun Microsystems und Apple Marktanteile im Markt für Standardbürosoftware zu gewinnen. c) Integration und Interaktivität An früherer Stelle wurde bereits auf den Integrationscharakter moderner Informationstechnologie hingewiesen. Während die interne Integration den Kunden nur indirekt über die Gestaltung des Kernsystems berührt sind die Auswirkungen der externen Integration für ihn unmittelbar spürbar. Ausschlaggebend für die Notwendigkeit der externen Integration ist die Tatsache, dass sich Informationssysteme nur in Ausnahmefällen isoliert von der beschaffenden Organisation bzw. ihrer Umwelt betrachten und gestalten lassen. Vielmehr müssen sie, wie bereits mehrfach erwähnt, im weitesten Sinne in die Kundenorganisation implementiert werden. Dieser Vorgang wird mit innerbetrieblicher Integration bezeichnet.132 Die innerbetriebliche Integration geht einher mit der o.g. Integration des externen Faktors und bestimmt damit auch den hohen Dienstleistungsanteil informationstechnischer Leistungen. Integration bedeutet damit auch immer Interaktivität. ZERR (1994) nennt vier Ebenen oder Stufen der innerbetrieblichen Integration, die Abbildung B-12 zeigt. Jede Stufe zeichnet sich dabei durch abnehmende direkte Kosten (Produkte, Mitarbeiter, ...), aber zunehmende indirekte Kosten (Mitarbeiterunzufriedenheit und 131 132 50 Vgl. dazu auch DOUKIKIS et al. (1994) Die sogenannte zwischenbetriebliche Integration wird auch der externen Integration zugerechnet. Sie zielt auf die Verknüpfung mehrerer Organisationen ab und kann an dieser Stelle vernachlässigt werden, da sie für kleine und mittelständische Unternehmen von geringerer Bedeutung ist (weniger Verflechtung, Internationalität, kürzere Entscheidungswege, ...). Teil B Anbieterdiagnose: Besonderheiten der IT-Branche -fluktuation, …) aus. Eine erste Stufe (technische Integration) beinhaltet die Integration einer IT-Leistung in das bestehende technologische Umfeld der Unternehmung. Direkte Kosten Technische... Organisatorische... Untern.politische... Soziale... Indirekte Kosten ... Integration Abbildung B-12: Die Stufen der innerbetrieblichen Integration133 Während sich eine reine Hardware-Integration in der Regel problemlos vollzieht, kann die technische Verbindung unterschiedlicher Softwarelösungen (v.a. Systemintegration) mitunter Schwierigkeiten hervorrufen, wenn keine Kompatibilität der Produkte gegeben ist. Die Systemintegration beinhaltet in der Praxis bereits Elemente einer Reorganisation. Ausgangspunkt der organisatorischen Integration ist die Erkenntnis, dass informationstechnische Lösungen ihr volles Nutzenpotenzial nur dann entfachen können, wenn sich organisatorische Prozesse und Strukturen an den neuen Möglichkeiten orientieren. Anders formuliert: „Die Informationstechnik schafft Potenziale, die Reorganisation nutzt sie.“134 Solche Veränderungsprozesse stellen für die meisten Unternehmen eine grosse Herausforderung dar, da die neuen Abläufe identifiziert, dokumentiert und „gelebt“ werden müssen. Nicht selten haben grosse Projekte dieser Art Frustration, Enttäuschung und Verunsicherung auf Seiten der betroffenen Mitarbeiter zur Folge. Allerdings bedeutet organisatorische Integration nicht ausschliesslich Reorganisation, sondern zu einem grossen Teil auch Anpassung der Systeme an vorhandene organisatorische Strukturen und Abläufe.135 Hierfür hat sich der Begriff „Customizing“ etabliert. So kann es technische, kulturelle oder auch betriebliche Gründe geben, IT-Produkte einem Customizing zu unterziehen. Beispielsweise scheuen die Unternehmen die indirekten Kosten einer Reorganisation oder die Lösungen entsprechen nicht den nationalen gesetzlichen Brancheanforderungen. Wenn die organisatorische Integration Geschäftspotenziale heben soll, bedeutet dies auch, dass konsequente Nutzung moderner IT auch strategische Relevanz hat. Unternehmenspolitische Integration meint, dass die IT-Landschaft den unternehmerischen langfristigen Zielen und Strategien entsprechen und Wettbewerbsvorteile schaffen muss. In Unternehmen wie Ama- 133 134 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an ZERR (1994), S. 52 ÖSTERLE (1994), S. 9 51 zon.com oder Ebay basiert das Erlösmodell ausschliesslich auf den Möglichkeiten moderner IKT. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Beispiele für Unternehmen (UPS, Benetton, Walmart, Tesco,...), die in ihrem traditionellen Geschäft Wettbewerbsvorteile durch die konsequente Ausbeutung informationstechnischer Möglichkeiten erzielen können. Man spricht deshalb auch von „strategischer IT-Nutzung“. Schliesslich sei noch erwähnt, dass IT auch immer einer sozialen Integration bedarf. Neue Lösungen beanspruchen auch immer die Veränderungsbereitschaft der betroffenen Mitarbeiter. Die Ausführungen verdeutlichen, dass der Integrationsaspekt moderne Informationssysteme zu einer besonderen Investition macht, da sie erheblichen Einfluss auf das gesamte Unternehmensgefüge haben können. Darüber hinaus ist der Erfolg zu einem hohen Mass durch Interaktivität, also eigenes Tun und Können und das Zusammenspiel mit dem Lieferanten, bestimmt. Allerdings muss der Kunde wissen, wann, wo und wie er sich in den Integrationsprozess einzubringen hat; eine Aufgabe, der viele Unternehmen nicht gewachsen sind.136 2.5 Wirkungen des Vermarktungsobjektes IT auf die Anbietersituation Für die Anbieter von Informationstechnologie ergeben sich daraus gemäss Abbildung B-10 eine Reihe von Herausforderungen, insb. Integrations- und Unsicherheitsmanagement. a) Integrationsmanagement Integrationsmanagement als zentrale Herausforderung im IT-Marketing bezieht sich auf zwei Aspekte der Informationstechnologie. Zum einen weisen WIMMER/ZERR (1994) produktseitig auf die besondere Bedeutung der Integrationsqualität hin. BELZ et al. (1997), KLEINALTENKAMP (1996) und weitere Autoren betonen hingegen den Interaktionsaspekt. Im Zentrum steht dabei das Grundprinzip der Kundenintegration, ein Problem des Kunden mit dem Kunden zu lösen.137 JACOB (2003) gelang dabei der Nachweis, dass KundenintegrationsKompetenz (Integrationsmanagement) auf Industriegütermärkten signifikante Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg hat. Erfolgreiche Kundenintegration konfrontiert die Unternehmen allerdings mit zum Teil erheblichen Schwierigkeiten und die optimale Gestaltung der Zusammenarbeit zwischen Anbieter und Kunde ist keineswegs einfach.138 In diesem Zusammenhang 135 136 137 138 52 wird auch darauf Vgl. GERHARDT (1992), S. 54 Vgl. DAHLKE/KERGASSNER (1996), S. 189 Vgl. KLEINALTENKAMP (1996), S. 23 Vgl. DAHLKE/KERGASSNER (1996), S. 189 hingewiesen, dass mit erheblichen beiderseitigen Teil B Anbieterdiagnose: Besonderheiten der IT-Branche Veränderungsprozessen und einer neuen Rollenverteilung zu rechnen ist. Beispielsweise setzt erfolgreiche Kundenintegration eine ausgeprägte Dienstleistungsmentalität voraus. Mitarbeiter müssen willens und in der Lage sein, den Kunden in Entscheidungen mit einzubeziehen und übernehmen hier eine „Lotsenfunktion“. Schliesslich verlangt Integration, dass sich alle Wertschöpfungsprozesse am Kunden ausrichten, mit dem Ergebnis, dass diese ultimativ verschmelzen.139 Trotzdem gilt es dabei immer den optimalen Grad der Integration bei der Prozessgestaltung zu bestimmen, da eine maximale Integration nicht anzustreben ist. Vielmehr muss es den Unternehmen gelingen, den Umfang der Zusammenarbeit mit einer heterogenen Kundschaft in Einklang zu bringen.140 b) Unsicherheitsmanagement Die Ausführungen in Abschnitt b) legen einen Fokus auf die Unsicherheits- und Risikoproblematik nahe. Für BACKHAUS (1999) ist Marketing im Systemgeschäft nichts anderes als das Management von Unsicherheiten: „Marketing für das Systemgeschäft muss an der grundlegenden Erkenntnis ansetzen, dass die Kaufentscheidung des Nachfragers im Systemgeschäft wesentlich durch Unsicherheit geprägt wird, die sich auf den Zeitraum nach dem (Erst-)Kauf bezieht. [...] Die zentrale Aufgabe des Marketings im Systemgeschäft [besteht] darin, das empfundene Risiko so weit zu verringern, dass es zum Kauf kommt.“141 So gesehen können Transaktionen erst dann zu Stande kommen, wenn der Anbieter vor Vertragsabschluss versichern kann, dass er die anschliessende Abhängigkeitssituation nicht ausnutzen wird.142 Allerdings endet nach REINECKE (1996) ein professionelles Unsicherheitsmanagement nicht nach Unterzeichnung der Verträge, sondern umfasst auch die Nutzungsphase der Leistungen. Opportunistisches Verhalten in einer späteren Phase der Zusammenarbeit mit dem Kunden hat langfristig negative Auswirkungen auf die Reputation und damit auf das Unsicherheitsmanagement zur Folge. Unsicherheitsmanagement ist also eine anspruchsvolle und vor langfristige Marke- 139 140 141 142 Vgl. FLIESS/JACOB (1996), S. 36; KLEINALTENKAMP (1996); BELZ et al. (1997), S. 54 ff.; DAHLKE/KERGASSNER (1996); ähnlich BELZ (1999), S. 187 Vgl. PFEIFFER (1996), S. 134; KLEINALTENKAMP (1996), S. 16 f.; PRAHALAD/RAMASWAMY (2000), S. 83 BACKHAUS (1999), S. 601 Zu den verschiedenen Instrumenten zur Bewältigung von Nachfragerunsicherheit vgl. DIEHL (1999), S. 90 -118 53 tingherausforderung. Es setzt dabei nicht nur Glaubwürdigkeit voraus, sondern sollte auch aktiv vom Anbieter gesteuert und gemessen werden.143 143 54 Vgl. REINECKE (1996), S. 128 f. Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand C Kundendiagnose: Besondere Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand „A small business is not a little big business.” Welsh/White, 1981 1 Grosse Anzahl mittelständischer Unternehmen macht den Markt attraktiv 1.1 Arbeitsdefinition des mittelständischen Unternehmens Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) erfahren in Wissenschaft und Politik aufgrund ihrer gegenüber Grossbetrieben unterschiedlichen Eigenschaften häufig eine Sonderbehandlung. Mittelständische oder mittlere Unternehmen stellen dabei neben Kleinst- und Kleinunternehmen eine Teilmenge dieser Gruppe dar. Bei näherer Betrachtung des Untersuchungsgegenstandes KMU zeigt sich, dass es zahlreiche Auffassungen über die adäquate Abgrenzung der Subgruppen Klein-, Mittel- und Grossbetrieb gibt.144 Weitgehend Konsens besteht hingegen betreffend der Kriterien, die eine solche Abgrenzung erfüllen sollte: „Die Definition der KMU sollte zum einen eine eindeutige Zuordnung ermöglichen und zum anderen eine möglichst homogene Gruppe schaffen, die tatsächlich wesenverschieden von Grossunternehmen ist.“145 Als Kriterien zur Definition von Klein-, Mittel- und Grossbetrieben bieten sich grundsätzlich quantitative und qualitative Kriterien an.146 Typische Klassifikationen beruhen auch häufig auf einer Kombination qualitativer und quantitativer Kriterien. a) Gängige quantitative Abgrenzungskriterien Beispiele für quantitative Merkmale zur Betriebsgrössenbestimmung sind insbesondere betriebswirtschaftliche Kennzahlen wie Jahresumsatz oder Anzahl Mitarbeiter, aber auch Merkmale zur Messung des Kapitaleinsatzes wie die Höhe der Bilanzsumme. Nach einer gängigen KMU-Definition der EU-Kommission zeichnet sich ein mittleres Unternehmen durch eine Beschäftigtenzahl von höchstens 249 Mitarbeitern und mindestens 50 Mit- 144 145 146 Vgl. FÜGLISTALLER (2002), S. 43 f. und die dort angegebene Literatur BEHRINGER (1998), S. 7 Vgl. REINEMANN (1999), S. 661; für eine ausführliche Diskussion quantitativer und qualitativer Merkmale und ihrer Vor- und Nachteile vgl. PFOHL (1997a) 55 arbeitern aus. Klein- und Kleinstunternehmen haben demnach bis 49 Beschäftigte.147 Das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) zieht die Grenze zwischen Klein- und Mittelbetrieben bzw. Grossbetrieben bei 9 bzw. 499 Mitarbeitern.148 Die Schweiz selber besitzt keine offizielle KMU-Definition, die o.g. Kriterien der EUKommission scheinen sich jedoch mehr und mehr durchzusetzen. So orientieren sich statistische Publikationen des Bundes aus Gründen der Vergleichbarkeit weitestgehend an EU-Recht. Weiterhin gängig ist jedoch auch eine ältere Abgrenzung, nach der man ab 500 Beschäftigten von Grossbetrieben und bis 50 Beschäftigte von Kleinbetrieben spricht. Mittlere Betriebe definierten sich entsprechend durch eine Mitarbeiterzahl von über 49 und unter 499 Personen.149 b) Gängige qualitative Abgrenzungen Qualitative Kriterien zielen auf die Wesensunterschiede von KMU ab und setzen allgemein beim Unternehmer oder der Unternehmerfamilie als wichtigste qualitative Determinante und zentraler Figur im Betrieb an.150 Hinsichtlich der Beteiligung des Unternehmers können in der Literatur zwei zentrale Faktoren identifiziert werden. Ausgangspunkt der ersten Überlegung ist die Beteiligung des oder der Eigentümer an der Leitung oder Produktion des Unternehmens. Das Kriterium der Einheit von Eigentum und Unternehmensführung geht davon aus, dass sich ein mittelständisches Unternehmen dadurch kennzeichnet, dass der Eigentümer im Betrieb in leitender Funktion tätig ist.151 Nach PICHLER et al. (1996) ist der Unternehmer in kleinen bzw. mittleren Unternehmen selbst überwiegend bzw. weitgehend an der Leistungserstellung beteiligt. In Grossunternehmen widmet sich der Unternehmer hingegen ausschliesslich kaufmännisch-organisatorischen Aufgaben. Neben der Beteiligung der Eigentümer stellt die faktische oder rechtliche Selbstständigkeit des Unternehmens das zweite zentrale qualitative Kriterium zur KMU-Definition dar.152 Diese Forderung basiert auf dem Gedanken, dass abhängige Unternehmen, also Tochtergesellschaften anderer Unternehmen, grundsätzlich nicht mit unabhängigen Unternehmen vergleichbar sind, da sie über unterschiedliche Ressourcen- und Entscheidungsstrukturen verfügen. Entsprechend 147 148 149 150 151 152 56 Vgl. KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (2003); bis 1996 lag die Obergrenze für KMU noch bei 500 Beschäftigten. Vgl. IFM (2004) Vgl. PICHLER et al. (1996), S. 12 f. Vgl. HAKE (1996), S. 967 Vgl. HAMER (1990), S. 18 „The simplest definition of a small firm is, that it is privately held.“ ANG (1991), S. 185 Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand häufig stellt sich die Frage der Rolle des Unternehmens und seine rechtliche oder faktische Abhängigkeit von einem Mutterunternehmen oder anderen Kapitalgebern. Während die Einheit von Eigentum und Unternehmensführung vermutlich aus erhebungstechnischen Gründen bisher keinen Einzug in offizielle Definitionen gehalten hat wurde die Selbstständigkeit des Unternehmens durchaus berücksichtigt. Um diese Unabhängigkeit des Unternehmers messbar zu machen wird dabei der prozentuale Besitz der Eigentümerfamilie am Eigenkapital herangezogen. Sowohl die KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (2003) wie auch das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) ziehen demnach eine Grenze bei einer maximalen Eigenkapitalbeteiligung externer Unternehmen von 25%.153 c) Quantitative Abgrenzung dieser Arbeit Die vorliegende Arbeit folgt bei der quantitativen Abgrenzung dem älteren Schweizer Standard, der mittlere Unternehmen im Bereich zwischen 50 und 499 Mitarbeiter definierte. Diese Arbeitsdefinition basiert auf der Erkenntnis, dass die Abgrenzung von KMU mithin keine Frage der Richtigkeit, vielmehr eine Frage der Zweckmässigkeit darstellt.154 Zweckmässig im Sinne der Untersuchung bedeutet erstens, dass sich die Definition primär am Untersuchungsobjekt orientieren muss, also dem mittelständischen Kundensegment der ITIndustrie. PFOHL (1997a) spricht in diesem Zusammenhang vom „aussagebezogenen“ Kriterium der Zweckmässigkeit und meint die betrachtete Grundgesamtheit von Unternehmen bzw. den behandelten Problembereich.155 Mit anderen Worten muss sich die Arbeit bei der Definition der Kundengruppe an der Unternehmensrealität orientieren. Hier ist festzuhalten, dass IT-Unternehmen diesbezüglich quantitative Massstäbe anlegen, die nicht den aktuellen Abgrenzungen der EU entsprechen. Es stellte sich heraus, dass sich das Kundensegment Mittelstand156 näherungsweise durch eine Obergrenze von 500 Beschäftigten und eine Untergrenze von 50 Beschäftigten definieren liess. Die Obergrenze trägt dem Umstand Rechnung, dass Grosskundenstatus bei führenden ITAnbietern erst Unternehmen mit mehreren tausend Mitarbeitern erreichen. Beispielsweise liegt der Grenzwert für „SMB“ mit 1000 Mitarbeitern bzw. 200 Mio. Euro Jahresumsatz bei IBM 153 154 155 156 Vgl. KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (2003); IFM (2004) Vgl. FRANK (1994), S. 18 PFOHL (1997a), S. 6 Die Mehrzahl der Schweizer Unternehmen verwendet die Begriffe KMU, SME oder SMB 57 und SAP deutlich überhalb der offiziellen EU-Norm. Der PC-Produzent Fujitsu-Siemens zieht die Obergrenze für KMU bei 500 Beschäftigten. Zwar vertreten einige Autoren die Meinung, dass die Wesenunterschiede zwischen Mittel- und Kleinbetrieben vielfach nicht so signifikant zu sein scheinen wie zwischen KMU und Grossunternehmen und behandeln erstere in der Literatur häufig als Einheit. Dieser Auffassung wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht gefolgt. Vielmehr sollen an dieser Stelle unter Berücksichtigung der hier zur Disposition stehenden Produkte und Dienstleistungen Kleinunternehmen mit weniger 50 Mitarbeitern vernachlässigt werden. Sie haben in aller Regel weder die erforderlichen finanziellen Mittel noch einen konkreten Bedarf für gewisse moderne Lösungen (IT-Outsourcing, komplexe ERP-Programme, Netzwerklösungen,...).157 Beispielsweise ist „EProcurement“ in KU unbedeutend, wohingegen sich mittlere Unternehmen diesem Thema deutlich intensiver annehmen.158 Auch werden Kleinkunden oft im Rahmen des B2C-Geschäfts über den stationären Einzelhandel bedient. Ein weiterer wichtiger Grund für die abweichende Untergrenze liegt darin begründet, dass sich ab einer Mitarbeiterzahl von ca. 50 Personen die Rolle von IT im Unternehmen (Vorhandensein einer IT-Abteilung, Einkaufsprozesse,...) grundlegend ändert, wie auch empirisch mehrfach nachgewiesen werden konnte.159 Diese quantitative Untergrenze hat sich im Übrigen auch in wissenschaftlichen Untersuchungen zum Informationsmanagement in KMU weitgehend durchgesetzt. So spricht eine Mehrzahl von Autoren auch dann von SME, wenn sie Kleinbetriebe unter 50 explizit Beschäftigte ausschliessen.160 Zuweilen wird für diese Unternehmen der Begriff „Very Small Business“ verwendet.161 Aus diesem Grund ist es im Rahmen der Arbeit auch nicht möglich, auf den Begriff „KMU“ gänzlich zu verzichten, zumal er in der Praxis einen hohen Stellenwert einnimmt. d) Qualitative Abgrenzung dieser Arbeit Entgegen der Mehrzahl betriebswirtschaftlicher Untersuchungen soll in dieser Arbeit auf eine qualitative Ausgrenzung verzichtet werden. Aus mehreren Gründen werden auch diejenigen Betriebe nicht aus der Untersuchung ausgeschlossen, deren Eigenkapital sich mehrheitlich in Besitz eines anderen Unternehmens befindet. Eine solche Ausgrenzung ist zwar bekanntlich durchaus üblich und hätte auch im vorlie- 157 158 159 160 161 58 Vgl. ASCHOFF (1995), S. 7 f.; BERGMANN (1972), S. 22 ff. Vgl. BME (2002), S.7 Vgl. PALVIA et al. (1994); SCHERBLE (2002), S. 11; ähnlich KURZ/ETTENGRUBER (2001) Vgl. z. Bsp. DELONE (1988); HUSSIN et al. (2002); STOREY (1994) Vgl. PALVIA et al. (1994) Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand genden Kontext eine Teilberechtigung. Allerdings gehören diese Unternehmen durchaus zum Kundenstamm der IT-Branche und ihre Entscheidungsbefugnis ist nicht notwendigerweise eingeschränkt. Es gibt bis jetzt auch noch keine wissenschaftlichen Ergebnisse darüber, ob und inwieweit sich die Eigentümerstruktur auf das hier relevante Beschaffungsverhalten und ITManagement konkret auswirkt. Eine solche Unterscheidung ist auch aus forschungspragmatischen Gründen sehr problematisch, da kommerzielle Adressanbieter diese Information in der Regel in ihren Datensätzen nicht berücksichtigen. Aus denselben Gründen folgt die Arbeit auch nicht dem Kriterium der Einheit von Eigentum und Unternehmensführung. Entsprechend werden diejenigen Unternehmen, die nach traditionellem betriebswirtschaftlichem Verständnis nicht dem Mittelstand zuzurechnen sind, explizit mitberücksichtigt. Insofern gehören auch der von REISS (1997) benannte „Neue Mittelstand“162 (Ausgründungen, Spin-Offs, ...), Start-up-Unternehmen, börsennotierte Unternehmen, privat finanzierte Unternehmen oder andere nicht-eigentümergeführte Familienunternehmen zur Zielgruppe Mittelstand, so lange sie die o.g. Kriterium bezüglich der Beschäftigtenzahl erfüllen. e) Mittelstandstypologie Differenziert man die Grundgesamtheit aller Unternehmen zwischen 50 und 500 Mitarbeitern weiter nach den beiden oben beschriebenen Kriterien lässt sich eine Matrix generieren, die vier Mittelstandstypen beschreibt (vgl. Abbildung C-1). Abbildung C-1: 162 163 Mehrheitlich in Privatbesitz Externes Management Eigentümerunternehmen Mehrheitlich in Unternehmensbesitz Tochtergesellschaften MBO Managementgeführt Eigentümergeführt Mittelstandstypologie163 Vgl. dazu auch REISS (1998b); REISS (1998a) Quelle: Eigene Darstellung. Die Idee einer Differenzierung zwischen den Variablen „Führung“ und „Besitz“ geht zurück auf FILE/PRINCE (1996). 59 Wichtigste Kategorie stellt das „Eigentümerunternehmen“ dar, welches weitestgehend der traditionellen Vorstellung von einem KMU entspricht. Das Unternehmen ist mehrheitlich im Besitz einer oder mehrer Privatpersonen und wird auch durch diese geführt. Im Gegensatz dazu beauftragt in „Unternehmen mit externem Management“ die Eigentümerfamilie oder der Aktionärskreis externe Dritte mit der Leitung des Unternehmens. Deren Entscheidungsfreiheit ist dabei aber weitestgehend gewährleistet. Offensichtlich anders ist es im Fall der „Tochtergesellschaften“. Dieser Mittelstandstypus befindet sich mehrheitlich in Besitz eines anderen Unternehmens und ist oft leistungspolitisch mit der Muttergesellschaft eng verflochten. Wichtige strategische Investitionsentscheide können im Normalfall nicht ohne Rücksprache getroffen werden. „MBOs“ stellen den Sonderfall dar, bei dem die Mehrheit des Eigenkapitals in den Händen eines anderen Unternehmens liegt, Minderheitsaktionäre jedoch mit der Führung des Betriebs betraut sind. Der Name „MBO“ wurde gewählt, da dieser Mittelstandstyp häufig durch einen sogenannten „Management Buyout“ generiert wurde, im Rahmen dessen die Unternehmensleitung Anteile am Aktienkapital von der Muttergesellschaft erwarb. „MBO“ treten zwar unabhängig am Markt auf, sind aber vielfach noch stark in die Strukturen des (ehemaligen) Mutterkonzerns eingebunden. 1.2 Attraktivität des mittelständischen Kundensegments Elementare Aufgabe im Rahmen einer Segmentstrategie und -analyse ist die Bestimmung der Marktattraktivität anhand quantitativer Zielgrössen.164 Zur Abschätzung bieten sich insbesondere das Marktvolumen und das Marktwachstum an. Da es sich hierbei um abgeleitete Grössen handelt soll anschliessend noch, soweit möglich, die aktuelle Ausstattung des Mittelstandes mit Informationstechnologie behandelt werden. Sie dient als Indikator um das Marktpotenzial abschätzen und untermauern zu können. a) Marktvolumen und Marktwachstum Die Bestimmung des Marktvolumens für informationstechnologische Leistungen im mittelständischen Kundensegment im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit gestaltet sich schwierig. Aufgrund geringer finanzieller Mittel kann nur in sehr begrenztem Umfang auf Sekundärdaten zurückgegriffen werden, die im Regelfall von kommerziell tätigen Marktforschungsinstituten angeboten werden. Abbildung C-2 schätzt auf Basis einer Mittelstandsbefragung der MSM Research AG, Schaffhausen und des Bundesministerium für Statistik (BfS), Bern, Marktvolumen, -wachstum und -zusammensetzung für die Jahre 2002 bis 164 60 Vgl. BACKHAUS (1999), S. 152 Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand 2004.165 An dieser Stelle muss darauf aufmerksam gemacht werden, dass es sich hier lediglich um Schätzwerte handelt. Für genauere Analysen sei auf die oben erwähnten kommerziellen Angebote verwiesen. Mi o. CHF/J ahr 4.000 <2% 2,5% 4,4% Wachstum 3.500 3.439 3.000 3.213 3.294 Hardware/ Kom. Equi pment 29% Dienstleistungen 51% Software 20% 2.500 2.000 2002 Abbildung C-2: 2003 2004 Grösse, -wachstum und -zusammensetzung des Mittelstandsmarkts (CH) 2004166 Neben einem Gesamtmarktvolumen von rund 3,5 Mia. CHF in 2004 zeichnet sich das mittelständische Kundensegment in erster Linie durch ein im Vergleich zum Gesamtmarkt höheres Wachstum aus. Sowohl die Zuwächse in 2003 als auch die Prognosen für 2004 übertreffen die des Gesamtmarktes und verdeutlichen die Attraktivität des Segments (vgl. Abbildung C-2). Bemerkenswert ist auch der im Vergleich zum Gesamtmarkt hohe Dienstleistungsanteil, wohingegen Hard- und Softwareausgaben sich mit jeweils knapp 20% die Waage halten. Zukünftig geht man allerdings davon aus, dass sich der Serviceanteil insbesondere im Vergleich zum Grosskundensegment vermindern wird, da Grossunternehmen ihren Fokus vermehrt auf die dienstleistungsintensive Integration bestehender Lösungen und weniger auf Neuinvestitionen legen. Hier gilt es die enormen Investitionen der letzten Jahre nutzbar zu machen und Prozesse anzupassen. Für kleine und mittlere Unternehmen erwartet man hingegen einen gegenläufigen Trend, der Neuinvestitionen in Hard- und Softwareprodukte begünstigen sollte. b) Ausstattung des Mittelstandes mit Informationstechnik Allgemein wird davon ausgegangen, dass die IT-Landschaft kleiner und mittlerer Unternehmen weniger ausgereift und fortschrittlich ist als in Grossunternehmen.167 Gemäss einer Untersu- 165 166 MSM (2004) legt dabei eine andere Mittelstandsdefinition zugrunde und berücksichtigt Unternehmen zwischen 10 und 500 Mitarbeitern. Gemäss BfS setzt sich die Gruppe gemessen in Mitarbeitern zu 45% aus Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern zusammen. Entsprechend wurden die Ausgangszahlen um diesen Faktor reduziert. Quelle: Eigene Darstellung und Berechnungen in Anlehnung an MSM (2004) 61 chung des SECO (2002) (Staatssekretariat für Wirtschaft) glaubt die Hälfte aller Schweizer Unternehmen unter 250 Mitarbeiter, sie setzen Informations- und Kommunikationstechnologien nicht fortschrittlich ein.168 Darüber hinaus wird die Meinung vertreten, KMU bevorzugten derzeit noch vielfach sogenannte „Insellösungen“. Integrierte Lösungen und Einflüsse des ITSystems auf die Organisation und die Prozesse sind noch selten.169 Leider sind analog zu den oben beschriebenen Gesamtmarktinformationen frei zugängliche quantitative Daten zur genauen Ausstattung mittlerer Unternehmen mit Informationstechnik spärlich vorhanden. Insbesondere im Hardwarebereich können im Rahmen dieser Arbeit kaum Aussagen über die Marktdurchdringung von PCs, Laptops oder Servern gemacht werden. Einzig die o.g. Studie der SECO (2002) schätzt die PC-Durchdringung auf 84%.170 Eine Internetverbindung gehört dabei übrigens heute zur Grundausstattung eines Computerarbeitsplatzes. Für die hier verwendete Definition mittelständischer Unternehmen erscheint die Annahme einer flächendeckenden Ausstattung mit PCs demnach plausibel. Entsprechend sollten alle administrativen Arbeitsplätze Schweizer Unternehmen zwischen 50 und 500 Beschäftigten über einen PC und die gängige Bürosoftware verfügen. Soweit der Mittelstand seine Anzahl administrativer Arbeitsplätze nicht ausweitet oder höherwertig ausstattet besteht Wachstumspotenzial im Hardwarebereich demnach vor allem im Server- und Kommunikations- bzw. Netzwerkbereich. Etwas detaillierte Aussagen lassen sich zum Ausstattungsgrad mittlerer Unternehmen mit Software, insbesondere ERP- bzw. Post-ERP-Applikationen, treffen.171 Die aktuelle Befragung von DETTLING et al. (2004) unter mittelständischen Schweizer Unternehmen bis 250 Mitarbeiter kommt zu dem Ergebnis, dass unternehmensinterne Geschäftssoftware (ERP I), insbesondere Basismodule wie Finanz- und Personalwirtschaft, in KMU bereits weit verbreitet ist (78%). Berücksichtigt man, dass in der Stichprobe zu einem knappen Drittel auch kleinere Unternehmen vorhanden sind, liegt die Vermutung nahe, dass mittelständische Unternehmen zwischen 50 und 500 Mitarbeiter praktisch flächendeckend ein oder mehrere ERP-Basismodule im Einsatz haben. Die ältere Studie von WINKELMANN (1998) aus dem Jahre 1994 zeigt hier noch leicht geringere Diffusionswerte, insb. in den Bereichen Anlagen- und Betriebsbuchhaltung. 167 168 169 170 171 62 Vgl. BLILI/RAYMOND (1993) Vgl. SECO (2002), S. 9 Vgl. LEVY/POWELL (1998) Vgl. SECO (2002), S. 11 Für Deutschland vgl. RAMSAUER et al. (2002) Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand Auch die Integration bestehender Systeme hat in den letzten 10 Jahren stark Verbreitung in mittelständischen Unternehmen gefunden. Finanzwirtschaft Personalwirtschaft Vertrieb und Auftragsabwicklung 50% Betriebsdatenerfassung 48% ERP I 26% Branchensoftware 27% Marketing und CRM 12% 11% 49% 24% 93% 161% Content Management Systeme 6% 9% 150% E-Procurement 3 7% SCM 4% 5% 27% 183% Mobile Application 7% 12% E-Organization 5% 5% 39% 10% 6% 17% E-Commerce ERP II 14% 13% 9% 31% 14% 35% Produktionsplanung u. -steuerung 30% 14% 35% Einkauf 26% 13% 44% Service u. Dienstleistungen 49% 21% 44% Warenwirtschaft 13% 9% 69% Controlling, Führungsinform.-Systeme 10% 8% 78% 247% 106% 136% Anteil 0% vorhanden Abbildung C-3: 20% 40% Wachstumspotenzial 60% 80% 100% geplant Einsatz und Wachstumspotenzial von ERP-Modulen in KMU (CH) bis 2006172 Deutliche Unterschiede treten allerdings beim Umfang der installierten Module auf, wie Abbildung C-3 vor Augen führt. Während traditionelle ERP I-Module (Controlling, Vertrieb, Einkauf,..) noch in rund der Hälfte oder einem Drittel aller befragten Unternehmen vorhanden waren, sind unternehmensübergreifende (ERP II) Module weit weniger verbreitet. Abgesehen von speziellen Branchenlösungen verfügt nur rund jedes zehnte KMU über eine CRM- oder ECommerce-Lösung. Weitere Möglichkeiten unternehmensübergreifender IT-Lösungen, wie E- 63 Procurement oder auch Supply Chain Management, spielen im Mittelstand heute noch keine Rolle. Aus Anbietersicht interessieren neben der aktuellen Ausstattung mit ERP-Modulen vor allem die geplanten Investitionen und damit das entsprechende Wachstumspotenzial der Applikationen. Hier zeigt sich, dass unternehmensintern vor allem Controllingmodule und Führungsinformationssysteme an Bedeutung gewinnen werden. Fast ¼ der befragten Unternehmen plant in den nächsten 2 Jahren eine Investition in diesem Bereich. Damit weist dieser Teilmarkt ein Wachstumspotenzial von annähernd 50% auf. Unternehmensübergreifende ERP II-Applikation werden ihren Verbreitungsrückstand gegenüber traditionellen Modulen auf absehbare Zeit nicht aufholen können. Zwar zeichnen sich diese durch ein teilweise enormes Wachstumspotenzial aus (vgl. Abbildung C-3), dieses beruht allerdings vor allen Dingen auf einem momentan sehr geringen Ausstattungsniveau. So können „Planungsfavoriten“ wie Marketing/CRM, Mobile Applikationen und E-Commerce trotz hoher Wachstumsprognosen auch in den nächsten Jahren keine flächendeckende Verbreitung erfahren. 1.3 Struktur des mittelständischen Kundensegments Neben der quantitativen Bewertung der Marktattraktivität sind auch Informationen zur vertikalen Marktzusammensetzung nach Branchen nützlich. Darüber hinaus ist im Kontext der vorliegenden Arbeit die Eigentümerstruktur von Interesse. Wie bereits erwähnt spielt sie aus Anbietersicht deshalb eine entscheidende Rolle, da Investitionsentscheidungen, insbesondere in Systemtechnologien, nicht grundsätzlich eigenverantwortlich durch das Management des Mittelbetriebs gefällt werden können. So sind gerade Tochterunternehmen gelegentlich in globale Rahmenverträge eingebunden, die ihren Spielraum bei der Auswahl von Hard- oder Software einengen. a) Branchenstruktur Tabelle A-1 zeigt die Branchenzusammensetzung mittelständischer Unternehmen in der Schweiz aus dem sekundären Sektor.173 An erster Stelle veranschaulicht die Abbildung die Bedeutung kleinerer Unternehmen. Von den aufgeführten 5185 Betriebsstätten beschäftigen 2999 weniger als 100, aber mehr als 50 Mitarbeiter. Weitere 1423 Unternehmen fallen in die Klasse 172 173 64 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an DETTLING et al. (2004), S. 15 (n=326 (ERP I) bzw. n=368 (ERP II)) Nicht berücksichtigt wurden hier staatliche oder staatsnahe Tätigkeitsbereiche: Öff. Verw.; Landesverteidigung; Unterrichtswesen; Gesundheits- und Sozialwesen; Interessenvertretungen/Vereinigungen; Unterhaltung, Kultur, Sport; Persönliche Dienstleistungen; Versorger/Entsorger; Nachrichtenübermittlung; Verkehrsnahe Dienstleistungen. Insgesamt reduziert sich die Gesamtzahl so um 349 Betriebsstätten. Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand zwischen 100 und 200 Mitarbeiter, so dass grössere Betriebsstätten zwischen 200 und 500 Mitarbeitern nicht einmal 15% der Gesamtzahl aus sich vereinen können. Die bedeutendste Branche stellt der Gross- und Einzelhandel dar, wobei über die Hälfte der rund 900 Betriebe unter 100 Mitarbeiter beschäftigt. Es folgen die Baubranche und mit etwas Abstand die Elektroindustrie. Des Weiteren spielen Dienstleistungen für Unternehmen, das metallverarbeitende Gewerbe und der Maschinenbau eine Schlüsselrolle im Markt mit Unternehmen zwischen 50 und 500 Mitarbeitern. Anzahl Mitarbeiter 200 249 250 499 Summe 19 12 6 Abfallbeseitigung/-entsorgung 544 188 34 Baugewerbe 71 52 11 Chemische Industrie / Pharma 265 123 16 Dienstleistungen für Unternehmen 227 76 14 Gastgewerbe 555 239 27 Grosshandel, Detailhandel und Reparatur 65 31 6 Herstellung Gummi- und Kunststoffwaren 224 125 34 Herstellung Büromaschinen, Datenverarbeitungsgeräte 55 27 1 Herstellung Möbel/Schmuck/Sportgeräte 39 19 4 Herstellung sonstiger nichtmetallischer Mineralien 92 57 8 Herstellung Nahrungsmittel/Getränke/Tabak 209 115 26 Herstellung Metallerzeugnisse 81 35 6 Informatikdienste 114 47 8 Landverkehr/Luftfahrt 110 71 14 Kredit- und Versicherungsgewerbe 165 114 24 Maschinenbau 53 33 5 Herstellung Textilien und Bekleidung 111 59 13 Herstellung Papier, Pappe und Waren daraus Gesamt 2999 1423 257 Tabelle C-1: Branchenzusammensetzung des mittelständischen Kundensegments174 7 45 23 35 17 83 10 61 7 9 26 35 18 10 39 43 4 34 506 44 811 157 439 334 904 112 444 90 71 183 385 140 179 234 346 95 217 5185 Branche 50 - 99 100 199 Insgesamt veranschaulicht die Tabelle aber, dass sich die Kundengruppe durch ein beträchtliches Mass an Heterogenität hinsichtlich der Branchenstruktur auszeichnet. Auf den ersten Blick umfassen zwar knapp ѿ der erfassten Betrieben den Handel und das Baugewerbe, darunter subsumieren sich jedoch wiederum so unterschiedliche Betriebe wie Türenhersteller, Maler oder Tiefbauunternehmen. b) Eigentümerstruktur Trotz der Relevanz der Information unterscheiden offizielle Gremien nicht zwischen Eigentümer- und Tochterunternehmen. Weder die Betriebszählung des Bundesministerium für Statistik noch das Europäische Beobachtungsnetzwerk für KMU differenzieren ihr Zahlenmaterial nach 174 Vgl. BFS (2001) 65 dieser Variable. Einzig für die Bundesrepublik Deutschland bietet die Studie MIND 02 des Instituts für Mittelstandsforschung einen Überblick. Demnach sind in rund Ҁ der befragten Unternehmen die Unternehmen auch gleichzeitig Eigentümer des Betriebs. Allerdings halten wiederum nur 56% dieser Manager die Mehrheit am Eigenkapital. Ähnlich verhält es sich, wenn andere Gesellschaften am Unternehmen beteiligt sind, was in rund ѿ der befragten Unternehmen der Fall ist. Bei über der Hälfte der untersuchten Unternehmen handelte es sich um Minderheitsbeteiligungen von unter 50%.175 Um nähere Informationen über die Eigentümerstruktur des schweizerischen Mittelstandes zu erhalten, muss entsprechend auf die Ergebnisse der im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Mittelstandsbefragung zurückgegriffen werden. Abbildung C-4 zeigt aufbauend auf der Besitzund Führungsstruktur im Schweizer Mittelstand die prozentuale Aufteilung der vorab entwickelten Mittelstandstypen. Es wird deutlich, dass nur rund die Hälfte aller befragten Unternehmen einen mittelständischen Betrieb im „klassischen Sinne“ darstellen, da in 46% der Fälle die Führung in den Händen angestellter Manager liegt. Dies kann zum einen darauf zurückgeführt werden, dass sich das Unternehmen nicht im mehrheitlichen Besitz eines Gründers oder einer Gründerfamilie befindet oder diese externe Manager mit der Führungsaufgabe betrauen. Besitz Externe Aktionäre (10%) Inländ. MG Ausländ. (12%) MG (15%) Mi ttelstandstyp Tochtergesellschaften (25%) Externes Management (21%) Gründer/ Gründerfamile (63%) Eigentümerunternehmen (51%) MBO (3%) Führung Eigentümer, Gründer (54%) Angestellte Manager (46%) n=533 Abbildung C-4: Besitz- und Führungsstruktur im Mittelstand (CH) 2004176 175 176 66 Vgl. IMPULSE et al. (2001), S. 23 ff. Quelle: Mittelstandsbefragung. MBO setzen sich hauptsächlich aus Mehrheitsbeteiligungen inländischer Gesellschaften zusammen, welche aber durch beteiligte Manager geführt werden. Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand 2 Charakteristika des Mittelstandes bestimmen IT 2.1 Unternehmensmerkmale und IT Die Stellung der Informationstechnologie im Unternehmen, sei es als Führungsinstrument, Managementsystem oder Werkzeug, ist immer teildeterminiert durch die spezifischen Gegebenheiten im Betrieb. Der Nutzen von IT für KMU ist so auch sehr unterschiedlich und unternehmensabhängig.177 Allen voran haben die Rolle des Eigentümerunternehmers und die Unternehmensgrösse signifikanten Einfluss auf die Adaption und Gestaltung moderner IT.178 Entsprechend haben allgemeine Merkmale mittelständischer Unternehmen einen bedeutenden Einfluss auf Einkauf, Entwicklung, Implementierung und Gebrauch informationstechnischer Produkte.179 Für ein besseres IT-Verständnis können dabei einige Besonderheiten mittelständischer Unternehmen in Bezug auf strategische IT unterschieden werden, die im Folgenden näher beschrieben werden.180 2.2 IT und organisatorische Besonderheiten des Mittelstandes An erster Stelle muss selbstverständlich vermerkt werden, dass kleine und mittlere Unternehmen weniger Mitarbeiter, weniger Umsatz und weniger Standorte als Grossunternehmen haben. Kurz gesagt unterscheiden sie sich vordringlich durch weniger Ressourcen.181 Entsprechend zeichnen sich viele KMU auch durch weniger formalisierte Strukturen und Abläufe aus. Schriftliche Organigramme sind seltener als in Grossunternehmen und flache Hierarchien bestimmen den Unternehmensaufbau.182 Gemäss einer Untersuchung in Deutschland sind Mehrliniensysteme nur sehr selten (15 %) und Stabstellen in rund jedem zweiten Unternehmen zwischen 50 und 500 Mitarbeiter anzutreffen. Es ist auch nur ein geringer Teil der Beschäftigten mit Leistungs- und Führungsaufgaben betraut.183 Der organisationale Aufbau und die Ressourcenausstattung des Unternehmens hat dabei unterschiedliche Auswirkungen auf die Ausgestaltung der Informationssysteme. Zwar vereinfachen 177 178 179 180 181 182 183 Vgl. CRAGG/KING (1993) Vgl. THONG (1995) Die Ausführungen zu den besonderen Eigenschaften der Zielgruppe Mittelstand sind im Vergleich zu Grossunternehmen zu sehen. Sie gelten im Besonderen für Kleinunternehmen, sind aber durchaus im Sinne „Aussagen mittlerer Reichweite“ auf die hier verwendete Zielgruppendefinition anwendbar und plausibel. Ähnlich BLILI/RAYMOND (1993), S. 444 ff.; für weitere, nicht unmittelbar IT-relevante, Charakteristika mittelständischerer Unternehmen sei auf die entsprechende Fachliteratur verwiesen, z. Bsp. PFOHL (1997b) Vgl. WELSH/WHITE (1981) Vgl. HAMER (1990), S. 115 f. Vgl. WITTLAGE (1996), S. 59 f. 67 unkomplizierte Organisationsformen und kurze Prozesswege die Implementierung informationstechnischer Lösungen und beeinflussen die Erfolgswahrscheinlichkeit positiv. Auch mögen die knappen IT-Budgets vielerorts bewirkt haben, dass sich KMU weniger intensiv im Bereich E-Commerce engagiert haben und so weniger unter Fehlinvestitionen litten als Grossunternehmen. Insgesamt behindern fehlende Ressourcen den IT-Erfolg aber in mehrerer Hinsicht. So verfügen viele Unternehmen nur über eine kleine IT-Abteilung und manche Mitarbeiter üben diese Aufgabe noch in Milizfunktion aus. Entsprechend sind kleinere Unternehmen verstärkt auf die Hilfe externer Gruppen angewiesen (Berater, Anbieter,...). Bei der Zusammenarbeit kann es leicht zu Koordinationsproblemen oder Abhängigkeiten kommen. Auf der anderen Seite können fehlende Budgets auch zur Folge haben, dass IT-Lösungen nicht ihren vollen Nutzen entfalten, da für wichtige Teilaspekte wie z. Bsp. Mitarbeiterschulung oder Integrationsaspekte die Mittel fehlen. Kleinere Unternehmen leiden stärker unter Umweltunsicherheiten als Grossunternehmen. So haben sie beispielsweise deutlich weniger Abwehrmechanismen, um auf externe Einflüsse wie Gesetzesänderungen zu reagieren.184 Vor allen Dingen beeinflusst aber Unsicherheit über technologische Entwicklungen innerhalb und ausserhalb ihres Wirkungsbereichs die Implementierung moderner Informationstechnologie in vielen Unternehmen. Dies zeigt auch die Befragung der IT-Unternehmen, welche die Verunsicherung der mittelständischen Kunden hinsichtlich der technologischen Entwickelt als sehr problematisch bezeichnen.185 Entsprechend nehmen viele Unternehmen eine reaktive Rolle hinsichtlich neuer IT-Lösungen ein, die oft negative Auswirkungen auf die Unabhängigkeit haben kann, wenn Zulieferer oder Kunden Druck auf die Unternehmen ausüben. 2.3 IT und Unternehmensführung im Mittelstand 2.3.1 Besonderheiten der mittelständischen Führungsstruktur Die Mehrheit mittelständischer Unternehmen ist in Unternehmerhand.186 Eigentum und Unternehmensführung fallen also zusammen und der Entrepreneur bzw. die Unternehmerfamilie 184 185 186 68 Vgl. Unternehmergespräch Salzmann Medico (2003) Vgl. Abbildung D-5 Vgl. auch Abbildung C-4 Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand nehmen die mit Abstand wichtigste Position im Unternehmen ein.187 Diese nicht zu unterschätzende Sonderstellung lässt sich gut durch die Negation illustrieren: “Ohne gerade diesen Unternehmer würde dieses Unternehmen nicht gegründet sein, nicht in dieser Form bestehen, nicht diese Entwicklung genommen haben und nicht überleben können.[...] Ohne diese Zentraleinheit wäre der Betrieb ein zusammenfallender Mantel.“188 Trotz des hohen Einflusses des Unternehmers auf die Geschicke der Firma wurde dieser Faktor in der Wirtschaftswissenschaft lange Zeit vernachlässigt.189 BAUMOL (1968) vergleicht dieses Manko süffisant mit einer literaturwissenschaftlichen Diskussion, in der „the Prince of Denmark has been expunged from the discussion of Hamlet.“190 In diesem Zusammenhang wird immer wieder darauf hingewiesen, dass im Gegensatz zu managementgeführten Unternehmen die Ziele der Unternehmung und des Unternehmers bzw. der Familie interagieren oder verschmelzen, dabei aber nicht notwendigerweise identisch sein müssen.191 Wichtig ist hier, dass in KMU nichtfinanzielle Ziele, sog. metaökonomische Ziele, eine bedeutende Rolle einnehmen. So ermittelte die STRATOS-Untersuchung, dass neben finanzieller Unabhängigkeit mittelständischen Unternehmern v.a. Freude an der Arbeit, gute Produkte, persönliche Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung am Herzen liegen.192 Es ist dementsprechend praktisch nicht so, dass KMU ausschliesslich finanzielle Gewinnziele verfolgen.193 194 Dadurch, dass der Unternehmer mit einem erheblichen Teil seines Vermögens langfristig finanziell an der Firma beteiligt ist und es an Diversifikationsmöglichkeiten mangelt, ergibt sich 187 188 189 190 191 192 193 194 Selbst in öffentlichen Unternehmen sind komplexe strategische Entscheidungen primär durch die Persönlichkeit der Verantwortlichen und nicht durch wissenschaftliche Optimierungsverfahren bestimmt. Vgl. HAMBRICK/MASON (1984), S. 194 f. und die dort angegeben Literatur HAMER (1990), S. 86 Vgl. RIPSAS (1998), S. 104 BAUMOL (1968), S. 66; ähnlich SCHUMPETER (1993) Vgl. exemplarisch KETS DE VRIES (1992); DREUX/BROWN (1994); HAMER (1988), S. 81; KOSMIDER (1993) Vgl. BAMBERGER/PLEITNER (1988) S. 61 Vgl. auch BEHRINGER (1998) S. 18 Um diesen Tatbestand zu beschreiben wird gelegentlich vermerkt, Eigentümerunternehmer verhielten sich im Gegensatz zu Grossunternehmen nicht „rational“. Vgl. Insbesondere HAMER (1987); HAMER (1988); HAMER (1990); ähnlich DREUX/BROWN (1994). Dieser Begriff soll in der vorliegenden Arbeit nicht verwendet werden, da er suggeriert, der Unternehmer würde die Konsequenzen seines Handelns nicht berücksichtigen und/oder Vor- und Nachteile nicht abwägen. Ein solche Behauptung erscheint nicht plausibel und kann nicht gehalten werden. Vielmehr ist es entsprechend der o.g. Ausführungen so, dass Unternehmer unter den gegebenen Rahmenbedingungen und Zielsystemen durchaus nutzenmaximierend und damit rational handeln. Im übrigen tritt das Phänomen divergierender persönlicher und unternehmerischer Ziele in ähnlicher Form auch in öffentlichen Unternehmen auf. 69 auch ein hohes unsystematisches Risiko.195 Das persönliche Schicksal des Unternehmers hängt zu einem grossen Teil vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens ab. Bedingt durch diese hohe Verantwortung und weniger Humanressourcen übernimmt der Entrepreneur auch entsprechend viele Aufgaben im Unternehmen. Fehlende Delegation hat zwar eine hohe Arbeitsbelastung zu Folge, aber auch einen verhältnismässig engen Kontakt zum Tagesgeschäft. Er ist noch sehr in den Betrieb eingebunden und pflegt eine persönliche und direkte Beziehung zu den Mitarbeitern.196 Sein Führungsstil bestimmt dabei in grossem Masse auch die Organisation und Prozesse im Unternehmen. Dabei tritt der Unternehmer vornehmlich kooperativ-patriarchalisch und weniger kollegialhierarchisch auf, wie in Konzernen üblich.197 DEYHLE (1989) erläutert den Führungsstil wie folgt: „Der Chef kommandiert aus dem Sattel, wenn er gerade vorbeigaloppiert.“198 Ähnlich umschreibt einer der befragten Unternehmer sein persönliches Führungsverhalten: „Das ganze Unternehmen ist auf mich zugeschnitten, die ganze Verantwortung liegt bei mir. Die Geschäftsleitung ist keine demokratische Veranstaltung, jemand muss die Entscheidung treffen. Aufgrund der Besitzverhältnisse bin ich das!“199 Die Persönlichkeit des Entrepreneurs war schon häufig Gegenstand betriebswirtschaftlicher Forschung. Sie hat einen massgeblichen Einfluss auf die Entwicklung des Unternehmens, unternehmerische Tätigkeit beeinflusst jedoch auch Persönlichkeitsmerkmale des Entrepreneurs.200 Als typische Eigenschaften eines (erfolgreichen) Unternehmers werden genannt: moderate (im Zeitablauf abnehmende) Risikobereitschaft, Erfindungsreichtum, Markt- und Marketingkenntnisse („eine gute Nase fürs Geschäft haben“), Flexibilität und Offenheit (gegenüber eigenen Fehlern und anderen Menschen), gute physische Gesundheit, Bedürfnis nach Kontrolle und Befehl, emotionale Stabilität, mittelmässige bis gute interpersonale Fähigkeiten, Selbstbewusstsein, „Drive“, überlegende konzeptionelle Fähigkeiten sowie generalistisches breites Denken, Realismus und wenig Statusdenken.201 Der typische (deutsche) Entscheider im 195 196 197 198 199 200 201 70 Vgl. zum unsystematischen Risiko SPREMANN (1996), S. 538 ff. Vgl. MAY (2000); rund 80% der Unternehmen zwischen 50 und 500 Mitarbeitern haben eine jährliche Mitarbeiterfluktuation von unter 10%. Vgl. IMPULSE et al. (2001), S. 214 Vgl. HAMER (1990), S. 92; PFOHL (1997a) Vgl. DEYHLE (1989), S. 35 Unternehmergespräch MS (2003) Vgl. LITTUNEN (2000) S. 298 u. S. 304 Vgl. WELSH/WHITE (1978); KÜNG et al. (2000); CAIRD (1988); CASSON (1982); LITTUNEN (2000); TIBBITS (1979); BIRD (1989); FRÖHLICH/PICHLER (1988) Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand Mittelstand (50 bis 500 MA) ist darüber hinaus männlich (80,4 %), hat Hochschulreife (49,4%) oder mittlere Reife (41,6%) und nur zu einem Drittel (34,9%) einen Hochschulabschluss.202 Die dominante Stellung des Eigentümerunternehmers bleibt auch nicht ohne Folgen für die informationstechnische Ausgestaltung des Unternehmens, da sie nicht nur die Entscheidungsfindung kanalisiert, sondern auch in besonderem Masse Einstellungen gegenüber und Erwartungen an neue Lösungen bestimmt.203 Der erfolgreiche Einsatz von IT in kleinen und mittelständischen Unternehmen hängt unmittelbar mit dem Einsatz des Geschäftsführers zusammen und steht damit auf einem deutlich schmaleren Fundament als in Grossunternehmen.204 2.3.2 Besonderheiten der mittelständischen Unternehmensplanung Vor diesem Hintergrund erscheinen die folgenden Ausführungen zum praktischen Planungsund Entscheidungsverhalten durchaus plausibel. Unternehmensplanung im Sinne formaler Prozesse nimmt in KMU einen geringen Stellenwert ein. Knapp die Hälfte der (deutschen) Unternehmen von 50 bis 500 haben überhaupt keine Planungsvorgaben oder Konzepte. Eine mittelfristige Planung haben nur rund 30% der Unternehmen.205 Entscheidungen sind oft durch „Bauchgefühl“ und Intuition getrieben.206 Viele Autoren sprechen in diesem Zusammenhang gerne von einer „Planungslücke“ und meinen damit, dass Planungen nicht dokumentiert oder betriebswirtschaftliche Planungsmethoden nicht angewendet würden.207 Diese Planungslücke spiegelt sich auch in einem eher reaktiven Verhalten der Akteure wider. In vielen Bereichen der Unternehmenssteuerung werden Probleme bei Bedarf angegangen. Strategische Frühaufklärung und antizipierendes Handeln sind die Ausnahme, da das Management sehr stark ins Tagesgeschäft eingebunden ist.208 Darüber hinaus baut der mittelständische Unternehmer bei Entscheidungen häufig auf sein lokales und privates Umfeld. Persönliche Kontakte können so an die Stelle formaler Methoden treten, beispielsweise im Verkauf oder der Investitionsplanung. Ohne auf normative Aspekte eingehen zu wollen muss doch angemerkt werden, dass fehlende Langfristplanung und Formalien auch einen elementaren Vorteil mittelständischer Unternehmen darstellen, da sie der Geschäftleitung entsprechende Spielräume schaffen. Flexibilität, also 202 203 204 205 206 207 208 Vgl. IMPULSE et al. (2001) S. 52 Vgl. BLILI/RAYMOND (1993) Vgl. exemplarisch THONG (1995) und die Ausführungen in Teil C 3.2.3 Vgl. IMPULSE et al. (2001), S. 26 Vgl. WEBER/SCHÄFFER (1999), S. 120; ähnlich RICE/HAMILTON (1979) Vgl. KOSMIDER (1993); MUGLER (1995), S. 120; FABER-CASTELL/STEINMANN (1983); BAMBERGER/PLEITNER (1988) Vgl. MINTZBERG (1979) 71 die Möglichkeit immer und innerhalb kürzester Zeit ohne persönliche Konsequenzen Änderungen im Unternehmen herbei zu führen, wird gemeinhin als der grösste Wettbewerbsvorteil kleiner und mittlerer Unternehmen im Verhältnis zu Grossunternehmen bezeichnet. Planungen bestehen eher im Kopf des Unternehmers209 und können entsprechend einfach verworfen werden. Dadurch, dass die Verfügungsgewalt auf eine oder wenige Personen konzentriert ist, entfallen auch langwierige Koordinationsprobleme. Wenn Langfristplanungen und Entscheidungsverhalten sich von Grossunternehmen unterscheiden, muss dies auch erhebliche Auswirkungen auf die Gestaltung, Nutzung und die Beschaffung informationstechnischer Leistungen haben. Dieser Aspekt ist Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen. 3 IT bietet dem Mittelstand vielfältige Möglichkeiten 3.1 Konzeptionelle Grundlagen der IT Aus betriebswirtschaftlicher Sicht werden allgemein immer wieder eine gesteigerte Produktivität, eine erhöhte Servicequalität oder Kundenähe als positive Effekte der Informationstechnologie angegeben.210 Auch für das Segment kleiner und mittlerer Unternehmen geht man allgemein davon aus, dass zwischen dem Gebrauch moderner Informationstechnologie und Wachstum einen Zusammenhang besteht.211 Bei näherer Betrachtung zeigt sich aber, dass es bei der Analyse der Chancen und Gefahren von IT zu differenzieren gilt. Zum einen lassen sich bei den Wirkungen des IT-Einsatzes ansatzweise unterschiedliche Nutzenkategorien unterscheiden.212 So spricht man vom substitutiven IT-Einsatz, wenn technische Lösungen Arbeitskräfte oder Arbeitsschritte komplett ersetzen (z. Bsp. automatische EmailResponse-Programme). Bei komplementären IT-Einsatz werden die Tätigkeiten hingegen nur unterstützt, die Arbeitskraft erhält lediglich ein nützliches Werkzeug, welches die Tätigkeit erleichtern soll (z. Bsp. Tabellenkalkulationsprogramme). Schliesslich kennt die Literatur noch den strategischen IT-Einsatz, der im Gegensatz zum substitutiven und komplementären ITEinsatz nicht auf Verbesserung des Status-Quo, sondern auf umfassende Veränderungen in den Geschäften, Strukturen und Prozessen der Unternehmung abzielt. Durch innovative informationstechnische Anwendungen sollen dem Unternehmen Wettbewerbsvorteile erwachsen. Im 209 210 211 212 72 Vgl. BEHRINGER (1998), S. 19 Vgl. exemplarisch PREIßL (1996) oder FULLER (1995) Vgl. exemplarisch MITEV/MARSH (1998) Vgl. NAGEL (1990), S. 24 ff. Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand Extremfall kann der strategische Einsatz von IT zu veränderten Branchenstrukturen oder neuen Märkten führen (z. Bsp. Internet-Broker). Darüber hinaus bietet sich bei der Analyse des Einflusses der Informationstechnik auf mittelständische Unternehmen eine Unterscheidung zwischen mehreren Analyseebenen an. In der Literatur haben sich dabei vier verschiedene Dimensionen durchgesetzt, die auch hier verwendet werden sollen.213 Tabelle C-2 stellt die Analyseebenen und ihre Auswirkungen vor. Anschliessend beschreibt Abschnitt c) die potenziellen Gefahren der IT in mittelständischen Unternehmen. Analyseebene Auswirkungen/Effekte der IT auf... Individuelles Entscheidungs- und Arbeitsverhalten Individuum und Gruppe Kollektive Entscheidungen und Gruppenarbeit Verteilung von Entscheidungsrechten Organisation Gestaltung der Geschäfts- und Produktionsprozesse (Schwerpunkt Effizienz) Koordination der betrieblichen Prozesse Beschaffung und Verbreitung von Marktinformationen Markt und Umwelt Automatisierung der Transaktionsbeziehungen auf Märkten (Schwerpunkt: Strategie) Wettbewerbskräfte, Marktransparenz, Wettbewerbsintensität Tabelle C-2: Auswirkungen und Effekte der Informationstechnik nach Analyseebenen214 a) Individuelle und kollektive Potenziale Informationstechnik kann das Informationsverhalten, die Informationsverarbeitung, die Art der Entscheidungsfindung, die individuelle Arbeitsleistung oder die Zufriedenheit einzelner Individuen oder Gruppen positiv beeinflussen und so Wertpotenziale auf Individual- bzw. Gruppenebene schaffen.215 So ändert sich durch technische Unterstützung insbesondere der Aufwand im Informationsprozess des Individuums, was mit einschlägigen Vorteilen verbunden sein kann. Zum einen ändert sich die Kosteneffizienz einzelner Informationen, wenn sie mit weniger Aufwand beschafft werden können. Darüber hinaus kann kostengünstig eine hohe Daten- bzw. Informationsqualität hinsichtlich Verfügbarkeit, Genauigkeit oder Aktualität gewährleistet werden. Schliesslich haben informationstechnische Optionen einen positiven Einfluss auf die individuelle Informationsverarbeitungsqualität.216 Sowohl auf Individual- als auch auf Gruppenebene kann zwischen einem dispositiven Entscheidungs- und einem operativen Ausführungsprozess unterschieden werden. 213 214 215 216 Vgl. LEIMSTOLL (2001), S. 262; ähnlich STAEHLE (1994), S. 146 ff und CIBORRA (1993), S. 34 ff. Vgl. hierfür und für die folgenden Ausführungen LEIMSTOLL (2001), S. 263 ff und die dort angegebene Literatur. Auf eine weitere Analysebene, Kooperation, soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Vgl. SWANSON (1987), S. 183 ff. Vgl. LEIMSTOLL (2001), S. 264 73 Tabelle C-3 nennt die wichtigsten Potenziale der Informationstechnik für diese beiden Teilprozesse. Auf Individualebene hilft IT durch eine verbesserte Informationsbasis oder komplementäre Unterstützungsmodelle Unsicherheit im mittelständischen Entscheidungsprozess zu reduzieren. Gerade Entscheider in kleinen oder mittleren Unternehmen mit vielen operativen Aufgaben und wenig administrativen Ressourcen können von IT profitieren, wenn es gelingt, wichtige Entscheidungen in einem komplexen Umfeld schneller effizienter oder fundierter zu fällen. So bieten beispielsweise schon einfachste ERP-Systeme eine Vielzahl von Berichtsoptionen an, die mittelständische Manager bei verschiedensten Entscheidungen entlasten bzw. objektiv informieren. Ähnliche Effekte können im Ausführungsprozess beobachtet werden. So bewirkt eine erhöhte Informationsverarbeitungskapazität und -qualität, dass ausführende Arbeiten durch anspruchsvollere dispositive Tätigkeiten substituiert werden können, was mit einer Steigerung der Arbeitszufriedenheit und Leistungsfähigkeit einhergeht. Beispiele hierfür lassen sich in mittelständischen Unternehmen reichlich finden. Exemplarisch sei an dieser Stelle nur auf Kommunikationssysteme wie Email-Anwendungen hingewiesen. Sie ermöglichen auch kleinen Unternehmen eine zeit- und ortsunabhängige günstige Kommunikation mit Lieferanten oder Kunden. Durch Ergänzungsfunktionen wie sogenannte „Votingbuttons“ oder Kalenderfunktionen können darüber hinaus langwierige Koordinationsprozesse abgekürzt oder vollständig eliminiert werden. Entscheidungsprozess Ausführungsprozess Verbesserte Informationsqualität Verbesserte Informationsquantität Unterstützung im ProblemlöIndividuelle Entscheidungssungsprozess findung und Arbeitsleistung Verbesserte Entscheidungsqualität Verbesserte Informationsqualität, v.a. in zeitlicher Hinsicht Kollektive Entscheidungen und Grössere Handlungsflexibilität Gruppenarbeit Tabelle C-3: Verbesserte Informationsqualität Vergrösserte Informationsverarbeitungskapazität Verbesserte Effektivität/Effizienz der Arbeitsleistung Motivation/Arbeitszufriedenheit Verbesserte Transparenz u. Abbau von Informationsasymmetrie Verbesserte Abstimmung Effizientere Prozesse Potenziale der Informationstechnik auf Individual- und Gruppenebene217 Kommunikationsaspekte stehen auch bei der Beurteilung der Informationstechnik im kollektiven Entscheidungsprozess im Vordergrund. Insbesondere der zeitliche Aspekt der Informationsqualität (Aktualität und Datenübertragung) schafft grössere Handlungsflexibilität bei geographischer Verteilung der Entscheidungsträger. Allerdings sind derartige IT-Lösungen, z. Bsp. Groupware-Anwendungen, für kleinere und mittlere Unternehmen von begrenztem Nutzen, da sie ihr volles Potenzial nur in dezentralen heterogenen Entscheidungs- und Organisationsstruk- 217 74 Vgl. LEIMSTOLL (2001), S. 264 ff. Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand turen entfalten. Im Gegensatz dazu bietet IT im kollektiven Ausführungsprozess eine Reihe lukrativer Verbesserungen, die wiederum in Zusammenhang mit einer verbesserten Informationsqualität, aber auch einer besseren Informationsverteilung stehen. Vor allem erlauben Standardapplikationen eine effizientere Abwicklung kollektiver Abstimmungsprozesse, die auch in mittelständischen Unternehmen zu finden sind. In Entwicklungsteams im Maschinenbau oder der Baubranche ermöglichen elektronische Gruppenkalender und Email den zeitnahen Zugriff auf und die kostengünstige Verbreitung von aktuellsten Informationen. In der mittelständischen Zulieferindustrie bieten Groupware-Lösungen entsprechend weitreichende Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit Kunden. Gerade grössere Kunden, z. Bsp. in der Automobilindustrie oder im Handel, fordern von ihren Zulieferern immer mehr Applikationen dieser Art. b) Organisatorische Potenziale Auf Organisationsebene stellt sich die Frage, welche positiven Veränderungen IT auf die Ausgestaltung der Organisation mittelständischer Unternehmen haben kann. Die Ausführungen zum kollektiven Ausführungsprozess deuten bereits darauf hin, dass Informationstechnik vielfältige Optionen zur strukturellen Umgestaltung des Mittelstandes bietet. In der Organisationslehre wird gemeinhin zwischen Ablauf- und Aufbaustrukturen unterschieden.218 Während die Aufbaustruktur vor allen Dingen die Unternehmung in organisatorische Einheiten gliedert und damit die Breite der Leistungsgliederung („Kontrollspanne“) festlegt, steht bei der Ablauforganisation die Festlegung der Arbeitsprozesse im Mittelpunkt. Obwohl die IT auch Auswirkungen auf die Aufbauorganisation haben kann,219 sind in letzter Zeit vor allem Prozessbetrachtungen im Rahmen des „Business (Process) Reengineering“ (BPR) ins Zentrum des Interesses gerückt.220 Hinter diesem Ansatz steht die Erkenntnis, dass Informationstechnik grundlegende Restriktionen der Organisation der Wirtschaft (Raum, Zeit, Ressourceneinsatz) beseitigt oder entschärft und es gilt, sämtliche Aspekte des Geschäfts von Unternehmen zu überdenken.221 Informationstechnik nimmt im Rahmen des BPR eine „enablerFunktion“ ein und rmöglicht es, unternehmensinterne und übergreifende Prozesse nicht nur zu automatisieren, sonder grundsätzlich neu und anders zu gestalten. Im Zuge einer Umstellung der gesamten Unternehmensprozesse sollen sich unter anderem folgende Vorteile im Unter- 218 219 220 221 Vgl. THOMMEN (1992b), S. 152 ff. Vgl. SWANSON (1987), S. 191 ff. und die dort zitierte Literatur Vgl. hierzu insbesondere HAMMER/CHAMPY (1993), DAVENPORT (1993); für einen Überblick vgl. HESS/BRECHT (1995) Vgl. ÖSTERLE (1994), S. 13 75 nehmen einstellen222: Kostensenkung, Produktivitätssteigerung, verbesserte Produktqualität und Marktabdeckung sowie eine vereinfachte Organisationsstruktur. Für mittelständische Unternehmen spielen BPR-Projekte insbesondere im Produktionsbereich eine Rolle, wenn flexible Fertigungssysteme (FFS) um technische oder betriebswirtschaftliche Lösungen (PPS, CAD, ...) ergänzt werden.223 c) Umweltpotenziale Umwelt- oder Marktpotenzial bezieht sich hier auf den positiven Beitrag, den Informationstechnik in Bezug auf das Management der Beziehungen zu Kunden, Lieferanten und Kooperationspartner leisten kann. In erster Linie schaffen Informationssysteme Umweltpotenziale im Rahmen der Datenbeschaffung (Screening) und -abgabe (Signaling).224 Screening meint hier die Beschaffung von Informationen über Märkte, Konkurrenten, Leistungen oder weitere externe unternehmensrelevante Rahmenbedingungen (technische, juristische oder gesellschaftliche Entwicklungen). Die Möglichkeiten, die moderne Informationssysteme im Rahmen der Informationsbeschaffung für mittelständische Unternehmen bieten, sind ebenso zahlreich wie die entsprechenden technischen Applikationen. Neben klassischen Datenbankdiensten kann vor allem die Verbreitung des Internets dazu beitragen, das Informationsdefizit kleinerer gegenüber grösserer Unternehmen zu verringern. Der Zugang zum World Wide Web (WWW) erlaubt den Zugriff auf unzählige Datenquellen zu günstigen Konditionen. Beispielsweise kann das Internet dem mittelständischen Unternehmen Anhaltspunkte bei der Suche nach Lieferanten, Vertriebspartnern, alternativen Finanzierungsquellen oder spezifischen Informationen zu Auslandsmärkten (Einfuhrbestimmungen, Zölle, Zahlungsziele, etc.) liefern. Neben der Sekundärdatenerhebung hat das Internet in letzter Zeit auch als effizientes Marktforschungsinstrument an Bedeutung gewonnen.225 Ansatzpunkte wären exemplarisch EmailBefragungen oder Feedback-Optionen auf der eigenen Homepage. Diese kurzen Ausführungen machen deutlich, dass IT im mittelständischen Informationsbeschaffungsprozess einen erheblichen Nutzen schaffen kann. Dabei spielt allerdings nicht nur die günstigere und kürzere Informationssuche eine Rolle, da auch verbesserte Datenqualität und -quantität potentiell die Entscheidungsgrundlage des Managements verbessert. 222 223 224 225 76 Vgl. exemplarisch DAVENPORT/BEERS (1995) und die dort zitierte Literatur Vgl. hierzu insbesondere DÜRSELEN (1998) Vgl. LEIMSTOLL (2001), S. 280 ff. Vgl. BUSCH/HITZ (2002) Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand Neben der Informationsbeschaffung kann auch die -verbreitung unter Zuhilfenahme moderner Informationstechnik für das mittelständische Unternehmen mit erheblichen Vorteilen verbunden sein. In erster Linie ist hier wieder das Internet als Präsentationsmedium zu nennen. Eine eigene Homepage kann dabei im Rahmen des Signaling eine Vielzahl von Funktionen übernehmen. Zum einen bietet sie die Möglichkeit Produkte, Dienstleistungen und besondere Fähigkeiten einer praktisch unbegrenzten Zahl von Interessierten zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus existieren mittlerweile sehr kostengünstige E-Commerce-Lösungen, so dass ohne grossen Ressourceneinsatz Unternehmen aller Art ihre Leistungen über das Internet vertreiben und damit neue geographische Käuferschichten erreichen können. Schliesslich sei noch erwähnt, dass ein intelligenter Internetauftritt zu weiteren positiven Effekten wie einer effizienteren Mitarbeiterrekrutierung oder besserem Kundenservice führen kann. d) Risiken der Informationstechnik für das mittelständische Unternehmen Neben den oben beschriebenen Potenzialen der Informationstechnik soll an dieser Stelle auf die Risiken eingegangen werden. So haben die Erfahrungen der letzten Jahre gezeigt, dass Informatikprojekte in kleinen und mittleren Betrieben durchaus mit ernsthaften Problemen verbunden waren und in Einzelfällen als gescheitert bezeichnet werden müssen. Dies kann für den Betrieb weitreichende Konsequenzen haben, bedenkt man, dass mittelständische Unternehmen im Durchschnitt beispielsweise 1,5 Mio. DEM für eine SAP R/3 Einführung aufwenden müssen.226 Nicht zufriedenstellende Ergebnisse bei der IT-Nutzung können dabei auf einige Hauptprobleme zurückgeführt werden. Zum einen besteht grundsätzlich die Gefahr, dass die vorhandenen IT-Lösungen nicht in ausreichendem Masse gebraucht werden und ihren Nutzen entsprechend nicht oder nur ungenügend entfalten können. Dieser Aspekt kann vielfältige Ursachen haben und hängt immer von der zur Disposition stehenden Anwendung ab. Mögliche Gründe sind in erster Linie zeitliche Überbelastung oder mangelndes IT-Wissen der mittelständischen Führungskräfte. In Kombination mit nur schwer nachzuvollziehenden IT-Produkten kann dies dazu führen, dass die Systeme nicht genutzt oder ihre Potenziale nicht voll ausgeschöpft werden. Weiterhin bewirkt der sogenannte „Information Overload“, dass in kleinen oder mittleren Unternehmen Anwender Daten der Informationssysteme nicht mehr effizient interpretieren können und entsprechend das Interesse an IT verlieren. 226 Vgl. DIEHL (1999), S. 136 und die dort angegebene Literatur 77 Ein weiteres Risiko im IT-Management mittelständischer Unternehmen besteht darin, dass die Kosten für den Erwerb, die Einführung oder den Betrieb informationstechnischer Produkte in keinem Verhältnis zum Nutzen der Lösungen steht. So kann es vorkommen, dass KMU die positiven Effekte der Informatik überschätzen und entsprechend überinvestieren („Overspending“). Es werden Lösungen angeschafft, deren Funktionalität und Anforderungen den Bedarf und die Ressourcen der betroffenen Unternehmen bei weitem übersteigen. Als Beispiel können hier integrierte Softwarelösungen angeführt werden, die einzelne Systeme, Funktionsbereiche oder Tätigkeitsfelder des KMU zusammenführen. Integrierte Lösungen bieten zwar unter gewissen Umständen eine Reihe von Vorteilen, verursachen durch ihre hohe Komplexität (und Fehleranfälligkeit) aber auch enorme Kosten bei der Anschaffung, Implementierung und Wartung. Gerade in Unternehmen mit überschaubaren organisatorischen Einheiten und klaren hierarchischen Strukturen sind die Gesamtkosten für integrierte Systeme häufig nicht zu rechtfertigen.227 Gebrauch von IT Zeit Wissen Betriebskosten „Overspending“ Nutzen aus IT Ko mplexität Fehleranfällig keit Kosten der IT „In fo-Overload“ Abbildung C-5: Ko mmunikation Risiken der Informationstechnik in mittelständischen Unternehmen228 Schliesslich wird noch darauf hingewiesen, dass ein verstärkter Einsatz informationstechnischer Systeme negative Auswirkungen auf die Kommunikation innerhalb der Unternehmung haben kann, wenn persönliche Kontakte weitgehend anonymisiert werden.229 Gerade in dieser „persönliche Note“ sehen viele Unternehmer eine Stärke mittelständischer Unternehmen, die sie nur ungern aufgeben möchten. Mögliche Gefahrenzonen sind beispielsweise das Controlling und Berichtswesen, aber auch die Mitarbeiterführung und -entwicklung. 227 228 229 78 Vgl. Unternehmergespräch Bellersheim (2002) Quelle: Eigene Darstellung Vgl. OVERLACK (1987), S. 321 f. Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand 3.2 Empirische Befunde zur IT in mittelständischen Unternehmen 3.2.1 Hinweise zur empirischen Forschung im Untersuchungskontext Die genauen Wirkungen moderner Informationstechnologie in oder auf KMU sind noch nicht bekannt.230 Offensichtlich bestimmt eine Vielzahl interner und externer Rahmenbedingungen die Wirkung von IT auf mittelständische Unternehmen.231 Insgesamt ist der Einfluss im Einzelfall also sehr unterschiedlich und man kann davon ausgehen, dass dieser „situativ“ zu sehen ist. 232 Wettbewerbsvorteile aus IT in KMU entstammen demnach dem spezifischen Management und dem Gebrauch von IT, nicht ihrer blossen Existenz.233 Eine lückenlose Berücksichtigung aller situativen Faktoren ist aber nach heutigem Stand allerdings weder möglich noch erstrebenswert.234 So zeigen die vorliegenden empirischen Untersuchungen zu Potenzialen der IT-Nutzung im Mittelstand kein einheitliches Bild.235 Dies liegt auch daran, dass sie sich auf unterschiedliche Aspekte des Informationsmanagements beziehen236 und auf unterschiedlichen empirischen Grundgesamtheiten basieren. Hinzu kommt, dass auch die IT-Praktiken stark nach Grösse, Branche, Land variieren.237 Schliesslich wird auch in wissenschaftlichen Publikationen dem Faktor Zeit im Hinblick auf quantitative Studien kaum Beachtung geschenkt. Es ist allgemein üblich, Forschungsergebnisse aus den späten 80er oder frühen 90er Jahren unreflektiert in die Argumentation einzubauen. Ob dieses Vorgehen gerechtfertigt ist kann an dieser Stelle nicht abschliessend beantwortet werden. Einige Punkte sprechen aber dafür, dass die Dynamik auf Kunden- und Produktseite nicht ohne Auswirkungen auf das Nutzenpotenzial und den Gebrauch von IT bleibt. So zeigt z. Bsp. LEIMSTOLL (2001), dass sich der Reifegrad des Informationsmanagement in mittelständischen Unternehmen deutlich verbessert hat.238 Auch WINKELMANN (1998) kann diese Tendenz bestätigen. Vor diesem Hintergrund ist auch die empirische Untersuchung der vorliegenden Arbeit zu sehen. 230 231 232 233 234 235 236 237 238 Vgl. CRAGG (2002); LYBAERT (1998); ähnlich LEVY et al. (2002):“The process by which small firms (SMEs) invest in and gain benefit from information systems (IS) is little understood.“ Vgl. DUHAN et al. (2001) S. 37 und die dort angegebene Literatur Vgl. CRAGG/KING (1993) Vgl. DUHAN et al. (2001) Vgl. NICOLAI/KIESER (2002) Grosszahlige quantitative Untersuchungen zum Gefahrenpotenzial von IT fehlen bis zum jetzigen Zeitpunkt gänzlich. Vgl. für Flexibilität und IT LEVY/POWELL (1998); für IT und Organsation RAYMOND et al. (1995); RAYMOND et al. (1998) Vgl. CRAGG (2002) und die dort angegebene Literatur Vgl. LEIMSTOLL (2001), S. 506 79 3.2.2 Potenziale der IT im Mittelstand Der strategische Nutzen von IT in KMU ist bisher nur verhältnismässig wenig wissenschaftlich untersucht239 und nicht zweifelsfrei empirisch nachgewiesen worden.240 Einzig DANS (2001) kann die Hypothese bestätigen, dass zwischen IT Investitionen (in Unternehmen unter 200 Beschäftigten) und Umsatz ein positiver Zusammenhang besteht. Andere Studien deuten an, dass mit einer intensiven Nutzung informationstechnischer Möglichkeiten durchaus eine Reihe von Vorteilen verbunden ist, die über rein operative Potenziale hinweg gehen.241 So besteht beispielsweise ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Nutzung strategischer Informationen (und damit strategischer IT) und dem Erfolg des KMU.242 „Der Befund grosszahliger Untersuchungen weisst aber eher darauf hin, dass in der Gesamtheit der Unternehmen immer noch die Rationalisierungspotenziale im Vordergrund der IVEinführung stehen.“243 Damit widerlegen diese Arbeiten nicht das grundsätzliche Nutzenpotenzial der Informationstechnik, sie betonen lediglich ihren „operativen“ Fokus. So legen einige Arbeiten unabhängig vom strategischen Nutzen der Informationstechnik als Mittel zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen nahe, dass IT für mittelständische Unternehmen durchaus mit positiven Auswirkungen behaftet sein kann. RAYMOND et al. (1995) stellen hier einen positiven Zusammenhang zwischen der Nutzung moderner Informationstechnik und der Leistungsfähigkeit mittlerer Unternehmen fest. In einer jüngeren Studie der Unternehmensberatung CapGemini kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass die bestehenden ERP-Systeme zwar in keinem direkten Zusammenhang zum Betriebsergebnis stehen, sich aber sehr wohl positive Effekte auf die Transparenz und Qualität der Daten der befragten Unternehmen feststellen lassen.244 AGARWAL (1998) geht in seinen Analysen noch weiter und belegt, dass Investitionen in Informationssysteme die Überlebenswahrscheinlichkeit mittelständischer Unternehmen erhöhen können. Die Ergebnisse von LEIMSTOLL (2001) zeigen, dass gewisse IT-Applikationen das ihnen zugeschriebene Potenzial durchaus auch in mittelständischen (deutschen und französischen) Unternehmen entfalten können. So haben beispielsweise wissensbasierte Systeme einen 239 240 241 242 243 244 80 Vgl. HUSSIN et al. (2002); anders LEIMSTOLL (2001), S. 389 Vgl. FULLER (1995); dieses Phänomen wir auch als „Produktivitätsparadoxum der Informationstechnologie“ bezeichnet. Vgl. TEUBNER et al. (o. J.) Vgl. hierzu insbesondere BERGERON/RAYMOND (1992) und SCHOLL et al. (1993), S. 187 ff. Vgl. LYBAERT (1998) LEIMSTOLL (2001), S. 391 Vgl. RAMSAUER et al. (2002) Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand positiven Einfluss auf die Entscheidungsqualität und Flexibilität, Groupware-Systeme auf die Produktivität des Unternehmens.245 3.2.3 Erfolgsfaktoren der IT-Nutzung im Mittelstand Wenn der Nutzen aus moderner IT situativ und die Generierung von Wettbewerbsvorteilen möglich ist, aber nicht garantiert, stellt sich zwangsläufig die Frage, welche Erfolgsfaktoren ihn positiv beeinflussen.246 Empirische Studien und die entsprechende betriebswirtschaftliche Literatur weisen in dieser Hinsicht vor allem auf die zentrale Bedeutung einer ausreichenden Ressourcenausstattung in Form von Managementzeit und IT-Wissen hin.247 a) Beteiligung der Geschäftsführung DELONE (1988) wies dabei nach, dass der Geschäftsführung beim Einfluss der Informationssysteme eine Schlüsselrolle zukommt.248 IT-Erfolg249 war dabei massgeblich positiv beeinflusst durch den Grad der Beteiligung des CEOs am Prozess der Computerisierung des Unternehmens. Es Entfaltungsmöglichkeiten werden der mehrer Argumente Informationstechnik und angeführt, das warum die „Commitment“ der Unternehmensführung korrelieren. Zum einen können alle Mitarbeiter so für das Projekt gewonnen werden und es reduziert sich das Risiko, dass gewisse Beteiligte der IT nicht die notwendige Aufmerksamkeit schenken. Darüber hinaus identifiziert LEIMSTOLL (2001) noch eine starken Zusammenhang zwischen der Verankerung des Informationsmanagements in der Unternehmensführung und dem Erfolg der IT-Einführung.250 Eine solche Verzahnung von ITund Unternehmensstrategie kann in mittelständischen Unternehmen offensichtlich nur bei einem adäquaten Engagement des Managements gewährleistet werden. An dieser Stelle muss auch darauf hingewiesen werden, dass der Geschäftsleitung die tragende Rolle bei der Ressourcenverteilung im Unternehmen zukommt. Damit IT implementiert werden kann sind vorab häufig hohe Ausgaben für Hardware, Lizenzen und ähnliches notwendig. Ohne die Bereitschaft der Eigentümer oder des Managements diese Mittel in ausreichender Form bereit zu stellen kann sich kein IT-Erfolg einstellen. Gerade diese Bereitschaft fehlt aber 245 246 247 248 249 Vgl. LEIMSTOLL (2001), S. 496 ff. (Kritische) Erfolgsfaktoren meinen diejenigen Bereiche oder Aktivitäten im Unternehmen, „in which results, if they are satisfactory, will ensure successfull performance.“ JENSTER (1987), S. 102 Die allgemeine über den Einzelfall hinaus gehende Bedeutung weiterer potenzieller Erfolgsfaktoren (Planung, Unternehmensgrösse, Mitarbeiterbeteiligung,...) konnte empirisch nicht bestätigt werden. Vgl. LEIMSTOLL (2001), S. 501 ff. Vgl. dazu auch THONG (1995), YAP et al. (1992), DUHAN et al. (2001) Als Indikatoren des IT-Erfolgs dienten dabei die Nutzungsintensität der Applikationen durch das Management sowie der Einfluss, den die Applikation auf den Geschäftserfolg der Unternehmen in den Augen des Managements haben. Vgl. DELONE (1988) 81 in vielen mittelständischen Betrieben häufig, da die notwendigen liquiden Mittel nicht vorhanden sind. Diverse empirische Studien bestätigen denn auch, dass zu hohe Kosten ein Haupthindernis für die IT-Einführung bzw. den IT-Erfolg sind.251 Schliesslich kann nur die Unternehmensleitung sicherstellen, dass der Investition auch nach dem Kauf die nötigen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. So erfordert ein erfolgreiches IT-Projekt in erster Linie auch ein beträchtliches Mass an Managementzeit, die in mittleren Unternehmen allerdings häufig ein knappes Gut darstellt.252. Die Mehrheit der KMUGeschäftsführer hat kaum Zeit für Aktivitäten ausserhalb des Tagesgeschäfts.253 b) IT-Wissen Die Untersuchung von THONG et al. (1996) kommt zu der Erkenntnis, dass in kleinen Unternehmen neben der Beteiligung der Unternehmensleitung externe Expertise den grössten Einfluss auf den Erfolg der IT hat.254 Es wird argumentiert, dass aufgrund der begrenzten Ressourcen mittelständischer Unternehmen diese auf die Hilfe aussenstehender Dritter in Form von Beratern oder Verkäufer angewiesen sind. Allerdings wird die Bedeutung Externer für den ITErfolg durchaus auch kritisch gesehen. LEES/LEES (1987) weisen darauf hin, dass kleine Unternehmen die Wichtigkeit von Beratern überschätzen und die des CEOs unterschätzen. Externe Hilfe durch Berater oder ähnliche Institutionen haben zwar ebenfalls einen positiven Einfluss, sind aber nicht in der Lage die tragende Rolle der Unternehmensleitung zu substituieren. In einer jüngeren Studie identifiziert CRAGG (2002) sogar, dass bei der IT-Implementierung erfolgreichere Mittelständler interne Expertise gegenüber externen Beratern bevorzugen und sie ihre Projekte auch lieber selbst managen. HUSSIN et al. (2002) schliesslich können keinen Zusammenhang zwischen externer IT-Expertise und dem „IT-Alignment“ feststellen.255 Diese Ergebnisse deuten an, dass vielmehr das gesamte verfügbare Know-how der Organisation für den Erfolg des Informationsmanagement verantwortlich ist. Es setzt sich zusammen aus dem intern vorhandenen Wissen sowie der Bereitschaft, externes Wissen hinzuzuziehen. Die jüngste, umfassendste und einzige Untersuchung im deutschen Sprachraum zu den Erfolgsfaktoren des IT-Managements in mittelständischen Unternehmen von LEIMSTOLL (2001) kann 250 251 252 253 254 255 82 Vgl. LEIMSTOLL (2001), S. 501 ff. Vgl. TECHCONSULT (2003); RAMSAUER et al. (2002); LEIMSTOLL/SCHUBERT (2002) Vgl. FULLER (1995) und die dort angegebene Literatur; vgl. ebenso Abschnitt C 2.3 Vgl. HAGMANN/MCCAHON (1993) Vgl. dazu auch THONG (1995) IT-Alignment bezeichnet den Grad der Übereinstimmung zwischen IT-Landschaft und Unternehmenszielen. Vgl. HUSSIN et al. (2002) Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand diesen Einfluss des IT-Wissens bestätigen.256 Auch die Marktforscher von TECHCONSULT (2003) kommen in Bezug auf E-Business-Lösungen zu einem ähnlichen Ergebnis und identifizieren fehlendes Know-how als grösste Barriere bei der IT-Implementierung in Unternehmen zwischen 50 und 500 Mitarbeitern. 3.3 Informationsmanagement und IT-Planung als unternehmerische Aufgabe Die vorherigen Abschnitte gingen der Frage nach, welchen Nutzen bzw. welche Gefahren mittelständische Unternehmen von IT erwarten können. Dieser Abschnitt untersucht nun das tatsächliche Nutzungs- und Planungsverhalten oder Informationsmanagement des Mittelstandes hinsichtlich seiner Informationssysteme. Da die konkrete Ausgestaltung des Informationsmanagements aber auch vom Stellenwert der IT im Mittelstand abhängig ist, wie ältere Arbeiten, insb. von NICKEL/SEADO (1986), nahe legen, soll dieser vorab noch näher beschrieben werden. Schliesslich gilt es aus Anbieterperspektive noch die konkreten Defizite und Herausforderungen zu identifizieren, denen KMU im Bereich Informationstechnologie gegenüber stehen. Strategische Rahmenpl anung Werte, Ziele, Politik Strategische Analyse Analyse der Architektur, Optionen, Potenziale,... Strategieformulierung Strategie, Ko mpetenzen, So llArchitektur Strat. Programpl anung Projektportfolio, Budgets, Massnahmen Strategische Kontrolle Abbildung C-6: Prozess des strategischen Informationsmanagements257 Informationsmanagement als unternehmerische Aufgabe umfasst ganz allgemein die Planung, Zielsetzung, Organisation und Kontrolle der vorhandenen und zukünftigen Informationssysteme und -Architekturen der Unternehmung. Im Rahmen dieser Funktion gilt es vereinfacht, die letztendlich betriebswirtschaftlichen Potenziale der Informationstechnik zu analysieren und unternehmensintern die Voraussetzungen für ihre Nutzung zu schaffen. Der Prozess des strategischen Informationsmanagements ist mittlerweile über die oben genannten Grundfunktionen ständig detailliert und um weitere Aufgaben und Teilschritte erweitert bzw. präzisiert worden. Er orientiert sich dabei an den einzelnen Phasen des allgemeinen strategischen Planungsprozesses, der eine Rahmenplanung, Analyse, Formulierung und Programmplanung vorsieht, wie Abbildung C-6 veranschaulicht. Sie macht allerdings bereits 256 257 Vgl. LEIMSTOLL (2001), S. 501 ff. Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an LEIMSTOLL (2001), S. 308 sowie LEDERER/SETHI (1998) 83 deutlich, dass traditionelle Modelle der Informationssystem- bzw. Technologieplanung aufgrund ihrer Komplexität und Ressourcenintensität für mittlere und insb. kleinere Unternehmen nur sehr begrenzt anwendbar sind. Diese Erkenntnis führte zur Entwicklung neuer Planungstypen, die auf die besondere Situation dieser Unternehmen Rücksicht nehmen und gewisse Aspekte des Informationsmanagementprozesses ausblenden.258 Trotzdem ist eine förmliche strategische Planung der Informationstechnik in KMU weiterhin die Ausnahme. Analog der strategischen Unternehmensplanung in Eigentümerunternehmen vollzieht sich die IT-Planung häufig nur in den Köpfen der Verantwortlichen.259 Die Bereitschaft, formalisierte Planungsmethoden einzusetzen, nimmt zwar mit zunehmender Unternehmensgrösse zu, ist aber selbst in der Grössenklasse der Unternehmen zwischen 200 und 499 Beschäftigten eher moderat asugeprägt.260Um diesem Faktum Rechnung zu tragen soll im Folgenden nur auf die Bestandteile des Informationsmanagements eingegangen werden, die in mittelständischen Unternehmen mehrheitlich praktiziert werden und für die Anbieter informationstechnischer Leistungen relevant sind. In Anlehnung an den oben beschriebenen allgemeinen Managementprozess sind dies die IT-Zielsetzung, -Organisation und Kontrolle. Vorab soll allerdings noch wie erwähnt der allgemeine Stellenwert der Informationstechnik im Mittelstand beschrieben werden. 3.4 Stellenwert der IT im Mittelstand Vor allem anbieterseitig wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass der Stellenwert moderner Informatik in kleinen und mittleren Unternehmen noch verhältnismässig gering ist.261 Vielfach wird den mittelständischen Managern, insbesondere Eigentümerunternehmern, nachgesagt, sie seien nur technikaffin bzgl. der eigenen Produkte, also im Kerngeschäft, nicht bzgl. unterstützender Prozesse. Diese Einstellung teilt auch die betriebswirtschaftliche Literatur in grossem Masse.262 Abbildung C-7 zeigt, wie Manager in Schweizer mittelständischen Unternehmen ausgewählte Aussagen zur Informationstechnologie beurteilen. Entgegen der weit verbreiteten Meinung sehen die befragten Verantwortlichen IT nicht negativ. Die überwältigende Mehrheit von 97% der Befragten hat grundsätzlich eine positive Einstellung gegenüber IT. Deutlich weniger Un- 258 259 260 261 262 84 Vgl. BERGERON/RAYMOND (1992); BLILI/RAYMOND (1993); LEVY/POWELL (2000) „...the strategic future of many small businesses is unpredictable and therefor largely unplannable. The Owners know this and have a considerable aversion to planning.“ FULLER (1995), S. 28; ähnlich BALLANTINE et al. (1998), S. 243: “The SMEs studied do not have a clearly defined IS/IT or business strategy, However, while no explicit strategy exists, an implicit one often does.” Vgl. LEIMSTOLL (2001), S. 469; LARSEN et al. (2001) kommen diesbezüglich zu leicht anderen Ergebnissen. Für die Gruppe stark wachsender mittlerer Unternehmen (5 und 250 Mio. £ Umsatz, mindestens 15% jährliches Umsatzwachstum) konnten sie in über der Hälfte der Unternehmen formalisierte Planungsmethoden identifizieren. Vgl. dazu auch Abbildung D-5 Vgl. exemplarisch FRITZ (2002); HAGMANN/MCCAHON (1993) Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand ternehmen (47%) stimmen aber der Aussage zu, dass sich Investitionen in IT grundsätzlich lohnen, wohingegen 40% diesbezüglich eine neutrale Haltung einnehmen. Nur rund 5% der Befragten lehnen diese Aussage ab. Dieser Widerspruch zwischen der positiven Gesamtbeurteilung von IT einerseits und der neutralen Einschätzung der Rentabilität von ITInvestitionen andererseits legt den Schluss nahe, dass ihr Stellenwert differenziert betrachtet werden sollte und weitere Variablen aus Abbildung C-7 betrachtet werden müssen. Um die Datenvielfalt der verbleibenden 10 Variablen zu reduzieren und den Stellenwert der IT in mittelständischen Unternehmen besser beschreiben zu können bietet sich die Faktorenanalyse an. Sie konzentriert sich auf die Korrelationsstruktur von Variablen und unterstellt, dass diese auf eine kleine Anzahl nicht direkt beobachtbarer Variablen („Faktoren“) zurück zu führen ist. Entsprechend gruppiert die Faktorenanalyse Variablen, die stark miteinander korrelieren und legt dabei die Annahme zu Grunde, dass jede Gruppe ein dahinter stehendes Konstrukt („Faktor“ bzw. „Komponente“) repräsentiert.263 Benennungsvorschlag (Faktor) IT-Affinität (1) IT-Risiko (2) Variable -0,031 0,543 IT ist heutzutage ein Muss für Unternehmen Durch IT kann unser Unternehmen einen Wettbe0,383 0,591 werbsvorteil erlangen 0,025 0,543 Ich persönlich habe ein hohes Wissen bzgl. IT 0,060 0,748 Durch IT kann unser Unternehmen Kosten sparen Durch IT kann unser Unternehmen mehr Umsatz ma0,535 0,570 chen 0,074 0,672 Bei IT sind wir auch bereit ein Risiko einzugehen 0,065 0,570 IT-Ausgaben sind mehr Investitionen als Kosten In unserem Umfeld gibt es Personen mit hohem Wis0,180 -0,228 sen bzgl. IT (Berater, Bekannte, ...) Die IT-Abteilung benötigt ein jährliches fixes Budget -0,237 0,394 für Investitionen In unserem Unternehmen gibt es Mitarbeiter mit ho0,197 0,149 hem Wissen bzgl. IT Tabelle C-4: Stellenwert von IT im Mittelstand: Rotierte Komponentenmatrix IT-Ressourcen (3) 0,345 0,126 0,0387 0,0353 -0,022 0,100 -0,001 0,749 0,647 0,538 Die 10 Aussagen lassen sich auf diese Weise zu 3 Faktoren oder Hauptkomponenten verdichten. Tabelle C-4 zeigt die rotierte Komponentenmatrix als Ergebnis der Faktorenanalyse und nennt 3 Vorschläge zur Bezeichnung der Faktoren.264 Mit Faktorladungen durchgängig über 0,5 ist die Extraktion als zufriedenstellend zu bewerten. Einzig die Frage, ob Unternehmen durch IT mehr Umsatz machen können, ist problematisch, da sie auf 2 Faktoren läd. 263 264 Vgl. STIER (1996), S. 283 Hauptkomponentenverfahren mit Varimax-Rotation mit Eigenwert >1 85 trifft gar nicht zu trifft voll und ganz zu Mittelwert 1 2 3 4 5 1% Insgesamt bin ich gegenüber IT positiv eingestellt (n=533; s=0,57) 4,59 3% 97% 5% 3,59 Die meisten Investitionen in IT rentieren sich (n=533; s=0,77) 40% 54% 1% IT ist heutzutage ein „Muss“ für Unternehmen (n=532; s=0,56) 4,71 2% 98% 3,35 Durch IT kann unser Unternehmen mehr Umsatz machen (n=532; s=1,13) 23% Durch IT kann unser Unternehmen Kosten sparen 7% (n=532; s=0,90) 46% 3,92 21% 72% 3,77 Durch IT kann unser Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil erlangen (n=530; s=1,01) 12% 21% 67% 3,33 IT-Ausgaben sind mehr Investitionen als Kosten (n=529; s=1,01) 21% Die IT-Abteilung benötigt ein jährliches fixes Budget für Investitionen (n=532; s=1,22) 21% 32% 48% 3,60 19% 60% 2,80 Bei IT sind wir auch bereit ein Risiko einzugehen (n=533; s=1,06) 41% 34% 21% 40% 38% 4,16 8% 12% 80% 3% In unserem Umfeld gibt es Personen mit hohem Wissen bzgl. IT (Berater, ...) (n=531; s=0,82) Anteil trifft eher nicht zu (1+2) Abbildung C-7: 265 86 4,33 87% 10% 0% neutral (3) Aussagen zur IT im Schweizer Mittelstand265 Quelle: Mittelstandsbefragung 26% 3,26 Ich persönlich habe ein hohes Wissen bzgl. IT (n=531; s=0,96) In unserem Unternehmen gibt es Mitarbeiter mit hohem Wissen bzgl. IT (n=533; s=0,97) 31% 20% 40% 60% trifft eher zu (4+5) 80% 100% Mittelwert Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand Der erste Faktor soll hier mit „IT-Affinität“ bezeichnet werden. Er beschreibt, in wieweit die Befragten moderner Informationstechnologie ein Nutzenpotenzial zubilligen. Faktor 2 beschreibt die Bereitschaft IT-Ausgaben als risikobehaftete Investitionen zu sehen und damit das „IT-Risiko“. Der dritte Faktor wird mit „IT-Ressourcen“ benannt, da er Aufschluss darüber gibt, inwieweit Mittel und Wissen bzgl. IT im Unternehmen zur Verfügung stehen bzw. stehen sollten. Diese drei identifizierten Faktoren spiegeln auch die Ergebnisse von THONG (1995) wider, der untersuchte, welche managementbezogenen (internen) und organisatorischen (externen) Variablen die IT-Diffusion in Unternehmen unter 100 Mitarbeitern beeinflussen. Intern konnte er dabei die Faktoren „Attitude“, „Innovativeness“ und „Knowledge“ theoretisch herleiten und den Einfluss auf das Investitionsverhalten empirisch nachweisen.266 Im Folgenden sollen diese drei Aspekte des Stellenwerts moderner IT in mittelständischen Unternehmen näher beschrieben und mit früheren Ergebnissen verglichen werden. a) IT-Affinität Wissenschaftliche Studien haben sich bisher kaum direkt mit der „IT-Affinität“ mittelständischer Entscheider auseinandergesetzt. Einzig die Frage, in welcher Art und Weise Informationstechnologie im Unternehmen eingesetzt wird, wurde mehrfach untersucht. Wie bereits erwähnt ging man lange davon aus, dass ihr Nutzen tendenziell skeptisch eingeschätzt wurde und sich das persönliche Interesse und Wissen der Entscheidungsträger in Grenzen hielt. Einer älteren Studie zu Folge messen ѿ der kleinen und mittelständischen Unternehmen der IT weder strategische Bedeutung noch wirtschaftlichen Nutzen bei.267 Jüngere Arbeiten und auch die vorliegende Untersuchung zeigen diesbezüglich ein differenzierteres Bild und bestätigen damit auch die kurze Halbwertzeit empirischer Methoden in der IT-Forschung. So vermerkt CRAGG (2002), dass die Lücke zwischen IT-Anbietern und KMU hinsichtlich IT-Wissen und -Interesse in den letzten Jahren deutlich abgenommen hat. Dass die Bedeutung der Informatik in KMU zugenommen hat belegt auch die Arbeit von LEIMSTOLL/SCHUBERT (2002). So bezeichnet eine Mehrzahl der befragten mittelständischen Unternehmen die Bedeutung der Informations- und Kommunikationstechnik auf die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit als hoch, wenngleich andere Aspekte wie Qualität der Produkte o.ä. als 266 267 Vgl. THONG (1995); die Ähnlichkeit zu den hier exploratorisch extrahierten Komponenten Affinität, Risiko und Ressource wird dabei noch deutlicher, vergleicht man die hinter den Konstrukten stehenden Variablen. Vgl. MARTIN (1989) 87 noch wichtiger eingestuft werden.268 LYBAERT (1998) kann sogar die Faktoren isolieren, welche die Nutzung strategischer Informationen und damit eine gewisse IT-Affinität begünstigen. Ihr zufolge korreliert diese u.a. positiv mit dem strategischen Bewusstein und der Delegationsbereitschaft des Eigentümers oder Managers und negativ mit der Beteiligung der Eigentümerfamilie an der Unternehmensführung. trifft gar nicht zu 1 trifft voll und ganz zu Mittelwert 2 3 4 5 4,74 4,80 4,70 4,69 4,67 IT ist heutzutage ein „Muss“ für Unternehmen 3,91 4,00 3,76 3,69 3,64 Durch IT kann unser Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil erlangen Ich persönlich habe ein hohes Wissen bzgl. IT 3,34 3,32 3,26 3,22 3,22 3,70 3,63 Durch IT kann unser Unternehmen mehr Umsatz machen 3,23 3,18 3,17 3,99 4,17 Durch IT kann unser Unternehmen Kosten sparen Dienstleistungen (n=125) Handel (n=54) Investitionsgüter (n=137) Zulieferprodukte (n=133) Abbildung C-8: 3,84 3,82 3,89 Konsumgüter (n=80) IT-Affinität nach Branchenzugehörigkeit269 Bei näherer Betrachtung der dahinterstehenden Variablen wird deutlich, dass die Bedeutung der Informationstechnik klar erkannt wird und die undifferenzierte These einer negativen Einstellung gegenüber IT im Mittelstand nicht mehr gehalten werden kann. Rund Ҁ der Manager stimmen entsprechend der These zu, dass IT einen Wettbewerbsvorteil schaffen kann; nur 12% 268 269 88 Ähnlich LEIMSTOLL (2001), S. 444 Quelle: Mittelstandsbefragung Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand lehnen diese Behauptung ab. Dabei richten die Befragten ihr Hauptaugemerk auf positive Kostenwirkungen der IT (72%), wohingegen ihr eine Umsatzwirkung nur von 48% zugebilligt wird. Interessant ist auch die Erkenntnis, dass ein Zusammenhang zwischen dem persönlichen Wissen bzgl. IT und der Einschätzung ihrer Bedeutung besteht, wie die Komponentenmatrix suggeriert. Offensichtlich neigen Manager mit nach eigener Einschätzung hohem IT-Wissen dazu, auch den Nutzen der IT höher einzuschätzen.270 Die Zahl derer, die ihr eigenes IT-Wissen als gering oder eher gering bezeichnet, ist dabei mit nur 21% verglichen mit anderen Untersuchungen erstaunlich gering, bedenkt man dass fast 90% der Befragten Mitglieder der Geschäftsleitung ihrer Unternehmung waren.271 Diese Ergebnisse lassen sich dahingehend interpretieren, dass sich in mittelständischen Unternehmen langsam ein „Generationenwechsel“ vollzieht, der die Entwicklung und Nutzung informationstechnischer Potenziale begünstigt. An die Stelle älterer Manager treten immer häufiger jüngere Führungskräfte, die im Computerzeitalter aufgewachsen sind und im Rahmen ihrer Ausbildung die Möglichkeiten der Informationstechnik kennen gelernt haben. Ebenfalls ist es denkbar, dass das verstärkte öffentliche Interesse der letzten Jahre im Rahmen der ECommerce-Diskussion auch in KMU das Bewusstsein für die strategische Bedeutung erhöht hat. Differenziert man die Daten der Unternehmensbefragung weiter nach Unternehmenstypus treten sehr interessante Ergebnisse zu Tage. Aufgrund der Ausführungen in Abschnitt 1 dieses Kapitels war zu vermuten, dass der Stellenwert von IT stark vom Mittelstandstypus abhängig ist. Insbesondere zwischen Eigentümerunternehmen einerseits und managergeführten Unternehmen andererseits sollten diesbezüglich Unterschiede vorzufinden sein. Diese Hypothese kann durch die vorliegende Untersuchung nicht bestätigt werden. Einzig bei der Variable 1 „IT ist heute ein ‚Muss’ für Unternehmen“ zeigen sich statistisch signifikante Unterschiede zwischen „Eigentümerunternehmen“ und „Unternehmen mit externem Management“, allerdings nicht gegenüber reinen Tochtergesellschaften.272 Traditionelle mittelständische Unternehmen sind somit nicht weniger IT-affin als Gesellschaften in Besitz einer anderen Unternehmung. 270 271 272 Ähnlich THONG (1995) „In all the cases the CEO was not particularly knowledgeable about information systems and their potential as a strategic response.“ LEVY/POWELL (1998), S. 192 Vgl dazu auch Abbildung G-17 89 Im Gegensatz zum Mittelstandstypus spielt die Branchenzugehörigkeit beim Stellenwert der Informationstechnik eine wichtige Rolle, wie Abbildung C-8 veranschaulicht. Diese Erkenntnis stützt auch frühere Ergebnisse von WINKELMANN (1998). Auf den ersten Blick wird hier deutlich, dass die Dienstleistungsbranche und der Handel fast durchgängig höhere Mittelwerte aufweisen als die Konsumgüter-, Investitionsgüter- und Zulieferbranche und man diese beiden Wirtschaftszweige als insgesamt IT-affiner bezeichnen kann. Dies manifestiert sich vor allem in der Variable „Durch IT kann unser Unternehmen mehr Umsatz machen“, mit signifikanten Unterschieden zwischen den beiden Gruppen. Der Handel weist darüber hinaus auch noch signifikant höhere Werte hinsichtlich des Kostensenkungspotenzials auf. Insbesondere die Zulieferindustrie scheint weiterhin eher skeptisch zu sein, was den Nutzen der IT betrifft. Sie weist beispielsweise bei Variable 2 („Durch IT kann unser Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil erlangen“) signifikant tiefere Zustimmungswerte auf als die Dienstleistungsbranche oder der Handel und kann damit als die am wenigsten IT-affine Branche bezeichnet werden.273 b) IT-Risiko Losgelöst von der IT-Affinität ist die Risikobereitschaft der KMU-Verantwortlichen zu sehen. Sie kreist um die Frage, ob es sich bei Ausgaben im IT-Bereich primär um Kosten oder Investitionen handelt und inwieweit man entsprechend bereit ist im IT-Bereich ein Risiko einzugehen und neue Lösungen zu versuchen. In der wissenschaftlichen Literatur sind hinsichtlich dieses Faktors kaum Vorarbeiten zu finden. THONG (1995) verweist lediglich auf die oben erwähnte „Innovativeness“274 als Determinante des Computergebrauchs in KMU, ohne ihren Grad in KMU im Allgemeinen zu untersuchen. Erkenntnisse zum allgemeinen Risikoverhalten mittelständischer Unternehmen lassen allerdings den Schluss zu, dass sie sich durch eine moderate bis geringe Risikoposition kennzeichnen.275 Diese Einschätzung wird im Übrigen auch von der IT-Anbieterseite geteilt, wie die Expertengespräche im Rahmen dieser Arbeit gezeigt haben. Die vorliegende Untersuchung stützt diese Vermutungen. Nur 6% der Befragten können ihr zufolge als hoch risikobereit im IT-Bereich eingeschätzt werden, wohingegen sich die Mehrheit durch eine moderate Risikobereitschaft auszeichnet. Eine vergleichsweise hohe Zahl von Un- 273 274 90 Vgl dazu auch Abbildung G-19 Innovation bezieht sich dabei auf Lösungen, die bislang nur wenig erprobt und deshalb riskant sind. Vgl. KIRTON (1984) und die Operationalisierung in THONG (1995) Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand ternehmen (33%) weist aber nur eine geringe Risikobereitschaft auf. So lehnt fast die Hälfte der Unternehmen die These ab, im IT-Bereich auch ein Risiko eingehen zu wollen. Diese Ergebnisse zeigen, dass IT-Affinität sich nicht automatisch mit IT-Risikobereitschaft gleichsetzen lässt. Vielmehr scheint es so zu sein, dass KMU-Verantwortliche zwar der IT ein Nutzenpotenzial zubilligen, jedoch nicht bereit sind diesbezüglich eine Vorreiterrolle einzunehmen. Einige der interviewten Unternehmer sprachen davon, sie wollten nicht das „Versuchskaninchen“ für neue innovative IT-Applikationen sein. Diese risikoaverse Einstellung kann zum einem dadurch begründet werden, dass insb. Eigentümerunternehmer wie bereits erwähnt aufgrund fehlender Diversifizierungsmöglichkeiten viel stärker von der Ertragsstärke ihres Unternehmens abhängig sind als angestellte Manager. Darüber hinaus kann dies aber auch auf die besondere Risikoposition informationstechnischer Produkte zurückgeführt werden.276 So ist es beispielsweise in vielen Unternehmen im mittelständischen Segment aufgrund fehlender Grösse schlicht nicht möglich neue Applikationen in Teilbereichen zu testen und dann „auszurollen“. Neue Leistungen können kaum probiert werden und entsprechend gravierend sind die Folgen für die Organisation im Falle eines Projektverzugs oder -scheiterns. Hinsichtlich des IT-Risikos konnten im Übrigen keine signifikanten Unterschiede zwischen Mittelstandstypen einerseits und unterschiedlichen Branchen andererseits festgestellt werden. Branchenzugehörigkeit und Eigentumsverhältnisse haben demnach keinen empirisch nachweisbaren Einfluss auf das IT-Risiko mittelständischer Unternehmen. c) IT-Ressourcen Auf die besondere Bedeutung ausreichender Ressourcen für den IT-Erfolg und die IT-Adaption wurde bereits an anderer Stelle hingewiesen. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Faktorenanalyse umfassen die IT-Ressourcen zum einen in Anlehnung an Abschnitt 3.2.3 b) das gesamte verfügbare IT-Wissen der Organisation, zum anderen die zur Verfügung stehenden Mittel für das Informationsmanagement, namentlich IT-Budgets. Fehlendes IT-Wissen des Mittelstandes stellt für 51% der in dieser Arbeit befragten Manager ein grosses Problem bei der Vermarktung ihrer Produkte dar.277 Vielfach wird auch in der Literatur davon ausgegangen, dass insbesondere in kleineren Unternehmen kaum interne Expertise bezüglich moderner Informationstechnik im Allgemeinen und ihrer Planung im Besonderen 275 276 277 Vgl. dazu Teil C 2.3 Vgl. dazu Teil B 2.4b), sowie LOEBECKE et al. (1997) und die dort angegebene Literatur Vgl. Abbildung D-5 91 vorhanden ist.278 Wie bereits erwähnt gilt es aber auch hier die Ergebnisse ältere Arbeiten kritisch zu hinterfragen, da der Wissensabstand zwischen KMU und Grossunternehmen in den letzten Jahren kleiner geworden ist. So wird der laufende IT-Betrieb in KMU beispielsweise mehr und mehr unkritisch gesehen, was auf erhebliche Lernprozesse und Know-how-Aufbau in den Unternehmen zurückgeführt werden kann.279 Nichts desto trotz geht man aber weiterhin davon aus, dass internes IT-Know-how positiv mit der Unternehmensgrösse korreliert280 und mittlere Unternehmen somit über ein moderates ITWissen verfügen. Dies bestätigt auch die Untersuchung von LEIMSTOLL (2001), der knapp 2/3 der mittelständischen Unternehmen mittleres IT-Wissen bescheinigt.281 Die Ergebnisse der Umfrage im Rahmen dieser Arbeit können diese Erkenntnisse bekräftigen. Fast 9 von 10 Unternehmen bestätigen, dass es zumindest im Unternehmensumfeld Personen mit einem hohen IT-Wissen gibt. Knapp 80% bestätigen dies sogar für das eigene Unternehmen. Somit wird auch deutlich, dass nicht nur zunehmend Wissen intern aufgebaut wird (10. Variable), sondern darüber hinaus auch auf externe Informationsquellen zurückgegriffen wird (8. Variable). Dieser (interne) Know-how-Aufbau kann hier auf zwei Entwicklungen zurückgeführt werden. So ist zu vermuten, dass die zunehmende Computerisierung des Mittelstandes es nötig und lohnenswert machte, eigenes Personal für die Zwecke einzustellen. Dieser Trend wurde begünstig durch die Tatsache, dass sich das Angebot gut ausgebildeter IT-Fachkräfte in den letzten Jahren stark erhöht hat und entsprechend der Zugriff nicht nur Grosskonzernen vorbehalten blieb. Die Unterstellung, mittlere Unternehmen verfügen nur über geringes IT-Knowhow, kann somit angesichts der vorliegenden empirischen Ergebnisse nicht gehalten werden. Gleichwohl zeigt sich ein differenzierteres Bild der IT-Ressourcen im Mittelstand hinsichtlich der Mittelausstattung der zuständigen Stellen. Nur 60% der Unternehmen stimmen der Aussage zu, dass die IT-Abteilung ein jährliches fixes Budget für Investitionen benötigt; über ein Fünftel der Unternehmen lehnt dies sogar kategorisch ab. Offensichtlich scheint es eine nicht geringe Anzahl von Unternehmen zu geben, die zwar in der Vergangenheit durchaus bereit waren kostenintensives Humankapital im Bereich IT aufzubauen, aber eine darüber hinaus gehende Mittelausstattung für Investitionen o.ä. eher kritisch sehen. Die Aufgaben des IT-Personals be- 278 279 280 281 92 Vgl. exemplarisch ZINATELLI et al. (1996) oder MITEV/MARSH (1998), S. 234: „There is a perceived lack of expertise in the planning process as well as in the technology itself.“ Vgl. IMPULSE et al. (2001), S. 127 Für IKT im Allgemeinen vgl. SECO (2002), S.57; für E-Procurement vgl. BME (2002), S.4 Vgl. LEIMSTOLL (2001), S. 468 Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand stehen demzufolge eher in Wartung und Betrieb der bestehenden Systeme, während über Neuinvestitionen im Einzelfall entschieden wird. Die zur Verfügung stehenden Ressourcen für IT sind dabei weitestgehend unabhängig von der Branche und dem Mittelstandstypus. Signifikante Unterschiede konnten nur hinsichtlich „In unserem Unternehmen gibt es Mitarbeiter mit hohem Wissen bzgl. IT“ festgestellt werden. Es zeigt sich hier, dass Tochtergesellschaften grosser Unternehmen über deutlich mehr internes Know-how verfügen als Eigentümerunternehmen und die Konsumgüterbranche sich hier signifikant schlechter einschätzt als die Investitionsgüterindustrie und der Handel. d) Einstellung gegenüber den IT-Anbietern Abbildung C-9 zeigt, wie Schweizer KMU die Zusammenarbeit mit führenden IT-Anbietern einschätzen. Nicht überraschend ist, dass nur ѿ der befragten mittelständischen Verantwortlichen gegenüber den grossen IT-Unternehmen grundsätzlich positiv eingestellt sind, während die Mehrheit eine neutrale Haltung einnimmt (42%). Immerhin 23% lehnen die Aussage ab, gegenüber der ITIndustrie positiv eingestellt zu sein. Dabei ist allerdings zu bemerken, dass der direkte Kontakt zwischen Anbieter und KMU aufgrund der hohen Bedeutung dezentraler Lösungspartner mehrheitlich eher gering ist. Trotzdem zeigen diese Daten deutliches Verbesserungspotenzial für die grossen Anbieter bezüglich ihrer Wahrnehmung im Mittelstand. Zwar bestätigt nur jedes fünfte Unternehmen, dass die IT-Branche Kleinkunden nicht ernst nimmt, aber schon fast die Hälfte der teilnehmenden Mittelständler ist der Meinung, dass KMU und IT-Anbieter nicht dieselbe Sprache sprechen. Sogar 58% können bestätigen, dass die Leistungen und Preise nicht auf KMU ausgelegt sind. Nur 14% lehnen diese These ab. Interessanterweise konnten bei der Auswertung von Abbildung C-9 nur wenige Unterschiede zwischen einzelnen Subgruppen ausgemacht werden. Zwar zeigen sich Tochtergesellschaften insgesamt signifikant positiver gegenüber den Anbietern eingestellt als Eigentümerunternehmen, diese Tendenz lässt sich für weitere Variablen aber nicht beobachten. Unter einer Branchenbetrachtung zeigt sich ein weiteres Mal die besondere Stellung des Dienstleistungssektors. Er steht dem erhöhten Interesse der IT-Anbieter signifikant offener gegenüber als Zulieferer, Investitionsgüter- und Konsumgüterhersteller. Dienstleistungsunternehmen sind auch am ehesten positiv gegenüber IT-Anbietern eingestellt, allerdings liegt hier kein statistisch signifikanter 93 Unterschied vor. trifft gar nicht zu trifft voll und ganz zu Mittelwert 1 2 3 4 5 3,12 Insgesamt bin ich gegenüber den grossen IT-Unternehmen positiv eingestellt (n=531; s=0,95) 23% Unser direkter Kontakt zu den grossen Anbietern ist eher gering (n=532; s=1,15) 21% In letzter Zeit spüren wir ein erhöhtes Interesse der IT-Branche (n=532; s=1,00) 21% Dem erhöhten Interesse der IT-Branche stehen wir skeptisch gegenüber (n=528; s=0,98) 24% 42% 35% 3,55 23% 56% 3,25 39% 40% 3,06 47% 30% 2,65 Wir fühlen uns von der IT-Branche nicht ernst genommen (n=526; s=1,08) 45% 34% 21% 3,26 Die grossen IT-Unternehmen „sprechen nicht unsere Sprache“ (n=531; s=1,11) 26% 30% 44% 3,62 Leistungen und Preise sind auf Grossunternehmen ausgelegt (n=529; s=1,02) 14% 28% 58% 3,03 Die IT-Unternehmen lassen uns spüren, dass wir kein Grosskunde sind (n=527; s=1,10) Anteil trifft eher nicht zu (1+2) Abbildung C-9: 3.5 31% 0% neutral (3) 20% 36% 40% 33% 60% trifft eher zu (4+5) 80% 100% Mittelwert Aussagen zur Zusammenarbeit zwischen KMU und IT-Unternehmen282 Ziele der IT im Mittelstand Die Festlegung der Ziele der Informationstechnik nimmt im Rahmen des strategischen Informationsmanagement eine wegweisende Funktion ein, wie auch Abbildung C-6 zeigt. Sie bilden formal gesehen den Ausgangspunkt aller Entscheidungen im Informationsmanagement und bestimmen somit letztendlich die komplette technische und menschliche Ausgestaltung und Ausstattung des Unternehmens in Bezug auf IT. Von einer derartigen Beziehung kann im Üb- 282 94 Quelle: Mittelstandsbefragung Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand rigen auch dann ausgegangen werden, wenn keine exakte Abbildung des Zielbildungsprozesses im Unternehmen besteht, was insbesondere in KMU häufig der Fall sein sollte. Trotz dieser offensichtlichen Bedeutung hat man sich bisher nur wenig mit der Zielsetzung im Bereich IT in mittelständischen Unternehmen auseinander gesetzt und es lassen sich hierzu kaum direkte Ergebnisse in der Literatur finden. Allerdings kann man aus anderen Fragestellungen in diesem Zusammenhang auf die Zielsetzung der Unternehmen schliessen. Wie schon in Teil C 3.2 näher erläutert wurde sind in der Literatur eine Handvoll Publikationen zu finden, die den Nutzen der Informationstechnik in kleinen oder mittleren Unternehmen zu bestimmen versuchen. Primäres Forschungsziel dieser Arbeiten war es, eine Gruppe von KMU zu identifizieren, die IT „strategisch“ und nicht ausschliesslich „operativ“ nutzen. Der Begriff „strategisch“ bezieht sich hier auf die Fähigkeit moderner IT Wettbewerbsvorteile für das mittelständische Unternehmen im Sinne einer „strategischen Waffe“ zu generieren.283 „Operative IT“ meint hingegen vereinfacht, dass es ausschliesslich darum geht, bestehende Strukturen und Prozesse rationalisiert abzubilden. Unter Verwendung dieser Unterscheidung scheint es dann auch möglich die Absichten mittelständischer Entscheider im Rahmen ihres Informationsmanagements besser zu identifizieren. Strategische Ziele sind somit eher qualitativ orientierte Ziele, wie Flexibilitätssteigerung, Innovation oder Produktdifferenzierung, wohingegen operative Ziele vornehmlich Rationalisierungsziele wie Kostensenkung betreffen.284 Dabei geht die überwiegende Mehrzahl von Autoren davon aus, dass KMU mit dem Gebrauch von IT keine strategischen Ziele verfolgen.285 So wird beispielsweise argumentiert, dass die Mehrheit der Eigentümerunternehmen so in ihr Tagesgeschäft involviert sind, dass eine Auseinandersetzung mit den strategischen Potenzialen der Informationstechnik nicht praktikabel ist und man sich stattdessen auf die Verbesserung operativer Prozesse und administrativer Aufgaben konzentriert.286 In diesem Zusammenhang wird häufig davon gesprochen, dass Effizienz, nicht Effektivität im Mittelpunkt des Informationsmanagements mittelständischer Unternehmen stehen.287 Eine weitere mögliche Erklärung für diesen Umstand wird darin gesehen, dass mittelständische Unternehmen typischerweise über ein begrenztes Produktportfolio und eine 283 284 285 286 287 Der Begriff „strategische Waffe“ und die Unterscheidung geht dabei zurück auf PORTER/MILLAR (1985) Vgl. LEIMSTOLL (2001), S. 448 „The outcomes of the ISS in this study suggest the vision for IS is firmly directed at improving the operation with limited appreciation of the value of strategic information. [...] Most owners do not think of using IS as a competitive weapon.“ LEVY/POWELL (2000), S. 75/79 Vgl. HAGMANN/MCCAHON (1993); BLILI/RAYMOND (1993) Vgl. BALLANTINE et al. (1998); „There was very scant evidence of strategic thinking in any of the SMEs. Survival is the key issue for all the companies. This is operationalized by focusing on developing efficient production processes rather than thinking about alternative strategies.” LEVY/POWELL (1998), S. 192 95 überschaubare Kundenzahl verfügen und damit nach eigenem Empfinden nur begrenzten Bedarf nach strategischen IT-Lösungen haben.288 Mittlerweile häufen sich allerdings die Anzeichen, dass mittelständische Unternehmen im Bereich IT nicht ausschliesslich operative Ziele verfolgen, wobei erste Zweifel an dieser weit verbreiteten Meinung bereits bei NAYLOR/WILLIAMS (1994) zu finden sind. So identifizierten LEVY/POWELL (1998) bereits eine Minderheit von KMU die IT strategisch nutzen. Auch LEIMSTOLL (2001) kommt zur Erkenntnis, dass qualitative bzw. strategische Ziele in deutschen und französischen mittelständischen Unternehmen durchaus eine Rolle spielen. Zwar dominieren auch in seiner Stichprobe Rationalisierungsziele, die grösste Bedeutung hat allerdings die Erhöhung der Flexibilität und eine verbesserte Kommunikation.289 Diese Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass eine dichotome Einteilung in strategische versus operative IT-Ziele der Komplexität der Unternehmen nicht gerecht wird. Offensichtlich stehen den Unternehmen eine Reihe nicht konkurrierender Ziele zur Verfügung, die sie verfolgen können und auch verfolgen. Ob sich dabei eine grobe Einteilung in diese beiden Zielkategorien anbietet oder nicht, ist dabei bisher nicht wissenschaftlicher untersucht worden. Abbildung C-10 zeigt die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung betreffend der Ziele die Schweizer Mittelständler mit IT verfolgen. Sie spiegeln grösstenteils die Ergebnisse von LEIMSTOLL (2001) wider und bekräftigen die These, dass mittelständische Unternehmen durchaus andere Ziele als Rationalisierung und Kostensenkung verfolgen. Trotzdem zeigt sich aber auch hier, dass tendenziell operative Ziele höher gewichtet werden als strategische. Zum Zwecke einer Datenreduktion wurden die zwölf IT-Ziele ein weiteres Mal mit Hilfe der o.g. Faktoranalyse auf vier Hauptkomponenten verdichtet, dargestellt in Tabelle C-5. 288 289 96 Vgl. LEVY/POWELL (1998) Vgl. LEIMSTOLL (2001), S. 449 f.; ähnlich WINKELMANN (1998), S. 147 Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand Zielbedeutung gering Ziel von IT ist es ... ...den Mitarbeitern die Arbeit zu erleichtern (n=527; s=0,70) 1 2 hoch 3 4 5 4,46 91% 7% 2% ...Unternehmensdaten zu sichern und verfügbar zu machen (n=527; s=0,72) 4,44 90% 8% 1% 4,29 ...bestehende Prozesse zu automatisieren (n=527; s=0,83) 85% 12% 3% 4,09 ...die Produktion, Entwicklung, Logistik zu verbessern (n=527; s=0,94) 81% 12% 7% ...die Kommunikation mit Dritten zu verbessern (n=525; s=0,82) 4,05 78% 18% 4% 3,98 ...die interne Kommunikation zu verbessern (n=525; s=0,92) 8% 17% 75% ...dem Management die Entscheidungsfindung zu erleichtern (n=527; s=0,94) 9% 18% 74% 3,96 3,85 ...die Unternehmensplanung zu erleichtern (n=526; s=0,97) 10% ...Prozesse ganz neu und produktiver zu gestalten (n=526; s=1,02) 12% 70% 21% 3,69 60% 27% 3,65 ...den Kunden neue Lösungen/Leistungen bieten zu können (n=527; s=1,19) 19% 61% 20% 3,60 ...flexibler auf Veränderungen reagieren zu können (n=526; s=1,04) 15% 60% 25% 3,17 ...das Marktverständnis (Kunden & Konkurrenz) zu verbessern (n=523; s=1,13) Anteil eher gering (1+2) Abbildung C-10: 290 29% 0% neutral (3) 20% 39% 32% 40% eher hoch (4+5) 60% 80% 100% Mittelwert Ziel der Informationstechnik im Mittelstand (CH)290 Quelle: Mittelstandsbefragung 97 Benennungsvorschlag (Faktor) Marktorien- Prozessorien- Kommuni- Arbeitsorientierte Ziele tierte Ziele kationsorien- tierte Ziele tierte Ziele Variable: Ziel von IT es... ...flexibler auf Veränderungen reagieren zu können 0,051 0,651 ...das Marktverständnis (Kunden&Konkurrenz) zu verbessern 0,136 0,779 ...den Kunden neue Lösungen/Leistungen bieten zu können 0,191 0,662 ...die Produktion, Entwicklung, Logistik zu verbessern 0,218 0,665 ...bestehende Prozesse zu automatisieren -0,046 0,795 ...Prozesse ganz neu und produktiver zu gestalten 0,345 0,710 ...die interne Kommunikation zu verbessern 0,098 0,120 ...die Kommunikation mit Dritten zu verbessern 0,139 0,045 ...den Mitarbeitern die Arbeit zu erleichtern -0,023 0,036 ...dem Management die Entscheidungsfindung zu erleichtern 0,337 0,133 ...Unternehmensdaten zu sichern und verfügbar zu machen -0,075 0,170 Tabelle C-5: Ziele von IT im Mittelstand: Rotierte Komponentenmatrix291 0,231 0,276 0,182 0,140 -0,066 -0,117 0,098 0,123 0,050 0,807 0,830 0,078 0,209 0,193 -0,103 0,110 0,035 0,780 -0,028 0,658 0,397 0,490 a) Marktorientierte Ziele Der erste Faktor entspricht näherungsweise dem oben beschriebenen strategischen ITVerständnis und soll deshalb hier mit „Marktorientierte Ziele“ benannt werden, da er sich auf externe Aspekte des Informationsmanagements und der Unternehmenspolitik bezieht. Er beinhaltet die ersten drei Variablen in Tabelle C-5 und umfasst damit Flexibilität, Marktverständnis und Leistungsinnovation. Diese drei potenziellen Ziele sind zwar vergleichsweise unwichtig, trotzdem bezeichnen über die Hälfte, respektive 39% der befragten Unternehmen, sie als wichtige Ziele der Informationstechnik. Strategische nach aussen gerichtete Zielsetzungen spielen demnach in knapp der Hälfte der befragten Unternehmen eine Rolle. Die Bedeutung marktorientierter Ziele hängt dabei nicht vom Mittelstandstypus ab, sondern vielmehr von der Branche des spezifischen Unternehmens, wie Abbildung C-11 zeigt. Ein weiteres Mal unterscheiden sich Dienstleister und der Handel von anderen Industriezweigen, da sie wesentlich stärker neue Lösungen und Leistungen mit IT bezwecken. Für Zulieferer, Konsum- und Industriegüterhersteller kommt der IT diesbezüglich weniger Bedeutung zu. 291 98 Hauptkomponentenverfahren mit Varimax-Rotation mit Eigenwert >1 Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand Zielbedeutung gering Ziel von IT ist es ... 1 2 ...flexibler auf Veränderungen reagieren zu können ...das Marktverständnis (Kunden & Konkurrenz) zu verbessern ...den Kunden neue Lösungen/Leistungen bieten zu können Dienstleistungen (n=125) Handel (n=54) Investitionsgüter (n=137) Zulieferprodukte (n=133) Abbildung C-11: 3 hoch 4 5 3,52 3,67 3,64 3,50 3,77 3,27 3,21 3,04 3,09 3,23 3,93 3,94 3,50 3,50 3,55 Konsumgüter (n=80) Marktorientierte Ziele nach Branchenzugehörigkeit292 b) Prozessorientierte Ziele Der zweite Faktor soll hier „Prozessorientierte Ziele“ heissen. Er beinhaltet die 4. bis 6. Variable, die sich auf die Abläufe und Prozesse im Unternehmen und Unternehmensumfeld beziehen. Die Bedeutung dieser Einzelziele ist dabei aber leicht unterschiedlich. Während knapp 80% die Automatisierung bzw. Verbesserung bestehender Prozesse sowie der Produktion, Entwicklung und Logistik als wichtige Ziele des Informationsmanagements bezeichnen, sind sie hinsichtlich der Neugestaltung von Unternehmensprozessen etwas vorsichtiger. Vergleichsweise geringe 60% bestätigen diese Zielsetzung für Unternehmen. Diese Ergebnisse sind im Vergleich zu bestehenden Forschungserkenntnissen in zweierlei Hinsicht interessant. Erstens bestätigen sie die weit verbreitete Meinung, dass mittelständische Unternehmen lieber den Status-Quo ihrer Prozesse optimieren als radikale neue Abläufe in ihrem Unternehmen einzuführen, die zu potenziellen wirklichen Wettbewerbsvorteilen führen können.293 Allerdings muss die bereits mehrfach beschriebene Zweiteilung in operatives und strategisches IT-Verständnis im Lichte dieser Untersuchung ein weiteres Mal stark angezweifelt werden. Frühere Arbeiten sahen die beiden Variablen 5 und 6 jeweils als Gegenpole bei der 292 293 Quelle: Mittelstandsbefragung Vgl. dazu auch die Ausführungen in Teil C 3.1b) 99 Frage nach einer strategischen IT-Nutzung. Unternehmen mit strategischer IT waren bereit ihr Geschäft grundlegend zu verändern, z. Bsp. im Rahmen von BPR-Projekten, während ihre Counterparts (Unternehmen mit operativer IT) nur Bestehendes zu optimieren versuchten. Die Ergebnisse der Faktorenanalyse zeigen hingegen, dass diese beiden Aspekte des Informationsmanagements in den Augen der befragten Manager keine Gegensätze sind, sondern vielmehr zwei Seiten derselben Medaille darstellen. Dabei geht es primär um die Frage, ob mit IT grundsätzlich eine Optimierung der unternehmensinternen und -externen Abläufe angestrebt wird oder nicht. Unternehmen, die bestehende Prozesse optimieren möchten, streben parallel auch eine radikale Neugestaltung ihrer Abläufe an und umgekehrt. Wie diese Optimierung erreicht werden kann steht dabei an zweiter Stelle. Zielbedeutung gering Ziel von IT ist es ... 1 2 3 hoch 4 5 3,80 ...die Produktion, Entwicklung, Logistik zu verbessern 4,17 4,13 4,04 4,36 4,17 4,43 4,36 4,23 4,33 ...bestehende Prozesse zu automatisieren ...Prozesse ganz neu und produktiver zu gestalten Dienstleistungen (n=125) Handel (n=54) Investitionsgüter (n=137) Zulieferprodukte (n=133) Abbildung C-12: 3,69 3,74 3,74 3,51 3,83 Konsumgüter (n=80) Prozessorientierte Ziele nach Branchenzugehörigkeit294 Differenziert man diese Antworten stellt sich ein weiteres Mal heraus, dass der Mittelstandstypus für die Ausgestaltung prozessorientierter Ziele im Gegensatz zur Branchenzugehörigkeit keine Rolle spielt. Wie Abbildung C-12 darlegt sind prozessorientierte Ziele im Dienstleistungssektor zu vernachlässigen bzw. unbedeutender als in der produzierenden Industrie und im Handel. Für Zulieferer nimmt die Prozessbetrachtung hingegen erwartungsgemäss eine Schlüsselposition ein. Die Verbesserung von Produktion, Entwicklung und Logistik ist von signifikant höherer Wichtigkeit als in allen anderen Sektoren ausser dem Handel. Die Bereitschaft 294 Quelle: Mittelstandsbefragung 100 Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand Prozesse ganz neu und produktiver zu gestalten ist ebenfalls in der Zulieferindustrie am höchsten. Dies widerspricht ein weiteres Mal der Vermutung, diese Variable wäre ein Indikator für den strategischen Einsatz von IT, da Teil C 3.4a) bzw. Abbildung C-8 zeigt, dass die Zulieferbranche moderne Informationstechnologie am wenigsten als potenziellen Wettbewerbsvorteil sieht. c) Kommunikationsorientierte Ziele Als dritter Faktor können die 7. und 8. Variable zusammengefasst werden. Sie beziehen sich auf Kommunikationsaspekte und werden von rund ¾ der Unternehmen als wichtige IT-Ziele eingestuft. Nur ein geringer Anteil bezeichnet „kommunikationsorientierte Ziele“ als unbedeutend. Die Faktorenanalyse kann im Übrigen die These von LEIMSTOLL (2001) nicht bekräftigen, Kommunikations- und Flexibilitätsziele ständen in einem engen Zusammenhang.295 Erwartungsgemäss treten bei den zwei hier zusammengefassten Variablen zur internen und externen Kommunikation weder Branchen- noch Typenspezifika auf. Die Verbesserung der Kommunikation kann somit als Universalziel der Informationstechnik bezeichnet werden, unabhängig von situativen Merkmalen der Unternehmung. d) Arbeitsorientierte Ziele Den hier zu einem Faktor verdichteten Variablen 9 bis 12 ist gemein, dass sie sich auf Aspekte des täglichen Arbeitens beziehen und werden deshalb mit „Arbeitsorientierte Ziele“ bezeichnet. Vereinfacht gesagt hat IT ganz allgemein das Ziel, allen Mitarbeitern im Unternehmen die tägliche Arbeit zu erleichtern. Dieses Ziel manifestiert sich auch in der Aufgabe von IT Daten zu sichern und verfügbar zu machen. Über 90% der Unternehmen bestätigen diese beiden Zielsetzungen. Damit wird die wichtige Rolle der Informatik im „daily business“ der Mitarbeiter honoriert und als wichtigstes Ziel erkannt. Etwas verhaltener wird allerdings die Hilfestellung der Informationstechnik für das Management gesehen. Vergleichsweise geringe 74% bezeichnen es ein wichtiges Ziel, dem Management die Entscheidungsfindung zu erleichtern, immerhin 70% bestätigen dies für die Unternehmensplanung. Ein weiteres Mal kann also davon gesprochen werden, dass im Mittelstand zwar der operative Nutzen der IT dominiert, die strategische Bedeutung jedoch durchaus erkannt wird. Nur für 295 Vgl. LEIMSTOLL (2001), S. 449 101 einen von zehn Befragten haben die Ziele 11 und 12 nur geringe Bedeutung. Die überwiegende Mehrheit bezweckt also auch, dass IT in strategischen Fragen wie der Unternehmensplanung dem Management Hilfestellung leistet. Der allgemeine Charakter dieses Zielbereiches wird auch dadurch bestätigt, dass Branchen- und Typenspezifika wiederum zu vernachlässigen sind. 3.6 Organisation und Kontrolle der IT im Mittelstand Anschliessend sollen noch kurz Fragen der Implementierung der Informationstechnik im Mittelstand beleuchtet werden. Hierbei handelt es sich um die organisatorische Ausgestaltung sowie das Controlling der Informationstechnik. a) Organisatorische Ausgestaltung und Ressourcen der Informationstechnik Empirische Ergebnisse zur organisatorischen Ausgestaltung der Informationstechnik oder des Informationsmanagements sind nicht nur äusserst selten, sondern auch anfällig gegenüber Veränderungen im Zeitablauf. So hat sich analog zur Ausstattung des Mittelstandes mit Computern auch die Häufigkeit von EDV-Abteilungen in den letzten Jahren erhöht.296 Gemäss einer Studie von WITTLAGE (1996) waren in knapp ¾ aller (deutschen) mittelständischen Unternehmen zwischen 50 und 500 Mitarbeiter eine eigene IT-Abteilung vorhanden. Es kann angenommen werden, dass sich dieser Wert in den letzten Jahren noch erhöht haben sollte. In mittleren Unternehmen ist somit im Gegensatz zu Kleinbetrieben eine IT-Abteilung wohl die Regel.297 Entsprechend sind in mittelständischen Unternehmen mittlerweile mehrheitlich fixe Budgets vorzufinden.298 Die bereits mehrfach erwähnte Arbeit von LEIMSTOLL (2001) findet diesbezüglich, dass die Kosten für die Datenverarbeitung in deutschen KMU im Schnitt rund 2,5% der Gesamtkosten betragen, relativ unabhängig von der Unternehmensgrösse. Dabei entfallen 26% auf Hardware- und Software- sowie 12% auf Dienstleistungskosten. Die restlichen rund 35% belaufen sich auf Personalkosten, wobei durchschnittlich zwischen 1,5% und 2% der Beschäftigen in diesem Bereich tätig ist. Die vorliegende Untersuchung kann diese Ergebnisse bestätigen.299 So beschäftigt die Mehrzahl der Schweizer Unternehmen im Mittelstand weniger als 2 Vollzeitbeschäftigte in ihrer IT- 296 297 298 299 Vgl. dazu exemplarisch WITTLAGE (1996), S. 102 Vgl. PALVIA et al. (1994); dabei kann natürlich nicht ausgeschlossen werden, dass der IT-Verantwortliche seine Aufgaben in Milizfunktion wahrnimmt. Vgl. dazu auch Abbildung C-7; anders PROSCH (2002) Vgl. Abbildung C-13 102 Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand Abteilung. Dabei nimmt die Zahl der Angestellten mit Grösse des Unternehmens allerdings zu, so dass der prozentuale Anteil der IT-Beschäftigten insgesamt recht konstant bleibt. Im Branchenvergleich zeigt sich ein weiteres Mal die relative IT-Lastigkeit des Handels und des Dienstleistungssektors. Beide Industrien weisen hinsichtlich der Mitarbeiterzahl der ITAbteilung signifikant höhere Werte auf als die Zuliefer- und Industriegüterindustrie. Eigentümerunternehmen haben hingegen weniger Mitarbeiter in ihrer IT-Abteilung als Konzerntöchter und Unternehmen mit externem Management. Dies kann allerdings auf ihre geringere Grösse zurückgeführt werden. Abbildung C-14 zeigt die Höhe der IT-Kosten (in % des Umsatzes). Die Werte für die Schweizer Stichprobe zeigen ein ähnliches Bild wie die Ergebnisse von LEIMSTOLL (2001), so dass die durchschnittlichen IT-Kosten im Mittelstand rund 2% vom Umsatz betragen dürften. 309 0-1 121 2-3 57 4-7 13 8 - 10 > 10 27 k.A. Anzahl 6 0 Abbildung C-13: 50 100 150 200 250 300 350 Anzahl Mitarbeiter der IT-Abteilung im Mittelstand (CH)300 Interessanterweise korrelieren die prozentualen Aufwendungen für die Informationstechnik signifikant positiv mit der Unternehmensgrösse, gemessen in Anzahl Mitarbeitern. Grössere Mittelständler geben damit nicht nur absolut, sondern auch relativ mehr Geld für IT aus als kleinere Unternehmen. Dieses Phänomen soll aber nicht auf „Diseconomies of scale“ zurückgeführt werden, sondern hängt vermutlich mit einer besseren und moderneren Ausstattung und einem erhöhten Interesse an innovativen IT-Lösungen zusammen. 300 Quelle: Mittelstandsbefragung 103 Bei näherer Betrachtung zeigt sich darüber hinaus ein weiteres Mal, dass der Dienstleistungssektor deutlich höhere Werte aufweist als alle anderen Branchen inkl. des Handels. Für diese Tatsache lassen sich zwei Erklärungen anfügen. Zum einen bedingt der geringe Anteil körperlicher Tätigkeit, die nicht informationstechnisch unterstützt werden können, dass im Dienstleistungsgewerbe ein grösserer Teil der Beschäftigten Zugang zu Computern und Büroapplikationen hat. Im Gegensatz dazu ist dies für viele Beschäftigte im produzierenden Gewerbe oder im Handel nicht sinnvoll bzw. nötig. Auf der anderen Seite sind viele Branchen im Dienstleistungssektor sehr informationsintensiv, die zu erbringende Leistung kann praktisch nicht mehr ohne informationstechnische Unterstützung erzeugt werden. Dies gilt im Besonderen für die graphische Industrie (Druckerei, Mailingagentur,..) oder technische Dienstleistungen (Ingenieurbüros, Architekten, ...). 130 < 1% 244 ca. 1 - 2% 108 ca. 3 - 4% 19 ca. 5 - 6% > 6% 15 k.A. 17 Anzahl Abbildung C-14: 0 50 100 150 200 250 300 Aufteilung der IT-Kosten in Prozent des Umsatzes im Mittelstand (CH)301 b) Controlling der Informationstechnik Auf eine nähere Untersuchung des IT-Controllings wurde im Rahmen dieser Untersuchung verzichtet, um den Umfang des Fragebogens zu begrenzen. Zudem sind Controllingaspekte wie beschrieben zwar Bestandteil des Informationsmanagements, für Anbieter von Informationstechnik aber vermutlich zu vernachlässigen. Trotzdem sollen der Vollständigkeit halber die 301 Quelle: Mittelstandsbefragung 104 Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand wichtigsten Erkenntnisse zum IT-Controlling in mittelständischen Unternehmen kurz angeführt werden. Analog zur strategischen IT-Planung nimmt das IT-Controlling in kleinen und mittleren Unternehmen nur einen geringen Stellenwert ein und konkrete Einzelmassnahmen (z. Bsp. Soll-IstVergleiche in quantitativer/qualitativer Hinsicht, Kennzahlen,...) werden entsprechend vernachlässigt. Dieses Manko bestätigen insbesondere ältere Untersuchungen.302 Insgesamt muss festgestellt werden, dass mittelständische Unternehmen die grundsätzliche Bedeutung des Controllings zwar anerkennen, den hohen Aufwand für die Datenerhebung, -pflege und -auswertung letztendlich aber meiden. Konkret stellt sich insbesondere die Frage, welche Personen für diese Aufgaben zuständig sein sollen. Professionelles IT-Controlling erfordert von den beteiligten Stellen nicht nur genügend zeitliche Ressourcen und betriebswirtschaftliches Wissen, sondern zudem einen gewissen Grad an betrieblicher Unabhängigkeit und technischem Know-how. In mittelständischen Unternehmen kommt aus Geldgründen eine eigene Abteilung nicht in Frage, so dass für diese Aufgabe von einer Milizfunktion ausgegangen werden kann. Ob Mitglieder der EDV- oder Controllingabteilung oder der Geschäftsleitung allen diesen Anforderungen nachkommen kann, ist äusserst fraglich. Auch jüngere Untersuchungen bestätigen diese Sichtweise. So identifiziert LEIMSTOLL (2001) nur einen geringen Anteil Unternehmen, die IT-Controlling als wichtige Aufgabe im Rahmen des Informationsmanagement erkennen.303 BALLANTINE et al. (1998) weisen darauf hin, dass insbesondere ad-hoc Bewertungen von IT-Investitionen aus Kostengründen nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Ähnliche Erkenntnisse liefert die Unternehmensberatung Schwetz für den CRM-Bereich. Sie stellten fest, dass bei CRM-Einführungen im mittelständischen Kundensegment in Deutschland nur in Ausnahmenfällen ein Projektcontrolling durchgeführt wird und weit über die Hälfte der befragten Unternehmen nicht in der Lage ist, den Erfolg der Einführung zu quantifizieren.304 3.7 Defizite im IT-Management im Mittelstand An dieser Stelle sollen die mit der Informationstechnik verbundenen Ziele herangezogen werden um die Defizite im IT-Management der Zielgruppe beschreiben zu können. Dazu ist es notwenig neben der Zielbedeutung auch den korrespondierenden Zielerreichungsgrad empirisch zu berücksichtigen. 302 303 304 Vgl. RAYMOND/PARÉ (1992); KRYCMAR (1992); auch SPITTA (1998) Vgl. LEIMSTOLL (2001), S. 460 Vgl. SCHWETZ (2003), S. 4 105 Wie schon ausgeführt sind empirische Ergebnisse zur Zielsetzung und damit zur Zielerreichung im Informationsmanagement mittelständischer Unternehmen sehr rar. Einzig die mehrfach erwähnte Studie von LEIMSTOLL (2001) nimmt sich dieser Problematik an und untersucht nicht nur die Bedeutung einzelner Ziele, sondern auch den Erreichungsgrad. Dieser liegt grundsätzlich unter der Zielbedeutung, korreliert aber mit dieser, so dass tendenzielle wichtigere Ziele auch eher erreicht werden.305 Defizite, verstanden als Differenz aus Zielbedeutung und erreichung, bestanden in dieser Untersuchung vor allem bezüglich Kostensenkung und der Verbesserung der Kommunikation, Flexibilität und Entscheidungsqualität. Der absolute Zielerreichungsgrad war bei diesen Aspekten recht moderat („teilweise Zielerreichung“), allerdings verglichen mit anderen Zielen vergleichsweise hoch. Eher „strategische“ Ziele wie Leistungsdifferenzierung, Umsatzwachstum oder Innovation wurden bisher kaum erreicht, allerdings, wie bereits beschrieben, weniger stark angestrebt. Abbildung C-15 visualisiert die Zielereichung für die vorliegende Stichprobe. So zeigt sich, dass nur hinsichtlich der Datensicherungsfunktion der Informationstechnik die überwiegende Mehrheit der Unternehmen eine hohe Zielerreichung angibt. Die meisten Ziele zeichnen sich durch eine moderate bis hohe Zielerreichung aus, so dass die Befragten eine neutrale Position einnehmen oder sich zufrieden zeigen. Bei nur 4 der 12 vorgegebenen Ziele äusserten sich über 20% der KMU-Verantwortlichen skeptisch und gaben einen eher geringen Zielerreichungsgrad an. Nur 23% bezeichnen ihre Erreichung des Zieles „Verbesserung des Marktverständnis“ als hoch oder eher hoch. Ein Drittel der Unternehmen glaubt, dass es durch IT flexibler auf Veränderungen reagieren kann, 26% sind jedoch der Meinung, momentan hätten sie dieses Ziel noch nicht erreicht. 305 Vgl. LEIMSTOLL (2001), S. 449 f. 106 Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand Zielerreichung gering 1 Ziel von IT ist es ... 2 hoch 3 4 5 3,68 ...den Mitarbeitern die Arbeit zu erleichtern (n=523; s=0,82) 61% 33% 7% ...Unternehmensdaten zu sichern und verfügbar zu machen (n=524; s=0,83) 4,07 14% 81% 5% 3,58 ...bestehende Prozesse zu automatisieren (n=524; s=0,85) 9% ...die Produktion, Entwicklung, Logistik zu verbessern (n=523; s=0,89) 11% 57% 33% 3,53 56% 33% 3,69 ...die Kommunikation mit Dritten zu verbessern (n=520; s=0,82) 31% 62% 7% ...die interne Kommunikation zu verbessern (n=520; s=0,89) 58% 3,44 ...dem Management die Entscheidungsfindung zu erleichtern (n=523; s=0,93) 14% 36% ...die Unternehmensplanung zu erleichtern (n=522; s=0,91) 15% 37% 20% ...den Kunden neue Lösungen/Leistungen bieten zu können (n=522; s=0,99) 22% Abbildung C-15: 36% 37% 40% 3,07 26% 33% 40% 2,86 32% 0% neutral (3) 44% 3,16 ...das Marktverständnis (Kunden & Konkurrenz) zu verbessern (n=516; s=0,98) eher gering (1+2) 49% 3,18 ...Prozesse ganz neu und produktiver zu gestalten (n=523; s=0,94) Anteil 49% 3,41 ...flexibler auf Veränderungen reagieren zu können (n=516; s=0,99) 306 3,60 30% 11% 20% 45% 40% eher hoch (4+5) 60% 23% 80% 100% Mittelwert Zielerreichung im mittelständischen Segment 306 Quelle: Mittelstandsbefragung 107 Ähnliche Werte finden sich für das Ziel „Kunden neue Lösungen/Leistungen bieten können“. Es fällt auf, dass es sich hierbei um die in Abschnitt C 3.5 zum Faktor „Marktorientierte Ziele“ verdichteten Variablen handelt, die den relativ geringsten Zielerreichungsgrad aufweisen. Somit werden vergleichsweise unwichtige Ziele analog zur Arbeit von LEIMSTOLL (2001) auch absolut im Hinblick auf ihren Zielerreichungsgrad entsprechend bewertet. Vermutlich erfolgt die Zielverfolgung entsprechend der Zielbedeutung, damit Übererfüllung und damit Ressourcenverschwendung vermieden wird. So konnten in der Studie auch keine Teilziele identifiziert werden, bei denen der Erreichungsgrad die Bedeutung überstieg. Um diesen Effekt auszublenden definiert sich das Zieldefizit an dieser Stelle durch die Differenz aus Zielbedeutung und Zielerreichung. Abbildung C-16 trägt diese Information auf der Ordinate ab und setzt sie ins Verhältnis zur absoluten Bedeutung der Ziels, dargestellt auf der Abszisse. Die Schnittpunkte dieses Koordinatensystems befinden sich jeweils auf den Gesamtmittelwerten, so dass die relative Position der Ziele besser eingeordnet werden kann. Entsprechend können in Abbildung C-16 vier Zielkategorien unterschieden, von denen an dieser Stelle insbesondere die ersten beiden Quadranten interessieren, da sie Ziele mit überdurchschnittlichem Zieldefizit darstellen. Dabei fällt auf, dass „prozessorientierte Ziele“ nicht nur als überdurchschnittlich bedeutsam bewertet werden (Ausnahme: „...Prozesse ganz neu und produktiver zu gestalten“), sondern auch ein überdurchschnittliches Defizit aufweisen. Ebenfalls in diese Zielkategorie fallen die Variablen „...dem Management die Entscheidungsfindung zu erleichtern“ und „...den Mitarbeitern die Arbeit zu erleichtern“, die im Rahmen der Faktorenanalyse mit „arbeitsorientierte Ziele“ benannt wurden. Die befragten Manager bezwecken mit IT also in besonderem Masse eine Arbeitserleichterung für sich und die Mitarbeiter des Unternehmens, zeigen sich diesbezüglich allerdings vergleichsweise wenig zufrieden. Auf die relative Unwichtigkeit „marktorientierter Ziele“ wurde bereits mehrfach hingewiesen. Die hier durchgeführte Analyse zeigt jedoch, dass sie mit Ausnahme der Variable „...das Marktverständnis verbessern“ ein hohes Zieldefizit aufweisen und damit durchaus Verbesserungspotenzial aufweisen. Zusammengefasst kann also vermerkt werden, dass in mittelständischen Unternehmen in der Schweiz noch bedeutsame Defizite hinsichtlich einzelner Teilziele der Informationstechnik zu beobachten sind. Insbesondere leistet IT noch nicht den angestrebten Beitrag zur Verbesserung der betrieblichen Prozesse, Flexibilität, Innovationskraft und zur Arbeitserleichterung. Demgegenüber stellen sich „Kommunikationsorientierte Ziele“ der IT in dieser Untersuchung als vergleichsweise unkritisch heraus. 108 Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand hoch 0,8 II I Zieldefizit (Bedeutung-Erreichung) 0,7 0,6 3,1 3,4 3,7 0,5 4 4,3 4,6 0,4 gering 0,3 IV III 0,2 Zielbedeutung gering ...den Mitarbeitern die Arbeit zu erleichtern ...dem Management die Entscheidungsfindung zu erleichtern ...die Kommunikation mit Dritten zu verbessern ...die interne Kommunikation zu verbessern ...Prozesse ganz neu und produktiver zu gestalten ...bestehende Prozesse zu automatisieren ...die Produktion, Entwicklung, Logistik zu verbessern ...flexibler auf Veränderungen reagieren zu können ...den Kunden neue Lösungen/Leistungen bieten zu können ...das Marktverständnis (Kunden & Konkurrenz) zu verbessern "Marktorientiert" Abbildung C-16: 307 hoch ...Unternehmensdaten zu sichern und verfügbar zu machen ...die Unternehmensplanung zu erleichtern "Prozessorientiert" + "Kommunikationsorientiert" "Arbeitsorientiert" Bedeutung und Erreichung ausgewählter Ziele der Informationstechnik307 Quelle: Mittelstandsbefragung 109 4 Beschaffung von IT im Mittelstand: Merkmale, Informationsquellen und Personen 4.1 Organisationales Beschaffungsverhalten bei IT und im Mittelstand Die genaue Kenntnis der Kundenseite und insbesondere des Beschaffungsverhaltens im Rahmen einer detaillierten Situationsanalyse ist zentral für den gesamten Marketingprozess.308 Zum Aufbau einer geeigneten Marketingkonzeption ist es unumgänglich die Organisation, Abläufe und Kriterien der Beschaffungsentscheidung näher zu analysieren.309 "Erst wenn die Unternehmung das Einkaufsverhalten ihrer angestrebten Partner definiert, kann sie ihre eigenen Massnahmen des Marketings darauf prüfen, ob sie das erwünschte Verhalten fördern."310 Während diese wichtige Erkenntnis auf Konsumgütermärkten in Wissenschaft und Praxis schon lange verbreitet ist, hat sie in den letzten Jahren auch im Industriegüterbereich zunehmend Aufmerksamkeit erlangt. Gemeinhin wird diesbezüglich von organisationalem Kaufverhalten gesprochen und meint den Einkauf von Gütern oder Dienstleistungen durch Unternehmen oder Institutionen. Organisationales Beschaffungsverhalten, insbesondere von gewerblichen Nachfragern, unterscheidet sich dabei z. T. erheblich von Kaufentscheidungsprozessen von Konsumenten, was sowohl ihre wissenschaftliche wie auch praktisch-motivierte Untersuchung erschwert.311 Insgesamt sind Beschaffungsentscheide von Organisationen komplexer, es gibt deutlich weniger potenzielle Auskunftspersonen und klassische Marktforschungsinstrumente eignen sich kaum für B2B-Märkte. Der Einkauf von informationstechnischen Produkten oder Leistungen durch mittelständische Unternehmen ist dem B2B-Bereich zuzuordnen. Deshalb sollen im Folgenden die Merkmale organisationalen Beschaffungsverhaltens kurz aufgeführt werden, um dann auf die Besonderheiten der Beschaffung in KMU und von IT einzugehen. a) Besonderheiten des organisationalen Beschaffungsverhaltens Tabelle C-6 fasst die wichtigsten Unterschiede zwischen Kaufentscheidungen bzw. Beschaffungsprozessen von Organisationen und Konsumenten zusammen. 308 309 310 311 Vgl. ARNOLD (1995) S. 21 f.; BACKHAUS (1999), S. 55; PURI/SASHI (1994), S. 19: „Sellers must understand buyer behavior in order to develop products that solve buyer problems. By understanding buyer search processes, sellers can develop products with attributes required to satisfy buyer needs.“ Vgl. GODEFROID (2000) S. 45 BELZ (1997), S. 99 Vgl. KUSS/TOMCZAK (2000), S. 225 110 Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand Die Nachfrage resultiert aus der Nachfrage in konsumnäheren Märkten. Zahl der direkten Kunden ist geringer als die Zahl der Endverbraucher in den jeweiligen Märkten. Längerfristig gewachsene und dauerhafte Geschäftsbeziehungen an Stelle einzelner, voneinander unabhängiger Kaufentscheidungen. Wegen der relativ geringen Zahl von Nachfragern und der grossen Bedeutung einzelner Geschäftsbeziehungen spielen direkte Marktkontakte eine grössere Rolle als im B2C-Markt. Fundierte und formali- Organisationale Kaufentscheidungen werden häufig unter Beteiligung einschlägig spezialisierte Kaufentscheidung sierter Fachleute durchgeführt. Oft existieren auch festgelegte Regeln für den Ablauf dieser Prozesse. Bei der organisationalen Beschaffung spielen Mehr-Personen-Entscheidungen („Buying CenMehr-Personenter“) eine weitaus grössere Rolle als im Konsumgüterbereich. Entscheidungen Vor allem wegen der Beteiligung mehrerer Personen, der mit Kaufentscheidungen oftmals Lang dauernde verbundenen Lösung technischer Probleme und der vielfältigen Interaktionen dauern KaufKaufentscheidungsentscheidungsprozesse von Unternehmen oft länger als die von Konsumenten. prozesse Tabelle C-6: Besonderheiten organisationaler Beschaffung312 Abgeleiteter Bedarf Relativ kleine Zahl potenzieller Nachfrager Feste Geschäftsbeziehungen Direkte Marktkontakte Es ist allerdings klar ersichtlich, dass organisationale Beschaffung aufgrund der bereits erwähnten Komplexität im Einzelfall äusserst situativ ist und von einer Reihe Faktoren abhängt. Kaufentscheidungen verlaufen nicht isoliert, sondern sind jeweils im Kontext der spezifischen Situation zu sehen.313 Nach BACKHAUS (1999) können diesbezüglich neben anbieterseitigen Einflüssen („Selling Center“) vor allem vier Faktoren identifiziert werden, die erheblichen Einfluss auf den Beschaffungsprozess des Unternehmens oder der Organisation haben (vgl. Abbildung C-17). Organisationaler Beschaffungsprozess Umwelt Organisation Buying Center Kauftyp Selling Center / Selling Networks der Anbieter Abbildung C-17: Einflussfaktoren des organisationalen Beschaffungsverhaltens314 In der vorliegenden Arbeit sind dabei zwei Faktoren von besonderer Bedeutung. Da sowohl bezüglich des „Kauftyps“ als auch den „Merkmale der Organisation“ vergleichsweise klare Aussagen getroffen werden können soll auf diese beiden Aspekte in diesem Kapitel gesondert eingegangen werden (vgl. b) und c)). Umwelteinflüsse haben hingegen eher allgemeinen Charakter und können im vorliegenden Kontext nicht näher präzisiert werden. Sie beziehen sich auf rechtlich-politische ( z. Bsp. EUOsterweiterung) oder technischen Entwicklungen („E-Procurement“), die das Beschaffungsverhalten von Unternehmen radikal verändern können. Dies gilt ebenfalls für die situative Zu- 312 313 314 Vgl. KUSS/TOMCZAK (2000), S. 226 Vgl. BÜSCHKEN (1994) S. 11ff; KAUFMANN (1996) S. 94 ff. Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an BACKHAUS (1999), S. 58 111 sammensetzung des einkaufsentscheidenden Gremiums. Je nach Grösse oder fachlicher Zusammensetzung des sogenannten „Buying Centers“ können Beschaffungsentscheidungen enorm streuen. Hier spielen in besonderem Masse die persönlichen Präferenzen der Mitglieder eine wichtige Rolle.315 b) Besonderheiten der Beschaffung in kleinen und mittleren Unternehmen Spezifische Merkmale der Organisation spielen bei der Ausgestaltung des Beschaffungsverhaltens eine wichtige Rolle. Z. Bsp. durchlaufen Behörden andere Schritte bei Investitionen als Privatunternehmen, da sie sich häufig an juristische Ausschreibevorgaben halten müssen. Darüber hinaus treten aber auch zwischen privatwirtschaftlichen Unternehmen Unterschiede zu Tage, sei es aufgrund der Branchenzugehörigkeit oder, wie im vorliegenden Kontext, der Unternehmensgrösse. Dass die Grösse der nachfragenden Organisation einen erheblichen Einfluss auf die Ausgestaltung betrieblicher Einkaufprozesse hat konnte bereits vereinzelt durch empirische Studien belegt werden. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit den genauen Wirkungszusammenhängen hat allerdings bis dato kaum stattgefunden. QUAYLE (2002) vermerkt dazu: „Purchasing within the smaller firms receives little attention. There is a limited amount of analysis of purchasing in SMEs although there is a broad anecdotal agreement on a number of points.“316 Dies ist umso verwunderlicher, als dass Erkenntnisse in diesem Bereich nicht nur den betroffenen kleinen oder mittleren Unternehmen Hilfestellung im Einkauf bieten, sondern auch dem Verkauf oder dem Marketing sehr nützlich sein könnten. Trotz dieses Forschungsdefizits sollen die wichtigsten Besonderheiten des mittelständischen Beschaffungsprozesses an dieser Stelle herausgearbeitet werden. So verfügen laut DREUX/BROWN (1994) kleinere Familienunternehmen im Gegensatz zu Grossunternehmen beispielsweise über kleinere Buying Center, so dass die Zahl der an einer Investition beteiligten Personen von der Betriebsgrösse abhängt. Bei grösseren Investitionen sind dies in Unternehmen zwischen 100 und 499 Personen durchschnittlich sechs oder sieben Personen.317 Auch hinsichtlich formaler Einkaufsrichtlinien unterscheiden sich Grossunternehmen von KMU. Letztere sind insgesamt signifikant weniger formal und führen nur in der Minderzahl 315 316 317 Vgl. BONOMA (1982) QUAYLE (2002), S. 151; ähnlich ARNOLD (1997), S. 107: „Allerdings ist nicht zu übersehen, dass Beschaffungsaufgaben sowohl vom Management von KMU als auch in der systematisch wissenschaftlichen Analyse bis heute stark vernachlässigt werden.“ Vgl. SPIEGEL-VERLAG (1982), S. 11 112 Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand jährliche Lieferantenbewertungen durch.318 Entsprechend sind auch Controlling-Instrumente im Einkauf mittelständischer Unternehmen die Ausnahme und strukturell nicht verankert, was zu „Ignoranz bei den Entscheidungsträgern in Bezug auf die Bedeutung der Güterbeschaffung als Erfolgsfaktor“ führen kann.319 Die hierarchische Aufhängung der Einkaufsfunktion korreliert auch negativ mit der Grösse der einkaufenden Organisation: Unternehmen mit unter 10 Mio. DEM Jahresumsatz verfügen dabei in der Regel nicht einmal über eine eigene Einkaufsabteilung.320 Je kleiner das Unternehmen, desto eher obliegen Kernaufgaben der Beschaffung direkt der Geschäftsleitung.321 Die Beschaffungsentscheidung kann dann auch zu einem signifikanten Teil durch die individuelle Charakteristik des Managers des KMU, seiner Ausbildung oder seines Alters erklärt werden.322 Nicht zuletzt können auch die Ziele der gesamten Inhaberfamilie einen potenziellen Einfluss auf die Manager und damit den Einkaufsprozess haben.323 Diese hohe Bedeutung der Geschäftsleitung hat aufgrund der Überlastung des Managements zur Folge, dass Beschaffungsentscheidungen „nebenbei“ und zunehmend „routiniert“ durchgeführt werden. Diese spezielle Form der Komplexitätsreduktion zeigt sich dann in einer ausgeprägten Loyalität zu einmal ausgewählten Lieferanten.324 Empirisch konnten FILE et al. (1994) diese These für Familienunternehmen bestätigen, die im Gegensatz zu den grösseren Börsenunternehmen eine deutliche höhere Wiederkaufsabsicht aufwiesen. Hinsichtlich des Informationsverhaltens bemerken BENNET/ROBSON (1999), dass grössere Unternehmen deutlich häufiger und intensiver als kleine Unternehmen externe Quellen wie Banken, Anwälte oder Berater in ihre Entscheidungsprozess einbeziehen. Kleinere Unternehmen setzen hingegen vermehrt auf informelle Quellen wie Freunde oder Bekannte. So verwundert es nicht, dass professionelle Beschaffungsmarktforschung in KMU eher selten zu finden ist. Dies gilt im Besonderen für die Erforschung ausländischer Lieferquellen.325 Zur Frage, ob kleinere Unternehmen tendenziell andere Entscheidungskriterien bei der Lieferantenauswahl als Grossunternehmen verwenden, liegen keine eindeutigen Befunde vor. TROSTEL/NICHOLS (1982) beschreiben zwar, dass „subjektive“ Kriterien im Entscheidungspro- 318 319 320 321 322 323 324 Vgl. PEARSON/ELLRAM (1995) Vgl. ARNOLD (1997), S. 108 Vgl. DRÜPPEL (2002) Vgl. SEILER et al. (1993) Vgl. PARK/KRISHNAN (2001) Vgl. FILE et al. (1994) Vgl. ARNOLD (1997) 113 zess von privat gehaltenen Unternehmen häufiger verwendet werden als in börsennotierten Unternehmen, eine Übertragung dieser Ergebnisse auf die Einkaufsentscheidung mittelständischer Unternehmen erscheint aber sehr fraglich. PEARSON/ELLRAM (1995) untersuchen lediglich für ein gegebenes Set von Kriterien zur Lieferantenselektion die Bedeutung jedes einzelnen Items in Abhängigkeit von der Grösse der einkaufenden Organisation. Dabei stellen sie nur für wenige Selektionskriterien eine klare Verbindung zur Unternehmensgrösse her. Mehrheitlich bestimmten andere Variablen, wie z. Bsp. die Branchenzugehörigkeit die Gewichtung der Kriterien. Insgesamt lassen sich die Ergebnisse zum Beschaffungsverhalten so zusammenfassen, dass mittelständische Unternehmen aufgrund einer geringeren Ressourcenausstattung wichtige Einkaufsentscheidungen an der Unternehmensspitze bündeln und dabei weniger formalisiert vorgehen. Einkaufsgremien sind entsprechend kleiner und die Einkaufsentscheidung fusst dabei weniger auf rationalen Analysen und einem breit angelegten Informationsprozess. FILE/PRINCE (1996) folgern aus diesen Erkenntnissen, dass das Verständnis von industriellem Einkaufsverhalten um die Besonderheiten mittelständischer Beschaffung erweitert werden sollte. c) Besonderheiten der Beschaffung von Informationstechnologie Gemäss Abbildung C-17 bestimmt auch der Kauftyp den Prozess der organisatorischen Beschaffung. Er beschreibt, um was für eine Art Investition es sich handelt. Zur Bildung von Kauftypen wurden dabei verschiedenste Variablen herangezogen, denen ein signifikanter Einfluss auf das konkrete Kaufverhalten des gewerblichen Kunden unterstellt wurde. Sie beziehen sich dabei auf das zu erwerbenden Gut selbst (Wert, Technologie, Charakter,..), den Kaufanlass (Erst-, Ersatzinvestition,..) oder den Wiederholungsgrad des Kaufprozesses (Wiederholungskauf, Neukauf,...). Von besonderer Bedeutung sind im Rahmen dieser Arbeit die Eigenschaften der Informationstechnologie und ihre Auswirkungen auf den Beschaffungsprozess.326 Wie bereits erwähnt kann moderne Informationstechnologie im weitesten Sinne dem sogenannten Systemgeschäft (BACKHAUS et al. (1994)) zugeordnet werden, so dass die beschriebenen Spezifika des Systemgeschäftseinkaufs an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden müssen.327 Festzuhalten bleibt, dass der Einkauf von Systemtechnologien aufgrund des Systembindungsef- 325 326 327 Vgl. SCHÖNENBORN (1980), S. 41 ff. Dabei wird in Anlehnung an die Literatur davon ausgegangen, dass es sich nicht um reine Wiederholungskäufe handelt. Vielmehr sollen Investitionsprozesse beleuchtet werden, die für die einkaufende Organisation über den rein administrativen Bestellvorgang hinausgehen. Vgl. Teil B 2.1 114 Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand fekts auf Kundenseite zu sukzessiver Beschaffung und damit einer gewissen Unsicherheitsposition führt. Hinzu kommt, dass Informationstechnologie im Regelfall nicht zum Kerngeschäft der einkaufenden Organisation gehört.328 Dies kann dazu führen, dass nicht nur Unsicherheit hinsichtlich des zukünftigen Verhaltens des Anbieters in einer Lock-In-Situation besteht, sondern der gesamte Evaluationsprozess mit erheblichen Unsicherheiten in Hinblick auf Kosten und Nutzen verbunden ist.329 STREMERSCH et al. (2003) untersuchen ihrerseits die Merkmale der Beschaffung in sogenannten „technologieintensiven“ Märkten, die sich durch ihren modularen interdependenten Aufbau kennzeichnen und damit dem von BACKHAUS et al. (1994) beschriebenen Systemgeschäft sehr ähnlich sind. Ihnen zufolge steht die einkaufende Organisation dabei vor zwei elementaren Entscheidungen im Rahmen der Beschaffung: Erstes ist zu klären, ob die Unternehmung die einzelnen Komponenten des Systems von einem („Single Sourcing“) oder mehreren Anbietern („Multiple Sourcing“) beziehen will. Zum anderen muss sie sich entscheiden, ob sie die Lösungen selber implementieren möchte („In-House System-Integration“) oder ob sie diese Aufgabe an externe Dritte vergibt („Outsourced System-Integration“). Dabei konnte empirisch nachgewiesen werden, dass insbesondere das vorhandene Know-how des Einkäufers seine Beschaffungsentscheidung prägt. Während bei steigendem internen Know-how die Bereitschaft für „Outsourced Integration“ abnimmt, verhält es sich bei der Bereitschaft zum „Single Sourcing“ umgekehrt. Wissenschaftliche Literatur, die sich exklusiv mit dem IT-Einkaufsverhalten beschäftigt, ist hingegen bis auf wenige Ausnahmen nicht zu finden.330 PURI/SASHI (1994) weisen dabei auf die besondere Komplexität der Abläufe im Buying Center hin. Am Beispiel von CIM-Software zeigen sie, dass grosse IT-Projekte in Wechselbeziehungen zu verschiedensten Unternehmensfunktionen stehen und deshalb grosse und besonders heterogene Buying Center und Kundenansprüche entstehen. Für VERVILLE/HALINGTON (2003) sind bestehende Ansätze des Industriegütermarketing oder des Informationsmanagements grundsätzlich kaum geeignet, IT-Beschaffung adäquat zu beschreiben: „The results of the study prove, contrary to the wide-standing belief that IT acquisition are done routinely and fairly simple, that acquisitions of this nature (for ERPs) are com- 328 329 330 Vgl. PROSCH (2002) Vgl. GÜNTER (1990b) VERVILLE/HALINGTON (2003), S. 586: "The current focus on organizational buying behavior continues to be the same, largely ignoring the advent of IT." 115 plex, involved, demanding, and intensive.“331 Als Ergebnis ihrer Fallstudien präsentieren sie einen mehrstufigen Phasenansatz zur Beschreibung des ERP-Einkaufsprozesses. Der permanent hohe Informationsbedarf im Zuge der Softwareauswahl hatte dabei zur Folge, dass regelmässige Feedbackschlaufen als charakteristisch für die IT-Beschaffung angesehen werden können. GEISLER/HOANG (1992) beschränken sich in ihrer Untersuchung auf Dienstleistungsunternehmen als Käufer von IT. Ihrer quantitativ-empirischen Studie zufolge sind Unterschiede im ITBeschaffungsverhalten in erster Linie auf Grössendifferenzen der Kundenorganisation zurück zu führen. Darüber hinaus treten aber weitere Besonderheiten im Beschaffungsprozess auf, die sowohl durch externe Einflüsse wie auch das Einkaufsgut Informationstechnologie bedingt sind. Im Vergleich zu anderen industriellen Einkaufsprozessen zeichnet sich der Einkauf moderner Informationstechnik somit durch eine gewisse Komplexität und Risiko aus. Die vielfältigen Auswirkungen der Leistung auf das Unternehmensgefüge, die Vielzahl beteiligter Personen sowie die permanenten Kommunikationsbedürfnisse während der einzelnen Prozessphasen stellen die Unternehmen dabei vor besondere Herausforderungen. Erschwert wird diese Situation noch durch eine mögliche Abhängigkeit vom Anbieter und ein Know-how-Defizit hinsichtlich der Produktevaluation. 4.2 Der mittelständische Beschaffungsprozess von IT 4.2.1 Untersuchungsmodell zur Beschreibung des Beschaffungsprozesses Abbildung C-17 und die entsprechenden Ausführungen machen deutlich, dass eine grosse Zahl von Variablen die praktische Ausgestaltung des gewerblichen Einkaufsprozesses beeinflusst. Um diese vielfältigen Zusammenhänge zu systematisieren bzw. modellhaft darzustellen sind in der Literatur eine Vielzahl von Ansätzen entwickelt worden, deren ausführliche Darstellung den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde.332 Stattdessen soll im Folgenden ein einfaches Untersuchungsmodell vorgestellt werden, welches in dieser Arbeit verwendet wird und den Rahmen für das weitere Vorgehen in Teil C 4.2 bietet. Um das Beschaffungsverhalten mittelständischer Unternehmen besser beschreiben zu können greift diese Arbeit auf ein einfaches Phasenmodell nach WEBSTER (1965) und WEBSTER/WIND (1972) zurück. Phasenmodelle beruhen auf der Erkenntnis, dass sich organisationale deutlicher 331 VERVILLE/HALINGTON (2003), S. 585 116 Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand als konsumtive Beschaffungsentscheide in verschieden Phasen mit unterschiedlichen Merkmalen unterteilen lassen. Abbildung C-18 zeigt die Phasen, die in der folgenden Arbeit für die Beschreibung des IT-Einkaufs verwendet werden sollen. Um ein besseres Verständnis im Rahmen der empirischen Untersuchung zu gewährleisten mussten die genauen Formulierungen gegenüber den Originalarbeiten noch leicht modifiziert werden. Die Wahl dieses sehr einfachen fünfstufigen Modells erfolgte dabei aus forschungspragmatischen Gründen. Zwar sind detaillierte Modelle möglicherweise besser in der Lage die mannigfachen Wechselbeziehungen im Einkaufsprozess abzubilden, ihrer praktischen Handhabbarkeit, beispielsweise im Rahmen empirischer Studien, sind jedoch enge Grenzen gesetzt. Der bis dato geringe Kenntnisstand zum IT-Einkaufsverhalten in KMU und der damit explorative Charakter der vorliegenden Arbeit rechtfertigen ausserdem diese grobe Einteilung des Kaufprozesses. Schliesslich ähnelt das hier verwendete Modell auch stark dem bereits erwähnten Modell nach VERVILLE/HALINGTON (2003), so dass eine Übertragbarkeit auf informationstechnische Produkte vertretbar erscheint. Um die verschiedenen Facetten der einzelnen Phasen im Beschaffungsprozess besser verstehen zu können soll neben den allgemeinen Besonderheiten und Merkmalen in besonderer Weise das Suchverhalten der Unternehmen berücksichtigt werden, da Screeningprozesse bei der Lieferantenauswahl eine wichtige Funktion einnehmen.333 LAPOINTE (1991) weist dabei darauf hin, dass diesbezüglich auch eine nach Kaufphasen differenzierte Betrachtung nötig ist. Darüber hinaus wird immer wieder die Bedeutung des Buying Centers sowohl für die Anbieter-334 wie auch die Nachfragerorganisation335 betont. Das Untersuchungsmodell trägt diesen Anforderungen Rechnung, indem es die genutzten Informationsquellen („Medien“) und beteiligten Personen („Buying Center“) gesondert aufführt und es deshalb in einer Matrixform dargestellt werden kann (vgl. Abbildung C-18). Die Grenze zwischen diesen beiden Aspekten kann dabei im Einzelfall durchaus fliessend sein. Für diese Arbeit soll deshalb gelten, dass andere Unternehmen oder EDV-Berater nur dann zum Buying Center gezählt werden sollen, wenn ihre Rolle über eine rein informative Funktion hinaus geht und sie am Investitionsprozess selber beteiligt sind. 332 333 334 335 Für eine Übersicht und kritische Würdigung vgl. BACKHAUS (1999), S. 60 ff. Vgl. RAUB/WEESIE (2000) Vgl. BACKHAUS/REINKEMEIER (1997), S.11 ff. Vgl. BERNROIDER/KOCH (2001) und die dort angegebene Literatur für IT-Einführungen 117 Personen Medien Besonderheiten Problemwahrnehmung und Projektinitiierung Phase 1 Abbildung C-18: Festlegung der Anforderungen an die Leistung Phase 2 Suchprozess und Informationsverhalten Phase 3 Leistungsevaluati on Phase 4 Beschaffungsentscheidung Phase 5 Untersuchungsmodell zur organisationalen Beschaffung336 Im Folgenden soll das Untersuchungsmodell eine genauere Untersuchung der einzelnen Prozessphasen der IT-Beschaffung im Mittelstand ermöglichen. Die Arbeit stellt dabei, falls möglich, die eigenen empirischen Ergebnisse jeweils den bereits identifizierten Merkmalen jeder Einkaufsphase gegenüber. Für die Frage der genutzten Informationsquellen und der beteiligten Personen bzw. Abteilungen muss von diesem phasendifferenzierten Vorgehen leider abgesehen werden, da die diesbezüglich vorhandenen Quellen keine weitergehende Differenzierung nach Einkaufsphasen vornehmen. 4.2.2 Merkmale des IT-Beschaffungsprozesses Allgemein geht man davon aus, dass der IT-Beschaffungsprozess für kleine und mittlere Unternehmen mit erheblichen Schwierigkeiten behaftet ist. So vermerken ROOKS/SNIJDERS (2001): „For most SME a substantial IT transaction is not something they deal with very often, problems do in fact arise frequently in SME [..].“337 Eine ähnliche Auffassung vertritt PROSCH (2002), für den die Mehrheit der betrieblichen Nutzer bei der IT-Lieferantensuche vor nicht unerhebliche Probleme gestellt ist. Auch die Ausführungen in C 4.1b) bzw. C 4.1c) illustrieren, dass diese Ansicht auf Anbieterseite stark verbreitet ist. 336 337 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an WEBSTER (1965) und WEBSTER/WIND (1972) ROOKS/SNIJDERS (2001), S. 40 118 Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand trifft gar nicht zu 1 2 55% 23% 21% 1,87 Insgesamt war die „Suche nach Anbietern/Einholen von Offerten“ schwierig (n=512; s=0,95) 78% 14% 7% 2,40 Insgesamt war die Bewertung der Angebote schwierig (n=511; s=1,01) 57% 27% 16% 2,27 Insgesamt war die Auswahl eines Angebots schwierig (n=519; s=1,03) Abbildung C-19: 15% 10% 2,49 Insgesamt war die „Festlegung der Anforderungen“ schwierig (n=512; s=1,15) trifft eher nicht zu (1+2) 75% 2,04 Insgesamt war die „Projektinitiierung“ schwierig (n=511; s=0,99) Anteil 3 trifft voll und ganz zu 4 5 Mittelwert 63% 0% neutral (3) 20% 23% 40% trifft eher zu (4+5) 60% 14% 80% 100% Mittelwert Schwierigkeiten im IT-Investitionsprozess338 Abbildung C-19 macht allerdings schon deutlich, dass die vorliegende Untersuchung dieses Bild nicht uneingeschränkt bestätigt. So sieht das Gros der mittelständischen Unternehmen in der Schweiz den Ablauf einer Investition in moderne Informationstechnologie eher unproblematisch. Entgegen der weit verbreiteten Meinung stellt keine der identifizierten Phasen des ITEinkaufs in den Augen der Mehrheit der befragten Manager eine wirkliche Schwierigkeit dar. Einer der befragten Manager vermerkte auf dem Fragebogen sogar, Investitionen in PCs entsprechen heute dem „Kauf von 10 kg Äpfel“! Am wenigsten problematisch war dabei die Projektinitiierung, die ¾ der Unternehmen als nicht schwierig bezeichnen. 78% der Befragten behaupten dies von der Informationssuche. Die entgültige Auswahl eines Anbieters ist mit 63% auch verhältnismässig vielen Unternehmen leicht gefallen. Ein leicht anderes Bild zeigt sich hingegen bei der Festlegung der Anforderungen an die Leistung sowie der Bewertung der Angebote. Immerhin 23% bzw. 16% stimmen der These zu, dass diese Phasen schwierig waren, während 21% bzw. 27% diesbezüglich eine neutrale Haltung einnehmen. 338 Quelle: Mittelstandsbefragung 119 trifft gar nicht zu 1 Mittelwert 2 3 trifft voll und ganz zu 4 5 1,89 Insgesamt war die „Projektinitiierung“ schwierig* 2,21 2,24 Insgesamt war die „Festlegung der Anforderungen“ schwierig* Insgesamt war die „Suche nach Anbietern/Einholen von Offerten“ schwierig* 2,77 1,70 2,04 2,18 Insgesamt war die Bewertung der Angebote schwierig* 2,65 2,08 Insgesamt war die Auswahl eines Angebots schwierig* Hardware (n=259) Abbildung C-20: 2,47 Komplexe Software (n=239) Schwierigkeiten im IT-Investitionsprozess nach IT-Leistung339 Erwartungsgemäss unterscheiden sich diese Antworten allerdings signifikant in Abhängigkeit von der eingekauften Leistung (vgl. Abbildung C-20). Über alle Phasen hinweg weist der Einkauf von komplexer Software (ERP, CRM, PPS, ...) höhere Werte auf als der Einkauf von Hardware. Aus diesem Grund unterscheidet die nun folgende nähere Analyse des mittelständischen Beschaffungsprozesses unter Berücksichtigung der verschiedenen Prozessphasen jeweils zwischen Hard- und Softwarekauf.340 a) Phase 1: Problemwahrnehmung und Projektinitiierung Phase 1, Problemwahrnehmung und Projektinitiierung, untersucht die Frage, wie im mittelständischen Unternehmen ein konkreter Bedarf nach einer neuen IT-Lösung entsteht, welche Schritte vorab geplant werden um die Investition zu gestalten und wie sich die Verantwortung aufteilt. 339 340 Quelle: Mittelstandsbefragung. Signifikante Unterschiede mit p<0.05 sind mit * gekennzeichnet Einfache Software und der Einkauf informationstechnischer Dienstleistungen spielten in der vorliegenden Untersuchung keine Rolle und können entsprechend aufgrund zu geringer Fallzahlen nicht in die Analyse integriert werden. 120 Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand Auf wissenschaftlicher Seite sind dabei leider bislang keine empirisch validierten Ergebnisse zur Initialphase des IT-Kaufs in kleinen oder mittelständischen Unternehmen zu finden. Allgemein wird allerdings davon ausgegangen, dass sich die in Teil C 2.3.2 beschriebene „Planungslücke“ auch im Investitionsverhalten mittelständischer Unternehmen äussert. Während Grossunternehmen ihren Bedarf an neuer IT in der Regel langfristig planen reagieren KMU in erster Linie auf kurzfristige IT-Engpässe.341 Zuweilen wird auch die Vermutung geäussert, Grosskunden hätten entscheidenden Einfluss auf die Investitionstätigkeit kleiner oder mittlerer Unternehmen in IT.342 Inwieweit dieses Verhalten als repräsentativ für KMU angesehen werden kann und welchen Einfluss dabei die Unternehmensgrösse oder das Investitionsgut haben, konnte bisher nicht geklärt werden. Im Gegensatz zur Wissenschaft ist die Frage der Problemwahrnehmung und Projektinitiierung in der Praxis von elementarer Bedeutung. Insbesondere die Frage, welche „Kaufauslöser“ beim mittelständischen Entscheider anzutreffen sind, spielt für die operative Ausgestaltung des Marketing-Mixes eine wichtige Rolle, wie auch Fallbeispiel C-1 verdeutlicht. Microsoft (Schweiz) AG Auch das Unternehmen Microsoft (Schweiz) AG bemüht sich seit Ende der 90er Jahre verstärkt um das Segment „medium enterprises“ (25 bis 250 User). Im Rahmen der Marketingund Vertriebsstrategie baut Microsoft dabei insb. auf Massnahmen, die beim Einkaufsprozess („Customer Continuum“) des mittelständischen Unternehmens ansetzen. Das „Customer Continuum“ umfasst alle erfolgskritischen Stufen des Entscheidungsprozesses und dient als Ausgangspunkt für die Identifikation sog. „Trigger“. Sie bezeichnen den Auslöser eines kundenorientierten Prozesses oder einer Interaktion mit Kunden, wie beispielsweise der Besuch bei einem Microsoft-Reseller oder der Ablauf einer Software-Lizenz. Insgesamt hat Microsoft im Midmarket 311 solcher „Trigger“ identifiziert, allerdings beschränkt man sich bei der aktiven Gestaltung von Marketingmassnahmen auf die 12 wichtigsten Auslöser (vgl. Abbildung C-21). 341 342 Vgl. HASHMI/CUDDY (1990); MARTIN (1989); JULIEN (1995), S. 460: „They also modernize their equipment in a more incremental, less planned way than large firms, and they use more iterative and intuitive methods of obtaining scientific and technological information.“ Vgl. BALLANTINE et al. (1998) 121 When a customer is dissatisfied When M. needs to create awareness When M issues a service pack When 60 days have past after license agreement signed M = Microsoft Corp. Abbildung C-21: Fallbeispiel C-1: Rescue Str In f ateg i lu e c n ce Revenue When a customer attends an event When a customer needs a referral for a partner es s Respond Relat ionship ( Pu Re -) rch as e When a customer doesn't‘t renew n is io Dec in g k Ma When M proactively calls a customer Tr ia l lo y Dep n t me When one year has past since open has been signed t io n aren Aw Op er M a at e & n ag e a Ev alu When M receives negative feedback When a customer‘s license to expire in 90 days When a customer signs his first agreement Die zwölf wichtigsten Auslöser für Marketingaktivitäten bei Microsoft Bedeutung des Einkaufsprozesses mittelständischer Kunden bei Microsoft (Schweiz) AG343 Eine kommerzielle Untersuchung von RUTSCHMANN (2002) in 52 Schweizer Unternehmen unter 100 Beschäftigten konnte die oben beschriebene Planungslücke für HardwareInvestitionen bestätigen. Damit Betriebe in dieser Grössenklasse ihre IT-Komponenten erneuern reicht es im Allgemeinen nicht aus, dass die Systeme als veraltet bezeichnet werden können. Vielmehr ist ein sogenannter „Kipppunkt“ erforderlich, der die Notwendigkeit neuer PCs oder Server unmittelbar vor Augen führt. Die Untersuchung nennt hier explizit Systemabstürze oder Kompatibilitätsprobleme im Rahmen einer Softwareeinführung. Der Wiederbeschaffungszyklus korreliert dabei negativ mit der Unternehmensgrösse, da grössere Unternehmen ihre Hardwaresysteme häufiger austauschen als kleinere. Ein Grossteil der hier untersuchten Unternehmensklasse (unter 100 Mitarbeiter) substituiert nur alle vier Jahre oder später PCs und Desktops. Die Resultate der im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Unternehmergespräche konnten dieses oben beschriebene Investitionsverhalten allerdings nicht durchgängig bestätigen. So ist zu vermuten, dass die These kurzfristiger Investitionsentscheidungen bei zunehmender Grösse der Unternehmung und Bedeutung der Investition zu relativieren ist. Gerade für bedeutende Softwareinvestitionen wie ERP-Lösungen berichten die befragten KMU-Verantwortlichen ein- 343 Vgl. KURZ/ETTENGRUBER (2001) und Expertengespräch Microsoft (2003) 122 Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand heitlich über lange Entscheidungsprozesse im Vorfeld des Kaufs. In machen Fällen gingen der eigentlichen Entscheidung auch Machbarkeitsstudien voraus, die den Bedarf klären sollten.344 trifft gar nicht zu 1 Mittelwert 2 3 trifft voll und ganz zu 4 5 2,24 Es war nicht klar, mit welchen Kosten (direkt/indirekt) die Investition verbunden sein würde (n=524; s=1,21) 67% 14% 20% 2,08 Wir waren durch die technische Entwicklung verunsichert (n=525; s=1,02) 71% 17% 11% 1,84 Wir waren vom Nutzen und der Notwendigkeit der Investition nicht voll überzeugt (n=524; s=1,05) 81% 8% 10% 1,66 Wir waren nicht sicher, wen wir ins „Projektteam“ aufnehmen sollten (n=525; s=0,93) 85% Einen genauen formalen Projektplan für das weitere Vorgehen hatten wir nicht (n=524; s=1,14) Anteil trifft eher nicht zu (1+2) Abbildung C-22: 76% 0% neutral (3) 9% 7% 1,89 20% 40% trifft eher zu (4+5) 10% 14% 60% 80% 100% Mittelwert Merkmale im mittelständischen Beschaffungsprozess (Phase 1)345 Es ist also nicht so, dass sich mittelständische Unternehmen grundsätzlich so lange wie möglich gegen eine Investition wehren und nur bei akutem Bedarf handeln. Genauso wenig möchten sie technologisch auf dem neusten Stand sein. Vielmehr versuchen sie genau abzuwägen, welche neue Informationstechnik für das Geschäft zuträglich, sinnvoll und notwendig ist und welche Entwicklungen es abzuwarten gilt. Diese Position verdeutlicht auch Teil C 3.4b) zum Risikoverhalten des Kundensegments und die Ergebnisse in Abbildung C-22. Nur jeder Zehnte der befragten Unternehmer gab dabei an, dass er bzw. die Geschäftsleitung von dem Kauf nicht vollständig überzeugt und durch die technische Entwicklung verunsichert war. Der Mittelstand investiert also nur dann, wenn er sich der Notwendigkeit sicher ist und, entgegen der weit verbreiteten Meinung auf Anbieterseite, das technologische Umfeld mit seinen Möglichkeiten einigermassen überblicken kann. Abbildung C-22 liefert auch keine grundsätzliche Unterstützung für die Behauptung, mittelständische Unternehmen legten keinen Wert auf ein formales Vorgehen bei der Beschaffungsentscheidung und gingen eher unstrukturiert vor. ¾ der befragten Unternehmen lehnt die Aus- 344 345 Vgl. Expertengespräch Gallus (2003) Quelle: Mittelstandsbefragung 123 sage ab, sie hätten keinen formalen Projektplan für das weitere Vorgehen gehabt und nur 15% stimmen diesbezüglich zu. Bei näherer Betrachtung des Zahlenmaterials zeigt sich allerdings, dass hier zwischen den einzelnen Unternehmenstypen zum Teil deutliche Unterschiede zu Tage treten. Sowohl für Hardware- wie auch komplexe Softwareinvestitionen können bezüglich der Frage nach einem formalen Projektplan zwischen einzelnen Gruppen signifikante Unterschiede beobachtet werden. Tochtergesellschaften weisen hier eine deutlich höhere Planungsintensität auf als Eigentümerunternehmen. Dieser Zusammenhang besteht auch zwischen grösseren und kleineren mittelständischen Unternehmen, allerdings nur bei Investitionen in komplexe Software. Offensichtlicht unterscheiden sich die einzelnen Unternehmenstypen nicht signifikant bei (planungsextensiven und risikoarmen) Hardwareinvestitionen. b) Phase 2: Festlegung der Anforderungen an die Leistung In der Praxis des IT-Kaufs entspricht die Festlegung der Anforderungen an die Leistung weitestgehend der Erstellung des sog. „Pflichtenhefts“. Interessanterweise liegen bislang keine mittelstandsspezifischen Erkenntnisse zu dieser IT-Beschaffungsphase vor. Auch Arbeiten zum IT-Controlling und der IT-Evaluation (siehe Phase 4) nehmen sich dieser Aufgabe im Beschaffungsprozess kaum an. Zwar existiert eine Reihe von Quellen zu den Kriterien, die KMU bei der Auswahl ihrer Lieferanten und Leistungen anlegen (siehe Phase 5), eine Untersuchung ihres Generierungsprozesses fehlt aber praktisch gänzlich. Lediglich BALLANTINE et al. (1998) weisen darauf hin, dass klare Bewertungsmassstäbe in KMU häufig fehlen.346 Dieses Forschungsdefizit verwundert umso mehr, als dass die konkrete und adäquate Ausgestaltung des Pflichtenheftes sowohl für den Anbieter wie auch den mittelständischen Kunden von offensichtlicher Bedeutung ist. Fehler oder Unklarheiten in diesem Prozessschritt können für das nachfragende Unternehmen in der Nutzungsphase mit erheblichen Kosten verbunden sein. Anbieterorganisationen konzipieren ihre Offerten und Verkaufsstrategien basierend auf den Anforderungen und Bedürfnissen des Kunden, die er vornehmlich über das Pflichtenheft artikuliert. 346 BALLANTINE et al. (1998), S. 244:„One major implication is the lack of a clear yardstick or objective against which to measure the feasibility of potential IS and guide the decision process [in SME].“ 124 Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand trifft gar nicht zu 1 Mittelwert 2 Identifizierung der Anforderungen war schwierig („Pflichtenheft“) (n=525; s=1,18) 2,61 52% Konkretisierung der einzelnen Anforderungen war schwierig (Kennzahlen, Wichtigkeit,...) (n=525; s=1,17) Anteil trifft eher nicht zu (1+2) Abbildung C-23: 3 2,48 58% 0% neutral (3) 20% 40% trifft eher zu (4+5) 18% 21% 60% trifft voll und ganz zu 4 5 24% 27% 80% 100% Mittelwert Merkmale im mittelständischen Beschaffungsprozess (Phase 2)347 Abbildung C-23 verdeutlicht, dass die Festlegung der Anforderungen an die IT-Leistung sich für viele beschaffende Unternehmen problematisch gestaltet. Nur 58% bzw. 52% sahen diese Aufgabe als eher unproblematisch an, womit diese beiden Teilschritte zu den vergleichsweise kritischen Aufgaben im Gesamtprozess gehören. Betrachtet man nur die Investitionen in Software, die wiederum signifikant höhere Werte aufweisen, bezeichnen sogar nur 46% bzw. 40% der Stichprobe diese Aspekte als unproblematisch. Untersucht man diese Phase weiter findet man praktisch keine Unterschiede zwischen verschiedenen Grössenklassen oder Mittelstandstypen. Lediglich für Hardware-Investitionen weisen Eigentümerunternehmen höhere Werte auf als reine Tochtergesellschaften, die nicht zufallsbedingt erklärt werden können. Dieser statistisch signifikante Unterschied verschwindet aber bei den bedeutenderen Softwareinvestitionen. c) Phase 3: Suchprozess und Informationsverhalten Nachdem der IT-Bedarf geklärt und der Anforderungskatalog in Grundzügen erarbeitet ist stellt die Suche nach möglichen Lieferanten im Normalfall den nächsten Schritt im Investitionsprozess dar. Ziel dieses Suchprozesses ist in der Praxis vor allem die Generierung einer sogenannten „Long-List“, die eine Vielzahl potenzieller Lieferanten auflistet. Je nach gesuchter Leistung kann diese bis zu 30 Anbieter umfassen. Während das Nutzungsverhalten unterschiedlicher Informationsquellen im nächsten Abschnitt thematisiert wird soll an dieser Stelle vielmehr auf die Schwierigkeiten im Suchprozess eingegangen werden. 347 Quelle: Mittelstandsbefragung 125 JULIEN (1995) weist zwar darauf hin, dass der Suchprozess in kleineren Unternehmen vor allem iterativer Natur ist, eine nähere Untersuchung der Besonderheiten bleibt er aber schuldig. Nach PROSCH (2002) stellen Informationskosten eine grosse Barriere bei der Nutzung und dem Erwerb von IT für KMU dar. Er führt dies darauf zurück, dass IT in der Regel nicht Kerngeschäft des KMU ist. Die vorliegende Untersuchung kann diese Schwierigkeiten für die mittelständischen Unternehmen in der Schweiz nicht nachvollziehen. Nur ein Bruchteil der Befragten schätzt die verschiedenen Aspekte der Informationssuche als problematisch ein. Einzig der Zugang zu unabhängigen Informationen erscheint 19% schwierig. trifft gar nicht zu 1 Mittelwert 2 3 trifft voll und ganz zu 4 5 1,75 Wir wussten nicht, wer mögliche Anbieter sein könnten (n=523; s=0,97) 83% 9% 8% 1,61 Wir wussten nicht, über welche Medien wir uns informieren sollten (n=523; s=0,91) 86% 8%6% 2,21 Es war schwierig unabhängige Informationen zu erhalten (n=524; s=1,22) Anteil trifft eher nicht zu (1+2) Abbildung C-24: 65% 0% neutral (3) 20% 40% trifft eher zu (4+5) 16% 60% 80% 19% 100% Mittelwert Merkmale im mittelständischen Beschaffungsprozess (Phase 3)348 Neben den bereits mehrfach erwähnten Unterschieden zwischen Hard- und Softwareinvestitionen treten aber auch statistisch signifikante Unterschiede zwischen grossen und kleinen Mittelständlern auf. Bei beiden Leistungsarten gaben kleinere Unternehmen (unter 100 Mitarbeiter) deutliche häufiger als grössere Unternehmen (über 300 Mitarbeiter) an, dass sie nicht wussten, wer mögliche Anbieter sein könnten. d) Phase 4: Leistungsevaluation Leistungsevaluation beleuchtet die Phase im Investitionsprozess, in der die einzelnen Anbieter und Lösungen einer genaueren Untersuchung in Hinblick auf ihre Kosten und ihren Nutzen unterzogen werden. Bei grösseren Investitionen vollzieht sich dies typischerweise auch in mittelständischen Unternehmen in einem zweistufigen Prozess, der eine Grob- und eine Feineva- 348 Quelle: Mittelstandsbefragung 126 Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand luation vorsieht. Die Grobevaluation bezweckt die Anzahl potenzieller Anbieter auf ein handhabbares Mass zu reduzieren und eine sog. „Short-List“ zu erstellen. Anschliessend werden die verbleibenden Anbieter, in der Regel nicht mehr als fünf, der Feinevaluation unterzogen, die in der entgültigen Beschaffungsentscheidung mündet (Phase 5). IT-Evaluation gehört zu den am häufigsten untersuchten Themen im Informationsmanagement überhaupt. Sie wird in Unternehmen vor allem eingesetzt, um zwischen konkurrierenden Projekten zu entscheiden, aber auch um Entscheidungen vorab oder nachträglich zu begründen.349 Methoden der Kosten- und Nutzenzuschlüsselung haben dabei besondere Aufmerksamkeit erfahren.350 Trotzdem sind Beiträge zur IT-Evaluation in mittelständischen Unternehmen, deren IT anderen Rahmenbedingungen ausgesetzt ist, eher die Ausnahme. BALLANTINE et al. (1998) verweisen darauf, dass IT-Evaluation in KMU und Grossunternehmen z. T. erhebliche Unterschiede aufweisen: „Findings from the four cases suggest that SME characteristics have implications for evaluation practices. Additionally, the focus of evaluation in SMEs differs from that in larger organizations.351 Als Ergebnis ihres Fallstudienansatzes stellen sie eine Reihe von Hypothesen zur mittelständischen IT-Evaluation auf, die bisher aber noch keiner empirischquantitativen Überprüfung unterzogen wurden: Formalität SMEs will adopt less formal investment decision-making processes than larger organizations. Strategiebezug SMEs are poorer in their ability to identify when investments in IS/IT might be used to gain strategic advantage than large companies. Synergien The absence of a business and IS/IT strategy leads to greater emphasis on individual projects, as opposed to portfolio effects of IS/IT projects in SMEs. Techniken Financial evaluation techniques are appropriate for evaluating investments in IS/IT, as these techniques reflect the factors critical to the success if SMEs themselves. Tabelle C-7: Ausgewählte Forschungshypothesen zur IT-Evaluation in KMU352 BERGMANN (1994) kann lediglich bestätigen, dass der Informationsbedarf im Auswahlprozess komplexer Softwaresysteme in Abhängigkeit von der Unternehmensgrösse variiert und Unternehmen unter 500 Mitarbeiter deutlich mehr Informationen zum konkreten Anwendungsbezug der Leistung offerierten anfordern als Grossunternehmen.353 Vielfach wird die Meinung vertreten, dass der Mittelstand den Aufwand für ausgefeilte Wirtschaftlichkeitsanalysen o. ä. scheut. PREIßL (1996) führt dies darauf zurück, dass sich traditio- 349 350 351 352 Vgl. TEUBNER et al. (o. J.) Für einen Überblick vgl. BANNISTER/REMENYI (1999) BALLANTINE et al. (1998), S. 246 BALLANTINE et al. (1998), S. 248 f. 127 nelle Methoden für die Bewertung moderner IT nur begrenzt anbieten. Gemäss der SECO (2002) gilt der nur schwer abschätzbare Nutzen weiterhin als eine Hauptbarriere bei der Nutzung von E-Commerce in Schweizer KMU. BERNROIDER/KOCH (2001) erkennen, dass KMU weniger komplexe und dynamische Methoden bei der Entscheidungsfindung verwenden und insgesamt auch weniger Aufwand als Grossunternehmen betreiben. Die bereits mehrfach erwähnte Studie von PROSCH (2002) identifiziert, dass 33% bzw. 38% der befragten Unternehmen KMU Probleme bei der Beurteilung der Angebote bzw. der Produktqualität haben. Diesbezüglich konnte er auch keinen signifikanten Unterschied zwischen einzelnen IT-Leistungen wie Hard- oder Software erkennen. Abbildung C-25 gibt die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit wieder. Insgesamt gehört die Leistungsevaluation im Vergleich zu anderen Aufgaben zu den tendenziell problematischeren Schritten im Investitionsprozess. Die Einzelwerte fallen dabei allerdings niedriger aus als bei PROSCH (2002), was auf eine unterschiedliche Zusammensetzung der Stichprobe hinsichtlich Grösse oder Region zurück geführt werden könnte. Er schliesst auch Kleinbetriebe in die Untersuchung ein. Eine alternative Erklärungsmöglichkeit besteht darin, dass in den letzten 4 Jahren in den Unternehmen Lerneffekte realisiert wurden, die sich auf die IT-Bewertung auswirken. So zeigt sich, dass mit einer Ausnahme alle Teilaufgaben der Projektevaluation von maximal jedem vierten Unternehmen als problematisch angesehen wurde. Einzig die Bestimmung des Gesamtnutzens der einzelnen Angebote fiel 29% der Befragten schwer. Nur 15% konnten die Zusammensetzung und Höhe der Preise nicht nachvollziehen. Ebenfalls nicht bestätigt werden kann die Behauptung von PROSCH (2002), die Art der ITLeistung wäre ohne Einfluss auf die Problematik der IT-Evaluation, wie schon Abbildung C-20 verdeutlicht. So wiesen sämtliche Aspekte der Hardwareevaluation signifikant niedrigere Mittelwerte auf als die Evaluation komplexer Software. Weitere Unterschiede lassen sich zwischen den einzelnen Unternehmenstypen ausmachen. So tun sich Eigentümerunternehmen deutlich schwerer beim Vergleich der Anforderungen mit den einzelnen Lösungen als Tochtergesellschaften oder Unternehmen mit externem Management. Dieser Effekt ist allerdings nicht bei Hardware-Investitionen zu beobachten. 353 Vgl. BERGMANN (1994), S. 114 128 Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand trifft gar nicht zu 1 trifft voll und ganz zu 4 5 Mittelwert 2 3 2,40 Den Mitarbeitern fehlte es an Zeit für die Investitionsbeurteilung (n=523; s=1,15) 59% 20% 21% 20% 23% 18% 25% 2,46 Vergleich der Anforderungen mit den einzelnen Lösungen war kaum möglich (n=523; s=1,17) 57% 2,48 57% Bestimmung der Gesamtkosten der einzelnen Lösungen war schwierig (n=523; s=1,19) 2,64 Bestimmung des Gesamtnutzens der einzelnen Lösungen war schwierig (n=523; s=1,20) 50% 21% 29% 2,14 Wir konnten die Höhe und Zusammensetzung der Preise nicht nachvollziehen (n=524; s=1,13) Anteil trifft eher nicht zu (1+2) Abbildung C-25: 71% 0% neutral (3) 20% 14% 40% trifft eher zu (4+5) 60% 80% 15% 100% Mittelwert Merkmale im mittelständischen Beschaffungsprozess (Phase 4)354 e) Phase 5: Beschaffungsentscheidung Die Beschaffungsentscheidung schliesst sich unmittelbar an die Evaluation der einzelnen Anbieter oder Lösungen an. Sie beinhaltet zwei Aspekte, die beide an dieser Stelle bearbeitet werden sollen. Zum einen geht es analog zum bisherigen Vorgehen um die Frage, welche Besonderheiten und Schwierigkeiten diese Phase des Prozesses vorweist. Diesbezüglich liegen bislang weder praxisorientierte noch wissenschaftliche Ergebnisse vor. Allgemein wird aber immer die wieder die Vermutung geäussert, dass IT-Investitionsentscheidungen stark intuitiv geprägt seien, die Auswahl also „aus dem Bauch“ erfolge. Dies gelte umso mehr für mittelständische Unternehmen.355 Wie Abbildung C-26 zeigt, kann diese Behauptung teilweise durch die vorliegende Befragung gestützt werden. Insgesamt geben 29% an, dass die Auswahl auch etwas „aus dem Bauch“ erfolgte. Diese Zahl steigt noch auf 34%, betrachtet man nur die Investitionen in komplexe Software. Erwartungsgemäss konnte die Untersuchung diesbezüglich auch signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Unternehmenstypen identifizieren. Tochtergesellschaften grosser Unternehmen weisen hier deutlich niedrigere Werte auf als Unternehmen mit externem Management und insbesondere Eigentümerunternehmen. Diese geben bei komplexen Softwareinvestitionen sogar zu 37% an, die Auswahl erfolge auch etwas „aus dem Bauch“, wohingegen nur 41% diese Aussage ablehnen. Bei einer weiteren Differenzie- 354 Quelle: Mittelstandsbefragung 129 rung zwischen grösseren und kleineren Mittelständlern treten ähnliche Unterschiede zu Tage. Sowohl für Hard- wie auch Softwarekäufe stimmen signifikant mehr kleinere als grössere Betriebe der Zusage zu, die Auswahl erfolge auch etwas „aus dem Bauch“. Darüber hinaus tun sich kleinere Unternehmen auch deutlich schwerer beim Vergleich einzelner Lösungen (Hardwareinvestition) und der entgültigen Auswahl eines Anbieters (Software). trifft gar nicht zu 1 Abbildung C-26: 19% 2,43 57% 20% 29% 23% 1,94 Die Auswahl fiel uns schwer; bis zum Schluss gab es keinen eindeutig besten Anbieter (n=523; s=1,00) 77% 0% neutral (3) 3 52% Vergleich der Lösungen bzw. Anbieter war schwierig (n=523; s=1,16) trifft eher nicht zu (1+2) 2 trifft voll und ganz zu 4 5 2,56 Die Auswahl erfolgte auch etwas „aus dem Bauch“ (n=522; s=1,25) Anteil Mittelwert 20% 40% trifft eher zu (4+5) 13% 10% 60% 80% 100% Mittelwert Merkmale im mittelständischen Beschaffungsprozess (Phase 5)356 Ein weiterer Aspekt, den es im Rahmen der Beschaffungsentscheidung zu untersuchen gilt, hängt unmittelbar mit der Entscheidung als solche zusammen und beschreibt, welche konkreten Kriterien mittelständische Unternehmen bei der Leistungsauswahl anlegen bzw. welche Anforderungen sie an die Leistung stellen. Sie leiten sich in der Regel aus den bereits beschriebenen allgemeingültigen IT-Zielen357 ab und lassen sich weniger abstrakt formulieren und messen. Dieser Fragestellung haben sich in der Vergangenheit einige Autoren gewidmet, wobei sich die Arbeiten v.a. in ihrem Differenzierungsgrad unterscheiden. Nach PROSCH (2002) legen mittelständische Unternehmen bei der Auswahl informationstechnischer Leistungen vor allen Dingen Wert auf die Reputation und Zuverlässigkeit des Produkts und Garantie und Service. Jeweils 83% der Unternehmen bezeichneten die Bedeutung dieser zwei Kriterien als gross oder sehr gross. Dritt wichtigstes Kriterium bei der Beschaffungsentscheidung ist die Reputation und Zuverlässigkeit des Lieferanten (73%). TEVES (2000) erkennt, dass in Betriebe über 20 Mitarbeitern neben abstrakteren IT-Zielen (Beschleunigung von Abläufe, Kostenverringerung) vor 355 356 357 Vgl. exemplarisch BANNISTER/REMENYI (1999) Quelle: Mittelstandsbefragung Vgl. Teil C 3.5 130 Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand allem die Betriebs- und Beschaffungskosten, Nutzerfreundlichkeit, Beschaffungskosten und die Kompatibilität mit vorhandener Technik von herausragender Bedeutung sind.358 Während PROSCH (2002) und TEVES (2000) sich auf Investitionen im Bereich Informationstechnologie ohne eine weitere Differenzierung konzentrieren, beziehen sich andere Arbeiten auf kleinere Ausschnitte aus dem Angebotsspektrum der IT-Industrie. So erscheint es logisch, dass sich das Anforderungsprofil je nach IT-Gut unterscheidet oder die einzelnen Kriterien verschieden gewichtet sind. BAUMEISTER (2002) beispielsweise untersucht die Bedürfnisstrukturen des Mittelstandes bei Investitionen in komplexe CRM-Systeme und betont diesbezgl. die beschränkten Ressourcen der Unternehmen. Entsprechend sollte die Lösung nicht nur günstig im Anschaffungspreis sein, sondern darüber hinaus nur minimale Implementierungs- und Beratungskosten mit sich bringen. Auch MITEV/MARSH (1998) verweisen auf die steigende Bedeutung des Preises bei kleinen Betriebsgrössen.359 Weitere Ergebnisse betreffen die Bedürfnisse deutscher bzw. Schweizer mittelständischer Unternehmen beim Einkauf von ERP-Software. RAMSAUER et al. (2002) identifizieren als wichtigste Kriterien bei der Softwareauswahl den Leistungsumfang und die Ausbaufähigkeit des Produkts, wohingegen der Bekanntheitsgrad und die Lizenzkosten relativ unwichtig sind. Wichtig ist an dieser Stelle auf den Unterschied zwischen Softwareproduzent und -anbieter hinzuweisen. Da ERP-Module wie bereits mehrfach erläutert nicht „von der Stange“ gekauft werden, sondern immer einer gewissen Anpassung bedürfen, kommt der Auswahl des Implementierungspartners ähnliche Bedeutung wie der Produktauswahl selbst zu. Entsprechend führen RAMSAUER et al. (2002) auch noch die Zuverlässigkeit des Anbieters als weiteres wichtiges Anforderungskriterium an. Die Studie von TECHCONSULT (2003) nimmt sich diesem Aspekt an und nennt neben dem Preis-Leistungsverhältnis die Erfahrung mit kleinen und mittelständischen Unternehmen als die wichtigsten Anforderungen an den ITPartner.360 DETTLING et al. (2004) schliesslich konkretisieren die Anforderungen an den ITPartner. Nach ihnen kommt es im Mittelstand vor allem darauf an, dass der Partner flexibel und zeitnah auf die besonderen Ansprüche des mittelständischen Unternehmens reagieren kann. Abbildung C-27 zeigt die Ergebnisse dieser Studie zu den allgemeinen Kriterien der Produktauswahl im Schweizerischen Mittelstand. Sie konkretisiert die Erkenntnisse früherer Arbeiten und bestimmt die Wichtigkeit einer Vielzahl möglicher Anforderungskriterien. So zeigt sich, 358 359 360 Vgl. TEVES (2000), S. 87 ff. Vgl. MITEV/MARSH (1998), S. 236 TECHCONSULT (2003), S. 147 131 dass eine digitale Trennung in relevante und irrelevante Kriterien zwar nur schwer erkennbar ist, nichtsdestotrotz scheinen in den Augen der Entscheider einige Punkte wichtiger zu sein als andere. So spielen Bindungseffekte entgegen den Ausführungen in Teil B 2.3.1 eine vergleichsweise geringe Rolle. Abhängigkeiten vom Anbieter oder die Kompatibilität zu bestehenden System bezeichnen nur wenige mittelständische Unternehmen als entscheidend. Ähnliches gilt für den Anschaffungspreis, der auch nur einen moderaten Mittelwert aufweist. Das deutlich weiter gefasste Kriterium „allgemeine Wirtschaftlichkeit über die gesamte Nutzungsdauer“ bezeichnen zwar Ҁ der Unternehmen als entscheidend, andere Gesichtspunkte scheinen jedoch in den Augen der Befragten wichtiger. Sicherheitsaspekte nehmen eine dominante Stellung bei der Produktauswahl ein. 77% der Unternehmen bezeichneten dieses Kriterium als entscheidend. An zweit- bzw. drittwichtigster Stelle folgt mit 73% bzw. 70% das Thema Skalierbarkeit und Bedienerfreundlichkeit. Insgesamt lässt sich damit zu den Produktanforderungen festhalten, dass die vorliegende Befragung die bestehenden Ergebnisse und Meinungen nur teilweise wiederspiegelt. Zum einen sind Bindungseffekte von geringerer Bedeutung als gemeinhin angenommen. Ähnliches gilt für das Kriterium Preis bzw. Wirtschaftlichkeit. Nur eine relativ geringe Anzahl an Unternehmen legt sich auf diese Kriterien fest. Während die grosse Bedeutung der Skalierbarkeit sich auch bei RAMSAUER et al. (2002) findet, ist die hohe Bedeutung der Datensicherheit zwar ein Novum, aber nicht erstaunlich. Es kann davon ausgegangen werden, dass dieser Aspekt bisher nicht vernachlässigt wurde, sondern vielmehr einen „Hygienefaktor“ darstellt, der von allen Anbietern erkannt und erfüllt wurde. 132 Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand unwichtig entscheidend Mittelwert 1 2 3 4 5 4,04 Sicherheitsaspekte: Stabilität, Datenverlust, Sicherheit,... (n=516; s=0,94) 77% 17% 6% Skalierbarkeit der Leistung / modularer Aufbau / Updates (n=517; s=0,92) 3,92 73% 20% 7% 3,87 Bedienerfreundlichkeit (n=514; s=0,88) 24% 70% 27% 67% 18% 70% 6% Allgemeine Wirtschaftlichkeit über die Nutzungsdauer (n=516; s=0,88) 3,85 6% Leistung passte zu unseren Prozessen, wenig Reorganisation nötig (n=517; s=1,00) 11% Überlegene Ausstattung (Funktionen etc.) (n=515; s=0,93) 11% 3,83 3,65 62% 27% 3,64 Leistung passte zu unseren vorhandenen Systemen, wenig Schulung o.ä. notwenig (n=515; s=1,15) 18% 61% 21% 3,62 Anschaffungspreis (n=517; s=0,95) 10% 56% 34% 3,45 Keine Abhängigkeit vom Anbieter durch das Produkt (Offene Standards,...) (n=511; s=1,10) 31% 19% 50% 2,86 Leistung passte zu den Systemen unserer Marktpartner (Muttergesellschaft, Kunden, ...) (n=507; s=1,42) Anteil eher unwichtig (1+2) Abbildung C-27: 44% 0% neutral (3) 20% 20% 40% eher entscheidend (4+5) 60% 37% 80% 100% Mittelwert Kriterien zur Produktauswahl361 Neben den Kriterien zur Produktauswahl gilt es wie gesagt die zur Lieferantenauswahl zu unterscheiden. Wie Abbildung C-28 veranschaulicht stehen hier erwartungsgemäss die Fähigkeiten des Anbieters im Zentrum des Interesses. 361 Quelle: Mittelstandsbefragung 133 Mittelwert unwichtig 1 2 entscheidend 3 4 5 4,13 Fachkompetenz der Anbieter: Lösungs- und Implementierungs-Know-how (n=519; s=0,87) 13% 82% 5% Überzeugendes Dienstleistungspaket: Wartung, Support, Garantieleistungen (n=518; s=0,77) Ruf des Anbieters und Empfehlungen/Referenzen (n=519; s=0,88) 4,12 81% 16% 2% 3,95 76% 18% 6% 3,85 Beziehungskompetenz der Anbieter: Menschliche Fähigkeiten/Vertrauen (n=518; s=0,97) 10% Investitionssicherheit/Supportgarantie: Grösse und finanzielle Stärke des Anbieters (n=519; s=0,98) 13% 73% 17% 3,71 63% 24% 3,55 Vorhandene Lösungen/Leistungen des Anbieters in unserem Unternehmen (n=518; s=1,33) 22% 61% 17% 3,26 Bestehende Kontakte/Geschäftsbeziehung zum Anbieter (n=518; s=1,32) 30% 20% Örtliche Nähe des Anbieters (n=516; s=1,24) 32% 28% 50% 3,12 Anteil eher unwichtig (1+2) Abbildung C-28: neutral (3) 0% 20% 40% eher entscheidend (4+5) 40% 60% 80% 100% Mittelwert Kriterien zur Lieferantenauswahl362 Die Fachkompetenz in Kombination mit einem überzeugenden Dienstleistungspaket ist für über 80% der Unternehmen entscheidend bei der Anbieterauswahl. Sein Ruf und die entsprechende Beziehungskompetenz sind noch für immerhin rund ¾ sehr wichtig. Investitionssicherheit bedingt durch Grösse und finanzielle Stärke des Anbieters weist einen moderaten Mittelwert auf, wohingegen Kriterien, die sich auf bestehende Kontakte und die örtliche Nähe beziehen, insgesamt vergleichsweise unwichtig eingeschätzt werden. Somit bestätigt Abbildung C-28 auch die allgemein grosse Bedeutung des IT-Partners, wie sie schon andere Autoren erkannt haben. Angesichts des technischen Produktcharakters erscheint die dominante Bedeutung einzelner Kriterien der Anbieterkompetenz durchaus nachvollziehbar. Dass beziehungsorientierte Faktoren relativ niedrigere Werte aufweisen sollte nicht dar- 134 Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand über hinwegtäuschen, dass auch sie eine wichtige Rolle bei der Beschaffungsentscheidung spielen. Immerhin 63% bzw. 50% der Unternehmen bezeichnen bestehende Leistungen oder Kontakte zum potenziellen Anbieter als entscheidende Kriterien der Anbieterauswahl. Selbst die örtliche Nähe eines Anbieters ist nur für 32% eher unwichtig. Mittelwert unwichtig 1 2 entscheidend 3 4 5 4,20 Sicherheitsaspekte: Stabilität, Datenverlust, Sicherheit,...* 3,88 Skalierbarkeit der Leistung / modularer Aufbau / Updates 3,88 Bedienerfreundlichkeit 3,86 Allgemeine Wirtschaftlichkeit über die Nutzungsdauer 3,82 3,97 3,90 3,91 3,91 Leistung passte zu unseren Prozessen, wenig Reorganisation nötig 3,74 3,60 Überlegene Ausstattung (Funktionen etc.) 3,73 3,94 Leistung passte zu unseren vorhandenen Systemen, wenig Schulung o.ä. notwenig* 3,31 3,75 Anschaffungspreis* 3,47 3,60 Keine Abhängigkeit vom Anbieter durch das Produkt (Offene Standards,...)* 3,34 2,98 Leistung passte zu den Systemen unserer Marktpartner (Muttergesellschaft, Kunden, ...)* Hardware (n=259) Abbildung C-29: 2,71 Komplexe Software (n=239) Kriterien der Produktauswahl nach Investitionstyp363 Differenziert man die Kriterien der Beschaffungsentscheidung weiter nach Art der Investition (Hardware, Komplexe Software) stellt man interessanterweise fest, dass beim Hardwarekauf mit einer Ausnahme alle Kriterien höher gewichtet werden (vgl. Abbildung C-29). Signifikante nachvollziehbare Unterschiede bestehen dabei hinsichtlich der Datensicherheit und dem Anschaffungspreis. Da es sich bei einfacher Hardware grösstenteils um „Commodity-Produkte“ 362 363 Quelle: Mittelstandsbefragung Quelle: Mittelstandsbefragung. Signifikante Unterschiede mit p<0.05 sind mit * gekennzeichnet 135 erstaunt die dominierende Rolle des Anschaffungspreises nicht. Auch die Datensicherheit nimmt insbesondere im Serverbereich eine bekannt wichtige Position ein. Mittelwert unwichtig 1 2 entscheidend 3 4 5 4,13 4,12 Fachkompetenz der Anbieter: Lösungs- und Implementierungs-Know-how 4,22 4,00 Überzeugendes Dienstleistungspaket: Wartung, Support, Garantieleistungen* 3,95 3,94 Ruf des Anbieters und Empfehlungen/Referenzen 3,89 3,78 Beziehungskompetenz der Anbieter: Menschliche Fähigkeiten/Vertrauen 3,70 3,71 Investitionssicherheit/Supportgarantie: Grösse und finanzielle Stärke des Anbieters 3,83 Vorhandene Lösungen/Leistungen des Anbieters in unserem Unternehmen* 3,22 3,57 Bestehende Kontakte/Geschäftsbeziehung zum Anbieter* 2,86 Örtliche Nähe des Anbieters* 2,88 3,31 Hardware (n=259) Abbildung C-30: Komplexe Software (n=239) Kriterien der Anbieterauswahl nach Investitionstyp364 Die weiteren signifikanten Unterschiede zwischen Hard- und Softwarekriterien sind schwerer zu interpretieren. So erstaunt es, dass auch die Kriterien, die in Bezug zum Systembindungseffekt stehen, bei Hardwareinvestitionen höher gewichtet sind. Allgemein würde man davon ausgehen, dass Softwareprodukte eine stärkere Bindung erzeugen. Eine mögliche Erklärung für dieses Phänomen könnte darin liegen, dass es sich bei komplexer Software mehrheitlich um Neu- im Gegensatz zu Ersatz- oder Erweiterungsinvestitionen im Hardwarebereich handelt. Insofern hat der „Systemfit“ in den Augen der Unternehmen bei neuer Software eine geringere Bedeutung. Bei der differenzierten Betrachtung der Kriterien der Produktauswahl nach Investitionstyp zeigen sich teilweise noch stärkere Unterschiede zwischen Hard- und Softwareinvestitionen. Die Ergebnisse bestätigen damit ein weiteres Mal die herausragende Rolle der „Value Added Reseller“ (VAR) beim Hardwarekauf. Zum einen ist das Dienstleistungspaket des Wiederverkäu- 136 Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand fers zu nennen, welches insbesondere aus Wartung der installierten Systeme besteht und einen offensichtlichen Differenzierungsfaktor darstellt. Darüber hinaus macht Abbildung C-30 deutlich, dass beziehungsorientierte Faktoren nicht zu vernachlässigen sind, auch wenn Abbildung C-28 dies auf den ersten Blick suggeriert. Stattdessen nehmen sie bei Hardwarekäufen, die in der Regel Ersatz- oder Erweiterungsinvestitionen darstellen, eine sehr wichtige Rolle ein. Die hohen Mittelwerte legen demnach nahe, dass bestehende Kontakte oder Systeme bei der Beschaffungsentscheidung durchaus entscheidend sein können. Auch die örtliche Nähe des Anbieters ist keinesfalls vollkommen unwichtig, geht es um die Auswahl eines Hardwareanbieters. 4.2.3 Informationsquellen im IT-Beschaffungsprozess PROSCH (2002) nahm sich detailliert den Informationsquellen an, die deutschen Mittelständler im IT-Lieferantenauswahlprozess nutzen.365 Seinen Daten zu Folge investiert nur eine Minderheit von Betrieben intensiv in die selbständige Partnersuche mittels Informationsveranstaltungen (Messen, Vorträge,...) oder Offerten. „39% verzichten gänzlich auf Anfragen bei mehreren Lieferanten – von Offerten ganz zu schweigen: 43% der Befragten geben an, keine einzige Offerte eingeholt zu haben.“366 Dies deutet schon die tragende Bedeutung früherer Erfahrungen mit dem Lieferanten an. Fast der Hälfte der Unternehmen gab an, sich in erster Linie an bestehenden Geschäftsbeziehungen zu IT-Lieferanten orientiert zu haben. Darüber hinaus nehmen Netzwerkbeziehungen zu befreundeten Unternehmen eine Schlüsselrolle im Informationsprozess ein. Knapp Ҁ der Betriebe erkundigten sich nach Erfahrungen anderer Unternehmen (Referenzen) mit dem Produkt oder dem Lieferanten, wohingegen Berater, Banken oder Verbände keine Rolle spielten.367 Bei der Auswahl eines ERP-Pakets nutzten in der Studie von BERNROIDER/KOCH (2001) kleine und mittlere Unternehmen signifikant weniger externe Informationsquellen als Grossunternehmen. Darüber hinaus konzentrierten sich KMU auch mehr auf günstigere Methoden der Informationsaufnahme. Auf Prototypen oder kostenpflichtige Marktstudien, evtl. durch externe Berater, griffen ausschliesslich Grossunternehmen zurück. Anbieterpräsentationen und Informationsmaterial nutzten hingegen alle Unternehmensgrössen. 364 365 366 367 Quelle: Mittelstandsbefragung. Signifikante Unterschiede mit p<0.05 sind mit * gekennzeichnet Für einen Überblick über die Nutzung von Informationsquellen bei der Beschaffung von Systemtechnologien durch gewerbliche Kunden im Allgemeinen vgl. BERGMANN (1994), S. 101 und die dort angegebene Literatur PROSCH (2002), S. 199 Vgl. auch BRÜNE (1990). Auch nach einer Untersuchung des Marktforschungsinstitut Evans bezeichnen 55% der befragten kanadischen KMU Mund-zu-Mund-Propaganda bei der Lieferantenauswahl als sehr wichtige Informationsquelle. Vgl. KANGUR (2002), S. 5 137 Auch die Arbeit von TEVES (2000) stützt diese Ergebnisse grösstenteils. Bei der Auswahl von Informationssystemen in Unternehmen zwischen 20 und 500 Mitarbeitern haben bestehende Lieferanten und Kunden eine hohe Bedeutung als Entscheidungshelfer. Allerdings vertrauen in seiner Untersuchung 92% der Befragten auch auf EDV-Berater, wobei deren genaue Rolle nicht näher erläutert wurde. Es kann davon ausgegangen werden, dass es sich hierbei in erster Linie um VAR handelt, die auch beraterisch tätig sind. JULIEN (1995) betont neben den bereits erwähnten Netzwerkbeziehungen auch die Bedeutung multipler Informationsquellen im Technologiebeschaffungsprozess kleinerer Unternehmen: „However, for a specific decision like buying a major new technology, most firms do not limit themselves to a single source or single network - first because the technology demands financing, personnel training, new market development, etc., and second because no single source can provide all the useful and appropriate information needed and be up-to-date at the same time.“368 Seiner Meinung nach kann dies darüber hinaus auch auf eine grundsätzliche Skepsis kleinerer Unternehmen gegenüber externen Beratern oder Anbieterorganisationen zurückgeführt werden. In der vorliegenden Arbeit spielen schon zu Beginn der Investition Informationsmaterialen der Anbieter die Hauptrolle im Informationsprozess. Bei Projektinitiierung greifen 57% der befragten Unternehmen auf diese Informationsquelle zurück. Diese Zahl sinkt im Laufe des Beschaffungsprozesses zwar etwas, Informationsmaterial bleibt aber mit Nutzungsraten von konstant über 50% das wichtigste Medium, wie Abbildung C-31 visualisiert. Als zweitwichtigste Quelle folgen mit einer Nutzungsrate zwischen 25% und 39% andere Unternehmen als Referenzen. Ihre bereits mehrfach erwähnte grosse Bedeutung kann also im Rahmen dieser Untersuchung zum Informationsverhalten bestätigt werden. Die Wertigkeit dieses Mediums differiert aber in Abhängigkeit vom Beschaffungsprozess. Während vor allem bei der Projektinitiierung und der Anbieterauswahl auf andere Unternehmen zurückgegriffen wird, werden diese bei der endgültigen Beschaffungsentscheidung relativ selten als Informationsmedium herangezogen. 368 JULIEN (1995), S. 469 138 Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand 39% 24% Projektinitiierung 15% 57% 28% 18% Festlegung der Anforderungen 7% 51% 32% 29% Anbietersuche 16% 51% 34% Anbieterbewertung 12% 5% 52% 25% Anbieterauswahl 7% 3% 52% Anteil Abbildung C-31: 0% 20% 40% 60% Andere Unternehmen/Referenzen Fachzeitschriften/Internet Messen Infomaterial der Anbieter 80% 100% Informationsquellen im IT-Beschaffungsprozess369 Die Nutzung von Zeitschriften und dem Internet erfolgt deutlich seltener.370 Einzig bei der Projektinitiierung und der Informationssuche greifen die befragten Unternehmen zu 24% bzw. 29% auf diese Quellen zurück. Messen sind im Informationsprozess von vergleichsweise geringer Bedeutung. Analog zu den Besonderheiten im Investitionsprozess können auch hinsichtlich der genutzten Information eine Reihe signifikanter Unterschiede zwischen Hard- und Softwarekäufen ausgemacht werden. So steigt vor allen Dingen die Nutzung von Referenzen bei komplexen Softwareinvestitionen auf teilweise über 50% an. Über den gesamten Investitionsprozess nehmen 369 370 Quelle: Mittelstandsbefragung Eine vergleichsweise hohe Anzahl Unternehmen gab auch die Nutzung „sonstiger“ Quellen an. Dies liess sich nach Rücksprache mit einigen Probanden dadurch erklären, dass auch direkt am Kaufprozess beteiligte Personen wie EDV-Berater oder Mitarbeiter der IT-Abteilung als Informationsquellen interpretiert wurden. Da diese Thematik unter „Personen“ erörtert wird, kann im weiteren Verlauf dieses Abschnitts darauf verzichtet werden. 139 andere Unternehmen als Informationsquelle eine signifikant bedeutendere Rolle ein, wenn Unternehmen komplexe Software beschaffen. 4.2.4 Beteiligte Personen im IT-Beschaffungsprozess Bezüglich der Zusammensetzung des Buying Centers, der an der Investition beteiligten Personen und Stellen, weisen BERNROIDER/KOCH (2001) als erstes darauf hin, dass das ERPEvaluationsteam in kleinen und mittelständischen Unternehmen mit durchschnittlich nur 4,8 Personen signifikant kleiner ist als in Grossunternehmen. Des Weiteren konstatieren sie in KMU eine stärkere Zentralisierungstendenz im Auswahlprozess, namentlich in der ITAbteilung und im Top-Management. Grossunternehmen integrieren hingegen häufiger die Fachabteilungen und späteren Nutzer des Systems. Eine per se zentralisierte Organisationsstruktur und fehlende Ressourcen können als Gründe hierfür angeführt werden. Gemeinhin werden denn auch die Geschäftsleitung bzw. der Geschäftsführer und die ITLeitung als tragende Säule der Investitionsentscheidung genannt. Auch PROSCH (2002) kann keine Beteiligung anderer Personen aus den Bereichen Finanzen, Einkauf oder Recht feststellen. Wie bereits an früherer Stelle erwähnt kommt bei komplexen strategischen Entscheidungen, wie z. Bsp. Einführung eines ERP-Systems, der Persönlichkeit des Top-Managements bzw. des CEOs eine tragende Rolle zu.371 Entscheidungen reflektieren dann auch die Vorlieben und Interessen des Entscheidungsträgers.372 LYBAERT (1998) führt dies schlicht darauf zurück, dass in mittelständischen Unternehmen keine Personen oder Abteilungen für solche Aufgaben vorhanden sind. Beispielsweise identifiziert eine Studie von TECHCONSULT (2003) die Geschäftsleitung als treibende Kraft hinter den E-Business-Anstrengungen im deutschen Mittelstands (100 bis 500 Mitarbeiter). Daneben spielt nur noch die EDV-Abteilung eine Rolle, weitere Abteilungen im Unternehmen wie das Marketing oder der Vertrieb sind zu vernachlässigen.373 Schliesslich sei noch auf den Einfluss externer Berater im Rahmen des ITBeschaffungsprozesses hingewiesen. Wie bereits angedeutet liegen diesbezüglich unterschiedliche Befunde vor. In den qualitativen Studien von LEVY/POWELL (1998) bzw. BALLANTINE et al. (1998) liessen sich sämtliche Mittelunternehmen aufgrund begrenzten Know-hows durch externe Unterneh- 371 372 373 Vgl. STOREY (1994); CRAGG/KING (1993) Vgl. HAMBRICK/MASON (1984) Vgl. TECHCONSULT (2003), S. 156 140 Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand men bei der Systemauswahl unterstützen. In einer breiter angelegten Studie zum PPSAuswahlprozess deutscher mittelständischer Unternehmen kommen BACKHAUS/REINKEMEIER (1997) jedoch zu dem Ergebnis, dass lediglich 37,5% (PPS-Erweiterung) respektive 53,5% (PPS-Neuinvestition) auf die Hilfe externer Berater zurückgreifen. Als wichtigste Motive für den Einbezug der Berater in den Beschaffungsprozess wurde ein Know-how Transfer bzgl. des PPS-Systems bzw. ihre „neutrale“ Perspektive genannt. Die bereits erwähnte Untersuchung von RUTSCHMANN (2002) relativiert die Bedeutung externer Meinungsbildner weiter. So spielen beim Hardwarekauf weder VAR noch sonstige Berater eine herausragende Rolle, vorausgesetzt, dass Unternehmen beschäftigt mehr als 50 Mitarbeiter. Die Aufgabe des Handels beschränkt sich hier auf eine reine Logistikfunktion. Kleinunternehmen hingegen verlassen sich auch bei PCs und Servern noch stark auf ihre IT-Dienstleister und Hardwarelieferanten. Diese leicht heterogenen Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass die Beteiligung Externer am Beschaffungsprozess sowohl vom mittelständischen Unternehmen selber wie auch der zu beschaffenden Leistung abhängt. Es ist auch nicht auszuschliessen, dass sich mittelständische Unternehmen im Zuge des allgemeinen Reifungsprozess ihres Informationsmanagements immer weniger auf externe Hilfe verlassen müssen. Abbildung C-32 verdeutlicht die dominierende Rolle der Geschäftsleitung bei der Problemwahrnehmung und Anbieterauswahl. Während in 82% aller untersuchten Investitionen die Geschäftsleitung massgeblich an der Projektinitiierung beteiligt ist, steigt dieser Wert auf knapp 90% bei der endgültigen Beschaffungsentscheidung. In weiteren Phasen des Beschaffungsprozesses, insbesondere der Anbietersuche, reduziert sich die Beteiligung des Managements deutlich. Der IT-Abteilung kommt hingegen unabhängig von der Beschaffungsphase grosse Bedeutung zu. Über den ganzen Prozess hinweg sind in rund Ҁ der untersuchten Investitionen Mitarbeiter der IT-Abteilung beteiligt. Dieser Wert fällt nur bei der eigentlichen Beschaffungsentscheidung leicht ab, so dass die IT-Abteilung zwar grösstenteils das gesamte Projekt begleitet, dabei die Entscheidung für oder gegen einen Anbieter aber nicht immer direkt beeinflussen kann. 141 82% 54% 61% Projektinitiierung 7% 27% 58% 61% 62% Festlegung der Anforderungen 6% 31% 43% 23% 65% Anbietersuche 11% 20% 58% 37% 66% Anbieterbewertung 8% 20% 87% 29% 53% Anbieterauswahl 7% 14% Anteil Mitglied der GL Abbildung C-32: Nutzer/Fachabteilung 0% 20% IT-Abteilung 40% 60% EK-Abteilung 80% 100% Externe Beteiligte Personen im IT-Beschaffungsprozess374 Nutzer bzw. Mitglieder aus den verschiedenen Fachabteilungen treten vor allem am Anfang des Investitionsvorhabens in Erscheinung. Sie geben auch häufig den Impuls zur Projektinitiierung und sind zu 62% involviert, wenn es um die Festlegung der Anforderungen an die Leistung geht. Bei der Suche, Bewertung und Auswahl des Anbieters sind sie allerdings weniger stark vertreten als die Geschäftsleitung oder die IT-Abteilung. Während die Einkaufsabteilung gemäss der vorliegenden Arbeit zu vernachlässigen ist, kommt Externen (IT-Berater, ...) vor allem in der Frühphase des Prozesses durchaus gewisse Relevanz zu. So vertrauen bei der Projektinitiierung und der Festlegung der Anforderungen an die Leis- 374 Quelle: Mittelstandsbefragung 142 Teil C Kundendiagnose: Besonderen Strukturen und Prozesse prägen den Mittelstand tung 27% bzw. sogar 31% auf die Hilfe externer Dritter. Ihre Beteiligung sinkt allerdings leicht mit dem Projektfortschritt, wie Abbildung C-32 zeigt. Differenziert man die Angaben der Unternehmen zum Buying Center nach der Art der Investition treten die zu erwartenden Unterschiede zu Tage. Es zeigt sich, dass die Beteiligung der Geschäftsleitung über alle Beschaffungsphasen hinweg signifikant vom Einkaufsgut anhängt. Beispielsweise sind in 68% aller Softwarekäufe Mitglieder der Geschäftsleitung in die Anbieterbewertung involviert, wohingegen dies in nicht einmal der Hälfte der Hardwarekäufe der Fall ist. Noch drastischer fallen die Unterschiede hinsichtlich der Fachabteilungen aus. So greifen 77% der Unternehmen bei der Definition von Softwareanforderungen auf ihre zukünftigen Nutzer zurück. Wiederum weniger als jeder zweite Mittelständler tut dies, geht es um Hardwareanforderungen. Bezüglich anderer Beteiligter konnten keine signifikanten Unterschiede festgesellt werden. Die Beteiligung der IT-Abteilung hängt indes sowohl von der Grösse der Organisation als auch dem Mittelstandstypus ab. In Unternehmen mit unter 100 Mitarbeitern liegt ihre Beteiligung über alle Phasen hinweg signifikant unter der in grösseren mittelständischen Betrieben mit über 300 Beschäftigten. Ausserdem ist die Wahrscheinlichkeit, dass die IT-Abteilung in den Investitionsprozess involviert ist in Eigentümerunternehmen geringer als in Tochtergesellschaften oder in Unternehmen mit externem Management. Tochtergesellschaften legen hingegen vergleichsweise weniger Wert auf die Teilnahme der Geschäftsleitung. Die eingangs aufgeworfene Frage nach der Beteiligung Dritter kann an dieser Stelle nicht abschliessend beantwortet werden, da kaum signifikante Unterschiede zwischen einzelnen Unternehmenskategorien zu entdecken sind. Lediglich unabhängige Unternehmen mit externem Management neigen stärker als Eigentümerunternehmen und Tochtergesellschaften dazu, externe Dritte im Investitionsprozess zu beteiligen, wenngleich nicht über alle Phasen. Eine Verbindung zwischen externer Hilfe und Unternehmensgrösse konnte nicht festgestellt werden. Eine mögliche Erklärung könnte darin liegen, dass Tochterunternehmen über grössere interne ITRessourcen verfügen und dabei evtl. auch auf das Know-how der Konzernmutter zurückgreifen können. Eigentümerunternehmen vertrauen in der Investitionsanfangsphase hingegen verstärkt auf interne Ressourcen, z. Bsp. der eigenen Geschäftsleitung. Sie beziehen zu Ende des Projekts vermehrt Externe mit ein, so dass die signifikanten Unterschiede zwischen den Unternehmenstypen in Phase 4 und 5 verschwinden. 143 D Mittelstand als Kunde: Hintergrund, Herausforderungen und Anbietertypen „Wir haben im Mittelstand einen langen Atem.“ Dr. Henning Kagermann, CEO SAP AG, 2003 1 Mittelstandsfokus: Konzeptionelle und empirische Erklärungsversuche 1.1 Strategisch-konzeptionelle Erklärungsversuche Gemäss Abbildung A-1 am Anfang dieser Arbeit gewinnt das mittelständische Kundensegment aus Sicht führender IT-Unternehmen in Zukunft an (strategischer) Bedeutung. Anbieter fokussieren ihre Ressourcen auf diesen Kundenkreis, indem sie beispielsweise Marktforschungs-, Vertriebs-, oder Produktentwicklungsanstrengungen erhöhen. Um diesen Umstand aus einer unternehmensstrategischen Perspektive nachzuvollziehen, können verschiedene konzeptionelle bzw. theoretische Ansätze angeführt werden. Ihre Anwendung dient im Rahmen der strategischen Planung der sinnvollen Ordnung und Strukturierung relevanter Daten und Informationen.375 An erster Stelle muss der „Mittelstandsfokus“ in das Zielsystem der Unternehmung eingeordnet werden, welches im Idealfall den Beginn des Management- und Strategieprozesses bildet. Es bestimmt in Verbindung mit den erarbeiteten Strategien Ausmass und Richtung der geschäftlichen Entwicklung des Unternehmens. Der Begriff „Zielsystem“ suggeriert schon, dass Unternehmen in aller Regel mehrere Ziele simultan verfolgen.376 Unterschiedliche Ziele können dabei in komplementärer, konkurrierender oder indifferenter Beziehung zueinander stehen. Von besonderer Bedeutung bei der Gestaltung des Zielsystems sind Fragen der Hierarchisierung. Diesbezüglich wird häufig auf das Zielsystem als Pyramide verwiesen, wonach sich Marketing- und Instrumentalziele aus den weniger konkreten Unternehmenszielen ableiten lassen. Letztere beruhen wiederum auf den allgemeinen Wertvorstellungen und dem Unternehmenszweck.377 375 376 Ansatzpunkte für die Entwicklung strategischer Modellkonzeptionen sind z. Bsp. das Erfahrungskurvenkonzept, die Ergebnisse der PIMS-Studie, das Lebenszykluskonzept sowie verschiedene volkswirtschaftliche Ansätze. Vgl. hierzu im Folgenden BECKER (1998), S. 13 ff. 144 Teil D Mittelstand als Kunde: Hintergrund, Herausforderungen, Anbietertypen „...we continuosly are evaluating the best ways to invest our own ressources to consistently delivering the greatest value to our shareholder.“ „We will use our experience – as we always have – to continue to deliver [...] value to our shareholders.“ CSC Cisco Systems „We are committed to improving shareholder value and fully understand and embrace our fiduciary oversight resonsibilities.“ Tabelle D-1: Zitate zur Wertorientierung führender IT-Unternehmen378 Accenture Obwohl sich die Zielsysteme von Unternehmen im Einzelfall stark unterscheiden, kann für die hier betrachtete Gruppe von IT-Unternehmen doch vermerkt werden, dass der Steigerung des Unternehmenswertes als übergeordnetes Unternehmensziel besondere Bedeutung zukommt. Diese auch als „Shareholder-Value“379 bezeichnete Denkrichtung berücksichtigt im Besonderen die Interessen der Aktionäre und hat in den letzten Jahren trotz erheblicher Kritik380 auch in Europa Einzug gehalten. Tabelle D-1 verdeutlicht dies anhand einiger Zitate zur Unternehmenspolitik von ausgewählten IT-Unternehmen. Diversifi kation gegenwärtige neue Produkte Abbildung D-1: Kundenakquisition Portfolio-Methode Kundenbindung Marktpotenziale Leistungsinnovation Leistungspflege Innovati on Persistenz Marktwachstum niedrig hoch Marktentwicklung Produktentwicklung Kunden Marktdurchdringung AoA Leistungen neue Märkte gegenwärtige Ansoff-Matrix hoch niedrig Rel. Marktanteil Konzeptionelle Instrumente zur Strategieentwicklung381 Ansatzpunkte zur Steigerung des Unternehmenswerts, sogenannte Werttreiber, wurden in der Literatur intensiv diskutiert.382 Aus Sicht der marktorientierten Unternehmensplanung steht dabei insbesondere der Geschäftsfeld-Mix im Mittelpunkt. Dieser bezieht sich im Wesentlichen auf die Kombination von Kunden und Leistungen als zentrale Wertreiber des Unternehmens.383 377 378 379 380 381 382 383 Vgl. hierzu auch MEFFERT (2000), S. 71 Vgl. Geschäftsberichte der Unternehmen 2002/2003 Vgl. COPELAND et al. (2000) Dem „Shareholder-Value-Konzept“ wird heute auch das „Stakeholder-Value-Konzept“ gegenübergestellt, wonach die Anteilseigner nicht die einzige Anspruchsgruppe im Unternehmensumfeld ist. Vielmehr gilt es, die Aufmerksamkeit der Unternehmensführung auf weitere Interessenvertreter (Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten,...) auszuweiten. Vgl. hierzu exemplarisch GOMEZ (1998) Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an ANSOFF (1965), TOMCZAK/REINECKE (1999) und HENDERSON (1995a) Vgl. exemplarisch COPELAND et al. (2000); GOMEZ (1993) Vgl. KUSS/TOMCZAK (2002), S. 110; zum Einfluss des Kunden auf den Unternehmenswert vgl. STRACK/VILLIS (2002); zur Bedeutung von Leistungen und Innovation als Wachstumsquelle vgl. TEECE et al. (1997) 145 Zur Steuerung der verschiedenen Geschäftsaktivitäten, also zur Strategieentwicklung, stehen dabei mehrere konzeptionelle Instrumente zur Verfügung, die im Folgenden kurz vorgestellt werden. Sie stellen einen Denkrahmen dar, an dem sich Unternehmen orientieren können. Von zentraler Bedeutung sind hier die Ansoff-Matrix, der Aufgabenorientierte Ansatz sowie die Portfolio-Methode (vgl. Abbildung D-1). a) Ansoff- Matrix Die Produkt-Markt-Matrix nach ANSOFF (1965) (auch „Ansoff-Matrix“ oder „Produkt-MarktExpansionsraster“) zeigt generische Möglichkeiten der Expansion auf.384 Sie unterscheidet dabei zwischen einer Produkt- und einer Marktdimension. Zunächst müssen sich Unternehmen die Frage stellen, ob mit ihrem gegenwärtigen Leistungsangebot noch Wachstumsmöglichkeiten in den derzeitig bearbeiteten Märkten bestehen (Marktdurchdringung). Die nächste Überlegung sollte sein, ob sich für das aktuelle Produktangebot neue Märkte finden lassen. Darüber hinaus gilt es zu untersuchen, ob das Unternehmen aktuelle Abnehmer mit neuen Produkten ansprechen kann (Produktentwicklung). Schliesslich weisst Ansoff noch auf die Möglichkeit hin, neue Produkte für neue Märkte anzubieten (Diversifikation). Mit Hilfe der Ansoff-Matrix lässt sich der verstärkte Fokus der IT-Branche auf dem mittelständischen Kundensegment nachvollziehen, versteht man die Gruppe der KMU als eigenständigen Markt. Um neues Wachstum zu generieren wählen IT-Unternehmen eine Marktdurchdringungsstrategie, wenn sie glauben, dass sie ihren Marktanteil in diesem Segment noch erhöhen können. Das Unternehmen HP verfolgt z. Bsp. momentan diese Strategie, da es die bestehende Kundenbasis verbreitern möchte. Zählt diese Kundengruppe momentan jedoch noch nicht zum Kundenstamm, würde man von einer Marktentwicklung sprechen. Marktentwicklungsstrategien werden dann gewählt, wenn das Wachstumspotenzial in den gegenwärtigen Märkten begrenzt ist und man das Risiko einer Produktentwicklungsstrategie scheut. So weitet Siebel Systems sein Geschäft von Grosskunden gerade auf den KMU-Sektor ohne gravierende Produktmodifikationen aus. Schliesslich zeigt das Beispiel Microsoft, dass sich eine Produktentwicklungsstrategie anbietet, wenn mit den gegenwärtigen Produkten kein substanzielles Wachstum mehr zu erwarten ist. Vor diesem Hintergrund vermarktet Microsoft nun ERP- und CRM Lösungen oder Serversoftware auf der bestehenden (gegenwärtigen) mittelständischen Kundenbasis. 384 Zitiert nach KOTLER/BLIEMEL (1995), S. 107 f. 146 Teil D Mittelstand als Kunde: Hintergrund, Herausforderungen, Anbietertypen b) Aufgabenorientierter Ansatz Der Aufgabenorientierte Ansatz (AoA) nach TOMCZAK/REINECKE (1999) zielt darauf ab, den Fokus auf die zentralen Erfolgsgeneratoren eines Unternehmens zu lenken und Marktpotenziale zu erschliessen oder auszuschöpfen. Unter Marktpotenzial werden dabei sämtliche Bedürfnisse subsumiert, die von einem Unternehmen zukünftig befriedigt werden können. Das Marktpotenzial kann dabei aus der Kunden- oder aus der Leistungsperspektive gesehen werden und weist somit Parallelen zur Ansoff-Matrix auf. Entsprechend können Kunden- und Leistungspotenziale abgeleitet werden, welche die zentrale Wachstums- und damit Wertquellen des Unternehmens verkörpern.385 Im Kern beschäftigt sich der AoA mit den spezifischen Kompetenzen, die ein Unternehmen benötigt, um Marktpotenziale besser als der Wettbewerb zu nutzen. In Abhängigkeit von der Entscheidung Potenziale zu erschliessen (Innovationsorientierung) oder auszuschöpfen (Persistenzorientierung) unterscheiden TOMCZAK/REINECKE (1999) vier Kernaufgaben der marktorientierten Unternehmensführung: Kundenakquisition, Kundenbindung, Leistungsinnovation und Leistungspflege. Auch der AoA kann einen Beitrag zur Erklärung des Mittelstandsfokus aus strategischer Perspektive liefern. Mittelständische Kunden verkörpern hier Marktpotenziale, die es zu erschliessen bzw. auszuschöpfen gilt (vgl. Beispiel Siebel Systems bzw. HP oben). c) Portfolio-Methode Portfolio-Modelle stellen heute ein weit verbreitetes Strategiewerkzeug dar. Je nach gewählter Grundgesamtheit und Definition setzen zwischen ½ und ¾ aller Unternehmen PortfolioAnalysen ein.386 Portfolio-Analysen können für verschiedene unternehmensstrategische Aufgaben eingesetzt werden und verfolgen so situativ andere Zielsetzungen. Konkret dienen Portfolio-Modelle der Risikoreduktion, der Ressourcenallokation und der Generierung von Wachstumschancen. Grundlage der Portfolio-Analyse bildet die von MARKOWITZ (1952) entwickelte „PortfolioSelection-Theory“. Diese Theorie ist auf Kapitalmarktentscheidungen ausgerichtet und bestimmt ein hinsichtlich Risiko-Ertrags-Struktur optimales Anlageportefeuille. Haupterkenntnis 385 386 Vgl. TOMCZAK et al. (2002), S. 14 ff. Vgl. HENDERSON (1995a), S. 286; KRAFFT (1999), S. 196; anders RIGBY (2001) 147 war, dass das Risiko eines Portefeuilles streng von seinen Bestandteilen unterschieden werden muss und diversifizierte Anlagestrategien gegenüber Einzelanlagen vorzuziehen sind.387 Dieser Gedanke der Kapitalmarkttheorie lässt sich auf den Kundenstamm von Unternehmen übertragen, betrachtet man Einzelkunden und Kundengruppen als Wertanlage in einem Kundenportfolio. Durch Berücksichtung der Ertragssituation lassen sich durch Diversifikation Kundenportfolios mit einer optimalen Risikostruktur generieren.388 Damit wird auch klar, dass eine Segmentierung des Gesamtgeschäfts in Teilbereiche eine Nutzungsvoraussetzung der Portfolio-Analyse darstellt. Teilbereiche können alternativ Produktbereiche, Marktsegmente oder Strategische Geschäftseinheiten (SGF) sein. Während sich erste Formen der Portfolio-Analyse auf Geschäftsfelder bezogen389, hat sich die Anwendung mittlerweile auf jegliche „Erlösquellen“ des Unternehmens ausgeweitet, z. Bsp. Kundengruppen390. Definition von Marktsegmenten Marktsegmente sind klar definiert als „im Gesamtmarkt abgegrenzte Gruppen von Kunden mit spezifischen Problemen und Bedürfnissen, die eine Unternehmung oder Institution differenziert, selektiv und rentabel bearbeiten will".391 Die Abgrenzung zwischen Strategischen Geschäftseinheiten und Marktsegmenten ist jedoch in der Literatur nicht eindeutig geklärt und zuweilen etwas willkürlich. GODEFROID (2000) sieht hier überhaupt keine inhaltlichen Unterschiede, da das SGF nur die organisatorische Reaktion des Unternehmens auf die gewählte Segmentierung darstellt.392 Für HUTH (1985) hingegen berücksichtigt das SGF im Gegensatz zur Marktsegmentierung auch unternehmensbezogene Dimensionen wie Ertrag und Risiko der Kunden.393 Nach THOMMEN (1992a) stellen Marktsegmente oder Produktbereiche ein SGF dar.394 Einer ähnlichen Sichtweise folgen auch KUSS/TOMCZAK (2002). Für sie kann ein SGF durchaus produktunabhängig definiert werden.395 Am weitesten verbreitet in der Literatur ist jedoch die Ansicht, dass erst die Kombination aus Markt- und Produktbereichen ein SGF bil- 387 388 389 390 391 392 393 394 395 Vgl. SPREMANN (1996), S. 516f. Vgl. DHAR/GLAZER (2003) Vgl. exemplarisch HELDEY (1977) Vgl. exemplarisch DUBINSKY/INGRAM (1984); für eine Übersicht vgl. KUHLMANN (2001), S. 140 Vgl. BELZ (1995) Vgl. GODEFROID (2000), S. 143; diese Auffassung widerspricht jedoch dem gängigen Verständnis, da die organisatorische Verankerung eines Strategischen Geschäftsfeld allgemein als Strategische Geschäftseinheit bezeichnet wird. Vgl. SCHELLENBERG (1992), S. 146 f. Vgl. HUTH (1985), S. 64 Vgl. THOMMEN (1992b), S. 310 Vgl. KUSS/TOMCZAK (2002), S. 71 148 Teil D Mittelstand als Kunde: Hintergrund, Herausforderungen, Anbietertypen det.396 Dieser engen Sichtweise folgt die vorliegende Arbeit jedoch nicht. Vielmehr sollte berücksichtigt werden, dass in der Unternehmenspraxis Strategische Geschäftsfelder produktunabhängig gebildet werden und so duale Organisationsformen entstehen.397 So findet sich in der IT-Branche häufig eine Geschäftseinheit „KMU“, welche bestehende leistungsorientierte Strukturen überlappt. Abbildung D-2: Exkurs zur Definition von Marktsegmenten Diese Übertragung erfolgte vor allem auf Basis des Produktlebenszykluskonzepts. Dem Produktlebenszyklus zu Folge durchlaufen Produkte oder andere Erlösbringer fünf typische Phasen: Einführung, Wachstum, Reife, Sättigung und Degeneration.398 Diese Idee lässt sich modifiziert auf den Verlauf von Kundenbeziehungen übertragen. So unterscheiden CAMPBELL/CUNNINGHAM (1990) zwischen „tomorrow’s customers“, „Today’s spezial customers“, „Today’s regular customers“ und „Yesterday’s customers.“399 Offensichtlich müssen die einzelnen Erlösquellen in einer bestimmten Konstellation zueinander stehen, damit die langfristige Versorgung der Unternehmung mit liquiden Mitteln aus der Geschäftstätigkeit gewährleistet bleibt. Ziel einer so verstandenen Portfolio-Analyse ist es also, den Unternehmen Hilfestellung bei der Ressourcenallokation zu leisten. Es gilt, Wachstumschancen zu identifizieren und Mittel in erfolgversprechende Märkte fliessen zu lassen bzw. aus weniger attraktiven Geschäften abzuziehen. Zur Einordnung und Beurteilung der Geschäftsfelder oder Produkte wurden dabei in der Vergangenheit verschiedenste Dimensionen herangezogen. Typisches und bekanntestes Beispiel für ein Portfolio-Modell ist die sogenannte „BCGMatrix„ (vgl. Abbildung D-1), welche die Faktoren relativer Marktanteil400 und zukünftiges Marktwachstum kombiniert. Aus der Zuordnung zu einer der vier Portfolio-Kategorien konnten sodann Normstrategien abgeleitet werden.401 Demnach sollten Geschäfte mit niedrigem Wachstum und niedrigem relativen Marktanteil („Dogs“) aufgelöst werden, da sie Ressourcen binden, deren Einsatz fragwürdig ist. Geschäfte mit hohem Marktanteil aber geringem Wachstum („Cash Cows“) gilt es mit begrenztem Aufwand auszuschöpfen, während „Stars“ (hohes Wachstum bei hohem Marktanteil) weiterhin hoher Investitionen zur Verteidigung der lukrativen Marktposition bedürfen. Im Falle eines hohen Wachstums bei niedrigem Marktanteil gilt es 396 397 398 399 400 401 Vgl. BACKHAUS (1999), S. 199 und 228; KREILKAMP (1987), S. 316 f.; ABELL (1980), S. 22 f. Vgl. DILLER (1991) Vgl. THOMMEN (1992a), S. 285 ff.; Vgl. CAMPBELL/CUNNINGHAM (1990); ähnlich HENTSCHEL (1991) Der relative Marktanteil entspricht dem eigenen Marktanteil im Verhältnis zum Marktanteil des grössten Wettbewerbers in diesem Geschäftsfeld. Vgl. HENDERSON (1995a), S. 289 Vgl. erstmals ENGELEITER (1981) 149 sich gemäss der Normstrategie selektiv zu verhalten: Je nach Beurteilung der Lage bietet sich ein Ausstieg oder eine auf Wachstum gerichtete Investitionsstrategie an. Damit ist die Portfolio-Analyse nicht nur ein Bewertungsinstrument sondern schafft auch die Grundlage für die nachfolgenden Marketing- und Investitionsaktivitäten.402 Portfolio-Modelle können einen wichtigen Erklärungsbeitrag zur strategischen Bedeutung des KMU-Segments in der IT-Industrie leisten. Unterstellt man der Kundengruppe Geschäftsfeldcharakter und ein hohes Marktwachstum wird klar, dass Unternehmen vor der Wahl stehen, aus dem mittelständischen Markt auszusteigen oder verstärkt zu investieren. Ersteres bietet sich an, wenn der eigene relative Marktanteil gering ist und die Marktchancen auch bei hohen Mitteleinsatz als gering eingeschätzt werden (vgl. Fallbeispiel D-6). Letzteres ergibt dann Sinn, wenn man, wie beispielsweise das Unternehmen IBM, bereits über einen respektablen Marktanteil verfügt oder diesen für erreichbar hält, wie aktuell SAP oder Siebel. 1.2 Empirische Erklärungsversuche Nachdem die konzeptionellen Grundlagen zum Mittelstandsfokus erörtert wurden gilt es nun, die empirischen Gründe für das Engagement der IT-Branche zu beschreiben. Obwohl mittelständische Unternehmen schon seit Jahren zu den Kunden der IT-Industrie gehören,403 zeichnet sich ein verstärkter Fokus insbesondere seit der weltweiten Stagnation des Marktes für Informationstechnologie ab. Als Grund für diesen Schwerpunkt werden verschiedene Aspekte genannt. Um die Motive besser verstehen zu können ist es notwendig die Branchensituation zu kennen, so wie sie sich in den letzten 10 Jahren entwickelte. Wie schon die Ausführungen in Teil B 1 zeigen, setzte Mitte der 90er Jahre eine Aufschwungphase der IT-Branche ein, bis sich bekanntlich im Laufe des Jahres 2000 die IT-Konjunktur merklich abkühlte und in den nächsten Jahren sogar deutlich einbrach. Tabelle D-2 stellt die wichtigsten Trends der Jahre vor bzw. nach 2000 stichpunktartig gegenüber. Sie macht deutlich, dass die IT-Branche auch aufgrund der beschriebenen Kostenstrukturen in besonderer Weise vom Konjunktureinbruch betroffen war. Dabei spielte es nicht ausschliesslich eine Rolle, dass Umsatz- und Gewinnzahlen überdurchschnittlich unter der Krise litten. Im Gegensatz zu anderen Branchen, die Konjunkturzyklen gewohnt waren, mussten komplette Geschäftsmodelle wie der elektronische Verkauf über das Internet grundsätzlich in Frage gestellt werden. 402 403 Vgl. BELZ (1997), S. 111; anders HENDERSON (1995b), S. 281 Vgl. exemplarisch MITCHELL (1993) oder CLARK (1994) 150 Teil D Mittelstand als Kunde: Hintergrund, Herausforderungen, Anbietertypen Bis 2000: Begeisterung und Wachstum Ab 2000: Skepsis und Stagnation Neue Technologien, insbesondere das Internet, wur- Abkühlung der Weltkonjunktur. den marktfähig und verbreiteten sich schnell in Un- Einfluss neuer Technologien auf die Produktivitätsentwickternehmen und bei Privatpersonen. lung und Güternachfrage entsprach nicht den Erwartungen. Man ging davon aus, dass die elektronische unterViele neue Geschäftsfelder im Internetbereich erwiesen nehmensübergreifende Vernetzung bestehende sich als mittel- oder langfristig nicht rentabel; viele erfolgStrukturen aufbricht und somit enorme Produktiviversprechende Unternehmen der „New Economy“ vertätsgewinne für Unternehmen und die Volkswirtschwanden vom Markt. schaft als Ganzes generieren kann. Unternehmen fuhren ihre Investitionen in IT drastisch Die Öffentlichkeit, Politik, Unternehmensberater und zurück und stellten ihren grundsätzlichen Nutzen vermehrt Analysten betonten die Notwendigkeit moderner IT. in Frage. Einmalige Einflüsse wie das Y2K-Problem und die Externe Einflüsse wie der Konjunktureinbruch, der TerrorUmstellung im Rahmen der Einführung der europäiangriff vom 11. September 2001 oder die hohen Kosten für schen Einheitswährung „Euro“ verstärkten die InvesUMTS erhöhten den Spardruck für die Unternehmen. titionsneigung der Unternehmen weiter. IT-Unternehmen mussten ihre Umsatzprognosen revidieren IT-Dienstleister, Hard- und Softwareanbietern verund konnten somit die Erwartungen der Börsen nicht erfülbuchten Umsatzwachstumsraten von weit über 10% len. Die Kurse sämtlicher IT-Unternehmen brachen ein. p.a. und ihre Börsenkurse stiegen auf Höchststände. Tabelle D-2: Entwicklung der IT-Branche um das Jahr 2000 Um den Maximen der wertorientierten Unternehmensführung gerecht zu werden und um den langfristigen Wachstumspfad wieder zu erreichen, war es nun Aufgabe des Unternehmens und insbesondere des Marketing kundenbezogene Wertsteigerungspotenziale in verschiedenen Kundengruppen zu identifizieren und zu bewerten.404 Dabei konnten sie aufgrund der o.g. Entwicklungen nur bedingt auf Grossunternehmen zählen. Zum einen wiesen diese wegen der hohen Ausgaben in den Vorjahren einen hohen ITSättigungsgrad auf, so dass eine weitere Kundendurchdringung keinen nachhaltigen Wachstumsschub bringen konnte. Ebenso wenig Erfolg versprechend erschien es ausschliesslich über Leistungsinnovationen im bestehenden Kundensegment der Grossunternehmen neue Umsätze zu generieren, da Unternehmen äusserst skeptisch wurden, was neue Technologien betraf. Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass das KMUSegment als neue Wachstumsquelle erkannt wurde.405 Wie Abbildung D-3 zeigt zielen die drei wichtigsten Gründe für ein Engagement im mittelständischen Kundensegment auf den Mittelstand als (zukünftiger) Umsatzgenerator ab. Wachstum erhofft man sich man sich v.a. auf Grund des hohen Absatzpotenzials für informationstechnische Produkte, was aus der hohen Gesamtzahl mittelständischer Unternehmen in der Schweiz und deren geringer IT-Durchdringung resultiert. 85% der befragten Manager bezeichnen die grosse Zahl potenzieller Kunden als einen wichtigen Grund für die Bearbeitung des 404 405 Vgl. BRUHN (1998) Es konnte am Beispiels von Softwareanbietern empirisch nachgewiesen, dass die Marktdurchdringungsstrategie als die geeignetste Strategiealternative zur Erhöhung der Marktpräsenz angesehen wird. Vgl. SCHILDHAUER (1992) S. 147 151 KMU-Markts.406 Darüber hinaus bestätigen 80% bzw. 73%, dass KMU durch moderne IT Einsparpotenzial haben und ihre derzeitigen Systeme in Zukunft austauschen werden müssen. 71% glauben, dass durch die zunehmende elektronische Vernetzung auf Seiten der KMU erhöhter Bedarf nach IT generiert wird. Entsprechend wächst der KMU-Markt für 61% der befragten Manager in Zukunft stärker als das Grosskundensegment, nur 7% verneinen dies. Neben dieser Volumenorientierung nennt die Literatur noch eine verbesserte Marge als Vorteil kleiner Kunden.407 So können Anbieter auf einen höheren Preispunkt hoffen, da kleine Nachfrager weniger Mengenrabatte in Anspruch nehmen können. Zweitens besteht die Möglichkeit des „Roll-out“: Einmal konzipierte Lösungen können in einer Vielzahl anderer mittelständischer Unternehmen vermarktet und Entwicklungskosten umgelegt werden (vgl. Fallbeispiel D-1). Die empirische Relevanz dieses Aspekts ist allerdings begrenzt. So werden die finanziellen Mittel des KMU eher kritisch gesehen und einem erfolgreichen Roll-out steht oft die Heterogenität des Gesamtmarkts gegenüber. "Roll-Out" bei Cisco Systems Cisco Systems bietet eine Netzwerk-Lösung an, die speziell auf Hotels in den Schweizer Alpen ausgerichtet ist. Sie soll die drahtlose Kommunikation innerhalb der Schweizer Berge fördern und beispielsweise Hoteliers, Geschäftsleuten und Touristen einen ortsunabhängigen Zugang zum Internet ermöglichen. Ein solches Vorhaben ergibt für Cisco Systems aufgrund der hohen Fixkosten für die Konzipierung allerdings nur dann Sinn, wenn die einmal entwickelte Lösung landesweit in vielen anderen Unternehmen eingesetzt werden kann. Da der KMU-Markt in diesem Fall über eine grosse Zahl von Hotels verfügt, bestehen gute Chancen für einen erfolgreichen und rentablen „Roll-out“ dieser KMU-spezifischen Branchenlösung. Fallbeispiel D-1: 406 407 408 „Roll-Out“ bei Cisco Systems (Schweiz) AG408 MÜLLER (2001), S. 9, spricht diesbezüglich von „dem Markt für B2B schlechthin“ Vgl. exemplarisch GODEFROID (2000) S. 312 Vgl. Expertengespräch Cisco Systems (2003) 152 Teil D Mittelstand als Kunde: Hintergrund, Herausforderungen, Anbietertypen trifft gar nicht zu 1 trifft voll und ganz zu 4 5 Mittelwert 2 3 4,27 Der KMU-Markt hat sehr viele (potenzielle) Kunden (n=41; s=0,78) 12% 85% 4,12 Das KMU kann durch elektronische Prozessunterstützung 5% 15% noch viel Geld sparen (n=41; s=0,84) 3,98 Das KMU hat noch viele IT-Insellösungen, die in Zukunft abgelöst werden müssen (n=41; s=0,82) Der KMU-Markt ist weniger risikoreich, wenn ein Kunde wegfällt ("Klumpenrisiko") (n=41; s=1,29) 80% 24% 73% 3,78 15% 17% 68% 3,73 Das KMU muss sich mit seinen Marktpartnern zunehmend 10% elektronisch vernetzen (n=41; s=0,9) 71% 20% 3,71 Der KMU-Markt wächst in Zukunft stärker als das 7% Grosskundensegment (n=41; s=0,84) 61% 32% 3,66 Das KMU und seine Verantwortlichen werden zunehmend offener gegenüber IT (n=41; s=0,62) 41% 59% 3,54 Das KMU kann sich wegen des Preisverfalls IT-Lösungen 7% zunehmend leisten (n=41; s=0,81) Der KMU-Markt wurde in der Vergangenheit nicht konsequent bearbeitet (n=41; s=1,21) 56% 37% 3,49 24% 29% 46% 3,29 Das KMU gewinnt man leichter als Referenz (n=41; s=1,01) 22% 49% 29% 3,07 Das KMU hat transparente Entscheidungsstrukturen und ist leicht zu bearbeiten (n=41; s=1,08) 32% 29% Der KMU-Markt ist gerade "in"; man muss den Markt momentan ernst nehmen (n=41; s=1,22) 39% Der KMU-Markt wird durch Fusionen, Übernahmen, StartUps etc. besonders attraktiv (n=41; s=0,91) 39% Das KMU hat die finanziellen Mittel für IT-Investitionen (n=41; s=0,92) 41% Das KMU ist weniger konjunkturabhängig (n=41; s=0,98) Anteil trifft eher nicht zu (1+2) Abbildung D-3: 0% neutral (3) 39% 2,95 27% 34% 2,78 24% 37% 2,73 20% 20% 39% 2,44 56% 40% trifft eher zu (4+5) 17% 27% 60% 80% 100% Mittelwert Gründe für ein Engagement im mittelständischen Kundensegment409 Neben der Absicht im KMU-Markt ein nachhaltiges Wachstum zu erzielen bestimmen auch Diversifikationsaspekte diesen Fokus. Unternehmen betrachten ihre Kundenstruktur wie er- 409 Quelle: Marketingbefragung 153 wähnt als Portfolio aus verschiedenen Aktien und streben in diesem Sinne ein optimales Risiko-Rendite-Verhältnis an.410 Die jüngste Vergangenheit hat gezeigt, dass eine Fokussierung auf einige wenige Grossunternehmen zwar Bearbeitungs- und insbesondere Akquisitionskosten spart, für den Anbieter aber mit einem hohem „Klumpenrisiko“ verbunden ist.411 Fällt ein Kunde oder eine ganze Branche teilweise oder komplett als Nachfrager weg, ist dies mit dramatischen Einbrüchen beim IT-Anbieter verbunden. Das weltweit führende Netzwerkunternehmen Cisco Systems beispielsweise fokussierte stark auf die grossen Telekommunikationsanbieter, die ihre Netzwerkinvestitionen innerhalb kürzester Zeit dramatisch gesenkt haben. Entsprechend versucht nun Cisco seine Abhängigkeit von einzelnen Branchen oder sogar Unternehmen zu verringern, indem die Kundenbasis um KMU verbreitert wird. Dieses geringere Risiko nennen 68% der befragten Unternehmen als Grund für ein Engagement im KMU-Markt, für 17% spielt dieser Aspekt keine Rolle. Schliesslich sei noch erwähnt, dass auch kulturelle Eigenschaften mittelständischer Unternehmen als positiv einstuft werden. Für 59% macht die zunehmende Offenheit mittelständischer Entscheider gegenüber IT den KMU-Markt attraktiv. Knapp 40% sehen auch transparentere Entscheidungsstrukturen als Motivation. Abbildung D-3 zeigt exemplarisch einige Aussagen von Managern zur Bedeutung des KMUMarkts Schweiz: „Im Mittelstand gibt es bei Abläufen, Prozessen und Abteilungen noch Sparpotenzial, IT kann hier also richtig Wert schaffen.“ „Im Mittelstandsmarkt in der Schweiz ist Geld vorhanden.“ „Wegen der vielen KMU ist das Risiko besser verteilt. Es machen nicht alle KMU gleichzeitig einen Investitionsstop.“ Abbildung D-4: 410 411 412 „Der Mittelstandsmarkt hat viel Vielfalt, der Grosskundenmarkt ist begrenzt, da es nur wenige Unternehmen gibt. Ausserdem hat man ein Riesenproblem, wenn man bei einem Grosskunden rausfliegt.“ „Es ist leichter ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, da der Zugang zu den beteiligten Personen einfacher ist.“ Ausgewählte Zitate zum KMU-Segment412 Vgl. DHAR/GLAZER (2003) und die Ausführungen in D 1.1c) BELZ (1998b) S. 251 ff. Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an die geführten Expertengespräche 154 „Grosses Wachstumspotenzial, da der Markt noch nicht stark bearbeitet wurde.“ „Kleine und überschaubare Einheiten, die zusammen ein grosses Potenzial haben: Die Summe macht’s!“ „Mittelständler sind selbstständig und flexibel, d.h. sie haben kurze Entscheidungswege.“ Teil D Mittelstand als Kunde: Hintergrund, Herausforderungen, Anbietertypen 2 Diverse Herausforderungen kennzeichnen den Mittelstandsmarkt Neben den in der Einleitung erwähnten Symptomen - geringe Margen und/oder Umsätze - haben IT-Unternehmen im mittelständischen Markt mit einer Vielzahl von Problemen und Herausforderungen zu kämpfen. Anzumerken ist an dieser Stelle noch, dass die hier behandelten Herausforderungen zwar nicht ausschliesslich für das KMU-Segmente gelten, sondern teilweise typische Schwierigkeiten im B2B-Geschäft darstellen.413 Ihre Bedeutung ist im Markt für mittelständische Unternehmen jedoch stärker ausgeprägt. Abbildung D-5 zeigt die Ergebnisse der schriftlichen Befragung unter IT-Managern zu den bedeutendsten aktuellen Problemen im mittelständischen Kundensegment. Es wird deutlich, dass eine klare Trennung zwischen wichtigen und zu vernachlässigenden Problemen nur schwer zu identifizieren ist. Trotzdem ist es hilfreich, diese Vielzahl interessanter Aspekte so zu bündeln, dass die Übersichtlichkeit gewahrt bleibt und Marketingmassnahmen gezielter eingesetzt und bewertet werden können. Leider muss von der Möglichkeit einer mathematischen Problembündelung mittels Faktorenanalyse aus methodischen Gründen Abstand genommen werden, da die relativ geringe Fallzahl in der Anbieterbefragung dieses Vorgehen verbietet.414 Stattdessen greift die vorliegende Arbeit auf eine konzeptionell-inhaltliche Gliederung der aufgetretenen Probleme zurück und definiert dabei insgesamt sieben sogenannte „Problemkreise“. Als erstes werden dabei in Anlehnung an REINECKE/BELZ (1994) interne (anbieterseitige) von externen (marktseitige) Problemen unterschieden. Während interne Probleme primär den Anbieter selbst betreffen beziehen sich externe Probleme auf den Markt als solches und können vom IT-Hersteller nur indirekt begegnet werden. Anschliessend werden die verschiedenen Aspekte zu Problemkreisen thematisch zusammengefasst.415 Abbildung D-6 zeigt, welche internen und externen Problemkreise sich im vorliegenden Kontext unterscheiden lassen.416 Trotzdem soll die Darstellung nicht darüber hinweg täuschen, dass Strukturen dieser Art immer nur ein vereinfachtes Abbild der Wirklichkeit und damit eine subjektive Näherungslösung darstellen. In der Praxis bestehen zwischen den verschiedenen Aspekten zahlreiche Querbeziehungen, so dass sich Probleme gegenseitig bedingen. So sind insb. die zu beschreibenden internen Defizite grösstenteils auf externe Besonderheiten des KMU-Markts zurückzuführen. Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass diese KMU-spezifischen Eigen- 413 414 415 416 So finden sich in der Untersuchung von REINECKE/BELZ (1994) ähnliche Marketingprobleme wie in der vorliegenden Arbeit. Vgl. FN 440 Dieses Vorgehen geht zurück auf TRACHSLER (1996), S. 157 ff. Für die genaue Zuordnung der einzelnen Aspekte zu den Problemkreisen vgl. Tabelle G-4 155 schaften vor allem der Wahrnehmung der Manager entsprechen und im Vergleich zu Grossunternehmen zu sehen sind. Kein Problem 1 2 3 3,68 3,61 3,59 54% 3,56 49% 37% 3,49 Der Verkauf oder das Marketing sprechen nicht immer die "Sprache des KMU" (n=41; s=1,08) 22% 66% 12% 3,49 Fehlendes Know-how über die attraktiven Kunden im KMU-Markt (n=41; s=1,19) 56% 22% 22% 3,48 Ein KMU fällt Entscheidungen nur nach dem Preis 10% (n=40; s=0,93) 38% 53% 3,41 Ein KMU hat nur wenig internes IT-Know-how (n=41; s=1,05) 22% Der KMU-Markt ist sehr heterogen, die Identifikation der attraktiven Kunden ist schwierig (n=41; s=1,02) 22% Der KMU-Markt wird von vielen kleinen Anbietern dominiert (n=41; s=1,05) 22% 27% 51% 3,41 32% 46% 3,41 51% 27% 3,39 Die Kostenstrukturen der IT-Anbieter sind nicht auf Kleinkunden ausgelegt (n=41; s=1,24) 34% 0% 20% 59% 7% 40% Eher grosses Problem (4+5) Wichtige Probleme im mittelständischen Kundensegment 417 Quelle: Marketingbefragung; vgl. dazu auch Abbildung G-5 61% 34% Der KMU-Markt kennzeichnet sich durch hohe Betreuungskosten (After-Sales) (n=41; s=0,98) 15% 156 59% 27% Der KMU-Markt kennzeichnet sich durch hohe Akquisitionskosten 12% (Pre-Sales) (n=41; s=1,00) 417 71% 37% Ein KMU hat keine langfristige IT-Strategie 12% (n=41; s=0,86) Abbildung D-5: 73% 10% 20% Ein KMU ist durch die schnelle technische Entwicklung verunsichert (n=41; s=0,79) Neutral (3) 5 3,73 Fehlendes Know-how über anstehende IT-Projekte bei potenziellen Kunden (n=41; s=0,98) Eher kleines Problem (1+2) 4 3,78 Ein KMU will billige Standardlösungen, die aber trotzdemauf seine 10% 17% Bedürfnisse angepasst sind (n=41, s=0,88) Anteil Grosses Problem Mittelwert 60% 80% 100% Mittelwert Teil D Mittelstand als Kunde: Hintergrund, Herausforderungen, Anbietertypen Im Folgenden soll sich vorab der Kundenseite gewidmet werden, um anschliessend auf die Situation des Gesamtmarkts eingehen zu können. Schliesslich werden die resultierenden Schwierigkeiten auf Anbieterseite kurz zu beleuchtet. MarketingMarketingInformationen Informationen Anbieterseitige Problemkreise Kostenstruktur Kostenstruktur Vertriebsdefizite Vertriebsdefizite Abbildung D-6: IT-Stellen IT-Stellenwert wert Markt Markt & & WettWett- IT-Anforderungen IT-Anforderungen bewerb bewerb Marktseitige Problemkreise IT-Einkaufsverhalten IT-Einkaufsverhalten Problemkreise im IT-Marketing für das mittelständische Kundensegment418 a) Geringer IT-Stellenwert Marktseitig lässt sich als erster Problemkreis der in den Augen der IT-Anbieter geringe Stellenwert der Informationstechnik im Mittelstand anführen. Für 61% der Unternehmen stellt es ein grosses Problem dar, dass KMU keine langfristige ITStrategie419 haben. Kurzfristiges, durch akuten Bedarf getriebenes, nicht prognostizierbares Investitionsverhalten erschwert den Verkaufs- und Marketingprozess der Anbieterunternehmen vor allem deshalb, da es mit einem häufigen Marken- und Anbieterwechsel assoziiert ist. Als Folge steigen beispielsweise segmentspezifische Akquisitionskosten und der bereits niedrige Deckungsbeitrag sinkt weiter. Ausserdem fällt es schwer, kleine und mittlere Unternehmen vom Nutzen neuer Lösungen zu überzeugen, sie zeigen teilweise auch nur ein geringes Interesse an neuen innovativen Lösungen. 51% der IT-Unternehmen bezeichnen es auch als grosses Problem, dass KMU nur über wenig internes IT-Know-how verfügen. Als Folge fehlt es ihnen in den Augen der Anbieter an nötigem Verständnis für komplexe Lösungen. Entsprechend sinken die Akzeptanz moderner Investitionstechnik und die Investitionsneigung. Weitere 59% der Manager geben an, dass die Verunsicherung der mittelständischen Kunden durch die technische Entwicklung für sie stark problembehaftet ist. Für nur 5% stellt dies überhaupt kein Problem dar. Diese Verunsicherung hat zur Folge, dass Unternehmen Investitionen streichen oder zurückstellen, da die Notwendig- 418 419 Quelle: Eigene Darstellung Der Begriff „IT-Strategie“ kann in verschiedener Weise interpretiert und definiert werden. Kennzeichen einer IT-Strategie sind in den Augen der befragten Experten insbesondere: langfristiges Denken, klare IT-Ziele in Einklang mit der Unternehmensstrategie, Planung der IT-Investitionen, proaktives statt reaktives Handeln. 157 keit resp. der Nutzen neuer IT-Applikationen nicht eingeschätzt werden kann. „Leapfrogging“, also das Überspringen einer Produktgeneration, ist ein typisches Phänomen der IT-Branche und ist besonders im Mittelstand sehr verbreitet. Schliesslich spielt es diesbzgl. aber auch eine Rolle, dass viele Mittelständler den Anbietern eher skeptisch gegenüber stehen.420 b) Hohe IT-Anforderungen Ein weiterer Problemkreis betrifft die hohen Anforderungen des Mittelstandes an Lösungen der Anbieter informationstechnischer Produkte. Anbieter moderner Informationstechnik stecken insbesondere im mittelständischen Kundensegment in einem Dilemma. Kunden fragen vermehrt nach Standardlösungen, da diese in der Regel billiger und einfacher zu implementieren und zu warten sind. Gleichzeitig erwarten sie aber eine grösstmögliche Übereinstimmung mit den vorhandenen Systemen und Prozessen, also auf die Bedürfnisse zugeschnittene Lösungen. „Kundennutzen heisst aus Kundensicht immer individuelle Problemlösung.“421 Knapp ¾ der befragten Unternehmen bezeichnen dies als grosses Problem. Fallbeispiel D-1 zeigt die Problematik exemplarisch am Beispiel von CRM-Software: Siebel Systems (Schweiz) GmbH Bei der Siebel Corp. handelt es sich um den momentan weltweit führenden Anbieter von sog. CRM-Software, die es Unternehmen ermöglicht mittels moderner Informationstechnologie Beziehungen zu Kunden zu steuern. Das Schweizer Tochterunternehmen Siebel Systems (Schweiz) beschäftigt in Zürich rund 40 Mitarbeiter. Für das mittelständische Kundensegment vermarktet Siebel ein speziell entwickeltes Produkt („Mid Market Edition“), welches sich hinsichtlich Preis und Funktionalitäten von der normalen Software unterscheidet. Trotzdem bleiben die Kundenzahlen im KMU-Segment hinter den Erwartungen zurück. Siebel befindet sich in einem Dilemma, was mit dem Charakter der Software zusammenhängt. Diese kann ihren vollen Nutzen für den Kunden nur dann entfalten, wenn sie die Prozesse des Kunden in Marketing und Vertrieb möglichst genau abbildet. Aufgrund der erstens heterogenen Struktur des Mittelstandes in der Schweiz und der zweitens oft historisch gewachsenen unkonventionellen Abläufe in KMU entsprechen sich Software und Prozesse in aller Regel kaum. Folglich muss entweder die Software sich den Prozessen oder die Prozesse sich der Software anpassen. Siebel ist aufgrund der enormen benötigten Ressourcen 420 421 Vgl. dazu auch Abbildung C-9 BELZ et al. (1997), S.18 158 Teil D Mittelstand als Kunde: Hintergrund, Herausforderungen, Anbietertypen nicht fähig und willens dieses Customizing kostenfrei zu liefern. Die KMU hingegen sind ihrerseits weder bereit eine Reorganisation durchzuführen noch für das Customizing extra zu bezahlen. Aus diesem Grund kommen viele Verkaufsverhandlungen zu keinem Abschluss. KMU sehen von einem Kauf gänzlich ab oder investieren in eine einfacheres Produkt mit weniger Funktionalitäten. Nicht selten werden Aufgaben des CRM wie beispielsweise das Kontaktmanagement sogar von Standardprodukten wie Microsoft Excel oder Outlook übernommen. Fallbeispiel D-2: Siebel Systems (Schweiz) AG422 Gleichzeitig zeigen sich Kunden aber sehr preissensibel, so dass dem Anbieter nur wenig finanzieller Spielraum bleibt. Des Weiteren äussern sich diese hohen Erwartungen darin, dass mittelständische Betriebe nur selten bereit sind ihre internen Abläufe zu ändern um damit eine reibungslose IT-Einführung zu erleichtern. Schliesslich sei noch erwähnt, dass die Anforderungen in den Augen der Verkäufer nicht nur vergleichsweise hoch, sondern zum Teil auch intransparent sind. c) Besonderes IT-Einkaufsverhalten Das besondere IT-Einkaufsverhalten stellt den letzten marktseitigen Problemkreis dar. Zu nennen sind hier die Mentalität der Entscheider oder die Tatsache, dass KMU nicht grundsätzlich über fixe IT-Budgets verfügen. Auch das Entscheidungsverhalten an sich, welches nicht ausschliesslich analytisch geprägt ist, spielt eine Rolle. Schliesslich stellt es ein Problem für Anbieter dar, wenn Entscheidungen lediglich auf der Preiskomponente basieren und KMU weiteren Nutzenaspekten nur wenig Aufmerksamkeit schenken. 53% der IT-Unternehmen sehen dies als grosses Problem an, da diese Preissensitivität Druck auf die ohnehin geringen Deckungsbeiträge ausübt. d) Heterogener und wettbewerbsintensiver Markt Betrachtet man den Gesamtmarkt mit seinen Anbieter- und Nachfragerstrukturen stellt man wie bereits mehrfach erwähnt fest, dass sich der Midmarket durch eine besondere Heterogenität auszeichnet. Diese äussert sich auf Nachfragerseite z. Bsp. darin, dass die Bedürfnisstrukturen der einzelnen Unternehmen stark differieren, was auf die Vielzahl verschiedener Branchen und Typen zurückzuführen ist.423 422 423 Vgl. Expertengespräch Siebel (2003) Vgl. dazu Tabelle C-1 159 Analog dazu ist auch der Anbietermarkt entsprechend zersplittert. Überkapazitäten, Konsolidierungsdruck, „Commodisierung“ der Produkte und die hohe strategische Bedeutung des mittelständischen Segments tun ihr Übriges, um die Wettbewerbsintensität zu erhöhen. Diese Fragmentierung des Marktes gilt im Besonderen für das Softwaregeschäft. So vereinen beispielsweise die 10 grössten Hersteller von ERP-Lösungen nur knapp 40% Marktanteil bei Unternehmen zwischen 10 und 250 Mitarbeiter in sich.424 Dies bewirkt, dass Grössen-, Lernoder Netzwerkeffekte nur begrenzt zum Tragen kommen können. In einem derartigen Umfeld verwundert es nicht, wenn Kundenansprüche wachsen, Verkaufs- und Preisdruck entsteht und eine Differenzierung vom Wettbewerb immer schwieriger fällt. e) Fehlende Marketing-Informationen Anbieterseitige Problemkreise im mittelständischen Kundensegment kennzeichnen sich dadurch, dass sie sich auf interne Schwierigkeiten im Marketing und Verkauf der Unternehmung beziehen, denen direkt begegnet wird. Hier wären als erstes „fehlende MarketingInformationen“ zu nennen. Dieser Problemkreis resultiert aus den intransparenten Nachfragerstrukturen und hat direkte Auswirkungen auf die Leistung des Vertriebs. Für 71% der befragten IT-Manager stellt fehlendes Know-how über anstehende Projekte bei potenziellen Kunden ein grosses Problem dar. Dies kann auf eine Reihe von Gründen zurückgeführt werden, die mit den Spezifika des Kundensegments in Verbindung gebracht werden können. Zum einen erschwert die Vielzahl mittelständischer Unternehmen einen flächendeckenden Überblick über anstehende Investitionen. Zum anderen unterscheiden sich die Distributionswege im Mittelstand von denen im Grosskundensegment. Direkter Vertrieb und Beziehungsmanagement spielen im Midmarket eine geringe Rolle. Entsprechende Defizite weisen die Verkaufsinformationssysteme mancher Anbieter auf. Ein weiteres „Standardproblem“ aller Unternehmen, die im KMU-Markt tätig sind, ist die enorme Heterogenität des Markts.425 KMU stellen keine homogene Nachfragergruppe dar, sondern unterscheiden sich hinsichtlich der Grösse, Eigentümerstruktur, Branche und Kunden teilweise erheblich. Konsequenterweise beklagen 56% der Unternehmen fehlendes Know-how über die attraktiven Kunden im KMU-Markt. 424 425 Vgl. DETTLING et al. (2004), S. 12 Vgl. SCHÖGEL (2001); DAVIS/AUSTERBERRY (1999); MÜLLER (2001); KÜNG/TOSCANA-RUFFILLI (2001); FILE/PRINCE (1996); FRITZ (2002) 160 Teil D Mittelstand als Kunde: Hintergrund, Herausforderungen, Anbietertypen Diese Informationen stellen offensichtlich die Grundlage einer erfolgreichen Vertriebarbeit dar. Weitere Aspekte betreffen Know-how über die IT-Bedürfnisse oder die konkreten Entscheider im Mittelstandsmarkt. f) Überdimensionierte Kosten- und Leistungsstruktur Die Tatsache, dass viele IT-Unternehmen eine im Hinblick auf Kleinkunden „Überdimensionierte Kosten- und Leistungsstruktur“ aufweisen, stellt einen weiteren internen Problemkreis dar. Dieser äussert sich nicht nur darin, dass die Produkte über vielmehr Funktionen oder Kapazitäten verfügen als der Kunde gemeinhin verlangt („Überleistung“), sondern auch in den hohen Gemeinkosten für Marketing oder Administration. Immer wieder beklagen Unternehmen auch die im Vergleich zur Investitionssumme hohen kundenspezifischen Kosten, sowohl in der pre- wie auch der after-sales-Phase. Bereits in Abschnitt B 1.4 wurde auf die Bedeutung der Vertriebskosten in der IT-Branche und die damit verbundene Margenproblematik bei Kleinaufträgen hingewiesen. Dieser Aspekt ist symptomatisch für das hier untersuchte Kundensegment und für über die Hälfte der Unternehmen ein grosses Problem. Im Verkaufsprozess müssen im KMU-Segment grundsätzlich dieselben Aufgaben verrichtet werden wie bei Grosskunden. Zwar unterscheiden sich die Einkaufsprozesse mittelständischer Unternehmen von denen von Konzernen, allerdings hat dies nur wenig Einfluss auf die benötigten Verkaufsanstrengungen der Anbieter. Die Entscheidungsprozesse dauern dabei nicht notwendigerweise kürzer, auch bedingt durch eine grundsätzliche Skepsis gegenüber informationstechnischen Produkten. Neben den oben beschriebenen Vertriebskosten und den damit assoziierten Schwierigkeiten bei Kleinaufträgen spielen aber auch die sogenannten „Overheadkosten“426 eine Schlüsselrolle. Gerade weltweit operierende Unternehmen wie Cisco Systems, IBM, SAP oder EDS weisen hohe Gemeinkosten für Management, Personal oder Marketing auf, die es auf Vollkostenbasis schwierig machen mittelständische Kunden profitabel zu bearbeiten. Diese Einschätzung teilen 59% der Unternehmen. Interessanterweise weist dieser Aspekt eine hohe Standardabweichung auf und stellt entsprechend für 34% kein Problem dar, was darauf zurückzuführen ist, dass in der Grundgesamtheit auch kleinere IT-Anbieter ohne internationale Strukturen vertreten sind. Ergänzend sind viele Marketingverantwortliche der Meinung, dass die internen Prozesse und internationalen Organisationsstrukturen nicht dazu beitragen, die Zusammenarbeit mit dem 426 „Overheads“ werden auch als Gemeinkosten bezeichnet und umfassen alle Kosten, die nicht ohne Schlüsselung einem Bezugsobjekt zugeordnet werden können, z. Bsp. Verwaltungs-, Personal- oder Marketingkosten. Vgl. RIEDER/SIEGWART (1994), S.115 161 Mittelstand zu erleichtern. Profitdenken der Aussendienstmitarbeiter auf Quartalsbasis, hohe Mitarbeiterfluktuation oder langatmige bürokratische Prozeduren innerhalb der Anbieterorganisation fördern nicht das Vertrauen potenzieller Nachfrager und können von KMU teilweise nicht nachvollzogen werden. g) Defizite im Vertrieb Der letzte und umfassendste Problemkreis kann unter dem Oberbegriff „Defizite im Vertrieb“ zusammengefasst werden. Der Vertrieb gilt als wichtiges Instrument im Marketing und umfasst vor allem den Verkauf und die Distribution, inkl. unabhängiger oder eigener Vertretungen.427 Der Vertrieb steht dabei vor einer Reihe von Herausforderungen, die zum einen Aspekte des persönlichen Verkaufs und zum anderen den indirekten Vertrieb über das Partnermanagement betreffen. So kommt es nicht selten vor, dass im persönlichen Gespräch zwischen Verkäufer und Mittelstand „die Chemie nicht stimmt“. Beispielsweise setzte man bei der Personalauswahl im Marketing und Vertrieb vielfach auf gut ausgebildete, junge eloquente Akademiker, die charakterlich ihrem Pendant auf Kundenseite möglichst entsprechen sollten. Im direkten Kontakt mit KMU, deren Mitarbeiter tendenziell älter, praktischer und generalistischer ausgebildet sind, ist derartiges Personal offensichtlicht weniger geeignet.428 Ebenfalls kann es problematisch sein, die optimale Kontakthäufigkeit bei der Kundenakquisition oder -bindung zu finden. Schliesslich führt die meist intensive Zusammenarbeit mit Vertriebspartnern zu weiteren potentiellen Herausforderungen. 3 Differenzierte Bearbeitung des Kundensegments in der Praxis Der in der Einleitung erwähnte hohe Stellenwert des Mittelstandes spiegelt sich auch in der Art und Weise wider, wie IT-Unternehmen der Bedeutung der Kundengruppe im täglichen Geschäft Rechnung tragen. Unabhängig von den gewählten Marketinglösungen und -strategien, die in Teil E näher beleuchtet werden, stellt sich grundsätzlich die Frage, bis zu welchen Grade mittelständische Kunden im Rahmen des Marketinginstrumentariums überhaupt eine besondere Behandlung erfahren. Eine Differenzierung des Marketing-Mixes unter Berücksichtigung der 427 428 Vgl. BELZ (1999), S. 23 ff. Die wahrgenommene Ähnlichkeit zwischen Käufer und Verkäufer steht in Verbindung zu Verkaufserfolg und Vertrauen zwischen den beiden. Es gibt also eine direkte Verbindung zwischen wahrgenommener Ähnlichkeit und einer positiven Verkaufsbeziehung. Vgl. DION et al. (1995) 162 Teil D Mittelstand als Kunde: Hintergrund, Herausforderungen, Anbietertypen mittelstandsspezifischen Charakteristika erhöht zwar grundsätzlich die Kundennähe, birgt aber die Gefahr zu hoher Kosten.429 Darüber hinaus ist es an dieser Stelle von Interesse, welche Personen und Stellen für die Bearbeitung der Kundengruppe zuständig sind. Hier gilt es die organisatorische Verankerung im Unternehmen zu klären. Ebenso kann eine Unterscheidung in regionaler Hinsicht erfolgen, da den Marketing-Mix betreffende Entscheidungen einerseits zentral, also im jeweiligen Hauptsitz des Unternehmens, oder in der Schweizerischen Ländergesellschaft getroffen werden können.430 a) Marketinginstrumentelle Differenzierung Abbildung D-7 illustriert, dass rund die Hälfte der führenden Schweizer IT-Unternehmen bei der Gestaltung des Marketing-Mixes grosse Unterschiede zwischen Grosskunden und mittelständischen Kunden machen. Kein Unterschied 1 2 Grosser Unterschied 4 5 Mittelwert 3 3,20 Produktpolitik für KMU (Leistungsumfang, Service, ...) (n=40; s=1,22) 30% Preispolitik für KMU (Rabatte, Finanzierung,...) (n=40; s=1,32) 30% Distributionspolitik für KMU (Vertriebskanäle, Kontaktqualität, ...) (n=40; s=1,40) 28% 15% 55% 3,13 28% 10% 43% 3,53 63% 3,40 Kommunikationspolitik für KMU (Events, Werbung,...) (n=40; s=1,08) Anteil eher kleiner Unterschied (1+2) Abbildung D-7: 429 430 431 Neutral (3) 0% 23% 48% 30% 20% 40% 60% eher grosser Unterschied (4+5) 80% 100% Mittelwert Marketinginstrumentelle Differenzierung zwischen mittelständischem und Grosskundensegment431 Vgl. BELZ et al. (1997) Diese Unterscheidung beruht auf der Erkentnis, dass die führenden IT-Unternehmen in der Schweiz fast ausnahmslos Tochtergesellschaften internationaler Konzerne sind. Quelle: Marketingbefragung 163 Dies zeigt sich insbesondere in der Distributionspolitik. 63% der befragten Unternehmen geben diesbezüglich einen grossen Unterschied an. Typisches Differenzierungsbeispiel ist die Wahl des Distributionskanals: Während Grosskunden häufig auch über eine eigene Aussendienstmannschaft betreut werden, scheidet dieses Vorgehen aus Kostengründen bei kleineren Kunden aus. Stattdessen nehmen hier billigere Distributionslösungen (indirekter Vertrieb, Telesales, E-Commerce) eine bedeutendere Position ein. Die hohe Varianz weist allerdings auch darauf hin, dass dies für einen grossen Teil der Unternehmen nicht zutrifft (28%). Ähnliches gilt für die Produktpolitik, die über die Hälfte der Unternehmen stark differenzieren, 30% tun dies hingegen kaum. Ebenfalls starke Unterschiede lassen sich in der Preis- und Kommunikationspolitik festmachen. Auffallend ist die vergleichsweise hohe Zahl neutraler Antworten, die einen moderaten Unterschied zwischen Grosskunden- und Mittelstandskundenpolitik induziert. 28% respektive 30% geben diesbezüglich eine moderate Position an. b) Organisatorische Verankerung Wie Abbildung D-8 zeigt verfügen 14 der 41 befragten Unternehmen über eine eigene Abteilung, die ausschliesslich für dieses Kundensegment zuständig ist. Weitere 12 Unternehmen verfügen über einen oder mehrere „KMU-Manager“, die das Kundensegment in „Milizfunktion“, also neben ihren normalen Vertriebs- und Marketingtätigkeiten, betreuen. 14 Befragte, vornehmlich kleinere Unternehmen, differenzieren organisatorisch nicht zwischen Gross- und Kleinkunden. Eine Person antwortete auf diese Frage nicht. KMU-Abteilung/Manager 14 KMU-Manager in "Milizfunktion" 12 14 Keine KMU-Manager Anzahl Abbildung D-8: 432 5 10 Organisatorische Verankerung der Kundengruppe Mittelstand432 Quelle: Marketingbefragung 164 0 15 20 Teil D Mittelstand als Kunde: Hintergrund, Herausforderungen, Anbietertypen Sofern die Unternehmen über eine eigene KMU- bzw. Midmarket-Abteilung verfügen, nimmt diese sowohl klassische Marketing-, aber auch Vertriebsaufgaben wahr. Tabelle D-3 zeigt einige typische Aufgaben der KMU-Abteilungen bei Microsoft und SAP. Organisatorisch handelt es sich um eigenständige Geschäftseinheiten, die keinem Funktionsbereich zugeordnet sind, sondern direkt an die Geschäftsleitung berichten.433 Bei KMU-Managern in Milizfunktion handelt es sich hingegen oft um Mitarbeiter aus dem Verkauf. So wird beispielsweise bei Siebel Systems (Schweiz) einigen Aussendienstmitarbeitern neben gewissen Branchen auch noch das Segment kleiner und mittlerer Unternehmen zugeordnet. Microsoft („Low/Core Mid Market“) „Telesales“ und Vertriebsunterstützung Kommunikation, Werbung, Events, KMU-Marktforschung Produkt-/Preismanagement (in Koordination mit HQ) Tabelle D-3: SAP („Small & Medium Businesses“) Kundenbetreuung in Zusammenarbeit mit Partnern Produktmanagement Kommunikation, Werbung, Events Preismanagement (in Koordination mit HQ) KMU-Marktforschung (in Koordination) Zentrale Aufgaben der KMU-Abteilung bei Microsoft und SAP434 Darüber hinaus ist es aber auch üblich, dass das sogenannte „Partnermanagement“435 für die Kundengruppe zuständig ist, da den Vertriebspartnern in der IT-Branche im Allgemeinen und im KMU-Markt im Besonderen eine Schlüsselrolle zukommt. In regionaler Hinsicht verdeutlicht Abbildung D-9 die relative Bedeutung zentraler Instanzen im Marketing für den Mittelstand. Insbesondere für Töchter international tätiger Unternehmen gilt, dass der Einfluss auf die Ausgestaltung des Marketing-Mixes begrenzt ist und viele Entscheidungen im weltweiten oder europäischen Hauptsitz getroffen werden. So bleibt einigen Verantwortlichen in der Schweiz verhältnismässig wenig Spielraum bei der eigentlichen Produkt- oder Programmgestaltung. Entsprechend treten immer wieder Schwierigkeiten auf, wenn lokale Besonderheiten, beispielsweise bezüglich der Publikationsvorschriften kleiner und mittelständischer Unternehmen, durch die zentrale konzipierte Softwarelösung nicht abgebildet werden können. Ähnliches gilt für preispolitische Fragen, wobei den lokalen Niederlassungen hier etwas mehr Entscheidungsbefugnisse eingeräumt werden. Dies geht einher mit einem grossen Spielraum in der Distributionspolitik. Knapp ¾ der befragten Unternehmen wählen hier einen dezentralen Ansatz und überlassen den Niederlassungen weitgehend die Zuständigkeit für die Wahl der Vertriebskanäle und -partner oder der Kontakthäufigkeit und -qualität. 433 434 435 Vgl. dazu auch den Exkurs in Abbildung D-2 Vgl. Expertengespräch SAP (2002) und Expertengespräch Microsoft (2003) „Partner- oder Kanalmanager“ betreuen die Vertriebspartner der Unternehmen und gehören in der Regel der Marketingabteilung an. Vgl. VERSTEGEN et al. (2003), S. 87 165 Mittelwert Lokal vor Ort 1 2 3 4 Zentral 5 2,80 Produktpolitik für KMU (Leistungsumfang, Service, ...) (n=40; s=1,68) 2,50 60% Preispolitik für KMU (Rabatte, Finanzierung,...) (n=40; s=1,60) Distributionspolitik für KMU (Vertriebskanäle, Kontaktqualität, ...) (n=40; s=1,28) 8% 55% 55% 13% 2,13 73% 43% 13% 63% 2,33 Kommunikationspolitik für KMU (Events, Werbung,...) (n=40; s=1,21) Anteil eher lokal (1+2) Abbildung D-9: neutral (3) 0% 58% 20% 48% 25% 40% 60% eher zentral (4+5) 80% 100% Mittelwert Regionale Zuständigkeiten für das mittelständische Kundensegment436 In der Kommunikationspolitik zeichnet sich hingegen ein heterogeneres Bild. Dies hängt v.a. damit zusammen, dass Kommunikationsaufgaben eine Vielzahl verschiedener Tätigkeiten umfassen, die in internationalen Unternehmen häufig koordiniert ausgeführt werden. So gibt die Zentrale oft nur den Rahmen vor, zum Bespiel das Corporate Design, und überlässt Details einer Kampagne den lokalen Ländergesellschaften. Ähnliches gilt für Event- oder Sponsoringaktivitäten, die zentral konzipiert, aber lokal ausgeführt werden. 4 Vier typische Unternehmen auf Anbieterseite Typologien stellen ein methodisches Hilfsmittel dar, welches es erlaubt, reale Erscheinungsformen oder Objekte, z. Bsp. Unternehmen, zu ordnen und zu charakterisieren. Sie resultieren dabei in homogenen Klassen, die eine möglichst pauschale Behandlung erlauben oder durch Komplexitätsreduktion das Verständnis erleichtern.437 Der Prozess der Typisierung erfolgt dabei in zwei Schritten. Als erstes müssen das oder die Merkmale bestimmt werden, anhand derer die Zuordnung erfolgen soll. Danach vollzieht sich als zweiter Schritt die eigentliche Typenbildung.438 Die Auswahl relevanter Dimensionen sollte sich dabei konsequenterweise am Untersu- 436 437 438 Quelle: Marketingbefragung Vgl. MÜLLNER (2002), 58 f. Vgl. KNOBLICH (1972) 166 Teil D Mittelstand als Kunde: Hintergrund, Herausforderungen, Anbietertypen chungsobjekt bzw. der Problemstellung orientieren. Hierfür bieten sich in Abhängigkeit vom Forschungsansatz grundsätzlich zwei Optionen an. Steht dem Forscher ausreichend quantitatives Datenmaterial zur Verfügung besteht die Möglichkeit der Gruppenbildung mittels quantitativ-empirischer Methoden.439 Alternativ finden auch qualitativ-begründete Typen in den Sozialwissenschaften Verwendung. Sie stützen sich auf qualitative Forschungsmethoden oder bestehende wissenschaftliche Ansätze. Die vorliegende Arbeit beruft sich diesbezüglich auf eine Kombination der beiden beschriebenen Optionen. Zwar liegt mit der schriftlichen Anbieterbefragung ein quantitativer Datensatz vor, der sich grundsätzlich für eine multivariate Gruppenbildung eignen würde. Aufgrund methodischer Restriktionen muss von dieser Vorgehensweise jedoch Abstand genommen werden.440 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sollte es Ziel der Anbietertypologie sein, Gruppen von ITUnternehmen zu identifizieren, die sich mit ähnlichen Herausforderungen im KMU-Segment konfrontiert sehen. Da eine auf mathematischen Verfahren basierende Clusterbildung nicht zur Verfügung stand, musste auf ein anders begründetes Raster zurückgegriffen werden. Um diesbezüglich den Grad der Subjektivität und Willkürlichkeit einzuschränken sollten Dimensionen ausgewählt werden, deren Relevanz sich bereits an anderer Stelle bewährt hat. So zeigte sich bei näherer Betrachtung der Anbieterbefragung, dass die Problemintensität vieler Aspekte im mittelständischen Segment nicht mit dem Leistungsspektrum oder der Grösse des IT-Anbieters, sondern offensichtlich mit der unternehmensspezifischen Bedeutung der Kundengruppe in Zusammenhang steht. Unternehmen, welche die aktuelle Bedeutung kleiner und mittlerer Betriebe als eher gering einschätzen (Werte 1 bis 3 in der schriftlichen Befragung), weisen tendenziell höhere Problemwerte auf, als ihre Counterparts mit aktuell hoher Bedeutung (Werte 4 und 5 in der schriftlichen Befragung). Mit anderen Worten: Unternehmen tun sich mit einer bereits starken Position im Mittelstand vergleichsweise leichter mit deren Bearbeitung. Differenziert man die Bedeutung weiter nach ihrer zukünftigen Veränderung treten ähnliche Resultate zu Tage. Befragte Manager, welche dem Mittelstand eine steigende Bedeutung zubilligen, weisen wiederum höhere Problemwerte auf als diejenigen Befragten, welche die Relevanz des Mittelstandes und damit die Marktchancen für ihr Unternehmen stagnierend oder so- 439 440 Potenzielle Dimensionen können über eine explorative Faktorenanalyse zu gruppenbildenden Merkmalen verdichtet werden. Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Objekte zuerst zu gruppieren (Clusteranalyse) und anschliessend die „trennscharfen“ Merkmale zu bestimmen (Diskriminanzanalyse). Vgl. dazu STIER (1996) S. 274 ff. bzw. 332 ff. u. 304 ff. Inbesondere die geringe Fallzahl von 41 antwortenden Unternehmen verbietet ein solches Vorgehen. Vgl. BACKHAUS et al. (2003), S. 331; STIER (1996), S. 292 167 gar fallend sahen. Demzufolge sind „Aufbaustrategien“ herausfordernder als „Haltestrategien“.441 Interpretiert man wie geschehen die aktuelle Bedeutung als Position des Unternehmens im Markt und die zukünftige Bedeutung als Marktchance entspricht eine solche Klassifizierung der klassischen Portfoliomatrix, wie sie z. Bsp. bei ASSAEL (1993) zu finden ist. Wie bereits an früherer Stelle beschrieben sind Modelle mit diesen oder ähnlichen Dimensionen, z. Bsp. die BCG-Matrix nach HENDERSON (1995a), in der betriebswirtschaftlichen Literatur und Praxis weit verbreitet und branchenübergreifend allgemein anerkannt. Ausserdem konnte gezeigt werden, dass sie gut in der Lage sind, die empirischen Hintergründe des KMU-Engagements konzeptionell zu erklären.442 Aufgrund der allgemeinen Akzeptanz dieses Ansatzes und seiner im vorliegenden Fall empirischen Relevanz lassen sich anhand des Portfolio-Modells vier Anbietertypen unterscheiden, die Abbildung D-10 illustriert. hoch Experte Herausforderer Mitläufer Neuling Aktuelle Bedeutung des Mi ttelstands niedrig steigend stagnierend/ sinkend Entwicklung der Bedeutung des Mi ttelstands Abbildung D-10: Anbietertypologie im IT-Marketing für mittelständische Kunden443 Analysiert man die Merkmale dieser Anbietergruppen näher, stellen sich interessante Unterschiede hinsichtlich der Gründe für ein Engagement im KMU-Segment, der dort verfolgten Ziele und der wichtigsten Probleme heraus (vgl. Tabelle D-4). Im Folgenden werden diese Hauptcharakteristika der vier IT-Typen kurz dargestellt. 441 442 443 Für die Begriffen vgl. WEINHOLD (1991) Vgl. Teil D 1.1c) Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an ASSAEL (1993), S. 721 168 Teil D Mittelstand als Kunde: Hintergrund, Herausforderungen, Anbietertypen Anbietertyp und Zusammensetzung Motivation Diversifikation Viele potenzielle Kunden Ziele Hauptprobleme Umsatzwachstum durch neue Kunden: Kunden der Konkurrenz gewinnen Margenverbesserung: Besserer Preispunkt Ein KMU will standardisierte Lösungen, die trotzdem angepasst sind Ein KMU hat keine langfristige ITStrategie Ein KMU ist durch die schnelle technische Entwicklung verunsichert Wachstum Umsatzwachstum Ein KMU will standardisierte LöSegment wurde durch Cross-Selling: sungen, die trotzdem angepasst sind „HERAUSFORDERER“ in der VerganDurchdringung beste- Ein KMU kennzeichnet sich durch Distribution: n=0 Hardgenheit nicht hender Kunden hohe Betreuungskosten (After-Sales) ware: n=5 Dienstleistunkonsequent bearEin KMU kennzeichnet sich durch gen: n=1 Software: n=2 beitet hohe Akquisitionskosten (PreSales) Viele potenzielle Margenverbesserung: Ein KMU ist durch die schnelle Kunden Niedrigere Kosten technische Entwicklung verunsiKMU können Umsatzwachstum chert „NEULING“ durch IT noch durch neue Kunden: Fehlendes Know-how über ansteDistribution: n=1 Hardviel Geld sparen bisherige Nichtverhende IT-Projekte bei potenziellen ware: n=1 Dienstleistunwender Kunden gen: n=2 Software: n=4 Der Verkauf/das Marketing sprechen nicht immer die „Sprache des KMU“ Segment wurde Margenverbesserung: Das Produkt bietet mehr Leistungen in der VerganNiedrigere Kosten als das KMU verlangt („Überleis„MITLÄUFER“ genheit nicht tung“) Distribution: n=0 Hardkonsequent bearFehlendes Know-how über die ware: n=2 Dienstleistunbeitet attraktiven Kunden im KMU-Markt gen: n=3 Software: n=0 Die Kostenstrukturen sind nicht auf Kleinkunden ausgelegt Tabelle D-4: „Steckbrief“ verschiedener IT-Anbietertypen im mittelständischen Kundensegment „EXPERTE“ Distribution: n=6 Hardware: n=6 Dienstleistungen: n=5 Software: n=3 a) Experte: Hohe Bedeutung bei geringem Potenzial Die erste Anbietergruppe soll an dieser Stelle mit „Experte“ bezeichnet werden. Rund die Hälfte der befragten Unternehmen fällt in diese Kategorie. Sie zeichnet sich per Definition dadurch aus, dass mittelständische Kunden bereits heute eine hohe Bedeutung haben, diese in Zukunft aber nicht mehr deutlich zunehmen wird. „Experten“ verfügen also bereits über eine Vielzahl mittelständischer Kunden, so dass das Wachstumspotenzial vergleichsweise gering ausfällt. Als Gründe für ein Engagement im KMU-Segment geben „Experten“ an erster Stelle das sog. "Klumpenrisiko" an. Ein klarer Vorteil des KMU-Markts ist es demnach, dass das Ertragsrisiko für den Anbieter geringer ist, wenn ein Kunde wegfällt. Natürlich spielt die hohe Anzahl potenzieller Kunden auch hier eine grosse Rolle. Wichtigstes Ziel dieses Anbietertyps ist Umsatzwachstum durch Kunden der Konkurrenz. Dadurch, dass sie bereits an hohe Anzahl an Kunden besitzen, bietet sich dieses Marketingziel offensichtlich an. Ähnliches gilt in geringerem Masse für die Durchdringung bestehender Kun169 den. Darüber hinaus zielen „Experten“ aber auch vergleichsweise häufig auf eine Margenverbesserung durch höhere Preise ab. Keine andere Anbietergruppe weist annähernd hohe Mittelwerte bei diesem Ziel auf. Problematisch ist für Experten in erster Linie die Forderung mittelständischer Unternehmen nach billigen Standardlösungen, die trotzdem an ihre individuellen Bedürfnisse angepasst sind. Daneben nennen Verantwortliche aus diesem Segment noch die fehlende IT-Strategie der Kunden sowie ihre technische Verunsicherung als grösste Probleme im mittelständischen Kundenkreis. Diese drei Punkte wurden bereits an früherer Stelle als allgemein problematisch identifiziert und stellen somit den Normalfall dar. Relativ hohe Mittelwerte weisen nur Probleme bzgl. der Zusammenarbeit mit den Vertriebspartnern und der Bereitschaft des Mittelstandes seine Kostenrahmen zu überschreiten auf. Insgesamt zeigt sich jedoch, dass „Experten“ über alle Herausforderungen hinweg vergleichsweise niedrigere Werte aufweisen. Dies ist auf die bereits vorhandene Erfahrung der Anbieter mit der Kundengruppe zurückzuführen. Mögliche Stolpersteine im Vermarktungsprozess, z. Bsp. die Konfiguration des indirekten Vertriebs oder die allgemeine Anpassung der Kostenstrukturen an die Ertragspotenziale kleiner und mittlerer Kunden, sind bekannt und teilweise gemeistert. Fallbeispiel D-3 veranschaulicht diesen Anbietertyp am Beispiel der HP (Schweiz) AG. HP (Schweiz) AG Das bereits erwähnte Unternehmen HP (Schweiz) gehört zu den grössten IT-Anbietern in der Schweiz bzw. in der Welt. Obwohl HP mit einem breiten Angebotsspektrum auftritt liegt der Schwerpunkt auf Hardwareprodukten im weitesten Sinne. Aufgrund der bereits seit Jahren hohen IT-Dichte spielt auch der Mittelstand schon lange eine gewichtige Rolle im Kundenmix der HP. Schätzungen zu Folge generiert HP heute die Mehrheit ihres Umsatzes aus SMB (Small and Medium Businesses), so dass eine deutliche Zunahme dieses Anteils nicht zu erwarten ist. Primäres Ziel der HP ist die Umsatzausweitung durch Marktanteilsgewinne. Aufgrund der mittlerweile grossen Verbreitung der von HP angebotenen Produkte sind sog. Nichtverwender als Zielkunden von vergleichsweise geringerer Bedeutung. Bekanntermassen beliefert HP dieses Kundensegment allerdings nicht direkt, sondern baut dabei im Regelfall auf lokale Vertriebspartner. Grundsätzlich besteht auch für SMB die Möglichkeit sich den Vertriebsweg frei auszuwählen, normalerweise kaufen mittlere Unternehmen aber nicht direkt bei der HP ein. Im Gegensatz dazu handeln Grosskonzerne globale Rahmenverträge direkt mit HP aus. Dieses seit Jahren praktizierte Distributionsmodell hat sich grösstenteils bewährt und es gibt eine eingespielte Aufgabenteilung zwischen Produzent und Reseller. Insgesamt verfügt HP demzufolge 170 Teil D Mittelstand als Kunde: Hintergrund, Herausforderungen, Anbietertypen bereits über erhebliche Erfahrung im SMB-Segment, so dass potentielle Probleme als weniger gravierend wahrgenommen werden. Fallbeispiel D-3: KMU-Experte HP (Schweiz) AG444 b) Herausforderer: Hohe Bedeutung bei hohem Potenzial Im Gegensatz zu den oben beschriebenen „Experten“ weisen mittelständische Kunden für den Anbietertyp „Herausforderer“ noch erhebliche Umsatzpotenziale auf. „Herausforderer“ kennzeichnen sich durch bereits heute signifikante Umsatzanteile im Mittelstand, wobei die Wachstumsgrenze aber noch lange nicht erreicht ist. Als wichtigsten Grund für ein Engagement im KMU-Segment geben „Herausforderer“ denn auch die vielen potenziellen Kunden und das überdurchschnittliche Wachstum an. Daneben bemerken sie aber auch, dass der Markt in der Vergangenheit nicht konsequent bearbeitet wurde. Das wichtigste Merkmal dieses Typs findet sich in der Zielsetzung wieder: „Herausforderer“ setzen deutlich häufiger als andere Typen auf die Durchdringung bestehender Kunden, betreiben also Cross-Selling. Im Gegensatz zu den oben beschriebenen „Experten“ glauben sie demnach, dass die Umsätze im Mittelstand vor allem dadurch erhöht werden können, dass dem einzelnen Kunden neue Produkte oder Dienstleistungen angeboten werden. Ein solches Vorgehen bietet sich im Falle der hier beschriebenen IT-Unternehmen deshalb an, da die Unternehmen über ein breites Leistungsspektrum und viele Bestandskunden verfügen. Schwierigkeiten im Vermarktungsprozess für kleine und mittlere Unternehmen treten auch deshalb auf, weil diese Kundengruppe bekanntermassen nach Standardlösungen verlangt, die trotzdem angepasst sind. Darüber hinaus bemängeln sie die hohen Betreuungs- und Akquisitionskosten. Interessanterweise stellen fehlendes Know-how über anstehende Projekte und die attraktiven Kunden für „Herausforderer“ ein relativ grosses Problem dar. Dies verwundert zunächst, da dieser Anbietertyp bereits über einen beträchtlichen Kundenstamm verfügt und diesbezüglich gut informiert sein müsste. Eine mögliche Erklärung für dieses Phänomen könnte darin liegen, dass meistens nur indirekter Kontakt zu den Kunden über die Vertriebspartner besteht. So ist die Weitergabe relevanter Marktinformationen keinesfalls garantiert und stellt auch das grösste Problem bei der Zusammenarbeit in der IT-Industrie dar.445 Im vorliegenden Fall ist es vor allem denkbar, dass die Bemühungen hinsichtlich Cross-Selling dann an ihre Grenzen stossen, wenn Vertriebspartner nicht in der Lage sind die neuen Produkte oder Leis- 444 445 Vgl. Expertengespräch HP (2003) Vgl. SCHREINER (2004b) 171 tungen anzubieten oder bereits mit anderen Anbietern zusammenarbeiten. Fallbeispiel D-4 zeigt einen typischen Vertreter dieser Anbietergruppe und stellt exemplarisch die Hintergründe dar. Microsoft (Schweiz) AG Für die Microsoft (Schweiz) AG sind kleine und mittlere Betriebe schon lange ein wichtiger Erlösträger. Durch die marktbeherrschende Stellung im Bereich Büroanwendungen verfügt Microsoft über einen enormen Kundenstamm im gewerblichen Kundensegment. Bis auf wenige Ausnahmen, die Applikation von Linux oder Sun Microsystems oder illegale WindowsProdukte („Piraterie“) verwenden, gehört jeder schweizerische Mittel- und Kleinbetrieb zum Käuferkreis von Microsoft. Aufgrund der flächendeckenden Verbreitung von einfacher Bürosoftware und des hohen Marktanteils der Windowsfamilie muss Microsoft gezwungenermassen auf neue Produkte setzen, um Wachstum und damit Unternehmenswert schaffen zu können. So versucht Microsoft denn auch seit einigen Jahren ihr Leistungsportfolio konsequent auf andere Softwarebereiche auszubauen und den Wert der vorhandenen Kundenbeziehung so voll auszuschöpfen. Prominente Bespiele sind neben dem Serverbereich vor allem betriebliche Softwarelösungen, die für Microsoft ein grosses Wachstumspotenzial darstellen. Durch die Akquisition verschiedener ERP-Hersteller (Great Plains, Navision) ist Microsoft in der Lage kleinen und mittleren Unternehmen praktisch alle erforderlichen Softwarelösungen aus einer Hand zu liefern Das gleiche Vorgehen im Grosskundensegment scheiterte übrigens im Frühling 2004, als Microsoft Corp. und die SAP AG Fusionsgespräche führten. Trotz der vergleichsweise guten Ausgangssituation sieht sich aber auch Microsoft mit gewissen Schwierigkeiten konfrontiert, die auch aus ihren Diversifikationsanstrengungen resultieren. So sind die Service- und Vertriebsanforderungen im Markt für einfache Büroanwendungen nicht auf ERP-Lösungen übertragbar. Die klassischen Microsoft-Reseller verkaufen und installieren zwar Server-Lösungen, verstehen sich aber nicht notwendigerweise auf die aufwendige Implementierung betrieblicher Softwaremodule. Deshalb sind die bestehenden Vertriebsstrukturen der Microsoft nur teilweise für das Cross-Selling nutzbar und entsprechend problematisch ist die Identifizierung lukrativer Kunden oder Projekte. Fallbeispiel D-4: 446 KMU-Herausforderer Microsoft (Schweiz) AG446 Vgl. Expertengespräch Microsoft (2003) 172 Teil D Mittelstand als Kunde: Hintergrund, Herausforderungen, Anbietertypen c) Neulinge: Geringe Bedeutung bei hohem Potenzial Eine dritter Anbietertyp wird mit „Neuling“ bezeichnet, da er bis dato nur über relativ wenige Kunden und damit wenig Erfahrung im mittelständischen Kundensegment verfügt. Ihr Fokus lag in der Vergangenheit eindeutig auf gewerblichen internationalen Grosskunden. Auf der Suche nach neuen Wachstumsquellen diversifizieren sie sich nun im Gegensatz zu den „Herausforderern“ nicht produkt- sondern kundenseitig. Aufgrund ihrer schwachen Position im Mittelstandsmarkt bestehen dort auch auf Basis des vorhandenen Produktportfolios hervorragende Wachstumschancen. Die beiden wichtigsten Gründe für ein Engagement im KMU-Segment sind denn auch die grosse Anzahl potenzieller Kunden. Als wichtigstes Ziel im Midmarket bezeichnen es „Neulinge“, bisherige Nichtverwender für ihre Leistungen gewinnen zu können und so Umsatzwachstum zu produzieren. Marktanteilsgewinne und Cross-Selling sind für sie zu vernachlässigen. Typischerweise achten „Neulinge“ auch wesentlich mehr als alle anderen Anbietertypen darauf, ihre Marge durch eine niedrigere Kostenposition zu verbessern. Dies kann darauf zurück geführt werden, dass sie aus dem margeträchtigeren Grosskundengeschäft in das Mittelstandssegment vorstossen und für einen profitablen Markteintritt die Kostenstruktur, z. Bsp. im Vertrieb oder Service, anpassen müssen. SAP (Schweiz) AG Bei der SAP AG handelt es sich um den Weltmarktführer bei betrieblicher Software. SAP generiert den Grossteil ihrer Lizenzumsätze aus internationalen Grosskunden. International arbeiten mittlerweile rund 90% aller Unternehmen aus dem „S&P 500-Index“ zumindest partiell auf Systemen der SAP AG. In der Schweiz betreut die SAP neben sechs „Key Accounts“ (Nestlé, ABB,...) vor allem sog. „Local Accounts“ (Clariant, Feldschlösschen,...) ab einer Umsatzhöhe von 200 Mio. CHF. Mittelständische Kunden zwischen 30 Mio. und 200 Mio. CHF Jahresumsatz gehörten bis vor einigen Jahren nicht zur prioritär zu behandelnden Kundengruppe der SAP. Aufgrund begrenzter Wachstumsoptionen im Grosskundengeschäft versucht SAP nun ihre etablierten ERP-Produkte in ähnlicher Form im Midmarket zu vermarkten. Mittlerweile konnten im mittelständischen Kundensegment in der Schweiz zwar eine Reihe von Unternehmen für SAP-Lösungen gewonnen werden, insgesamt liegt ihr Umsatzanteil aber heute noch bei knapp 15%. Für die Zukunft möchte SAP verstärkt in Kundenbeziehungen zum Mittelstand investieren. Für SAP ist eine Marktausweitung auf vergleichsweise kleinere Organisationen allerdings mit 173 nicht unerheblichen Schwierigkeiten verbunden, da sie nur zu einem sehr geringen Teil auf Altbewährtes zurückgreifen kann. Zwar bauen die Applikationen für den Mittelstand (SAP Business One / MySAP All-in-One) auf den bekannten Softwareplattformen auf und bieten ähnliche Funktionen und Module. Viele andere kritische Elemente und Strukturen der SAP Unternehmenspolitik liessen sich aber nicht übernehmen. Beispielsweise zeigte sich, dass sich in der Vergangenheit auch die Vertriebspartner auf Grossunternehmen spezialisierten und einen entsprechend begrenzten Zugang zu kleineren Betrieben hatten. Insgesamt stellte auch die enorme Heterogenität und Intransparenz des KMU-Marktes die SAP vor Probleme, da sie aus dem Grosskundenumfeld übersichtliche Strukturen gewohnt war. Relevante Information über Umsatz, Ansprechpartner oder anstehende Projekte sind in mittelständischen und ggfs. eigentümergeführten Unternehmen wesentlich schwerer zu erlangen. Schliesslich stellte sich auch heraus, dass bislang übliche Marketing- und Vertriebsaktivitäten redimensioniert werden mussten, da sie nicht mehr in vertretbarer Relation zum Ertragspotenzial des Kunden standen. Aus diesem Grund spielen auch Ziele hinsichtlich einer Verbesserung der operativen Marge bei der SAP eine grosse Rolle. Fallbeispiel D-5: KMU-Neuling SAP (Schweiz) AG447 „Neulinge“ weisen insgesamt die höchsten Problemwerte der befragten Unternehmen auf. Jeden dritten Aspekt im IT-Marketing für mittelständische Kunden bezeichnet diese Gruppe durchschnittlich als grosses Problem (Werte 4 und 5). So haben „Neulinge“ stark mit der Verunsicherung der Kunden aufgrund der schnellen technischen Entwicklung zu kämpfen. Dies kann darauf zurück geführt werden, dass sie in der Vergangenheit - bedingt durch die teilweise komplexen und sich rasch verändernden Strukturen ihrer bisherigen Kunden - verstärkt auf Innovationen und anspruchsvolle Applikationen gesetzt haben, die im Mittelstand zu Akzeptanzproblemen führen können. Weitere Schwierigkeiten bestehen neben fehlendem Know-how auch in der Zusammenarbeit mit dem Unternehmen selber. Offensichtlich kämpfen Marketing- und Verkaufsverantwortliche auch damit, dass sie nicht immer die „Sprache des KMU“ sprechen. Da sie bisher fast ausschliesslich mit Grossunternehmen kommunizieren mussten, scheint es beim IT-Verkauf an den Mittelstand mancherorts an Erfahrung und Einfühlungsvermögen zu fehlen. Fallbeispiel D-5 illustriert diesen Anbietertyp. 447 Vgl. Expertengespräch SAP (2002) 174 Teil D Mittelstand als Kunde: Hintergrund, Herausforderungen, Anbietertypen d) Mitläufer: Geringe Bedeutung bei geringem Potenzial Als letzte Gruppe sollen an dieser Stelle die sog. „Mitläufer“ vorgestellt werden. Auch sie generieren ihre Umsätze heute vor allem aus dem Grosskundensegment, glauben aber anders als die oben beschriebenen „Neulinge“ nicht an das grosse Potenzial des Marktes. Für sie ist der Midmarket vor allem „Mitnahmegeschäft“, in dem es gilt, die Kosten der Kundenbearbeitung oder -gewinnung möglichst gering zu halten. „Mitläufer“ leiden vor allem darunter, dass das gesamte Unternehmen nicht auf kleinere Abnehmer auslegt ist. Das Produkt bietet deutlich mehr als ein KMU verlangt, und die gesamten Vertriebs- und Leistungsstrukturen bürden den Unternehmen Fixkosten auf, die nur von Grossaufträgen getragen werden können. Fallbeispiel D-6 veranschaulicht diesen Anbietertyp. EDS (Schweiz) AG Das Unternehmen Electronic Data Systems (Schweiz) AG, kurz EDS, sitzt in Zürich und beschäftigt dort rund 300 Mitarbeiter. EDS versteht sich als kompetenter IT-Dienstleister und bietet insbesondere Informatik-Outsourcinglösungen für Grossunternehmen an (Swiss, Mövenpick,..). Für EDS haben mittelständische Unternehmen normalerweise keine Bedeutung. Eine Projekt zur verstärkten Zusammenarbeit mit Unternehmen ab 50 Arbeitsplätzen erwies sich als nicht erfolgreich. So wurde die Initiative nach einem Jahr wieder eingestellt, da sich sowohl Umsätze wie auch Deckungsbeiträge nicht zufriedenstellend entwickelten. Zum einen konnten nicht ausreichend Kunden gewonnen werden, da EDS als globales Unternehmen vom Mittelstand nicht als Anbieter akzeptiert wurde. Ausserdem stellte sich heraus, dass es für EDS aufgrund seiner Kostenstruktur kaum möglich ist, im Mittelstand kostendeckende Aufträge zu generieren. Diese Erfahrung hat dazu geführt, dass EDS nur noch Unternehmen mit mindestens 300 IT-Arbeitsplätzen zu ihrer Kernzielgruppe zählt. Kleinere Unternehmen werden vom Verkauf nur proaktiv angegangen, wenn die Möglichkeit eines profitablen „Roll-Out“ besteht (Spitäler, Hotels, ...). Fallbeispiel D-6: 448 KMU-Mitläufer EDS (Schweiz) AG448 Vgl. Expertengespräch EDS (2003) 175 E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe „Es gibt zwei Dinge, auf denen das Wohlgelingen in allen Verhältnissen beruht. Das eine ist, dass Zweck und Ziel der Tätigkeit richtig bestimmt sind. Das andere aber besteht darin, die zu diesem Endziel führenden Handlungen zu finden.“ Aristoteles, Griechischer Philosoph, Jahr unbekannt 1 Lösungen orientieren sich an den Zielen im Kundensegment 1.1 Grundlagen der Marketingplanung In der Betriebswirtschaftslehre hat sich seit Langem die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Art und Weise des operativen Einsatzes der Marketing-Instrumente nicht isoliert entschieden werden darf, sondern Teil eines marketing- und unternehmensstrategischen Gesamtkonzeptes sein sollte. Ziel ist es, einzelne marketingrelevante Massnahmen steuern und in einem grösseren Zusammenhang bewerten zu können. Diesbzgl. wird auch von einer „Kanalisierung“ oder „Routenbestimmung“ des Marketing-Mixes durch die Strategiefestlegung gesprochen.449 Bevor der Frage nachgegangen werden kann, wie die Marketingstrategie den Rahmen für operative Einzelmassnahmen bildet, muss diese in die Unternehmensstrategie eingebunden werden. Auch Marketingstrategien sind nicht alleinstehend, sondern orientieren sich ihrerseits an der strategischen Planung der Gesamtunternehmung. Je nach Unternehmenssituation und struktur gibt die strategische Unternehmensplanung dabei den Unternehmenszweck, die strategische Grundausrichtung oder die Ressourcenallokation vor.450 Die strategische Grundausrichtung betrifft neben zeitlichen Aspekten des Marketing vor allem die Marktauswahl und die Wahl der Wettbewerbsstrategie (Differenzierung, Kostenführerschaft, Nischenstrategie).451 Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben erfolgt die Planung des Marketing-Mixes, also die Ausgestaltung einzelner Instrumente des Marketing, in drei Schritten.452 Erstens beschreibt die Marketingstrategie in groben Zügen, wie die Unternehmung gegenüber Markt und Wettbewerb auftritt. Anschliessend konkretisiert die instrumentelle Leitplanung diese Leitlinien in der Art, dass Planungskomplexität reduziert und die Detailplanung des Marketing-Mixes erleichtert und koordiniert wird. 449 450 451 452 Vgl. exemplarisch BECKER (1996), S. 16; zum Geschäftsfeldbegriff vgl. Abbildung D-2 Vgl. KUSS/TOMCZAK (2002), S. 109 ff. Vgl. KUSS/TOMCZAK (2002), S. 55 ff. und die dort angegebene Literatur Vgl. TOMCZAK/ROOSDORP (1996) 176 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe Unternehmensstrategie: Geschäftsfeld-Mix, Ressourcen, Strategische Grundausrichtung Marketingstrategie Instrumentelle Leitpl anung Optionen Ansätze Abbildung E-1: Marketingtaktik Massnahmen Marketingstrategische Zusammenhänge453 Im Folgenden werden diese drei Elemente der Strategieplanung herausgegriffen und im Kontext der vorliegenden Problemstellung näher erläutert. Abbildung E-1 verdeutlicht die Zusammenhänge darüber hinaus graphisch. a) Marketingstrategie Vereinfacht formuliert geben Strategien Wege vor, „was“ zu tun ist, um ein bestimmtes Ziel bzw. ein Zielsystem zu erreichen.454 Dabei hat es sich etabliert, Strategien in Form von verschiedenen Optionen darzustellen, die sich dem Management bieten. Kernelement der Marketingstrategie ist dabei die Formulierung der Positionierungsstrategie, welche das Auftreten des Unternehmens am Markt konkretisiert. Das bekannteste Element der Positionierungsstrategie, auch als Strategiesubstanz bezeichnet, bezieht sich auf den anzustrebenden Kundennutzen und geht zurück auf PORTER (1985), der zwischen Kostenführerschaft, Differenzierung und Nischenbesetzung unterscheidet. Man spricht diesbezüglich auch von strategischen Stossrichtungen oder Optionen. Bei einer Kostenführerschaft profiliert sich der Anbieter auf Basis einer optimalen Kostenstruktur über günstigere Preise. Wettbewerbsvorteile durch Differenzierung entstehen hingegen dann, wenn sich das Produkt oder die Dienstleistung durch besondere Merkmale positiv von der Konkurrenz abhebt und so für erhöhten Kundennutzen sorgt.455 Nicht abschliessend geklärt ist allerdings die genaue Abgrenzung zwischen Marketing- und Unternehmensstrategie. Im Zentrum steht dabei die Frage nach dem Bezugsobjekt und entsprechend dem Inhalt der Marketingstrategie. Für viele Autoren kommen als Bezugsobjekt der Wettbewerbs- oder Marketingstrategie durchaus Geschäftsfelder oder Strategische Geschäftseinheiten in Frage. PORTER (1985) vermerkt jedoch dazu, dass unterschiedliche strategische 453 454 455 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an KUSS/TOMCZAK (2002), S. 109 und TOMCZAK/ROOSDORP (1996) Vgl. KOTLER/BLIEMEL (1995), S. 119 Neuere Konzepte erweitern den Strategieinhalt z. Bsp. um Fragen des Wettbewerbsverhaltens oder der Strategiedynamisierung. Für eine ausführliche Diskussion verschiendener Ansätze vgl. KUSS/TOMCZAK (2002), S. 165 ff. 177 Grundpositionen innerhalb eines Unternehmens nur in Ausnahmefällen Erfolg versprechend sind. Nur wenn es der Firma gelingt einzelne Geschäftsbereiche strikt voneinander zu trennen, kann sie über mehrere unternehmenspolitische Grundsatzpositionen verfügen.456 Geschäftsfelder haben sich demzufolge in aller Regel inhaltlich an der Unternehmens- und Wettbewerbsstrategie zu orientieren, vor allem dann, wenn die verschiedenen Bereiche in einem sachlogischen Zusammenhang stehen, z. Bsp. durch ähnliche Produkte oder denselben Markennamen. Da eine organisatorisch-rechtliche Trennung der entsprechenden Geschäftsbereiche aber nicht vorgenommen wird, kommt eine eigene Wettbewerbsstrategie im Sinne Porters im Kontext dieser Arbeit entsprechend nicht in Frage. b) Instrumentelle Leitplanung Die instrumentelle Leitplanung hat sich als Bindeglied zwischen Strategie und operativen Massnahmen bewährt. Von konzeptioneller Seite wurden hierzu mehrere Möglichkeiten entwickelt, welche die überwältigende Anzahl möglicher Instrumentenkombinationen überschaubarer machen und priorisieren. Hauptaufgabe der Leitplanung ist es demzufolge, Schwerpunktinstrumente festzulegen und deren konkrete Ausgestaltung mitzubestimmen.457 Im Rahmen dieser Arbeit soll der Ansatz instrumenteller Leitplanung Verwendung finden, da er die empirisch vorgefundenen Praktiken der IT-Unternehmen am besten beschreiben konnte. HAEDRICH/TOMCZAK (1990) geben durch sogenannte „instrumentelle Strategiemodelle“ einen gedanklichen Rahmen vor, der sich an den marketingstrategischen Zielen orientiert und die Vorgaben auf instrumentellem Niveau qualitativ und quantitativ konkretisiert. Dabei werden Schwerpunktinstrumente bestimmt um letztendlich Wettbewerbsvorteile erreichen zu können.458 Jedes Marketinginstrument oder -subinstrument kann potenziell zu einem Marketingansatz entwickelt werden, so dass fast unendlich viele Anknüpfungspunkte zu ihrer Generierung bestehen. Diese Ansätze setzen die Ziele der Marketingstrategie im Rahmen der instrumentellen Leitplanung um. In der Praxis beschränken sich die Unternehmen aber auf die Kombination einiger weniger Schwerpunktinstrumente. So baut Dell vornehmlich auf ein Modell des Direktvertriebs, kombiniert mit einem Markenmodell. Andere IT-Unternehmen wie Cisco oder Nortel weisen starke Elemente von Modellen der Segmentierung, der Innovation oder des Partnervertriebs auf. 456 457 458 Vgl. PORTER (1985), S. 18 Vgl. TOMCZAK/ROOSDORP (1996), S. 40; HAEDRICH/TOMCZAK (1990), S. 145 ff; weitere Ansätze finden sich bei RUDOLPH (1993) oder KÜHN (1985) Vgl. HAEDRICH/TOMCZAK (1990), S. 146 178 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe c) Marketingmassnahmen Im Anschluss an die Formulierung der strategischen Leitplanung folgt ihre Umsetzung anhand konkreter Lösungen im Marketing und Verkauf. Ziel ist die Implementierung der strategischen Ziele unter Zuhilfenahme der instrumentellen Strategiemodelle. Marketingmassnahmen werden typischerweise in vier Instrumentalbereiche gegliedert (Produktpolitik, Preisgestaltung, Kommunikationspolitik, Distribution).459 Sie weisen einen im Gegensatz zur Marketingstrategie verkürzten Betrachtungszeitraum auf und können ihre volle Wirkung vor allem bei einer entsprechenden Kombination entfalten. Aus diesem Grund hat sich auch der Begriff Marketing-Mix für die gleichzeitige Verwendung verschiedener Instrumente zur Strategieumsetzung etabliert. Auf eine Diskussion der in der IT-Branche vorherrschenden Marketing-Massnahmen soll an dieser Stelle verzichtet werden. Die Bandbreite der eingesetzten Instrumente erstreckt sich über das gesamte Instrumentarium und umfasst dabei sogar Massnahmen des klassischen Konsumgütermarketing wie Fernsehwerbung.460 1.2 Marketingstrategische Überlegungen im mittelständischen Kundensegment 1.2.1 Anforderungen an ein Modell strategischer Optionen Gemäss dem vierten Forschungsziel stellt sich die Frage, welche strategischen Optionen den hier behandelten IT-Unternehmen bei der Bearbeitung des Mittelstandes zur Verfügung stehen. Allerdings sind der Entwicklung eines solchen marketingstrategischen Optionsmodells gewisse Grenzen gesetzt, die nun kurz angeführt werden. a) Zielorientierung Konstitutives Merkmal aller Strategien ist der Zielbezug. Selbst wenn der Ausgestaltung der marketingpolitischen Massnahmen aufgrund der moderaten Bedeutung des Segment gewisse Grenzen gesetzt sind, sollten sich die strategischen Optionen im Mittelstand trotzdem an den spezifischen Zielen orientieren, die Unternehmen diesbezüglich verfolgen. In Anlehnung an Abbildung A-2 können dabei zwei Hauptzielkategorien unterschieden werden. Wie erwähnt 459 460 Teilweise wird diese Vierteilung insb. im Dienstleistungssektor zugunsten einer Siebenteilung verworfen, die noch das „physische Umfeld“, „prozessunterstützende Elemente“ und „Menschen“ beinhaltet. Vgl. dazu FINSTERWALDER (2002), S. 28 f. und die dort angegebene Literatur. Für eine Dastellung der wichtigsten Marketinginstrumente in der IT-Branche vgl. VERSTEGEN et al. (2003) 179 verfolgen Unternehmen im Mittelstandssegment margen- und umsatzbezogene Ziele, so dass marketingstrategische Optionen hier ansetzen sollten. b) Berücksichtigung der Bedeutung des mittelständischen Kundensegments Wie eben diskutiert muss sich die Marketingstrategie auf Geschäftsfeldebene nicht selten den wettbewerbspolitischen Zielen des Gesamtunternehmens unterordnen. Die empirischen Ergebnisse zur organisatorischen Verankerung des Kundensegments haben zwar gezeigt, dass KMU vereinzelt eine eigene organisatorische Einheit bilden. Eine isolierte Strategieformulierung im Sinne einer komplett neuen und divergierenden Positionierung erscheint jedoch unrealistisch und nicht sinnvoll.461 Marketingstrategien für kleine und mittlere Unternehmen haben sich in erster Linie an den groben Leitlinien der existierenden Unternehmens- oder Marketingstrategie zu orientieren, die bereits für den bestehenden Kundenstamm gelten. Es gilt situativ neue Akzente zu setzen, die dem besonderen Charakter des mittelständischen Kundensegments Rechnung tragen und die bestehenden Vorgaben modifizieren, nicht radikal ändern. c) Übertragbarkeit Schliesslich sollte ein marketingstrategisches Optionsmodell für das mittelständische Kundensegment sich durch einen gewissen Abstraktionsgrad auszeichnen. Somit wäre gewährleistet, dass die Erkenntnisse zwischen Branchen übertragbar und damit auch bei KMU anderer Industrien anwendbar wären. 1.2.2 Strategische Optionen für das Mittelstandssegment Das hier entwickelte Optionsmodell berücksichtigt die eingangs formulierten Anforderungen und greift dabei auf die Idee von KUSS/TOMCZAK (2002) zurück, bei der Anvisierung einer neuen Kundengruppe den Instrumentalbereich der Unternehmung einer qualitativen (Gestaltung) oder quantitativen (Intensität) Änderung zu unterwerfen.462 Dieses Vorgehen entspricht dabei der allgemeinen Forderung, dass sich Veränderungsprozesse von Gestaltungs- oder Bearbeitungsstrategien an den Kriterien „Effizienz“ und „Effektivität“ zu messen haben und sowohl die Kunden- (Effektivität) als auch die Anbietersicht (Effizienz) berücksichtigen müssen.463 So dienen qualitative Veränderungen der Effektivität (Kundennutzen) und quantitative Veränderungen der Effizienz (Anbieternutzen). 461 462 463 Vgl. dazu KUSS/TOMCZAK (2002), S. 168 Vgl. dazu KUSS/TOMCZAK (2002), S. 168 Vgl. KOWALSKI/RECKENFELDERBÄUMER (1998), S. 38 180 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe Entsprechend soll hier von „Qualitativer Differenzierung“ gesprochen werden, wenn die Unternehmung grundsätzlich neue oder andere Marketinglösungen für das mittelständische Kundensegment implementiert und die Kundengruppe somit eine differenzierte Bearbeitung erfährt. Qualitative Differenzierungen leiten sich aus dem Anspruch ab, die relevanten Kundenbedürfnisse des Mittelstandes besser als bisher zu befriedigen. So soll es geschafft werden, mehr Kundennähe und letztendlich mehr Umsatz mit mittelständischen Kunden zu generieren. Kundennähe meint hier exemplarisch, Kundenwünsche zu berücksichtigen, Kundenbedürfnisse zu befriedigen oder sich am Kunden zu orientieren.464 Qualitati Qualitative ve Differenzierung Differenzierung Ums Umsatz atz Quantitati Quantitative ve Differenzierung Differenzierung Effekti Effektivität vität Effizienz Effizienz Bedürfnis KundenKundenzufriezufriedenheit denheit Abbildung E-2: Kundennähe Kundennähe Profit Profit Kundenwert Kosten Kosten Marge Marge Wirkungszusammenhänge der quantitativen und qualitativen Differenzierung465 „Quantitative Differenzierung“ meint hingegen Lösungen, die dem im Mittelstand häufig begrenzten Kundenwert und damit dem geringen Deckungsbeitrag pro Kunde Rechnung tragen. Vordergründiges Ziel dieses Vorgehens ist es, die Effizienz der Bearbeitung mittelständischer Kunden zu erhöhen. Dies muss primär über niedrigere Kosten erfolgen und resultiert in einer verbesserten kundenspezifischen Marge.466 Abbildung E-2 zeigt die Zusammenhänge. Unter Zuhilfenahme dieser beiden voneinander unabhängigen Dimensionen ist es nun möglich eine Optionsmatrix zu generieren, welche die grundlegenden strategischen Möglichkeiten im mittelständischen Kundensegment aufzeigt. Abbildung E-3 illustriert und benennt die vier grundsätzlichen Varianten der Bearbeitung der Kundengruppe. Sie ergeben sich wie beschrieben aus der Erkenntnis, dass sich Lösungen für KMU zum einen am bestehenden Instrumentenmix für den gesamten Kundenstamm und zum anderen an den verfolgten Zielen im mittelständischen Segment orientieren müssen. Die verschiedenen Optionen schliessen sich dabei nicht gegenseitig 464 465 466 Vgl. BELZ et al. (1997), S. 25 Quelle: Eigene Darstellung Buchhalterisch ist eine Margenverbesserung auch über höhere Preise denkbar. Die Ausführungen in Teil C 1 sowie die empirischen Ergebnisse zur Zielsetzung im Mittelstandssegment (vgl. Abbildung A-2) zeigen aber, dass diese Möglichkeit zu vernachlässigen ist. 181 aus, sondern bieten lediglich einen Orientierungsrahmen, der dem Marketing mögliche Ansatzpunkte einer differenzierten Bearbeitung aufzeigt. Kostensenkung (Effizienz) niedrig hoch hoch hoch Bedürfnisorientierung Qualitati ve Differenzierung (Umsatz) Segmentorientierung Kundennähe (Effektivität) Keine Differenzierung Potenzialorientierung niedrig niedrig niedrig hoch Quantitati ve Differenzierung (Marge) Abbildung E-3: Strategische Optionen im Marketing für mittelständische Kunden467 In Anlehnung an Abbildung E-2 können den identifizierten strategischen Optionen sodann verschiedene Marketingansätze zugeordnet werden, welche die Übersetzung in konkrete Massnahmen erleichtern. a) Bedürfnisorientierung „Bedürfnisorientierung“ als eine Option zielt in erster Linie darauf ab, die spezifischen Bedürfnisse der Kundengruppe Mittelstand besser zu bedienen. Die Instrumente und Lösungen in Marketing und Verkauf sollen derart gestaltet werden, dass mehr Kundennähe und somit eine höhere Kundenbindung und -akquisition erreicht werden kann. Letztendlich bezweckt sie grössere Markt- und Kundenanteile und damit eine Ausweitung der Umsatzanteile mit mittelständischen Kunden. b) Potenzialorientierung Ausgangspunkt der „potenzialorientierten“ Option ist das vergleichsweise geringe Ertragspotenzial mittelständischer Kunden. Damit trotz geringer Auftragsvolumina pro Kunde eine zufriedenstellende Marge generiert werden kann, müssen Marketinglösungen gefunden werden, welche die direkt dem Kunden zuschlüsselbaren Kosten senken. Es gilt, die Intensität der Kundenbearbeitung dahingehend zu reduzieren, dass sie der Bedeutung der Kunden Rechnung trägt. Im Mittelpunkt steht also eine gegenüber dem Grosskundensegment quantitative Diffe- 467 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an KUSS/TOMCZAK (2002), S. 168 und SPIESS (1999), S. 507 182 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe renzierung, welche die Summe der eingesetzten Mittel in Marketing und Vertrieb signifikant senkt. c) Segmentorientierung Eine Kombination aus qualitativer und quantitativer Differenzierung, welche sowohl das Umsatz- als auch das Deckungsbeitragziel berücksichtigt, soll an dieser Stelle mit „Segmentorientierte“ Option bezeichnet werden. Sie umfasst Marketinglösungen, die nicht nur kostengünstiger, sondern gleichzeitig auch kundennäher sind. Diese Variante bzw. die dahinter stehenden Ansätze und Massnahmen können somit als „Königsweg“ der Bearbeitung mittelständischer Kunden bezeichnet werden, da sie den Zielkonflikt zwischen Effektivität und Effizienz aufzuheben versuchen. d) Keine Differenzierung Diese Option kennzeichnet sich dadurch, dass dem mittelständischen Kundensegment keine gesonderte Behandlung widerfährt. Sämtliche Marketingaktivitäten für den gesamten Kundenstamm werden mehr oder weniger für kleine und mittelständische Kunden übernommen. Vielleicht werden kleinere Kunden seltener von den zuständigen Aussendienstmitarbeitern besucht oder die Anbieter sind in Kulanzfragen weniger grosszügig. Dieses Vorgehen soll an dieser Stelle aus nachvollziehbaren Gründen nicht weiter verfolgt werden. Es bleibt aber anzumerken, dass standardisiertes Marketing in einem anderen Zusammenhang durchaus seine Berechtigung haben kann. Von einer näheren Diskussion der Sinnhaftigkeit dieses Vorgehens soll hier abgesehen werden. 1.3 Potenzial-, Bedürfnis- und Segmentorientierte Ansätze setzen strategische Optionen um 1.3.1 Ausgewählte Marketingansätze für das mittelständische Kundensegment Strategiemodelle dienen der instrumentellen Leitplanung wie erwähnt als Bindeglied und überführen strategische Optionen in konkrete Einzelmassnahmen. Sie bestimmen Schwerpunktinstrumente, die eine Profilierung vom Wettbewerb ermöglichen und den gedanklichen Rahmen für die Ausgestaltung des operativen Marketing-Mix vorgeben. Die vorliegende Arbeit nimmt diesen Gedanken auf und bestimmt Marketingansätze, welche sich an den identifizierten Varianten im Mittelstandsmarkt orientieren und die Richtung für spezifische Einzelmassnahmen vorgeben. Im Unterschied zu den beschriebenen Strategiemodellen, die sich auf ein bestimmtes Instrument konzentrieren, sind die hier verwendeten Marke183 tingansätze jedoch abstrakter. Sie legen den Fokus nicht ausschliesslich auf ein einzelnes Instrument, sondern lassen sich häufig in mehreren Elementen des marketingpolitischen Instrumentariums umsetzen. Aus diesem Grund und um Verwechslungen zu vermeiden soll der Begriff „Modell“ in dieser Arbeit durch den Begriff „Ansatz“ ersetzt werden. Im Zuge der qualitativen empirischen Untersuchung und einem intensiven Studium der Fachliteratur war es indes möglich, acht Marketingansätze zu identifizieren, die sich qualitativ oder quantitativ vom normalen Grosskundengeschäft unterscheiden und damit den Kernzielen im mittelständischen Kundensegment Rechnung tragen. Natürlich ist eine genaue formelle Abgrenzung nicht einfach und eine weitere Subsummierung oder Aufgliederung dieser Ansätze immer möglich. Trotzdem handelt es sich hierbei um eigenständige Lösungsbereiche, die in der Praxis vorzufinden sind und eine vergleichsweise klare Kanalisierung der operativen Marketingarbeit erlauben. Konkret lassen sich folgende Marketingansätze im mittelständischen Kundensegment der IT-Branche unterscheiden: a) Standardisierung Kern des Standardisierungsansatzes ist die Vereinheitlichung von Gegenständen und Verfahren, was zu einer Gleichförmigkeit der betroffenen Objekte und Prozesse führen soll.468 Mit Standards im Marketing lassen sich demnach Leistungen, Kommunikation oder Prozesse vereinheitlichen, vereinfachen, beschleunigen, wirtschaftlicher gestalten und leichter wiederholen, austauschen sowie verbessern.469 Standardisierungsbemühungen dienen vornehmlich der Kostensenkung und Steigerung der Effizienz. b) Delegation Allgemein bezeichnet der Begriff Delegation die Übertragung von Zuständigkeiten, Leistungen oder Befugnissen.470 Im wirtschaftlichen Bereich bezieht sich Delegation zum einen auf die innerbetriebliche Delegation von Verantwortung an rangtiefere Stellen im Rahmen der Führungs- oder Organisationslehre.471 Zum anderen finden sich Formen der zwischenbetrieblichen Delegation, bei der Kunden Teilprozesse des Anbieters übernehmen. Dieser Aspekt hat unter dem Begriff „Customer Integration“ Einzug in die betriebswirtschaftliche Literatur gefunden und konzentriert sich primär auf die qualitativen Elemente einer neuen Arbeitsteilung zwischen 468 469 470 471 Vgl. GERSCH (1995), S. 7 Vgl. BELZ (2002), S. 108 Vgl. DUDENREDAKTION (1990), S. 169 Vgl. dazu THOMMEN (1992b), S. 193, S. 240 und S. 272 184 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe Nachfrager und Kunde.472 Im Gegensatz dazu wurden quantitative Aspekte der Kundenintegration, die zu einer Entlastung des Anbieters und damit einer verbesserten Kostenposition führen, bisher vernachlässigt. Dieses auch als „Externalisierung“ bezeichnete Vorgehen ist im Kontext der vorliegenden Arbeit von besonderer Bedeutung und dient primär der Ressourcenentlastung des Anbieters. c) Leistungssysteme Die Idee des Leistungssystemansatzes kennzeichnet sich dadurch, dass Anbieter verschiedene bisher getrennte Teilleistungen so zusammenfassen, dass daraus Vorteile der Optimierung für den Kunden entstehen. Anders formuliert sind Leistungssysteme „Problemlösungen für Kunden und tragen zu deren Erfolg bei.“473 Leistungssysteme setzen am Herz des Marketing, der Marktleistung, an und verknüpfen Produkt und Dienstleistungen zu einer geschlossenen Problemlösung. Sie schaffen dabei aus Einzelteilen ein transparentes Paket ohne ‚Leistungsballast’ und fördern mit attraktiven Leistungskomponenten die Profilierung und den Absatz anderer Teile mit geringen Wettbewerbsvorteilen. Typisch für Leistungssysteme ist zudem, dass sie für abgegrenzte Kundengruppen konzipiert sind und die Gesamtleistung der Unternehmung schrittweise erweitern.474 Wenngleich der Aufbau von Leistungssystemen auch einen positiven Einfluss auf die Deckungsbeitragssituation im KMU-Segment haben kann, bedingt durch bessere Margen im Dienstleistungsbereich, gehen sie dennoch in erster Linie einher mit erhöhten internen Anstrengungen. Entsprechend zielen sie mehr auf Effektivität und verbesserte Kundennähe und weniger auf Kostensenkungen. d) Marken- und Imagepolitik Bestimmungen des Markenbegriffs sind in der Vergangenheit vielfach und z. T. kontrovers diskutiert worden. Konsens besteht aber darüber, dass Marken heute nicht mehr ausschliesslich die zur Kennzeichnung von Leistungen oder Erzeugnissen verwendeten Symbole oder Namen bezeichnen, sondern als Ergebnis des gesamten Marketings interpretiert werden können.475 Markenpolitik ist also auch keine Frage der Markierung oder Kommunikation im Markt, son- 472 473 474 475 Vgl. dazu insb. KLEINALTENKAMP et al. (1996) BELZ (1998b), S. 177 Vgl. BELZ (1991), S. 37 Vgl. BELZ (1998a), S. 39 185 dern vielmehr anspruchsvolle Aufgabe des Managements.476 Wichtiger Bestandteil der Markenpolitik in der IT-Branche ist die Reputation oder das Image des Anbieterunternehmens. Professionelle Markenführung kann auf Nachfragerseite zu Vertrauen und damit zu reduzierter Unsicherheit über die Qualität der angebotenen Leistung führen.477 Der Aufbau und die Pflege einer Marke (Markenführung) sind allerdings kurz- bis mittelfristig mit erheblichen Kosten verbunden, so dass dieser Ansatz vornehmlich einer Steigerung der Kundenzahl und damit der Erträge dient. e) Pricing Das Pricing gehört zum klassischen Instrumentarium des Marketing und umfasst neben der reinen Preisbestimmung auch die Konditionenpolitik (Rabatte, Skonti, Zahlungsbedingungen, ...).478 Zu den Merkmalen des Pricing zählt, dass Veränderungen eine schnelle Wirkung auf Absatz, Marktanteile oder Reputation des Unternehmens haben, Entscheidungen aber nie isoliert von anderen Aspekten im Marketing gesehen werden dürfen.479 So verwundert es auch nicht, dass die Preis- oder Kontrahierungspolitik eine Vielzahl von Funktionen im Unternehmen erfüllen kann. Je nach Unternehmenssituation dient sie dem Fortbestand des Unternehmens, der Gewinn- oder Umsatzmaximierung, dem Absatzwachstum, der Marktabschöpfung oder der Qualitätsführerschaft. Daneben kann die Preispolitik aber im Industriegüterbereich auch erhebliche Auswirkungen auf die Kostenposition des Anbieters haben, wenn Preisverhandlungen kostenintensive Ressourcen wie den Aussendienst binden.480 f) Beziehungsmanagement Management von Geschäftsbeziehungen bedeutet, zu den wichtigen Personen der Anspruchsgruppen eines Unternehmens oder einer Institution (persönliche) Beziehungen zu knüpfen und zu pflegen und für das Unternehmen erfolgswirksam zu nutzen. Es ist in Business-to-Business Märkten oder komplexeren Verkaufssituation z. Bsp. dann von besonderer Bedeutung, wenn Kaufentscheide emotional geprägt sind oder in Teams gefällt werden. Beziehungsmanagement versetzt Anbieter in die Lage, eine Differenzierung gegenüber der Konkurrenz durch mehr 476 477 478 479 480 Vgl. BELZ (2002), S. 68 Vgl. BACKHAUS (1999), S. 384ff. und S. 651 ff. Im Industriegütergeschäft wird diesbzgl. auch von Kontrahierungspolitik gesprochen, was die Vertragsgestaltung explizit miteinbezieht. Vgl. GODEFROID (2000), S. 211 Vgl. KUSS/TOMCZAK (2002), S. 215 Vgl. KOTLER/BLIEMEL (1995), S. 749 und S. 741 186 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe Kundennähe und Informationsvorteile zu realisieren.481 Gute Beziehungen und Kontakte können aber im Übrigen dafür sorgen, dass Informations- oder Vertriebskosten sinken und so die Effizienz des Unternehmens erhöht wird. Umgekehrt erfordern negativ belastete oder nicht etablierte Geschäftsbeziehungen erheblich intensivere und umfangreichere Vertriebsanstrengungen.482 g) Kooperationen Kooperationen zeichnen sich durch die koordinierte Zusammenarbeit rechtlich und wirtschaftlich unabhängiger Partner aus. Greifen Unternehmen in Marketing und Verkauf auf Kooperationen zurück, kann dies unzählige Formen annehmen und entsprechend vielseitige Auswirkungen auf Kooperationspartner und Kunden haben. So ist es beispielsweise möglich durch Kooperation mit Anbietern komplementärer Güter massgeschneiderte Leistungspakete zu konzipieren, die den Kunden entlasten und die Wertschöpfung aller beteiligten Anbieter drastisch erhöhen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit durch eine Fremdvergabe arbeitsintensiver Aufgaben im Vermarktungsprozess im Rahmen von Vertriebskooperationen die eigene Kostenposition und damit die Effizienz zu erhöhen.483 h) Segmentierung „Mit Marktsegmentierungen teilen Unternehmen ihre Kunden in homogene Teilgruppen mit spezifischen Bedürfnissen und Problemen, die sie massgeschneidert, selektiv und rentabel bearbeiten können.“484 Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass sich die Gesamtheit aller Nachfrager hinsichtlich Bedürfnis, Nachfrage oder Zahlungsbereitschaft teilweise stark unterscheidet. Entsprechend sollten Anbieter ihre Marketinganstrengungen nicht breit streuen („Schrotflinten-Konzept“), sondern sich auf die Käufer konzentrieren, die sie am ehesten zufrieden stellen können („Scharfschützen-Konzept“).“485 Demnach bieten sich Segmentierungsansätze insbesondere in einem heterogenen Umfeld wie dem mittelständischen Nachfragersegment an.486 Ziel der Segmentierung ist es zum einen, sich durch Konzentration und „Massschneiderei“ zu differenzieren und Vorteile für den Kunden aufzubauen. Darüber hinaus kann sie aber auch 481 482 483 484 485 486 Vgl. BELZ (1998d), S. 19 f. Vgl. KUHLMANN (2001), S. 234 Vgl. KUHLMANN (2001), S. 93 f. BELZ (1998b), S. 232 f. Vgl. FRETER (1983), S. 1 ff. Vgl. SCHÖGEL (2001); FILE/PRINCE (1996); DAVIS/AUSTERBERRY (1999) 187 helfen Kosten zu senken und die Rentabilität des Unternehmens zu steigern, da z. Bsp. Streuverluste in Marketing oder Verkauf vermieden werden.487 1.3.2 Kategorisierung, empirische Relevanz und Reserven Die Ausführungen im vorherigen Anschnitt deuten schon an, dass die identifizierten Marketingansätze den oben entwickelten strategischen Optionen im Midmarket näherungsweise zugeordnet werden können. Aufgrund des abstrakten Charakters dieser Ansätze sei aber darauf hingewiesen, dass die genaue Wirkung der verschiedenen Lösungen auf Effizienz (Kosten und Marge) und Effektivität (Kundenähe und Umsatz) situativ sehr unterschiedlich sein kann. Je nach dem mit welchen konkreten Massnahmen die Ansätze hinterlegt werden, kann sich eine verbesserte Kundennähe oder Kostenposition einstellen. Abbildung E-4 zeigt zusammenfassend primäre Wirkungen verschiedener Marketingansätze für das mittelständische Kundensegment der IT-Branche. Die „Bubble Size“ der einzelnen Ansätze gibt dabei an, wie stark die im Rahmen der Anbieteruntersuchung befragten Manager diesbzgl. ihre Anstrengungen in Zukunft forcieren möchten (vgl. dazu auch Abbildung E-5). Kostensenkung (Effizienz) niedrig hoch S hoch L M Qualitati ve Differenzierung (Umsatz) hoch P B K Kundennähe (Effektivität) St D niedrig niedrig niedrig hoch Quantitati ve Differenzierung (Marge) Abbildung E-4: St D L M P B K S = = = = = = = = = = Standardisierung Delegation Leistungssysteme Markenführung/Image Pricing Beziehungsmanagement Kooperation Segmentierung grosse Reserve kleine Reserve Marketingansätze für Effizienz und Effektivität und empirische Reserven488 Ähnliches gilt auch für den Zusammenhang zwischen einzelnen Marketingansätzen und den identifizierten Problemkreisen im mittelständischen Kundensegment. Tabelle E-1 gibt eine grobe Einschätzung des positiven Einflusses einzelner Lösungen auf die Herausforderungen wieder. Dabei zeigt sich, dass anbieterseitige Probleme selbstverständlich besser adressiert werden können als mittelstandsinterne Schwierigkeiten. 487 488 Vgl. TOMCZAK/BELZ (1993); GÜNTER (1990a) Quelle: Eigene Darstellung; Reserven entstammen der Marketingbefragung. 188 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe Ansatz Defizite im KostenFehlende Heterogener ITVertrieb strukturen MarketingMarkt und EinkaufProblemkreis Information Wettbewerb verhalten Standardisierung Delegation Leistungssysteme Markenführung und Image Pricing Beziehungsmanagement Kooperationen Segmentierung Kaum Moderater EinEinfluss fluss Tabelle E-1: Einfluss einzelner Lösungsansätze auf die identifizierten Problemkreise IT- Anforderungen ITStellenwert Starker Einfluss Die Nutzungsintensität einzelner Lösungsansätze im mittelständischen Kundensegment war ebenfalls Gegenstand der empirischen Befragung unter Marketingmanagern. Abbildung E-5 zeigt, wie stark die Verantwortlichen die verschiedenen Lösungen bereits heute nutzen. Am weitesten verbreitet ist dabei die Markenführung im weitesten Sinne und Aspekte der Standardisierung. Beziehungsmanagement, Kooperationen und Leistungssysteme folgen als zweite Gruppe. Knapp jedes zweite Unternehmen gibt an, diese Ansätze intensiv zu nutzen. Pricinglösungen und die Delegation von Aufgaben und Kompetenzen spielt hingegen momentan eine noch untergeordnete Rolle. Schliesslich wurden die Manager nicht nur nach der aktuellen Nutzung („Ist“), sondern auch nach der angestrebten Nutzung („Soll“) der einzelnen Ansätze befragt. Die gestrichelte Linie in Abbildung E-5 gibt hier die Differenz zwischen diesen beiden Mittelwerten wieder und kann als „Reserve“ interpretiert werden. Auf eine gesonderte Darstellung der Mittelwerte für die Istund Soll-Nutzung wurde an dieser Stelle verzichtet. Die Differenzbetrachtung macht deutlich, dass die befragten Unternehmen vor allem in den Bereichen noch grosse Reserven sehen, die in Abbildung E-4 der segmentorientierten Option zugeordnet wurden, da sie sowohl Einfluss auf die Margen- als auch die Umsatzproblematik haben können. Differenziert man diese Abfrage nach der entwickelten Anbietertypologie stellt man interessante Unterschiede fest. Während fast alle Unternehmen im Bereich innovativer Preisgestaltung noch erhebliches Verbesserungspotenzial sehen, sind die Reserven bei weiteren Lösungsansätzen weniger homogen ausgeprägt. 189 gering hoch Nutzung/Reserve 0 Standardisierung (n=36; s=0,97) 1 0,60 14% 0,70 22% 12% 0,98 26% 0,86 58% 27% 46% 27% 0,84 Kooperationen (n=37; s=1,17) 32% 0% 46% 0,85 32% 22% Segmentierung (n=34; s=1,13) Abbildung E-5: 61% 27% 16% Beziehungsmanagement (n=41; s=1,12) neutral (3) 49% 30% 0,66 Pricing (n=38; s=1,04) eher gering (1+2) 29% 24% 47% Leistungssysteme (n=37; s=1,04) Anteil 61% 0,32 Delegation (n=34; s=1,07) Markenführung und Image (n=41; s=1,03) 25% 20% 32% 35% 40% eher hoch ( 4+5) 60% 80% 100% Mittelwert: Soll-Ist Nutzung und Reserven ausgewählter Lösungsansätze im mittelständischen Kundensegment489 So zeigt sich, dass „Experten“ viele der beschriebenen Lösungsansätze schon nutzen und diesbezgl. auch entsprechend weniger Potenzial ausmachen können. Trotzdem sehen sie teilweise erhebliche Reserven im Beziehungsmanagement und der Segmentierung. „Herausforderer“ setzen zukünftig hingegen verstärkt auf Leistungssysteme. Dieser Fokus ist nachvollziehbar, da er mit ihrem Ziel korrespondiert, Umsatzwachstum im Midmarket insbesondere durch Cross-Selling zu generieren. Die Gruppe der „Neulinge“ sieht noch grosse Reserven im Bereich Markenführung und Beziehungsmanagement. Da Neulinge sich bisher auf Grosskunden spezialisiert haben ist es verständlich, dass sie ihr Erscheinungsbild und Netzwerk im Mittelstand noch verbessern müssen. Interessant ist allerdings, dass sie ihre Standardisierungsbemühungen in Zukunft nur vergleichsweise wenig verstärken möchten. Dies verwundert vor dem Hintergrund, dass sie Effizienzsteigerungen durch Kostensenkung als wichtiges Ziel im KMU-Segment bezeichnen. Eine Erklärung liegt darin begründet, dass diesem Lösungsansatz innerhalb der Gruppe der Neulinge 489 Quelle: Marketingbefragung 190 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe bereits die stärkste Nutzung wiederfährt und einem verstärkten Fokus damit enge Grenzen gesetzt sind. „Mitläufer“ sehen bezeichnenderweise vor allem bei der Standardisierung und in der Segmentierung Reserven. Da sie keine breite Abdeckung des Segments anstreben und die hohen Kosten der Bearbeitung beklagen erscheinen diese beiden Verbesserungspotenziale logisch. 2 Potenzialorientierte Ansätze verbessern die Effizienz der Kundenbearbeitung 2.1 Standardisierungsansatz 2.1.1 Grundlagen und empirische Relevanz der Standardisierung Wenn Unternehmen Standardisierungslösungen anbieten orientieren sie sich im Gegensatz zur Individualisierung an den Bedürfnissen des „Durchschnittskunden“. Kundenwünsche können nicht oder nur in sehr geringem Masse berücksichtigt werden, da das Angebot über eine begrenzte Anzahl von Ausprägungen verfügt. Auf diesem Wege können eine grosse Anzahl von Kunden mit (fast) identischen Leistungen beliefert werden. Ultimatives Ziel der Standardisierung ist eine Kostenposition, die es erlaubt, Leistungen günstiger anzubieten als bisher bzw. den Deckungsbeitrag pro Produkt oder Kunde zu erhöhen. Kostensenkungen basieren dabei in erster Linie auf Erfahrungskurven- und Grössendegressionseffekten im weitesten Sinne.490 Als Ansatzpunkte der Standardisierung hat sich in der Literatur eine Zweiteilung durchgesetzt, die zwischen der Gestaltung des Leistungsangebots (Produkte) und der Leistungserstellung (Prozesse) unterscheidet.491 Letztere wird gemeinhin auch als „innerbetriebliche Standardisierung“ und Voraussetzung für die Produktgestaltung bezeichnet. Der Hinweis, dass sich Standardisierung nicht auf das Endprodukt beschränkt, ist dabei zwar wichtig, eine klare Trennung zwischen Produkt und Prozess scheint gerade in der IT-Branche allerdings nur schwer möglich.492 Vielmehr sollte zur Kenntnis genommen werden, dass der Auswahl potenzieller Anknüpfungspunkte der Standardisierung kaum Grenzen gesetzt sind und sämtliche Unternehmensprozesse einer Standardisierung unterzogen werden können. Als Hilfsmittel kommen dabei häufig moderne Informations- oder Telekommunikationstechnologien (IKT) in Frage, die menschliche Arbeit substituieren.493 Gerade arbeitsintensive Aufga- 490 491 492 493 Vgl. SPETH (2001), S. 47 und die dort angegebene Literatur Vgl. exemplarisch SPETH (2001), S. 49; BURGHARD/KLEINALTENKAMP (1996), S. 165; ähnlich PILLER (1997) Vgl. dazu auch die Ausführungen in Teil B 2.3 und B 2.4 Zu den Potenzialen der Informationstechnik vgl. Teil C 3.1. LEVITT (1972), S. 47, spricht hier von „hard technology“. 191 ben mit wenig individuellen Merkmalen, z. Bsp. Auftragseingang und -verarbeitung, werden heute zu einem grossen Teil standardisiert und effizient durch moderne Informatik abgebildet. Eng verwandt mit der Standardisierung ist das Konzept der Modularisierung, welches in den letzten Jahren vor allem im Rahmen der Diskussion um „Mass Customization“ vermehrt Aufmerksamkeit erlangt hat. „Mass Customization“ bedeutet, die Tatbestände „Mass Production“ und „Customization“ zu verbinden, um (teils) kundenindividuelle Leistungen zu Preisen von Standardprodukten anbieten zu können.494 Eine zentrale Möglichkeit der Individualisierung basiert auf modularen Produkten und einem Baukastensystem („Modularisierung“): Standardisierte und kundenanonyme Einzelmodule können miteinander verbunden werden, so dass eine Vielzahl verschiedener kundenspezifischer Kombinationen möglich wird und auch heterogene Kundenbedürfnisse angesprochen werden.495 Die Vorteile der Standardisierung liegen für den Anbieter vor allem in der Kostenreduktion. Darüber hinaus bergen standardisierte Prozesse oder Leistungen aber auch weniger Fehlerpotenzial, so dass der Kunde eventuell weniger unter „Kinderkrankheiten“ der Produkte zu leiden hat oder Kommunikationsprozesse reibungsloser vonstatten gehen. So können professionelle Prozessstandardisierungen im Kundenkontakt für den Nachfrager durchaus wertvoll sein, wenn Schnittstellen zum Anbieter standardisiert und transparent gestaltet werden. Die Gefahren der Standardisierung treten vor allem dann zutage, wenn die (Produkt-) Anforderungen des Markts sehr heterogen sind und stark vom „Durchschnittskunden“ abweichen. Prozessbezogene Standardisierungsbemühungen werden darüber hinaus vom Kunden nicht selten abgelehnt. Gerade eine offensichtlich standardisierte Marktbearbeitung stösst auf Akzeptanzprobleme, da Kunden ein solches Vorgehen oft als Zeichen für fehlende Wertschätzung für die Individualität des Unternehmens interpretieren. Weitere Ansatzpunkte der Standardisierung sind dann gefährlich, wenn sie die Mitarbeit des Kunden benötigen und ihn auf diesem Wege vor organisatorische, personelle oder finanzielle Probleme stellen, z. Bsp. bei der elektronischen Auftragsannahme und -verarbeitung.496 Die bisherigen Ausführungen machen deutlich, dass Standardisierungsbemühungen viele Facetten annehmen können, um dem Ziel gesteigerter Effizienz gerecht zu werden. Abbildung E-6 illustriert die empirische Bedeutung ausgewählter Aspekte der Standardisierung im mittelständischen Kundensegment. Dabei fällt zunächst auf, dass nur eine Minderheit der befragten 494 495 496 Vgl. PINE (1994); GILMORE/PINE (1997); KOTHA (1995) Vgl. PILLER (1997); zum Modulbegriff vgl. Teil B 2.3.1 Vgl. BURGHARD/KLEINALTENKAMP (1996) 192 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe Unternehmen grundsätzlich eine Preisführerschaft anstrebt. Entsprechend dient die Standardisierung wohl eher der Verbesserung der Margensituation oder einer Anpassung an das allgemeine Preisgefüge und die Zahlungsbereitschaft des Mittelstandes. Weitere Aspekte der Standardisierung werden hingegen häufiger verwendet. So bauen 54% der Unternehmen auf standardisierte Leistungen oder Preise. Modulare Strukturen verwendet aktuell knapp die Hälfte der Firmen intensiv, 24% allerdings kaum. Allerdings zeigt der Soll-IstVergleich, dass diesbezüglich noch grosse Reserven vorhanden sind. Auch bei der standardisierten Kundenbearbeitung oder -betreuung durch Call-Center oder Direkt-Marketing sehen die Anbieter in Zukunft einen verstärkten Fokus. Die folgenden Abschnitte nehmen sich diesen Potenzialen an und beschreiben mögliche Verwendungszwecke im mittelständischen Kundensegment. gering hoch Nutzung/Reserve 0 1 0,41 Preisführerschaft anstreben (n=41; s=1,04) "Light-Versionen" für KMU (n=39; s=1,11) 48% Standardisierte Produkte/Preise (n=41; s=1,14) Direct-Marketing/Call-Center Betreuung (n=40; s=1,25) Prozesse/Produkte modular gestalten (n=41; s=1,06) Anteil eher gering (1+2) Abbildung E-6: neutral (3) 28% 40% 24% 0% 20% 28% 0,66 54% 0,68 27% 20% 20% 24% 0,61 25% 56% 33% 0,71 44% 32% 40% 60% eher hoch (4+5) 80% 100% Mittelwert: Soll-Ist Empirische Bedeutung einzelner Massnahmen der Standardisierung497 2.1.2 Modularisierung kostenintensiver Dienstleistungen Die praktische Ausgestaltung des Modularisierungskonzepts als Element im Spannungsfeld zwischen Individualisierung (Kundennähe bzw. Effektivität) und Standardisierung (Kostenorientierung bzw. Effizienz) kann viele verschiedene Formen annehmen und sich auf alle Teilprozesse der Vermarktung oder Leistungserstellung beziehen.498 In der Praxis werden dabei verschiedene Ansätze kombiniert und produkt- und kanalabhängig eingesetzt. 497 498 Quelle: Marketingbefragung Für einen detaillierten Überblick vgl. VAN WELL (2001), S. 20 ff; LANG (2000), S. 137 ff.; SPETH (2001), S. 52 ff. bzw. S. 89 ff. 193 Die wichtigsten Ansatzpunkte der Modularisierung betreffen dabei zum einen die Produkt- und Leistungsstruktur, welche dem Kunden im weitesten Sinne angeboten werden, und die Prozesse, die zu deren Erstellung benötigt werden.499 BELZ (1998b) spricht hier von „externen Modulen“, die sich weitestgehend an der Leistung und den damit verbundenen Wahlmöglichkeiten des Kunden orientieren, und sog. „internen Module“ wie Organisation oder Arbeitsteilung.500 a) Externe Module: Leistungs- und Produktstruktur Modularität ist in der IT-Branche kein neuer Ansatz. Sowohl bei Hardware- wie auch Softwareprodukten können Kunden bereits heute aus vielen verschiedenen Einzelmodulen oder Bausteinen ihre Leistung zusammenstellen.501 Weniger verbreitet ist hingegen die Übertragung dieser Idee auf (produktergänzende) Dienstleistungen. Dies kann vor allem darauf zurückgeführt werden, dass hier eine Standardisierung oder Modulbildung mit einigen Schwierigkeiten verbunden ist.502 Gerade in der vorliegenden Arbeit spielen kostenintensive industrielle Dienstleistungen für kleine oder mittelständische Betriebe im Rahmen der gesamten Kundenbeziehung jedoch eine bedeutende Rolle. Wie schon ausgeführt stellen hohe kundenspezifische Kosten aus den Bereichen Marketing, Verkauf oder Kundendienst die Anbieter vor grosse Herausforderungen. Standardisierungsbemühungen in Form modularer Strukturen können hier wertvolle Lösungen liefern. Service Level Agreements Service Level Agreements (SLA) legen den qualitativen und quantitativen Umfang der Produktbetreuung insb. in der Nachkauf-Phase fest. Sie finden sich vor allem im ERP-Geschäft, aber auch bei IT-Outsourcingverträgen oder umfangreicheren Hardwareinvestitionen. SLAs umfassen dabei eine Vielzahl möglicher Leistungen (Installationen, Hotline, Netzwerksupport, u.v.m.), die zu frei wählbaren Modulen zusammengefasst werden. Der Anbieter versucht dabei die hinter den einzelnen Dienstleistungen stehenden internen Prozesse soweit wie möglich zu standardisieren, um Prozessvarianz zu reduzieren und letztlich 499 500 501 502 Vgl. exemplarisch VAN WELL (2001), S. 12 f. Vgl. BELZ (1998b), S. 600 So dient der modulare Aufbau auch der Komplexitäts- und damit der Beschaffungsrisikoreduktion.Vgl. BERGMANN (1994), S. 139 ff. und Fallbeispiel B-2 Probleme treten auf hinsichtlich der Integration des externen Faktors, mangelnder Unterstützbarkeit durch Automation oder fehlender Akzeptanz auf Seiten des Kunden. Vgl. SPETH (2001), S. 69 bzw. 84 f. und die dort angegebene Literatur 194 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe Prozesskosten zu senken und die Prozessqualität zu gewährleisten.503 Dies bedeutet unternehmensintern vor allem den Handlungsspielraum der Mitarbeiter zu reduzieren, z. Bsp. in Form von Checklisten oder Formularen zur Vorgehensweise oder einer konsequenten Spezialisierung und Arbeitsteilung. Der Kunde hingegen kann sich aus dem Pool möglicher Wartungs- oder Supportleistungen diejenigen Module wählen, die seiner individuellen Nachfrage entsprechen. Die Verrechnung erfolgt dabei entweder modulweise (frei konfigurierte Dienstleistungspakete) oder paketweise (vorkonfigurierte Dienstleistungspakete). Gerade die Vermarktung vorkonfigurierter Dienstleistungspakete bietet im Midmarket eine Reihe von Vorteilen. Auf der Grundlage von Basismodulen wird eine kleine Anzahl von Paketen geschnürt, welche die Anforderungen einer entsprechenden Menge Kundentypen abdecken soll. Dell, der weltweit führende Computerhersteller, unterscheidet auf seiner Homepage für mittelständische Kunden beispielsweise zwischen einem regulären „Online Support Resource Center“ und „Premier Support Features“. Peoplesoft bietet drei Servicetypen an: Standard-, Premium- und Platinumsupport. Voreingestellte Pakete ermöglichen eine weitere Standardisierung und die Weitergabe dieses Kostenvorteils an den Kunden. Ausserdem erleichtert es ihm durch das reduzierte Angebot die Entscheidungsfindung. Schliesslich ist es in Einzelfällen auch möglich Module zu integrieren, die sich alleine nur schwer verkaufen lassen. Fallbeispiel E-1: Modular gestaltete „Service Level Agreements“ verschiedener Anbieter Bezugnehmend auf Marketing- und Verkaufsaufgaben unterteilen Module „Produkte, Serviceleistungen, Preise, Werbung, Verkauf, Verkaufsförderung und Distribution in unterschiedliche ‚Bauelemente’; sie restrukturieren damit Leistungen des Marketing in überschaubare- und kombinierbare Einheiten. [...] Die Module sind standardisiert und klar definiert und deshalb wirtschaftlich zu erstellen.504 Fallbeispiel E-1 veranschaulicht, wie modulare Strukturen zur Effizienzsteigerung eingesetzt werden können. b) Interne Module: Segmentierung des Erstellungsprozesses Vielfach wird in der Literatur, neben der oben beschriebenen Kombination einzelner Standardmodule zu einem teilindividualisierten Ganzen, in diesem Zusammenhang ein weiteres Anwendungsfeld beschrieben. Es handelt sich dabei um die Segmentierung des Leistungserstellungsprozesses in einen kundenspezifischen und einen kundenneutralen anonymen Prozess- 503 504 Vgl. SPETH (2001), S. 74 BELZ (2002), S. 231 195 teil.505 Dieser Ansatz nutzt die Tatsache aus, dass nicht alle Leistungen des Anbieters kundenoder auftragsspezifisch zu verrichten sind. Die Wertschöpfungskette der Anbieter beinhaltet viele Teilschritte, die standardisiert werden können, ohne dass dies mit sinkendem Kundennutzen verbunden wäre. Man spricht hier auch vom sog. „Order Penetration Point“ (OPP) oder „Entkopplungspunkt“, der auftragsneutrale von auftragsspezifischen Modulen im Leistungserstellungsprozess trennt. Er liegt im Normalfall auf einem Punkt zwischen Produktion/Montage und Vertrieb/Service in der Wertschöpfungskette und markiert „einen in den Dimensionen Raum und Zeit beschriebenen Punkt in einer Wertschöpfungskette, jenseits dessen ein zuvor anonym gefertigtes Produkt auftragsspezifisch weiterverarbeitet wird.“506 SPETH (2001) verweist aber zu Recht darauf, dass eine genaue zeitliche Bestimmung des OPP nur in Ausnahmefällen möglich ist und der praktische Nutzen dieses Ansatzes deswegen sehr begrenzt ist.507 Er schlägt stattdessen vor, Prozessschritte mit Kundenbeteiligung zu individualisieren und Prozessschritte ohne Kundenbeteiligung zu standardisieren. Ähnlich geht man auch im Verkauf vor, wenn im Rahmen des Differenzierten Marketing zwischen Individualkunden und dem generellen Markt unterschieden wird.508 Marketingaufgaben mit hoher Kundenbeteiligung werden individualisiert, während isolierte Schritte kundenneutral und teilweise oder gänzlich standardisiert ausgeführt werden können. Beispiele für vergleichsweise neutrale Aufgaben sind Imagekampagnen oder die Auftragsannahme. Angebotspräsentationen, Beratungsgespräche oder Produktdemonstrationen sind dagegen deutlich kundenspezifischer zu konzipieren. Im Gegensatz zur oben beschriebenen Segmentierung des Leistungsprozesses sieht sich der Vermarktungsprozess aber nicht nur mit zwei Ausprägungsformen (auftragsneutral vs. kundenspezifisch) konfrontiert. Folgerichtig unterscheidet das Differenzierte Marketing zwischen mehreren Differenzierungsstufen der Marktbearbeitung, wie Abbildung E-7 zeigt. Im Verlauf des Vermarktungsprozesses wird der Spielraum für kostengünstige Lösungen geringer, da der steigende individuelle Kundenkontakt einer Standardisierung enge Grenzen setzt. 505 506 507 508 Vgl. exemplarisch PILLER (2000), S. 232 f. Zitiert nach SPETH (2001), S. 60 Vgl. SPETH (2001), S. 61 ff Vgl. dazu BELZ (1999), S. 124 f.; BECKER (1994) 196 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe BRD/CH/A Hotelerie Hotel zur Post ZielgruppenMarketing Indi vi dualMarketing KMU-Markt Generelles Marketing SegmentMarketing Kontaktmanagement Veranstaltungen Produktkonfiguration Imagekampagnen Abbildung E-7: Mailing Offerten Verhandlungen Kundendienst Stufen der Individualisierung im Marketing und beispielhafte Aufgaben509 Allerdings bieten sich innerhalb des Marketinginstrumentariums weiterhin Möglichkeiten der Effizienzsteigerung an, da sich für alle Aktivitäten kundenspezifische und neutrale Module finden lassen. Selbst Vertragsverhandlungen können somit teilstandardisiert werden, wie die folgenden Fallbeispiele zeigen. Modularisiertes Offertenmanagement Der Angebotserstellung und -präsentation kommt im Projektgeschäft der IT-Branche grosse Bedeutung zu, da sie zum einen sehr zeit- und damit kostenintensiv ist. Darüber hinaus basiert die Angebotsbewertung des Kunden in erster Linie auf den abgegebenen Unterlagen bzw. der Produktpräsentation, wie an früherer Stelle bereits belegt wurde. Es ist offensichtlich, dass der Kunde erwartet, dass potenzielle Anbieter in der Angebotsphase auf seine individuellen Wünsche eingehen. In zahlreichen Unternehmergesprächen wurde immer wieder darauf hingewiesen, wie unangenehm standardisierte Offerten empfunden werden. Trotzdem bieten modularisierte Strukturen die Möglichkeit, zumindest Teilbereiche standardisiert zu wiederholen. In Anlehnung an Abbildung E-7 könnte eine Offerte in generelle, zielgruppenspezifische und individuelle Module zerlegt werden. Abbildung E-8 zeigt den modellhaften Aufbau einer solchen Offerte und nennt Beispiele für den jeweiligen Modultyp. Wichtig ist dabei, dass einzelne Bestandteile der Offerte durchaus eine Kombination aus individuellem und standardisiertem Ansatz sein können. So bieten viele IT-Unternehmen im Rahmen des Offertenmanagement den Unternehmen einen (kostenlosen) „IT-Check“ an. Hierbei wenden die Unternehmen standardisierte Methoden an und ergänzen lediglich die Einzeldaten des Kunden. Auf diesem Wege lässt sich beispielsweise ein kundenindividuelles „Benchmarking“ erzeugen, wobei sich die gewonnenen Informationen und die Analysearbeit multiplizieren lassen. 509 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an BELZ (1999), S. 123 f; SPETH (2001), S. 61 ff. 197 Segmentspezifische Module Generelle Module Firmenpräsentation Lösungsportfolio Referen zen Mitarbeiter Branchenlösungen Branchereferen zen Branchenexpert ise Branchenanalyse /-trends Indi vi duelle Module Produkte und Preise Projektplan Unternehmensanalyse IT-Analyse Abbildung E-8: Modularer Aufbau einer Offerte und Modulbeispiele510 Fallbeispiel E-2: Modularisiertes Offertenmanagement Argumentationslisten und Kundentypen Um den Vertriebspartnern oder den eigenen Vertriebsmitarbeitern eine effizientere Arbeit zu ermöglichen greifen Unternehmen auch auf modular gestaltete Argumentationslisten zurück. Diese unterscheiden ähnlich wie die oben beschriebenen Offerten zwischen allgemeinen und segmentspezifischen Verkaufsargumenten. Im persönlichen Gespräch kann es dabei sinnvoll sein, den Gegenüber nicht ausschliesslich nach Branche, sondern nach Persönlichkeit oder Bedürfnissen zu typologisieren.511 Unterschiedliche Charaktere sprechen auf unterschiedliche Argumente an. Segmentspezifische Argumentationslisten bilden die verschiedenen typenspezifischen Anforderungen ab und können vom Verkäufer routinemässig angewendet werden. Voraussetzung ist allerdings eine adäquate Typenbildung durch zentrale Stellen und die Akzeptanz und richtige Zuordnung durch den Verkäufer. Fallbeispiel E-3: Modularisierte Argumentationslisten im Verkauf 2.1.3 Instrumente moderner IKT Auf die besondere Bedeutung moderner Informations- und Kommunikationstechniken (IKT) zur Standardisierung und Effizienzsteigerung wurde bereits hingewiesen. Sie ermöglichen einen innovativen Kundenzugang und bieten sich insbesondere aus Kostengründen im mittel- 510 511 Quelle: Eigene Darstellung Vgl. dazu BELZ (1999), S. 230 ff. 198 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe ständischen Segment an.512 Im Idealfall gelingt es durch ihren Einsatz auch breite Käuferschichten wie den KMU-Markt vergleichsweise individuell anzusprechen oder zu betreuen.513 Die Nutzung moderner Technologien zielt im Vertrieb aber nicht ausschliesslich auf eine Rationalisierung und Kostenreduzierung, sondern beeinflusst potenziell auch die Leistungsdifferenzierung.514 Als bedeutendste Vorteile eines elektronisch unterstützten Vertriebs werden jedoch Kostenaspekte genannt, die aufgrund der teilweise hohen Anfangsinvestitionen vor allem bei einer breiten Nutzung der Technik realisiert werden können.515 Die Anwendungsmöglichkeiten moderner ITK-Lösungen sind vielfältig und aufgrund neuer technischer Entwicklungen einem stetigen Wandel unterzogen. Grundsätzlich können technische Hilfsmittel in allen Phasen des Vertriebs- bzw. Beschaffungsprozesses zum Einsatz kommen. Die technischen Möglichkeiten des Internets können dabei insb. in der Informationsphase des Kunden kostengünstige Lösungen zur Verfügung stellen. So bieten Siebel Systems, Oracle oder Cisco Systems ihren Kunden multimediale Produktdemonstrationen über das Internet an. Kontaktphase Internetwerbung Newsletter Email DatabaseMarketing Informationsphase Call-Center Multimedia Elektronischer Produktkatalog Konfiguratoren Kaufabwicklung EDI Dezentrale Auftragseingabe durch den Kunden Nutzungsphase Kundendienst und Telematik Newsgroups/Foren FAQs Online Help-Desks Abbildung E-9: Beispielhafte Anwendungsapplikation moderner ITK im Vertriebsprozess516 Derzeit setzen auch einige Unternehmen bei der Kontaktherstellung auf standardisierte OnlineTools, die potenziellen Kunden ein simples IT-Assessment ermöglichen und dem anbietenden Unternehmen über obligatorische Firmenangaben neue „Leads“ generiert. Mit vergleichsweise geringem Aufwand (Teilnahmeincentives, Programmieraufwand) erhalten Unternehmen teilweise detaillierte Informationen über potenzielle Kunden, anstehende Projekte oder Kundenbedürfnisse. 512 513 514 515 516 Vgl. DAVIS/AUSTERBERRY (1999) EVANS/WURSTER (2000) sprechen davon, dass durch neue Technologien der Kompromiss zwischen „Reichhaltigkeit und Reichweite“ aufgelöst wird. ZINELDIN (2000), S. 21 f.,:„ Most marketing activity should be based on technology and a desire to make a relationship work. [...] In short, such a technologicalship marketing can be considered as a new paradigm.“ Vgl. SCHÖGEL (2001) Vgl. KUHLMANN (2001), S. 285 ff. Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an KUHLMANN (2001), S. 290 ff. 199 So findet sich bei Sun Microsystems beispielsweise im Internet der Kurztest „Sind Ihre Unternehmensdaten sicher?“ an. Umfassendere Online-Tools bieten die Unternehmen Sage und SAP an (vgl. Fallbeispiel E-4 und Fallbeispiel E-5). „Mittelstandsförderung 2004“ Mittelstandsförderung 2004: „Arbeiten wie die Besten“ ist eine Initiative von Unternehmen aus der EDV- und Dienstleistungsbranche unter der Leitung von Sage, einem führenden Unternehmen für Business-Software für mittelständische Unternehmen. Neben Sage treten dabei weitere IT- (Atoss, D&B, Cognos, ...), Medien- (Markt&Mittelstand, Deutsches Handwerksblatt) und Finanzunternehmen (Volks-/Raiffeisenbanken-Mittelstandsberatung) als Partner auf. Die Aktion bietet den teilnehmenden mittelständischen Unternehmen (bis 250 Mitarbeiter) die Möglichkeit diverse Leistungen der Initiatoren zu gewinnen (v.a. Softwareprogramme und Dienstleistungen zur Unternehmenssteuerung, Kundengewinnung, Marketing und betrieblichen Weiterbildung). Die ausgeschriebenen Förderpreise haben ein Gesamtvolumen von über 1 Mio. Euro. Die Teilnahme an dem Förderprogramm ist an eine internetbasierte Umfrage gekoppelt, die von allen interessierten Unternehmen vorab ausgefüllt werden muss. Sie enthält nicht nur demographische Angaben über Unternehmensgrösse und -ort, sondern umfasst darüber hinaus eine umfassende Abfrage der aktuellen IT-Ausstattung und geplanter Investitionen. Fallbeispiel E-4: Online-Befragung bei SAGE KHK SMB Value Calculator bei SAP Bei diesem Online-Analyseinstrument füllt der Anwender auf der SAP-Homepage eine kurze Abfolge von Online-Formularen aus, in denen er einige Eckdaten zur Branche des Unternehmens, zum Jahresertrag und zu den aktuellen Geschäftsprozessen eingibt. Der SMB Value Calculator vergleicht dann diese Daten mit denjenigen anderer Unternehmen der betreffenden Branche. Als Bestandteil dieses Vergleichs ermittelt der SMB Value Calculator die "Stage of Excellence” des Unternehmens. Sie bestimmt, wo die Systeme und Prozesse des Unternehmens, verglichen mit denen anderer Unternehmen ähnlicher Grösse und Branche, einzustufen sind. Diese Einstufung gibt an, wie der Entwicklungsstand der Geschäftsprozesse des Unternehmens gemäss einem vierstufigen Evolutionsmodell einzuordnen ist. Die niedrigste Stufe im Modell entspricht isolierten oder nicht miteinander verbundenen Geschäftsprozessen, während 200 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe die höchste Stufe eine vollständig integrierte Umgebung beschreibt, die alle zentralen Geschäftsaktivitäten des Unternehmens miteinander verbindet. Fallbeispiel E-5: SMB Value Calculator bei SAP Call-Center und Direct Marketing Moderne Call-Center Lösungen bieten Unternehmen heute vielfältige Möglichkeiten um individuellen Kundenkontakt auf einer kostengünstigen Basis zu realisieren. Abbildung E-10 zeigt anhand einiger Beispiele die vielfältigen Möglichkeiten.517 Das Call-Center substituiert dabei verschiedene Lösungen aus dem Marketing, Verkauf oder Kundendienst und konzentriert diese an einer zentralen Stelle. Der Betrieb des Call-Centers ist dabei mittlerweile orts- und betriebsunabhängig und kann sowohl an Fremdfirmen wie auch günstigere Standorte (im Ausland) vergeben werden. Durch Nummererkennungen werden die Kunden sofort an den ihnen zugewiesene Mitarbeiter weitergeleitet. Die Unternehmen setzen Call-Center im mittelständischen Kundensegment dabei sowohl als aktives Marktbearbeitungsinstrument als auch als im Kundendienst ein. Typisch ist beispielsweise das Vorgehen von Microsoft, Mailingkampagnen im Midmarket durch eine zeitlich verzögerte Nachfassaktion zu begleiten (Outbound). Sun Microsystems hat für seine Kunden im KMU-Segment eine Hotline etabliert, die im Falle von Produktanfragen eine 24h- Rückrufgarantie garantiert. Kontaktphase Termin-Management Adress-Recherche Nachfassaktionen Marktfo rschung Pro motionen Informationsphase Produktinformation Lead -Qualifizierung Kaufabwicklung Nutzungsphase Bestellannah me Support/Schulung Stornierungen Beschwerden Mahn-/Inkassowesen Kündigungsprävention Zufriedenheitsstudien Abbildung E-10: Call-Center Potenziale entlang des Einkaufsprozesses518 Fallbeispiel E-6: 517 518 Professionelle Call-Center Lösungen Für weitere Einsatzmöglichkeiten vgl. BELZ (1999), S. 213 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an BOOS/WAGNER (1997), S. 41 ff. 201 2.1.4 Implikationen: Kosten senken, Kundenakzeptanz berücksichtigen Standardisierungsbemühungen bieten gerade Unternehmen mit hohen Kostenstrukturen eine Reihe von Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung im Vermarktungs- und Leistungserstellungsprozess im mittelständischen Kundensegment. Gleichzeitig können modulare Angebotsstrukturen für mehr Kundennähe sorgen, da sie dem Bedürfnis nach individueller Leistungskonfiguration entgegen kommen und die Wahlmöglichkeiten des Kunden erhöhen. Dies gilt im Übrigen für den gesamten Beschaffungsprozess des Kunden inkl. seiner Informations- und Nutzungsphasen. Trotzdem birgt ein standardisiertes modulares Vorgehen auch immer Gefahren, wenn sowohl die Konzeption interner als externer Module nicht den Marktanforderungen entspricht. Die Modulgestaltung basiert auf Annahmen bzgl. der Homogenität oder den Leistungsanforderungen einzelner Typen oder Branchen, so dass vorgeschalteten Analyseverfahren eine kritische Rolle zukommt. Die interne oder externe Modularisierung stellt für Anbieter somit eine nicht unerhebliche Herausforderung dar und ist mit teilweise hohem Analyse- und Planungsaufwand verbunden. Sie setzt dabei die genaue Kenntnis der Prozesse, Schnittstellen, Kundensegmente oder -bedürfnisse voraus.519 Ebenfalls sei noch erwähnt, dass viele Mittelständler einer stark informationstechnisch unterstützten und damit standardisierten Betreuung nicht selten skeptisch gegenüber stehen. Schliesslich muss bedacht werden, dass auch Standardisierungen, insb. wenn sie durch moderne Technik begleitet wird, mit teilweise hohen Anfangsinvestitionen behaftet sein können, die es zu kompensieren gilt. Tabelle E-2 fasst die Chancen und Gefahren der Standardisierung zusammen. Chancen -Effizienzsteigerung durch geringere Betreuungskosten und weniger Personal -Wahlmöglichkeit des Kunden bei der Leistungsgestaltung -Wahlmöglichkeit des Kunden im Kundenkontakt (unpersönliche Hilfe) Tabelle E-2: 2.2 Gefahren /Kostensenkungen werden überkompensiert durch ITAufwand oder Komplexitätskosten (ungenügende Segmentierung interner Prozesse) /„Marktferne“ Leistungskonfiguration /Überforderungen der Kunden oder Mitarbeiter durch zu viele Wahlmöglichkeiten /Fehlende Akzeptanz der Kunden für standardisierte oder zu technische Betreuung Chancen und Gefahren des Standardisierungsansatzes im Mittelstand Kundenintegration und Leistungsdelegation 2.2.1 Grundlagen und empirische Relevanz der Kundenintegration Auf die Bedeutung des Integrationsaspektes und seine verschiedenen Facetten wurde bereits in Teil B 2.5a) hingewiesen. Ein wichtiges Element der Kundenintegration besteht in der Neude- 519 Vgl. SPETH (2001), S. 89 und S. 97 202 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe finition der Arbeitsteilung zwischen Anbieter und Kunde in der Art, dass Anbieter Aufgaben im Prozess der Zusammenarbeit an den Kunden delegieren und so entlastet werden können. Dieses Vorgehen wird in der betriebswirtschaftlichen Literatur mithin als „Externalisierung“ bezeichnet.520 Als Folge können Prozesse vereinfacht und interne Kapazitäten reduziert werden. Gewisse Aufgaben übernimmt der Kunde vielleicht sogar gerne, wenn sie für ihn mit gewissen Vorteilen, z. Bsp. preislicher Art, verbunden sind.521 Bereits heute lassen sich eine Reihe von Beispielen für die Delegation von Aufgaben im Vermarktungsprozess finden. Gerade für den Projekt- und Softwarebereich ist es teilweise sinnvoll, den Kunden an der Leistungserstellung bzw. -implementierung zu beteiligen, wie auch Fallbeispiel E-7 zeigt. Möglichkeiten der Leistungsdelegation bei komplexen Softwareprojekten Bei Softwareprojekten existiert eine Vielzahl von Aufgaben, die an den Kunden delegiert werden können. So übernimmt der Kunde aufgrund seiner besseren Prozesskenntnis diverse Analyseaufgaben und konkretisiert nicht selten die genauen IT-Anforderungen für das Pflichtenheft oder im Rahmen des Customizing. Bisher konzentrieren sich Integrationsbemühungen allerdings auf Prozesse, die gar nicht oder nur unzulänglich ohne die Beteiligung des Kunden abgewickelt werden können. Weniger verbreitet ist die Externalisierung als Mittel zur Anbieterentlastung und Kosten- bzw. Preissenkung. Dabei stehen grundsätzlich alle Projektteilschritte zur Disposition, wobei das Delegationspotenzial mit Projektfortschritt eher steigt als fällt. Wenngleich im Einzelfall immer zu klären ist, inwieweit die Kunden willens und in der Lage sind die konkrete Aufgabe zu übernehmen, bietet sich jedoch ein breites Feld delegierbarer Aufgaben an. In der Vorbereitungsphase des Projekts kann der Kunde die fachlichen Anforderungen eigenständig formulieren (Pflichtenheft, Prozessanalysen. IT-Ausgangslage, Projektziele/IT-Vision, ...) und sich durch Referenzbesuche ein besseres Bild der IT- Möglichkeiten und Grenzen verschaffen. Im weiteren Projektverlauf bieten sich beispielsweise die Schulung, Dokumentationen, die Nutzerverwaltung, Qualitätssicherung oder Back-Ups für eine Externalisierung an. Auch Softwaretests könnten vom mittelständischen Unternehmen selbst übernommen werden. Kritisch ist zu be- 520 521 Vgl. dazu CORSTEN (1994); CORSTEN (1991) Vgl. BELZ (1999), S. 46 203 merken, dass gerade die arbeits- und kostenintensiven Dienstleistungen (Implementierung, Trouble-Shooting, Schulung, Support) vom Kunden besonders geschätzt werden.522 Fallbeispiel E-7: Leistungsdelegation bei Softwareprojekten Trotzdem kann eine Aufgabendelegation an den Kunden problematisch sein, wenn der Kunde nicht bereit oder nicht in der Lage ist diese Aufgaben zu verrichten. Entsprechend skeptisch sehen die Entscheider auch Massnahmen, die bei der Beteiligung des Kunden an der Wertschöpfung ansetzen. Nur ein Bruchteil der IT-Unternehmen delegiert die Leistungsentwicklung, -erstellung oder Wartung an seine mittelständischen Kunden, wie Abbildung E-11 zeigt. gering hoch Nutzung/Reserve 0 1 0,43 Integration: Kunden an der Leistungsentwicklung beteiligen (n=35; s=1,02) Integration: Kunden an der Leistungserstellung beteiligen (n=36; s=1,02) Wartung und Support an den Kunden delegieren (n=39; s=0,94) Anteil eher gering (1+2) Abbildung E-11: neutral (3) 38% 49% 14% 0,54 11% 30% 59% 0,07 58% 0% 20% 34% 40% eher hoch (4+5) 60% 80% 8% 100% Mittelwert: Soll-Ist Empirische Bedeutung einzelner Massnahmen der Integration/Delegation523 „Self Study Kits“ bei Novell Um Schulungskosten auf Kundenseite zu reduzieren bietet das Netzwerkunternehmen Novell sog. „Self Study Kits“ bzw. „Selbststudienpakete“ an. Für mittelständische Unternehmen werden diese darüber hinaus mit einem Rabatt angeboten. Novell Self-Study Kits ermöglichen den zuständigen IT-Mitarbeitern ein interaktives Lernen anhand digitaler Videos, Simulationen und Handbücher. Durch die Benutzung dieser flexiblen Werkzeuge können Anbieter entlastet werden und für die Unternehmen entfallen teure Schulungen. Fallbeispiel E-8: Leistungsdelegation bei Novell Darüber hinaus fällt noch auf, dass auch für die Zukunft hier kein verstärkter Fokus geplant ist. Diese Vorsicht hängt vermutlich mit den o.g. Nachteilen der Externalisierung zusammen. So könnte es sein, dass die Kostenvorteile für den Kunden durch andere negative Effekte wie Qualitätsmängel, bedingt durch unzureichende Kundenkompetenz, überkompensiert werden. Wei- 522 523 Vgl. DIEHL (1999), S. 181 Quelle: Marketingbefragung 204 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe terhin besteht die Gefahr, dass Kunden die Preisentlastung nicht wertschätzen, was sich negativ auf Kundenzufriedenheit und letztlich das Unternehmensimage auswirken kann. Hauptgrund für diese abweisende Haltung gegenüber Outsourcinglösungen dürfte aber die Tatsache sein, dass gerade dienstleistungsintensive Implementierungsarbeiten vergleichsweise hohe Margen aufweisen. Eine weitere Fokussierung auf das reine Lizenzgeschäft hätte demnach zur Folge, dass die kundenspezifischen Umsätze und damit auch die Deckungsbeiträge häufig sogar sinken würden. Viele Unternehmen gehen daher heute eher den ungekehrten Weg und bieten umfassende Leistungssysteme an, wie sie im weiteren Verlauf dieses Kapitels beschrieben werden. 2.2.2 Implikationen: Kunde auf Integration vorbereiten Als Fazit lässt sich konstatieren, dass die Weitergabe kostenintensiver Aufgaben im Leistungserstellungsprozess an den Kunden mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist. Gerade Anbieter, die ihre Position im Midmarket ausbauen wollen sollten bei der Leistungsdelegation vorsichtig vorgehen. Allenfalls ein schrittweises Vorgehen könnte bei der Externalisierung angedacht werden. Voraussetzung ist allerdings, dass sich die spezifischen Aufgaben als „delegierbar“ erwiesen haben und sich die Position des Anbieters im Markt gefestigt hat. Inwieweit dies im Bereich Softwareeinführung und Implementierung realistisch ist bleibt darüber hinaus offen. Tabelle E-3 fasst die Chancen und Gefahren dieser Idee zusammen. Chancen Gefahren -Effizienzsteigerung durch geringeren internen Auf- /Fehlende Akzeptanz oder Kompetenz des Kunden wand /Kostensenkungen werden überkompensiert durch feh-Kundengewinnung durch Preissenkung lende IT-Qualität -Kundenspezifischere Lösungen durch Kundenbeteili/Kostensenkungen werden überkompensiert durch ausgung fallenden Umsatz im lukrativen Servicegeschäft Tabelle E-3: Chancen und Gefahren des Integrationsansatzes im Mittelstand 3 Bedürfnisorientierte Ansätze verbessern die Kundennähe 3.1 Leistungssystemansatz 3.1.1 Grundlagen und empirische Relevanz des Leistungssystemansatzes Leistungssysteme „lösen die Probleme der Kunden umfassender und/oder wirtschaftlicher als bisherige Methoden. Unternehmen bieten nicht nur ihre ‚nackten’ Produkte und zahlreichen Serviceleistungen an, sondern entwickeln integrierte Lösungen für spezifische Kundengruppen.“524 Dieser Prozess geht in der Regel einher mit einer erheblichen Steigerung der Wertschöpfung auf Anbieterseite und entsprechenden Outsourcing-Aktivitäten auf Nachfragersei- 524 BELZ (1999), S. 165 205 te.525 Die stetigen Wachstumsraten für IT-Services sind ein guter Indikator für diese Entwicklung.526 Unternehmen gliedern immer mehr Aufgaben ihres IT-Managements aus, um sich verstärkt ihrem Kerngeschäft widmen zu können. Im Gegenzug erweitern Anbieter ihr Angebot, sei es in Kooperation oder im „Alleingang“, und bieten dem Kunden umfassende Problemlösungen, von der Auswahl über die Installation bis zur Wartung der Leistung. Dabei werden nicht nur flankierende Dienstleistungen wie Finanzierungen angeboten, sondern teilweise auch eine weitgehende Integration der Leistung in die Abläufe des Kunden gewährleistet, so z. Bsp. bei vielen Lösungen im Segment „IT-Betrieb“.527 Leistungssysteme sind insbesondere in der IT-Branche anwendbar, da häufig integrierte Lösungen für bestimmte Kundengruppen angeboten werden, (mittelständische) Kunden umfassend entlastet werden möchten und gleichzeitig höchstmögliche Transparenz bei der Leistungsgestaltung fordern.528 Das Gros informationstechnischer Güter setzt sich auch immer mehr aus einem Gesamtgefüge einzelner Teilleistungen zusammen. Abacus Research AG Das St.Galler Unternehmen Abacus Research, Marktführer im Schweizer ERP-Markt bei Installationen im KMU-Segment, kooperiert mit einer Vielzahl von Anbietern, um den Kunden umfassend zu entlasten. Das Leistungssystem umfasst dabei u.a. das Kernprodukt von Abacus (Buchhaltung, allg. Rechnungswesen,...), Zusatzmodule aus dem Sortiment der Abacus (CRM,...), Zusatzmodule externer Softwarezulieferer (z. Bsp. Baubranche), Hardwareempfehlungen und Integriertes Projektmanagement und Implementierung. Fallbeispiel E-9: Leistungssystem bei Abacus Research529 Typisch sind Leistungssysteme vor allem im ERP-Markt, der wie kaum eine andere Leistung nach einer umfassenden Kombination unterschiedlicher Kundenlösungen verlangt. Hier werden dem Kunden bereits zu Anfang des Investitionsprozesses Leistungssysteme angeboten, zu deren Erstellung mehrere Anbieter zusammenwirken müssen (vgl. dazu auch Fallbeispiel E-9 und Fallbeispiel B-2). Abbildung E-12 illustriert den Leistungssystemgedanken für das KMU-Segment der ITIndustrie. Um das informationstechnische Kernprodukt, z. Bsp. eine Hardwarekomponente, 525 526 527 528 Vgl. BELZ et al. (1991) Vgl. SCHREINER (2004a), S. 17 ff. Vgl. dazu auch Fallbeispiel B-1 REINECKE/BELZ (1994), S. 50 206 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe siedeln sich weitere Leistungen für den Kunden an. Dabei ist es typisch, Leistungspakte für bestimmte Kundengruppen zu entwickeln, während das Kernprodukt für einen grösseren Kundenstamm konzipiert ist. Die Abbildung macht schon deutlich, dass der Anreicherung des Kernprodukts durch ergänzende Leistungen kaum Grenzen gesetzt sind. BELZ (1998b) schlägt deshalb vor, die Einzelleistungen in einen Gesamtzusammenhang zu stellen und entsprechend sog. „Nutzenpakete“ für den Kunden zu entwickeln. WirtschaftWirtschaftlich lichkeit keit Emotionales Profil und Kundenerlebnis Integriertes Projekt management Integration der Leistung Information, Information, Erklärung Erklärung Dienstleistungen Sortiment Koordination Koordination Produktsystem Entlastung, Entlastung, Anreicherung Anreicherung Interaktion Interaktion Spezifische Spezifische Lösung Lösung Abbildung E-12: Produkt HW IT-Pakete, Module, Business-Suites IT-Angebotspalette Wartung, Support, Schulung, Finan zierung, Nutzen kalkulat ion, Prozessanalysen Implementierung, Customizing, Programmierung, Reorganisation Systemintegration, Hosting, Business process outsourcing, ASP Unternehmensimage, Kundenevents, User-Groups, Beziehungen, Markenprestige, Vertrauen IT-Marktleistungen und Kundennutzen für KMU als Leistungssystem530 In der IT-Branche wird dabei gerne in Zusammenhang mit den „Total Cost of Ownership“ die Gesamtwirtschaftlichkeit des Angebots herausgestrichen („Wirtschaftlichkeitspaket“). Andere Anbieter, wie z. Bsp. Computer Associates, konzentrieren sich darüber hinaus in ihrer Produktzusammenstellung auf das Sicherheitsbewusstsein des Kunden („Sicherheitspaket“). Die Firma Infor garantiert ihren mittelständischen Kunden eine maximale Einführungszeit, in der ihre Softwarelösung in Betrieb gehen kann („Geschwindigkeitspaket“). Sie erreicht dies durch kundenspezifische Softwarekomponenten und abgestimmte ergänzende Implementierungsdienstleistungen. Fallbeispiel E-10 zeigt, wie durch Kooperation mittelständische Kunden umfassend entlastet werden („Entlastungspaket“). Kooperatives Leistungssystem durch Cisco Systems, SAP, Swisscom Enterprise Solution Kürzlich starteten die Unternehmen Cisco Systems, SAP und Swisscom Enterprise Solution eine gemeinsame Marktbearbeitungskampagne („KMU-Roadshow“ in 12 Schweizer Städten), 529 530 Vgl. Expertengespräch Abacus Research (2003) Quelle: Eigene Darstellung in enger Anlehnung an REINECKE/BELZ (1994); BELZ (1998b), S. 178 207 um mittelständischen Unternehmen die Möglichkeiten moderner IT und Telekommunikation zu präsentieren. Analog zu Abbildung E-12 bieten die drei Unternehmen durch Kombination ihres jeweiligen Lösungsportfolios den Kunden ein umfassendes IT-Leistungssystem. Die Lösung basiert dabei funktional auf einer SAP Softwarelösung (Business One bzw. MySAP) und dem Softwaremietmodell ASP „Application Service Provision“ (ASP). Dabei betreibt und unterhält ein Service Provider nicht nur die Software und die dazugehörige Infrastruktur, sondern bietet auf Wunsch auch verschiedene darauf aufbauende Dienstleistungen an, bis hin zu einem kompletten Outsourcing einzelner Geschäftsprozesse. Mittelständische Kunden werden so umfassend entlastet, da sie i.G.g. keine eigene Informatik mehr betreiben, sondern über Datennetze auf die Systeme externer Dritter zugreifen. Die Steuerung des Datenverkehrs über entsprechende Kommunikationslösungen obliegt dabei der Swisscom, während Cisco Systems grosse Teile der benötigten Kommunikationshardware beisteuert. Fallbeispiel E-10: Kooperatives Leistungssystem durch Cisco Systems, SAP, Swisscom Enterprise Solution gering hoch Nutzung/Reserve 0 Neben- und Dienstleistungen konsequent verrechnen (n=37; s=0,95) 1 0,71 18% eher gering (1+2) Abbildung E-13: neutral (3) 0% 38% 33% 28% 0,21 21% Sich über umfassenden Service/Support differenzieren (n=39; s=0,91) 8% Anteil 32% 0,59 KMU-spezifische Produkteigenschaften (n=39; s=0,97) Vieler Varianten und eine breite Leistungspalette anbieten (n=39; s=0,97) 50% 31% 49% 0,62 39% 20% 40% eher hoch (4+5) 53% 60% 80% 100% Mittelwert: Soll-Ist Empirische Bedeutung einzelner Massnahmen des Leistungssystemansatzes531 Abbildung E-13 und die verschiedenen Fallbeispiele in dieser Arbeit zeigen auch, dass sich einzelne Komponenten des Leistungssystemansatzes in der Praxis bereits bewährt haben und in der IT-Industrie bei Weitem keine Ausnahme mehr darstellen. Schon REINECKE/BELZ (1994) bemerken, dass Leistungssysteme kein sonderlich innovativer Ansatz sind. Nur wenige Unternehmen versuchen sich heute nicht über umfassenden Service zu profilieren oder bieten keine breite Leistungspalette an. Ob sich diese Einzelleistungen zu Nutzenpaketen und damit einem gehaltvollen Ganzen zusammenfügen, kann an dieser Stelle nicht abschliessend beantwortet 531 Quelle: Marketingbefragung 208 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe werden. Allerdings zeigt das hohe Defizit (Mittelwert: Soll abzüglich Ist) bei der konsequenten Verrechnung von Neben- und Dienstleistungen, dass bei Konfiguration der Leistungssysteme durchaus noch Verbesserungspotenzial besteht. Im Folgenden soll deshalb der Aspekt der konsequenten Verrechnung von Nebenleistungen kurz gesondert behandelt werden. 3.1.2 Verrechnung von Dienst- und Nebenleistungen Offensichtlich haben Leistungssysteme nur dann eine umsatzsteigernde Wirkung, wenn dem Anbieter sein höherer Wertschöpfungsanteil auch monetär abgegolten wird. Dies setzt voraus, dass er seine Dienst- und Nebenleistungen an den mittelständischen Kunden verrechnet, was nicht selten problembehaftet ist.532 TRACHSLER (1996) nimmt sich diesem Thema für die ITBranche an und seine Ergebnisse können durchaus auf die Situation im mittelständischen Kundensegment übertragen werden. Er unterscheidet dabei verschiedene Phasen, in denen verrechenbarkeitssteigernde Lösungen zum Einsatz kommen können. So bieten sich in der Vorkaufsphase andere Massnahmen an als während des Projekts oder in der Nutzungsphase (vgl. Tabelle E-4). Akquisitionsphase Projektphase Nutzungsphase Tabelle E-4: Zeitliche Zurückstellung von Dienstleistungen auf eine spätere Phase im Akquisitionsprozess mit höherer Erfolgswahrscheinlichkeit und einfacherer Verrechenbarkeit Klarere Strukturierung des Verkaufsprozesses erhöht die Transparenz für die Verkäufer und die Verrechenbarkeit einzelner Leistungen Verkäuferschulungen zum Verkauf von Dienstleistungen (Verkaufstechniken, Dienstleistungsangebote,...) Verkauf von Pilotprojekten und/oder Vorstudien Generalunternehmer-Denken/Subcontractoren-Einsatz Nebenleistungen eindeutig vertraglich festlegen Zusammenarbeit zwischen Kunden- und Lieferantenprojektleiter optimieren und Verrechenbarkeit erleichtern Nebenleistungen (aufgrund von sich ändernden Rahmenbedingungen) ausführlich dokumentieren Dienstleistungen aufwerten und den Kunden stärker integrieren Klare Leistungs- und Verrechnungsvorgaben für Wartung/Support Modularer Dienstleistungsaufbau Schulungen für Servicemitarbeiter zum Verkauf von Dienstleistungen Lösungsansätze zur Verrechnung von Dienst- und Nebenleistungen in der IT-Branche533 3.1.3 Implikationen: Kundenbedürfnis in den Mittelpunkt stellen und Komplexität vermeiden Ganz offensichtlich bietet der Leistungssystemansatz im mittelständischen Markt ein grosses Kundenbindungs- und Kundengewinnungspotenzial. Gelingt es den mittelständischen Kunden 532 533 Vgl. REINECKE/BELZ (1994), S. 16 Vgl. TRACHSLER (1996), S. 191 ff.; BELZ (1999), S. 190 209 umfassend zu entlasten, kann dies mit vielfältigen positiven Effekten für den Anbieter verbunden sein. So verbessern sich potenziell Kundenzufriedenheit, kundenspezifische Umsätze und das Bild der Unternehmung in der Öffentlichkeit. Entscheidend ist dabei mit dem angebotenen Nutzenpaket relevante Aspekte des Kundenbedürfnisses abzudecken. Gerade für Anbieter mit bestehendem Kundenstamm im Mittelstand bieten sich Leistungssysteme an, um den eigenen Wertschöpfungsanteil und damit Cross-Selling zu betreiben. Schwieriger gestaltet sich dieses Vorgehen für „Neulinge“ ohne nennenswerte Kundenkontakte, da Neukunden sich nur ungern auf umfassende Komplettlösungen einlassen. Aus diesem Grund versuchen „Neulinge“ in erster Linie im Mittelstand eine Kernleistung zu etablieren, um diese mittelfristig um weitere Produkte zu erweitern („Salami-Taktik“). Darüber hinaus stellt der Leistungssystemansatz auch hohe Anforderungen an alle anderen IT-Anbieter. Setzt das Leistungsangebot wie z. Bsp. bei Abacus (vgl. Fallbeispiel E-9) oder anderen Unternehmen auf eine Kooperation, kommen diesbzgl. eine Reihe von Restriktionen zum Tragen.534 Im Falle eines „Alleingangs“ ist zu prüfen, ob die benötigten Ressourcen und Kompetenzen im eigenen Unternehmen überhaupt vorhanden sind bzw. wie sie effizient beschafft werden können. Nicht selten ergibt eine solche Überprüfung, dass viele Teile des Leistungssystems nicht zu marktfähigen Preisen erstellt werden können und „Leistungsvorteile in einem Bereich können Leistungsnachteile in anderen Bereichen nicht aufheben.“535 Im Ergebnis wuchern Leistungssysteme dann auch schnell zu „Nebenleistungsdschungeln“ aus, die den Margenzerfall beschleunigen und den Kunden nicht entlasten.536 Chancen -Kundengewinnung und -bindung durch verbessertes Angebot und erhöhte Wertschöpfung -Intensivere Kundenbeziehung -Differenzierung und Einzigartigkeit Tabelle E-5: Gefahren /Komplexitätskosten durch integrierte Leistungen /Fehlende Zahlungsbereitschaft des Kunden für Nebenleistungen /Konflikte im Kooperationsmanagement /Fehlende Akzeptanz der Kunden für gebündelte Leistungen/Nebenleistungen Chancen und Gefahren des Leistungssystemansatzes im Mittelstand Ebenfalls problematisch ist eine überhöhte Komplexität des Leistungssystems, die der Kunde nicht mehr nachvollziehen kann.537 Kritisch ist auch zu bemerken, dass KMU dem sogenannten „Bundling“ eher skeptisch gegenüber stehen und ihre eigene und die Unabhängigkeit des Anbieters häufig höher gewichten als Paketangebote. So nimmt HP mittlerweile wieder Abstand 534 535 536 537 Vgl. dazu die Ausführungen in Teil E 4.3 REINECKE/BELZ (1994), S. 51 Vgl. BELZ et al. (1997), S. 40; ZERR (1994), S. 212 ff. Vgl. BELZ et al. (1997), S. 88 210 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe von gebündelten Standard-Paketen im Hardware-Bereich und bietet stattdessen Einzelprodukte an.538 3.2 Marken- und Imagepolitik 3.2.1 Grundlagen und empirische Relevanz der Marken- und Imagepolitik Aspekte der Marken- und Imagepolitik539 sind auch in Unternehmen der IT-Branche von zentraler Bedeutung. Die gilt nicht nur für primär im Konsumgütergeschäft tätige Unternehmen, sondern auch für Anbieter mit gewerblichen Kunden, wie Accenture, Oracle oder Cisco. Der Markenwert ausgewählter Unternehmen liegt dabei nicht selten bei rund ѿ des gesamten Un- Markenwert/Gesamtwert in % 2004 ternehmenswertes (vgl. dazu Abbildung E-14). 54 Markenwert 2004: Mrd. $ 60% Xerox 50% 40% IBM HP 30% 20% Microsoft Accenture Oracle Intel Canon SAP 10% Dell Cisco 0% -10% -5% 0% 5% 10% 15% Markenwertentwicklung 2003/2004 Abbildung E-14: Markenwert, Markenwertentwicklung und Markenwertanteil de IT-Branche540 AAKER/JACOBSON (2001) gelang kürzlich sogar der empirische Nachweis, dass das Unternehmensimage („Brand Attitude“) in der IT-Branche einen signifikanten Einfluss auf den Erfolg der untersuchten Unternehmen hat. Je positiver die Wahrnehmung der Unternehmung in der Öffentlichkeit, desto höher war auch die Rendite auf das eingesetzte Kapital. Die Bedeutung von Reputation und Image lässt sich v.a. auf den erwähnten Systemcharakter informationstechnischer Produkte und die damit verbundene Unsicherheit auf Kundenseite zu- 538 539 540 Vgl. Expertengespräch HP (2003) Das Unternehmensimage bezeichnet nach allgemeinem Verständnis die Wahrnehmung einer Firma. Die Reputation einer Unternehmung bildet sich im Zeitverlauf durch wiederholte Eindrücke von diesem Image, seien sie negativer oder positiver Natur. Vgl. ALESSANDRI (2001) und die dort angegebene Literatur. Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an INTERBRAND (2004). Im Jahre 2003 waren darüber hinaus die vier Unternehmen mit dem höchsten Markenwertwachstum allesamt ITK-Unternehmen (Samsung, HP, SAP, Dell). 211 rückführen. Dem Kunden stehen vielfach nur begrenzte Möglichkeiten zur Abschätzung des zukünftigen Verhaltens des Anbieters bzw. der Funktionalität der angebotenen Leistung zur Verfügung, so dass er sich bei seiner Entscheidung auch auf abgeleitete Faktoren wie die Reputation potenzieller Lieferanten stützt.541 Dabei spielt sowohl die objektive Kompetenz wie auch das subjektive Vertrauen zum Anbieter eine Schlüsselrolle bei der Bestimmung der Reputation.542 Im mittelständischen Kundensegment nehmen Fragen der Reputation einen besonderen Stellenwert ein, wie die Befragungsergebnisse im Rahmen dieser Arbeit zeigen. Nur 6% der befragten Unternehmen bezeichnen den Ruf des Unternehmens als unwichtig bei der Lieferantenentscheidung.543 Trotz dieser offensichtlichen Bedeutung der Reputation hat aber nur knapp ѿ der mittelständischen Unternehmen gegenüber führenden IT-Anbietern ein grundsätzlich positives Bild. Dies kann wie bereits erwähnt auch darauf zurück geführt werden, dass Unternehmen vom Typ „Neuling“ oder „Mitläufer“ sich in der Vergangenheit in erster Linie eine Positionierung zu eigen gemacht haben, die auf grosse internationale Konzerne mit entsprechenden Mitteln und Ansprüchen ausgerichtet war. Für diese Unternehmen besteht markenpolitisch die Aufgabe nicht nur darin, im Mittelstand eine positiv besetzte Unternehmensmarke zu etablieren, sondern den Markentransfer darüber hinaus so gestalten, dass das Unternehmensbild in traditionellen Kundensegmenten nicht verwässert wird. Die Ansatzpunkte für Unternehmen, um Einfluss auf ihr Aussenbild zu nehmen, sind vielfältig und betreffen primär die eigentliche Leistungsgestaltung (Innovation, Qualität,...), aber auch ergänzende Aspekte wie Managementfluktuation, Gerichtsverfahren oder (kommunizierte) Strategien.544 Kommunikative Instrumente zum Reputationsaufbau sind beispielsweise UserGroups, Publikationen und Werbung, Referenzen und Prototypen, Produktdemonstrationen oder andere Kundenveranstaltungen. Es erstaunt nicht, dass qualitativ hochwertige Produkte von den befragten IT-Managern als wichtigstes Instrument zur Imagebildung im Midmarket angesehen wird, wie Abbildung E-15 verdeutlicht. Über ¾ der Unternehmen strebt hier eine Qualitätsführerschaft an. Nicht einmal die Hälfte (43%) nutzt heute allerdings eine intensive Markenführung (Aufbau, Pflege, Bekanntmachung), wobei die Unternehmen ihre diesbezüglichen Anstrengungen in Zukunft jedoch forcieren wollen. 541 542 543 Vgl. BERGMANN (1994), S. 108 Vgl. BACKHAUS (1999), S. 651 ff. sowie die Ausführungen in Teil B 2.4 Vgl. dazu Abbildung C-28 212 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe Dabei greifen sie heute nur selten auf klassische Kommunikationsinstrumente wie Messen oder KMU-spezifische Werbung zurück, wollen diese in Zukunft aber etwas stärker gewichten. Das grösste Potenzial sehen die befragten Manager allerdings im Referenzmanagement. 41% der Unternehmen arbeiten schon heute intensiv mit Referenzen, wollen dies aber in nächster Zeit noch verstärken. gering hoch Nutzung/Reserve 0 1 0,45 Qualitätsführerschaft anstreben 10% 13% (n=40; s=0,92) KMU-spezifische Werbung (n=41; s=1,21) 78% 0,98 27% 51% 0,88 Präsenz auf KMU-spezifischen Messen (n=41; s=1,02 63% 27% Reference-Selling: Verkaufen über Referenzen / Erfolgsstories (n=41; s=1,09) 32% 27% Aufbau, Pflege und Bekanntmachung einer positiv besetzten Marke (n=40; s=1,22) 30% 28% Anteil eher gering (1+2) Abbildung E-15: neutral (3) 22% 10% 1,07 41% 0,90 0% 20% 40% 43% 60% eher hoch (4+5) 80% 100% Mittelwert: Soll-Ist Empirische Bedeutung einzelner Massnahmen der Markenführung545 3.2.2 Markenaufbau durch Marktbearbeitung und Kommunikation Für den Marken- bzw. Imageaufbau steht den Unternehmen eine Vielzahl möglicher Instrumente zur Verfügung, deren abschliessende Darstellung im Rahmen dieser Arbeit nicht sinnvoll erscheint. Auch können für die Kommunikationsgestaltung nur in sehr begrenztem Masse allgemeingültige Hinweise gegeben werden, da erfolgreiche Markenführung zu einem grossen Teil durch Innovation oder Kreativität geprägt ist. Darüber hinaus bilden sich das Unternehmensimage und hier insbesondere die Markenpräferenz wie oben beschrieben nur partiell aus planbaren Marktbearbeitungsmassnahmen wie Events oder Anzeigen. Stattdessen beeinflusst der Gesamtauftritt des Unternehmens inkl. aller Leistungen und Mitarbeiter sein Bild in der Öffentlichkeit.546 Die Wirkungen klassischer Werbemassnahmen sind dabei eher begrenzt.547 Um diesem Umstand Rechnung zu tragen wird sich im Folgenden darauf begrenzt, mögliche Ziele des Markenaufbaus anhand einiger Fallbeispiele näher zu beschreiben. 544 545 546 Vgl. AAKER/JACOBSON (2001) Quelle: Marketingbefragung Vgl. exemplarisch ALESSANDRI (2001) 213 Dem Gros der im informationstechnischen Sektor tätigen Unternehmen fehlt es nicht an „Markenbekanntheit“ im Mittelstand.548 Trotzdem werden viele Marktsegmente von kleinen Anbietern dominiert und Grossunternehmen in der Vergangenheit bei der Investitionsentscheidung oft nicht berücksichtigt. Aus diesem Grund muss an erster Stelle gewährleistet sein, dass mittelständische Unternehmen Anbieter wie SAP oder Oracle in ihr „evoked set“549 als potenzieller Lieferant mittelständischer Unternehmen aufnehmen („Markenakzeptanz“) und unter Umständen auch gegenüber anderen Anbietern auswählen würden („Markenpräferenz“). Fallbeispiel E-11 zeigt eine Möglichkeit zur Erhöhung der Markenakzeptanz im Mittelstand, wie sie sich z. Bsp. für die Unternehmenstypen „Neulinge“ oder „Herausforderer“ anbietet. Mittelstandsindex von Cisco Systems Um der Bedeutung des Mittelstandes für den IT-Markt Rechnung zu tragen und die Entscheider der mittelständischen Wirtschaft bei ihrer Investitionsplanung zu unterstützen, hat Cisco Systems Anfang 2003 gemeinsam mit TechConsult den "IT-Mittelstandsindex" ins Leben gerufen. In einer monatlichen Befragung werden Lage und Erwartungen des deutschen Mittelstandes bezüglich Umsatz und IT-Investitionen im Sinne eines „Konjunkturbarometers“ eingefangen. Die Ergebnisse der Studie werden regelmässig in namhaften Fach- und Wirtschaftszeitschriften („Handelsblatt“, „Computerwoche“/„PC-World“, ...) publiziert, so dass Cisco seine allgemeine Markenbekanntheit erhöhen kann. Gerade Cisco leidet unter einem Grosskundenimage und vielen mittelständischen Unternehmen sind die Einsatzmöglichkeiten der Produkte nicht bekannt. Fallbeispiel E-11: „Mittelstandsindex“ von Cisco Systems Während die Markenbekanntheit den meisten Grossunternehmen keine Probleme bereitet, besteht bei der Akzeptanz und Präferenz wie beschrieben noch deutliches Verbesserungspotenzial. Entsprechend sollte eine positive Markenpräferenz die Zielsetzung des Reputationsaufbaus sein. Auch Unternehmen mit einem bereits beachtlichen Kundenstamm im Midmarket sollten nicht darauf verzichten, hier ihre Reputation weiter zu verbessern. Fallbeispiel E-12 oder Fallbeispiel E-18 zeigen, mit welchen Massnahmen sich führende Unternehmen dieser Herausforderungen stellen: 547 548 549 Vgl. AAKER/JACOBSON (2001) Zu den Begriffen Bekannheit, Akzeptanz und Präferenz vgl. KOTLER/BLIEMEL (1995), S. 681 Zum Begriff „Evoked Set“ vgl. BACKHAUS (1999), S. 124 214 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe Initiative „Neuunternehmer des Monats“ von HP Unter dem Patronat von Hewlett-Packard Schweiz wurde im Jahr 2000 zuerst in Basel, später auch in anderen Schweizer Regionen wie der Zentral- und Südostschweiz, das Projekt «Neuunternehmer des Monats» gestartet. Teilnahmeberechtigt sind innovative Unternehmen nicht älter als 5 Jahre, deren Sitz und primärer Kundenkreis sich in der jeweiligen Region befindet. Die Initiative stellt Neuunternehmen eine Plattform zur Verfügung welche die Möglichkeit bietet, sich einem breiten Publikum vorzustellen. Jeden Monat wählt der Beirat aus HPMitarbeitern und weiteren Vertretern der Wirtschaft basierend auf der Geschäftsidee, dem Businessplan, den Erfolgschancen, dem Innovationsgrad und der Ausgereiftheit der vorgeschlagenen Projekte unter den eingereichten Geschäftskonzepten den „Neuunternehmer des Monats“. Diese Auszeichnung verschafft dem Gewinner eine hohe Publizität, denn das ausgewählte Unternehmen wird im führenden Medium der Region der breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Damit wird der Zugang zum Markt und zu den ersten Kunden erleichtert. Unternehmen, die an der Initiative mitmachen werden, zusätzlich von Hewlett Packard mit dem sogenannten „Neuunternehmer-Paket“ unterstützt. Dieses umfasst u.a. günstigere Konditionen beim Einkauf von HP-Geräten und die Gratismiete von Räumlichkeiten für Workshops und Präsentationen. Durch die umfassende Berichterstattung in lokalen Medien gelingt es HP sich einer interessierten Öffentlichkeit als „KMU-affiner“ IT-Dienstleister und Zulieferer zu positionieren. Die Initiative soll verdeutlichen, dass HP nicht nur in der Lage und willens ist kleinen oder mittelständischen Unternehmen adäquate IT-Lösungen zu liefern. Darüber hinaus positioniert sich HP als Anbieter, der den Schweizer Mittelstand ideell wie auch materiell unterstützt. Fallbeispiel E-12: KMU-Sponsoring bei HP (Schweiz) 3.2.3 Referenzmanagement Die hohe Bedeutung von Referenzen kann im Kontext dieser Arbeit gar nicht überbewertet werden, wie auch die Ergebnisse in Teil C zur Zusammensetzung des Buying Centers bestätigen. Referenzen bezeichnen nach einer einfachen Umschreibung Unternehmen, Institutionen oder andere Organisationen, die als bestehende Kunden oder Nutzer über praktische Erfahrung mit einer Leistung verfügen und diese mit oder ohne Wissen des Anbieters an interessierte Dritte weiterzugeben bereit sind. Sie bauen auf Kundenseite Unsicherheiten über die Qualität der Leistung und das zukünftige Verhalten des Anbieters ab und schaffen so Transparenz. Darüber hinaus gelten sie gemeinhin als das wichtigste Kommunikationsmittel im Vermark215 tungsprozess von Industriegütern mit nicht unerheblichem Einfluss auf die Reputation des Anbieters.550 Der häufigste Fall sind dabei anbieterseitige Referenzen, es existieren aber auch nachfrageseitige Referenzen, wenn der Interessent eigeninitiiert um Erfahrungsberichte anderer Nutzer bittet.551 Foren (Messe, Vorträge,...) Produkttests/-proben Refe renzlisten Klassische Werbung Interessentenlisten Institutionen (Clubs, Groups,...) Abbildung E-16: Etc. „Kunden-werben-Kunden“ „Ko mmunikationsagenten“ Ausgewählte Bausteine im „Referenzmix“ für Anbieter552 Wie Abbildung E-16 zeigt, können Anbieter dabei aus einer Vielzahl unterschiedlicher Instrumente auswählen, um bestehende Kunden für ihre Marketing- und Vertriebsanstrengungen zu benutzen. Trotz dieser grossen Bedeutung von Referenzkunden in der Praxis und der grossen Anzahl möglicher Ansatzpunkte finden sich in der Literatur kaum Hinweise zu konkreten Massnahmen auf Anbieterseite oder zur genauen Erfolgswirkung eines systematischen Referenzmanagements.553 Zwar beschreibt HELM (2000) ein generisches „Modell des Einsatzes der Instrumente zur Stimulierung von Kundenempfehlungen“554, eine Übertragbarkeit auf die hier vorliegende Situation erscheint jedoch wenig ergiebig. Aus diesem Grund soll an dieser Stelle ein einfaches Modell des Referenzmanagements entwickelt werden, welches sich am klassischen Managementprozess (Analyse, Planung, Umsetzung, Kontrolle) und dem empirisch vorgefundenen Vorgehen der Unternehmen orientiert, wie schon in Teil C beschrieben.555 3.3 In dieser Form umfasst es die Identifizierung, Gewinnung, Zufriedenstellung, Nutzung (aktiv/passiv) und Bewertung potenzieller und aktueller Referenzkunden im Mittelstand. (vgl. Abbildung E-17). 550 551 552 553 554 555 Vgl. GODEFROID (2000), S.191 und S. 350 f.; BACKHAUS (1999), S. 645; BELZ et al. (2004), S. 221; BAAKEN/LAUNEN (1993), S. 163 ff. Vgl. GÜNTER (1979), S. 197 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an HELM (2000), S. 318 Vgl. HELM (2000), S. 292 und die dort angegebene Literatur HELM (2000), S. 324 Vgl. dazu Abbildung C-6 216 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe bewerten identifizieren aktiv nutzen Referenzen... gewinnen passiv nutzen Abbildung E-17: zufrieden stellen Systematisches Referenz-Management556 a) Referenzen identifizieren Offensichtlich müssen an erster Stelle potenzielle Referenzkunden des Unternehmens identifiziert werden. Hierzu kann je nach Unternehmenstyp und Situation auf bestehende Kunden oder Leads des Unternehmens zurückgegriffen werden. Wenngleich eine möglichst hohe Anzahl Referenzen grundsätzlich zu begrüssen ist, sollte dennoch unter gewissen Umständen eine gewisse Auswahl vollzogen werden. Die Konzentration auf eine eingangs bestimmte Anzahl Referenzen vermeidet eine „Verzettelung“ der Kräfte und erhöht die Erfolgswahrscheinlichkeit im anvisierten Referenzmarkt.557 Die Selektion möglicher Referenzen greift dabei auf klassische Instrumentarien zur Kundenbewertung zurück.558 Bedient sich der Anbieter im bestehenden Kundenstamm, spielt es beispielweise eine Rolle, welche Leistungen der Kunden bezogen hat und wie zufrieden er in der Vergangenheit damit war. Gegebenenfalls können vorgeschaltete Zufriedenheitsstudien wichtige Hinweise zur Auswahl liefern. Im Falle von zukünftigen Referenzen sollten weitere Kriterien berücksichtigt werden, um einen Lead als potentiellen Referenzkunden zu priorisieren. Tabelle E-6 zeigt mögliche Kriterien zur Bewertung von Kunden hinsichtlich ihres Referenzpotenzials. 556 557 Quelle: Eigene Darstellung Vgl. GODEFROID (2000), S.350 f. 217 Verfügen die Entscheidungsträger über ein breites Beziehungsnetz (Verbände, Vereine,...)? Nehmen die Entscheidungsträger die Position eines Meinungsführers ein? Sind die Entscheidungsträger fähig und willens als Referenz aufzutreten? Wie gut sind die persönlichen Beziehungen zu den Entscheidungsträgern? Entspricht der Kunde den anvisierten Zielsegmenten (Branche, Region, Unternehmensgrösse, Leistungen,...)? Strategie Entsprechen die Anforderungen des Kunden den eigenen Kompetenzen? Wie bekannt ist die Branche des Kunden in der Öffentlichkeit? Wie bekannt ist der Kunde in der Öffentlichkeit? Image Welches Image hat der Kunde in der Öffentlichkeit (Technologieführer, Innovationsführer, Qualitätsführer, ...)? Wie lange nutzt der Kunde die Leistung schon? Wie verlief die Geschäftsbeziehung in der Vergangenheit? Historie Wie hoch ist die aktuelle Kundenzufriedenheit? Beschafft der Kunde auch bei der Konkurrenz? Tabelle E-6: Ausgewählte Kriterien zur Referenzkundenbewertung Personen b) Referenzen gewinnen Nachdem potenzielle Referenzkunden identifiziert sind, gilt es diese als Referenz zu gewinnen. Im Falle bestehender Kunden gestaltet sich diese Aufgabe in aller Regel wenig problematisch. Gerade zufriedene Kunden sind gerne bereit sog. „success stories“ publik zu machen. Im Bereich Informationstechnik kommt es nur selten vor, dass Informationen zu technischen Lösungen von den betroffenen Unternehmen als „geheim“ eingestuft werden. Deutlich problematischer ist es natürlich, Kunden der Konkurrenz oder Nichtverwender als eigene Kunden und damit als Referenz zu gewinnen. Hier treten nicht nur die bekannten Schwierigkeiten beim Verkauf informationstechnischer Leistungen im Mittelstand auf, sondern ggfs. nutzt der Kunde seine starke Position als zukünftiger Referenzkunde noch aus.559 Nicht selten sind Anbieter in dieser Situation bereit noch weitergehende Preiszugeständnisse als üblich zu machen. Die „Kampfpreise“, attraktiven Leasingangebote und zahlreichen Rabatte, über die momentan viele mittelständische Unternehmer berichten, scheinen diese Tendenz zu bestätigen. c) Referenzen zufrieden stellen Kundenzufriedenheit sollte natürlich nicht ausschliesslich für Referenzkunden angestrebt werden, in diesem Zusammenhang ist sie aber von besonderer Bedeutung. So hat die Studie von HELM (2000) den positiven Zusammenhang zwischen Zufriedenheit und Empfehlungsverhalten eindeutig empirisch nachgewiesen.560 558 559 560 Vgl. dazu exemplarisch BELZ et al. (2004), S. 195 ff. Vgl. BACKHAUS (1999), S. 645 f. Vgl. HELM (2000), S. 260 218 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe Gerade Unternehmen mit noch wenig aktuellen Kunden im mittelständischen Segment sollten also Kundenzufriedenheit in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen stellen und dafür ggfs. auch höhere interne Kosten in Kauf nehmen. Unzufriedene Kunden verlieren nicht nur ihre Referenzfunktion, sondern können darüber hinaus dem Unternehmensimage langfristigen Schaden zufügen. So geht man allgemein davon aus, dass Kunden negative Informationen über einen Anbieter stärker verbreiten als positive („Daumenregel“ der Mundwerbung).561 Aus dem Blickwinkel des Referenzmanagements bzw. der Unternehmensreputation sollte deshalb mit einmal gewonnenen Kunden nur in Ausnahmenfällen „gebrochen“ werden. d) Referenzen passiv nutzen Ein erster Schritt zur Verwertung von Referenzen besteht darin, sie passiv, also ohne ihre aktive Beteiligung, zu nutzen. Typische Beispiele sind ausführliche Kundenlisten im Internet oder in Angebotspräsentationen, Veröffentlichungen in der Fach- oder Wirtschaftspresse, Vorstellung der Referenzen auf Kongressen, Messen oder Fachtagungen. Darüber hinaus gilt gerade in persönlichen Verkaufssituationen der Hinweis auf entsprechende Referenzen als typische Abschlusstechnik.562 Weitere Möglichkeiten zur Publikation solcher „success stories“ sind Mitarbeiter-, Kunden- oder Fachzeitschriften. (vgl. dazu Fallbeispiel E-13). KMU-Newsletter von SAP (Schweiz) AG Der KMU-Newsletter erscheint vierteljährlich in einer Auflage von rund 10.000 Stück und wird redaktionell von der KMU Marketingabteilung der SAP (Schweiz) gestaltet. Er richtet sich an Entscheider im mittelständischen Kundensegment in der Schweiz, Deutschland und Österreich. Neben KMU-spezifischen Geschäftsthemen, wie z. Bsp. den Auswirkungen von BASEL II auf Rechnungslegung/Controlling, dient der Newsletter in erster Linie als Kommunikationsplattform für erfolgreiche SAP-Implementierungen im Mittelstand. Dabei wird Wert darauf gelegt mit den behandelten Praxisfällen möglichst viele Branchen- und Softwarelösungen abzudecken. Darüber hinaus nutzt die SAP den Newsletter auch um neue Produkte oder Implementierungspartner (VAR) vorzustellen. Fallbeispiel E-13: 561 562 563 Passive Nutzung von Referenzen über den Newsletter der SAP AG (Schweiz)563 Vgl. dazu STAUSS/SEIDEL (1998), S. 58 ff. Vgl. KUHLMANN (2001), S. 273 Vgl. Expertengespräch SAP (2002) 219 e) Referenzen aktiv nutzen Durch eine aktive Beteiligung des Kunden am Vermarktungsprozess lässt sich seine Referenzwirkung deutlich steigern. So erhöht sich einerseits die Transparenz und Glaubwürdigkeit, wenn Kunden beispielsweise Interessenten Rede und Antwort stehen. Darüber hinaus signalisiert die Bereitschaft von Referenzkunden zur aktiven Beteiligung an Marketingaktivitäten aber auch eine grosse Kundenzufriedenheit. Fallbeispiel E-14 zeigt, wie man bestehende Kunden zu beiderseitigem Nutzen aktiv in die Gestaltung der Marktbearbeitung einbezieht. Marktbearbeitung in Kooperation mit führenden Kunden der Triaton Die Triaton AG als Teil des HP-Konzerns bietet ihren Kunden umfassende IT-Dienstleistungen (vgl. dazu auch Fallbeispiel B-1), v.a. Outsourcinglösungen, an und beschäftigt rund 2000 Mitarbeiter. Im Jahr 2003 startete Triaton eine umfassende Marketingkampagne, um als ehemals interner IT-Dienstleister der ThyssenKrupp-Gruppe ihre Markenbekanntheit auszubauen. Hinter der Kampagne stand die Idee, bestehende Kunden in diverse Kommunikationskanäle zu integrieren, um so die Leistungen der Triaton durch Erfolge des Kunden zu visualisieren. Über positive Aussagen des Kunden sollte in der Zielgruppe Vertrauen bzgl. der Leistungen der Triaton geschafft werden. Die Aktion beinhaltete Anzeigen (Financial Times, Handelsblatt, Computerwoche), ein „Success-Story-Booklet“, einen Imagefilm und diverse Veranstaltungen, jeweils unter Mitwirkung bestehender Kunden der Triaton. Dabei entwickelte sich die Teilnahme der Kunden zum „Selbstläufer“, da sie die Kampagne zunehmend als Kommunikationskanal für ihr eigenes Unternehmen betrachteten. Fallbeispiel E-14: Aktive Nutzung von Referenzen bei der Triaton AG564 Weitere Möglichkeiten zur aktiven Einbindung von bestehenden Kunden entstehen dann, wenn sie bereit sind in persönlichen Kontakt mit Interessenten zu treten. Typisch sind mittlerweile Telefongespräche mit Nutzern, aber auch Demonstrationen bestehender Applikationen können verwendet werden. Gerade im Softwaregeschäft stellt das „Prototyping“ ein wichtiges Marketinginstrument dar.565 Noch weiter gehen Unternehmen, die bei der Leadgenerierung auch auf die bestehenden Netzwerke des Kunden zurückgreifen. Im Idealfall sind Kunden bereit ihre Kontakte zur Verfügung 564 565 Vgl. STARS (2004) Vgl. HIERHOLZER (1996) 220 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe zu stellen, wenn sie von der Leistung überzeugt sind und über gute Beziehungen zu potenziellen Interessenten verfügen.566 Im Rahmen einer solchen „Kunden-werben-Kunden-Aktion“ erhält der Kunde im Erfolgsfall eine Gegenleistung für seine Empfehlung. Während ein solches Vorgehen im B2C-Bereich sehr verbreitet ist, hat sich dieser Ansatz auf Industriegütermärkten bisher nicht durchgesetzt. 567 Auch im vorliegenden Fall ist dem Autor kein Unternehmen bekannt, welches Kundenempfehlungen direkt oder indirekt honorieren würde. f) Referenzen bewerten Abschliessend sei noch darauf hingewiesen, dass eine periodische Bewertung der Unternehmensreferenzen im Sinne eines „Referenzcontrollings“ angebracht sein kann. Auf diese Weise können beispielsweise Lücken in Branchen oder Regionen ausgemacht werden und so neue Zielreferenzen bestimmt werden. Des Weiteren ist es auch denkbar, gewisse Unternehmen nicht mehr als Referenzkunde zu führen, beispielsweise wenn das Unternehmen in der Vergangenheit negative Schlagzeilen gemacht hat, unzufrieden mit der Leistung war oder gar den Anbieter gewechselt hat. Ausserdem muss beachtet werden, dass auch das Referenzmanagement diverse Kostenauswirkungen (Preisnachlässe, Kundenbesuche und Produktdemonstrationen,...) impliziert, die es im Einzelfall zu hinterfragen gilt. 3.2.4 Implikationen: Wechselwirkungen der Kommunikation beachten Aspekte des Markenaufbaus und der Reputation sind im (mittelständischen) IT-Markt nicht mehr wegzudenken und müssen elementarer Bestandteil des Zielsystems der Marketingkommunikation sein. Wie die obigen Ausführungen zeigen greifen die Unternehmen dabei auf ein breites Spektrum kommunikationspolitischer Instrumente zurück. Das professionelle Management von Referenzkunden kann hier allen Anbietertypen gute Dienste erweisen. Gerade der Aufbau einer „mittelstandskompatiblen“ Marke spielt für führende Anbieter wie IBM, SAP oder Oracle, deren Aussenbild durch Grosskunden geprägt ist, eine zentrale Rolle. Dabei gilt es allerdings, eine Reihe von Wechselwirkungen auf Grosskunden oder Mitarbeiter (negative „spill over“-Effekte) und Kostenrestriktionen zu beachten. So sei darauf hingewiesen, dass eine Erweiterung des Kundenspektrums auf mittelständische Unternehmen für „Neulinge“ nicht einhergehen sollte mit einer Verwässerung der Unternehmenspositionierung im Grosskundensegment. Bei allen Massnahmen sollten mögliche Wech- 566 567 Vgl. FUCHS (1998) Zu den Schwierigkeiten bei „Kunden-werben-Kunden-Aktionen“ im B2B-Bereich vgl. HELM (2000), S. 337 f. 221 selwirkungen zwischen verschiedenen Zielgruppen berücksichtigt werden.568 Dies gilt im B2BGeschäft insb. auch bzgl. der Befindlichkeiten von Mitarbeitern oder Geschäftspartnern wie Distributoren oder Zulieferern. Schliesslich sollte bedacht werden, dass unabhängig vom gewählten Instrumentarium der „mittelstandskompatible“ Markenaufbau jederzeit dem begrenzten Umsatzpotenzial der Kundengruppe Rechnung tragen sollte und entsprechende Mittel konzentriert einzusetzen sind. Chancen -Kundengewinnung durch höhere Bekanntheit -Kundengewinnung durch gesunkene Unsicherheit auf Kundenseite hinsichtlich Qualität und Service -Margenerhöhung durch Premiumpreise -Differenzierung vom Wettbewerb Tabelle E-7: Gefahren /Kosten des Markenaufbaus im Allgemeinen /Margenzerfall durch „erkaufte“ Referenzkunden /Wechselwirkungen des Markenaufbaus und Verwässerung der bestehenden Positionierung /Fehlende Identifizierung der Mitarbeiter mit der neuen Positionierung Chancen und Gefahren des Markenaufbaus im Mittelstand 4 Segmentorientierte Ansätze verbessern Effizienz und Kundennähe 4.1 Pricingansatz 4.1.1 Grundlagen und empirische Relevanz des Pricing Pricinglösungen im Midmarket sollen die Kundennähe erhöhen, indem sie die Besonderheiten des Mittelstandes und seine entsprechenden Preisbedürfnisse berücksichtigen.569 Bei Preisentscheidungen im IT-Markt muss vorab auf die Unterschiede zwischen Hardwareprodukten auf der einen und Softwareleistungen und Dienstleistungen auf der anderen Seite hingewiesen werden. Während sich traditionelle Hardwareprodukte über eine begrenzte Anzahl von Preisvariablen vermarkten lassen, liegt der Fall im Softwaremarkt etwas anders. Gerade Software verlangt aufgrund der hohen Fixkosten und der Vielzahl denkbarer Preismodelle (Kauf vs. Miete, fixe vs. variable Preisbestandteile, funktions- vs. arbeitsplatzspezifisch, ...) nach gesonderten Ansätzen der Preisgestaltung. Im Mittelpunkt steht dabei die Kombination fixer und variabler Preisbestandteile. Die Möglichkeiten der Unternehmen zur Preisgestaltung anhand dieser Preiselemente beschreibt Abbildung E-18. Unberührt davon bleiben weitere Varianten wie z. Bsp. Preisbündelung. So bietet beispielsweise Abacus Research eine begrenzte Anzahl Gutscheine für Mitarbeiterschulungen und Softwarelizenzen im Paketpreis an. 568 569 Vgl. dazu für Konsumgütermärkte KOCH et al. (2003) Vgl. dazu SHAPIRO/JACKSON (1978) 222 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe „Variabel“ Ein zige Dimension ist Menge Konstanter Ø-Preis Ums atz/ Ø-Preis „Multi-Dimensional“ Grundpreis plus variables Element Ø-Preis sinkt mit Menge bis Gren zpreis „Flat Rate Cap“ „Flat Rate“ Im Grundpreis ist ein gewisser Leistungsumfang enthalten Darüber hinaus variable Verrechnung Preis unabhängig vom tatsächlichen Leistungsumfang Ø-Preis zunächst sehr hoch, fällt rapide Menge Abbildung E-18: Preismodelle für Software570 Die Ergebnisse der Mittelstandsbefragung unterstreichen die hohe Relevanz des Preises im Einkaufsprozess informationstechnischer Produkte. Sie lassen den Schluss zu, dass preispolitischen Entscheidungen im Rahmen des Mittelstandsmarketing eine Schlüsselrolle zukommen muss. Diese Entscheidungen sind allerdings hinsichtlich ihrer Struktur und des organisatorischen Prozesses komplex und haben wenig mit einfachen preistheoretischen Modellen gemein. Es versteht sich von selbst, dass Preisanalysen stets auf den Einzelfall zugeschnitten sein sollten und pauschale Empfehlungen wenig ergiebig sind.571 Im vorliegenden Fall müssen sich sämtliche Entscheide über die konkrete Ausgestaltung der Preispolitik im mittelständischen Kundensegment an diversen Rahmenbedingungen des Anbieterunternehmens orientieren. Beispielsweise determiniert die Positionierung des Gesamtunternehmens bzw. die bestehende Preisgestaltung den preispolitischen Spielraum im Mittelstand erheblich. Ähnliches gilt für die Kostenstruktur, den zeitlichen Horizont im Midmarket oder die Anzahl bestehender Kunden. Entsprechend handelt es sich im Rahmen dieser Arbeit bei der Preisgestaltung auch nicht um eine isolierte Einzelentscheidung, sondern vielmehr um ein Preisdifferenzierungsproblem gegenüber anderen Kundensegmenten, insb. Grosskunden. Preisdifferenzierung gilt gemeinhin als das bedeutendste preispolitische Instrument, mittels dem sich Unternehmen der Verschiedenheit der Nachfragersegmente annehmen können. Sie liegt vor, wenn ein Anbieter ein Produkt oder Varianten eines Produkts zu verschiedenen Preisen verkauft. Die Produktvariation kann dabei räumlicher, zeitlicher, leistungsbezogener oder 570 571 Quelle: BOEFFGEN/LITFIN (o.J.) Vgl. SIMON (1992), S. 11 223 mengenbezogener Natur sein, darf aber nicht soweit gehen, dass dabei „andere Produkte entstehen.“572 Sinnvollerweise sollten Preisdifferenzierungsbestrebungen der Anbieter bei ihren individuellen Zielen im mittelständischen Kundensegment ansetzen und entsprechend die Effizienz ihrer Marktbearbeitung oder Kundennähe der Unternehmensleistung verbessern. Effizienzsteigernde Massnahmen im Rahmen des Preismanagements können dabei auf zwei Optionen beruhen. Zum einen bieten Preiserhöhungen im Mittelstand die Möglichkeit kundenspezifische Deckungsbeiträge zu erhöhen.573 Darüber hinaus können Fixpreise im Rahmen eines Standardisierungsansatzes wie dargelegt den Verhandlungsprozess vereinfachen und Vertriebskosten senken. gering hoch Nutzung/Reserve 0 Preise auf Projektbasis fixieren (n=41; s=0,98) 1 0,47 0,51 0,67 28% 46% 26% 0,34 Kleine Aufträge preislich belasten (n=41; s=1,10) Abbildung E-19: 46% 28% 26% Preisgünstige Lösungen für Einsteiger (n=40; s=1,21) Anteil 26% 31% 44% Finanzierungsmodelle (z. Bsp. Leasing) anbieten (n=41; s=1,33) neutral (3) 37% 0,67 Nutzenabhängige Preise (z. Bsp. ASP) anbieten (n=39; s=1,14) eher gering (1+2) 42% 21% 62% 0% 20% 30% 40% eher hoch (4+5) 60% 80% 8% 100% Mittelwert: Soll-Ist Empirische Bedeutung einzelner Massnahmen der Preisgestaltung574 Abbildung E-19 zur empirischen Bedeutung einzelner Pricingmassnahmen macht allerdings schon deutlich, dass sich Einzellösungen der Preisgestaltung in erster Linie an den besonderen Anforderungen der Kundengruppe orientieren. So spielt die preisliche Belastung kleinerer Aufträge zwecks Margenverbesserung in den befragten Unternehmen eine zu vernachlässigende Rolle. Kundenorientierte Massnahmen, welche den beschränkten finanziellen Ressourcen und heterogenen IT-Bedürfnissen des Mittelstandes Rechnung tragen, werden hingegen bereits heute genutzt und in Zukunft noch forciert. So setzt bereits knapp jedes zweite bzw. über ѿ der 572 573 574 Vgl. FASSNACHT (2003), S. 486 Vgl. dazu Abbildung A-2 Quelle: Marketingbefragung 224 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe Unternehmen auf Finanzierungsmodelle bzw. fixierte Projektpreise, um die Zahlungsströme des Kunden zu strecken bzw. sein Kostenrisiko zu begrenzen. Die Möglichkeiten von günstigen Einsteigerpreisen für KMU und mengenbezogenen Preisvarianten beschreiben die nächsten Abschnitte. 4.1.2 Leistungsbezogene Preisdifferenzierung: Günstige Preise für den Mittelstand Eine Erfolg versprechende Lösung mehr Kunden im mittelständischen Segment für sich gewinnen zu können, sehen viele IT-Manager darin, für Einsteiger bzw. KMU preisgünstigere Produkte zur Verfügung zu stellen. Diese Überlegung fusst auf der Tatsache, dass diese Kundengruppe weniger finanziellen Spielraum hat als Grossunternehmen und Preissenkungen zu vergleichsweise hohen Mengenveränderungen führen können. Wie die empirische Untersuchung dieser Arbeit ergab, stellt der Anschaffungspreis das wichtigste Entscheidungskriterium im mittelständischen Beschaffungsprozess dar.575 Auf Anbieterseite stellt die Niedrigpreisstrategie insofern eine Herausforderung dar, als dass sie sowohl die Zahlungsbereitschaft des Mittelstandes als auch die der finanziell besser ausgestatteten Grossnternehmen berücksichtigen muss. So gilt es zu verhindern, dass solventere Kunden die preisgünstigen Angebote für KMU in Anspruch nehmen. Ein Beispiel für dieses Vorgehen ist die „Golden Offers“-Aktion von HP (Schweiz), die regelmässig preisgünstige IT-Hardware über ihre Vertriebspartner anbietet und sich dabei explizit an das mittelständische Kundensegment wendet. Für Grosskunden kommen diese zeitlich begrenzten Angebote weniger in Frage, da sie ihre Hardware in der Regel nicht über die entsprechenden Kanäle beziehen und ITBeschaffungsentscheidungen einen längerfristigen Planungshorizont haben. Günstige Einsteigerlösung: SAP Business One SAP Business One richtet sich an kleinere bis mittlere Unternehmen, die weniger komplexe oder branchentypische Anforderungen an die Informatik stellen. Business One wird KMU derzeit für 3.750 CHF pro Arbeitsplatz angeboten, was deutlich unter den Kosten für herkömmliche SAP-Produkte liegt.576 Zwar basiert die Lösung auf der Technologie der entsprechenden Grosskundenprodukte (MySAP, R/3), weist ihnen gegenüber allerdings weniger Funktionalitäten auf. Gerade für grössere Unternehmen ist Business One weniger geeignet, da es die komplexen internationalen Prozesse weniger gut abzubilden vermag als MySAP oder R/3. So ist 575 576 Vgl. dazu Abbildung C-27 Die Softwarekosten für mySAP.com liegen bei bis zu 10.000 CHF/Arbeitsplatz, abhängig vom Ausstattungsumfang. Hinzu kommen noch Wartungskosten von rund 15% der Installationskosten. 225 gewährleistet, dass in erster Linie Neukunden im Mittelstand und nicht bestehende R/3-Kunden auf die neue Lösung umstellen. Fallbeispiel E-15: Günstige Lösungen für KMU: SAP Business One Die verbreitetste Form der Preisdifferenzierung setzt aber bei der Produktleistung an, so dass eine Preisreduzierung beispielsweise an eine leicht verminderte Funktionalität gekoppelt ist (vgl. dazu Fallbeispiel E-15). Dabei gilt es die „Billigangebote“ so stark funktional einzugrenzen, dass Nachfrager mit höherer Preisbereitschaft nicht zu preisgünstigen Alternativen wechseln. Diesen Weg beschreitet im Übrigen in der Schweiz neben der SAP auch Siebel Systems (vgl. Fallbeispiel E-23). 4.1.3 Mengen- und zeitbezogene Preisdifferenzierung: Mengenrabatte und Mietmodelle Eine weitere Möglichkeit zur Preisdifferenzierung besteht darin, den Preis in Abhängigkeit von der benötigten Menge zu bestimmen. So erhalten industrielle Grosskunden typischerweise Mengenrabatte, da sie im Hardwaregeschäft häufig längerfristige Lieferverträge mit festen Stückzahlen abschliessen. Der Anbieter gibt seine Einsparungen aufgrund von Planungssicherheit oder sinkenden Transaktionskosten (Verhandlungen, Preise, Logistik, Produktionsplanung,...) in Form von Mengenrabatten an den Kunden weiter. Für KMU kommt diese Form der Preisreduzierung offensichtlich nicht in Frage. Sie haben selbst bei Konzentration ihrer Nachfrage auf einen Lieferanten keinen Bedarf an grossen Mengen, seien es Softwarelizenzen oder PCs. Ebenso wenig verbreitet sind langfristige Lieferverträge, welche den mittelständischen Unternehmen eine flexible IT-Investitionsplanung erschweren würden. Wie bereits erwähnt stellt „leap frogging“ ein typisches Phänomen im Mittelstand dar und die aktuelle finanzielle Lage des Unternehmens bestimmt die Investitionsplanung deutlicher als beispielsweise steuerliche Abschreibungseffekte. Eine interessante Variante einer mengenabhängigen Preisdifferenzierung praktiziert derzeit HP (Schweiz) mit der Mergercard, wie sie Fallbeispiel E-16 beschreibt. Mergercard bei HP (Schweiz) Kleine und mittlere Unternehmen haben im Markt oft zu kleine Volumina, als dass sie von vorteilhaften Preisen profitieren könnten. Die Mergercard schafft hier Abhilfe. Sie sorgt dafür, dass KMU zu Konditionen von Grossunternehmen einkaufen können und dabei die Eigenständigkeit erhalten bleibt. Zudem können Einkauf und Controlling einfacher abgewickelt werden, ohne dass teure Softwaretools installiert werden müssen. 226 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe Neben Finanzdienstleistern, Büroartikelherstellern und Automobilfirmen nimmt nun auch HP an diesem Programm teil und eröffnet sich damit neue Möglichkeiten der Kundenerschliessung. Die Besitzer von Mergercards profitieren hingegen dank dem gebündelten Einkaufsvolumen von besseren Konditionen, die spürbare Kostensenkungen zur Folge haben. Weitere Nutzenaspekte für den Kunden sind eine persönliche Verkaufsunterstützung, Kontinuität im Einkauf und eine transparente Marktübersicht durch die Bündelung der Angebote. HP hat zusammen mit anderen Mergercard-Partnern ein Bonusprogramm entwickelt, das analog einem Flugmeilenprogramm funktioniert. Für alle Einkäufe bei Mergercard-Partnern sowie sämtlichen Transaktionen mit der Mergercard (Tank- oder Kreditkarte) werden Bonusfranken gesammelt. Jedes Mergercard-Mitglied verfügt über ein Bonusfrankenkonto, auf das die Umsätze der Firma sowie der Mitarbeitenden gutgeschrieben werden. Jeder Umsatzfranken wird mit 1% abgerechnet. Pro Quartal erhalten die Mitglieder eine Abrechnung mit Umsatzangaben und Bonusfranken. Zusätzlich werden Bonusfranken-Checks beigelegt, die auf alle HP Produkte bei den teilnehmenden HP Fachhändlern eingelöst werden können. Die jährliche MergerMitgliedergebühr beträgt 390 CHF. Je nach Bedürfnis wählen die KMU eine weltweit einsetzbare Mergercard-Kreditkarte zu 150 CHF. Beide Karten gelten als Mitgliederausweise und können bei den Vertragspartnern zum Bezug von Produkten und Dienstleistungen zu Vorzugskonditionen eingesetzt werden. Fallbeispiel E-16: Günstige Lösungen für KMU: HP Mergercard Neben Mengenrabatten kann die finanzielle Belastung des Kunden aber auch durch innovative Verrechnungsmodalitäten gesenkt werden. So bieten mittlerweile fast alle Anbieter informationstechnischer Produkte ihren Kunden Ratenzahlungen bzw. diverse Finanzierungsmöglichkeiten wie z. Bsp. Leasing an (vgl. dazu Fallbeispiel E-17). Leasing streckt dabei nicht nur die finanzielle Belastung und schont die Liquidität, sondern reduziert durch diverse vertragliche Modalitäten (Laufzeit, Austauschbarkeit der Leasingobjekte, Kapazitäten/Auslastung,...) auch die Unsicherheitspotenziale des Nachfragers.577 IT-Leasing: Sage Sage gehört zu den führenden ERP-Anbietern im Segment mittlerer und kleiner Unternehmen. In Zusammenarbeit mit ihren Vertriebs- und Implementierungspartnern und einem Finanzdienstleister bietet die Sage nun eine zinsfreie Leasinglösung an, die es erlaubt, die finanzielle 577 Vgl. BACKHAUS (1999), S. 605 227 Belastung des Kunden über die Nutzungsdauer zu strecken. Im Rahmen dieses speziellen Angebots kann neben der Software optional (in Abstimmung mit dem Sage Fachhandelspartner) auch die Dienstleistung geleast werden. Sage erhofft sich durch das Angebot auch in wirtschaftlich unsicheren Zeiten potentielle Kunden von einer IT-Investition überzeugen zu können. Um unangemessene Vertriebskosten zu vermeiden knüpft Sage die Leasinglösung allerdings an ein minimales Auftragsvolumen. Eine entsprechende Bonitätsprüfung kann dabei direkt über das Internet generiert werden. Auch dem KMU bieten sich gegenüber einem (kreditfinanzierten) Kauf neben der zeitlichen Aufteilung der Zahlungsverpflichtung weitere Vorteile. So weist eine Leasinglösung Bilanzneutralität auf und schon damit das Eigenkapital des Unternehmens, was vor dem Hintergrund von Basel 2 durchaus relevant sein kann. Schliesslich kann ein KMU ggfs. auch grössere Investitionen tätigen als budgetiert und bleibt ohne Mehrkosten für Updates auf dem technisch neuesten Stand. Fallbeispiel E-17: IT-Leasing bei SAGE 4.1.4 Implikationen: Ergebniseffekte genau analysieren Sowohl die Lösungshinweise wie auch die empirische Untersuchung belegen das grosse Potenzial, welches innovative Pricinglösungen bei der Zusammenarbeit mit mittelständischen Kunden haben können. Zentral ist dabei die Annahme, dass die Investitionsneigung des Kunden durch Anpassung der Verrechnungsmodalitäten an seine Bedürfnisse gesteigert werden kann. Dies kann beispielsweise über günstige Einsteigerlösungen oder zeitlich gestreckte Zahlungen (Leasing, ASP,...) geschehen. Die Möglichkeiten stehen dabei allen Anbietertypen offen. Dabei sollten aber gewisse Risiken innovativer Preisgestaltung nicht ausser Acht gelassen werden. Beispielsweise muss auch durch kundenahe Verrechnungsverträge die Profitabilität der Kundenbeziehung gewährleistet bleiben. Gerade mengenvariable Mietmodelle bergen die Gefahr, dass bei kleinen Stückzahlen Services nicht kostendeckend vergütet werden. Ähnliches verhält es sich, wenn äusserst profitable Unternehmen aus dem Grosskundengeschäft diese neuen attraktiven Verrechnungsmodalitäten in Anspruch nehmen und somit bestehende Preismodelle kannibalisieren. Hier gilt es adäquate Schutzmechanism zu entwickeln, wie sie in diesem Kapitel angedeutet wurden. Weitere Chancen und Gefahren des Pricingansatzes fasst Tabelle E-8 zusammen. 228 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe Chancen Gefahren -Kundengewinnung durch preisgünstige Einsteigerlö/Sinkende Deckungsbeiträge bei ungenügender Besungen rechnung der Erfolgsauswirkungen -Kundengewinnung durch zeitlich verzögerte finan/Negative Spill-Over-Effekte hinsichtlich der Gruppe zielle Belastungen und Risikoreduktion der Grosskunden (Kannibalisierung durch preisgüns-Geringere Umsatzschwankungen aufgrund längerfristige Mittelstandslösungen) tiger Verträge (Miete, ASP,...) /Kunden werden durch komplizierte Preismodelle -Kundennähe durch besser abgestimmte Verrechüberfordert; nicht nachvollziehbare Zusammensetnungsmodalitäten bzw. Wahlmöglichkeit des Kunden zung der Preise beim Leistungserwerb /Kompetenzstreitigkeiten und weitere negative Ein-Steigerung der Wertschöpfung bei kompletter Auslaflüsse auf die Beziehung zum Reseller gerung (ASP) /Fehlende Kompetenz bzgl. Finanzierung, z. Bsp. -Effizienzsteigerung durch geringere Vertriebskosten Zusammenarbeit mit Finanzpartner (weniger Aufwand für Preisverhandlungen) Tabelle E-8: Chancen und Gefahren des Pricingansatzes im Mittelstand 4.2 Beziehungsmanagement 4.2.1 Grundlagen und empirische Relevanz des Beziehungsmanagements Dem sehr breiten und zuweilen etwas „schillernden“ Begriff des Beziehungsmanagements soll sich an dieser Stelle genähert werden, indem zuerst seine grundsätzliche Entwicklung und Bedeutung auf dem Industriegüter- bzw. dem IT-Markt beschrieben wird. Anschliessend gilt es die empirische Relevanz dieses Ansatzes für die vorliegende Problemstellung zu klären. a) Entwicklung des Beziehungsmanagements auf Industriegütermärkten Seit Mitte der 80er Jahre vollzieht sich in der Marketingwissenschaft ein „Paradigmenwechsel“ vom Transaktions- zum Beziehungs-Marketing.578 Das Transaktionsmarketing, bei dem die Kundenakquisition im Vordergrund steht, wird dabei durch eine evolutorische Betrachtung erweitert und führt zur interaktionsbezogenen langfristigen Perspektive des Relationship Marketing.579 Nicht die Einzeltransaktion steht im Mittelpunkt des Interesses, sondern die gesamte Geschäftsbeziehung zum Kunden über ihre Lebensdauer. Sie birgt erheblich höhere Wertpotenziale für die anbietende Unternehmung.580 Ausgelöst wurde diese Entwicklung durch die Erkenntnis, dass längerfristige Kundenbeziehungen für Anbieter mit einer Reihe von Vorteilen verbunden sind. So stellte sich heraus, dass die Kundenakquisition häufig teurer ist als die Bindung bestehender Kunden und so Effizienzvorteile realisiert werden können.581 Darüber hinaus treten aber auch Effektivitätsvorteile auf, 578 579 580 581 Vgl. HOMBURG/BRUHN (1999), S.4. Neben dem Paradigmabegriff sprechen YAU et al. (2000), S. 111, von einer neuen Geschäftsphilosophie: „Business philosohy is changing again towards Relationship Marketing.“ Anders ZINELDIN (2000) Vgl. DILLER (1991); DILLER/KUSTERER (1988) Vgl. BRUHN et al. (2000) Vgl. BACKHAUS/BAUMEISTER (1999) 229 wenn Beziehungen positive Wirkungen auf Kundennähe, Informationsbasis oder die Differenzierungsfähigkeit bislang austauschbarer Leistungen haben.582 Die Bedeutung des Beziehungsmarketing wird vor allem für Industriegütermärkte immer wieder betont.583 Beziehungsmarketing und Industriegütermarketing wurden sogar teilweise gleichgesetzt, wenn JOHANNSON/WOOTZ formulieren: „Industrial Marketing is very much a matter of establishment of customer relationships.“584 YAU et al. (2000) konnten die vergleichsweise hohe Bedeutung des Relationship Marketing auf Industriegütermärkten (Maschinenbau) im Vergleich zu anderen Industrien auch empirisch nachweisen. b) Bedeutung des Beziehungsmanagements in der IT-Branche Auch in der IT-Branche stellt das Beziehungsmanagement aus mehreren Gründen einen sinnvollen Ansatz dar. So spielt das Management von Geschäftsbeziehungen z. Bsp. dann eine wichtige Rolle, wenn persönliche Dienstleistungen ein wichtiger Bestandteil der Leistung sind.585 Der hohe Umsatzanteil von Wartung, Installation und Schulung, aber auch die Notwendigkeit von Updates, sind Besonderheiten des IT-Geschäfts, welche den Stellenwert der Kundenpflege und des persönlichen Kundenkontakts unterstreichen. Gerade die sog. „After-SalesPhase“ hat erheblichen Einfluss auf die Kundenzufriedenheit und damit auf Folgegeschäfte oder Empfehlungen.586 LAPIERRE (2000) bestätigt diese These empirisch und vermerkt: „Results clearly show that the value of IT systems depends not only on computer and telecommunications hardware and software, but on employees – their responsiveness, flexibility, reliability, compentence, as well as on the relationship between the customer and the supplier and on what is given up by the customer’s organisation itself.“587 So sahen denn auch Führungskräfte in einer empirischen Studie von REINECKE/BELZ (1994) im Beziehungsmanagement die grösste Reserve im IT-Marketing. c) Empirische Relevanz im mittelständischen Kundensegment Im mittelständischen Kundensegment bietet sich ein beziehungsorientierter Ansatz darüber hinaus aufgrund der Verschiedenartigkeit der Nachfrager an. Nach ERIKSSON/MATTSSON (2002) ist Beziehungsmanagement auf heterogenen Nachfragermärkten von besonderem Wert. 582 583 584 585 586 587 Vgl. BELZ (1993) Vgl.BELZ (1998c), S. 19; BACKHAUS/BAUMEISTER (1999); DWYER et al. (1987) Zitiert nach HOMBURG/GARBE (1999); ähnlich PLINKE (1989) Vgl. HOMBURG/GARBE (1999) Vgl. LIPPOLD (1996), S. 177 LAPIERRE (2000), S. 134 f. 230 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe Abbildung E-20 illustriert die empirische Bedeutung unterschiedlicher Massnahmen im Rahmen des Beziehungsmanagements führender IT-Unternehmen in der Schweiz im mittelständischen Kundensegment. Hierbei zeigt sich, dass nur eine Minderheit der Befragten derzeit stark auf Lösungen zurückgreift, welche die Beziehung zum mittelständischen Kunden intensiviert. Während immerhin 44% der Unternehmen auf eigene Mitarbeiter im Verkauf setzen, wählen nur vergleichsweise geringe 32% dabei KMU-spezifische Mitarbeiter aus. Der Aufbau und die Pflege von Netzwerken und Beziehungen zu Verantwortlichen in KMU wird momentan eher wenig genutzt. Entsprechend setzt auch nur eine Minderheit der befragten Unternehmen auf Kundenevents. Allerdings verdeutlicht Abbildung E-20, dass die Verantwortlichen diesbzgl. erhebliches Verbesserungspotenzial ausgemacht haben. So beabsichtigen sie in Zukunft dem Aufbau und der Pflege eines breiten Netzwerks im KMU-Segment deutlich mehr Priorität einzuräumen als bisher. Auch weitere Massnahmen des Beziehungsmanagements werden zukünftig stärker gewichtet. gering hoch Nutzung/Reserve 0 1 1,17 Aufbau und Pflege eines breiten Netzwerks im KMU-Segment (n=41; s=1,18) Aufbau und Pflege einer persönlichen Beziehung zu KMU (n=41; s=1,23) 39% 44% Kundennähe über eigene Mitarbeiter im Verkauf (n=41; s=1,14) 34% Abbildung E-20: neutral (3) 32% 0,66 10% 44% 22% 0,68 Auswahl KMU-spezifischer Mitarbeiter im Verkauf (n=41; s=1,18) Anteil 32% 24% 0,80 29% 0,78 Kunden-Events für KMU (n=41; s=1,20) eher gering (1+2) 24% 51% 37% 0% 20% 40% eher hoch (4+5) 32% 32% 60% 80% 100% Mittelwert: Soll-Ist Empirische Bedeutung einzelner Massnahmen des Beziehungsmanagements588 4.2.2 Strategievarianten im Beziehungsmanagement Beziehungsmanagement beinhaltet vielfältige Instrumente der Marktbearbeitung, die nur schwer konzeptionell fest gemacht werden können. Gelegentlich wird dabei zwischen einer Leistungsebene (standardisiert vs. individualisiert) und einer Beziehungsebene (transaktional vs. relational) unterschieden.589 Ob alle relevanten Facetten und Entscheidungen des Bezie- 588 589 Quelle: Marketingbefragung Vgl. FINSTERWALDER (2002), S. 44 ff.. und die dort angegebene Literatur. 231 hungsmanagements anhand dieser zwei Dimensionen aufgezeigt werden können erscheint angesichts der Komplexität geschäftlicher Beziehungen allerdings mehr als fraglich. Deutlich differenzierter geht BELZ (1998d) vor, der fünf Kernfragestellungen identifiziert und damit die praktischen Spielarten des Beziehungsmanagements weitestgehend abdeckt (vgl. Abbildung E-21). Nachfolgend sollen diese fünf Optionen kurz beschrieben und hinsichtlich der vorliegenden Fragestellungen bewertet werden. Kundenorientiertes... Anspruchsgruppenorientiertes... Breites/Offenes... Technokratisches/systematisches... Individuelles... Organisatorisch verankertes... Permanentes... Projektorientiertes... Indirektes/gruppenorientiertes... Persönliches... ...Beziehungsmanagement Abbildung E-21: Strategievarianten im Beziehungsmanagement590 a) Kundenorientiertes vs. anspruchsgruppenorientiertes Beziehungsmanagement Unternehmen können sich in ihrem Beziehungsmanagement auf (mittelständische) Kunden konzentrieren oder weitere Anspruchsgruppen miteinbeziehen. Für IT-Unternehmen ist es insbesondere notwendig Kontakte zu den verschiedenen Wertschöpfungspartnern, allen voran Vertriebs- und Implementierungspartner, zu knüpfen und zu pflegen.591 So bestätigen auch die Ergebnisse der Studie, dass der direkte Kontakt zum Anbieter eher gering ist.592 Ein typisches, jedoch bisher relativ wenig verwendetes Instrument des gruppen- und kundenorientierten Beziehungsmanagements stellen KMU-Events (Schulungen, Workshops, o.ä.) dar.593 Fallbeispiel E-18 veranschaulicht, wie dieses Instrument differenziert nach Anspruchsgruppen eingesetzt werden kann. 590 591 592 593 Quelle: Eigene Abbildung in Anlehnung an BELZ (1998d), S. 63 ff. Weitere Hinweise zur Beziehungspflege mit ausgewählten Vertriebspartnern finden sich Teil E 4.3.2 . Vgl. Abbildung C-9 Vgl. BELZ (1998d), S. 91 232 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe Informationsveranstaltungen der SAP AG im mittelständischen Kundensegment Die SAP AG (CH) setzt gezielt Veranstaltungen ein, um Beziehungen zu verschiedenen Anspruchsgruppen zu knüpfen oder zu pflegen. Hierbei unterscheiden sie auch im mittelständischen Markt zwischen Kunden- und Partnerveranstaltungen. Speziell für potenzielle Kunden aus dem KMU-Segment organisiert die SAP Informationsveranstaltungen, wie z. Bsp. den „KMU-Dialog“. In Zusammenarbeit mit einem Implementierungspartner und dem Schweizerischen Institut für Klein- und Mittelunternehmen der Universität St.Gallen (HSG) werden interessierten mittelständischen Entscheidungsträgern in den Räumen der Universität aktuelle betriebswirtschaftliche Themen näher gebracht und die Möglichkeiten moderner Unternehmenssoftware vorgestellt. Der Abend wird abgerundet durch ein rustikales Abendessen. SAP profitiert von dieser Veranstaltung in mehrerer Hinsicht. Zum einen können auf diesem Wege neue Kontakte zu potenziellen Kunden geknüpft und der Zielgruppe das Produkt vorgestellt werden. Ergänzend hat der Anlass einen positiven Einfluss auf die Markenbekanntheit und das Image der SAP im Mittelstand. Schliesslich können während der zahlreichen Gespräche mit den Teilnehmern auch Informationen über weitergehende Anforderungen oder Branchentrends der Kundengruppe oder Schwächen konkurrierender Produkte gewonnen werden. Insgesamt stellt diese Veranstaltung so auch ein probates Mittel des Referenzmanagements dar, wie an früherer Stelle beschrieben. Aus KMU-Sicht rechnet sich eine Teilnahme, da man sich ohne Verpflichtungen über neue Softwareentwicklungen informieren und das lokale Geschäftnetzwerk pflegen kann. Darüber hinaus bietet SAP aber auch Events in Zusammenhang mit ihren Vertriebspartnern an, wie den „KMU-Dialog für Unternehmensberater“. Inhaltliches Hauptelement des zweimal jährlich stattfindenden Forums sind Praxisberichte von SAP KMU-Kunden. Zudem behandelt die 90 Minuten dauernde Vorabend-Veranstaltung aktuelle Unternehmensberater-Themen und deren Umsetzung mit SAP Lösungen. In der Diskussionsrunde sowie im anschliessenden Apéro entsteht jeweils ein angeregter Meinungs- und Erfahrungsaustausch. Fallbeispiel E-18: Kunden- und anspruchsgruppenorientierte Events bei SAP (Schweiz) AG b) Breites vs. technokratisches Beziehungsmanagement Ein technokratisches Beziehungsmanagement konzentriert sich auf klar definierte Personen und folgt einer systematischen, klar definierten Vorgehensweise. Im Gegensatz dazu geht ein 233 breites Beziehungsmanagement weniger strukturiert vor, berücksichtigt aber mehr Themenfelder, Personen oder Unternehmen. Breites Beziehungsmanagement ist offener, flexibler, hat einen längeren Zeithorizont und lässt den zuständigen Managern oder Verkäufern mehr Freiraum. Wenngleich ein breites Beziehungsmanagement mit einer Reihe strategischer Vorteile verbunden ist, sollten IT-Unternehmen im Mittelstand auf einen systematischen Ansatz der Beziehungspflege nicht gänzlich verzichten. Zu gross wäre ansonsten die Gefahr, dass die betroffenen Personen Ressourcen verschwenden und sich im Mittelstand „verzetteln“. Insbesondere sollte berücksichtigt werden, dass auf Kundenseite eine Konzentration auf den Eigentümerunternehmer oder das Management mit deutlich weniger Gefahren verbunden ist als in Grossunternehmen. So hat die Untersuchung in Teil C die herausragende Stellung der Geschäftsleitung im Investitionsprozess bestätigt. Ein zu breit angelegtes Beziehungsmanagement könnte also zu Streuverlusten oder sogar Verärgerung bei den Entscheidungsträgern führen. Hier gilt es, die Befindlichkeiten aller Beteiligten zu berücksichtigen. Nicht zuletzt muss sich auch der Aufwand für das Beziehungsmanagement in Grenzen halten, um dem Ertragspotenzial des Kunden Rechnung zu tragen. c) Individuelles vs. organisatorisch verankertes Beziehungsmanagement Eng verbunden mit der Entscheidung über ein breites bzw. technokratisches Beziehungsverständnis stellt sich die Frage der organisatorischen Verankerung. Im individuellen Beziehungsmanagement können Mitarbeiter weitestgehend in Eigenverantwortung ihren Beziehungsaufgaben nachkommen. Ein organisatorisch verankertes Beziehungsmanagement zeichnet sich hingegen durch zentrale Bestimmungen aus, welche die Schnittstelle zwischen Kunden und Verkäufern oder Servicemitarbeitern stark reglementieren. Zentrale Bestandteile sind häufig detaillierte Reportingsysteme, Besuchpläne und die Zuordnung von Mitarbeitern zu Kunden. Derartige Bestimmungen bezwecken v.a. die Unabhängigkeit des Unternehmens vom Verkäufer zu gewährleisten. Sollte die „Chemie“ zwischen den Verkaufsverantwortlichen und dem Kundekreis nicht stimmen, muss eine adäquate Zu- oder Umteilung der Verantwortlichkeit möglich sein. Für das mittelständische Kundensegment ist ein individueller Ansatz zu bevorzugen. Das Risikopotenzial, dass bestimmte Mitarbeiter oder Vertriebspartner einen exklusiven Zugang zu mittelständischen Kunden ausnutzen könnten, ist relativ gering. Hingegen können die gewonnenen Freiräume dazu genutzt werden, tiefere Beziehungen zu etablieren oder unkonventionelle Lö234 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe sungen zu finden. Aus Kostengründen sollte lediglich ein Kontrollsystem angedacht werden, welches im Einzelfall die Kontaktintensität reglementiert. d) Permanentes vs. projektorientiertes Beziehungsmanagement Unternehmen stehen vor der Wahl, zu ihren Kunden ein permanentes, vom Tagesgeschäft weitestgehend unabhängiges, oder ein temporäres projekt- bzw. auftragsorientiertes Beziehungsmanagement aufzubauen. Dabei hat sich herausgestellt, dass der langfristige Ansatz einer phasenbeschränkten Betreuung häufig vorzuziehen ist.594 Inwieweit diese Erkenntnis auf die Branche für Informationstechnik übertragbar ist, hängt vermutlich von der Art der Leistung und dem Kundenkreis ab. So bedürfen längerfristige Beziehungen, z. Bsp. mit Lösungs- oder Vertriebspartnern, eines permanenten Systems. Im eher auftragsbezogenen Projektgeschäft (z. Bsp. ERP, CRM, Call-Center,...) gilt es dieses Prinzip fallweise zu relativieren. Selbstverständlich sollte sich die intensive Kontaktpflege keinesfalls auf die Vorkaufphase beschränken, sondern sich vielmehr am gesamten Einkaufsprozess des mittelständischen Unternehmens orientieren. Zieht sich der Anbieter nach Vertragsabschluss zurück und minimiert (persönliche) Kontakte zum Kunden, kann dies verheerende Folgen für Kundenzufriedenheit, „Mund-zu-Mund-Propaganda“ oder Wiederkaufabsicht haben.595 Gerade im mittelständischen Segment nehmen persönliche Referenzen und Empfehlungen eine Schlüsselrolle ein.596 Trotzdem sollte sich das Niveau der Kontaktpflege auch am Potenzial der Kundenbeziehung orientieren und die Wahrscheinlichkeit von Folgeabschlüssen berücksichtigen. Ist auf absehbare Zeit nicht mit Erweiterungsinvestitionen zu rechnen, könnten zu intensive Bemühungen nicht nur ineffizient, sondern dem Kunden ggfs. auch unangenehm sein. Gerade mittelständische Unternehmer setzen ihre Zeitbudgets sehr selektiv ein und können gut abschätzen, wenn der persönliche zeitintensive Kontakt zu Anbieterunternehmen in dieser Form nicht gerechtfertigt ist. Aus diesem Grund bietet es sich ggfs. an, den Kunden das Beziehungsniveau nach erfolgreichem Projektabschluss selbst festlegen zu lassen und eine proaktive Kundenansprache zu minimieren. e) Gruppenorientiertes vs. persönliches Beziehungsmanagement Während persönliches Beziehungsmanagement auf direkten Kontakten zwischen Vertretern zweier Unternehmen basiert (z. Bsp. Kundenbesuche, Verkaufsgespräche, persönliche Bera- 594 595 596 Vgl. SKAATES et al. (2002) Vgl. LIPPOLD (1996), S. 177 Vgl. Abbildung C-32 235 tung,...) richtet sich gruppenorientiertes Beziehungsmanagement an ein Kundenkollektiv. Gruppenorientiertes Beziehungsmanagement bezweckt in erster Linie die teuren persönlichen Kontakte fallweise substituieren zu können, indem entweder auf moderne Informationstechnik (z. Bsp. Call-Center, Internet, E-Mail,...)597 oder Gruppentreffen (z. Bsp. Produktdemonstrationen, Kundenveranstaltungen,...) zurückgegriffen wird. Fallbeispiel E-18 zeigte bereits, wie SAP ein gruppenorientiertes Beziehungsmanagement mittels Events implementiert. Fallbeispiel E-19 verdeutlicht den Einsatz moderner IT im Beziehungsmanagement der IBM. IBM (Schweiz) AG IBM (International Business Machines Corp.) ist das weltweit grösste IT-Unternehmen mit rund 80 Mia.. US-$ Umsatz, über 300.000 Mitarbeiter und einem Marktwert von 135 Mia. US$. In der Schweiz beschäftigt IBM ca. 3500 Mitarbeiter und setzt geschätzte 1,8 Mia. CHF um (Stand 03/2004). Mitte der 90er Jahre implementierte IBM ein „Customer Relationship Management“, um die Grundlage für eine kunden- und vor allem prozessorientierte Marketingorganisation zu schaffen. Das CRM-Programm hatte Einfluss auf alle Mitarbeiter mit direktem Kundenkontakt und definierte elf Prozesse in den Bereichen Verkauf, Service und Support. Aufgabe des CRM war es an dieser Stelle, den Buying Cycle des Kunden kontinuierlich und integriert zu begleiten. Die Beziehung zum Kunden über den Zeitverlauf, die Vergangenes und Zukünftiges einschliesst, stand im Mittelpunkt. Finales Ziel des CRM sollte es sein, den Aufbau und die Verwaltung der Kundenbeziehung effizient zu unterstützen und damit Kundenzufriedenheit und treue zu verbessern und die indirekten Kosten der Bearbeitung zu senken. Wichtigstes Element der CRM-Initiative war ein „Relationship Plan for Customers“, der für Einzelkunden oder Kundensegmente erstellt wurde und Kundeninformationen und -ziele beinhaltete. Darüber hinaus bildete eine ausführliche Kundensegmentierung die Grundlage für die weitere Kundenbetreuung, z. Bsp. im Segment der kleinen und mittleren Unternehmen. Während für „Key Accounts“ eine persönliche Betreuung vorgesehen war, wurden Kunden des Segments „Telecoverage“ über Telefon und Bildschirm unterstützt. Trotzdem wird auch hier Wert auf eine zwar standardisierte aber kundenfreundliche Lösung gelegt: Eine zentrale Stelle in Zürich bearbeitete alle Anrufe, da die verschiedenen Standorte miteinander vernetzt wurden. So konn- 597 Vgl. dazu auch Teil E 2.1.3 236 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe ten die Kunden in ihrer Muttersprache bedient werden. Schliesslich wurde auch ein umfassendes Beschwerdemanagement-System eingeführt, welches aktuelle Kundenfeedbacks, Kundenumfragen und Reklamationen technikunterstützt erfasste. Fallbeispiel E-19: Beziehungsmarketing bei IBM (Schweiz) AG598 Diese Ausführungen machen bereits deutlich, dass die Strategievarianten „gruppenorientiertes vs. persönliches Beziehungsmanagement“ keine sich gegenseitig ausschliessende Ansätze darstellen, sondern vielmehr situativ zu kombinieren sind. In letzter Zeit wurde Beziehungsmanagement jedoch vermehrt mit gruppenorientiertem, informationstechnisch unterstütztem CRM gleichgesetzt. Im Zentrum standen denn auch Kosteneinsparungen mittels Substitution teurer Faktoren durch IT.599 Im Kontext der vorliegenden Arbeit kommt der Gruppenorientierung aufgrund der beschränkten Potenziale zwar eine vergleichsweise grössere Bedeutung zu und Unternehmen können erhebliche Rationalisierungspotenziale durch den Einsatz moderner Informationstechnik realisieren. Allerdings sollten darüber hinaus aber auch vermehrt die Möglichkeiten von Gruppentreffen genutzt werden, sei es im Partner- oder im Kundenbereich, wie in Fallbeispiel E-18 vorgestellt. 4.2.3 Implikationen: Kontakte maximieren, Aufwand minimieren Die obigen Ausführungen führen zwar klar vor Augen, dass der Einsatz professioneller Methoden des Beziehungsmanagements erhebliche Potenziale bei der Bearbeitung des Mittelstandes birgt. Gute Beziehungen zu den Entscheidungsträgern auf Kunden- oder Vertriebspartnerseite verbessern Kundennähe und Informationslage. Trotzdem sollte bei der Verwendung allgemein gültiger Aussagen Vorsicht geboten sein. Gerade die konkrete Ausgestaltung der strategischen Varianten des Beziehungsmanagements lässt viel individuellen Spielraum. So gilt es für Unternehmen mit bestehendem Kundenstamm Beziehungen zu festigen und ggfs. mittels technischer Lösungen zu rationalisieren, gerade bei weniger komplexen Leistungen 600 . Unternehmen mit vergleichsweise wenigen Kunden im KMU-Segment setzen dabei eher auf teurere Ansätze des persönlichen Beziehungsmanagements um Kontakte zu knüpfen. Allerdings muss auch angemerkt werden, dass konsequentes Beziehungsmarketing in der ITBranche ebenfalls mit erheblichen Kosten verbunden ist. Nicht zu letzt im Segment der mittelständischen Kunden muss dabei situativ die Frage gestellt werden, ob die Umsätze mit der 598 599 Vgl. DITTRICH/SIPÖTZ (1998); VOGT (1998) Vgl. STAUSS/SEIDEL (2002) 237 Kundengruppe diesen Grad an Betreuung (Schulungen, Support, Kundenevents oder Garantieleistungen) rechtfertigen. Analog dazu gilt es auch das unpersönliche, informationstechnisch unterstützte Beziehungsmanagement zu hinterfragen. So belegen PERRY et al. (2002), dass intensive technologische Schnittstellen und Abhängigkeiten zwischen Geschäftspartnern persönliche soziale Beziehungen nicht substituieren können. Vielmehr verlangen technische Bindungen auch nach intensivierten persönlichen Beziehungen. Somit kann vermutet werden, dass übertriebenes multimediales Beziehungsmanagement auch in der Branche für moderne Informationstechnologie und insb. im mittelständischen Kundensegment grosses Gefahrenpotenzial birgt. Ein allzu intensives Beziehungsmanagement muss auch immer im Einklang zu den Wünschen des Kunden stehen. Gerade aufdringliches Auftreten der Vertriebsmitarbeiter, standardisierte Kundenrundschreiben oder häufige Einladungen zu Firmenveranstaltungen können Kunden verunsichern und Vertrauen zerstören. Tabelle E-9 fasst die Chancen und Gefahren des Beziehungsmanagements zusammen. Chancen -Effizienzsteigerung durch geringere Betreuungskosten und weniger Personal -Wahlmöglichkeit des Kunden im Kundenkontakt erhöhen (unpersönliche Hilfe) -Ggfs. bessere Informationsbasis bzgl. der Kunden Tabelle E-9: 4.3 Gefahren /Kostensenkungen werden überkompensiert durch ITAufwand oder Komplexitätskosten /„Marktferne“ Leistungskonfiguration /Überforderungen der Kunden oder Mitarbeiter durch zu viele Wahlmöglichkeiten /Fehlende Akzeptanz der Kunden für standardisierte Betreuung /Datenüberflutung Chancen und Gefahren des Beziehungsmanagements im Mittelstand Kooperationen 4.3.1 Grundlagen und empirische Relevanz des Kooperationsmanagements Fragen der Zusammenarbeit oder Kooperation601 sind in der IT-Branche von grosser und wachsender Bedeutung. Ein wesentlicher Grund dafür ist die Tatsache, dass es sich bei moderner IT in aller Regel um Geschäfte mit Systemcharakter handelt, die aus mehreren Teilkomponenten bestehen.602 Entsprechend muss bei der Leistungserstellung, aber auch in weiteren Prozessen zusammengearbeitet werden.603 John Akers, ehemaliger CEO von IBM, bemerkt dazu: "No 600 601 602 603 Vgl. dazu auch die Ausführungen in Teil E 2.1.3 Eine einheitliche Definition des Begriffs „Kooperation“ liegt bis heute nicht vor. Allerdings zeichnen sich Kooperationen häufig durch folgende Merkmale aus: Koordination des Verhaltens, Motivation einer besseren Zielerreichung als bei individuellem Vorgehen, rechtliche/wirtschaftliche Unabhängigkeit der Partner. Vgl. FRESE (1998), S. 58 ff. Vgl. dazu B 2.3.1 Vgl. PURI/SASHI (1994), S. 25 ff. 238 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe Company can service its markets alone. No single company can produce and market all the products, services, and solutions that the customers demand".604 Nach gängigem Verständnis unterscheidet man horizontale, vertikale sowie diagonale Kooperationsformen.605 Schliessen sich Unternehmen auf einer Wertschöpfungsstufe zusammen, spricht man von horizontaler, ansonsten von vertikaler Kooperation. Die Zusammenarbeit zwischen gänzlich branchenfremden Partnern bezeichnet man als diagonale Kooperation. In der IT-Branche, auch im mittelständischen Kundensegment, sind alle Formen anzutreffen. Allerdings zeigt sich bei näherer Betrachtungsweise, dass eine genaue Zuordnung einzelner Arrangements in der Praxis nicht immer möglich ist, da die Abgrenzung der Branche einerseits und der Wertschöpfungsstufe andererseits nicht klar gezogen werden kann. Entsprechend findet man in der IT-Branche häufig Mischformen bzw. Kombination unterschiedlicher Kooperationssysteme. So sind Implementierungspartner (vertikale Kooperation) beispielsweise sehr häufig auch Vertriebspartner (funktional horizontale Kooperation).606 Vertriebskooperation zwischen IBM und SAP Aktuell kooperieren in der Schweiz die SAP und IBM in ihrer Preis- und Vertriebsgestaltung und bieten ihren Kunden einen Mengenrabatt auf gebündelte Paketangebote. Speziell für KMU gibt es jetzt 10% Preisreduktion auf SAP KMU-Lizenzen (Business One) bei gleichzeitiger Bestellung eines IBM eServers. Ein ähnliches Angebot bieten Dell (Server) und Oracle (Datenbank) ihren mittelständischen Kunden. Fallbeispiel E-20: Vertriebskooperation zwischen IBM und SAP Obwohl sich Beispiele für Kooperationen verschiedensten Formen finden lassen, spielen einer aktuellen Untersuchung von SCHREINER (2004b) zufolge in der IT-Branche marktferne Kooperation wie Produktentwicklung eine zu vernachlässigende Rolle. Das Gros zwischenbetrieblicher Zusammenarbeit bezieht sich hingegen auf die Bereiche Leistungsgestaltung, Marketing und insb. Distribution (vgl. dazu Fallbeispiel E-20). Gemeinhin gilt die Wahl des oder der Verkaufskanäle, die Distributionsentscheidung, als die zentrale Marketingentscheidung in der Branche für Informationstechnologie.607 Im Kern geht es dabei um die Frage, wie viele und welche Funktionen der Hersteller im Verkaufsprozess selber übernehmen bzw. im Rahmen 604 605 606 607 Zitiert nach IWATA (1991) Vgl. BACKHAUS (1999), S. 265. GERHARDT (1992), S. 102, weist bezugnehmend auf die Softwarebranche noch auf den Aspekt „konglomerativer Integration“ hin, der an dieser Stelle vernachlässigt werden kann. Vgl. dazu auch Abbildung E-23 Vgl. MAKLAN (1996); LIPPOLD (1996), S. 196 239 einer Kooperation an Vertriebspartner weitergeben möchten („Vertikale Integration“).608 Seit den 80er Jahren setzen IT-Unternehmen verstärkt auf indirekte und multiple Distributionskanäle, um Kundenbedürfnisse besser wahrnehmen und befriedigen zu können.609 Diese hohe Bedeutung kooperativer Vertriebsformen als tragende Säule der Marktbearbeitung unterstreichen auch die Ergebnisse dieser Studie in Bezug auf das mittelständische Kundensegment. Sowohl im Vertrieb als auch der Leistungserstellung verzichtet nur eine Minderheit auf eine Zusammenarbeit mit Drittunternehmen.610 Schon jedes dritte Unternehmen berücksichtigt bei der Auswahl der Vertriebspartner den besonderen Bezug zu mittelständischen Unternehmen. Von einer intensiven Zusammenarbeit mit Verbänden oder Universitäten sehen die meisten Befragten bis heute zwar ab, in Zukunft gewinnt dieses Instrument allerdings zunehmend an Bedeutung (vgl. dazu auch Fallbeispiel E-18). Der nächste Abschnitt greift den Aspekt der Zusammenarbeit mit Vertriebspartner auf und beschreibt einige Ansätze für das mittelständische Kundensegment. gering hoch Nutzung/Reserve 0 Mit Drittanbietern bei der Leistungserstellung kooperieren (n=40; s=1,16) Auswahl KMU-spezifischer Vertriebspartner (n=39; s=1,24) Intensive Zusammenarbeit mit Vertriebspartner (n=39; s=1,30) 1 0,60 25% eher gering (1+2) Abbildung E-22: neutral (3) 0% 43% 0,54 33% 33% 33% 0,52 28% 28% 45% 1,10 Zusammenarbeit mit Verbänden und Universitäten (n=40; s=0,82) Anteil 33% 60% 20% 40% eher hoch (4+5) 38% 60% 80% 100% Mittelwert: Soll-Ist Empirische Bedeutung einzelner Massnahmen der Kooperation611 4.3.2 Intensive Zusammenarbeit mit Vertriebspartnern Eine intensive und innovative Zusammenarbeit mit Vertriebspartnern gilt allgemein als sinnvolles Vorgehen bei der Bearbeitung kleinerer Kunden.612 Zwar bieten nicht kooperative direk- 608 609 610 611 612 Vgl. FRAZIER/SHETH (1994) S. 155; vgl. Dazu auch Teil B 1.5 Vgl. MAKLAN (1996); vgl. dazu auch die Studie von BAUMGARTNER&PARTNER (1994) Es gilt zu bedenken, dass in der Stichprobe auch reine Distributionsunternehmen vertreten waren, die naturgemäss nicht auf Kooperationspartner im Vertrieb angewiesen sind. Dies erklärt, warum 28% der befragten Unternehmen die intensive Zusammenarbeit mit Vertriebspartnern eher wenig nutzen. Quelle: Marketingbefragung Vgl. DAVIS/AUSTERBERRY (1999) 240 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe te Kanäle eine bessere Möglichkeit zur Kontrolle der Kundenbeziehung613, ihr Aufbau und Unterhalt ist allerdings mit erheblichen Kosten verbunden.614 Aufgrund der vergleichsweise niedrigen Deckungsbeiträge im mittelständischen Kundensegment kommt der indirekten Distribution entsprechende Relevanz zu. Ausserdem besteht für die Anbieter so die Möglichkeit, auf einen bereits bestehenden Kundenstamm zugreifen zu können, Vertriebskapazitäten zu erhöhen und gewisse Risiken an den Vertriebspartner zu delegieren.615 Des Weiteren können positive Effekte auf die Glaubwürdigkeit und die Marktnähe ausgemacht werden. Insbesondere im Softwaregeschäft werden Leistungen in aller Regel über Lösungspartner vertrieben, die in enger Zusammenarbeit mit dem Anbieter nicht nur Neukunden akquirieren und betreuen, sondern oftmals auch aktiv an der Produktgestaltung (Prozessmanagement, Customizing, ...) beteiligt sind. Fallbeispiel E-21 verdeutlicht, wie die SAP durch enge Kooperationsformen eine klarere Positionierung im Mittelstand erreicht und neue Kunden hinzugewinnt. SAP AG Vertriebsmodell im Mittelstand Die SAP AG verfolgt seit Beginn ihrer Unternehmenstätigkeit Anfang der 70er Jahre eine konsequente Kooperationsstrategie, die sich nicht zuletzt durch ein System indirekter Distributionskanäle äussert (vgl. Abbildung E-23). Aufgrund hoher Anschaffungskosten sowie der Erklärungs- und Anpassungsbedürftigkeit der Produkte erfolgt die Distribution dabei ausschliesslich über den traditionellen persönlichen Verkauf. Allerdings vertreibt SAP ihre Software zwar auch über ihr eigenes Systemhaus und den Aussendienst, der meiste Umsatz wird aber durch verschiedene Kooperationspartner generiert. Dies sind vor allem „klassische“ SAPPartner („Systemintegratoren“), die SAP-Produkte vertreiben und darüber hinaus Branchenlösungen entwickeln, einführen oder warten. Die Lösungspakete sind immer in das SAPGesamtkonzept eingebettet und bieten dem Lösungspartner eine Reihe von Vorteilen. So kann er sich auf gewisse Nischen spezialisieren und dabei von der vorhandenen Basislösung und der Bekanntheit der SAP profitieren. 613 614 615 FRAZIER/SHETH (1994), S. 155: „Account control refers to the level of influence the firm is able to achieve with its accounts. ” Für eine ausführliche Diskussion vgl. exemplarisch BELZ (1999) S. 92 ff.; KUHLMANN (2001) S. 48 ff.; BACKHAUS (1999) S. 357 ff. Vgl. REINECKE/BELZ (1994), S. 40 und 46 241 Lizenzen Partnertyp Systemhäuser Lösungsportfolio Branchenpakete Klassische Partner SAP A G Outsourcing Partner mySAP.co m SAP Business One ASP-Partner mySAP.all in one weitere Abbildung E-23: Vertriebsmodell der SAP im mittelständischen Segment616 Im mittelständischen Kundensegment in der Schweiz arbeitet SAP darüber hinaus vermehrt mit speziellen kleineren Lösungspartnern zusammen, um der lokalen Verankerung der Kundengruppe Rechnung tragen. Die grossen international tätigen Systemadministratoren, wie Accenture oder Bearing Point, werden dabei ergänzt durch kleinere Beratungshäuser mit einer breiten nationalen und lokalen Kundenbasis im KMU-Sektor (redIT, MTF, OBT,...). Dem Aufbau dieses Vertriebsweges schenkt die SAP dabei erhebliche Aufmerksamkeit. Neben dem klassischen Vertrieb über KMU-spezifische IT-Dienstleister betreibt die SAP weitere Kooperationsformen im Bereich der Marktbearbeitung. So veranschaulichen weitere Beispiele, wie SAP Roadshows mit Anbietern komplementärer Güter durchführt (Fallbeispiel E-10) oder Veranstaltungen von Universitäten oder Verbänden mitgestaltet und sponsort (Fallbeispiel E-18). Auf diesem Weg erweitert SAP ihre regionale und funktionale Marktabdeckung im mittelständischen Segment. Durch einen Rückgriff auf die bestehenden Mittelstandskontakte dieser nationalen Lösungspartner müssen die Vertriebs- und Entwicklungskapazitäten nur begrenzt erhöht werden. Durch einen intensiven Erfahrungsaustausch in gemeinsamen Workshops und Fokusgruppen können auch die mittelstandsspezifischen Voreinstellungen der Software stetig verbessert werden. Schliesslich erhofft sich die SAP positive „Spill-Over-Effekte“ im Hinblick auf das Unternehmensimage durch den gemeinsamen Auftritt mit lokal verankerten ITDienstleistern mit positiven Kundenbeziehungen oder mittelstandsnahen Verbänden bzw. Universitäten. Fallbeispiel E-21: Kooperatives Distributionssystem der SAP AG im Mittelstand617 Im Gegensatz dazu nehmen Partner in der Hardwaredistribution nur zu einem geringeren Teil die Rolle eines Lösungspartners wahr. Zwar spricht man auch im Hardwarevertrieb von „Value 616 617 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an O.V. (2003a) S. 24 und Expertengespräch SAP (2002) Vgl. Expertengespräch SAP (2002) 242 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe Added Reseller“ (VAR), der Wertschöpfungsanteil begrenzt sich allerdings für den Hardwarebereich auf Wartungs- und Installationsarbeiten. Eine Weiterentwicklung der bestehenden Produkte wie im ERP-Markt kann für Hardwaregeschäfte praktisch ausgeschlossen werden. In Fallbeispiel E-22 wird gezeigt, wie Hewlett Packart (Schweiz) ihren mittelständischen Kundenstamm über ein Netz an dezentralen Wiederverkäufern pflegt und bearbeitet. HP (Schweiz) AG Vertriebsmodell im Mittelstand Abbildung E-24 zeigt vereinfacht das Vertriebsmodell der HP (Schweiz) AG. Der Partner („Channel-Partner“) wird hier durch HP oder den Distributor (Grosshändler) in vielfältiger Form unterstützt. Dabei arbeitet HP im Mittelstand mit tendenziell kleineren Resellern zusammen als im Grosskundensegment. Partner sind dabei normalerweise lokale Einzelhändler oder IT-Dienstleister (Wartung, Installation,...), aber auch klassische IT-Beratungshäuser wie OBT. Typisch für den Verkauf an den Mittelstand ist dabei die zentrale Stellung der Chanell-Partner als Bindeglied zwischen KMU und HP. Während er bei Kleinkunden den alleinigen Kundenkontakt hat, erfolgt die Kundenbearbeitung für mittlere Kunden über 100 Beschäftigte in Kooperation mit der Zentrale. Beispielsweise werden gemeinsame Mailing- und Nachfassaktionen, Referenzinstallationen oder Kundenevents durchgeführt. Auch die Konzeption mittelstandsspezifischer Angebote („Golden Offers“) erfolgt nach intensiver Rücksprache mit den dezentralen Lösungspartnern. Produkte HP A G Partnertyp Distributoren Partner (VA R) Kanal Telefon E-Co mmerce und Katalog Partner (VA R) Stationär HP (direkt) Abbildung E-24: Vereinfachtes Vertriebsmodell der HP (CH) AG im Mittelstand618 Fallbeispiel E-22: Kooperatives Distributionssystem der HP AG (Schweiz) im Mittelstand619 4.3.3 Implikationen: Partnermanagement professionalisieren Kooperationen scheinen, zumindest im Bereich der Distribution, weniger eine Frage des „ob“ als mehr eine Frage des „wie“ zu sein. Dass IT-Unternehmen beim Verkauf ihrer Leistungen 618 619 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Expertengespräch HP (2003) Vgl. Expertengespräch HP (2003) 243 auf Partner setzen, hat sich in der Vergangenheit durchaus bewährt. Im Mittelpunkt steht dabei die Erkenntnis, dass derVertrieb über lokale Partner für den Hersteller mit geringeren Kosten verbunden ist und diese i.d.R. flexibler und damit kundennäher agieren können. Im mittelständischen Bereich sind darüber hinaus die bestehenden persönlichen Netzwerke der Kooperationspartner und ihre lokale Positionierung von Bedeutung. Auf diesem Weg lassen sich auch positive „Spill-Over-Effekte“ für das Image der grossen IT-Anbieter erwarten. Trotz der genannten Vorteile eines partnerschaftlichen Vorgehens und dem Trend zur Kooperation ist diese Entwicklung nicht konfliktfrei. REINECKE/BELZ (1994) nennen mehrere Probleme im Kooperationsmanagement von IT-Unternehmen (Unzureichende Abstützung der Partnerschaft, Fehleinschätzungen bzgl. Aufwand oder Qualifikation, Interessenkollisionen und Misstrauen,...), welche den Nutzen eines gemeinschaftlichen Vorgehens relativieren.620 Auch SCHREINER (2004b) kommt zu dem Ergebnis, dass Kooperation keinesfalls durchweg positiv gesehen wird. Eine Mehrzahl der befragten IT-Unternehmen schätzt den eigenen Anteil am Erfolg der Partnerschaft sogar als unzureichend ein und fühlt sich übervorteilt. Hierbei könnte es eine Rolle spielen, dass Partnerschaften für beide Seiten mit nicht unerheblichem Aufwand verbunden sind. Gerade kleinere lokale Partner vor Ort bedürfen einer intensiven Betreuung („Partner-Management“) durch den IT-Anbieter um Qualitätsstandards, Wartungs- oder Installations-Know-how sicherstellen zu können. Chancen -Kundennähe über lokale Partner, bessere Kundenkontakte im Mittelstand -Niedrigere Fixkostenbasis und weniger Risiko -Innovation durch kooperative Leistungsentwicklung der Vertriebspartner -Positive Spill-Over-Effekte bzgl. Image bei Zusammenarbeit mit lokalen Partnern Gefahren /Probleme bei der Zusammenarbeit und „CoOpetition“ (Interessenkonflikte, Erwartungen,...) /Unzureichende Fähigkeiten des Partners (Implementierung, Qualität,...) und entsprechende negative „Spill-Over-Effekte“ /Kosten durch Partnermanagement und Vertriebsunterstützung (Programme, Schulungen, Briefings, ...); Gewinnanteil des Partners drückt den Deckungsbeitrag Tabelle E-10: Chancen und Gefahren des Kooperationsansatzes im Mittelstand Tabelle E-10 gibt einen Überblick über die relevanten Aspekte des Kooperationsmanagements für das mittelständische Kundensegment. So zeigt sich insgesamt, dass Partnermanagement eine zentrale Aufgabe im IT-Marketing für den Mittelstand ist und entsprechend systematisch, professionell und mit adäquaten Ressourcen angegangen werden muss. 620 Vgl. REINECKE/BELZ (1994), S. 39 f. 244 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe 4.4 Segmentierung 4.4.1 Grundlagen und empirische Relevanz der Segmentierung Die Ursprünge der Segmentierung gehen zurück auf die frühen sechziger Jahre und die Popularität dieses Themas in der betriebswirtschaftlichen Literatur ist ungebrochen.621 Segmentierung als Aufteilung eines heterogenen Gesamtmarktes in kleinere Subgruppen stellt mittlerweile vermutlich das bedeutendste Marketingkonzept dar und wird mitunter auch als das „Allheilmittel“ im Marketing schlechthin bezeichnet.622 „The construct of the segmentation is likely to be one of the most significant and ‚living’ investments your business will make. It is significant because the insights you gain from the segmentation will continually feed and verify strategic decisions [...].“623 Im Mittelpunkt der Forschung standen im Industriegüterbereich dabei die Entwicklung von Segmentierungsmodellen bzw. -kriterien und die entsprechenden Forschungsmethoden sowie Fragen der Überführung von Segmentierungen in Marktstrategien.624 Letztere werden gemeinhin auch als „Segmentierung im weiteren Sinne“ bezeichnet, wohingegen sich „Segmentierung im engeren Sinne“ auf den eigentlichen Prozess der Segmentbildung bezieht.625 Ein bekannter Ansatz zur Segmentbildung („Segmentierung i.e.S.“) in einem Business-toBusiness Kontext unterscheidet zwischen einer Mikro- und einer Makrosegmentierung und geht zurück auf WIND/CARDOZO (1974). Sie gehen davon aus, dass die Komplexität industrieller Beziehungen nicht ausschliesslich durch traditionelle demographische Segmentierungskriterien wie Unternehmensgrösse o.ä. (Makrokriterien) abgebildet werden können, sondern es tiefergreifenderer Variabeln auf Unternehmensebene bedarf. Mikrokriterien werden allgemein als verhaltensnäher eingestuft und umfassen v.a. die Merkmale des Buying Centers (Zusammensetzung, Persönlichkeitsmerkmale der Mitglieder) und Leistungsanforderungen der Einkaufsorganisation.626 Die Vorteile der Mikrosegmentierung liegen v.a. darin, dass sie sich am eigentlichen Einkaufsverhalten der Kunden orientieren und somit anschliessende konkrete Marketing-Massnahmen viel besser kanalisieren können.627 621 622 623 624 625 626 627 Die Idee basiert auf SMITH (1956). Für einen aktuellen Nachdruck dieses Beitrags vgl. SMITH (1995) Vgl. DIBB/SIMKIN (2001) BERRIGAN/FINKBEINER (1992), S. 83 Vgl. GOLLER et al. (2002) und die dort angegebene Literatur für einen umfassenden Überblick. Vgl. dazu auch THIESS (1986). PIERCY/MORGAN (1993) unterscheiden hingegen zwischen strategischer und operativer Segmentierung. Vgl. GÜNTER (1990a) Vgl. BELZ (1997); ähnlich ALBERT (2003), S. 281: „One outcome of microsegmentation is the ability to target communication to buyers with specific product or service offerings that they value and, therefore, are more apt to purchase from the seller.“ 245 Die Grenzen herkömmlicher demographischer Segmentierungskriterien sind mittlerweile auch empirisch nachgewiesen. So widerlegen DIBB/WENSLEY (2002) die weit verbreitete These auf Industriegütermärkten, dass demographische Kriterien wie die Branchenzugehörigkeit des Kunden seine Leistungsanforderungen und sein Kundenverhalten näherungsweise widerspiegeln. Sie konnten nur 5% der Varianz der Kundenbedürfnisse erklären. Trotzdem dominieren bis dato Segmentierungen auf Basis einfacher demographischer Variabeln und tiefer gehende Ansätze wie die psychographische oder die Benefitsegmentierung lassen sich in der Praxis vergleichsweise selten finden.628 Dies begründet sich nicht zuletzt dadurch, dass die Implementierung differenzierterer Segmentierungsansätze die Unternehmen vor teilweise erhebliche Herausforderungen stellt.629 Auch in der IT-Branche haben Segmentierungsideen im Zuge des Reifeprozesses der Industrie mittlerweile eine wichtige Rolle eingenommen. Allerdings bestätigt sich auch hier der Trend zu einfacheren Verfahren der Segmentbildung ohne Berücksichtigung des besonderen Einkaufverhaltens: „The implicit assumption that has historical applied throughout the industry is that market segmentation equals vertical markets. Some thought was driven to the scale and size of the customer but this consideration was usually limited to deciding the point at which the third party channel was utilized rather than the direct sales force.“630 Mittlerweile haben sich in der (Schweizer) IT-Branche zwei grundsätzliche Segmentierungsansätze durchgesetzt, wie auch Abbildung E-25 zeigt. Zum einen gruppieren Unternehmen in erster Linie nach den mit ihnen assoziierten aktuellen und zukünftigen Umsätzen. So greift die absolute Mehrheit der befragten Untenehmen auf das Kriterium „Anzahl Mitarbeiter“ zurück, wenn es darum geht, Marktsegmente zu bestimmen. Kennzahlen wie der Umsatz bzw. das Umsatzpotenzial dienen ähnlichen Zwecken, wobei sich dem Kundenpotenzial in der Regel über den Indikator „Anzahl User“ genähert wird. Darüber hinaus berücksichtigt knapp die Hälfte aller Unternehmen auch die Bedürfnisse des Kunden. Als Indikator dient dabei aber wie oben bereits erwähnt vielfach die Branche des Kunden. 628 629 630 Vgl. ABRATT (1993); BERRIGAN/FINKBEINER (1992), S. xxi Vgl. dazu DIBB/SIMKIN (1994); DIBB/SIMKIN (1997); DIBB/SIMKIN (2001) Vgl. BROWNE (1996), S. 93 246 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe 32 Anzahl Mitarbeiter (User) 10 Umsatz des Kunden 15 Umsatz mit dem Kunden 19 Branche des Kunden 21 Potenzial des Kunden 19 Bedürfnisse des Kunden 4 Sonstige Anzahl Abbildung E-25: 0 5 10 15 20 25 30 35 40 Segmentierungskriterien in der IT-Branche631 Im mittelständischen Kundensegment ist der Segmentierungsgedanke trotz der vergleichsweise hohen Heterogenität des Marktes noch nicht weit fortgeschritten. Wie Abbildung E-26 illustriert engagiert sich nur eine Minderheit der Unternehmen in Subsegmenten mittelständischer Unternehmen. Am verbreitetesten ist es dabei (38%), sich auf Projektebene auf profitable Aufträge zu konzentrieren. Lediglich 28% der Unternehmen konzentrieren sich hingegen grundsätzlich auf profitable Subsegmente. Die hohen Defizitwerte deuten jedoch darauf hin, dass die Unternehmen diese Instrumente in Zukunft wesentlich intensiver nutzen möchten und hier entsprechende Potenziale sehen. Noch deutlicher werden diese Reserven für Aspekte der Segmentierung i.w.S., also bei der Überführung der Gruppenbildung in segmentspezifische Einzelmassnahmen im Rahmen des Marketing-Mix. Nur 23% bzw. 26% der Unternehmen passen bis dato ihre Marketing- und Verkaufslösungen bzw. ihre Produkte und Leistungen an einzelne Subsegmente des KMUMarktes an. Für die Zukunft sehen die Manager hier allerdings noch grosses Potenzial und wollen ihre Anstrengungen entsprechend verstärken. Fallbeispiel E-23 illustriert, wie man die Leistungsgestaltung an unterschiedliche Mittelstandssegmente anpassen kann. 631 Quelle: Anbieterbefragung; n = 41. 247 gering hoch Nutzung 0 1 0,75 Kundenselektion: Konzentration auf profitable Subsegmente (n=40; s=0,94) 23% Projektselektion: Konzentration auf profitable Aufträge (n=40; s=1,07) 23% Marketing und Verkauf für Subsegmente anpassen (n=39; s=0,84) Produkte/Leistungen auf Subsegmente anpassen (n=39; s=0,92) Anteil eher gering (1+2) Abbildung E-26: neutral (3) 0% 50% 28% 0,75 38% 38% 0,95 31% 36% 46% 38% 20% 40% eher hoch (4+5) 23% 0,87 26% 60% 80% 100% Mittelwert: Soll-Ist Empirische Bedeutung einzelner Massnahmen der Segmentierung632 Leistungsdifferenzierung für unterschiedliche Mittelstandstypen Mehrere Softwarehersteller sind mittlerweile dazu übergegangen, mittelständische Unternehmen weiter zu subsegmentieren. So unterscheidet SAP zwei Pakete für den Mittelstand. „SAP Business One“ für kleine und mittlere Unternehmen - eine Standard-Softwarelösung, die sich schnell und mühelos an die speziellen Bedürfnisse des Unternehmens anpassen lässt. Zum anderen eine Lösung für mittelständische Unternehmen mit komplexeren Geschäftsabläufen und IT-Anforderungen hinsichtlich Konfiguration und Funktionalität: „mySAP All-in-One“. Letztere unterscheidet darüber hinaus noch zwischen verschiedenen vorkonfigurierten Branchenlösungen. Insofern basiert die Produktpolitik der SAP im Mittelstand auf einer bedürfnisorientierten Mikrosegmentierung. Sie geht davon aus, dass es mehr oder weniger unabhängig von der Unternehmensgrösse bzw. der Mitarbeiteranzahl zwei Typen mittelständischer Unternehmen gibt. Zum einen mittelständische Unternehmen mit vergleichsweise unkomplizierten Prozessen und standardisierten Softwareanforderungen. Zum anderen existieren aber auch Firmen mit besonderen Prozessbedürfnissen und vielen Schnittstellen, die von der KMU-Standardlösung „SAP Business One“ nicht abgedeckt werden. Ähnlich geht Siebel Systems im CRM-Bereich vor. So unterscheidet man zwischen „anspruchsvollen“ KMU, die besonderen Wert auf vertriebsunterstützende Informatiklösungen legen, und klassischen produktionsorientierten mittelständischen Unternehmen. Während 632 Quelle: Marketingbefragung 248 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe ersteren das Siebel Kernprodukt (zu günstigen) Konditionen angeboten wird, werden traditionelle KMU über eine einfache „Midmarket Edition“ bedient. Fallbeispiel E-23: Leistungsdifferenzierung im Softwaregeschäft 4.4.2 Ausgewählte Segmentierungsansätze im Rahmen dieser Arbeit Im Rahmen dieser Arbeit sollen basierend auf der schriftlichen Befragung verschiedene alternative Segmentierungsansätze verfolgt werden. Wichtig ist dabei der Hinweis, dass es sich genau genommen um eine Subsegmentierung handelt, da die Grundgesamtheit mittelständischer Unternehmen bereits eine Teilmenge des gesamten Schweizer Kundenkreises darstellt. Nach einer kurzen Beschreibung der Methodik folgen vier konkrete Lösungen für eine psychographische Segmentierung des Mittelstandes. Bei der psychographischen Segmentierung werden homogene Gruppen hinsichtlich Werten, Zielen oder Bedürfnissen etc. gebildet, damit eine massgeschneiderte Verkaufsstrategie für die Bedürfnisse des Mittelstandes entworfen werden kann.633 Psychographische Kriterien, insbesondere bedürfnisorientierte Ansätze, bieten sich gemeinhin an, da ihnen bestmögliche Kaufverhaltensrelevanz unterstellt wird.634 Konkret setzt die vorliegende Arbeit bei den Produkt- und Anbieteranforderungen der Kunden, ihrer IT-Ziele und ihrer grundsätzlichen Einstellung gegenüber IT an. Um bei den Leistungsanforderungen an Produkt und Anbieter eine einheitliche Basis zu schaffen wird dabei analog zu Teil C zwischen Hardware- und Softwareinvestitionen unterschieden.635 a) Methodik Die im Rahmen dieser Untersuchung durchgeführte schriftliche Kundenbefragung erlaubt den Einsatz multivariater Verfahren zur Bildung von Clustern. Sie sind in der Lage praktische Probleme der Marktsegmentierung abzumildern und helfen bei der Identifikation von homogenen Segmenten im B2B-Bereich.636 Im Zentrum steht dabei die Clusteranalyse, mit deren Hilfe es möglich wird, Gruppen von Nachfragern zu entdecken, die sich in ihrem Antwortverhalten auf gegebene Antwortkategorien (Segmentierungskriterien) möglichst ähnlich sind.637 In der vorliegenden Arbeit wurde dabei ein zweistufiges Verfahren gewählt, um eine homogene Clusterlösung zu erhalten. In einem 633 634 635 636 637 Vgl. FILE/PRINCE (1996) Vgl. BERRIGAN/FINKBEINER (1992), S. 84 ff; PERREY/HÖLSCHER (2003) Vgl. dazu Teil C 4.2 Vgl. KLEINALTENKAMP (2000), S. 211 Vgl. dazu BACKHAUS et al. (2003), S. 479 ff; STIER (1996), S. 323 ff. 249 ersten Schritt wurden unter Verwendung der Single-Linkage-Methode sog. „Ausreisser“ identifiziert und für das weitere Vorgehen ausgeschlossen. Die Ward-Methode führte anschliessend zur Identifikation adäquater Segmente. Als Distanzmass wurde jeweils auf die quadrierte Euklidische Distanz zurückgegriffen. Da weder das sog. Elbow-Kriterium noch die entsprechenden Dendogramme eindeutige Hinweise auf die optimale Anzahl Cluster bzw. Segmente geben konnten, wurde aus Gründen der Handhabbarkeit jeweils eine Vier-Cluster-Lösung gewählt. In der Praxis muss der Cluster- noch häufig eine Faktorenanalyse vorgeschaltet werden, um die Vielzahl möglicher Segmentierungskriterien zu reduzieren.638 Dies erleichtert die anschliessende Zusammenfassung der Elemente und die Interpretation der Cluster. Faktorenanalyse Herleitung der Kriterien Abbildung E-27: Reduktion der Kriterien Clusteranalyse Identifikation von Segmenten Beschreibung der Segmente Einsatz multivariater Analyseverfahren bei der Bestimmung von Marktsegmenten639 Abbildung E-27 verdeutlicht das Vorgehen beim Einsatz multivariater Analyseverfahren zur Bestimmung von Marktsegmenten. Neben den erwähnten Schritten der Datenreduktion und Segmentidentifikation beinhaltet das idealtypische Vorgehen noch die Herleitung kaufrelevanter Kriterien sowie die anschliessende Beschreibung der Segmente. b) Segmentierung nach Leistungs- und Anbieterkriterien bei Hardwareinvestitionen Als erstes Segmentierungskriterium bieten sich offensichtlich die Anforderungen der Nachfrager an die Leistung und den Anbieter an, wie bereits in Teil C 4.2.2 e) näher beschrieben. Dieser Segmentierungsansatz wird gemeinhin mit „needs-based segmentation“ oder „benefitsegmentation“ bezeichnet. Unterzieht man diese in C 4.2.2 e) hergeleiteten Evaluationskriterien einer Faktorenanalyse lassen sich die zehn Produkt- bzw. acht Lieferantenanforderungen zu 5 Hauptkomponenten zusammenfassen (vgl. Tabelle E-11 und Tabelle E-12). Folgegemäss lassen sich bzgl. des Produkts oder der Dienstleistung insgesamt drei Anforderungen formulieren. Im einzelnen sind dies Wirtschaftlichkeit, Funktionalität und Systemfit. Letzteres meint die Fähigkeit des Produkts sich in die bestehende IT-Landschaft einzufügen. Hinsichtlich der produktunabhängigen Anforderungen an den Anbieter kann zwischen einem Kompetenz- und einem Beziehungsfaktor unterschieden werden. 638 639 Vgl. DOYLE/SAUNDERS (1985) Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an UEBELE (1984); ähnlich DIBB/WENSLEY (2002). 250 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe Benennungsvorschlag WirtschaftlichSystemfit (Faktor) keit (1) (2) Variable Skalierbarkeit der Leistung / modularer Aufbau / Up-0,053 0,544 dates Keine Abhängigkeit vom Anbieter durch das Produkt 0,232 0,434 (Offene Standards,...) Allgemeine Wirtschaftlichkeit über die Nutzungsdauer 0,0248 0,787 Anschaffungspreis 0,064 0,680 Leistung passte zu den Systemen unserer Marktpartner -0,170 0,527 (Muttergesellschaft, Kunden, ...) Leistung passte zu unseren Prozessen, wenig Reorgani0,275 0,730 sation nötig Leistung passte zu unseren vorhandenen Systemen, 0,143 0,868 wenig Schulung o.ä. notwenig Überlegene Ausstattung (Funktionen etc.) -0,008 -0,088 Sicherheitsaspekte: Stabilität, Datenverlust, Sicher0,066 0,287 heit,... Bedienerfreundlichkeit 0,289 0,163 Tabelle E-11: Anforderungen an die Leistung: Rotierte Komponentenmatrix640 Benennungsvorschlag (Faktor) Kompetenz (1) Variable Ruf des Anbieters und Empfehlungen/Referenzen 0,729 0,704 Überzeugendes Dienstleistungspaket: Wartung, Support, Garantieleistungen 0,696 Fachkompetenz der Anbieter: Lösungs- und Implementierungs-Know-how 0,668 Investitionssicherheit/Supportgarantie: Grösse und finanzielle Stärke des Anbieters 0,580 Beziehungskompetenz der Anbieter: Menschliche Fähigkeiten/Vertrauen Örtliche Nähe des Anbieters 0,178 0,049 Vorhandene Lösungen/Leistungen des Anbieters in unserem Unternehmen Bestehende Kontakte/Geschäftsbeziehung zum Anbieter 0,019 Tabelle E-12: Anforderungen an den Anbieter: Rotierte Komponentenmatrix641 Funktionalität (3) 0,388 0,280 0,183 -0,138 0,140 0,116 -0,025 0,787 0,668 0,576 Beziehungen (2) 0,019 0,099 0,252 0,003 0,429 0,474 0,813 0,874 Auf Basis dieser Faktorenanalyse war es in einem nächsten Schritt möglich nach Eliminierung einiger statistischer Ausreisser (n=14), die verbliebenen 247 mittelständische Unternehmen in vier Segmente zu gruppieren (vgl. Tabelle E-13 bzw. Tabelle E-14 für die Segmentmerkmale). Dabei wurden nur diejenigen Unternehmen berücksichtigt, deren Evaluationskriterien sich auf eine Hardwareinvestition bezogen. Entgegen der Hypothese, dass es sich bei normaler Hardware um ein austauschbares „Commodity-Produkt“ handelt, stellt die Gruppe der „Preiskäufer“ mit 23% aller Unternehmen nur das zweitkleinste Segment dar. Kunden dieser Art legen insb. Wert auf die Wirtschaftlichkeit der zu beschaffenden Hardwareinvestition. Bei näherer Untersuchung zeigt sich darüber hinaus, dass hinter diesem Segment häufiger ältere Befragte 640 641 Hauptkomponentenverfahren mit Varimax-Rotation mit Eigenwert >1 Hauptkomponentenverfahren mit Varimax-Rotation mit Eigenwert >1 251 stehen. „Preiskäufer“ sind häufig Tochtergesellschaften anderer Organisationen und im Dienstleistungssektor tätig. „Bequeme“ (n=57) „Anspruchsvolle“ (n=82) „Preiskäufer“ (n=58) „Gewohnheitskäufer“ (n=50) Beziehungen Kompetenz Funktionalität Systemfit Wirtschaftlichkeit Stark unterDurchschnittlich durchschnittl. Tabelle E-13: Ergebnisse der Clusteranalyse (Einkaufskriterien/Hardware)642 Stark überdurchschnittl. Für „Gewohnheitskäufer“ stehen hingegen Erfahrungen mit dem Produkt und dem Anbieter im Mittelpunkt des Interesses. Direkte Wirtschaftlichkeitsaspekte, die fachliche Kompetenz des Anbieters und Funktionalitäten spielen dabei eine weniger wichtige Rolle. Interessanterweise sind diese Befragten vergleichsweise jung und arbeiten auch für jüngere Unternehmen. Sie zeigen sich nur wenig IT-affin und haben recht geringe IT-Kosten. Hoher Anteil kleinerer Unternehmen (91% unter 200 Mitarbeiter) Hoher Anteil Dienstleistungen von 42% Hoher Anteil an Eigentümerunternehmen von 58% Hohe IT-Kosten (15% mit über 5% des Jahresumsatzes) Geringe Bedeutung marktorientierter IT-Ziele Grösstes Segment (33% aller Unternehmen) Hoher Anteil Investitionsgüter von 32% „Anspruchsvolle“ Hoher Anteil an Eigentümerunternehmen von 57% (33%) Hohe Bedeutung prozess- und kommunikationsorientierter IT-Ziele Hoher Anteil älterer Befragter (13% über 60 Jahre) Hoher Anteil Dienstleistungen (28%) und Handel (14%) „Preiskäufer“ Hoher Anteil an Tochtergesellschaften von 34% (23%) Produkte eher standardisiert Hohe Bedeutung prozessorientierter IT-Ziele Hoher Anteil jüngerer Befragter (61% unter 45 Jahre) und jüngerer Unternehmen (24% unter 20 Jahre) Hoher Anteil Dienstleistungen von 38% „Gewohnheitskäu Hoher Anteil an Tochtergesellschaften von 37% fer„(20%) Niedrige IT-Kosten (50% mit unter 1% des Jahresumsatzes) Weniger IT-affin, weniger bereit Ressourcen in IT zu investieren Geringe Bedeutung marktorientierter IT-Ziele Tabelle E-14: Clustermerkmale (Einkaufskriterien/Hardware)643 „Bequeme“ (23%) Das Segment der „Anspruchsvollen“, mit 33% aller Unternehmen die grösste Gruppe, zeigt nur wenig Abstufungen innerhalb der Anforderungen an Leistung und Anbieter. Für sie sind sämtliche Aspekte der Hardware-Evaluation sehr wichtig. Dieses Cluster besteht zu einem 642 643 Vgl. dazu auch Tabelle G-9 Vgl. dazu auch Tabelle G-9 252 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe grossen Teil aus Investitionsgüterherstellern und legt insb. Wert auf prozess- und kommunikationsorientierte IT-Ziele. Im Gegensatz zum Segment der Preiskäufer spielt die Wirtschaftlichkeit für „Bequeme“ eine untergeordnete Rolle. Sie legen grossen Wert auf Funktionalität, den Systemfit und eine gute Beziehung zum Anbieter und vernachlässigen dabei den Kostenaspekt. Unternehmen aus diesem Cluster beschäftigen selten mehr als 200 Mitarbeiter und sind häufig im Dienstleistungssektor tätig. Ihre relativen IT-Kosten sind vergleichsweise hoch. c) Segmentierung nach Leistungs- und Anbieterkriterien (Softwareinvestitionen) Analog zur Segmentierung des Hardwaregeschäfts lässt sich eine Clusteranalyse auf Basis der schriftlichen Umfrage zum Softwareeinkauf durchführen. Nach Eliminierung 14 statistischer „Ausreisser“ konnten die verbleibenden 226 Unternehmen vier verschiedenen Segmenten zugeordnet werden (vgl. Tabelle E-15 bzw. Tabelle E-16 für die Segmentmerkmale). „Preiskäufer“ (n=55) „Gewohnheitskäufer“ „Funktionskäufer“ (n=50) (n=67) „Rationalen“ (n=54) Beziehungen Kompetenz Funktionalität Systemfit Wirtschaftlichkeit Stark unterDurchschnittlich durchschnittl. Tabelle E-15: Ergebnisse der Clusteranalyse (Einkaufskriterien/Software)644 Stark überdurchschnittl. Die Ergebnisse ähneln den Resultaten aus dem Hardware insofern, als dass sich das Segment der „Preiskäufer“ auch hier in gleicher Grösse (24%) wieder findet. Im Softwaremarkt sind preissensible Kunden allerdings häufig in der Zulieferindustrie tätig, zu einem grossen Teil eigentümergeführt und nur vergleichsweise wenig IT-affin. Das Segment der „Gewohnheitskäufer“ (22%) entspricht dem gleichnamigen Segment im Hardwarebereich. Gewohnheitskäufer sind zwar häufig Hersteller von Investitionsgütern, allerdings nur vergleichsweise wenig international tätig. Darüber hinaus weist dieses Cluster keine augenscheinlichen Besonderheiten gegenüber der Gesamtheit auf. 30% aller befragten Unternehmen können dem Segment „Funktionskäufer“ zugewiesen werden und fokussieren sich bei der Softwareauswahl ausschliesslich auf funktionale Aspekte der angebotenen Lösungen. Ergänzende Beurteilungskriterien, selbst die Wirtschaftlichkeit, spielen 253 dabei eine untergeordnete Rolle. Funktionskäufer setzen sich aus einem grossen Anteil grösserer mittelständischer Unternehmen mit hohen relativen IT-Kosten zusammen. Interessanterweise zeigen sie sich dabei nur wenig IT-affin. Ihnen ähnelt die Gruppe der „Rationalen“, die der bestehenden Beziehung zum Anbieter ebenfalls nur wenig Beachtung schenkt. Allerdings spielt für dieses Cluster die Wirtschaftlichkeit des Angebots und die Kompetenz des Anbieters eine gewichtige Rolle. Rationale Kunden stellen sehr häufig Zulieferprodukte her und haben bei geringer IT-Risikobereitschaft geringe IT-Kosten. Hoher Anteil Zulieferprodukte von 38% Hoher Anteil an Eigentümerunternehmen von 60% Geringe IT-Affinität Geringe Bedeutung markt- und prozessorientierter IT-Ziele Hoher Anteil Investitionsgüter von 33% „Gewohnheitskäufer“ Geringer Auslandsanteil vom Umsatz (durchschnittlich nur rund 30%) (22%) Hoher Anteil jüngerer Befragter (50% unter 45 Jahre) und jüngerer Unternehmen (18% unter 20 Jahre) Hoher Anteil grosser Unternehmen (22% über 300 Mitarbeiter) „Funktionskäufer“ Hohe IT-Kosten (39% mit über 3% des Jahresumsatzes) (30%) Hoher Anteil Dienstleistungen (22%) Geringe IT-Affinität Geringe Bedeutung prozessorientierter IT-Ziele Niedrige IT-Kosten (81% mit unter 2% des Jahresumsatzes) Hoher Anteil Zulieferprodukte von 44% Hoher Anteil an unabhängigen Unternehmen mit externem Management von 28% „Rationalen“ (24%) Produkte eher individualisiert Geringe IT-Risikobereitschaft Tabelle E-16: Clustermerkmale (Einkaufskriterien/Hardware)645 „Preiskäufer“ (24%) d) Segmentierung nach IT-Zielen Eine weitere Möglichkeit zur psychographischen Segmentierung bietet die Gruppierung nach den mit IT verfolgten Zielen. Unter Verwendung der Ergebnisse aus Teil C 3.5 lassen sich so Anfragergruppen identifizieren, die jeweils ähnliche IT-Ziele verfolgen. Unter Nichtberücksichtigung 13 statistischer Ausreisser erfolgte eine Segmentierung in vier Kundengruppen (vgl. Tabelle E-17 bzw. Tabelle E-18 für die Segmentmerkmale). Das Segment der „Operativen“ fokussiert auf arbeitsorientierte Ziele der Informationstechnik und beinhaltet fast jedes dritte Unternehmen in der Stichprobe. Kommunikations- oder Marktaspekte sind von vergleichsweise geringerer Bedeutung. Unternehmen dieser Gruppe sind vergleichsweise gross im Umsatz und zu knapp ѿTochtergesellschaften. 644 645 Vgl. dazu auch Tabelle G-10 Vgl. dazu auch Tabelle G-10 254 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe „Operative“ (n=167) „Kommunikatoren“ (n=187) „Ambitionierte“ (n=107) „Strategen“ (n=55) Arbeitsorientierte Ziele Marktorientierte Ziele Prozessorientierte Ziele Kommunikationsorientierte Ziele Stark unterStark überDurchschnittlich durchschnittl. durchschnittl. Tabelle E-17: Bedeutung einzelner IT-Ziele nach Segment (Ergebnisse der Clusteranalyse: IT-Ziele)646 Das mit 36% aller Unternehmen grösste Subsegment des Midmarket stellen die „Kommunikatoren“ dar, die insb. kommunikationsorientierte Ziele in der IT verfolgen. In diese Gruppe fallen fast ausschliesslich kleinere Unternehmen mit unter 200 Beschäftigten und einem geringen Auslandsanteil der Geschäftstätigkeit. Sie zeichnen sich analog zu ihrer wenig ambitionierten Zielsetzung durch eine geringe IT-Affinität aus. Ein weiteres Fünftel (21%) der befragten Unternehmen kann dem Segment der „Ambitionierten“ zurechnet werden. Sie machen im IT-Zielsystem keinerlei Abstriche und verfolgen gleichermassen alle identifizierten Zielarten. Entsprechend zeichnen sich diese Unternehmen durch eine hohe IT-Affinität und IT-Risikobereitschaft aus. Dieses Cluster umfasst relativ viele grössere und unabhängige Unternehmen mit externem Management. Auffallend waren auch der hohe Auslandsanteil vom Umsatz und die Häufigkeit von Zulieferunternehmen im Segment der Ambitionierten. Hoher Anteil grosser Unternehmen (8% mit über 200 Mio. CHF Jahresumsatz) Hoher Anteil Investitionsgüter (26%) und Dienstleistungen (26%) Hoher Anteil an Tochtergesellschaften von 29 % Hoher Anteil kleinerer Unternehmen (86% unter 200 Mitarbeiter) „Kommunikatoren“ Geringe IT-Affinität (36%) Geringer Auslandsanteil vom Umsatz (durchschnittlich nur rund 30%) Hoher Anteil grosser Unternehmen (9% mit über 200 Mio. CHF Jahresumsatz) Hoher Anteil unabhängiger Unternehmen mit externem Management von 29% „Ambitionierte“ Hoher Anteil Zulieferprodukte (31%) (21%) Hoher Auslandsanteil vom Umsatz (durchschnittlich rund 45%) Hohe IT-Affinität und Risikobereitschaft, bereit Ressourcen in IT zu investieren Hoher Anteil grosser Unternehmen (25% mit über 200 Beschäftigten) Hohe IT-Kosten (36% mit über 3% des Jahresumsatzes) Hoher Anteil an Eigentümerunternehmen von 61% „Strategen“ Hoher Anteil Investitionsgüter (25%) und v.a. Dienstleistungen (33%) (11%) Hoher Auslandsanteil vom Umsatz (durchschnittlich rund 45%) Hohe IT-Affinität und Risikobereitschaft, bereit Ressourcen in IT zu investieren Tabelle E-18: Clustermerkmale (IT-Ziele)647 „Operative“ (32%) 646 Vgl. dazu auch Tabelle G-11 255 Als letzte Gruppe konnte mittels der Clusteranalyse das Segment der „Strategen“ ermittelt werden. „Strategen“ machen zwar nur 11% des Gesamtmarktes aus, haben aber vergleichsweise höhere IT-Kosten als andere Unternehmen aus der Stichprobe. Firmen aus diesem Segment verfolgen primär markt- und prozessorientierte IT-Ziele und sind darüber hinaus tendenziell grösser als ihre Counterparts in anderen Segmenten. Offensichtlich weisen sie eine hohe ITAffinität und IT-Risikobereitschaft auf. „Strategen“ sind häufig Eigentümerunternehmen und bieten zu 33% Dienstleistungen an. e) Segmentierung nach IT-Einstellung Als letztes Kriterium zur Segmentierung mittelständischer Kunden soll die in Teil C 3.4 näher erläuterte Einstellung gegenüber IT verwendet werden. Nach Eliminierung von 9 statistischen Ausreissern konnten vier Cluster entdeckt werden (vgl. Tabelle E-19 bzw. Tabelle E-20 für die Segmentmerkmale). „Risikoscheue“ (n=239) „Enthusiasten“ (n=104) „Skeptiker“ (n=105) „Traditionalisten“ (n=72) IT-Affinität IT-Risiko IT-Ressourcen Stark unterStark überDurchschnittlich durchschnittl. durchschnittl. 648 Tabelle E-19: Einstellung gegenüber IT nach Segment (Ergebnisse der Clusteranalyse: IT-Einstellung) Das mit 46% mit Abstand grösste Segment im Mittelstand stellen die „Risikoscheuen“ dar. Sie kennzeichnen sich dadurch, dass sie der IT zwar einen gewissen Wert und auch strategisches Potenzial zusprechen („IT-Affinität“), diesbezüglich aber nicht bereit sind Risiken einzugehen. Entsprechend weisen sie moderate Werte bzgl. der „IT-Ressourcen“ auf. Für die Risikoscheuen spielen auch marktorientierte, also strategische IT-Ziele, eine grössere Rolle. Aufgrund der Grösse des Clusters ist auch die demographische Zusammensetzung äusserst heterogen, wobei der grosse Anteil jüngerer Befragter und grösserer Unternehmen auffällig ist. „Enthusiasten“ glauben hingegen nicht nur an das grosse Potenzial moderner IT („IT-Affinität“), sondern sind darüber hinaus auch bereit diesbzgl. ein Risiko einzugehen und entsprechende Mittel zur Verfügung zu stellen. So weisen sie auch recht hohe relative IT-Kosten auf und verfolgen sowohl operative als auch strategische IT-Ziele. Dieser Gruppe sind 20% aller Unternehmen zuzurechnen. Interessanterweise sind die Befragten in diesem Segment vergleichsweise alt, die Unternehmen zeigen aber keine besonderen Merkmale hinsichtlich der Unternehmensgrösse. Der 647 648 Vgl. dazu auch Tabelle G-11 Vgl. dazu auch Tabelle G-12 256 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe Anteil von Dienstleistungsanbietern ist mit 36% in Einklang mit den Ergebnisse in Teil C 3.4 hoch. Hoher Anteil jüngerer Befragter (48% unter 45 Jahre) Hoher Anteil grosser Unternehmen (35% mit über 50 Mio. CHF Jahresumsatz) Hoher Anteil Zulieferprodukte von 27% Hohe Bedeutung marktorientierter IT-Ziele Hoher Anteil älterer Befragter (13% über 60 Jahre) Hoher Anteil ältere Unternehmen (68% über 30 Jahre) Hohe IT-Kosten (39% mit über 3% des Jahresumsatzes) „Enthusiasten“ Hoher Anteil Dienstleistungen von 36% (20%) Produkte eher standardisiert Hohe Bedeutung arbeits-, markt- und prozessorientierter IT-Ziele Hoher Anteil älterer Befragter (70% über 44 Jahre) „Skeptiker“ Hoher Anteil Zulieferprodukte (31%) und Investitionsgüter (30%) (20%) Geringe Bedeutung prozessorientierter IT-Ziele Hoher Anteil jüngerer Befragter (47% unter 45 Jahre) Hoher Anteil kleiner Unternehmen (82% mit unter 50 Mio. CHF Jahresumsatz bzw. 90% mit unter 200 Beschäftigten) Niedrige IT-Kosten (87% mit unter 2% des Jahresumsatzes) „Traditionalisten“ Hoher Anteil an Eigentümerunternehmen von 63% (14%) Hoher Anteil Investitionsgüter (31%); kaum Handelsunternehmen (6%) Hoher Auslandsanteil vom Umsatz (durchschnittlich nur rund 54%) Geringe Bedeutung aller IT-Ziele Tabelle E-20: Clustermerkmale (IT-Einstellung)649 „Risikoscheue“ (46%) Weitere 20% mittelständischer Nachfrager finden sich im Segment der „Skeptiker“ wieder. Charakteristisch für dieses Cluster ist die geringe IT-Affinität bei gleichzeitiger Bereitschaft zu Investitionen. „Skeptiker“ sind häufig jüngere Befragte aus der Zuliefer- oder Investitionsgüterbranche, die hauptsächlich prozessorientierte IT-Ziele verfolgen. Das kleinste Segment stellen die „Traditionalisten“ dar, die zwar eine durchschnittliche Risikobereitschaft aber kaum IT-Affinität aufweisen. Sie sind auch kaum bereit der IT entsprechende Mittel zur Verfügung zu stellen. „Traditionalisten“ sind häufig kleinere eigentümergeführte mittelständische Unternehmen aus der Investitionsgüterindustrie. Alle zur Disposition stehenden IT-Ziele werden untergewichtet und ihre IT-Budgets sind gering f) Bewertung der vorgestellten Segmentierungsansätze Wenngleich weitestgehend Konsens darüber besteht, dass psychographische Ansätze der Segmentierung rein demographischen vorzuziehen sind, finden sich keine Ergebnisse darüber, welche konkreten Kriterien bei der Segmentierung als „optimal“ zu bezeichnen sind. Entsprechend kann an dieser Stelle auch keine abschliessende Aussage darüber getroffen werden, welcher der hier vorgestellten Ansätze für die IT-Branche zu präferieren ist. 649 Vgl. dazu auch Tabelle G-12 257 Wertbesti mmung Kriterium Zielsegmente Positionierung Wertvermi ttlung (Kommunikation) Werterstellung F&E Pricing Produktgestaltung Distribution, Service Verkauf VerkaufsWerbung förderung Anforderungen Ziele Ei nstellung hoch Abbildung E-28: moderat gering Eignung einzelner Segmentierungsansätze im Vermarktungsprozess650 Vielmehr wird in dieser Arbeit die Auffassung vertreten, dass verschiedene Segmentierungsansätze in der Praxis begrenzt kombinierbar sind und sich nicht gegenseitig ausschliessen müssen. So besteht beispielsweise die Möglichkeit, sich im zeitlichen Verlauf des Vermarktungsprozesses auf die Besonderheiten unterschiedlicher Clusterlösungen zu beziehen. Abbildung E-28 illustriert anhand eines modelhaften Marketingprozesses, dass die Eignung einzelner Segmentierungsansätze durchaus von der zu verrichtenden Marketingaufgabe abhängt. Eine erste qualitative Abschätzung suggeriert demnach, dass bedürfnisbasierte Segmentierungsansätze insb. im Zuge der Werterstellung, also bei der eigentlichen Angebotskonzeption, dienlich sein können. Ziel- und einstellungsorientierte Verfahren sollten hingegen in späteren Phasen der Vermarktung mit höherem Kommunikations- und Interaktionsanteil zum Tragen kommen. Selbstverständlich gilt es die inhaltliche Ausgestaltung von Abbildung E-28 im Einzelfall zu konkretisieren. Weder die Zerlegung des Vermarktungsprozesses in Zwischenschritte noch die Bewertung der verschiedenen Segmentierungslösungen erhebt Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Je nach Leistungs- und Distributionsportfolio können sich Bedeutung und Intensität einzelner Teilschritte des Marketingprozesses innerhalb der IT-Branche stark unterscheiden. Entsprechend variiert auch die Relevanz potenzieller Segmentierungslösungen.Vielmehr gilt es auf diese Lösung aufbauende, detaillierte, unternehmensspezifische Kombinationen zu finden. Das oben vorgestellte Vorgehen kann dabei als nützliches Werkzeug dienen. 650 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an KOTLER/BLIEMEL (1995), S. 133 258 Teil E Marketinglösungen für Effizienz und Kundennähe g) Abschliessende Bemerkungen zur Segmentierung in der vorliegenden Arbeit Die durchgeführten multivariaten Analysen zur Identifikation in sich homogener Kundengruppen im Sinne einer Marktsegmentierung machen zwei Dinge deutlich. Erstens ist es offensichtlich möglich, mittelständische Nachfrager nach psychographischen Merkmalen zu segmentieren. Trotz der Verschiedenartigkeit der Unternehmen haben die vier angewandten Segmentierungsansätze gezeigt, dass sich durchaus Gruppen mit typischen Merkmalsausprägungen bzw. Kombinationen daraus bilden lassen, wobei die Gruppenstärke teilweise erheblich variierte. Die zweite wichtige Erkenntnis in diesem Zusammenhang betrifft die Beschreibung dieser Segmente mittels demographischer Variablen wie Branche, Grösse oder Eigentumsverhältnisse. Diesbzgl. können Studien von DIBB/WENSLEY (2002) oder MORIARTY/REIBSTEIN (1986) bestätigt werden, welche die Verhaltensrelevanz demographischer Merkmale auf Industriegütermärkten bezweifeln. Analog fanden sich in der vorliegenden Untersuchung keine signifikanten Unterschiede zwischen den einzelnen identifizierten Clustern, wenngleich doch Tendenzaussagen möglich waren. Dies unterstreicht ein weiteres Mal die hohe Bedeutung nichtdemographischer Segmentierungsansätze. 4.4.3 Implikationen: Segmentierung in Massnahmen „übersetzen“ Aufgrund der herrschenden Herausforderungen kann der Segmentierungsansatz wohl als durchaus geeignet zur Bearbeitung des Midmarket bezeichnet werden. Gerade die Heterogenität der Zielgruppe spricht dafür, Streuverluste bei der Konzeption des Marktangebots zu vermeiden und die Ressourcen des Unternehmens auf attraktive Gruppen zu konzentrieren. Durch „massgeschneiderte“ kundennahe Produkt- oder Verkaufslösungen können Wettbewerbsvorteile generiert und KMU als Kunden gewonnen werden. Ebenfalls zu beachten ist die Option, unattraktive Kleinkunden zu identifizieren und nicht aktiv zu bearbeiten, wenn Bearbeitungsaufwand und der zu erwartende Nutzen aus der Kundenbeziehung in einem schlechten Verhältnis stehen. Ein segmentspezifisches Vorgehen bietet sich dabei insb. für Anbieter mit schwacher Kundenbasis an, da es erlaubt, sich dem Mittelstandsmarkt schrittweise zu nähern. Durch Fokussierung auf ein homogenes Segment können schnell Referenzen und ein erstes „Standbein“ im Mittelstand entwickelt werden. Trotz der augenscheinlichen Vorteile eines Segmentierungsansatzes im mittelständischen Kundensegment bleibt weiterhin anzumerken, dass die praktische Umsetzung mit Schwierigkeiten 259 verbunden ist. Zum einen haben die verschiedenen alternativen Segmentierungsideen dargelegt, dass eine Identifikation einzelner Subsegmente mittels demographischer Variablen problembehaftet ist. Ausserdem kommt es vor, dass Unternehmen zu viele Untersegmente bilden und Differenzierungskosten ausufern.651 Darüber hinaus besteht eine nicht zu unterschätzende Gefahr, dass sich einzelne Segmentlösungen „kannibalisieren“, wenn der Anbieter margenschwache Angebote an mittelständische Unternehmen vermarktet. Diese Aspekte können im Endeffekt dazu führen, dass grundsätzlich sinnvolle Segmentierungslösungen in Marketing und Verkauf nicht „gelebt“ werden und die oben beschriebenen Vorteile nicht zum Tragen kommen können. Demzufolge gilt es für die nötige Akzeptanz zu sorgen und den relevanten Mitarbeitern Hilfestellung bei der Implementierung in Form von Ressourcen oder Organisationsstrukturen bereit zu stellen.652 Insgesamt sei darauf hingewiesen, dass in der vorliegenden Arbeit nur eine „Segmentierung i.e.S.“ vorgenommen wurde. In der Unternehmenspraxis stellt die „Übersetzung“ der definierten Kundengruppen in angepasste Marketingmassnahmen das Marketing und den Verkauf jedoch vor grosse Herausforderungen. Welchen Einfluss die im Rahmen dieses Kapitels vorgestellten Kundensegmentierungen auf die konkrete Ausgestaltung des Marketing-Mixes haben, kann an dieser Stelle nicht zufriedenstellend beantwortet werden. Wie schon die Ausführungen zur Bewertung der verschiedenen Segmentierungslösungen gezeigt haben, sind pauschale unternehmensübergreifenden Aussagen nicht tragbar. Vielmehr muss diese nicht triviale Übersetzungsaufgabe jeweils fallspezifisch auf Anbieterebene erfolgen. Gerade an dieser Stelle gilt es die Chancen eines segmentierten Ansatzes zu nutzen. Chancen -Konzentration der Ressourcen, weniger „Streuverluste“ in Marketing und Verlauf -Ausgrenzung unattraktiver Kundengruppen -Kundennähe durch differenzierte Bearbeitung und Leistungsgestaltung (Differenzierung vom Wettbewerb) -Schrittweise Erschliessung des Mittelstandes möglich Gefahren /Identifikation der Segmente über „beobachtbare“ Variablen nicht möglich /Kannibalisierung bei differenzierten Angeboten /„Übersegmentierung“ und Segmentierungskosten /Implementierung der Segmentierung in Marketing und Verkauf; Segmentierung wird nicht „gelebt“ /„Übersetzung“ der Segmentierung in Einzelmassnahmen des Marketing-Mixes Tabelle E-21: Chancen und Gefahren des Segmentierungsansatzes im Mittelstand 651 652 Vgl. BELZ (1995), S. 31 Vgl. DIBB/SIMKIN (2001), S. 623: „ In most cases, to action the recommended target market strategy, the corporation will need to modify ist organizational structure, culture, and distribution processes. Finally, there inevitably must be an alignment of human and financial resources to the proposed segmentation scheme.“ 260 Teil F Schlussbetrachtung F Schlussbetrachtung „Alles in allem wird deutlich, dass die Zukunft grosse Chancen bereithält - sie enthält aber auch Fallstricke. Der Trick ist, den Fallstricken aus dem Weg zu gehen, die Chancen zu ergreifen und bis sechs Uhr wieder zu Hause zu sein.“ Woody Allen, amerikanischer Regisseur und Schauspieler, Jahr unbekannt 1 Ausführliche Zusammenfassung der Ergebnisse a) Teil A: Einführung Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Marketing für mittelständische Kunden der Schweizer IT-Branche. Gerade für führende Anbieter informationstechnischer Güter spielt die Kundengruppe mittelständischer Unternehmen eine zunehmend grosse Rolle, wie die Ergebnisse der empirischen Untersuchung zeigen. Dabei bleibt der Erfolg aber häufig hinter den Erwartungen zurück, so dass Unternehmen versuchen, ihre kundenspezifischen Deckungsbeiträge und Umsätze zu erhöhen. Dieser Problematik nimmt sich diese Arbeit an und versucht unter Zuhilfenahme ergänzender Forschungsinstrumente („Methodenmix“) das Verständnis der Anbieter- und Kundensituation zu verbessern und Ansätze zur Bearbeitung des Mittelstandes im Rahmen der Marketingpolitik zu liefern. b) Teil B: Anbieterdiagnose Die IT-Industrie kennzeichnet sich dabei insb. durch ihre Produktpalette, die in erster Linie Hardware-, Software- und IT-Dienstleistungen umfasst. Während gerade die Hardwareerlöse in den letzten Jahren stagnierten, nimmt die Bedeutung von Software und Dienstleistungen weiter zu. Als weiteres Charakteristikum der Branche ist eine hohe Fixkostenbasis zu nennen, welche in Kombination mit einer gemässigten Nachfrage und erhöhtem Wettbewerbsdruck zu vertikalen und horizontalen Konsolidierungstendenzen geführt hat. Das Vermarktungsobjekt zeichnet sich darüber hinaus durch weitere Besonderheiten aus. Allen voran bedingt der Systemcharakter, dass sich einzelne IT-Komponenten häufig zu einem Gesamtsystem zusammenfügen und nur begrenzt isoliert vermarktungsfähig sind. Ausserdem weisen informationstechnische Produkte einen hohen Dienstleistungsanteil auf und haben häufig Netzwerkcharakter. All dies sorgt dafür, dass IT aus Nachfragersicht einen gewissen Grad an Komplexität aufweist und den Kunden vor einige Herausforderungen stellt. Allen voran gehen die oben beschrieben Merkmale moderner IT i.d.R. einher mit sukzessivem Beschaffungsverhalten. Aufgrund verschiedener Bindungseffekte stehen zeitlich getrennte Investitionen in IT in einem inhaltlichen Zusammenhang. Dies bedingt, dass sich der Nachfrager bei Vertrags261 abschluss in eine Risikoposition begibt, da der Anbieter die Wirkungen der technischen Bindungen ausnützen könnte. Schliesslich hat der hohe Dienstleistungsanteil zur Folge, dass der Kunde seine passive Einkäuferrolle verlassen muss und aktiv an der Leistungserstellung beteiligt ist. Gleichzeitig bedeutet dies für den Anbieter, sich der Unsicherheit des Nachfragers bzgl. seines zukünftigen Verhaltens sowie der hohen Interaktion im Rahmen der Leistungserstellung zu stellen. c) Teil C: Kundendiagnose Das mittelständische Nachfragersegment besteht aus allen Schweizer Unternehmen zwischen 50 und 500 Beschäftigten und fragt 2004 rund 4 Mia. CHF an informationstechnischen Leistungen nach, was einem Wachstum gegenüber dem Vorjahr von rund 4,5% entspricht. Davon entfallen rund 50% auf Dienstleistungen, 20% auf Software und 30% auf verschiedene Hardwareprodukte. Wachstumspotenzial bergen insb. neue ERP-Module aus den Bereichen Führungsinformationssysteme und CRM/Marketing sowie die korrespondierenden IT- Dienstleistungen. Das gesamte Segment ist dabei sehr heterogen und beinhaltet Unternehmen aus verschiedensten Bereichen. Die bedeutendsten Bereiche stellen der Handel und die Baubranche dar, die knapp ѿ aller Unternehmen auf sich vereinen. Unterscheidet man das Segment nach Unternehmensführung und Unternehmensbesitz zeigt sich, dass rund die Hälfte aller Betriebe reine Eigentümerunternehmen und ¼ Tochtergesellschaften sind. Ein Fünftel der Betriebe wird durch ein externes Management geführt ohne zu einem Konzern zu gehören. Eine kleine Gruppe von Unternehmen wird durch Minderheitsaktionäre geführt. Mittelständische Unternehmen weisen dabei gewisse Besonderheiten bzgl. ihrer Organisationsund Führungsstruktur auf. Insb. sind sie grössenbedingt weniger ressourcenstark und die Geschäftsleitung oder der Geschäftsführer nimmt eine herausragende Stellung im Tagesgeschäft ein. Eine nähere Auseinandersetzung mit den Potenzialen moderner IT hat gezeigt, dass hier grosse Chancen für KMU liegen. Sowohl in Ausführungs- wie auch in Entscheidungsprozessen können mittelständische Unternehmen von moderner Informatik profitieren. Erfolgskritisch sind dabei die Beteiligung der Geschäftsleitung und das vorhandene IT-Wissen. Risiken bergen v.a. die oft hohe Komplexität und Kosten der Lösungen. In mittelständischen Unternehmen nimmt IT dabei einen hohen Stellenwert ein. Gerade die häufig geäusserte Behauptung, KMU seien IT-unaffin, kann pauschal nicht gehalten werden. Allerdings hat sich bei moderatem Know-how eine skeptische Grundeinstellung gegenüber den grossen IT-Anbietern bestätigt. Darüber hinaus weisen auch nur wenige Unternehmen eine ge262 Teil F Schlussbetrachtung wisse Risikobereitschaft bzgl. moderner IT auf. Handels- und Dienstleistungsunternehmen sind dabei grundsätzlich offener gegenüber IT als andere Branchen, was sich nicht zuletzt bei der Grösse der IT-Abteilung und den jährlichen IT-Kosten zeigt. Die These, der Mittelstand verfolge ausschliesslich „operative“ IT-Ziele, muss ebenfalls in Frage gestellt werden. Stattdessen spielen marktorientierte Ziele für rund die Hälfte aller Unternehmen, insb. aus dem Dienstleistungs- und Handelsektor, eine grosse Rolle. Im Handel und der Zulieferindustrie sind auch prozessorientierte Ziele präsent. Gerade diese beiden Zielkategorien weisen dabei noch vergleichsweise hohe Defizite bei der Zielerreichung auf. Darüber hinaus können kommunikations- und arbeitsorientierte Ziele identifiziert werden, die für fast alle Unternehmen im Mittelstand wichtig sind. Bei näherer Untersuchung des mittelständischen IT-Beschaffungsverhaltens zeigt sich, dass sich dieses weniger problematisch darstellt als erwartet. Offensichtlich haben die Unternehmen ihr IT-Management inkl. entsprechender Einkaufsprozesse in den vergangen Jahren deutlich verbessert. Es gilt aber zu bemerken, dass der Softwareeinkauf den beteiligten Unternehmen deutlich schwerer fällt als Hardwarebeschaffungen. Einzig bei der Leistungsevaluation lässt sich bestätigen, dass KMU sich diesbzgl. häufig schwer tun. Eine Reihe befragter Unternehmen stimmt hier der Aussage zu, die Entscheidung sei teils auch „aus dem Bauch“ gefällt worden. Hinsichtlich der konkreten Anforderungen, die der Mittelstand an IT stellt, muss zwischen Produkt und Anbieter unterschieden werden. Die wichtigsten Kriterien bei der Produktauswahl sind „Hygienefaktoren“ wie Datensicherheit und Skalierbarkeit. Aspekten der Systembindung und dem Preis kommt erstaunlicherweise nur eine moderate Bedeutung zu. Anbieterseitig legen die Kunden Wert auf umfassende Dienstleistungen und fachliche Kompetenz, wohingegen persönliche Kontakte und die örtliche Nähe des Anbieters vergleichsweise unwichtig eingeschätzt werden. Als Informationsquelle kommt dabei v.a. Informationsmaterial der Anbieter in Betracht. Ergänzend dazu nehmen auch Referenzen und andere Unternehmen beim Softwarekauf und am Anfang des Investitionsprozesses eine Schlüsselrolle ein. Darüber hinaus besteht das Buying Center in erster Linie aus Mitgliedern der Geschäftsleitung und der IT-Abteilung. Während die Beteiligung der IT-Abteilung v.a. unternehmensgrössenabhängig ist, kommt der Geschäftsleitung nur beim Softwarekauf und in frühen Phasen des Prozesses eine dominierende Rolle zu. Ähnliches gilt für externe Berater. 263 d) Teil D: Mittelstand als Kunde Um den Mittelstandsfokus der IT-Industrie zu erklären bieten sich einige konzeptionelle Ansätze an. Sie alle beruhen auf der Annahme, dass die jeweiligen Unternehmen durch neue Leistungen oder neue Kunden Umsätze und damit Unternehmenswert schaffen möchten. Empirisch zeigt sich, dass v.a. die Vielzahl potenzieller Kunden im Mittelstand und entsprechende ITPotenziale als Gründe genannt werden, warum sich IT-Unternehmen jüngst auf das KMUSegment konzentrieren. Die Bearbeitung des Segments obliegt im Übrigen häufig einer KMUAbteilung oder einem KMU-Manager, wobei sich die Ausgestaltung des Marketing-Mixes relativ häufig von der für Grosskunden unterscheidet. Die Schwierigkeiten, die bei der Bearbeitung der Kundengruppe auftreten, lassen sich dabei zu sieben „Problemkreisen“ zusammenfassen. So kämpfen die Unternehmen mit Wettbewerbsdruck, fehlenden Marketinginformationen, einer überdimensionierten Kostenstruktur, Defiziten im Vertrieb, dem geringen IT-Stellenwert, den hohen IT-Anforderungen und dem besonderen Einkaufsverhalten der KMU. Allerdings leiden nicht alle Anbieter gleich unter den beschriebenen Schwierigkeiten, da diese insb. von der aktuellen und zukünftigen Bedeutung der KMU für das Unternehmen abhängen. Unter Verwendung dieser zwei Variablen können sodann vier Typen entwickelt werden, die sich in einer unterschiedlichen Ausgangssituation wieder finden. „Experten“ verfügen genau wie „Herausforderer“ bereits über eine Vielzahl mittelständischer Kunden, allerdings sehen letztgenannte hier trotzdem noch steigende Bedeutung. „Neulinge“ haben auch die Attraktivität des Markts erkannt, besitzen aber momentan noch nicht viele Kunden. „Mitläufer“ hingegen verfügen über wenig KMU-Kunden und messen ihnen auch keine steigende Bedeutung bei. e) Teil E: Marketinglösungen Adäquate Lösungsansätze zur Bearbeitung des mittelständischen Kundensegments orientieren sich in erster Linie an den eingangs beschriebenen Zielen der Anbieter. Dies sind Mehrumsätze durch Kundennähe auf der einen und Margenverbesserung durch effizientere Bearbeitung auf der anderen Seite. Durch qualitative Veränderungen gegenüber Massnahmen im Grosskundensegment soll die Effektivität und Kundennähe erhöht werden, quantitative Veränderungen dienen der Effizienz. Entsprechend stehen die Anbieter vor der Wahl ihr Marketing qualitativ („Bedürfnisorientierung“), quantitativ („Potenzialorientierung“) oder sowohl quantitativ wie auch qualitativ zu differenzieren („Segmentorientierung“). 264 Teil F Schlussbetrachtung Zu den potenzialorientierten Ansätzen zählt insb. der Standardisierungsansatz, der in der Praxis bereits verbreitet ist. Entwicklungspotenziale bieten hier z. Bsp. die Modularisierung kostenintensiver Dienstleistungen oder die Verwendung moderner Instrumente der ITK. Ebenfalls effizienzsteigernd wirkt die Kundenintegration (Leistungsdelegation), wenn der Anbieter entlastet wird und Leistungen an den Kunden delegiert werden. Die empirische Bedeutung ist hier allerdings sehr begrenzt, da dieser Ansatz an erhebliches Integrations-Know-how auf beiden Seiten gekoppelt ist und Anbieter viele Dienstleistungen nicht gerne abgeben. Leistungssysteme lösen Probleme des Kunden umfassender und können den bedürfnisorientierten Ansätzen zugerechnet werden. Anbieter kombinieren verschiedene Bausteine zu einem Leistungssystem, erhöhen die eigene Wertschöpfung und ermöglichen so eine Differenzierung vom Wettbewerb. Wichtige Praxispotenziale liegen hier in der konsequenten Verrechnung von Dienstleistungen. Ein weiterer bedürfnisorientierter Ansatz stellt die Marken- und Imagepolitik dar. Die empirische Untersuchung hat gezeigt, dass die Anbieter diesbzgl. noch enorme Defizite aufweisen und ihre Aktivitäten in Zukunft forcieren werden. Potenziale liegen dabei neben dem Aufbau einer starken Marke durch Marktbearbeitung und Kommunikation v.a. in einem professionellen Referenz-Management. Segmentorientierte Ansätze beabsichtigen eine verbesserte Kundennähe bei gleichzeitiger Steigerung der Bearbeitungseffizienz. Hierzu zählt zum einen der Pricingansatz, der innovative Möglichkeiten der Preisgestaltung nutzt, um besser auf die Anforderungen des mittelständischen Kunden eingehen zu können und gleichzeitig den internen Aufwand zur individuellen Preisfindung senkt. Typisches Beispiel sind preisgünstige Lösungen für Einsteiger oder verschiedene Miet- oder Finanzierungsmodelle. Ein weiterer Ansatz innerhalb der Segmentorientierung ist das Beziehungsmanagement. Es umfasst eine Vielzahl strategischer Varianten und zielt darauf ab, langfristige Kontakte im mittelständischen Segment effizient und effektiv zu pflegen und zu nutzen. Dabei können verschiedenste Marketinginstrumente oder moderne ITK zum Einsatz kommen. Auch Kooperationen stellen einen segmentorientierten Ansatz dar. Mit ihrer Hilfe kann die Leistungserstellung oder die Distribution auf den Mittelstand angepasst und so kundennäher gestaltet werden. Kooperationen können ausserdem dazu beitragen, kundenspezifische Kosten zu begrenzen und wirken demzufolge effizienzsteigernd. Gerade Vertriebskooperationen verschiedenster Art bieten viele Möglichkeiten und spielen entsprechend eine Schlüsselrolle. Schliesslich sind auch Segmentierungslösungen, die den gesamten mittelständischen Markt in homogene Nachfragergruppen aufteilen, in der Lage, die identifizierten Schwierigkeiten der Anbieter zu überwinden. 265 Im Rahmen dieser Arbeit bieten sich dabei insb. nutzenbasierte und psychographische Ansätze an. Die besondere Herausforderung besteht dabei darin, die entwickelten Segmentierungen in Marketing und Verkauf auch umzusetzen. 2 Übertragbarkeit, Grenzen und Forschungsbedarf a) Übertragbarkeit der Ergebnisse Die Konzentration auf die Schweizer IT-Branche im Rahmen dieser Arbeit ergab sich aus der hohen Bedeutung dieses Themas innerhalb der Industrie. Trotzdem ist an dieser Stelle zu fragen, inwieweit sich die Untersuchungsergebnisse auf andere Branchen übertragen lassen. Hierzu ist primär anzufügen, dass sich Probleme der ineffektiven und ineffizienten Bearbeitung gewerblicher Kleinkunden auch in anderen Bereichen finden lassen und das entwickelte Optionsmodell demnach durchaus übertragbar scheint.653 Gleiches gilt für die hier vorgestellten Lösungsansätze, die zwar branchenabhängig mit unterschiedlichen Massnahmen hinterlegt werden müssen, aber grundsätzlich geeignet sind die beschriebenen Herausforderungen zu meistern. Die in Teil C und D beschriebenen Merkmale der Anbieter- und Kundenseite sind hingegen branchenspezifisch und lassen sich nur sehr bedingt auf andere Branchen übertragen. Inwieweit diese Situation jedoch für andere Länder zutrifft, kann nicht abschliessend beantwortet werden. Es ist jedoch zu vermuten, dass sich IT-Unternehmen in Ländern mit ähnlicher volkswirtschaftlicher Bedeutung der KMU auch mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert sehen und sie von den ausgearbeiteten Analysen und Empfehlungen profitieren können.654 b) Grenzen der Arbeit Hinsichtlich der Grenzen der Arbeit sei an dieser Stelle auf methodische und inhaltliche Limitationen hingewiesen. Methodisch gilt es an erster Stelle zu berücksichtigen, dass gerade die Befragung mittelständischer Unternehmen nur die subjektive Wahrnehmung des Befragten wiedergibt. Zwar waren diese zu einem überwältigendem Teil Mitglied der Geschäftleitung655, trotzdem kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Meinungen zu den im Fragebogen thematisierten Aspekten innerhalb der Entscheidungsträger variieren. Des Weiteren gilt es zu bedenken, dass die vorliegende Untersuchung nur eine Zeitpunktbetrachtung darstellt. Gerade die 653 654 655 Vgl. dazu auch die Ausführungen in Teil E 1.2.1 c) Vgl. dazu auch die Ausführungen in Teil C 3.2.1 Vgl. dazu Abbildung G-9 266 Teil F Schlussbetrachtung Ausführungen in Teil C und D haben allerdings deutlich gemacht, dass Aussagen zur Informationstechnik (in mittelständischen Unternehmen) einem ständigen Wandel unterzogen sind und damit eine begrenzte Halbwertzeit aufweisen. Aus einer inhaltlichen Perspektive sei anzumerken, dass sich die Arbeit aufgrund ihrer explorativen Natur auf Teillösungen konzentriert und keine Handlungsanweisungen für ein integriertes Gesamtvorgehen im mittelständischen Kundensegment liefern kann. Ausserdem stellen die vorgestellten Marketingansätze zum jetzigen Zeitpunkt keine klar isolierbaren Lösungen dar, sondern überschneiden und ergänzen sich in Abhängigkeit von den gewählten Umsetzungsmassnahmen. Schliesslich fehlen denn auch pauschale allgemeingültige Aussagen zum „optimalen“ Vorgehen, da auf eine nähere Untersuchung der Erfolgswirkung in dieser Arbeit zugunsten einer explorativen Darstellung der Möglichkeiten verzichtet wurde. Dieses Defizit kann allerdings als Ansatzpunkt für den weiteren Forschungsbedarf gesehen werden. c) Weiterer Forschungsbedarf Die vorliegende Arbeit hat auf Basis einer umfassenden Situationsanalyse die marketingpolitischen Möglichkeiten führender IT-Unternehmen und die empirische Relevanz und Potenziale umrissen. In einem nächsten Schritt bliebe empirisch zu untersuchen, inwieweit und unter welchen Umständen sich diese Optionen positiv auf den Erfolg im mittelständischen Segment auswirken. Insbesondere die Operationalisierung des Erfolgskonstruktes stellt in diesem Zusammenhang eine grosse Herausforderung dar, da sowohl zeitliche Aspekte als auch Wechselwirkungen auf andere Anspruchsgruppen wie z. Bsp. Grosskunden berücksichtigt werden müssten. Parallel dazu sollten auch die qualitativ entwickelten Lösungsansätze mittels quantitativer Forschungsmethoden näher operationalisiert werden. Im Zuge dieser Arbeit könnten auch nähere Fragen der Implementierung wie Organisation, Infrastruktur, Personal oder Controlling für mittelständische Kunden erörtert werden. Während einige der in dieser Arbeit vorgestellten Ideen bereits tief erforscht sind (Segmentierung, Kooperation), bieten andere noch grosses Forschungspotenzial (Referenzmanagement, Leistungsdelegation). Dieses Vorgehen liesse sich durch Fallstudienforschung und die Identifikation sog. „Best-Practice“-Unternehmen ergänzen. Ebenfalls von Interesse ist die Übertragbarkeit der vorgestellten Lösungen auf andere Branchen. Wie bereits in der Einleitung erwähnt, gewinnen kleinere und mittlere Unternehmen auch in anderen Industrien an Bedeutung, allen voran Finanzdienstleister und Wirtschaftsberater, 267 aber auch Industrie- und Gebrauchsgüterhersteller. Schliesslich sei noch einmal darauf hingewiesen, dass die Wirkungen KMU-spezifischer Massnahmen auf das Grosskundensegment nur am Rande beleuchtet wurden. Gerade diese Interdependenzen scheinen jedoch auch auf B2B-Märkten nicht unbedeutend zu sein und könnten als Ansatzpunkt für weitere Forschungsbemühungen dienen. 268 Anhang G Anhang Marketing-Konzept für das mittelständische Kundensegment656 1 Vorgaben der Unternehmensführung und des Marketing 1.1 Markt- und segmentübergreifende Ziele der Unternehmensführung 1.2 Leistungen und Positionierung der Unternehmung im Gesamtmarkt 1.3 Bedeutung des mittelständischen Segments innerhalb der Unternehmensstrategie 2 Anbieterdiagnose 2.1 Abgrenzung des mittelständischen Segments (ggü. Privatkunden, Key-Accounts, Konzernkunden) 2.2 Aktuelle instrumentelle Differenzierung des mittelständischen Kundensegments innerhalb der Gesamtunternehmung (Distribution, Pricing, Leistungsgestaltung, Kommunikation) 2.3 Aktuelle/zukünftige Bedeutung des Segments für die Gesamtunternehmung und aktuelle/zukünftige Wettbewerbsposition 3 Diagnose des mittelständischen Kundensegments 3.1 Segmentattraktivität (Anzahl Unternehmen, Wachstum, Zusammensetzung des Gesamtmarkts) 3.2 Merkmale des mittelständischen Kundensegments (Unternehmensführung, Organisation, Ressourcen, Unternehmensplanung) 3.3 Bestimmung der Absatzpotenziale im Mittelstand (Chancen und Risiken der eigenen Leistungen, Ausstattungsgrad, bestehende Beziehungen, bestehende Leistungen) 3.4 Beschaffungsprozesse im Mittelstand (Beschaffungsphasen, Informationsquellen, Zusammensetzung des Buying Centers, Schwierigkeiten) 4 Strategische Ziele des Marketing für das mittelständische Kundensegment (langfristig) 4.1 Erhöhte Effizienz (Kostensenkungen, verbesserte Marge) 4.2 Erhöhte Effektivität (Kundennähe, Umsatzsteigerung) 656 In Anlehnung an BELZ (1998b), S. 668 ff. XI 5 Strategische Optionen im mittelständischen Kundensegment (mittelfristig) und Vorgaben für die Ausgestaltung des Marketingmix (kurzfristig) 5.1 Potenzialorientierte Ansätze (Erhöhung der Effizienz durch quantitative Differenzierung der Marketinginstrumente ggü. dem Grosskundensegment) Standardisierung (Standardisierung, Modularisierung, Instrumente moderner ITK) Kundenintegration und Delegation 5.2 Bedürfnisorientierte Ansätze (Erhöhung der Effektivität durch qualitative Differenzierung der Marketinginstrumente ggü. dem Grosskundensegment) Leistungssysteme (Leistungssysteme,Verrechnung von Dienstleistungen) Marken- und Imagepolitik (Markenaufbau, Referenzmanagement) 5.3 Segmentorientierte Ansätze (Erhöhung der Effektivität und der Effizienz durch qualitativ-quantitative Differenzierung der Marketinginstrumente ggü. dem Grosskundensegment) Pricing (Preisdifferenzierung, Festpreise und Preisbündelung) Beziehungsmanagement Segmentierung (Psychographische Segmentierung) Kooperationen (Innovative Zusammenarbeit mit Vertriebspartnern) 6 Infrastruktur für das mittelständische Kundensegment 6.1 Organisatorische Ausgestaltung und Differenzierung des mittelständischen Kundensegments innerhalb der Gesamtunternehmung (Geschäftsfeld, Abteilung, Tochtergesellschaft, „Task Force KMU“) 6.2 Mittelverfügbarkeit für den Segmentaufbau allgemein (Mitarbeiter, IT, Budget für Events/Mailing/Schulung) 6.3 Personal: Mittelstandsspezifische Mitarbeiter in Marketing und Verkauf 6.4 Schulung: Mittelstandsspezifische Mitarbeiterschulung 6.5 Daten und Informationssysteme als Grundlage für ein „Mittelstandscontrolling“ 6.6 Kultur: Wertschätzung des Kundensegments innerhalb der Gesamtunternehmung 6.7 Vertriebsnetz (Distributoren für den Mittelstandsmarkt, abhängige/unabhängige Reseller) 7 XII Mittelstandscontrolling (Kundenumsätze, Kundendeckungsbeiträge, Messung der Erfolgswirkung aller Aktivitäten) Anhang Informationen zur schriftlichen „Marketingbefragung“ Fragebogen Die Konzeption des Fragebogens orientierte sich an der Problemstellung, den geführten Expertengesprächen und der einschlägigen Literatur. Thematisch spiegelt er den Aufbau dieser Arbeit wider und beinhaltet die Bedeutung des mittelständischen Kundensegment, Gründe für und Probleme bei seiner Bearbeitung sowie entsprechende Lösungsmöglichkeiten. Vor dem Versand wurde der Fragebogen von Experten aus dem Institut für Marketing und Handel (IMH-HSG) auf Plausibilität und Verständlichkeit überprüft. Zeitraum Im Oktober 2003 wurden die Unternehmen telefonisch kontaktiert und der Fragebogen wurde ihnen im pdf.-Format elektronisch zugesandt. Anfang Dezember 2003 konnte der letzte Fragebogen entgegengenommen werden. Auswahl der Unternehmen Die Auswahl der Unternehmen basierte auf einer Veröffentlichung der Zeitschrift „Computerworld“ und umfasste die 50 grössten Schweizer Unternehmen der IT-Branche. Diese Unternehmen wurden telefonsich kontaktiert und der zuständige Ansprechpartner aus dem Bereich Marketing, Verkauf oder Partnermanagement identifiziert. Tabelle G-1: Information zur schriftlichen „Marketingbefragung“ 11 Hardwareherstellung/-vertrieb 6 Systemintegration Outsourcing 3 Standard-SW: Büroanwendungen 3 6 Standard-SW: ERP-Systeme 7 Distribution/Grosshandel 5 Telekommunikation/Netzwerke Anzahl Abbildung G-1: 0 5 10 15 Rücklauf nach Geschäftsfeldern der beteiligten IT-Unternehmen XIII Marketing/Verkaufsleiter 22 5 Leiter Geschäftsbereich Produktmanager 7 Sales-Consultant 3 Abteilungsleiter 1 Sonstige Anzahl Abbildung G-2: 3 0 5 10 15 Rücklauf nach Position der befragten Manager unter 50 5 8 50 bis 100 17 101 bis 300 301 bis 500 2 9 über 500 Anzahl 0 Abbildung G-3: XIV 5 10 15 Rücklauf nach Mitarbeiteranzahl der beteiligten IT-Unternehmen (CH) 20 Anhang 8 unter 500 3 501 bis 1.000 8 1.001 bis 10.000 14 10.001 bis 50.000 8 über 50.000 Anzahl 0 Abbildung G-4: 5 10 15 20 Rücklauf nach Mitarbeiteranzahl der beteiligten IT-Unternehmen (weltweit) XV Kein Problem 1 Grosses Problem Mittelwert 2 3 4 5 3,39 Ein KMU hat unstrukt. Beschaffungsprozesse mit unbekannten 15% IT-Anforderungen (n=41; s=0,97) 37% 49% 3,33 Das Produkt bietet mehr Leistungen als das KMU verlangt ("Überleistung") (n=40; s=1,25) 20% 33% 48% 3,33 Ein KMU hat User/Entscheider mit anderer Mentalität als Grossunternehmen (n=40; s=1,19) 25% 28% 48% 3,33 Ein KMU kann die Preise für moderne IT nicht nachvollziehen (n=40; s=0,83) 18% 38% Fehlendes Know-how über die Subsegmente im KMU-Markt (n=41; s=1,00) 17% 37% Ein KMU ist nicht bereit für IT seine Prozesse zu ändern, auch wenn es sinnvoll wäre (n=40; s=0,80) 18% 45% 3,27 46% 3,23 Ein KMU hat von grossen IT-Anbietern keine gute Meinung (n=40; s=1,13) 48% 3,18 30% 25% Der Verkauf findet nur schwer die optimale Kontakthäufigkeit (n=41; s=1,00) Fehlendes Know-how über die IT-Bedürfnisse im KMU-Markt (n=41; s=1,09) 45% 3,15 Ein KMU fällt Entscheidungen nicht rational, sondern eher "aus 15% dem Bauch" (n=40; s=0,66) Ein KMU hat keine fixen IT-Budgets (n=41; s=0,87) 35% 55% 30% 3,12 27% 32% 41% 3,10 22% 34% 44% 3,10 35% 30% 35% 3,10 Ein KMU zeigt nur geringe Risikobereitschaft und Interesse an neuer IT (n=41; s=0,83) 24% 49% Ein KMU tätigt Investitionen "aus der eigenen privaten Tasche" ( n=41; s=0,94) 22% 49% 27% 3,10 29% Anteil 0% XVI 20% 40% 60% kleines Problem (1+2) mittleres Problem (3) grosses Problem (4+5) Mittelwert 80% 100% Anhang Kein Problem 1 Ein KMU will seinen Kostenrahmen nie überschreiten (n=41; s=0,91) Grosses Problem Mittelwert 2 3 4 3,07 41% 24% 5 34% 3,07 Der Verkauf ist häufig zu wenig "Generalist", um auf die KMU einzugehen (n=41; s=1,06) 46% 20% 34% 3,03 Ein KMU fällt Investitionsentscheidungen wohlüberlegt und nach langer Zeit (n=40; s=0,95) 30% 35% 35% 3,02 Die IT-Anbieter sind stark vom Vertriebspartner abhängig (n=41; s=1,25) 37% 37% 27% 3,00 Ein KMU ist nur schwer vom Nutzen von IT zu überzeugen (n=41; s=0,81) 44% 29% 27% 3,00 Ein KMU ist über traditionelle Werbung nur schwer zu erreichen (n=41; s=1,07) 39% Der Verkauf kann den Nutzen der IT dem KMU nur schwer kommunizieren (n=41; s=1,08 37% Fehlendes Know-how über die Entscheider im KMU-Markt (n=41; s=1,00) 35% Ein KMU hat grosse Angst vor Abhängigkeit und lässt sich nur schwer binden (n=40; s=1,26) Der KMU-Markt lässt kaum Spielraum zur Differenzierung vom Wettbewerb (n=41; s=0,94) 29% 30% 45% 2,83 18% 35% 38% 2,78 39% 39% 22% 2,71 Ein KMU baut vorsichtig und ungern ein Vertrauensverhältnis zum Anbieter auf (n=40; s=0,98) 45% Abbildung G-5: 34% 2,88 46% 0% 37% 2,98 Die Zusammenarbeit mit den Vertriebspartnern gestaltet sich schwierig (n=41; s=1,15) Anteil 24% 29% 24% 2,58 20% 15% 40% 40% 60% kleines Problem (1+2) mittleres Problem (3) grosses Problem (4+5) Mittelwert 80% 100% Probleme im mittelständischen Kundensegment XVII Herausforderer Experte Ziele im Mittelstand MW s MW s Margenverbesserung (besserer Preis3,00 1,77 3,40 1,19 punkt) Margenverbesserung (niedrigere Kosten) 2,88 1,25 3,20 1,28 Umsatzwachstum durch Cross-Selling 4,38 0,52 4,00 0,79 (Durchdringung bestehender Kunden) Umsatzwachstum durch neue Kunden 3,88 1,13 4,05 1,15 (bisherige Nichtverwender) Umsatzwachstum durch neue Kunden 4,25 0,89 4,20 0,70 (Kunden der Konkurrenz) Tabelle G-2: Ziele im mittelständischen Kundensegment nach Anbietertyp Mitläufer MW s 2,40 0,89 Neuling MW s 2,88 1,46 2,80 2,80 1,10 1,48 3,38 2,88 1,19 1,36 3,40 0,89 4,00 1,31 3,20 0,84 3,50 0,76 Herausforderer Experte Mitläufer Motivation im Mittelstand MW s MW s MW s Der KMU-Markt wächst in Zukunft stär4,13 1,13 3,85 0,67 2,60 0,55 ker als das Grosskundensegment Der KMU-Markt hat sehr viele (poten4,25 0,89 4,25 0,64 3,80 1,30 zielle) Kunden Der KMU-Markt wurde in der Vergan4,25 1,04 2,80 1,06 4,20 1,10 genheit nicht konsequent bearbeitet Der KMU-Markt wird durch Fusionen, 2,63 0,74 2,65 0,93 3,60 0,89 Übernahmen, Start-Ups etc. besonders attraktiv Der KMU-Markt ist gerade "in"; man 2,63 1,19 3,00 1,21 3,20 0,84 muss den Markt momentan ernst nehmen Der KMU-Markt ist weniger risikoreich, 3,13 1,36 4,40 0,68 2,60 1,82 wenn ein Kunde wegfällt ("Klumpenrisiko") Das KMU und seine Verantwortlichen 3,75 0,71 3,75 0,64 3,40 0,55 werden zunehmend offener gegenüber IT Das KMU kann durch elektronische Pro4,25 0,71 4,00 0,97 4,00 0,71 zessunterstützung noch viel Geld sparen Das KMU kann sich wegen des Preisver3,75 0,71 3,55 0,94 3,20 0,84 falls IT-Lösungen zunehmend leisten Das KMU ist weniger konjunkturabhän2,63 1,19 2,40 0,99 2,20 0,45 gig Das KMU hat transparente Entschei3,63 0,74 2,95 1,19 2,80 0,84 dungsstrukturen und ist leicht zu bearbeiten Das KMU hat die finanziellen Mittel für 3,13 0,99 2,70 0,86 3,00 1,22 IT-Investitionen Das KMU muss sich mit seinen Markt3,75 0,71 3,55 0,94 4,00 0,71 partnern zunehmend elektronisch vernetzen Das KMU hat noch viele IT4,63 0,52 3,70 0,80 3,80 0,84 Insellösungen, die in Zukunft abgelöst werden müssen Das KMU gewinnt man leichter als Refe- 3,88 0,99 3,15 1,04 3,20 1,10 renz Tabelle G-3: Motivation im mittelständischen Kundensegment nach Anbietertyp XVIII Neuling MW s 3,63 0,52 4,63 0,52 4,00 0,93 2,75 0,89 3,00 1,60 3,63 1,41 3,50 0,53 4,38 0,74 3,50 0,53 2,50 1,07 3,00 1,20 2,25 0,71 4,00 1,07 4,13 0,83 3,13 0,83 Anhang Ein KMU hat nur wenig internes IT-Know-how Ein KMU zeigt nur geringe Risikobereitschaft und geringes Interesse an neuen IT-Lösungen Ein KMU hat keine langfristige IT-Strategie Ein KMU ist nur schwer vom Nutzen von IT zu überzeugen Ein KMU ist durch die schnelle technische Entwicklung verunsichert Ein KMU kann die Höhe und Zusammensetzung der Preise für moderne IT nicht Geringer IT-Stellenwert nachvollziehen Ein KMU baut nur vorsichtig und ungern ein Vertrauensverhältnis zum ITAnbieter auf Ein KMU hat von grossen IT-Anbietern keine gute Meinung Ein KMU hat grosse Angst vor Abhängigkeit und lässt sich nur schwer als Kunde langfristig binden Ein KMU will billige Standardlösungen, die trotzdem auf ihre Bedürfnisse angepasst sind Ein KMU ist nicht bereit für IT seine Prozesse zu ändern, auch wenn es sinnvoll Hohe IT-Anforderungen wäre Ein KMU hat unstrukturierte Beschaffungsprozesse mit unbekannten ITAnforderungen Ein KMU fällt Investitionsentscheidungen nur wohlüberlegt und nach sehr langer Zeit Ein KMU fällt Entscheidungen nicht rational, sondern eher "aus dem Bauch" Ein KMU tätigt Investitionen "aus der eigenen privaten Tasche" des Unternehmers Besonderes IT Ein KMU hat keine fixen IT-Budgets Einkaufsverhalten Ein KMU fällt Entscheidungen nur nach dem Preis Ein KMU will seinen Kostenrahmen nie überschreiten Ein KMU hat User und Entscheider mit einer anderen Mentalität als Grossunternehmen Ein KMU ist über traditionelle Werbung nur schwer zu erreichen Der KMU-Markt ist sehr heterogen, die Identifikation der attraktiven Kunden ist schwierig Heterogener Markt und Der KMU-Markt wird von vielen kleinen Anbietern dominiert Wettbewerb Der KMU-Markt lässt kaum Spielraum zur Differenzierung vom Wettbewerb Fehlendes Know-how über die IT-Bedürfnisse im KMU-Markt Fehlendes Know-how über die Entscheider im KMU-Markt Fehlende Marketing Fehlendes Know-how über anstehende IT-Projekte bei potenziellen Kunden Informationen Fehlendes Know-how über die attraktiven Kunden im KMU-Markt Fehlendes Know-how über die Subsegmente im KMU-Markt Die Kostenstrukturen der IT-Anbieter sind nicht auf Kleinkunden ausgelegt Ein KMU kennzeichnet sich durch relativ hohe Betreuungskosten (After-Sales) Inadäquate Kosten- und Ein KMU kennzeichnet sich durch relativ hohe Akquisitionskosten (Pre-Sales) Leistungsstruktur Das Produkt bietet mehr Leistungen als das KMU verlangt ("Überleistung") Der Verkauf kann den Nutzen der IT dem KMU nur schwer kommunizieren Der Verkauf oder das Marketing sprechen nicht immer die "Sprache des KMU" Der Verkauf findet nur schwer die optimale Kontakthäufigkeit Defizite im Vertrieb Der Verkauf ist häufig zu wenig "Generalist", um auf die KMU einzugehen Die Zusammenarbeit mit den Vertriebspartnern gestaltet sich schwierig Die IT-Anbieter sind stark vom Vertriebspartner abhängig Tabelle G-4: Problemkreise im mittelständischen Kundensegment XIX Probleme im Mittelstand Der Verkauf findet nur schwer die optimale Kontakthäufigkeit Der Verkauf ist häufig zu wenig "Generalist", um auf die KMU einzugehen Der Verkauf oder das Marketing sprechen nicht immer die "Sprache des KMU" Der Verkauf kann den Nutzen der IT dem KMU nur schwer kommunizieren Die IT-Anbieter sind stark vom Vertriebspartner abhängig Die Zusammenarbeit mit den Vertriebspartnern gestaltet sich schwierig Fehlendes Know-how über die Subsegmente im KMU-Markt Fehlendes Know-how über die ITBedürfnisse im KMU-Markt Fehlendes Know-how über die Entscheider im KMU-Markt Fehlendes Know-how über die attraktiven Kunden im KMU-Markt Fehlendes Know-how über anstehende IT-Projekte bei potenziellen Kunden Ein KMU kennzeichnet sich durch relativ hohe Betreuungskosten (After-Sales) Ein KMU kennzeichnet sich durch relativ hohe Akquisitionskosten (Pre-Sales) Die Kostenstrukturen der IT-Anbieter sind nicht auf Kleinkunden ausgelegt Das Produkt bietet mehr Leistungen als das KMU verlangt ("Überleistung") Ein KMU hat keine fixen IT-Budgets Ein KMU will seinen Kostenrahmen nie überschreiten Ein KMU tätigt Investitionen "aus der eigenen privaten Tasche" des Unternehmers Ein KMU hat unstrukturierte Beschaffungsprozesse mit unbekannten ITAnforderungen Ein KMU fällt Entscheidungen nur nach dem Preis Ein KMU fällt Entscheidungen nicht rational, sondern eher "aus dem Bauch" Ein KMU fällt Investitionsentscheidungen nur wohlüberlegt und nach sehr langer Zeit Ein KMU hat grosse Angst vor Abhängigkeit und lässt sich nur schwer als Kunde langfristig binden Ein KMU ist über traditionelle Werbung nur schwer zu erreichen Der KMU-Markt wird von vielen kleinen Anbietern dominiert XX Herausforderer MW s 3,38 1,06 Experte MW s 2,70 0,98 Mitläufer MW s 3,80 0,45 Neuling MW s 3,38 0,92 3,00 1,20 2,75 1,12 3,60 0,55 3,63 0,74 4,00 0,76 2,95 1,23 3,80 0,45 4,13 0,35 3,25 1,16 2,70 1,08 3,40 1,14 3,13 0,99 2,63 1,30 3,05 1,28 3,00 1,41 3,38 1,19 2,50 1,60 2,40 0,75 2,60 1,14 3,75 1,04 3,75 0,46 2,65 1,04 4,00 0,71 3,88 0,35 3,25 0,89 2,60 0,99 3,80 1,30 3,75 0,89 2,63 0,74 2,65 1,18 3,60 0,55 3,25 0,71 4,13 1,13 2,95 1,19 3,80 0,45 4,00 1,07 4,13 0,83 3,35 1,14 4,00 0,71 4,13 0,35 4,13 0,99 3,25 0,85 3,40 0,89 3,88 1,13 4,13 0,99 3,30 0,92 3,40 1,14 3,88 0,99 3,63 1,19 2,95 1,36 4,00 0,71 3,88 0,99 3,75 1,49 2,80 1,20 4,40 0,89 3,57 0,53 3,50 3,00 0,76 0,76 3,15 3,30 0,81 0,92 3,20 2,60 0,84 0,89 2,63 2,88 1,06 0,99 3,50 0,93 3,20 0,77 3,00 0,71 2,50 1,31 4,00 0,76 3,30 1,03 3,20 0,84 3,13 0,99 4,00 0,00 3,20 1,06 3,40 1,14 3,71 0,76 3,50 0,53 3,05 0,60 2,80 0,84 3,29 0,76 3,00 0,93 2,90 0,97 3,20 1,10 3,29 0,95 3,25 0,89 2,65 1,42 3,00 1,00 2,71 1,38 3,25 1,28 2,90 1,07 2,80 1,30 3,13 0,83 3,63 1,06 3,15 1,09 3,20 1,30 4,00 0,53 Anhang Der KMU-Marktlässt kaum Spielraum 3,38 1,06 2,55 0,94 zur Differenzierung vom Wettbewerb Der KMU-Markt ist sehr heterogen, die 4,13 0,83 3,10 0,97 Identifikation der attraktiven Kunden ist schwierig Ein KMU ist durch die schnelle techni3,88 0,64 3,40 0,82 sche Entwicklung verunsichert Ein KMU hat nur wenig internes IT3,75 1,16 3,35 0,99 Know-how Ein KMU ist nur schwer vom Nutzen von 3,00 0,93 2,90 0,79 IT zu überzeugen Ein KMU zeigt nur geringe Risikobereit3,25 1,04 2,80 0,77 schaft und geringes Interesse an neuen IT-Lösungen Ein KMU hat keine langfristige IT4,13 0,64 3,50 0,89 Strategie Ein KMU ist nicht bereit für IT seine 3,50 1,20 3,05 0,71 Prozesse zu ändern, auch wenn es sinnvoll wäre Ein KMU will billige Standardlösungen, 4,50 0,76 3,50 0,89 die trotzdem auf ihre Bedürfnisse angepasst sind Ein KMU hat grosse Angst vor Abhän3,25 0,89 2,65 1,42 gigkeit und lässt sich nur schwer als Kunde langfristig binden Ein KMU hat von grossen IT-Anbietern 3,50 1,31 3,05 1,03 keine gute Meinung Einn KMU kann die Höhe und Zusam3,63 0,92 3,30 0,66 mensetzung der Preise für moderne IT nicht nachvollziehen Ein KMU baut nur vorsichtig und ungern 3,00 1,07 2,30 1,08 ein Vertrauensverhältnis zum IT-Anbieter auf Tabelle G-5: Probleme im mittelständischen Kundensegment nach Anbietertyp Lösungen für den Mittelstand Standardisierung: Durch Standardisierung Kosten senken Preisführerschaft anstreben "Light-Versionen" für KMU (weniger Funktionalität, tiefer Preis) Standardisierte Produkte und Preise Direct-Marketing und Call-Center Betreuung Produkte modular gestalten Delegation: Verminderte eigene Wertschöpfung durch Delegation Integration: Kunden an der Leistungsentwicklung beteiligen Integration: Kunden an der Leistungserstellung beteiligen Wartung und Support delegieren Leistungssysteme: Umfassende Lösungen durch erhöhte Wertschöpfung Neben- und Dienstleistungen konsequent verrechnen Herausforderer MW s 3,50 0,84 Experte MW s 3,83 1,04 2,80 1,10 2,75 0,46 3,00 1,00 3,75 1,04 3,80 0,84 4,13 0,64 3,00 1,00 3,50 1,20 3,00 0,71 3,25 0,89 3,20 0,45 3,63 0,74 3,60 0,55 3,38 1,06 2,80 0,45 3,63 0,52 3,40 0,89 4,00 0,53 3,00 1,00 2,71 1,38 3,40 1,34 3,00 1,20 3,00 1,41 3,29 0,76 3,00 0,71 2,57 0,53 Mitläufer MW s 3,00 0,82 Neuling MW s 3,75 0,89 2,63 2,75 1,30 0,71 2,85 2,58 1,04 1,07 2,40 2,60 0,89 0,89 2,25 3,13 0,89 1,64 3,38 3,00 1,19 1,41 3,95 2,80 0,83 1,36 2,20 2,60 0,84 0,89 3,38 3,00 1,41 1,15 3,50 2,71 1,20 1,25 3,45 2,69 1,10 1,14 2,80 2,60 0,84 0,89 3,13 2,67 0,99 1,03 3,00 1,31 2,24 0,97 2,25 0,50 2,63 0,92 3,00 1,31 2,00 0,94 2,25 0,50 2,25 0,89 2,00 3,00 0,93 1,07 2,47 3,28 0,94 1,13 1,80 3,40 0,84 1,34 2,25 3,33 1,04 0,52 3,13 1,13 3,17 0,99 3,00 1,22 3,29 0,49 XXI KMU-spezifische Produkteigenschaften 2,88 1,36 2,94 0,94 berücksichtigen Vieler Varianten und eine breite Leis3,38 1,06 3,78 0,88 tungspalette anbieten Sich über umfassenden Service/Support 3,75 1,16 3,76 0,83 differenzieren 3,25 Image: Positionierung als sympathischer 1,49 4,20 0,77 u. verlässlicher Anbieter Qualitätsführerschaft anstreben 3,88 1,25 4,00 0,82 KMU-spezifische Werbung 2,00 1,20 2,70 1,08 Präsenz auf KMU-spezifischen Messen 1,88 1,13 2,20 1,01 Reference-Selling: Verkaufen über Refe3,00 1,20 3,35 0,93 renzen / Erfolgsstories Aufbau, Pflege und Bekanntmachung 2,25 1,28 3,42 1,12 einer positiv besetzten Marke 3,25 Pricing:Durch innovative Preiskonzepte 1,04 3,21 0,71 Umsatz/Marge verbessern Preise auf Projektbasis fixieren 3,14 1,35 3,42 0,96 Nutzenabhängige Preise (z. Bsp. ASP) 3,25 1,39 2,21 1,03 anbieten Finanzierungsmodelle (z. Bsp. Leasing) 4,38 0,92 3,16 1,42 anbieten Preisgünstige Lösungen für Einsteiger 3,13 1,64 2,79 1,18 Kleine Aufträge preislich belasten 2,75 1,16 2,05 1,18 3,38 Beziehungen: Zu Verantwortlichen eine 1,51 3,50 0,95 Beziehung aufbauen u. pflegen Aufbau und Pflege eines breiten Netz2,75 1,67 2,85 1,04 werks im KMU-Segment Aufbau und Pflege einer persönlichen 3,00 1,60 3,10 1,12 Beziehung zu KMU Kunden-Events für KMU 2,88 1,46 2,90 0,97 Kundennähe über eigene Mitarbeiter im 3,13 1,55 3,40 1,05 Verkauf Auswahl KMU-spezifischer Mitarbeiter 3,38 1,41 3,00 1,21 im Verkauf 3,33 Kooperation:Zusammenarbeit mit Part1,37 3,28 1,02 nern in Marketing und Vertrieb Mit Drittanbietern bei der Leistungser3,75 0,89 3,16 1,17 stellung kooperieren Auswahl KMU-spezifischer Vertriebs3,38 1,41 2,83 1,25 partner Intensive Zusammenarbeit mit Vertriebs3,25 1,49 3,47 1,22 partner Zusammenarbeit mit Verbänden und 2,38 0,74 2,21 0,92 Universitäten 3,86 Segmentierung:Differenzierte Lösungen 1,21 3,00 1,13 für abgegrenzte Kundengruppen Kundenselektion: Konzentration auf 3,50 1,51 3,11 0,74 profitable Subsegmente Projektselektion: Konzentration auf profi3,57 1,62 3,21 1,03 table Aufträge Marketing und Verkauf für Subsegmente 3,13 0,99 3,06 0,73 anpassen Produkte/Leistungen auf Subsegmente 3,00 1,07 2,83 0,99 anpassen Tabelle G-6: Lösungen im mittelständischen Kundensegment nach Anbietertyp XXII 2,80 0,84 3,13 0,83 2,60 0,89 3,13 0,83 3,40 1,34 3,50 0,53 3,40 0,89 3,13 0,64 3,60 2,60 2,00 2,20 1,14 1,52 1,00 0,45 4,25 2,75 2,13 3,38 0,71 1,39 1,13 1,41 3,00 1,00 3,63 1,19 3,00 0,82 3,00 0,58 2,75 3,00 0,50 0,82 2,88 2,88 0,83 0,99 3,25 1,26 3,00 1,20 2,75 2,00 2,80 0,96 0,82 1,30 2,25 2,00 3,00 0,89 0,89 1,07 2,20 1,30 2,25 0,89 2,60 1,52 2,38 0,92 2,40 2,80 1,52 0,84 2,38 2,63 1,41 1,06 2,40 1,34 2,13 1,13 2,80 1,30 3,50 1,41 2,80 1,48 3,00 1,20 2,20 0,84 3,13 1,25 2,80 1,48 3,00 1,31 2,00 0,71 2,13 0,83 2,60 0,89 3,14 1,07 2,80 0,45 2,75 0,89 3,20 0,84 2,75 0,71 2,60 1,14 2,63 0,74 2,80 0,84 2,88 0,83 Anhang XXIII XXIV Anhang XXV XXVI Anhang Abbildung G-6: Fragebogen für die Marketingbefragung XXVII Informationen zur schriftlichen „Mittelstandsbefragung“ Die Konzeption des Fragebogens orientierte sich an der Problemstellung, den geführten Unternehmergesprächen und der einschlägigen Literatur. Wichtige Inhalte sind die Einstellung gegenüber IT und den entsprechenden Anbietern, Ziele des IT-Managements und der gesamte Prozess der IT-Beschaffung. In einem Pre-test wurde der Fragebogen von mittelständischen Unternehmern auf Plausibilität und Verständlichkeit überprüft. Fragebogen Zeitraum und Rück- In der letzten Februarwoche 2004 wurden 3927 Emails an alle Geschäftsführer Schweizer Unternehmen zwischen 50 und 500 Mitarbeiter verschickt. Die Email enthielt ein Anschreiben und den lauf Fragebogen im pdf.-Format als Anhang. Insgesamt konnten davon 3533 zugestellt werden. Bis zum 15.März 2004 trafen per Email, postalisch oder per Fax 533 ausgefüllte Fragebogen im Institut für Marketing und Handel ein, was einer Rücklaufquote von rund 15% entspricht. Vier Fragebögen wurden von der Auswertung ausgeschlossen, da sie zu spät retourniert wurden. Aufgrund des hohen Rücklaufs wurde von einer Nachfassaktion abgesehen. Auswahl der Unternehmen Tabelle G-7: Die Auswahl der Unternehmen basierte auf einer kommerziellen Adressdatenbank und berücksichtigte alle aufgelisteten Unternehmen zwischen 50 und 500 Mitarbeitern mit Sitz in der Schweiz. So gesehen handelt es bei der vorliegenden Untersuchung näherungsweise um eine Vollerhebung. Das sog. „Bias-Problem“, nachdem sich antwortende Unternehmen von nicht antwortenden Unternehmen signifikant unterscheiden, kann für diese Studie vernachlässigt werden. Ein Vergleich der früh mit den spät eingegangenen Fragebogen konnte keine signifikanten Unterschieden hinsichtlich zentraler Fragen entdecken. Insgesamt kann die hier verwendete Stichprobe somit als annähernd repräsentativ bzgl. der Variablen Unternehmensgrösse und Branchenzugehörigkeit angesehen werden. Keine Repräsentativität kann jedoch hinsichtlich der regionalen Verteilung der befragten Unternehmen beansprucht werden, da Unternehmen aus der italienischen und französischen Schweiz verhältnismässig selten vertreten sind. Dies kann darauf zurück geführt werden, dass der Fragebogen aus didaktischen Gründen nur in deutscher Sprache zur Verfügung stand. Information zur schriftlichen „Marketingbefragung“ 6 k.A. 21 1 13 2 3 62 4 66 41 5 67 6 15 7 170 8 72 9 Anzahl 0 Abbildung G-7: XXVIII 20 40 60 Rücklauf nach Postleitzahlengebiet 80 100 120 140 160 180 Anhang 12 unter 30 Jahre 209 zwischen 30 und 44 Jahren 254 zwischen 45 und 60 Jahren über 60 Jahre 49 9 k.A. Anzahl Abbildung G-8: 0 50 100 150 200 250 300 Rücklauf nach Alter der Befragten Mitglied der GL 468 Verantwortlicher IT Anzahl Abbildung G-9: 131 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 Rücklauf nach Position der Befragten XXIX 26 unter 10 Jahre zwischen 10 und 19 Jahren 48 zwischen 20 und 30 Jahren 50 über 30 Jahre 384 25 k.A. Anzahl Abbildung G-10: 0 50 100 150 200 250 300 350 400 Rücklauf nach Alter der Unternehmen 12 < 5 Mio CHF 357 5-50 Mio CHF 128 50-200 Mio CHF 23 200-400 Mio CHF > 400 Mio CHF 7 k.a. 6 Anzahl Abbildung G-11: XXX 450 0 50 100 150 Rücklauf nach Umsatz des Unternehmens 200 250 300 350 400 Anhang 0 Anzahl 10 20 30 40 50 60 70 6 Sonstige Herstellung von Papier, Verlag,... 27 20 Herstellung von Textilien 73 Maschinenbau 5 Landwirtschaft 8 Landverkehr/Luftfahrt 24 Informatikdienste Herstellung von Metallerzeugnissen 56 Herstellung v. Nahrungsmittel,... 25 Herstellung sonst. nichtmet. Mineralien 8 Herstellung Möbeln/Schmuck/Sportgeräten 12 Herstellung von Büromaschinen,... 46 Herstellung Gummi- und Kunststoffwaren 31 Grosshandel, Detailhandel und Reparatur 44 Gastbewerbe 9 Dienstleistungen für Unternehmen 35 Chemische Industrie / Pharma 27 Baugewerbe 67 Abfallbeseitigung/-entsorgung k.A. Abbildung G-12: 80 7 3 Rücklauf nach Branchenzugehörigkeit XXXI 280 <100 157 100-200 33 200-300 26 300-400 34 >400 3 k.A. Anzahl 0 Abbildung G-13: 50 100 150 200 250 Rücklauf nach Anzahl Mitarbeiter des Unternehmens 125 Dienstleistungen 54 Handel 80 Konsumgüter 137 Investitionsgüter 133 Zulieferprodukte 4 k.A. Anzahl Abbildung G-14: XXXII 300 0 20 40 60 Rücklauf nach Produktbereich der Unternehmen 80 100 120 140 160 Anhang 326 Industrie/Dienstleister 117 Gross-/Einzelhandel private Endverbraucher 39 Öffentliche Hand 42 9 k.A. Anzahl Abbildung G-15: 0 50 100 150 200 250 350 Rücklauf nach Kundenbereich der Unternehmen 1994 1 1995 1 4 1998 19 1999 16 2000 2001 42 75 2002 2003 215 61 2004 k.a. Anzahl 300 99 0 Abbildung G-16: 50 100 150 200 250 Rücklauf nach Jahr der getätigten Investition XXXIII trifft gar nicht zu trifft voll und ganz zu Mittelwert 1 2 3 4 5 4,55 4,65 4,61 4,63 Insgesamt bin ich gegenüber IT positiv eingestellt 3,60 3,64 3,54 3,56 Die meisten Investitionen in IT rentieren sich 4,66 4,80 4,71 4,88 IT ist heutzutage ein „Muss“ für Unternehmen 3,26 3,41 3,46 3,63 Durch IT kann unser Unternehmen mehr Umsatz machen 3,92 3,82 3,95 4,19 Durch IT kann unser Unternehmen Kosten sparen 3,76 3,62 3,89 4,00 Durch IT kann unser Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil erlangen 3,33 3,33 3,34 3,31 IT-Ausgaben sind mehr Investitionen als Kosten 3,59 3,65 3,58 3,63 Die IT-Abteilung benötigt ein jährliches fixes Budget für Investitionen 2,79 2,86 2,75 2,94 Bei IT sind wir auch bereit ein Risiko einzugehen 3,26 3,30 3,24 3,19 Ich persönlich habe ein hohes Wissen bzgl. IT 4,06 4,21 4,30 4,19 In unserem Unternehmen gibt es Mitarbeiter mit hohem Wissen bzgl. IT 4,33 4,27 4,34 In unserem Umfeld gibt es Personen mit hohem Wis-sen bzgl. IT (Berater, Bekannte, ...) Abbildung G-17: XXXIV 4,63 Eigentümerunternehmen (n=270) Unternehmen mit externem Management (n=113) Tochtergesellschaft (n=134) MBO (n=16) Einstellung gegenüber IT nach Unternehmenstypus Anhang trifft gar nicht zu 1 trifft voll und ganz zu Mittelwert 2 3 4 5 3,03 Insgesamt bin ich gegenüber den grossen IT-Unternehmen positiv eingestellt 3,12 3,29 3,25 3,59 Unser direkter Kontakt zu den grossen Anbietern ist eher gering 3,55 3,53 3,19 3,19 In letzter Zeit spüren wir ein erhöhtes Interesse der IT-Branche 3,29 3,31 3,25 3,03 Dem erhöhten Interesse der IT-Branche stehen wir skeptisch gegenüber 3,15 3,07 2,88 2,61 Wir fühlen uns von der IT-Branche nicht ernst genommen 2,76 2,66 2,38 3,21 3,37 Die grossen IT-Unternehmen „sprechen nicht unsere Sprache“ 3,29 3,00 3,64 3,76 Leistungen und Preise sind auf Grossunternehmen ausgelegt 3,52 3,13 3,04 3,11 Die IT-Unternehmen lassen uns spüren, dass wir kein Grosskunde sind 2,97 2,88 Eigentümerunternehmen (n=270) Tochtergesellschaft (n=134) Abbildung G-18: Unternehmen mit externem Management (n=113) MBO (n=16) Zusammenarbeit mit der IT-Industrie nach Unternehmenstypus XXXV trifft gar nicht zu 1 trifft voll und ganz zu Mittelwert 2 3 4 5 4,63 4,72 4,59 4,57 4,52 Insgesamt bin ich gegenüber IT positiv eingestellt 3,65 3,65 3,55 3,56 3,56 Die meisten Investitionen in IT rentieren sich 4,74 4,80 4,70 4,69 4,67 IT ist heutzutage ein „Muss“ für Unternehmen Durch IT kann unser Unternehmen mehr Umsatz machen 3,70 3,63 3,23 3,18 3,17 3,99 4,17 Durch IT kann unser Unternehmen Kosten sparen 3,84 3,82 3,89 3,91 4,00 3,76 3,69 3,64 Durch IT kann unser Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil erlangen 3,49 3,25 3,25 3,30 3,29 IT-Ausgaben sind mehr Investitionen als Kosten 3,71 3,56 3,39 3,72 3,51 Die IT-Abteilung benötigt ein jährliches fixes Budget für Investitionen Bei IT sind wir auch bereit ein Risiko einzugehen Ich persönlich habe ein hohes Wissen bzgl. IT In unserem Unternehmen gibt es Mitarbeiter mit hohem Wissen bzgl. IT 2,96 2,76 2,71 2,75 2,76 3,34 3,32 3,26 3,22 3,22 4,20 4,33 3,96 4,26 4,05 4,32 4,42 4,26 4,28 4,38 In unserem Umfeld gibt es Personen mit hohem Wissen bzgl. IT (Berater, Bekannte, ...) Abbildung G-19: XXXVI Dienstleistungen (n=125) Handel (n=54) Investitionsgüter (n=137) Zulieferprodukte (n=133) Einstellung gegenüber IT nach Branchenzugehörigkeit Konsumgüter (n=80) Anhang trifft gar nicht zu 1 trifft voll und ganz zu Mittelwert 2 3 4 5 3,22 3,22 2,99 3,07 3,11 Insgesamt bin ich gegenüber den grossen IT-Unternehmen positiv eingestellt 3,39 3,70 3,53 3,62 3,57 Unser direkter Kontakt zu den grossen Anbietern ist eher gering 3,23 3,31 3,39 3,16 3,23 In letzter Zeit spüren wir ein erhöhtes Interesse der IT-Branche 2,83 3,11 3,21 3,12 3,08 Dem erhöhten Interesse der IT-Branche stehen wir skeptisch gegenüber Wir fühlen uns von der IT-Branche nicht ernst genommen 2,57 2,51 2,50 2,84 2,70 3,15 3,26 3,39 3,41 3,12 Die grossen IT-Unternehmen „sprechen nicht unsere Sprache“ 3,40 3,67 3,62 3,84 3,55 Leistungen und Preise sind auf Grossunternehmen ausgelegt Die IT-Unternehmen lassen uns spüren, dass wir kein Grosskunde sind Dienstleistungen (n=125) Handel (n=54) Investitionsgüter (n=137) Zulieferprodukte (n=133) Abbildung G-20: 3,05 2,81 3,00 3,16 2,98 Konsumgüter (n=80) Zusammenarbeit mit der IT-Industrie nach Branchenzugehörigkeit XXXVII Ziel von IT ist es ... Zielbedeutung gering 1 2 hoch 3 4 5 4,46 4,38 4,53 4,50 ...den Mitarbeitern die Arbeit zu erleichtern 4,45 4,44 4,46 ...Unternehmensdaten zu sichern und verfügbar zu machen 4,06 4,28 4,26 4,33 4,25 ...bestehende Prozesse zu automatisieren 4,08 4,04 4,14 4,25 ...die Produktion, Entwicklung, Logistik zu verbessern ...die Kommunikation mit Dritten zu verbessern 4,08 3,94 4,09 4,06 ...die interne Kommunikation zu verbessern 3,99 3,87 4,05 4,00 3,89 4,12 3,99 3,94 ...dem Management die Entscheidungsfindung zu erleichtern 3,81 3,91 3,93 ...die Unternehmensplanung zu erleichtern 3,50 3,67 3,74 3,76 ...Prozesse ganz neu und produktiver zu gestalten 3,06 3,58 3,66 3,73 ...den Kunden neue Lösungen/Leistungen bieten zu können 4,13 3,57 3,66 3,66 3,31 ...flexibler auf Veränderungen reagieren zu können 3,10 3,25 3,22 3,38 ...das Marktverständnis (Kunden & Konkurrenz) zu verbessern Eigentümerunternehmen (n=270) Unternehmen mit externem Management (n=113) Tochtergesellschaft (n=134) MBO (n=16) Abbildung G-21: XXXVIII IT-Ziele nach Unternehmenstyp Anhang Zielbedeutung gering Ziel von IT ist es ... 1 2 hoch 3 4 5 ...den Mitarbeitern die Arbeit zu erleichtern 4,47 4,52 4,45 4,46 4,42 ...Unternehmensdaten zu sichern und verfügbar zu machen 4,42 4,46 4,31 4,47 4,48 4,17 4,43 4,36 4,23 4,33 ...bestehende Prozesse zu automatisieren 3,80 ...die Produktion, Entwicklung, Logistik zu verbessern 4,17 4,13 4,04 4,36 4,08 3,94 4,06 4,13 3,98 ...die Kommunikation mit Dritten zu verbessern 3,98 3,81 4,01 3,97 4,03 ...die interne Kommunikation zu verbessern 3,80 4,04 4,20 3,88 4,02 ...dem Management die Entscheidungsfindung zu erleichtern 3,71 3,83 3,80 3,81 4,09 ...die Unternehmensplanung zu erleichtern ...Prozesse ganz neu und produktiver zu gestalten ...den Kunden neue Lösungen/Leistungen bieten zu können ...flexibler auf Veränderungen reagieren zu können ...das Marktverständnis (Kunden & Konkurrenz) zu verbessern Abbildung G-22: Dienstleistungen (n=125) Handel (n=54) Investitionsgüter (n=137) Zulieferprodukte (n=133) 3,69 3,74 3,74 3,51 3,83 3,93 3,94 3,50 3,50 3,55 3,52 3,67 3,64 3,50 3,77 3,27 3,21 3,04 3,09 3,23 Konsumgüter (n=80) IT-Ziele nach Branchenzugehörigkeit XXXIX Ziel von IT ist es ... gering 1 hoch Zielerreichung 2 3 4 3,68 3,73 3,68 3,65 3,71 ...den Mitarbeitern die Arbeit zu erleichtern 4,08 4,15 4,06 4,05 4,04 ...Unternehmensdaten zu sichern und verfügbar zu machen ...bestehende Prozesse zu automatisieren 3,47 3,73 3,58 3,51 3,69 ...die Produktion, Entwicklung, Logistik zu verbessern 3,46 3,71 3,65 3,41 3,57 3,68 3,76 3,76 3,72 3,60 ...die Kommunikation mit Dritten zu verbessern 3,63 3,63 3,56 3,65 3,54 ...die interne Kommunikation zu verbessern ...dem Management die Entscheidungsfindung zu erleichtern 3,42 3,54 3,53 3,34 3,46 ...die Unternehmensplanung zu erleichtern 3,39 3,40 3,39 3,35 3,53 ...Prozesse ganz neu und produktiver zu gestalten ...den Kunden neue Lösungen/Leistungen bieten zu können ...flexibler auf Veränderungen reagieren zu können ...das Marktverständnis (Kunden & Konkurrenz) zu verbessern Dienstleistungen (n=125) Handel (n=54) Investitionsgüter (n=137) Zulieferprodukte (n=133) Abbildung G-23: XL Zielerreichung nach Branchenzugehörigkeit 5 3,22 3,21 3,26 3,04 3,24 3,40 3,40 3,06 3,02 3,06 2,99 3,21 2,99 3,05 3,18 2,99 2,82 2,71 2,86 2,85 Konsumgüter (n=80) Anhang Ziel von IT ist es ... Zielerreichung gering 1 2 hoch 3 4 5 3,76 3,65 3,53 3,75 ...den Mitarbeitern die Arbeit zu erleichtern 4,14 3,98 4,02 3,75 ...Unternehmensdaten zu sichern und verfügbar zu machen 3,60 3,59 3,60 ...bestehende Prozesse zu automatisieren 3,00 3,58 ...die Produktion, Entwicklung, Logistik zu verbessern 3,31 3,60 3,56 3,77 3,45 ...die Kommunikation mit Dritten zu verbessern 3,74 3,63 3,65 3,38 ...die interne Kommunikation zu verbessern 3,68 3,63 3,45 3,37 3,50 3,38 ...dem Management die Entscheidungsfindung zu erleichtern 3,40 3,44 3,49 ...die Unternehmensplanung zu erleichtern 2,75 3,27 3,13 3,11 ...Prozesse ganz neu und produktiver zu gestalten 2,63 3,16 3,09 3,23 3,13 ...den Kunden neue Lösungen/Leistungen bieten zu können ...flexibler auf Veränderungen reagieren zu können ...das Marktverständnis (Kunden & Konkurrenz) zu verbessern Abbildung G-24: 3,14 2,95 3,11 2,44 2,83 2,79 3,01 2,63 Eigentümerunternehmen (n=270) Unternehmen mit externem Management (n=113) Tochtergesellschaft (n=134) MBO (n=16) IT-Zielerreichung nach Unternehmenstyp XLI Ward Method: Attitude Risikoscheuen Enthusiasten Skeptiker Traditionalisten Ward Method: HW Krit Bequeme Anspruchsvolle Preiskäufer Gewohnheitskäufer Ward Method: SW Krit Preiskäufer Gewohnheitskäufer Funktionskäufer Rationalen Ward Method: SW Krit Preiskäufer Gewohnheitskäufer Funktionskäufer Rationalen Ward Method: HW Krit Ward Method: Ziele Operative 73 24 35 34 Kommunikatoren Ambitionierte 92 39 26 43 43 15 25 8 Ward Method: Ziele Strategen 34 9 8 5 Operative 19 22 19 16 Kommunikatoren Ambitionierte 23 11 30 21 18 11 20 7 Ward Method: Ziele Strategen 4 6 9 6 Operative 12 17 24 11 Kommunikatoren Ambitionierte 28 7 15 12 25 7 16 19 Ward Method: Einstellung Strategen 5 5 9 7 Risikoscheuen 19 25 33 27 Enthusiasten Skeptiker 9 18 11 9 13 13 18 7 Ward Method: Einstellung Traditionalisten 7 4 6 1 Risikoscheuen Enthusiasten 24 12 Bequeme 43 13 Anspruchsvolle 26 12 Preiskäufer 17 3 Gewohnheitskäufer Tabelle G-8: Kreuztabellierung der verschiedenen Segmentierungsansätze XLII Skeptiker 13 15 11 8 Traditionalisten 8 10 9 20 Anhang Segmentierung nach Leistungs- und Anbieterkriterien Hardware Bequeme Anspruchsvolle Preiskäufer Gewohnheitskäufer Alter des Befragten (n) unter 30 Jahre zwischen 30 und 44 Jahren zwischen 45 und 60 Jahren über 60 Jahre Alter des Unternehmens (n) unter 10 Jahre zwischen 10 und 19 Jahren zwischen 20 und 30 Jahren über 30 Jahre Umsatz des Unternehmens (n) < 5 Mio. CHF 5 - 50 Mio. CHF 50 - 200 Mio. CHF 200 - 400 Mio. CHF > 400 Mio. CHF Mitarbeiter des Unternehmens (n) < 100 Vollzeit-MA 100 - 200 VollzeitMA 200 - 300 VollzeitMA 300 - 400 VollzeitMA > 400 Vollzeit-MA IT-Kosten in % vom Umsatz (n) < 1% ca. 1 - 2% ca. 3 - 4% ca. 5 - 6% > 6% Wichtigster Produktbereich (n) Dienstleistungen Handel Konsumgüter Investitionsgüter Zulieferprodukte 2 20 2 29 2 18 2 28 28 43 29 17 6 6 7 2 4 5 2 8 3 5 3 9 8 9 5 6 36 59 45 31 3 43 8 1 1 1 56 21 3 1 0 48 8 2 0 2 33 12 2 0 36 16 46 23 39 11 32 11 2 5 3 5 0 3 2 0 3 5 3 2 14 25 7 3 5 26 35 18 2 1 12 29 11 3 2 24 16 6 1 1 24 5 6 12 10 20 9 14 26 13 16 8 8 14 12 19 6 6 10 9 XLIII Segmentierung nach Leistungs- und Anbieterkriterien Hardware Bequeme Anspruchsvolle Preiskäufer Gewohnheitskäufer Unternehmenstyp (n) Eigentümerunter33 47 24 21 nehmen Unabhängige Un12 13 12 8 ternehmen mit externem Mgmt. Tochtergesellschaft 12 20 20 18 MBO 0 2 2 3 168,28 697,76 2324,63 22935,75 Anzahl der wichtigsten Kunden (MW) 22,08 23,18 24,27 22,98 Auslandsanteil vom Umsatz in % (MW) 3,40 3,31 3,17 3,44 Produkte (MW) (5=spezifisch; 1=standardisiert) Einstellung ggü. IT IT-Affinität* 0,09 0,08 -0,01 -0,39 IT-Risiko* 0,02 -0,15 -0,02 -0,06 IT-Ressourcen* 0,02 0,20 -0,02 -0,77 IT-Ziele Operative IT-Ziele* 0,02 0,08 -0,08 -0,12 Strategische IT-0,16 0,06 0,04 -0,53 Ziele* Prozessoptmierung* 0,08 0,16 0,08 -0,13 Kommunikationsop0,15 0,21 -0,02 -0,20 timierung* IT-Anforderungen Wirtschaftlichkeit* -0,43 0,91 0,08 -0,64 Systemfit* 0,69 0,37 -0,50 0,32 Funktionalität* 0,58 0,38 -0,28 -0,75 Kompetenz* 0,20 0,57 -0,09 -0,92 Beziehungen* 0,57 0,66 -0,52 0,35 Tabelle G-9: Segmentierung nach Leistungs- und Anbieterkriterien Hardware: Segmentmerkmale657 657 Die mit * gekennzeichneten Variablen bezeichnen jeweils die Durschnittswerte pro Gruppe aus der entsprechenden Faktorenanalyse. Ein Wert von „Null“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Merkmalsausprägung des Clusters genau dem Stichprobenmittel entspricht. XLIV Anhang Segmentierung nach Leistungs- und Anbieterkriterien Software Preiskäufer Gewohnheitskäufer Funktionskäufer Rationalen Alter des Befragten (n) unter 30 Jahre zwischen 30 und 44 Jahren zwischen 45 und 60 Jahren über 60 Jahre Alter des Unternehmens (n) unter 10 Jahre zwischen 10 und 19 Jahren zwischen 20 und 30 Jahren über 30 Jahre Umsatz des Unternehmens (n) < 5 Mio. CHF 5 - 50 Mio. CHF 50 - 200 Mio. CHF 200 - 400 Mio. CHF > 400 Mio. CHF Mitarbeiter des Unternehmens (n) < 100 Vollzeit-MA 100 - 200 VollzeitMA 200 - 300 VollzeitMA 300 - 400 VollzeitMA > 400 Vollzeit-MA IT-Kosten in % vom Umsatz (n) < 1% ca. 1 - 2% ca. 3 - 4% ca. 5 - 6% > 6% Wichtigster Produktbereich (n) Dienstleistungen Handel Konsumgüter Investitionsgüter Zulieferprodukte 1 17 0 19 0 33 1 19 30 26 27 30 6 5 6 3 0 4 1 3 4 8 2 5 6 4 4 3 43 39 49 39 2 37 14 1 1 1 31 15 2 0 0 42 19 4 1 2 34 15 2 1 25 20 27 12 25 25 27 18 6 4 2 2 1 5 7 6 3 1 7 1 5 33 9 2 1 9 22 15 2 0 12 28 21 3 2 14 29 8 2 0 9 2 10 13 21 9 4 8 16 12 14 7 10 19 15 5 8 6 11 24 XLV Segmentierung nach Leistungs- und Anbieterkriterien Software Preiskäufer Gewohnheitskäufer Funktionskäufer Rationalen Unternehmenstyp (n) Eigentümerunter33 24 34 nehmen Unabhängige Un10 12 17 ternehmen mit externem Mgmt. Tochtergesellschaft 11 12 16 MBO 1 2 0 526,94 1114,60 133,02 Anzahl der wichtigsten Kunden (MW) 43,92 30,21 44,26 Auslandsanteil vom Umsatz in % (MW) 3,56 3,06 3,53 Produkte (MW) (5=spezifisch; 1=standardisiert) Einstellung ggü. IT IT-Affinität* -0,16 0,05 -0,14 IT-Risiko* -0,01 0,07 0,00 IT-Ressourcen* 0,03 0,15 -0,01 IT-Ziele Operative IT-Ziele* -0,31 0,16 -0,01 Strategische IT0,10 0,17 0,13 Ziele* Prozessoptmierung* -0,35 0,09 -0,19 Kommunikationsop-0,03 -0,07 -0,10 timierung* IT-Anforderungen Wirtschaftlichkeit* 0,19 -0,51 -0,49 Systemfit* -0,16 0,84 -1,14 Funktionalität* -0,57 -0,03 0,46 Kompetenz* -0,21 -0,27 -0,26 Beziehungen* -0,35 0,68 -0,77 Tabelle G-10: Segmentierung nach Leistungs- und Anbieterkriterien Software: Segmentmerkmale XLVI 28 15 10 1 953,64 42,27 3,19 0,31 0,17 0,18 0,15 0,31 0,15 0,22 0,76 -0,12 0,52 1,11 -0,55 Anhang Operative Alter des Befragten (n) unter 30 Jahre zwischen 30 und 44 Jahren zwischen 45 und 60 Jahren über 60 Jahre Alter des Unternehmens (n) unter 10 Jahre zwischen 10 und 19 Jahren zwischen 20 und 30 Jahren über 30 Jahre Umsatz des Unternehmens (n) < 5 Mio. CHF 5 - 50 Mio. CHF 50 - 200 Mio. CHF 200 - 400 Mio. CHF > 400 Mio. CHF Mitarbeiter des Unternehmens (n) < 100 Vollzeit-MA 100 - 200 VollzeitMA 200 - 300 VollzeitMA 300 - 400 VollzeitMA > 400 Vollzeit-MA IT-Kosten in % vom Umsatz (n) < 1% ca. 1 - 2% ca. 3 - 4% ca. 5 - 6% > 6% Wichtigster Produktbereich (n) Dienstleistungen Handel Konsumgüter Investitionsgüter Zulieferprodukte Segmentierung nach IT-Zielen Kommunikatoren Ambitionierte Strategen 2 69 6 74 3 38 1 24 82 87 52 26 14 16 13 4 11 16 9 14 4 8 2 6 9 25 8 7 123 136 81 36 4 110 39 7 6 2 128 52 5 0 4 69 23 9 1 2 39 13 1 0 90 44 99 62 55 34 29 12 13 10 1 9 8 7 7 3 12 10 10 2 41 78 35 8 2 45 91 36 4 5 27 49 19 6 3 14 21 15 1 4 44 14 24 44 41 40 20 34 49 44 22 12 17 23 33 14 6 4 18 13 XLVII Operative Segmentierung nach IT-Zielen Kommunikatoren Ambitionierte Unternehmenstyp (n) Eigentümerunter78 99 nehmen Unabhängige Un35 37 ternehmen mit externem Mgmt. Tochtergesellschaft 49 48 MBO 7 4 40,94 39,62 Anzahl der wichtigsten Kunden (MW) 3,35 3,35 Auslandsanteil vom Umsatz in % (MW) 1,58 1,52 Produkte (MW) (5=spezifisch; 1=standardisiert) Einstellung ggü. IT IT-Affinität* 0,05 -0,17 IT-Risiko* 0,01 -0,03 IT-Ressourcen* -0,06 0,12 IT-Ziele Operative IT-Ziele* 0,60 -0,47 Strategische IT-0,38 0,20 Ziele* Prozessoptmierung* -0,01 -0,72 Kommunikationsop-0,48 0,38 timierung* IT-Anforderungen Wirtschaftlichkeit* -0,16 -0,06 Systemfit* -0,21 -0,37 Funktionalität* 0,06 -0,08 Kompetenz* -0,10 -0,01 Beziehungen* -0,32 -0,40 Tabelle G-11: Segmentierung nach IT-Zielen: Segmentmerkmale XLVIII Strategen 51 34 29 9 24 3 44,74 11 2 45,32 3,18 3,92 1,49 1,28 0,15 0,62 0,37 0,07 -0,37 0,06 0,71 0,54 -1,10 0,66 0,75 0,68 0,35 -0,79 0,28 0,04 0,56 0,53 -0,13 -0,27 -0,04 0,05 0,13 -0,21 Anhang Risikoscheue Alter des Befragten (n) unter 30 Jahre zwischen 30 und 44 Jahren zwischen 45 und 60 Jahren über 60 Jahre Alter des Unternehmens (n) unter 10 Jahre zwischen 10 und 19 Jahren zwischen 20 und 30 Jahren über 30 Jahre Umsatz des Unternehmens (n) < 5 Mio. CHF 5 - 50 Mio. CHF 50 - 200 Mio. CHF 200 - 400 Mio. CHF > 400 Mio. CHF Mitarbeiter des Unternehmens (n) < 100 Vollzeit-MA 100 - 200 VollzeitMA 200 - 300 VollzeitMA 300 - 400 VollzeitMA > 400 Vollzeit-MA IT-Kosten in % vom Umsatz (n) < 1% ca. 1 - 2% ca. 3 - 4% ca. 5 - 6% > 6% Wichtigster Produktbereich (n) Dienstleistungen Handel Konsumgüter Investitionsgüter Zulieferprodukte Segmentierung nach IT-Einstellung Ethusiasten Skeptiker Traditionalisten 6 105 1 40 3 28 2 32 109 48 60 34 15 13 14 5 14 17 5 14 3 9 4 6 21 13 9 7 173 68 82 54 3 152 63 15 5 5 67 27 3 1 1 76 24 3 1 3 56 11 2 0 115 77 61 26 53 33 47 18 16 5 10 1 14 4 2 5 18 8 7 1 59 111 59 4 2 20 42 22 10 8 23 54 18 4 2 23 37 8 0 1 46 30 43 55 65 37 12 8 29 18 21 8 12 31 33 17 4 14 22 15 XLIX Risikoscheue Segmentierung nach IT-Einstellung Ethusiasten Skeptiker Unternehmenstyp (n) Eigentümerunter117 53 nehmen Unabhängige Un53 20 ternehmen mit externem Mgmt. Tochtergesellschaft 64 26 MBO 7 5 511,87 495,69 Anzahl der wichtigsten Kunden (MW) 38,88 42,77 Auslandsanteil vom Umsatz in % (MW) 3,32 3,27 Produkte (MW) (5=spezifisch; 1=standardisiert) Einstellung ggü. IT IT-Affinität* 0,42 0,40 IT-Risiko* -0,65 1,22 IT-Ressourcen* -0,01 0,56 IT-Ziele Operative IT-Ziele* -0,06 0,35 Strategische IT0,23 0,30 Ziele* Prozessoptmierung* -0,11 0,15 Kommunikationsop0,04 -0,02 timierung* IT-Anforderungen Wirtschaftlichkeit* -0,11 0,31 Systemfit* -0,26 -0,09 Funktionalität* 0,06 0,39 Kompetenz* 0,11 0,40 Beziehungen* -0,50 -0,12 Tabelle G-12: Segmentierung nach IT-Einstellung: Segmentmerkmale L Traditionalisten 50 46 26 11 27 3 1010,72 15 1 434,44 38,80 54,40 3,40 4,00 -1,15 0,18 0,52 -0,55 -0,03 -1,32 -0,14 0,13 -0,36 -0,27 -0,22 -0,08 -0,18 -0,07 -0,16 -0,21 0,02 -0,13 -0,10 -0,15 -0,47 -0,25 -0,45 -0,22 Anhang LI LII Anhang LIII Abbildung G-25: LIV Fragebogen für die Mittelstandsbefragung Verzeichnisse Verzeichnis der durchgeführten Expertengespräche658 Abacus (2003): Persönliches Expertengespräch mit Thomas Köberl (Abacus Research AG), 11.03.2003, 16:30 Uhr bis 18:00, Mitglied der Geschäftsleitung (Marketing), St.Gallen, Schweiz. Cisco Systems (2003): Telefonisches Expertengespräch mit Thomas Winter (Cisco Systems Schweiz AG), Geschäftsbereich Commercial Business, 21.02.2003, 09:30 Uhr bis 11:00, Sales Manager, Zürich, Schweiz. Computer Associates (2003): Telefonisches Expertengespräch mit Patric Märki (Computer Associates Schweiz AG), Geschäftsbereich Commercial Business, 10.04.2003, 09:00 Uhr bis 10:00, Sales Manager, Zürich, Schweiz. EDS (2003): Telefonisches Expertengespräch mit Remo Leuppi (EDS Schweiz AG), Geschäftsbereich Commercial Business, 12.02.2003, 10:00 Uhr bis 11:00, Director Marketing&Sales, Zürich, Schweiz. HP (2003): Telefonisches Expertengespräch mit Roy Gisler (HP Schweiz AG), 21.02.2003, 15:00 Uhr bis 16:30, Persönliches Expertengespräch 18.03.2003, 10:30 Uhr bis 12:00, Leiter KMU Business, Geschäftsbereich Commercial Business, Sales Manager, Zürich, Schweiz. IBM (2003): Telefonisches Expertengespräch mit Christian Laesser (IBM Schweiz AG), Geschäftsbereich KMU, 24.04.2003, 10:00 Uhr bis 11:00, Geschäftsbereichsleiter, Zürich, Schweiz. Microsoft (2003): Telefonisches Expertengespräch mit Claudia Ettengruber (Microsoft Schweiz AG), Geschäftsbereich Small & Medium Enterprises, 05.03.2003, 14:00 Uhr bis 15:30, Geschäftsbereichsleiterin, Zürich, Schweiz. Mummert (2003): Telefonisches Expertengespräch mit Dr. Martin Stadelmann (Mummert Consulting AG Schweiz), Managing Director, 12.02.2003, 10:00 Uhr bis 11:30, Zürich, Schweiz. SAP (2002): Persönliches Expertengespräch mit Thomas Burkhardt (SAP Schweiz AG), Geschäftsbereich SME, 14.08.2002, 14:00 Uhr bis 18:30, Sales Consultant, Regensdorf, Schweiz. 658 Die mit * bezeichneten Experten wurden befragt, als die Fokussierung auf die IT-Industrie noch nicht entschieden war. XI Siebel (2003): Telefonisches Expertengespräch mit Lukas Buerkli (Siebel Systems Schweiz AG), 19.02.2003, 10:00 Uhr bis 11:30, Senior Sales Consultant, Zürich, Schweiz. Sun (2003): Telefonisches Expertengespräch mit Christian Hunziker (Sun Microsystems Schweiz AG), Geschäftsbereich KMU, 21.03.2003, 10:00 Uhr bis 11:00, Industry & Market Development Manager, Zürich, Schweiz. t-mobil (2002): Persönliches Expertengespräch mit Markus Tilgner (T-mobile Deutschland AG), Geschäftsbereich Marketing Management Business Customers, 16.12.2002, 10:00 Uhr bis 11:30, Specialist, Bonn, Deutschland. Deutsche Post (2002)*: Expertengespräch mit Rolf Gröber (Deutsche Post AG), Geschäftsbereich Vertrieb Brief Gewerbekunden, 03.07.2002, 15:00 Uhr bis 17:00, Vertriebsdirektor Abteilung Strategie, Stuttgart, Deutschland. Lufthansa (2002)*: Expertengespräch mit Torsten Schimpf (Deutsche Lufthansa AG), 03.07.2002, 10:00 Uhr bis 12:00 Uhr, Referent Key Account Management, Frankfurt, Deutschland. Helvetia Patria (2002)*: Expertengespräch mit Dr. Michael Waltert (Helvetia Patria Versicherung), 21.06.2002, 08:00 Uhr bis 10:30 Uhr, Leiter Markt- und Leistungsentwicklung, St. Gallen, Schweiz. Verzeichnis der durchgeführten Unternehmergespräche Akris (2003): Persönliches Unternehmergespräch mit Peter Kriemler (Akris AG), 01.07.2003, 17:00 Uhr bis 18:30, Geschäftsführer und Inhaber, St.Gallen, Schweiz. Bellersheim (2002): Persönliches Unternehmergespräch mit Thomas Bellersheim (Bellersheim Unternehmensgruppe), 03.07.2002, 15:00 Uhr bis 17:00, Mitglied der Geschäftleitung und Teilinhaber, Neitersen, Deutschland. Bischoff (2003): Persönliches Unternehmergespräch mit Max Zuberbühler (Bischoff Textil AG) 26.08.2003, 14:00 Uhr bis 15:00, Geschäftsführer und Inhaber, St.Gallen, Schweiz. Creation Baumann (2004): Telefonisches Unternehmergespräch mit Markus Dübendorfer (Creation Baumann AG) 26.08.2003, 14:00 Uhr bis 15:00, Stellvetretender Geschäftsführer, Zürich, Schweiz. XII Verzeichnisse Gallus (2003): Persönliches Unternehmergespräch mit Klaus Bachstein und Ferdinand Rüesch (Ferd. Rüesch Gallus AG), 19.03.2003, 16:00 Uhr bis 18:30, Geschäftsführer bzw. Inhaber, St.Gallen, Schweiz. IBG (2003): Persönliches Unternehmergespräch mit Reto Graf (IBG AG), 01.07.2003, 11:00 Uhr bis 12:00, Geschäftsführer und Inhaber, St.Gallen, Schweiz. Mäder (2004): Telefonisches Unternehmergespräch mit Marco Mäder (Innenausbau Mäder AG), 29.01.2004, 10:00 Uhr bis 11:00, Geschäftsführer und Inhaber, Wangen, Schweiz. Martel (2003): Persönliches Unternehmergespräch mit Jan Martel (Martel AG), 03.06.2003, 14:00 Uhr bis 15:30, Mitglied der Geschäftsleitung, St.Gallen, Schweiz. Morant (2003): Persönliches Unternehmergespräch mit Markus Morant (Morant AG), 06.06.2003, 11:00 Uhr bis 12:00, Geschäftsführer und Inhaber, St.Gallen, Schweiz. MS (2003): Persönliches Unternehmergespräch mit Peter Stössel (MS Direct Marketing AG), 08.07.2003, 09:00 Uhr bis 10:00, Geschäftsführer und Inhaber, St.Gallen, Schweiz. Pronto (2003): Persönliches Unternehmergespräch mit Werner Herzog (pronto Reinigung AG), 24.09.2003, 14:00 Uhr bis 15:00, Geschäftsführer und Teilhaber, St.Gallen, Schweiz. Regloplas (2003): Persönliches Unternehmergespräch mit Dr. Rafael Stieger (Regloplas AG), 13.07.2003, 14:30 Uhr bis 15:30, Geschäftsführer und Teilhaber, St.Gallen, Schweiz. RIA (2002): Persönliches Unternehmergespräch mit Jochen Metz (RIA Unternehmensgruppe), 24.10.2002, 16:30 Uhr bis 18:00, Geschäftsführer und Teilinhaber, Blumberg, Deutschland. Rotho (2003): Persönliches Unternehmergespräch mit Rene Manke (Rotho AG), 30.06.2003, 17:30 Uhr bis 18:30, IT-Leiter, Schweiz. Salzmann (2003): Persönliches Unternehmergespräch mit Klaus Rechstein (Salzmann Medico AG), 08.05.2003, 16:30 Uhr bis 18:30, Geschäftsführer, St.Gallen, Schweiz. trendcommerce (2003): Persönliches Unternehmergespräch mit Oliver P. Kuenzler (trendcommerce AG), 07.07.2003, 14:00 Uhr bis 15:30, Geschäftsführer und Inhaber, St.Gallen, Schweiz. XIII Literaturverzeichnis AAKER, D.A./JACOBSON, R. (2001): The Value Relevance of Brand Attitude in HighTechnology Markets. In: Journal of Marketing Research, 38, November, 485-493. ABELL, D.F. (1980): Defining the business: The starting point of strategic planning, Englewood Cliffs. ABRATT, R. (1993): Segmentation practices of industrial marketers. In: Industrial Marketing Management, 22, 2, 79-84. AGARWAL, R. (1998): Small firm survival and technological activity. In: Small Business Economics, 11, 2, 215-224. ALBERS, S./KRAFFT, M. (2000): Regeln zur Bestimmung des fast-optimalen Angebotsaufwands. 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