Der Schuss ins Weltall

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Der Schuss ins Weltall
Wir wollen folgender Überlegung nachgehen:
Wenn wir einen Stein in die Höhe werfen, so geben wir diesem Stein eine ganz bestimmte
Energie in Form von kinetischer Energie Ekin = mv0²/2 mit. Je nach ihrer Größe wird der Stein
bis zu einer ganz bestimmten Höhe aufsteigen und dann wieder auf die Erde zurückfallen.
Sehen wir einmal von der Luftreibung ab, so können wir uns überlegen, ob ein endlicher
Energiebetrag ausreichen würde um den Stein so stark zu beschleunigen, dass er immer weiter
fliegen würde und vielleicht nie wieder auf die Erde zurückfallen würde. Dabei ist zu
beachten, dass der Stein immer von der Erde angezogen wird. Die Anziehungskraft nimmt
dem Newtonschen Gravitationsgesetz folgend zwar mit 1/r² ab, sie ist aber immer vorhanden.
r ist hier der Abstand zum Erdmittelpunkt. Kann das prinzipiell funktionieren?
Eine realistischer Formulierung dieses Problems:
Kann eine Rakete auf eine genügend hohe Geschwindigkeit beschleunigt werden, damit sie
sich nach Brennschluss frei fliegend immer weiter von der Erde wegbewegt ohne irgendwann
einmal wieder auf die Erde zurückzufallen? Oder wird es immer einen Umkehrpunkt geben?
?
v0
Erde
Das Newtonsche Gravitationsgesetz:
Zwei Massen m1 und m2 ziehen einander immer an. Diese Gravitationskraft ist dem Produkt
der beiden Massen direkt und dem Quadrat ihres Abstandes indirekt proportional.
F = G⋅
m1 ⋅ m 2
r2
(0.1)
F
F
m1
m2
r
Der Wert der Gravitationskonstanten: G = 6,67⋅10-11 m³ kg -1s -2
In der Physik wird die Verschiebungsarbeit durch das Weginteral der Kraft beschrieben:
s2
W = ∫ F(x)dx
(0.2)
s1
Der für den Schuss ins Unendliche notwendige Energiebetrag ist gleich der Hebearbeit von
der Erdoberfläche bis ins Unendliche. Mathematisch ausgedrückt:
∞
W∞ = ∫ F(r)dr
(0.3)
rE
Hierbei wird F(r) durch das Gravitationsgesetz (0.1) beschrieben. Wir wollen mit m1 die
Erdmasse und mit m2 die Raketenmasse bezeichnen. r ist der Abstand der Rakete vom
Erdmittelpunkt. Die wichtige Frage lautet: Ist W∞ ein endlicher Wert oder nicht?
b
b
W∞ = lim ∫ F(r)dr = lim ∫ G ⋅
b →∞
b →∞
rE
b
= G ⋅ m1 ⋅ m 2 ⋅ lim ∫
b →∞
rE
rE
m1 ⋅ m 2
dr =
r2
1
 1 b
dr = G ⋅ m1 ⋅ m 2 ⋅ lim  −  =
2
b →∞
r
 r  rE
 1 1  G ⋅ m1 ⋅ m 2
= G ⋅ m1 ⋅ m 2 ⋅ lim  − +  =
b →∞
rE
 b rE 
Der Energiewert ist also endlich! Wird dieser endliche Energiebetrag der Rakete bei Brenn–
schluss in Form von kinetischer Energie mitgegeben, so kann man sicher sein, dass die Rakete
sich immer weiter von der Erde wegbewegt und nie wieder auf sie zurückfallen wird. Von
Interesse ist in diesem Zusammenhang auch die maximale Geschwindigkeit, auf die die
Rakete beschleunigt werden muss. Um sie zu berechnen setzen wir W∞ gleich der kinetischen
Energie.
Ansatz:
W∞ = E kin
G ⋅ m1 ⋅ m 2 m 2 ⋅ v 0 2
=
rE
2
v 02 =
v0 =
2 ⋅ G ⋅ m1
rE
2 ⋅ G ⋅ m1
rE
(0.4)
Diese „Fluchtgeschwindigkeit“ hängt nur von den Daten der Erde ab und nicht von der
Raketenmasse! Die Raketenmasse m2 kürzt sich weg! Die Fluchtgeschwindigkeit stellt eine
für die Erde typische Geschwindigkeit dar. Sie wird auch 2. kosmische Geschwindigkeit
genannt.
Man kann (0.4) auch noch in einer etwas anderen Form angeben, in der die Erdmasse m1 und
die Gravitationskonstante G nicht mehr vorkommen. Da auf der Erdoberfläche die
Gravitations–kraft gleich Masse mal Gravitationsbeschleunigung ( g = 9,81m/s²) beträgt,
können wir schreiben:
G⋅
m1 ⋅ m 2
= m2 ⋅ g
rE 2
G⋅
m1
= g ⋅ rE
rE
Damit lässt sich (0.4) in der folgenden Form schreiben:
v 0 = 2 ⋅ g ⋅ rE
(0.5)
Hier braucht man nur den Erdradius rE = 6378 km und die Gravitationsbeschleunigung auf der
Erdoberfläche g = 9,81m/s² zu kennen. Man erhält dann:
v 0 = 11,2 km / s
(0.6)
Das ist also die Fluchtgeschwindigkeit von der Erde.
Die Flucht vom Mond:
Will man z.B. die Fluchtgeschwindigkeit vom Mond berechnen, so sind in (0.4) bzw. in (0.5)
die entsprechenden Monddaten einzusetzen. Es gilt: rMond = 1738 km und gMond = 1,62 m/s².
Daraus errechnet sich eine Fluchtgeschwindigkeit von „nur“ v0 = 2,38 km/s.
Resümee:
Die Endlichkeit des Energiewertes W∞ und die daraus resultierende Existenz von v0 ist eine
Folge der 1/r² Abhängigkeit der Gravitationskraft. Würde die Gravitationskraft nur mit 1/r
abnehmen, so wäre eine „Flucht“ von der Erde prinzipiell unmöglich. Ein schrecklicher
Gedanke!
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