40 Marketing Strategische Beratung Neue Herausforderungen mit systematischer Planung angehen Die täglichen Entscheide zum laufenden Geschäft dominieren alles. Trotzdem muss immer wieder überdacht werden, wie und was das Unternehmen zu bieten hat. Das braucht Zeit und Kraft, die oft fehlt. Hier können externe Berater einspringen. Johannes Müller «Kann ich mir Marketing leisten?» Mit diesem global gefassten Wortlaut sollte die Frage von keiner KMU-Geschäftsleitung gestellt werden. Turbulente Zeiten hin oder her. Wer an seine unternehmerische Idee, seine Dienstleistung, sein Produkt glaubt, darf das Marketing nicht nach den Theorien von «Reiner Zufall» betreiben. Nachhaltiger Erfolg erzielt nur, wer neue Herausforderungen rechtzeitig erkennt und ihnen schnell und überzeugend mit Lösungen oder Angeboten begegnet. Dazu braucht es eine systematische Planung. Den Spiegel vorhalten Gerät ein Unternehmer ins Stocken, wenn ein potenzieller Kunde nach den Stärken und Leistungen seines Unternehmens fragt, ist genau da anzusetzen. Gleich zu Beginn muss man sich darüber klar sein (oder werden), wohin man mit seiner Firma will und wie die Ziele erreicht werden können. Als Zweites führt man vor Augen, was das Unternehmen zu bieten hat, welche Tätigkeiten es sehr gut, gut und welche es weniger gut beherrscht. Aber auch, wel- KMU-Magazin Nr. 3, April 2004 ches Angebot oder welche Dienstleistung es besser nicht anbietet. Ziel dieser Übung ist, dass man – wann immer man danach gefragt wird – wie aus der Pistole geschossen das Angebot aufzählen kann. Der dritte Schritt ist den Mitbewerbern gewidmet: Was bieten diese, wie preisen sie es an, wo sind sie besser, wo schwächer? Sind diese Fragen geklärt, folgt als vierter Schritt die Überlegung, wohin sich die Branche entwickelt. Welche technologischen Fortschritte, welche gesellschaftlichen Veränderungen sind zu erwarten? Welchen Einfluss haben sie auf das eigene Geschäft, auf das eigene Angebot? Umkehr der Sichtweise Der letzte Schritt dieser Bestandesaufnahme befasst sich mit dem wichtigsten Faktor: den Kunden. Die modernen Kommunikationsmittel haben ihre Spuren hinterlassen. Die Kommunikation ist offener. Informationen über sich selbst und die Mitbewerber sind einfach zu haben. Das hievt Kundinnen und Kunden in eine stärkere Position. Der frühere Anbietermarkt hat sich zum Nachfragemarkt entwickelt. Die Meinungen und Bedürfnisse der Kunden sind demnach von zentralem Interesse. Sie zu kennen, ist überlebenswichtig. Marketing 41 Unterstützung von aussen Beispiel aus der Praxis Marketing ist Chefsache. Allerdings heisst das nicht, dass der Chef alles selbst machen muss. Zwei Gruppen von Menschen können ihm dabei helfen: die Mitarbeitenden und ein externer Berater. Die Mitarbeitenden, weil sie das Geschäft, das Angebot und die Kunden ähnlich gut wie der Chef oder noch besser kennen, ein externer Berater, um Sitzungen und Workshops vorzubereiten und Erarbeitetes zusammenzufassen und in eine Form zu bringen, wie sie für die weitere Arbeit notwendig ist. Einen externen Berater auch deshalb, weil er von aussen kommt und dadurch nicht mit den Alltäglichkeiten der Firma vor- und belastet ist und dadurch eine erfrischende Distanz zu allen Interna hat. Nachfolgend wird ein reales Beispiel aus der Praxis abgebildet. Es handelt sich um eine Familien-AG im Druckereigewerbe, die 1886 gegründet wurde und zurzeit 36 Mitarbeitende beschäftigt. Generationenwechsel in der Geschäftsleitung. Trotz intern vorhandenem Marketingwissen soll ein externer Berater die Aktualisierung der Marketingstrategie begleiten. Drei Gründe sind für den Geschäftsführer ausschlaggebend: die ohnehin knappen persönlichen Zeitressourcen, die Distanz zum Tagesgeschäft und der schwierige Transfer von theoretischem Wissen in die praktische Umsetzung. Die richtige Planung Externe Hilfe bei der Entwicklung strategischen Marketings und bei der Definition der konkreten Massnahmen in Anspruch zu nehmen, ist sinnvoll. Aber nur unter der Prämisse, dass die Unterstützung an Ort stattfindet, also im Betrieb. Denn genauso wichtig, wie die Resultate für das Marketing, ist der Weg dahin. Die Auseinandersetzung mit sich, dem Unternehmen und der eigenen Aufgabe löst bei allen Beteiligten einen Lernprozess von unschätzbarem Wert aus. Daraus entstehen eine spürbare Einstellungsveränderung und ein nachweislich höheres Engagement. Beim ersten Briefing mit der Geschäftsleitung wird der Rahmen der Zusammenarbeit abgesteckt. Der Geschäftsleiter ist mitten in der Neupositionierung der Firma und mit der Unternehmensstrategie, dem Leitbild und der Organisationsstruktur befasst. Da dies die Grundlagen des neuen Marketings sind, wird der Coachingauftrag sinnvollerweise auf diese Bereiche ausgedehnt. Mit diesem Briefing zurück in seinem Büro, entwirft der Berater den konkreten Ablaufplan. Darin sind Phasen, Ziele, Methoden, Zeitaufwand und Kosten festgehalten. Nachdem die Geschäftsleitung diesem Fahrplan zugestimmt hat, macht der Berater eine Bestandesaufnahme vorhandener Arbeiten zum Thema: Diplomarbeiten aus Führungskursen, Unterlagen aus Lehrgängen, frühere Massnahmen, Angefangenes und Unausgereiftes. Alles zum Thema «Unternehmensstrategie & Marketing» ist von Interesse; Gedanken, die von jemandem im Unternehmen bereits einmal festgehalten wurden, müssen nicht noch einmal gesponnen werden. Aufgaben koordinieren Die Bestandesaufnahme hat zum Erstaunen aller gezeigt, dass die Unternehmensstrategie, die Positionierung, die Definition der strategischen Geschäftsfelder und das Leitbild bis auf wenige Lücken bereits bestehen. Eine Basis, die ein speditives und Ergebnis-orientiertes Vorgehen erlaubt. Zusammen mit dem Geschäftsleiter vervollständigt der Berater die Grundlagenpapiere in drei intensiven Sitzungen. Die definitiven Formulierungen und die saubere Aufbereitung der Arbeitsergebnisse sind Aufgabe des Beraters. Zwei Vorteile entstehen daraus: Der Geschäftsführer kann sich auf das Tagesgeschäft konzentrieren, während der Berater die Resultate in Ruhe überprüft und die nächsten Schritte plant. Brainstorming-Regeln 1. Jegliche Kritik ist ausgeschaltet. 2. Je mehr Ideen, desto wahrschein licher ist ein Treffer. 3. Jede Idee ist willkommen, ohne Rücksicht auf Anwendbarkeit und Nützlichkeit. 4. Jede Idee wird sichtbar für alle Teilnehmer grosszügig notiert. KMU-Magazin Nr. 3, April 2004 42 Marketing Wichtige Informationen über Kunden, Mitbewerber und Entwicklungstendenzen in der Druckereibranche sind bei allen Angestellten in leitender Position und im Verkauf mannigfaltig vorhanden. Eine kostengünstige Quelle an breitem Wissen und langjähriger Erfahrung. Sie gilt es für die weiteren, wichtigen Schritte nutzbar zu machen. Dieses aus der täglichen Arbeit entwickelte Know-how ist wertvoller und konkreter als die Resultate aus aufwändigen Marktforschungen. Hier hilft den KMU die Nähe zum Markt. Dieser Vorteil führt schneller auf die Zielgerade. Die Kundensicht bestimmt Der selbe Workshop soll Klarheit darüber verschaffen, welche starken Verkaufsargumente (key buying factors) innerhalb der einzelnen Geschäftsfelder angebracht werden müssen. In Kleingruppen werden in Form von Brainstormings alle möglichen Argumente gesammelt. Auch hier zeigt, sich wie Zeit sparend und nützlich der reiche Erfahrungsschatz der Verkaufsmitarbeiter ist. Die Resultate werden im Plenum zusammengetragen und gemeinsam nach Wichtigkeit unterteilt. Was den Coach nun brennend interessiert, ist die Einschätzung der eigenen Stärken gegenüber diesen Verkaufsargumenten. Diese persönlichen Statements macht jedes Teammitglied mit einem einfachen Forumlar als Hausaufgabe. Vorgehen entwickeln Die Knochenarbeit ist gemacht. Die Verkaufsmitarbeiter kümmern sich wieder um ihre Kunden und deren Anliegen, die Geschäftsleitungsmitglieder um ihre täglichen Aufgaben. Jetzt ist die kreative Zeit des Beraters gekommen. Die Resultate sämtlicher Themen sind in einer Matrix Vorschläge aus dem Team Die strategischen Geschäftsfelder sind definiert, das Leistungprogramm bekannt. An dieser Struktur wird gemessen, wo die Mitbewerber besonders stark, Mittelmass oder eher schwach sind. Dazu lädt der Berater das ganze Verkaufsteam zu einem Workshop ein. Die angeregte Diskussion zeigt, dass die täglichen Gespräche mit Kunden und Lieferanten ein sehr genaues Bild über die Mitbewerber zeichnen. Als Nächstes wird diskutiert, inwiefern technische oder gesellschaftliche Entwicklungen Einfluss auf die Geschäftsfelder und somit auf das Angebot haben werden. Polaritätenprofil nach Geschäftsfeldern Interessensfelder Je grösser der grüne Bereich, desto interessanter ist das Unternehmen für den Kunden. Im blauen Bereich gilt es, bestehende Kunden eng zu binden. KMU-Magazin Nr. 3, April 2004 Aus diesem Profil lassen sich wirkungsorientierte Massnahmen ableiten. Zum Beispiel: Priorisierung von GF 5 oder interne Ausbildung in GF 7. Marketing 43 festgehalten. Durch Kombination und Verknüpfung der Betrachtungswinkel kann er unterschiedliche Schlüsse ziehen und entsprechende Massnahmen ableiten. Nicht nur das taktische Marketing bekommt seine Impulse aus dieser Auswertung. Sie deckt zugleich Ausbildungsmängel auf, gibt Anlass, Investitionsentscheide zu überdenken, Prozesse zu Gunsten einer besseren Wertschöpfung neu zu definieren und stellt gewisse Angebote infrage. halten, und Gespräche mit Lieferanten sind konkreter geworden. Man hört seither besser hin. Die Geschäftsleitung plant interne Kurse, um Wissenslücken zu füllen, und hat eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die Arbeitsabläufe in attraktiven, aber (noch) nicht rentablen Geschäftsfeldern optimiert. Die letzte Aufgabe des externen Beraters ist es nun, die Marketingmassnahmen zu erarbeiten, die zielgerichtet und wirkungsorientiert die weiteren Geschäfte des Unternehmens unterstützen. Vielseitig positive Effekte Der Kreis schliesst sich Seit der Gruppenarbeit und der Präsentation der Resultate ist im Verkaufsteam die Sensibilität gegenüber der eigenen Arbeit merklich gestiegen. Die Pflege der Kundenkontake hat eine neue Bedeutung er- Dies ist ein reales Beispiel aus der Praxis. Das beschriebene Unternehmen steht für Tausende anderer KMU in der Schweiz. Es zeigt exemplarisch, wie KMU in relativ kurzer Zeit wirkungsorientierte Massnahmen entwickeln, die zu markt- und kundengerechten Angeboten führen: durch systematisches Vorgehen, solide Basisarbeit, durch Nutzung eigener Potenziale und mit Hilfe eines externen Beraters. Allerdings ist dieser Prozess nie abgeschlossen ist. Er ist ein andauernder Lern- und Erneuerungszyklus im Sinne kontinuierlicher Verbesserungsprozesse (KVP) quer durch alle Organisationseinheiten. Der Lern- und Erneuerungszyklus Fragen? Johannes Müller Berater, Konzepter, Texter Mitinhaber Schenk, Müller & Partner AG Werbeagentur ASW, Basel www.smpbasel.com Der Prozess «Marketing» ist ein kontinuierlicher Lern- und Erneuerungszyklus. ASW, Allianz Schweizer Werbeagenturen Ankerstrasse 53, 8026 Zürich Telefon 01 831 15 50 www.asw.ch KMU-Magazin Nr. 3, April 2004