Chemische Technik / Verfahrenstechnik Alfons Mersmann · Matthias Kind · Johann Stichlmair Thermische Verfahrenstechnik Grundlagen und Methoden 2., wesentlich erweiterte und aktualisierte Auflage mit 428 Abbildungen 13 Professor Dr.-Ing. Alfons Mersmann Kolumbusstr. 5b 81543 München Professor Dr.-Ing. Matthias Kind Universität Karlsruhe Institut für Thermische Verfahrenstechnik 76128 Karlsruhe [email protected] Professor Dr.-Ing Johann Stichlmair Universität München Lehrstuhl für Fluidverfahrenstechnik Boltzmannstr. 15 85747 Garching [email protected] Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 10 3-540-23648-1 Springer Berlin Heidelberg New York ISBN 13 978-3-540-23648-1 Springer Berlin Heidelberg New York Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepub-lik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2005 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buch berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Sollte in diesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien (z. B. din, vdi, vde) Bezug genommen oder aus ihnen zitiert worden sein, so kann der Verlag keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernehmen. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls für die eigenen Arbeiten die vollständigen Vorschriften oder Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung hinzuzuziehen. Einbandgestaltung: medionet AG, Berlin Satz: Druckvorlage des Autors Gedruckt auf säurefreiem Papier 68/3020/m - 5 4 3 2 1 0 Vorwort Vor einem Vierteljahrhundert ist die erste Auflage dieses Buches erschienen. Das Buch - damals konventionell in Bleilettern gedruckt - war als preiswertes Lehrbuch für Studenten konzipiert. Heute nach 25 Jahren ist unsere Welt einerseits schnelllebiger und andererseits grundsätzlicher geworden. So haben sich die Autoren dieser zweiten Auflage gefragt: Soll man im Internet-Zeitalter noch Bücher schreiben und, wenn ja, wie und für wen und in welcher Sprache? Das vorliegende Buch ist unsere Antwort auf diese Fragen. Wir hoffen, dass sich sowohl studentische Anfänger als auch erfahrene Ingenieure und Naturwissenschaftler mit der Darstellung des Themas anfreunden und aus dem Buch Nutzen ziehen werden. Wir haben das Buch so konzipiert, dass man es zwar von der ersten bis zur letzten Seite lesen könnte. Da es aber solche Leser kaum geben wird, eignet sich das Buch auch als Nachschlage- und Vertiefungswerk für Anfänger und Experten. Auch wenn heute das Konzept der Unit Operations oft als überholt angesehen wird, haben wir es in Teilen des Buches als grobe Orientierung beibehalten. Denn es gibt ja nicht nur die intelligent-abstrahierenden Leser, sondern auch solche, die über konkrete Problemstellungen den Weg zur Thermischen Verfahrenstechnik finden wollen. Der Umfang des Werkes ist für Studenten innerhalb der Regelstudienzeit sicher zu groß und für den Spezialisten eher zu gering. Die verwendeten Formelzeichen stellen einen Kompromiss dar zwischen dem, was national und international üblich ist. Beim Literaturverzeichnis haben wir uns auf Wichtiges beschränkt, um den Lesefluss nicht zu beeinträchtigen. Wir kommen zur Frage zurück: Soll man noch Bücher schreiben? Seit Gutenberg werden Bücher gedruckt und gelesen. Goethe schrieb vor mehr als zwei Jahrhunderten: Denn was man Schwarz auf Weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen. Goethe konnte noch nicht wissen, dass es heute Computer, Kopierer und Internet gibt. Sonst hätte er vielleicht geschrieben: VI Vorwort Denn was im Elektronenhirn gespeichert, bleibt erhalten, doch leider nicht im Menschenhirn mit manchen leeren Falten. Wir meinen, dass nicht der computergläubige, sondern der denkende Mensch vor Schwarz auf Weiß eine kritische Distanz zum Anliegen der Thermischen Verfahrenstechnik erlangen kann. München, im April 2005 A. Mersmann, M. Kind, J. Stichlmair Inhaltsverzeichnis Formelzeichen XIII Einleitung 1 1 Phasengleichgewichte 5 1.1 1.1.1 1.1.1.1 1.1.1.2 1.1.2 1.1.2.1 1.1.2.2 1.1.2.3 1.1.2.4 1.1.3 1.1.4 1.1.4.1 1.1.4.2 1.1.4.3 1.1.4.4 1.1.4.5 Flüssigkeit/Gas-Systeme Verhalten reiner Stoffe Dampfdruck Dampfdruck an stark gekrümmten Flüssigkeitsflächen Verhalten von binären Gemischen Dampfdruck binärer verdünnter Lösungen Gefrierpunkterniedrigung Das Raoultsche Gesetz Das Henrysche Gesetz Verhalten idealer Gemische Reales Verhalten von Flüssigkeitsgemischen Die Gibbs-Duhem-Gleichung Phasenumwandlungs-, Mischungs- und Bindungswärmen Exzessgrößen Aktivität und Aktivitätskoeffizient Fugazität und Fugazitätskoeffizient, Gleichgewichtskonstante 6 6 7 12 14 14 23 24 26 27 34 37 44 50 52 54 1.2 Flüssigkeit/Flüssigkeit-Systeme 57 1.3 Flüssigkeit/Feststoff-Systeme 62 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4 1.4.5 1.4.6 Sorptionsgleichgewichte Sorption einer Komponente Phasenänderungs- und Bindungswärme Adsorption von zwei und mehr Komponenten Voraussage von Einkomponenten-Adsorptions-Isothermen Molekülbasierte Voraussage von Adsorptionsisothermen Voraussage von Mehrkomponenten-Adsorptions-Gleichgewichten 68 68 74 76 81 84 88 1.5 Enthalpie-Konzentrations-Diagramm 96 VIII Inhaltsverzeichnis 2 Grundlagen der Ein- und Mehrphasenströmung 111 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5 2.1.6 2.1.7 2.1.8 Einige Gesetze der Einphasenströmung Massenerhaltungssatz und Kontinuitätsgleichung Wirbelfreie Bewegung und Wirbelbewegung Das zähe Fluid Navier-Stokes-, Euler- und Bernoulli-Gleichungen Laminare und turbulente Strömung in Rohren und Öffnungen Das turbulente Strömungsfeld Molekularströmung und Molekulardiffusion Filmströmung an senkrechten Wänden 112 112 113 114 114 117 122 123 125 2.2 Gegenstrom von Gas und Flüssigkeit im senkrechten Rohr 128 2.3 Ähnlichkeitstheorie und Kennzahlen, Bedeutung der Kennzahlen 130 2.4 Kennzeichnung von Partikelsystemen 132 2.5 Durchströmte Festbetten 136 2.6 2.6.1 2.6.2 Disperse Systeme im Erdschwerefeld Die Endsteig- oder Endfallgeschwindigkeit einzelner Teilchen Volumenanteile (Fließbetten, Sprüh-, Blasen- und Tropfensäulen) 137 140 144 2.7 Erzwungene Großraumströmungen in Rührwerken 149 3 Bilanzierung, Wärme- und Stoffübertragung 163 3.1 Einführung 163 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.2.1 3.2.2.2 3.2.2.3 3.2.2.4 3.2.2.5 Bilanzierung Grundlagen Beispiele für Bilanzierungen ohne kinetische Vorgänge Beispiel: Füllen eines Behälters Beispiel: Behälter mit Ablauf Beispiel: Temperaturverlauf eines gerührten Behälters Beispiel: Isotherme Verdunstung von Wasser Beispiel: Bilanzierung einer Kristallisationsanlage 164 164 169 169 170 172 174 176 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.2.1 3.3.2.2 3.3.2.3 3.3.2.4 3.3.2.5 3.3.2.6 Wärme- und Stoffübertragung Kinetische Ansätze Wärme- und Stoffübergangskoeffizienten Wärme- und Stoffübertragung bei erzwungener Konvektion Wärme- und Stoffübertragung in Partikelsystemen Wärme- und Stoffübertragung bei freier Konvektion Wärmeübertragung an fluidisierte Systeme Instationäre Wärme- und Stoffübertragung Wärmeübergang an kondensierende Dämpfe 182 182 187 187 189 192 194 195 197 Inhaltsverzeichnis IX 3.3.2.7 3.3.3 3.3.3.1 3.3.3.2 3.3.3.3 3.3.3.4 3.3.3.5 Wärmeübergang bei der Verdampfung von reinen Flüssigkeiten Beispiele für Bilanzierungen mit kinetischen Vorgängen Beispiel: Dampfbeheizter Rührkessel Beispiel: Flüssigkeitsgekühlter Rührkessel Beispiel: Instationärer Stofftransport in Kugeln Beispiel: Isotherme Verdunstung eines binären Gemisches Beispiel: Bilanzierung eines Rohrbündel-Wärmeübertragers 199 204 204 207 210 214 219 4 Destillation, Rektifikation, Absorption 225 4.1 4.1.1 4.1.1.1 4.1.1.2 4.1.1.3 4.1.2 4.1.2.1 4.1.2.2 4.1.2.3 4.1.3 4.1.3.1 4.1.3.2 Destillation Grundlagen Betriebsweisen Phasengleichgewicht Siedepunkt, Taupunkt Kontinuierliche geschlossene Destillation Binäre Gemische Vielstoffgemische Flashdestillation Diskontinuierliche offene Destillation, Batchdestillation Batchdestillation binärer Gemische Batchdestillation ternärer Gemische 226 226 226 227 233 235 236 237 238 240 240 243 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.2.1 4.2.2.2 4.2.2.3 4.2.2.4 4.2.3 4.2.3.1 4.2.3.2 4.2.3.3 Rektifikation Grundlagen Kontinuierliche Rektifikation Rektifikation binärer Gemische Rektifikation ternärer Gemische Rektifikation von Vielstoffgemischen Reaktivrektifikation Batchrektifikation Batchrektifikation binärer Gemische Batchrektifikation ternärer Gemische Batchreaktivrektifikation 244 245 248 248 262 277 280 284 285 289 293 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.2.1 4.3.2.2 4.3.2.3 4.3.2.4 4.3.3 Absorption, Desorption Absorptionsgleichgewicht Physikalische Absorption Minimale Waschmittelmenge Minimale Strippgasmenge Graphische Bestimmung der Zahl der Gleichgewichtsstufen Vergleich zwischen Absorption/Desorption und Rektifikation Chemische Absorption, Chemisorption 296 297 299 299 300 300 304 305 4.4 4.4.1 Gestaltung und Dimensionierung von Stoffaustauschkolonnen Bodenkolonnen 310 310 X Inhaltsverzeichnis 4.4.1.1 4.4.1.2 4.4.1.3 4.4.2 4.4.2.1 4.4.2.2 4.4.2.3 Arbeitsbereich von Bodenkolonnen Zweiphasenströmung auf Kolonnenböden Stoffübergang in der Zweiphasenschicht auf Kolonnenböden Packungskolonnen Arbeitsbereich von Packungskolonnen Zweiphasenströmung in Packungskolonnen Stoffübergang in Packungskolonnen 312 315 322 324 328 330 336 5 Extraktion 345 5.1 5.1.1 Phasengleichgewicht Wahl des Extraktionsmittels 346 349 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 Thermodynamische Berechnung der Extraktion Einstufige Extraktion Vielstufige Kreuzstrom-Extraktion Vielstufige Gegenstrom-Extraktion 350 351 353 354 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 Bauformen von Extraktionsapparaten Apparate für die Solventextraktion Wahl der dispersen Phase Phasenscheider 358 358 363 364 5.4 5.4.1 5.4.2 Dimensionierung von Flüssig/flüssig-Extraktoren Fluiddynamische Auslegung Stoffübergang in Extraktraktionsapparaten 368 368 376 6 Verdampfen und Kondensieren 385 6.1 Verdampferbauarten 386 6.2 Vielstufenverdampfung 391 6.3 Kondensatorbauarten 399 6.4 Auslegung von Verdampfern und Kondensatoren 401 6.5 Brüdenverdichtung 408 6.6 Verdampfungsverfahren 409 7 Kristallisation 413 7.1 7.1.1 7.1.2 Grundlagen und Gleichgewichte Grundlagen Gleichgewichte 413 414 417 7.2 7.2.1 Kristallisationsverfahren und -apparate Kühlungskristallisation 418 419 Inhaltsverzeichnis XI 7.2.2 7.2.3 7.2.4 7.2.5 7.2.5.1 7.2.5.2 Verdampfungskristallisation Vakuumkristallisation Verdrängungs- und Reaktionskristallisation Kristallisationsapparate Kristallisation aus Lösungen Kristallisation aus Schmelzen 420 421 422 423 423 427 7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.3.4 Bilanzen Stoffbilanz des kontinuierlich betriebenen Kristallisators Stoffbilanz des Batch-Kristallisators Energiebilanz des kontinuierlich betriebenen Kristallisators Anzahlbilanz 434 434 439 442 444 7.4 7.4.1 7.4.1.1 7.4.1.2 7.4.1.3 7.4.2 7.4.2.1 7.4.2.2 7.4.2.3 7.4.3 7.4.4 Kristallisationskinetik Keimbildung und metastabiler Bereich Aktivierte Keimbildung Heterogene Keimbildung Abriebskeimbildung Kristallwachstum Diffusionskontrolliertes Kristallwachstum Integrationskontrolliertes Kristallwachstum Wachstum mit Diffusions- und Integrationswiderstand Aggregation und Agglomeration Keimbildung und -Wachstum in MSMPR-Kristallisatoren 448 448 449 454 457 458 460 460 462 465 474 7.5 Auslegung von Kristallisatoren 476 8 Adsorption 483 8.1 Technische Adsorbentien 483 8.2 Adsorptionsapparate 487 8.3 Sorptionsgleichgewichte 493 8.4 8.4.1 8.4.2 8.4.3 Ein- und mehrstufige Adsorber Die einstufige Apparatur Die Kreuzstromschaltung Die Gegenstromschaltung 494 494 495 497 8.5 8.5.1 8.5.2 8.5.3 8.5.4 Adsorptionskinetik Vereinfachte Lösungen für das Festbett Vereinfachte Lösung für das Einzelpartikel Kinetische Transportkoeffizienten Der adiabate Festbettadsorber 499 504 509 512 518 8.6 Regenerieren der Adsorbentien 524 8.7 Adsorptionsverfahren 527 XII Inhaltsverzeichnis 9 Trocknung 533 9.1 Bauarten von Trocknern 534 9.2 9.2.1 9.2.2 9.2.3 Trocknungsgüter und Trocknungsmittel Trocknungsgüter Trocknungsmittel Trocknen durch Strahlung 539 539 544 544 9.3 Die einstufige Apparatur im Enthalpie-Beladungs- Diagramm 545 9.4 Bilanzen einer mehrstufigen Apparatur 551 9.5 Strömungs- und wärmetechnische Auslegung 553 9.6 9.6.1 9.6.2 9.6.3 Trocknungsverlauf I. Trocknungsabschnitt Der Knickpunkt II. Trocknungsabschnitt 554 555 558 559 9.7 Einige Trocknungsverfahren 564 10 Konzeptuelle Prozessentwicklung 569 10.1 Prozesse zur Zerlegung binärer Stoffgemische 571 10.2 10.2.1 10.2.2 10.2.3 Prozesse zur Zerlegung zeotroper Mehrkomponentengemische Basisprozesse zur Zerlegung ternärer Gemische Prozesse mit Seitenkolonnen Thermische Kopplung 578 579 583 589 10.3 10.3.1 10.3.2 10.3.3 Prozesse zur Zerlegung azeotroper Gemische Prozesse zur Zerlegung von Heteroazeotropen Druckwechselrektifikation Zerlegung azeotroper Gemische unter Verwendung eines Entrainers 593 593 595 597 10.4 Hybridprozesse zur Zerlegung azeotroper Gemische 602 10.5 Reaktivrektifikation 610 Literaturverzeichnis 613 Sachverzeichnis 635 Formelzeichen A A a a a B B· b Cs c c̃ cp c̃ p cv c̃ v cw D D· D D D AB , D ij d dh dp d 32 E E E E· e F F F· F ˜f i 2 m 2 3 m ⁄m m kmol kmol ⁄ s m 2 4 W ⁄ (m K ) 3 kg ⁄ m 3 kmol ⁄ m kJ ⁄ ( kg K ) kJ ⁄ ( kmol K ) kJ ⁄ ( kg K ) kJ ⁄ ( kmol K ) kmol kmol ⁄ s m 2 m ⁄s 2 m ⁄s m m m m kJ kg kg ⁄ s As N kmol kmol ⁄ s kJ kJ ⁄ kmol Konstante Fläche, Austauschfläche volumenbezogene Phasengrenzfläche Amplitude Aktivität (Boden-, Sumpf-) Produkt (Boden-, Sumpf-) Produktstrom Breite Strahlungszahl Massenkonzentration Molkonzentration spezifische Wärmekapazität bei konstantem Druck molare Wärmekapazität bei konstantem Druck spezifische Wärmekapazität bei konstantem Druck molare Wärmekapazität bei konstantem Volumen Widerstandsbeiwert (Kopf-) Produkt, Destillat (Kopf-) Produktstrom, Destillatstrom Durchmesser (größerer-, Apparate-) Dispersionskoeffizient molekularer Diffusionskoeffizient Durchmesser (kleinerer-,Kugel-,Teilchen-, Rohr-, Rührer) hydraulischer Durchmesser Partikeldurchmesser 3 2 Sauterdurchmesser ( d 32 = 6n d ⁄ 6n d ) Energie Effizienz, Beschleunigungsfaktor Extrakt Extraktstrom – 19 Elementarladung ( e = 1, 06 10 As ) Kraft Zulauf (Feed) Zulaufstrom (Feedstrom) freie innere Energie partielle molare freie innere Energie XIV f f f f G · G G g g̃ g̃ i H h H h h˜ h˜ i 'h̃ i 'h̃ iB 'h 'h̃ I K k k k k kd L l L L· M M· M̃ m· N N NA N N· n· n Formelzeichen Pa 2 m 1⁄s kmol kmol ⁄ s kJ kJ ⁄ kg kJ ⁄ kmol kJ ⁄ kmol m m kJ kJ ⁄ kg kJ ⁄ kmol kJ ⁄ kmol kJ ⁄ kmol kJ ⁄ kmol kJ ⁄ kg kJ ⁄ kmol kg m ⁄ s kJ ⁄ K 2 W ⁄ (m K) 2 kmol ⁄ ( m s ) m⁄s m m kmol kmol ⁄ s kg kg ⁄ s kg ⁄ kmol 2 kg ⁄ ( m s ) 3 1⁄m 1 ⁄ kmol kmol kmol ⁄ s 2 kmol ⁄ ( m s ) Freiheitsgrad Fugazität Querschnittsfläche Frequenz Gas, G-Phase Gasstrom, G-Phasenstrom freie Enthalpie spezifische freie Enthalpie molare freie Enthalpie partielle molare freie Enthalpie Abstand, Gesamthöhe Höhe Enthalpie spezifische Enthalpie molare Enthalpie partielle molare Enthalpie partielle molare Mischungsenthalpie partielle molare Bindungsenthalpie spezifische Phasenänderungsenthalpie, Verdampfungsenthalpie molare Phasenänderungsenthalpie Impuls Gleichgewichtskonstante Zahl der Komponenten – 26 Boltzmannkonstante ( k = 1, 38 10 kJ ⁄ K ) Wärmedurchgangskoeffizient Stoffübergangskoeffizient Stoffübergangskoeffizient (Gesamt-) Länge Länge Flüssigkeit (L-Phase) Flüssigkeitsstrom (L-Phasenstrom) Masse Massenstrom molare Masse Massenstromdichte Zahl (Übergangseinheiten, Molekülschichten) Zahl der Teilchen pro Volumen Avogadro-Konstante oder Loschmidt-Konstante 26 ( N A = 6, 022 10 1 ⁄ kmol ) Stoffmenge Stoffmengenstrom Stoffstromdichte Zahl (Trennstufen, Teilchen) Formelzeichen n P p p pc pi o pi pr 'p Q Q· q· R R R R· R˜ 1⁄s W Pa Pa Pa Pa Pa kJ kJ ⁄ s = kW 2 W⁄m m kg k⁄s kJ ⁄ ( kmol K ) Ri kJ ⁄ ( kg K ) r r r̃ S S· S s s̃ s˜i s T T T· T Tb Tc Tr Ts t U u ũ ũ i u m kJ ⁄ kg kJ ⁄ kmol kg k⁄s kJ ⁄ K kJ ⁄ ( kg K ) kJ ⁄ ( kmol K ) kJ ⁄ ( kmol K ) m 2 2 kg m ⁄ s kg kg ⁄ s K K K K s kJ kJ ⁄ kg kJ ⁄ kmol kJ ⁄ kmol m⁄s XV Drehfrequenz Leistung Zahl der Phasen Gesamtdruck kritischer Druck Partialdruck der Komponente i Dampfdruck der Komponente i reduzierter Druck Druckdifferenz, -verlust Wärme Wärmestrom Wärmestromdichte Radius (Rohr-, Kugel-, Partikel-) Rückflussverhältnis Raffinat Raffinatstrom allgemeine Gaskonstante ( R˜ = 8, 314kJ ⁄ ( kmol K ) ) spezielle Gaskonstante der Komponente i ( R i = R˜ ⁄ M˜ i ) Radius spezifische Verdampfungswärme molare Verdampfungswärme Feststoff (Solid) Feststoffstrom Entropie spezifische Entropie molare Entropie partielle molare Entropie der Komponente i Dicke, Lauflänge Drehmoment Trägerstoff Trägerstoffstrom absolute Temperatur Siedetemperatur bei Normaldruck kritische Temperatur reduzierte Temperatur Schmelztemperatur eines reinen Stoffes Zeit innere Energie spezifische innere Energie molare innere Energie partielle molare innere Energie Geschwindigkeit (x-Koordinate) XVI Formelzeichen 3 V V· v· v v ṽ ṽ i W W· w w wo m 3 m ⁄s 3 2 m ⁄ (m s) m⁄s 3 m ⁄ kg 3 m ⁄ kmol 3 m ⁄ kmol kJ W kJ ⁄ kg m⁄s m⁄s ws w ss m⁄s m⁄s Xi kg ⁄ kg X˜ i kmol ⁄ kmol xi kg ⁄ kg x̃ i kmol ⁄ kmol x Yi m kg ⁄ kg Y˜ i kmol ⁄ kmol yi kg ⁄ kg ỹ i kmol ⁄ kmol y Z z zi m m kg ⁄ kg z̃ i kmol ⁄ kmol Volumen Volumenstrom Volumenstromdichte Geschwindigkeit (y-Koordinate) spezifisches Volumen molares Volumen partielles molares Volumen Arbeit Leistung = Arbeit pro Zeit spezifische Arbeit Geschwindigkeit (z-Koordinate) Geschwindigkeit in einer Öffnung (Loch, Blende, Düse) Sink- bzw. Steiggeschwindigkeit eines Einzelpartikels Sink- bzw. Steiggeschwindigkeit eines Partikelschwarms Massenbeladung der Komponente i (Adsorbat-, Flüssig-, Raffinatphase) Molbeladung der Komponente i (Adsorbat-, Flüssig-, Raffinatphase) Massenanteil der Komponente i (Adsorbat-, Flüssig-, Raffinatphase) Molanteil der Komponente i (Adsorbat-, Flüssig-, Raffinatphase) karthesische Koordinate Massenbeladung der Komponente i (Adsorptiv-, Gas-, Extraktphase) Molbeladung der Komponente i (Adsorptiv-, Gas-, Extraktphase) Massenanteil der Komponente i (Adsorptiv-, Gas-, Extraktphase) Molanteil der Komponente i (Adsorptiv-, Gas-, Extraktphase) karthesische Koordinate Realgasfaktor karthesische Koordinate Massenanteil der Komponente i im Mehrphasensystem Molanteil der Komponente i im Mehrphasensystem Griechische Symbole D relative Flüchtigkeit Formelzeichen D D E Eh E J G H H Hc Hd K / O P U Ũ V W W M M M Z XVII 2 W ⁄ (m K) m⁄s m⁄s 1⁄K m W ⁄ kg Pa s °C m W ⁄ (m K) kJ ⁄ kmol 3 kg ⁄ m 3 kmol ⁄ m 2 J⁄m = N⁄m Pa s 1⁄s Dissoziationsgrad Wärmeübergangskoeffizient Stoffübergangskoeffizient Stoffübergangskoeffizient, halbdurchlässig räumlicher Ausdehnungskoeffizient Aktivitätskoeffizient Dicke, Filmdicke spezifische Leistung Lückenvolumen Volumenanteil der kontinuierlichen Phase Volumenanteil der dispersen Phase dynamische Viskosität Celsius-Temperatur mittlere freie Weglänge Wärmeleitfähigkeit chemisches Potential Dichte molare Dichte Ober-, Grenzflächenspannung Schubspannung Verweilzeit Fugazitätskoeffizient relative Sättigung relativer freier Querschnitt, Volumenanteil Winkelgeschwindigkeit Indices A a ads agg anh AS at ax BCF BL B+S b c circ col dif (Ober-) Fläche Aktivität Adsorption Agglomeration Anhydrat Avoidance of settling Atom axial Burton-Cabrera-Frank Bottom Lifting Birth and spread boiling kristallin, kritisch Zirkulation Kollision Diffusion XVIII Formelzeichen dis eff for G g h het hom hyd I i id L lam m macro max micro min opt p PN rel S s ss sus T tot turb V vdW w Disruption, Dispersion effektiv foreign Gas geometrisch halbdurchlässig heterogen homogen Hydrat Interface Komponente i ideal Flüssigphase (Liquid) laminar Molekül, molar Makro Maximalwert Mikro Minimum optimal Partikel Polynuklear relativ Feststoff (Solid) Sinken, Seed Sinken im Schwarm Suspension total total turbulent Vickers, Volumen van der Waals Geschwindigkeit D Z Beginn Ende Dimensionslose Kennzahlen Strömungskennzahlen 3 2 d g U c 'U Re Ar = ---------------------------------= -------2 Fr Kc Archimedes-Zahl Formelzeichen XIX 'p Eu = -------------2 Uw DE t Fo E = -----------2 L 2 w Fr = ---------dg Euler-Zahl Dispersions-Fourier-Zahl Froude-Zahl 2 w Uc Fr = --------------------d g 'U 3 2 modifizierte Froude-Zahl im Zweiphasensystem 2 Re d U g Ga = ---------------------- = --------2 Fr K wdU Re = ------------------K Galilei-Zahl Reynolds-Zahl 2 w dU We = --------------------V Weber-Zahl 2 Ug We -------- = d-------------------V Fr Bond-Zahl (in US-Literatur) 2 'U gWe- = d------------------------------V Fr modifizierte Kennzahl im Zweiphasensystem Lf Sr = --------w Strouhal-Zahl Kennzahlen der Wärme- und Stoffübertragung Ot Fo = -----------------2 Ucs D -t Fo = --------2 s 3 2 L g '- U E Gr = -----------------------------------------2 Kc O Le = -----------------UDc LNu = D ---------O wLUc Pe = -------------------------O cL ( -G – -O ) Ph = --------------------------------'h LG cPr = K --------O Fourier-Zahl der Wärmeübertragung Fourier-Zahl der Stoffübertragung Grashof-Zahl der Wärmeübertragung Lewis-Zahl Nusselt-Zahl Peclet-Zahl Phasenwandlungszahl Prandtl-Zahl XX Formelzeichen K Sc = -----------UD Schmidt-Zahl L Sh = E ---------D Sherwood-Zahl wc H Bo c = ----------------------------------( 1 – H d ) D ax, c wd H Bo d = ----------------Hd D Bodensteinzahl der kontinuierlichen Phase Bodensteinzahl der dispersen Phase ax, d § K L · 1 / 3 H d v· L -¸ -------------B = ¨ -------------Hc dp © U L g 2¹ 2 1⁄5 3 * d p ,max § Uc H · -¸ = d p, max ¨ -------------3 © V ¹ Maximaler Durchmesser fluider Partikel im turbulenten Feld 2 3 V U Fl = -----------------------4 K c 'U g 3 Dimensionslose Berieselungsdichte Fluidkennzahl disperser Systeme 2 V U K F = --------------4 K g Filmkennzahl (Rieselfilm) 2 UG wG - Kennzahl des Gas/Rieselfilm-Gegenstromes K w = ] ------ ---------------------------------UL ( g K ⁄ U )2 ⁄ 3 L L 3 § U c H· -¸ l s = l s ¨ ----------3 © Kc ¹ P Ne = ---------------------5 3 Un d 1⁄4 V· circ N v = -----------3 nd NTU = Dimensionsloses Mikromass der Turbulenz Leistungszahl eines Rührers Volumenstromzahl eines Rührers dy ³ ------------y – y Zahl der Übergangseinheiten nt Durchmischungskennzahl d m k d c 2 ⁄ 3 U P = --------------- § -----· ln ----cD AB © U c¹ c Kristallisationsparameter H 1⁄3 t macro = t macro § -----2-· ©D ¹ Dimensionslose Makromischzeit Formelzeichen XXI U L H· 1 ⁄ 2 t micro = t micro § -----------© KL ¹ 2 Uc · v· d = v· d § ---------------------© V 'U g¹ X – X K = --------------------X Kn – X Dimensionslose Mikromischzeit 1⁄4 Dimensionslose Volumenstromdichte in Blasen- und Tropfensäulen Dimensionslose Gutsfeuchte Einleitung Ausgehend von natürlichen sowie auf chemischen oder biologischen Wegen hergestellten Stoffen beschäftigt sich die Verfahrenstechnik unter anderem mit der Trennung von Stoffgemischen. Thermische Trennvorgänge werden durch Abweichungen vom Gleichgewicht ausgelöst. Die Thermische Verfahrenstechnik ist ein altes und bedeutendes Gebiet der Verfahrenstechnik. Daneben gibt es die mechanische, chemische, biologische und biomedizinische Verfahrenstechnik. Heute beschäftigt sich die Thermische Verfahrenstechnik neben ihren Grundlagen auch mit der Prozesstechnik und der Produktgestaltung. Eine wichtige Aufgabe der Verfahrenstechnik allgemein ist es, den Prozessweg zu finden, auf welchem sich möglichst wirtschaftlich ein Stoffgemisch in gewünschte Fraktionen oder Komponenten auftrennen lässt. Dabei kann das Trennprinzip auf • unterschiedlichen Dampfdrücken (Verdampfen, Destillation, Rektifikation), • unterschiedlichen Löslichkeiten (Extraktion, Kristallisation, Absorption), • unterschiedlichem Sorptionsverhalten (Adsorption, Desorption, Trocknen), • unterschiedlichen Durchlässigkeiten an Membranen (Ultrafiltration, Dialyse, Umkehrosmose, Pervaporation), • unterschiedlichen (elektrischen, magnetischen) Kräften (Elektrolyse, Elektrophorese) oder • unterschiedlichen chemischen Gleichgewichten (Chemisorption, Ionenaustausch) beruhen. Aufgrund dieser unterschiedlichen Trennprinzipien ist es zweckmäßig, sich zunächst einen Überblick über die charakteristischen Eigenschaften der beteiligten Teilchen, Moleküle und Cluster zu verschaffen, die sich hinsichtlich ihrer Größe, Form, Polarität, Dipolmomente und funktionellen Gruppen signifikannt unterscheiden können. Das Trennen an porösen Festkörpern im weiteren Sinne (Adsorbentien, Membranen, Ionenaustauscher, Matrices etc.) ist im Gegensatz zum Trennen zwischen flui- 2 Einleitung den Phasen weniger verbreitet. Dies mag teilweise auch daran liegen, dass die Gleichgewichte und die Stofftransportkinetiken bisher unzureichend erforscht sind und das Handling von Festoffen besonders schwierig ist. Andererseits haben Trennungen an porösen Feststoffen ein großes Entwicklungspotential durch die Möglichkeit der Herstellung innovativer und maßgeschneideter Trennfeststoffe. Jedenfalls sind die volumetrischen Stoffdurchgangskoeffizienten etwa ebenso groß oder sogar größer als in fluiden Systemen. Da heute jedoch Trennvorgänge zwischen fluiden Phasen eindeutig dominieren, sollen sie im Folgenden bevorzugt dargestellt werden. Es ist üblich, die thermische Verfahrenstechnik in einzelne Grundverfahren zu unterteilen, wie z. B. das Verdampfen, das Kristallisieren, das Destillieren und Rektifizieren, das Absorbieren, das Extrahieren, das Adsorbieren und das Trocknen. Die Zahl der Grundverfahren ließe sich noch erweitern. Diese Einteilung birgt die Gefahr in sich, dass die Gemeinsamkeiten nicht genügend erkannt werden oder sogar verlorengehen. Dieses Buch betont die Gemeinsamkeiten der Grundlagen und Methoden der Thermischen Verfahrenstechnik. Das Erlernte wird dann auf die einzelnen Prozessschritte angewendet. Die Basis der verfahrenstechnischen Berechnung sind folgende vier Komplexe: • Physikalische und chemische Gleichgewichte (hierunter wird das Stoffverhalten im weitesten Sinne verstanden). • Erhaltungssätze. (Stoff-, Masse-, Teilchenanzahl- und Energieerhaltungssatz; Materie kann nicht verloren gehen, und in einem System ohne chemische Umwandlung bleibt die Stoffmenge eines chemisch einheitlichen Stoffes erhalten. Der Energieerhaltungssatz ist die allgemeine Formulierung der Aussage des 1. Hauptsatzes der Thermodynamik.) • Ein- und Mehrphasenströmung (hier könnte man auch vom Erhaltungssatz des Impulses sprechen). • Die Kinetik der Ausgleichsvorgänge. (Sie gibt darüber Auskunft, wie schnell ein im Ungleichgewicht befindliches System dem Gleichgewichtszustand zustrebt. Hierunter versteht man auch die Wärme- und Stoffübertragung und die Reaktionskinetik.) Sind die Zusammenhänge der vier genannten Komplexe hinreichend bekannt, so lassen sich ihre Wirkungen bei den Verfahrensschritten in der Prozesstechnik beschreiben. Mit Rücksicht auf Besonderheiten der Grundvorgänge ist es zweckmäßig, die wichtigsten Grundverfahren im Einzelnen noch vorzustellen. Aus diesen Gedankengängen ergibt sich im Wesentlichen die Gliederung dieses Buches. Um allerdings die einzelnen Prozessschritte zu effizienten, ökonomisch und ökolo- Einleitung 3 gisch sicher betreibbaren Prozessen zu verknüpfen, braucht es die Methoden der konzeptuellen Prozessentwicklung. Wo immer die Grundverfahren auf die Produkteigenschaften Einfluss nehmen, wird in diesem Buch darauf eingegangen. Dies trifft insbesondere auf das Kristallisieren und das Trocknen zu. Den Autoren ist durchaus bewusst, dass in der Praxis die rechnergestütze Simulation in der Prozesstechnik intensiv genutzt wird. Dieses Buch legt die Grundlagen für die notwendigen Werkzeuge, welche sich aus den naturwissenschaftlichen Gesetzen und den sich auf das Wesentliche beschränkenden ingenieurwissenschaftlichen Modellvorstellungen ergeben. Das Ziel ist dabei die Modellierung vom Molekül her. Schließlich sei betont, dass die Thermische Verfahrenstechnik schon im chemischen oder biologischem Labor, wo neue Stoffe entstehen, in die vorausdenkende Prozessentwicklung eingebunden werden muss. Denn häufig lassen sich große zu entsorgende Nebenproduktströme, erhebliche interne Stoffrückführungen und schwierig abtrennbare Komponenten (z. B. Azeotrope) vermindern oder verhindern, was zu erheblichen Prozessvereinfachungen und Energieeinsparungen führt. Dieses Ziel ist ebenso wichtig wie die Prozessoptimierung durch effiziente und selektive Katalysatoren und/oder leistungsfähige Enzyme und biologische Organismen (Bakterien, Pilze, Zellen etc.). So bemüht sich beispielsweise die biologische Verfahrenstechnik, Wasserströme zu vermindern. Ein klug durchdachter Prozess ist durch eine Minimierung von Ressourcen (Rohstoffe, Energie etc.) und Abfall (nicht verwertbare Nebenprodukte, Abwärme etc.) gekennzeichnet. Als Ziel ist des Weiteren anzustreben, möglichst alle während der Lebensdauer eines Prozesses sich ergebenden Verbesserungen durch Vorausdenken vorweg zu nehmen, sofern dies heute die hektisch-simultane Prozessentwicklung erlaubt. 1 Phasengleichgewichte In diesem Kapitel soll möglichst allgemein das Stoffverhalten beschrieben werden. In vielen Fällen treten in verfahrenstechnischen Apparaten und Anlagen zwei Phasen auf. Denn das Prinzip der thermischen Trennung beruht häufig darauf, eine oder mehrere Komponenten aus einer Phase in eine andere zu überführen. Eine Phase ist die Gesamtheit derjenigen Gebiete, wo sich Stoffeigenschaften entweder überhaupt nicht oder nur stetig, keinesfalls aber sprungartig ändern. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Gebieten räumlich untereinander zusammenhängen oder nicht (kontinuierliche und disperse Phase). Eine Phase kann aus einem oder mehreren chemisch einheitlichen Stoffen bestehen, welche Komponenten genannt werden. In einem System können sich eine Phase (Gas, Flüssigkeit oder Feststoff) oder auch zwei (Flüssigkeit/Gas, Fluid/ Feststoff, Flüssigkeit/Flüssigkeit) oder mehrere befinden (z. B. befinden sich in einem Verdampfungskristallisator eine feste, eine flüssige und eine gasförmige Phase). Das Anliegen dieses Kapitels ist die Beschreibung des thermodynamischen Gleichgewichtes zwischen zwei Phasen. Die Gibbssche Phasenregel gibt an, wie viele Freiheitsgrade f festgelegt werden müssen, damit ein mehrkomponentiges und mehrphasiges System eindeutig beschrieben ist: f = k–p+2. (1.0-1) Hierin ist k die Zahl der Komponenten und p die Zahl der Phasen. Handelt es sich z. B. um flüssiges Wasser, so ist f = 2, denn durch die Angabe eines Druckes und einer Temperatur ist der Zustand des Wassers eindeutig beschrieben. Handelt es sich dagegen um einen Nassdampf, also um ein System Flüssigkeit/Gas, so genügt eine Angabe z. B. des Druckes; die Siedetemperatur liegt dann fest. Am Tripelpunkt existieren drei miteinander im Gleichgewicht befindliche Phasen, und zwar eine feste, eine flüssige und eine dampfförmige. Das System ist an diesem Punkt eindeutig festgelegt. Hat man es mit einem Zweikomponentensystem oder einer binären Mischung zu tun, so erhöht sich der Freiheitsgrad jeweils um 1. Es ist also eine weitere Angabe erforderlich, z. B. die Konzentration, um das System eindeutig zu beschreiben. 6 1 Phasengleichgewichte 1.1 Flüssigkeit/Gas-Systeme In diesem Kapitel werden wichtige thermodynamische Grundlagen vorgestellt, die auch auf die anderen Phasen-Systeme angewendet werden können. 1.1.1 Verhalten reiner Stoffe Die Beschreibung des thermodynamischen Gleichgewichtes basiert auf den Hauptsätzen der Thermodynamik. Der Energieerhaltungssatz ist der 1. Hauptsatz der Thermodynamik. Er lautet für ein ruhendes, geschlossenes System mit der über die Systemgrenzen übertragenen Wärme dq und Arbeit dw du = dq + dw . (1.1-1) Wenn keine Reibungsarbeit auftritt und nur Volumenänderungsarbeit reversibel übertragen wird, erhält man für den 1. Hauptsatz du = dq – p dv 1. (1.1-2) Die einem System zugeführte Wärmemenge dq erhöht also die innere Energie u um den Betrag du oder wird bei konstantem u in Volumenänderungsarbeit p dv verwandelt. Mit der Definition der Enthalpie h = u+pv (1.1-3) erhält man dh = du + p dv + v dp . (1.1-4) Hierin wird die Größe v dp als Technische Arbeit bezeichnet. Die innere Energie eines Systems entspricht der Translations-, Rotations- und Schwingungsenergie der Moleküle und hängt nur von der Temperatur des Systems ab. du du = § ------· dT = c v dT © dT¹ (1.1-5) Entsprechend obiger Gleichungen ist die Wärmekapazität c v so zu bestimmen, dass bei einer Änderung um dT nicht auch Arbeit dW übertragen wird. Das Volumen V muss also konstant gehalten werden: 1 Die Gleichungen hier und im Folgenden sind für spezifische, also auf die Masse bezogene Größen formuliert, ohne dass im erläuterten Text jeweils darauf hingewiesen wird. 1.1 Flüssigkeit/Gas-Systeme wu c v = § ------· . © wT¹ v 7 (1.1-6) Analog ist wh c p = § ------· © wT¹ p (1.1-7) und ist bei konstantem Druck zu messen. Nach dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik besitzt jedes System eine extensive Zustandsgröße Entropie S, die sich durch Wärme- und Stofftransport über die Systemgrenze, sowie über irreversible Zustandsänderungen im System verändert. Die mit der Wärme dQ über die Systemgrenze transportierte Entropie dS ist dS = dQ/T. Handelt es sich um ein adiabates System, ist also dq = 0 , so bleibt im Falle einer reversiblen Zustandsänderung die Entropie des Systems konstant. In der Thermodynamik hat es sich als zweckmäßig erwiesen, neben der inneren Energie u und der Enthalpie h noch die freie innere Energie f gemäß f = u – T s = ³ c v dT – T s (1.1-8) und die freie Enthalpie g = h – T s = ³ c p dT – T s (1.1-9) einzuführen. Diese Gleichung lautet in differentieller Form dg = dh – T ds – s dT . (1.1-10) Mit dq = T ds erhält man für reversible Vorgänge schließlich die Gibbssche Fundamentalgleichung dg = v dp – s dT . (1.1-11) Dies ist eine wesentliche Gleichung für alle thermodynamischen Gleichgewichte, da sie die im System messbaren Größen dp und dT enthält. 1.1.1.1 Dampfdruck Die Dampfdruckkurve liefert eine wichtige Aussage über das Verhalten reiner Stoffe. In Abb. 1.1-1 ist der Dampfdruck von Wasser, Benzol und Naphthalin abhängig von der Temperatur dargestellt. Die Dampfdruckkurve hat am Tripelpunkt TP einen Knick und endet am kritischen Punkt KP. 8 1 Phasengleichgewichte Abb. 1.1-1: Dampfdruckkurven einiger Stoffe. Der sich im Gleichgewicht in der Dampfphase eines abgeschlossenen zweiphasigen ( L ⁄ G ) Einkomponentensystems bei gegebener Temperatur einstellende Druck 0 wird als Dampfdruck p bezeichnet. Die irreversiblen Austauschvorgänge innerhalb eines abgeschlossenen, heterogenen (mehrphasigen) Systems kommen dann zum Erliegen, wenn die Entropie des Gesamtsystems maximal geworden ist. Es kann gezeigt werden, dass diese Bedingung dann erfüllt ist, wenn am Beispiel eines zweiphasigen, einkomponentigen Systems aus Flüssigkeit ( L ) und Dampf ( G ) Folgendes gilt: (1.1-12) TL = TG = T pL = pG = p 0 (1.1-13) g L ( T, p ) = g G ( T, p ) oder dg L ( T, p ) = dg G ( T, p ) . (1.1-14) Der sich in diesem Fall im Gleichgewicht einstellende Druck wird als Dampfdruck 0 p (der reinen Komponente) bezeichnet. Damit folgt aus der Gibbsschen Fundamentalgleichung, die auch für jede Phase an sich gilt 0 ( v G – v L ) dp = ( s G – s L ) dT . (1.1-15) 0 0 Bei genügend großem Abstand vom kritischen Punkt ( T « T c , und p « p c ) gilt v L « v G und weiterhin unter Berücksichtigung des Gesetzes idealer Gase R T- . v G = ---------0 p Somit ergibt sich schließlich die Gleichung nach Clausius-Clapeyron (1.1-16) 1.1 Flüssigkeit/Gas-Systeme 9 0 dp - = ( s G – s L ) dT . R T ------0 p (1.1-17) Um im System einen Stoff bei p = const. zu verdampfen, ist eine Wärmemenge dq zuzuführen, die als spezifische Verdampfungsenthalpie 'h LG bezeichnet wird. Somit ist 'h LG = ( s G – s L ) T , und man erhält 0 1 dT 1 1 dp -------- = --- 'h LG § -----2-· = – --- 'h LG d §© ---·¹ 0 ©T ¹ T R R p (1.1-18) oder 0 d ( ln p ) 'h LG = – R ------------------d(1 ⁄ T) (1.1-19) oder integriert 'h LG 0 ln p = – ----------- + const . RT (1.1-20) Unterhalb des Tripelpunktes ergibt sich 'h SG 0 ln p = – ----------- + const ' , RT (1.1-21) worin 'h SG die Sublimationsenthalpie darstellt. Die letzten Gleichungen liefern einfache Dampfdruckbeziehungen für kleine Temperaturbereiche, in denen sich 'h LG bzw. 'h SG nicht erheblich ändert: 0 ln p = A --- + B . T (1.1-22) Die Antoine-Gleichung ergibt für größere Temperaturbereiche bessere Ergebnisse: 0 A' - + B' . ln p = -------------T + C' (1.1-23) Zu einem einfachen Dampfdruckdiagramm mit einer ausgezeichneten Extrapolationsmöglichkeit kommt man, wenn der Logarithmus des Dampfdruckes abhängig von einem verzerrten Temperaturmaßstab aufgetragen wird. Ein solches Diagramm ist in Abb. 1.1-2 dargestellt. Man erhält diesen verzerrten Temperaturmaßstab, wenn der Dampfdruck logarithmisch aufgetragen wird und die Siedetemperaturen dieses Stoffes als zweite Skala eingetragen werden. Der verzerrte Temperaturmaßstab 1 ⁄ W gehorcht der Beziehung 10 –3 –6 –3 1 1 --- = --- + 2 ,6726 ×10 log T – 0 ,8625 ×10 T – 7 ,9151 ×10 . W T 1 Phasengleichgewichte (1.1-24) Hierin ist die absolute Temperatur T in Kelvin einzusetzen. In dem in Abb. 1.1-2 gezeigten Dampfdruckdiagramm nach Hoffmann und Florin wird die Dampfdruckkurve durch zwei Geraden dargestellt, wovon sich die erste bis zum Tripelpunkt und die zweite sich vom Tripelpunkt bis zum kritischen Punkt erstreckt. Am Tripelpunkt besitzt die Dampfdruckkurve einen Knick. Dies bedeutet, dass sich die Sublimationsenthalpie an diesem Punkt unstetig auf die Verdampfungsenthalpie verringert. Dieser Sachverhalt folgt auch aus der Aussage, dass die Phasenumwandlungswärme vom Steigungsmaß der Dampfdruckkurve abhängt. Abb. 1.1-2: Dampfdruck verschiedener Stoffe abhängig von der Temperatur im 1 ⁄ W -Maßstab. Extrapoliert man die Dampfdruckkurven über die kritischen Punkte hinaus, schneiden sich viele Dampfdruckkurven in einem Punkt. Somit stellt das Diagramm eine hervorragende Extrapolationsmöglichkeit für gemessene Dampfdrücke dar. Wenn die Siedetemperatur und die kritische Temperatur T c bekannt sind, ist es 0 häufig möglich, die Dampfdruckkurve durch eine Gerade in einem ( ln p – 1 ⁄ T r ) Diagramm darzustellen. Reduzierte Größen erhält man, wenn eine Größe durch den Wert am kritischen Punkt geteilt wird, z. B. die reduzierte Temperatur T r = T ⁄ T c , oder der reduzierte Druck p r = p ⁄ p c . In der Literatur werden zahlreiche Möglichkeiten beschrieben, die Siedetemperatur der verschiedensten Stoffe aufgrund der chemischen Struktur abzuschätzen und aus der Siedetemperatur die kritische Temperatur zu ermitteln (Meissner 1949; Ogata und Tsuchida 1957). Es wurde gezeigt, dass sich die Verdampfungsenthalpie aus der Dampfdruckkurve ermitteln lässt. Eine Abschätzung der Verdampfungswärme gestattet die Trouton- 1.1 Flüssigkeit/Gas-Systeme 11 sche Regel. Die Erfahrung lehrt nämlich, dass die molare Entropieänderung bei der Verdampfung am Siedepunkt für viele Stoffe etwa 80...110 kJ/(kmol K) beträgt. In Abb. 1.1-3 ist die molare Entropieänderung M̃ ( s G – s L ) abhängig von der molaren Masse für Wasser und die Homologen verschiedener organischer Verbindungen dargestellt. Je stärker das Dipolmoment der einzelnen Moleküle, um so stärker assoziieren die Moleküle und um so größer ist die molare Entropieänderung. Wasser mit einem besonders starken Dipolmoment hat eine molare Entropieänderung von 109 kJ/(kmol K) . Die Verdampfungswärme nimmt mit zunehmender Annäherung an den kritischen Punkt ab und verschwindet am kritischen Punkt. Sie lässt sich mit guter Genauigkeit aus folgender Gleichung für eine beliebige Temperatur T berechnen (Watson 1943; VDI-Wärmeatlas). T b T c – T 0 ,38 'h LG = M˜ ( s G – s L ) ----- § -----------------· M̃ © T c – T b¹ (1.1-25) Hierin ist T b die Siedetemperatur bei Normaldruck. Abb. 1.1-3: Molare Entropieänderung abhängig von der molaren Masse M̃ ( s G – s L ) für verschiedene Stoffe. Nach (Thiesen 1923) bietet sich an, die Verdampfungswärme abhängig von der Differenz aus der kritischen Temperatur T c und der Temperatur T in einem doppelt logarithmischen Netz darzustellen, s. Abb. 1.1-4. Es ergibt sich dann ein geradliniger Verlauf, sofern man sich dem kritischen Punkt nicht zu sehr nähert. Dieses Diagramm zeigt auch, dass sich die Phasenumwandlungswärme am Tripel-