Am 5. Mai 2007 wurde zum dritten Mal eine stochastische Eingangsprüfung durchgeführt. Insgesamt konnten maximal 56 Punkte erreicht werden, zum Bestehen der Prüfung waren mindestens 26 Punkte notwendig. Von 26 Teilnehmern haben 19 die Prüfung bestanden. Zugelassen waren ein Taschenrechner, sowie eine ausgeteilte Formelsammlung und Wahrscheinlichkeitstabellen. Wir gehen stets von einem Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, A, P) aus. B 1 sei die σ-Algebra der Borelmengen von R. λ1 sei das Lebesgue-Borel-Maß auf (R, B 1 ). Aufgabe (12 Punkte) Sei A′ ⊂ A eine σ-Algebra. (a) Man zeige: Ist X : Ω −→ R A′ -messbar, dann ist X A-messbar. (b) Gilt die Umkehrung von (a)? (c) A′ besitze folgende Eigenschaft: ∀A′ ∈ A′ : P(A′ ) ∈ {0, 1}. Man zeige für X : Ω −→ R A′ -messbar: (i) Die Verteilungsfunktion F von X nimmt nur die Werte 0 und 1 an. (ii) Man schließe daraus, dass X fast sicher konstant ist. Lösung: (a) Sei B ∈ B 1 . Da X messbar ist, gilt X −1 (B) ∈ A′ , also wegen A′ ⊂ A auch X −1 (B) ∈ A. (b) Die Umkehrung gilt nicht: Ω bestehe aus mindestens zwei Elementen. Sei A := P(Ω), A′ := {∅, Ω} und für ω ∈ Ω sei X := 1{ω} , also die Indikatorfunktion von {ω} ∈ A. X ist A- aber nicht A′ -messbar. (c) (i) Sei x ∈ R. Wegen {X ≤ x} ∈ A′ folgt laut Annahme P(X ≤ x) ∈ {0, 1}. Somit gilt F (x) = P(X ≤ x) ∈ {0, 1}. (ii) F ist von rechts stetig und monoton wachsend, limx→−∞ F (x) = 0, limx→∞ F (x) = 1. Wegen (i) sind die Mengen F −1 (0) und F −1 (1) nichtleer. Sei x0 x1 := sup{x ∈ R : F (x) = 0} := inf{x ∈ R : F (x) = 1}. Es gilt x0 = x1 : Aufgrund der Monotonie von F gilt x0 ≤ x1 . Angenommen es gilt x0 < x1 . Dann gibt es ein x2 ∈]x0 , x1 [ mit F (x2 ) ∈]0, 1[ im Widerspruch zu (i). Daher gilt x0 = x1 . Nun gilt wegen der Stetigkeit von rechts lim F (x) = F (x1 ) xցx1 und wegen der Definition von x0 , x1 P(X = x1 ) = F (x1 ) − lim F (x) = 1 − 0 = 1. xրx1 1 Aufgabe 2 (16 Punkte) Aus einem Versichertenkollektiv scheiden die Versicherungsnehmer durch Tod oder Storno aus. Es wurde festgestellt, dass die Anzahl N der Ausgeschiedenen pro Jahr Poisson-verteilt ist mit Parameter λ > 0. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Ausscheideursache Storno ist, betrage p ∈ (0, 1). Die Anzahl der Toten bzw. Storni wird mit T bzw. S bezeichnet. (a) Bestimmen Sie P(S = k|N = m + k) für m, k ∈ N0 . (b) Bestimmen Sie die Wahrscheinlichkeitsfunktion von S. Welche bekannte Verteilung ergibt sich? (c) Zeigen Sie E(S|N ) = N p, Var(S|N ) = N p(1 − p). (d) Bestimmen Sie E(S) und Var(S). Lösung: (a) S gegeben N = m + k ist B(m + k, p)-verteilt, also m+k k P(S = k|N = m + k) = p (1 − p)m . k (b) Mit dem Satz von der totalen Wahrscheinlichkeit folgt P(S = k) = = ∞ X m=0 = = = = P(S = k|N = m + k)P(N = m + k) m=0 ∞ X m+k k λm+k p (1 − p)m e−λ (m + k)! k pk e−λ λk ∞ X (m + k)! λm (1 − p)m k!m! (m + k)! m=0 ∞ (pλ)k −λ X ((1 − p)λ)m e k! m! m=0 (pλ)k −λ (1−p)λ e e k! (pλ)k −pλ e k! S ist Poisson-verteilt mit Parameter pλ. (c) S gegeben N = n ist B(n, p)-verteilt ist (s. (a)) und somit E(S|N = n) = Var(S|N = n) = np np(1 − p). Folglich E(S|N ) = Var(S|N ) = 2 Np N p(1 − p). (d) Mit dem Satz über die iterierten Erwartungswerte bzw. der Varianzzerlegung folgt E(S) = E(E(S|N )) = E(N p) = pE(N ) = pλ bzw. Var(S) = E(Var(S|N )) + Var(E(S|N )) = E(N p(1 − p)) + Var(N p) = p(1 − p)λ + p2 λ = pλ. Aufgabe 3 (8 Punkte) Ein Makler betreibt Telefonakquise. Er ruft solange bei potentiellen Kunden an, bis er einen Termin vereinbaren kann. Er trägt den Termin in seinen Kalender ein und gönnt sich eine Pause. Dann beginnt er mit neuen Anrufen. Die folgenden Zahlen geben an, wieviele Anrufe bei 5 solcher Anrufserien nötig waren: 5, 4, 10, 6, 3 Sei X die Anzahl der Anrufe, die nötig sind bis ein Termin zustande kommt. Es kann angenommen werden, dass P(X = k) = (1 − ϑ)k−1 ϑ, k ∈ {1, 2, . . . }, ϑ ∈ (0, 1). gilt und dass die Anzahlen der Anrufe bei verschiedenen Kunden voneinander unabhängig sind. Bestimmen Sie mit den obigen Daten einen MaximumLikelihood-Schätzer für ϑ. Lösung: Sei L :]0, ∞[−→]0, ∞[ die Likelihood, ℓ :]0, ∞[−→ R die Log Likelihood. Es gilt für die gegebene Stichprobe xi , i = 1, . . . , 5: 5 Y (1 − ϑ)xi −1 ϑ L(ϑ) = i=1 ℓ(ϑ) = ln L(ϑ) = 5 X i=1 [(xi − 1) ln(1 − ϑ) + ln ϑ] = 5 ln ϑ − 5 ln(1 − ϑ) + ln(1 − ϑ) xi i=1 P5 xi 5 5 + − i=1 . ϑ 1−ϑ 1−ϑ d ℓ (ϑ) = ℓ(ϑ) = dϑ ′ Einzige Nullstelle von ℓ′ ist ϑ̂ = P5 5 X 5 . ℓ′ wechselt in ϑ̂ das Vorzeichen und x i=1 i ist auf ]0, ϑ̂[ bzw. ]ϑ̂, ∞[ streng monoton steigend bzw. fallend. Somit ergibt sich die ML-Schätzung 5 ϑ̂ = . 28 Aufgabe 4 (20 Punkte) Ein Versicherungsunternehmen legt seiner Prämienberechnung einen Schadendurchschnitt von 50 zugrunde. Die Schäden seien unabhängig und identisch verteilt. Folgende Schadendaten x1 , . . . , x11 liegen vor: 3 3 11 P Es gilt 12 xi = 751, i=1 16 11 P i=1 24 34 38 46 87 97 134 260. x2i = 108235. (a) Angenommen die Schäden sind N (µ, σ 2 ) verteilt. (i) Geben Sie ein Konfidenzintervall für µ zum Konfidenzniveau 95 % an. (ii) Wieviele Daten bräuchte man, um ein Konfidenzintervall zum Konfidenzniveau 95 % der Länge von höchstens 20 zu erhalten? (b) Die Prämie soll erhöht werden. Ein Treuhänder besteht darauf, dass der Aktuar nachweist, dass der Durchschnittsschaden nun höher als 50 ist. (i) Formulieren Sie Null- und Alternativhypothese? (ii) Wie lautet die Entscheidung unter Normalverteilungsannahme und einem Signifikanzniveau von 5 %? Lösung: (a) (i) Es ergeben sich folgende Werte: x = s2 = s = 751 = 68, 27 [Mittelwert] 11 ! 11 1 X 2 2 x − 11 · (x) = 5696, 22 10 i=1 i [empirische Varianz] 75, 47. Das Konfidenzintervall lautet wegen t10;0,975 = 2, 228 [97,5 % Quantil der tVerteilung mit 10 Freiheitsgraden] 1 1 x − s · t10;0,975 √ , x + s · t10;0,975 √ = [17, 57; 118, 97]. 11 11 (ii) Für den Stichprobenumfang n ist die Länge des Konfidenzuntervalls gleich 1 2 · s · tn−1,0,975 · √ . n Wir nehmen zusätzlich an, dass die empirische Standardabweichung mit s = 75, 47 unverändert bleibt. Da (tn−1;0,975 )n∈N monoton fällt, gilt tn−1,0;975 ≤ t10;0,975 = 2, 228 für n ≥ 11. Somit reicht es √ 2 · s · tn−1;0,975 n≥ = 16, 81. 20 zu wählen. Für n ≥ 283 erhält man eine Intervalllänge, die kleiner als 20 ist. (b) (i) Sei µ := E(X). Die Nullhypothese lautet H0 : µ ≤ 50 und die Alternative H1 : µ > 50. 4 (ii) Es wird der einseitige t-Test verwendet. Testgröße ist x − 50 √ 11 = 0, 803. t= s H0 wird abgelehnt, wenn t > t10;0,95 = 1, 812. Wegen t = 0, 803 wird H0 nicht abgelehnt. 5