Insulinresistenz in der normalen und diabetischen Schwangerschaft

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Diplomarbeit
Insulinresistenz in der normalen und diabetischen
Schwangerschaft
eingereicht von
Michaela Lechner
Mat.Nr.: 0211358
zur Erlangung des akademischen Grades
Doktorin der gesamten Heilkunde
(Dr. med. univ.)
an der
Medizinischen Universität Graz
ausgeführt an der
Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
unter der Anleitung von
Ao. Univ.-Prof. Dr. phil. Gernot Desoye
Mag. Dr. Ursula Hiden
Graz, am 28.05.2009
Eidesstattliche Erklärung
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne
fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet
habe und die benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als
solche kenntlich gemacht habe.
Graz, am 28.05.2009
Unterschrift
I
Danksagungen
Ich habe diese Arbeit am Institut für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Graz unter
der Anleitung von Ao. Univ.-Prof. Dr. phil. Gernot Desoye angefertigt. Ihnen gilt
mein besonderer Dank für die Überlassung des Themas, die Betreuung und
Anleitung der Diplomarbeit und für die stete Diskussionsbereitschaft. Sie haben
mich immer wieder mit wertvollen Ratschlägen für das Gelingen meiner Arbeit
versorgt.
Ein herzliches Dankeschön an Frau Mag. Dr. Ursula Hiden für die etlichen
Stunden Korrekturlesen und der gewissenhaften Überarbeitung meiner
Diplomarbeit.
Auch möchte ich mich bei meinen zukünftigen Schwiegereltern Christina und
Robert Fritzer sowie bei meinen Freundinnen Barbara Königshofer und Sarah
Rinnhofer bedanken, die mich tatkräftig unterstützt haben, mich stets aufbauten
und für die erforderliche Abwechslung sorgten.
Des Weiteren möchte ich mich bei meinen Eltern, Christine und Josef Lechner, für
die finanzielle Unterstützung bedanken, ohne die das Humanmedizinstudium
niemals möglich gewesen wäre.
Nicht in Vergessenheit geraten sollten meine Großeltern, Mühltaler Christine und
Michael, bei denen ich aufgewachsen bin und die mein Studienende leider nicht
mehr miterleben können. Ich vermisse euch sehr.
Zuletzt geht mein ganz persönliches Dankeschön an meinen Verlobten, Andreas
Fritzer, der meine zwischenzeitlich schlechten Launen und überstrapazierten
II
Nerven ertragen musste und diese auch Bestens und komplikationslos
überstanden hat. Er hat mir mit seinem Fachwissen, seiner konstruktiven Kritik
und seinen Ideen immer wieder die nötige Motivation gegeben. Und darum
möchte ich dir meine Diplomarbeit widmen.
III
Zusammenfassung
Die Prävalenz der Adipositas hat in den letzten Jahrzehnten enorm zugenommen.
Sie stellt eine ernst zu nehmende Bedrohung für die gesamte Bevölkerung dar.
Von Übergewicht spricht man ab einem Body-Mass-Index (BMI) von 25 kg/m2 und
von Adipositas ab einem BMI von 30 kg/m2.
In den letzten Jahrzehnten ist auch die Prävalenz des Gestationsdiabetes mellitus
(GDM) angestiegen. Der Anstieg steht in positiver Korrelation mit der Zunahme
der Prävalenz von Adipositas. GDM ist als eine erstmals während der
Schwangerschaft (SS) aufgetretene oder diagnostizierte Glukosetoleranzstörung
definiert. Die Diagnosestellung ist mit einem gezielten Screening, einschließlich
des oralen Glukosetoleranztests (oGTT), möglich.
Adipositas und GDM gemeinsam ist die Insulinresistenz, eine verminderte
biologische Wirkung des Hormons Insulin auf die Zellen des menschlichen
Körpers. Diese führt zu Stoffwechselstörungen, hormonellen Veränderungen und
immunologischen Reaktionen, und ist daher von großem Interesse im Hinblick auf
die Forschung.
Im Körper kommt es während der SS zu multiplen Veränderungen. Die werdende
Mutter entwickelt mit zunehmender SS eine physiologische Insulinresistenz, die
bei einigen Frauen zu GDM führt. Lange Zeit wurden hierfür die SS-Hormone, wie
Progesteron, die Östrogene, Prolaktin, humanes Plazentalaktogen (hPL) und noch
andere verantwortlich gemacht, jedoch zeigte sich, dass auch andere bioaktive
Mediatoren Einfluss auf diese Veränderungen nehmen.
Das Fettgewebe galt ursprünglich als Energiespeicherdepot. Es wurde jedoch
festgestellt, dass das Fettgewebe ein in hohem Grade endokrin aktives Organ ist,
das eine Reihe von Hormonen sezerniert, wie zum Beispiel die Adipozytokine und
auch andere, die einen Einfluss auf den Energie- und Glukosemetabolismus und
die Insulinsensitivität haben. Die aktuellen Kenntnisse bezüglich der Wirkungen
und
Regulation
der
wichtigsten
Adipozytokine
werden
in
dieser
Arbeit
IV
zusammengefasst und deren Zusammenhang mit Adipositas, GDM und
Insulinresistenz diskutiert.
Bei
dieser
Arbeit
handelt
es
sich
um
eine
internationale
Literaturzusammenfassung im Zeitraum von 1967 bis Januar 2009. Die Recherche
erfolgte in der internationalen Datenbank PubMed. Es wurden 299 verwertbare
Publikationen gefunden und evaluiert.
V
Abstract
The prevalence of obesity increased in the last decades enormously. It represents
a threat for the entire population, which should be taken seriously. An adult is
classified as being overweight if the Body Mass Index (BMI) is more than or equal
to 25 kg/m2 and obese if the BMI is more than or equal to 30 kg/m2.
In the last decades also the prevalence of gestational diabetes mellitus (GDM)
ascended. The rise stands in positive correlation with the increase of the prevlance
of obesity. GDM is defined as glucose intolerance with onset or first recognition
during pregnancy. In order to place the diagnosis GDM, a purposeful screening,
including oral glucose tolerance test (oGTT), is necessary.
The insulin resistance, a decreased biological effect of the hormone insulin on the
cells of the human body, is common to obesity and GDM. It leads to metabolic
disturbances, hormonal changes and immunological reactions and is from there
from large interest regarding the research.
In the body myriads of changes during pregnancy proceed. The becoming mother
develops a physiological insulin resistance with advancing pregnancy, which leads
in some women to GDM. For a long time the pregnancy hormones progesterone,
estrogenes, prolactin, human placental lactogen (hPL) and others were made
responsible for this, however, it showed up that also different bioactive mediators
take influence on these changes.
The adipose tissue was originally considered as energy store depot. It was
however stated that the adipose tissue is a highly active endocrine organ secreting
a range of hormones like adipocytokines, which have an influence on energy and
glucose metabolism, and insulin sensitivity. The current knowledge concerning
effects and regulation of the most important adipocytokines is summarized in this
diploma thesis and their association with obesity, GDM and insulin resistance is
discussed.
VI
This thesis represents an international literature summary in the period from 1967
to January 2009. The search used international data base PubMed. 299 usable
papers were found and evaluated.
VII
Inhaltsverzeichnis
Danksagungen
II
Zusammenfassung
IV
Abstract
VI
Inhaltsverzeichnis
VIII
Abkürzungsverzeichnis
XII
Abbildungsverzeichnis
XVII
Tabellenverzeichnis
XIX
1. Einleitung
1
2. Material und Methoden
3
3. Ergebnisse
5
3.1. Insulinresistenz
5
3.1.1. Insulin
5
3.1.1.1.Hauptaufgaben des Insulins
6
3.1.2. Struktur des Insulinrezeptors
7
3.1.3. Insulin-IGF signalisierendes System
8
3.1.4. Insulinsignaltransduktion
9
3.1.4.1. PI-3K-abhängiger Signalweg
11
3.1.4.2. MAPK-Kaskade
14
3.1.4.3. PI-3K-unabhängiger Signalweg
15
3.1.5. Insulinresistenz auf molekularer Ebene
16
3.1.5.1. Genetische Änderungen der
Insulinsignalproteine
17
3.1.5.1.1. Insulinrezeptor
17
3.1.5.1.2. IRS-1
17
3.1.5.1.3. Andere IRS und PI-3K
18
VIII
3.1.5.2. Andere Modulatoren der
Insulinsignaltransduktion
19
3.1.5.2.1. PPARγ
19
3.1.5.2.2. PC-1
20
3.1.5.2.3. Rad
20
3.1.5.3. Erworbene Faktoren
21
3.1.5.3.1. Hyperinsulinämie
22
3.1.5.3.2. Gegenregulatorische Hormone und
adrenerges System
22
3.1.5.3.3. TNFα
22
3.1.5.3.4. Leptin
23
3.1.5.3.5. Glukose und andere Nährstoffe
26
3.1.5.3.6. PTPasen
27
3.1.5.4. Lektionen von Knockout Tiermodellen
28
3.1.6. Insulinresistenz auf physiologischer Ebene/klinisches
Erscheinungsbild
30
3.1.6.1. Resistenz zum endogenen Insulin
30
3.1.6.2. Resistenz zum exogenen Insulin
31
3.1.6.3. Biochemische Marker
31
3.1.6.4. Klinisches Erscheinungsbild
32
3.1.6.4.1. Abnormer Glukosemetabolismus
32
3.1.6.4.2. Hautmanifestationen
32
3.1.6.4.3. Hyperandrogenismus und reproduktive
Anomalien
34
3.1.6.4.4. Wachstum und Insulinresistenz
35
3.1.6.4.5. Muskuloskeletale Veränderungen
35
3.1.6.4.6. Fettgewebe
36
3.1.6.4.7. Autoimmunität
36
3.1.6.4.8. Metabolisches Syndrom
37
3.2. Gestationsdiabetes mellitus
38
3.2.1. Definition des GDM
38
3.2.2. Epidemiologie: Inzidenz und Prävalenz des GDM
38
3.2.3. Verhalten der Insulinresistenz in der normalen SS
40
3.2.4. Pathogenese des GDM
42
IX
3.2.5. Rolle des GDM
43
3.2.5.1. Komplikationen während der SS und
Langzeitfolgen für Mutter und Kind
3.2.5.2. Frauen mit GDM in einer früheren SS
43
45
3.2.6. Diagnostische Kriterien und Screening des GDM
47
3.2.7. Therapie und Management des GDM
51
3.2.7.1. Ernährungsumstellung
51
3.2.7.1.1. VitD in Korrelation mit GDM
3.2.7.2. Körperliche Aktivität
53
55
3.2.7.3. Insulintherapie, Insulinanaloga und orale
Antidiabetika
56
3.2.7.4. Geburtshilfliche Überwachung während
der SS
59
3.2.7.5. Geburtshilfliche Überwachung unter
der Geburt
3.2.7.6. Nachsorge von Mutter und Kind
3.3. Insulinresistenz bei Neugeborenen
59
60
62
3.3.1. Hypoglykämie und fetale Erythroblastose aufgrund von
Rhesusinkompatibilität
62
3.3.2. Persistierende hyperinsulinämische Hypoglykämie der
Kleinkinder
64
3.4. Spezifische Hormone bzw. Mediatoren, die Einfluss auf die
Insulinresistenz sowohl in der normalen als auch in der
diabetischen SS nehmen
68
3.4.1. Schwangerschaftshormone
68
3.4.1.1. Progesteron
68
3.4.1.2. Östrogene - 17β-Östradiol
72
3.4.1.3. Prolaktin
74
3.4.1.4. humanes Plazentalaktogen
75
3.4.2. Adipozytokine
76
3.4.2.1. Leptin
77
3.4.2.2. Adiponektin
80
3.4.2.3. TNFα
81
3.4.2.4. IL-6
84
X
3.4.2.5. Resistin
85
3.4.2.6. Visfatin
87
3.4.2.7. Retinol-bindendes-Protein 4
88
3.4.2.8. Chemerin
90
3.4.3. Adrenomedullin
92
4. Diskussion
93
5. Literaturverzeichnis
98
Curriculum Vitae
XI
Abkürzungsverzeichnis
Abb.
Abbildung
ACOG
American College of Obstetricians and Gynecologists
ADA
American Diabetes Association
AK
Antikörper
Akt
= Proteinkinase B (PKB)
AMP
Adenosinmonophosphat
AS
Aminosäure
BMI
Body-Mass-Index
BZSM
Blutzuckerselbstmessung
Ca2+
Kalzium
CMKLR
Chemokin-like receptor
CRH
Corticotropin-Releasing-Hormon
DAG
Diacylglycerin
DDG
Deutsche Diabetes Gesellschaft
DGKS/KP
diplomierte/r Gesundheits- und
Krankenschwester/Krankenpfleger
diPHHI
diffuse Form der PHHI
DM
Diabetes mellitus
T2D
Typ 2 Diabetes mellitus
EASD
European Association for the study of Diabetes
EGFR
Epidermal growth factor receptor
EM
Erstmanifestation
ERK
Extrazelluläre Signal regulierende Kinase
FFS
freie Fettsäuren
FGFR
Fibroblast growth factor receptor
XII
foPHHI
fokale Form der PHHI
FSH
Follikel-stimulierendes Hormon
GCK
Glukokinase
GCT
Glukose-challenge-test
GDM
Gestationsdiabetes mellitus
GFA
Glutamin-Fruktose-1,6- diphosphat-amidotransferase
GH
Growth Hormone
GLUD
Glutamatdehydrogenase
GLUT4
Glukosetransporter 4
Grb-2
Growth factor receptor bound 2
GSK-3
Glykogen-Synthase-Kinase 3
GTP
Guanosintriphosphat
HAART
hoch aktive antiretrovirale Therapie
HAPO
Hyperglycemia and Adverse Pregnancy Outcome
HDL
High-Density-Lipoprotein
HIV
humanes Immundefizienz-Virus
hPL
humanes Plazentalaktogen
HWI
Harnwegsinfekt
HWZ
Halbwertszeit
IGF
Insulin-like growth factor
IGF-R
Insulin-like growth factor receptor
IgG
Immunglobulin G
IGT
Impaired glucose tolerance
IL
Interleukin
IL-R
Interleukin-Rezeptor
IRR
Insulin receptor-related receptor
IR
Insulinrezeptor
XIII
IRS
Insulinrezeptorsubstrat
i.v.
intravenöse
ivGTT
intravenöser Glukosetoleranztest
JAK2
Januskinase 2
kDa
kiloDalton
KHK
Koronare Herzkrankheit
LADA
Latent autoimmune diabetes with onset in adults
LAR
Leukozyten-Antigen-Related
LH
luteinisierendes Hormon
LPL
Lipoproteinlipase
MAPK
Mitogen-aktivierte Proteinkinase
M6P
Mannose-6-Phosphat
M6PR
Mannose-6-Phosphat Rezeptor
mRNA
messenger RNA
NDDG
National Diabetes Data Group
NNR
Nebennierenrinde
NO
Stickoxid
NPH
neutrales Protamin Hagedorn
NPY
Neuropeptid Y
OB-RA,B,C,D,E
Isoformen des Leptinrezeptors
OB-RL
lange Form des Leptinrezeptors (=OB-RB)
oGTT
oraler Glukosetoleranztest
25-[OH] D
Hydroxyvitamin
1,25-[OH] D
1,25-Dihydroxycholecalciferol
OP
Operation
PC-1
Plasmazelldifferenzierungsfaktor
PCOS
Polyzystisches Ovarsyndrom/Syndrom der polyzystischen
XIV
Ovarien
PEP-CK
Phosphoenolpyruvat Carboxykinase
PDK
Phospholipid-abhängige Kinase
PgR
Progesteronrezeptor
PH
Pleckstrin Homologie
PHHI
persitent hyperinsulinemic hypoglycemia of infancy
PKB
Proteinkinase B (= Akt)
PKC
Proteinkinase C
PIP2
Phosphatidylinositol-4,5-bisphosphat
PIP3
Phosphatidylinositol-3,4,5-trisphosphat
PPARγ
Peroxisomen-Proliferator aktivierter Rezeptor
PTB Domäne
Phosphotyrosin bindende Domäme
PTPase
Proteintyrosinphosphatase
Rad
Ras in Assoziation mit DM
RBP4
Retinol-bindendes Protein 4
Rez.
rezidivierend
Rh
Rhesus
RNA
Ribonukleinsäure
SH
Src Homologie
SHC
Src-homology-collagen
SOCS
Suppressors of cytokine signalling
SOS
son-of sevenless protein
SS
Schwangerschaft
SSW
Schwangerschaftswoche
STAT
Signaltransduktor und –aktivator der Transkription
SUR
Sulfonylharnstoffrezeptor
Tab.
Tabelle
XV
THV
Taille-Hüft-Verhältnis
TNFα
Tumornekrosefaktor α
TNF-R
Tumornekrosefaktor-Rezeptor
TRH
Thyreotropin-Releasing-Hormone
UDP-GlcNAc
UDP-N-Acetylglukosamin
VitD
Vitamin D
VitD-R
Vitamin D-Rezeptor
WHO
World Health Organization
z. B.
zum Beispiel
XVI
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Proinsulin
Abb. 2: Schematische Darstellung der Insulinrezeptorstruktur
Abb. 3: Bindungsaffinitäten der Rezeptoren aus der IR-IGF-Familie
Abb. 4: Aufbau der IRS-Proteine mit PH-Domäne und PTB-Domäne
Abb. 5: Insulin-abhängige Aktivierung der PI-3K, die über PDK, Akt und Isoformen
der PKC aktiviert wird
Abb. 6: Aktivierung von Akt durch PIP3
Abb. 7: Insulinsignaltransduktion
Abb. 8: Stimulierung des Glukosetransports unabhängig von der PI-3K
Abb. 9: Multiple Mechanismen, die für eine Down-Regulation der
Insulinsignalweiterleitung verantwortlich sein können
Abb. 10: Verminderung von TNFα bei der Reduktion von Körpergewicht
Abb. 11: Leptinrezeptorsignaltransduktion
Abb. 12: SOCS-Proteine im Zusammenhang mit der Insulinsignaltransduktion
Abb. 13: Typische Hautmanifestationen der Akanthosis nigricans
Abb. 14: Histologisches Bild von Akanthosis nigricans
Abb. 15: Mögliche Mechanismen zur Pathogenese von Akanthosis nigricans
Abb. 16: Zunahme der Prävalenz von GDM in den letzten Jahren in allen
ethnischen Gruppen
Abb. 17: Verhältnis Insulinsensitivität zur Insulinsekretion bei gesunden Frauen
und Frauen mit GDM während des 3. Trimesters und nach der SS
Abb. 18: Mütterliche Plasmakonzentrationen von 25-[OH] D in der SS bei 57
GDM Fällen und 114 Kontrollen
Abb. 19: Insel eines Kindes mit Normoglykämie
Abb. 20: Fokal abnorme Inselzellen
XVII
Abb. 21: Diffuse Hyperinsulinämie
Abb. 22: Progesteron
Abb. 23: Verteilung der Serumprogesteronkonzentration bei diabetischen
Schwangeren im Vergleich zu Frauen mit normaler Glukosetoleranz
Abb. 24: Östradiol als das wirksamste Hormon der Frau
Abb. 25: Serum-hPL-Konzentration bei normalen und diabetischen SS
Abb. 26: Adipositas, Adipokine und Insulinresistenz
Abb. 27: Schematische Darstellung des Leptinregulationssystems
Abb. 28: Wirkungen von Adiponektin
Abb. 29: RBP4 im Glukosemetabolismus
Abb. 30: Rolle von Chemerin und CMKLR1 im Fettgewebe
XVIII
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Gewichtsklassifikation des Erwachsenen anhand des BMI
Tab. 2: Stoffwechselwirkungen von Insulin
Tab. 3: Molekulare Mechanismen der Insulinresistenz
Tab. 4: Frauen mit niedrigem Risikostatus für GDM
Tab. 5: Frauen mit hohem Risikostatus für GDM
Tab. 6: Verschiedene Empfehlungen für oGTT-Grenzwerte
Tab. 7: aktuelle oGTT-Grenzwerte
Tab. 8: Richtwerte für die BZSM
Tab. 9: Wirkungseintritt, -gipfel und -dauer von NPH- und Normalinsulin
Tab. 10: White-Klassifikation der diabetischen SS
XIX
1. Einleitung
Übergewicht und Adipositas stellen eine rapid wachsende Bedrohung für die
Gesundheit in den Bevölkerungen dar.
Als Adipositas bezeichnet man eine über das Normalmaß hinausgehende
Vermehrung des Körperfetts. Adipositas liegt ab einem Body-Mass-Index (BMI)
von 30 kg/m2 vor. Sie wird in drei Schweregrade eingeteilt (2000):
Kategorie
BMI (kg/m2)
Untergewicht
< 18,5
Normalgewicht
18,5 – 24,9
Übergewicht
25 – 29,9
Adipositas Grad I
30 – 34,9
Adipositas Grad II
35 – 39,9
Adipositas Grad III (morbide Adipositas) ≥ 40
Tab. 1: Gewichtsklassifikation bei Erwachsenen anhand des BMI
Die Inzidenz und Prävalenz der Adipositas hat in den letzten Jahrzehnten in allen
Industriestaaten enorm zugenommen. Weltweit sind bereits mehr als 250 Millionen
Personen adipös. Die Folge ist ein Anstieg der mit der Adipositas assoziierten
Erkrankungen des metabolischen Syndroms. Die Hauptursachen für die
Steigerung der Adipositas sind vor allem die Fehl- und Überernährung, als auch
der Bewegungsmangel (Korner et al., 2005, Low et al., 2009).
Die Überernährung mit der Folge von Adipositas führt zur Hyperinsulinämie, das in
einer verminderten Expression der Insulinrezeptoren (IR) resultiert, und es zu
einer verminderten Insulinwirkung kommt, das eine weitere Steigerung der
Insulinsekretion erfordert. Schlussendlich kommt es zur Insulinresistenz, was bei
weiterer Verschlechterung zu Typ 2 Diabetes mellitus (T2D) führt (Matthaei et al.,
2000).
1
Weitere mit Adipositas im Zusammenhang stehende Folgeerkrankungen sind
Koronare Herzkrankheit (KHK), Hypertonus, Fettstoffwechselstörungen, Fettleber,
Cholelithiasis, Arteriosklerose, Gicht, degenerative Erkrankungen, Malignome,
u.v.a.. Durch die Adipositas steigt auch das Operationsrisiko. Es kommt zu einer
Verminderung
der
Beweglichkeit,
und
die
Lebensqualität
ist
insgesamt
eingeschränkt (Kiefer et al., 2001).
In der SS und auch nach der Geburt treten bei Frauen mit Adipositas im Vergleich
zu normalgewichtigen Frauen vermehrt Komplikationen auf. Als eine der
häufigsten SS-Komplikationen sei hier der GDM genannt (Smith et al., 2008).
Bei GDM handelt es sich um eine erstmals in der SS festgestellte
Glukoseintoleranz. Bei den meisten Frauen mit GDM besteht eine β-ZellDysfunktion vor dem Hintergrund einer chronischen Insulinresistenz (Buchanan et
al., 2007).
In den letzten Jahrzehnten hat die Inzidenz des GDM in verschiedenen ethnischen
Gruppen stetig zugenommen. Der Anstieg erfolgt unabhängig vom Alter der
Patientinnen, steht aber im Gegensatz dazu in positiver Korrelation mit der
Zunahme der Prävalenz von Adipositas und T2D (Ferrara, 2007).
Der Schlüssel des Problems der steigenden Inzidenz sowohl von Adipositas als
auch von GDM liegt in der Insulinresistenz. In der folgenden Arbeit fasse ich
allgemein das Kapitel Insulinresistenz zusammen und stelle das Problem GDM auf
endokriner und klinischer Ebene dar.
2
2. Material und Methoden
Zum Thema Insulinresistenz in der normalen und diabetischen SS existiert eine
umfangreiche wissenschaftliche Literatur, weshalb ich mich für die Verfassung
dieser Arbeit dazu entschieden habe, als Methode die Literaturrecherche zu
wählen. Anhand des Kapitels Nummer 14 „Insulinrezeptorsignalisierung und –
regulation“ von White und des Kapitels Nummer 22 „Insulinresistenz bei Diabetes
mellitus Typ 2“ von Yki-Järvinen aus dem Buch „Texbook of Diabetes I“ (edited by
John C. Pckup and Gareth Williams) und dem Artikel „Gestationsdiabetes: aktuelle
Aspekte in der Pathogenese und Behandlung“ von Tamas und Kerenyi habe ich
mir als Ausgangspunkt eine gewisse Grundbasis geschaffen und darauf weiter
aufgebaut.
Auf Basis dieser Grundkenntnisse wurde die aktuell gebundene als auch
elektronisch veröffentlichte Fachliteratur durch Eigenrecherche identifiziert,
analysiert und bewertet. Recherchiert wurde in der internationalen Datenbank
PubMed im Zeitrahmen von 1967 bis Januar 2009 und unter folgenden Stich- bzw.
Suchworten wurden 299 verwertbare Artikel bzw. Studien gefunden und evaluiert:
Insulin resistance, Insulin receptor, Insulin receptor substrate proteins, Insulin
metabolism Phosphorylation, Insulin signal transduction, Insulin like growth factor
1and 2, Tyrosin phosphatases, Phosphatidyl-Inositol 3-Kinase, PPAR-γ, Rad,
Caveolae, Protein Kinase C, Protein tyrosine phosphatases, TNF-α, Glucose
Transporter 4, Acanthosis nigricans, Gestational diabetes mellitus, Diabetes
mellitus Type 2, Glucose metabolism, Lipid metabolism, Glucose tolerance,
Pregnancy, Obesity, Adipose tissue, Leptin, Incidence, Screening in gestational
diabetes, Erythroblastosis fetalis, Persistent Hyperinsulinemic Hypoglycemia of
Infancy, Hypoglycemia, Progesterone, Estrogenes, Prolactin, Placental Lactogen,
Adiponectine, Interleukin-6, Resistin, Visfatin,Retinol-Binding-Protein 4, Chemerin
Adrenomedullin;
3
Sämtliche Artikel mit mangelndem Informationsgehalt wurden verworfen. Die
verwendete
zitierte
Sekundärliteratur
wurde
auf
die
Richtigkeit
in
der
Originalfassung überprüft.
Es sind Unmengen an wissenschaftlichen Publikationen zur Erstellung des
Themas meiner Diplomarbeit vorhanden, die aufgrund der großen Zahl nicht alle
in diese Arbeit miteinbezogen wurden.
4
3. Ergebnisse
3.1. Insulinresistenz
3.1.1. Insulin
Insulin (Abb. 1) ist ein Peptidhormon, das in den β-Zellen der Langerhans’schen
Inseln des Pankreas gebildet wird. Es besteht aus 51 Aminosäuren (AS). Diese
liegen in Form von zwei Peptidketten, der A-Kette mit 21 AS und der B-Kette mit
30 AS vor, die durch zwei Disulfidbrücken miteinander verknüpft sind. Zusätzlich
besteht eine dritte Disulfidbrücke innerhalb der A-Kette (Löffler, 2003).
Abbildung 1: Proinsulin. Zur Fertigstellung von Insulin muss das C-Peptid durch eine spezifische Protease
abgespalten werden (www.landarzt.files.wordpress.com).
In den 20er Jahren gelang es Banting und Best, Insulin erstmals zu isolieren und
1955 gelang es Sanger die chemische Struktur des Insulins zu entschlüsseln.
1978 erzeugte die kalifornische Firma Gentech das Insulingen in zwei Kulturen
des Escherichia coli. Und heute zählt Humaninsulin, das durch genetisch
veränderte Bakterien hergestellt wird zu den wichtigsten Peptidhormonen, die seit
1996 auch künstlich verfügbar sind (Pliska et al., 2005).
5
Der wichtigste direkte Reiz zur Freisetzung des Insulins erfolgt durch den Anstieg
des Blutglukosespiegels über 2-3 mmol/l aus den β-Zellen des Pankreas. Die
Ausschüttung des Insulins nimmt parallel zur Blutzuckerkonzentration (bis zu 15
mmol/l) zu.
3.1.1.1. Hauptaufgaben des Insulins
Normalerweise hängt die Glukosehomöostase vom Gleichgewicht zwischen
hepatischer Glukoseproduktion und Glukoseverwertung durch die vorrangig
insulinabhängigen Organe, wie Leber, Fettgewebe und Muskulatur, aber auch
durch die insulinunabhängigen Organe, wie Gehirn und Niere ab. Diese Balance
wird durch pankreatische Hormone, wie durch das Insulin, genauestens reguliert.
So reagieren gesunde Individuen auf die Erhöhung des Plasmaglukosespiegels
mit einer gesteigerten Insulinsekretion der β-Zellen aus dem Pankreas. Diese
Zunahme von zirkulierendem Insulin stimuliert die Glukoseaufnahme und –
speicherung (Glykogensynthese) in peripheren Geweben und hemmt die
hepatische Glukoneogenese (Cheatham and Kahn, 1995). Zusätzlich reguliert
Insulin den Lipidmetabolismus, in dem es in Leber, Fettgewebe und Muskulatur
die
Triacylglycerinsynthese
insulinsensitiven
Geweben
stimuliert.
vermehrt
Außerdem
AS
werden
aufgenommen,
in
diesen
die
für
drei
die
Proteinbiosynthese verwendet werden (Löffler, 2003). Somit spielt Insulin eine
Schlüsselrolle im zellulären Wachstum und in der Differenzierung.
Stoffwechselwirkungen von Insulin
Gewebe
Effekt/Wirkung
Leber
↑ Glykogensynthese
↓ Glukoneogenese
Fettgewebe
↑ Synthese von Triacylglycerinen
Skelettmuskel
↑ Glykogensynthese
↑Proteinbiosynthese
Tab. 2: Stoffwechselwirkungen von Insulin.
6
3.1.2. Die Struktur des Insulinrezeptors (IR)
Der IR gehört zur Familie der Tyrosinkinaserezptoren und ist in seiner
ursprünglichen Gestalt ein tetrameres Protein, das aus je zwei α-Untereinheiten
und zwei β-Untereinheiten besteht, die jeweils durch Disulfidbrücken miteinander
verbunden sind (Kasuga et al., 1982). Jede dieser Untereinheiten hat eine
spezifische Funktion. Die extrazellulär lokalisierte α-Untereinheit beinhaltet die
Insulinbindungsdomäne. Die C-terminale Domäne der α-Untereinheit enthält das
Exon 11, das alternativem Splicing unterliegt.
Die β-Untereinheit zeichnet sich durch eine kurze extrazelluläre Domäne, eine
Transmembrandomäne und eine intrazelluläre Domäne aus.
Die intrazelluläre Domäne vermittelt die Signalweiterleitung in die Zelle. Sie
besteht aus drei Regionen, einer juxtamembranären Domäne, der zentralen
Tyrosinkinasedomäne und einer C-terminalen Domäne (Cheatham and Kahn,
1995, Kido et al., 2001).
Abb. 2: Schematische Darstellung der Insulinrezeptorstruktur (White, 2002).
7
3.1.3. Insulin-IGF signalisierendes System
Die Insulin-Insulin-like-gwoth-factor (IGF)-Familie schließt drei klar definierte
Liganden,
nämlich
Insulin,
IGF-1
und
IGF-2
sowie
deren
Zelloberflächenrezeptoren, den IR, Insulin-like growth factor-1Receptor (IGF-1R),
IGF-2R und Insulin receptor-related receptor (IRR) und multiple nachgeschaltete
Adapterproteine, insbesondere Insulinrezeptorsubstrat-1 und -2 (IRS-1 und IRS2), mit ein, die die intrazelluläre Signalweiterleitung koordinieren (Pickup and
Williams, 2002).
Der IR, IGF-1R und IRR sind drei homologe Tyrosinkinaserezeptoren. Beim IR
entstehen durch alternatives Splicing des Exons 11 zwei Rezeptorisoformen, Typ
A (IR-A) und Typ B (IR-B). Die Typ A Isoform enthält am Ende der α-Untereinheit
zusätzlich 12 AS die bei der Typ B Isoform fehlen (Frasca et al., 1999). Über IRR
weiß man nur wenig und auch sein Ligand ist immer noch unbekannt. Im
Gegensatz zu den beiden anderen Rezeptoren fehlt IRR die C-terminale Domäne
der β-Untereinheiten (Itoh et al., 1993, LeRoith et al., 1995).
IGF-2R ist ein Monomer und hat keine Funktion bei der Signaltransduktion. Der
Rezeptor dient auch als Mannose-6-Phosphat Rezeptor (M6PR), der die
Endozytose M6P-haltiger Liganden vermittelt (LeRoith and Roberts, 2003).
Der IR bindet am stärksten Insulin, während IGF-1R hauptsächlich mit IGF-1,
aber auch mit relativ hoher Affinität mit IGF-2 eine Bindung eingeht. Zusätzlich
fungiert die Typ A-Isoform als Hoch-Affinitätsrezeptor für IGF-2. IGF-2R interagiert
nur mit IGF-2. Wie schon oben erwähnt, ist der Ligand von IRR nach wie vor
unbekannt (Frasca et al., 1999, Louvi et al., 1997).
8
Abb. 3: Bindungsaffinitäten der Rezeptoren aus der IR-IGF-Familie (White, 2002).
3.1.4. Insulinsignaltransduktion
Durch die Bindung des Insulins an die α-Untereinheiten des IR kommt es zu einer
Konformationsänderung des Rezeptors, das folgend zur Aktivierung der
intrazellulären
Tyrosinkinase
in
den
β-Untereinheiten
und
zur
Autophosphorylierung spezifischer Tyrosinreste des Rezeptors führt (Kasuga et
al., 1982). Der aktivierte IR phosphoryliert eine Reihe nachgeschalteter Substrate.
Zu den wichtigsten Adapterproteinen gehören die IRS-(Insulinrezeptorsubstrat)
Familie. Neben den IRS-Proteinen werden auch eine Reihe anderer verwandter
Proteine vom IR rekrutiert. Dazu gehören unter anderem Src-Homology-CollagenProteine (SHC-Proteine), APS, SH2B, Gab1/2, Dock 1/2 und Cbl (Pessin and
Saltiel, 2000, Virkamaki et al., 1999, Yenush and White, 1997).
IRS-Proteine dienen innerhalb der Zelle als Adaptermoleküle, indem sie den
aktivierten IR über SH2 Domänen mit nachgeschalteten Komponenten der
Signalweiterleitung verbinden.
Mittlerweile zählen zur IRS Familie mindestens
neun Proteine, IRS 1-4, drei Isoformen von Shc, Gab-1 und p62dok (Van
9
Obberghen et al., 2001, Virkamaki et al., 1999). 2003 wurden zwei weitere
Mitglieder dieser Familie identifiziert, IRS-5/DOK4 und IRS-6/DOK5 (Cai et al.,
2003). IRS-1 und IRS-2 werden nahezu in allen Geweben exprimiert, während
IRS-3 sich auf das Fettgewebe von Nagern beschränkt (Lavan et al., 1997). IRS-4
kommt hauptsächlich in Thymus, Gehirn, Niere und β-Zellen vor (Uchida et al.,
2000). IRS-5 wird bis auf Leber und Niere ubiquitär exprimiert und die Expression
von IRS-6 ist im Skelettmuskel am prominentesten (Cai et al., 2003).
Alle IRS-Proteine besitzen eine N-Terminale Pleckstrin Homologie (PH) Domäne,
an die eine Phosphotyrosin bindende (PTB) Domäne angrenzt und an diese ein CTerminaler Bereich folgt, der durch multiple unterschiedliche Tyrosin- und
Phosphorylierungsstellen charakterisiert ist.
Abb. 4: Aufbau der IRS-Proteine mit PH-Domäne und PTB-Domäne (Taniguchi et al., 2006).
PH- und PTB-Domänen sind für die Interaktion der IRS Proteine mit dem IR
verantwortlich. Dabei dirigiert die PH Domäne die Proteine durch die Interaktion
zum membranständigen IR (Burks et al., 1997, Burks et al., 1998, Yenush et al.,
1998). Die PTB Domäne trägt ihre Aufgabe in der Erkennung und Bindung des
phosphorylierten NPXY Motives im IR bzw. IGF-1R.
10
Die C-Terminale Region beinhaltet zahlreiche YMXM und YXXM Motive, die an
Tyrosin-Resten phosphoryliert werden. Dieser C-Terminale Bereich der IRSProteine dient als Regulator zur Rekrutierung weiterer nachgeschalteter
Adapterproteine, die über eine SH2 (Src-Homologie 2) Domäne verfügen.
Die
phosphorylierten
IRS-Proteine
binden
und
aktivieren
SH2
haltige
Adaptermoleküle, als wichtigstes des IRS-1 hier die Phosphatidylinositol-3-Kinase
(PI-3K) genannt. Für die Bindung der PI-3K sind die IRS-1 Tyrosine 608 und 628
entscheidend (Esposito et al., 2001).
3.1.4.1. Phosphatidylinositol-3 Kinase (PI-3K)-abhängiger Signalweg
Durch die Aktivierung der PI-3K-Signaltransduktionskette werden zahlreiche
zelluläre Ereignisse reguliert, wie Zellproliferation, -wachstum, -überleben, Motilität
und Metabolismus. Die PI-3K besteht aus einer katalytischen p110 und einer
regulatorischen p85 Untereinheit. Die regulatorische p85 Untereinheit bindet an
die phosphorylierten Sequenzen des IRS-1 und wird aktiviert. Die PI-3K katalysiert
die
Phosphorylierung
des
Membranbestandteils
Phosphatidylinositol-4,5-
bisphosphat (PIP2). Dabei entsteht Phosphatidylinositol-3,4,5-trisphosphat (PIP3).
PIP3 bindet an die PH Domänen weiterer Adapterproteine und reguliert dabei
deren
Aktivität.
In
der
Phospholipid-abhängigen
Insulinsignalweiterleitung
Kinase
(PDK)
von
ist
großer
die
Aktivierung
Bedeutung.
der
PDK
phosphoryliert und aktiviert die Proteinkinase B (PKB), auch Akt genannt, und
Isoformen der Proteinkinase C (PKC). PIP3s führen zur Translokation von Akt und
PKCs zur Plasmamembran, wo sie anschließend durch PDK aktiviert werden.
Dies löst eine insulinabhängige Translokation des Glukosetransporters 4 (GLUT-4)
zur Plasmamembran aus, sowie eine Steigerung der Glykolyse, Stimulation der
Glukoseaufnahme in die Zelle und Glykogensynthese (Alessi and Cohen, 1998,
Brunet et al., 1999, Kido et al., 2001, Pessin and Saltiel, 2000, Saltiel and Kahn,
2001, Yenush and White, 1997).
11
Abb. 5: Insulinabhängige Aktivierung der PI-3K, die über PDK, Akt (=PKB) und Isoformen der PKC aktiviert
wird. Folge: Translokation von GLUT-4 (Watson and Pessin, 2006).
Die Serin-/Threoninkinase PKB bzw. Akt ist ein Schlüsselenzym zahlreicher
intrazellulärer Signalwege. Akt kommt in drei Isoformen, nämlich Akt 1, Akt2 und
Akt3 vor, die je eine N-Terminale PH Domäne, eine zentrale Kinase Domäne und
eine
C-Terminale
regulatorische
Domäne
besitzen.
Die
insulinabhängige
Aktivierung erfolgt in mehreren Schritten. Zunächst docken vermehrt produzierte
PIP3 Moleküle an die PH Domäne der Akt an. In weiter Folge kommt es zu einer
Konformationsänderung der Kinase, die jetzt zur Plasmamembran transloziert
wird. Dort erfolgt die Phosphorylierung und Aktivierung der Akt Kinase durch
PDK1. Die Phosphorylierung findet einerseits in der Kinase liegenden Domäne
Threonin 308 statt und zusätzlich wird Akt am C-Terminalen regulatorischen
Bereich am Serin 473 phosphorlyiert. Es ist bekannt, dass PDK1 für die
Phosphorylierung von Threonin 308 sorgt. Es ist nach wie vor ungewiss, ob Serin
473 durch PDK2, PDK1 oder über eine Autophosphorylierung modifiziert wird. Alle
diese Spekulationen sind nicht auszuschließen (Andjelkovic et al., 1997, Coffer et
al., 1998, Toker and Newton, 2000).
12
Abb. 6: Die Aktivierung von Akt (=PKB) durch PIP3. a) Phosphorylierung und Aktivierung der Akt durch PDK1;
b) dann durch PDK2; c) aktivierte PKB löst sich von der Membran (Pickup and Williams, 2002).
Akt ist nicht nur in der Insulinsignaltransduktion von Bedeutung. Es spielt auch
eine zentrale Rolle in der Regulation der Zellteilung und Apoptose. Es ermöglicht
in konstitutiv aktiver Form Zellen zu teilen, obwohl sie normalerweise nicht mehr
dazu befähigt sind und darüber hinaus wird die Apoptose in diesen Zellen
verhindert, das zum Überleben von Tumorzellen führt (Bellacosa et al., 1991).
Neben Akt werden auch die atypischen PKC Enzyme λ und ζ PI-3K abhängig
aktiviert. Die Proteinkinasen-Familie reguliert eine Vielzahl physiologischer
Prozesse. Sie sind an Wachstum, Differenzierung, Apoptose, Signaltransduktion
und Tumorgenese beteiligt (Kanashiro and Khalil, 1998, Miranti et al., 1999).
Die Familie der PKC wird in drei Gruppen eingeteilt, die sich in ihrer Struktur und
Funktion unterscheiden. Die klassischen PKC Isoformen (cPKC: α, β, γ) werden
durch Ca2+ und Diacylglycerin (DAG) aktiviert, die neuen PKC Isoformen (nPKC:
δ, ε, η, θ) sind DAG-sensitiv und die atypischen PKC Isoformen (aPKC: ζ, λ, ι) sind
weder Ca2+-, noch DAG-abhängig (Gschwendt, 1999, Moscat and Diaz-Meco,
2000, Parker and Murray-Rust, 2004).
Glykogen-Synthase-Kinase-3 (GSK-3) ist das erste entdeckte Substrat der
Akt/PKB. Die GSK-3 selbst wird durch Phosphorylierung am N-Terminus
deaktiviert, in diesem Falle durch Akt. Die Aktivierung des PI-3K-Akt-Pfades in
Reaktion auf Insulin führt dadurch zu einer Abnahme der GSK-3-Aktivität und
somit zu einer Aktivierung der Glykogen-Synthase, das die Glykogensynthese
fördert. Dies bedeutet, dass GSK-3 in nicht stimulierten Zellen aktiv und somit für
die Phosphorylierung und Hemmung der Glykogen-Synthase zuständig ist. Die
13
Inaktivierung von GSK-3 erfolgt an den beiden Untereinheiten, GSK-3α und GSK3β. An der α-UE wird Serin 21 und an der β-UE Serin 9 phosphoryliert. Die Kinase
ist als multifunktionelles Enzym in zahlreiche zelluläre Mechanismen involviert,
unter anderem beim Zellüberleben, der Entstehung des Zytoskeletts und der
Zellpolarität, in der Glykogen- und Proteinbiosynthese und auch bei der
Modifikation der Aktivität einiger Transkriptionsfaktoren (Coffer et al., 1998, Cross
et al., 1995).
3.1.4.2. Mitogen-aktivierte-Proteinkinase- (MAPK) Kaskade
Ein zweiter wichtiger Hauptsignalweg, der für die Insulinsignaltransduktion eine
wesentliche Rolle spielt, ist die MAPK-Kaskade. Dieser Signalweg ist ein PI-3K
unabhängiger Pfad, der für die Mitogenese und Zellzyklusprogression von großer
Bedeutung ist. Die MAPK wird in allen eukaryoten Zellen synthetisiert. Es handelt
sich dabei um eine Serin-Threonin-Kinase. Infolge der Insulinstimulierung geht
IRS-1 mit Growth-factor-receptor-bound-2 (Grb-2) eine interaktive Protein-Protein
Wechselwirkung ein und Grb-2 rekrutiert Son-of-sevenless Protein (SOS). Der
IRS-1/Grb-2/mSOS-Komplex aktiviert Ras, ein Guanosintriphosphat- (GTP)
bindendes Protein. Im GTP-gebundenen Zustand aktiviert Ras nun die Raf-1Kinase, die phosphoryliert wird. Nachfolgend wird die MAPK aktiviert. Über diese
Kaskade kann Insulin Wachstums- und Differenzierungsprozesse regulieren.
Die MAPK-Kaskade kann auch über einen alternativen Weg aktiviert werden,
indem das Protein SHC mit dem IR direkt eine Verbindung eingeht, phosphoryliert
wird, danach Grb-2 an SHC andockt und mit mSOS reagiert. Dieser Komplex
aktiviert Ras und nachfolgend die MAPK (Cheatham and Kahn, 1995, Garrington
and Johnson, 1999).
14
Abb. 7: Insulinsignaltransduktion. rechts: Aktivierung der MAPK-Kaskade => Regulierung von Wachstums
und Differenzierung; links: Beeinflussung des Glukosemetabolismus über Akt bzw. der Lipisynthese über eine
Isoform der PKC (Biddinger and Kahn, 2006).
3.1.4.3. Phosphatidylinositol-3-Kinase (PI-3K) unabhängiger Signalweg
Nebenbei sei auch noch ein dritter Insulinsignalweg erwähnt, da der PI-3K
abhängige Pfad nicht für die vollständige Entfaltung der Insulinstimulierung des
Glukosetransports ausreicht. Caveolin-1 und Caveolae spielen eine bedeutende
Rolle in der Regulation des Glukosemetabolismus, auf die jetzt nachfolgend im
Überblick eingegangen wird.
Lipid-Rafts
sind
Mikrodomänen
Mikrodomänen
enthalten
vor
innerhalb
allem
der
Plasmamembran.
Cholesterin,
Sphingomyelin
Diese
und
Glykosphingolipide. Mikrodomänen, die hohe Konzentrationen von Caveolin
enthalten, sind eine spezifische Unterform dieser Lipid-Rafts und werden als
Caveolae
bezeichnet.
Caveolae
und
Caveolin
haben
eine
Reihe
von
physiologischen Aufgaben, darunter unter anderem Endozytose, Transzytose,
Cholesterin-Homöostase und Signaltransduktion. Folgender Mechanismus spielt
in der Insulinsignaltransduktion durch Caveolin eine Rolle: Der aktivierte IR
rekrutiert das Proto-Onkogen c-Cbl gemeinsam mit den Adapterproteinen APS
15
und CAP und phosphoryliert ihrerseits c-Cbl. Der Cbl-APS-CAP-Komplex spaltet
sich vom IR ab und geht mit Flotillin, das in den Lipid-Rafts lokalisiert ist, eine
Bindung ein. Des Weiteren aktiviert dieser Komplex die Proteinkinase Fyn, die für
die Tyrosinphosphorylierung des Caveolins zuständig ist (Mastick 1995, Ishikawa
2005). Phosphoryliertes Cbl rekrutiert Crk und C3G zu den Lipid-Rafts, das die
Aktivierung von TC 10 zur Folge hat und dadurch den Glukosetransport PI-3K
unabhängig stimuliert (Ishikawa et al., 2005, Saltiel and Pessin, 2003, Yamamoto
et al., 1998).
Abb. 8: Stimulierung des Glukosetransports unabhängig von der PI-3K (Watson and Pessin, 2006).
3.1.5. Insulinresistenz auf molekularer Ebene
Insulinresistenz ist ein ernstzunehmendes medizinisches Gesundheitsproblem,
das zu T2D führen kann,
wenn die β-Zellen des Pankreas unzureichend
kompensatorisch arbeiten, in dem sie die Menge des sezernierten Insulins
erhöhen. Auf physiologischer Ebene sind Übergewicht, körperliche Inaktivität und
das Alter gemeinsame Ursachen der Insulinresistenz, auf die später noch näher
eingegangen wird. Während die Hypoglykämie eine unmittelbare Gefahr ist,
könnte das Vorherrschen der Insulinresistenz von Vorteil sein, um sicherzustellen,
dass Glukose in Zeiten der Belastung bzw. Gewebsreparatur verfügbar ist. Aber
die chronische Insulinresistenz ist schädlich. Obwohl eine mäßig kompensierte
Hyperinsulinämie kurzfristig gut toleriert werden kann, verschlimmert die
16
chronische Hyperinsulinämie die Insulinresistenz beträchtlich und trägt schließlich
zur β-Zellzerstörung und zu DM bei (Pickup and Williams, 2002).
Die molekularen Mechanismen, welche eine Insulin-abhängige Glukoseaufnahme
regulieren, sind aufgrund der Komplexität der Insulinsignaltransduktion noch
weitgehend unklar. Neue Studien bei Tiermodellen und Menschengeweben haben
gezeigt,
dass
genetische
und
nicht
genetische
Faktoren
die
Insulinsignalweiterleitung regulieren können, indem sie die Sequenz, das
Expressionsniveau oder die kovalente Modifikation von Proteinen ändern und in
das intrazelluläre Netzwerk der Insulinfunktion miteinbeziehen.
3.1.5.1. Genetische Änderungen der Insulinsignalproteine
3.1.5.1.1. Insulinrezeptor
Genetische Störungen der IR-Struktur sind selten und der Phänotypus, wenn
vorhanden, ist normalerweise ein Syndrom der extremen Insulinresistenz, wie
Leprechaunismus oder das Typ A-Syndrom der Insulinresistenz, bei dem die
Autophosphorylierung und Aktivierung der Tyrosinkinase durch Insulin verhindert
wird, und Akanthosis nigrans. Seit den ersten Berichten aus dem Jahre 1988
(Kadowaki et al., 1988, Yoshimasa et al., 1988) sind über 100 solcher Fälle
identifiziert worden. Die Genomanalysen haben gezeigt, dass Mutationen des IR
keine wichtige Rolle in der Pathophysiologie von T2D oder Adipositas spielen.
3.1.5.1.2. IRS-1
IRS-1 war das erste IRS, das identifiziert wurde. Es ist auch bekannt, dass beim
IRS-1 multiple natürliche Polymorphismen vorkommen. IRS-1-Polymorphismen
kommen bei Typ 2 Diabetiker/innen bedeutend häufiger als in den Kontrollgruppen
vor, einschließlich G972R- (Glycin 972 Æ Arginin), S892G-, G819R-, R1221C- und
A513P-Varianten. Von diesen Polymorphismen ist G972R der Gängigste (Imai et
al., 1994, Laakso et al., 1994).
17
Es wurde eine Reihe von in vitro Experimenten durchgeführt, um die molekularen
Effekte dieser Sequenzänderung (G972R) zu erforschen. Erste klinische
Beobachtungen
bestätigten
eine
verminderte
Aktivität
der
PI-3K,
da
möglicherweise die Bindung der PI-3K an IRS-1 beeinträchtigt wird. Tatsächlich
verursacht die Expression der G972R-Variante von IRS-1 in den 32D(IR)-Zellen
einen spezifischen Defekt in der Bindung der p85-UE der PI-3K zum IRS-1 und
führt dadurch zu einer Abnahme der PI-3K-Aktivität von 36% (Almind et al., 1996),
das schlußendlich zu einer 35-40%igen Abnahme des biologischen Insulineffekts
führt: Stimulation der Mitogenese. Die Insulin stimulierte Tyrosinphosphorylierung
ist normal.
Bei
Japanern/innen
mit
T2D
sind
mehrere
zusätzliche
Poymorphismen
beschrieben worden, einschließlich den P190R-, M209T- und S809F-Varianten
und die silenten Nukleotidvarianten L142 und G625 A804 (Ura 1996). Diese allein
zeigen keine Relevanz, kommt es jedoch in Kombination mit der G972R Mutation
zu
einer
dreifach
höheren
Prävalenz
im
Vergleich
mit
den
gesunden
Kontrollgruppen. In vitro zeigen die 32D Zellen, die diese Varianten auch
exprimieren, eine verminderte PI-3K-Aktivierung (Yoshimura et al., 1997).
3.1.5.1.3. Andere IRS und die PI-3K
1998 sind zwei Polymorphismen von IRS-2 in der kaukasischen Bevölkerung
beschrieben
worden:
eine
Substitution
von
G1057D
und
G879S.
Aminosäurepolymorphismen von IRS-4 sind auch häufig in der kaukasischen
Bevölkerung anzutreffen. Jedoch ist keine dieser Polymorphismen mit T2D oder
der Insulinresistenz assoziiert (Almind et al., 1998, Kalidas et al., 1998).
Ein geläufiger Polymorphismus der p85-Untereinheit der PI-3K ändert Methionin in
Position 326 zum Isoleucin. In einer Studie waren 31% der Kaukasier Träger der
heterozygoten
Form
und
2%
Träger
der
homozygoten
Form.
Dieser
Polymorphismus tritt in einer Region zwischen der SH3-Domäne und der SH2Domäne auf, aber die funktionellen Effekte sind in vitro noch nicht studiert worden.
Obwohl die Häufigkeit von Diabetes nicht erhöht wird, weisen homozygote
Individuen
bei
einem
intravenösen
Glukosetoleranztest
(ivGTT)
eine
18
Verminderung der Insulinsensitivität um 32%, verglichen mit Wildtyp- und
heterozygoten Trägern, auf (Hansen et al., 1997).
Abb. 9: Es existieren multiple Mechanismen, die für eine Down-Regulation der Insulinsignalweiterleitung
verantwortlich sind, wie z.B. eine verminderte Synthese und erhöhte Degradation des IR, eine inhibitorische
Serinphosphorylierung, eine Wechselwirkung zwischen den hemmenden Proteinen und die Änderung der
Verhältnisse der unterschiedlichen Signalmoleküle, verantwortlich sein können (Biddinger and Kahn, 2006).
3.1.5.2. Andere Modulatoren der Insulinsignaltransduktion
3.1.5.2.1. Peroxisomen-Proliferator-aktivierter Rezeptor γ (PPARγ)
PPARγ ist ein Nuklearrezeptor und scheint ein wichtiger Regulator der
Adipogenese zu sein. PPARγ besteht aus zwei Isoformen, γ1 und γ2. PPARγ1
wird nahezu ubiquitär exprimiert, während PPARγ2 hauptsächlich im Fettgewebe
exprimiert wird (Spiegelman, 1998). Obwohl PPARγ nicht direkt ein Teil der
Insulinsignalkaskade ist, binden Insulinsensitizer, wie Troglitazon und Pioglitazon,
mit hoher Affinität an PPARγ und aktivieren die Regulation der Gentranskription.
Eine seltene vorkommende Mutation von PPARγ (P115Q) in der unmittelbaren
Umgebung einer wichtigen Phosphorylierungsstelle resultiert in einem aktiven
PPARγ (Ristow et al., 1998). Träger dieser Mutation leiden unter extremer
19
Adipositas ohne bedeutende Insulinresistenz. In vitro führt die vermehrte
Expression von P115Q in den 3T3-L1-Fibroblasten zu schneller Differenzierung in
den Adipozyten. Folglich resultiert diese seltene Form von Adipositas aus einem
aktiven PPARγ, der zu erhöhter Adipogenese führt, aber gleichzeitig den Körper
insulinsensibilisiert. Interessanterweise wurde auch über eine andere Mutation in
der spezifischen PPARγ2 Region (P12A) berichtet, die mit geringerem BMI und
verbesserter Insulinsensitivität assoziiert ist (Deeb et al., 1998).
3.1.5.2.2. Plasmazelldifferenzierungsfaktor-1 (PC-1)
PC-1 ist ein Membranglykoprotein mit Ektonukleotid-Pyrophosphataseaktivität, der
als ein intrinsischer Inhibitor der IR-Tyrosinkinaseaktivität agiert (Goldfine et al.,
1998).
Bei
Gesunden
ohne
klinisch
bedeutende
Störungen
im
Glukosemetabolismus korreliert die PC-1-Expression im intravenösen (i.v.)
Insulintoleranztest und bei der in vitro Stimulation der IR-Tyrosinkinasekativität des
Muskels im Muskel negativ mit der Insulinsensitivität (Kumakura et al., 1998). Es
ist bestätigt worden, dass die vermehrte PC-1-Expression in der Skelettmuskulatur
übergewichtiger Personen die Down-Regulation der IR-Tyrosinphosphorylierung
besser erklärt als es die Abnahme der IR-Expression tut, aber dies erfordert noch
weitere Untersuchungen (Youngren et al., 1996). Ob genetische Faktoren die PC1-Expression regulieren, ist nicht bekannt.
3.1.5.2.3. Rad (Ras in Assoziation mit DM)
Rad wird vermeht in der Skelettmuskulatur von Typ 2 Diabetikern/innen gebildet.
Rad gehört einer speziellen Sparte der Ras-Superfamilie der GTPasen an und hat
in vitro eine GTP-Hydrolaseaktivität (Reynet and Kahn, 1993). Das Rad-Gen
(gekennzeichnet
mit
RAD1)
enthält
bestimmte
Trinukleotid-Repeat-
Polymorphismen. Basierend auf der Zahl der Trinukleotid-Repeats können 10
Allele in vier Unterklassen (I-IV) eingeteilt werden. I, II und IV sind in der
kaukasischen Bevölkerung mit T2D assoziiert (Doria et al., 1995). Einige
Individuen mit T2D wurden mit vermehrter Rad Expression identifiziert. In
kultivierten Myotubes und Adipozyten vermindert die vermehrte Rad Expression
20
die Insulin-abhängige Glukoseaufnahme (Moyers et al., 1996). Rad ist auch ein
Insulin-reguliertes Gen.
3.1.5.3. Erworbene Faktoren
Übergewichtige Personen
haben eine verminderte IR-Expression und eine
verminderte Tyrosinkinaseaktivität in der Skelettmuskulatur und in den Adipozyten.
Über ähnliche Entdeckungen wurde bei Typ 2 diabetischen Patienten/innen im
Skelettmuskel und in der Leber berichtet (Caro et al., 1986, Caro et al., 1987,
Olefsky, 1976).
Die IR-Expression wird durch die Syntheserate, Internalisierung und durch den
Abbau
reguliert,
während
die
Tyrosinkinaseaktivität
zusätzlich
durch
posttranslationale Modifikationen des Rezeptors reguliert wird. Beide, die IRExpression und die Tyrosinkinaseaktivität werden durch deren Rückgang wieder
hergestellt, dass auch die Insulinsensitivität verbessert. Jedoch ist bei T2D die
Wiederherstellung der Insulinsensitivität nicht vollständig und suggeriert die
Existenz eines zusätzlichen Postrezeptordefektes in der Insulinsignalweiterleitung
(Freidenberg et al., 1988). In Tiermodellen mit genetischer und erworbener
Adipositas wird die Zahl der IR in der Leber vermindert und kann durch
verbessernde Hyperinsulinämie korrigiert werden (Hurrell et al., 1989). Diese
Daten lassen darauf hindeuten, dass die Down-Regulation der IR-Expression und
der Tyrosinkinaseaktivität zweitrangig zur Adipositas steht, oder wahrscheinlicher
der Hyperinsulinämie, die sie begleitet. Des Weiteren können jedoch
zur
verminderten IR- Expression und Tyrosinkinaseaktivität mehrere zusätzliche
Mechanismen zur Insulinresistenz in Verbindung mit Adipositas beitragen,
einschließlich Änderungen in Membranlipiden.
Weniger ist über die exakten Stellen der Postrezeptorresistenz bei Adipositas und
Diabetes bekannt. Bei stark übergewichtigen Patienten/innen (BMI von 52kg/m2)
wird die IRS-1-Expression im Skelettmuskel bis zu 54% im Vergleich zu nicht
übergewichtigen Patienten/innen vermindert. Bei weniger übergewichtigen Typ 2
diabetischen Patienten/innen scheint die IRS-1 Expression in den Adipozyten
21
vermindert zu werden. In der Skelettmuskulatur bleibt diese aber unverändert. Die
IRS-2 Expression wird in den Adipozyten, in denen es das Hauptdockingprotein
für die PI-3K ist, nicht verändert (Goodyear et al., 1995, Rondinone et al., 1997).
3.1.5.3.1. Hyperinsulinämie
Die Hyperinsulinämie ist der klassische Indikator der Insulinresistenz und kann
selbst zur Insulinresistenz bei T2D und Adipositas beitragen. Die IR-DownRegulation ist ein Resultat erhöhter Internalisierung und Degradation nach der
Bindung von Insulin an seinen Rezeptor und führt so zur sekundären
Insulinresistenz (Freidenberg et al., 1988).
3.1.5.3.2. Gegenregulatorische Hormone und adrenerges System
Die
gegenregulatorischen
Glukagon
und
Hormone
Wachstumshormone)
(Epinephrin,
haben
in
Norepinephrin,
der
Cortisol,
Antagonisierung
der
Insulinwirkung eine bedeutende Rolle. Es ist unklar, ob die erhöhte Aktivität des
sympathischen Nervensystems, das im Allgemeinen beim Insulinresistenzsyndrom
gefunden wird, zur verminderten Insulinsignalweiterleitung beiträgt. Jedoch
vermindert die Stimulierung des β-adrenergen Rezeptors in den Adipozyten die
Insulin-stimulierte PI-3K-Aktivität (Gerich, 1988, Ohsaka et al., 1997, Reaven et
al., 1996).
3.1.5.3.3. Tumornekrosefaktor α (TNFα)
TNFα wurde als endogenes Zytokin, das von Makrophagen und Lymphozyten
nach inflammatorischer Stimulierung produziert wird, identifiziert. TNFα wird in
vielen Zelltypen, einschließlich des Fettgewebes, exprimiert. Die Adipozyten
adipöser Tiere und Menschen exprimieren vermehrt TNFα in positivier Korrelation
zum BMI und zur Hyperinsulinämie und die Gewichtsreduktion (Abb. 10)
vermindert die Expression von TNFα. Obwohl die lokale TNFα-Freisetzung eine
geringe Wirkung auf die systemischen TNFα-Konzentrationen hat, sind lokale
Konzentrationen von freiem und Membran-gebundenem TNFα bei Adipositas
wahrscheinlich erhöht. TNFα beeinträchtigt die Insulinsignaltransduktion, indem es
22
die IRS-1-Serinphosphorylierung (und vielleicht von anderen IRS-Proteinen)
erhöht. Serinphosphoryliertes IRS-1 hemmt die IR-Tyrosinkinaseaktivität, die die
nachfolgende Signalweiterleitung beeinträchtigt. Es wird vermutet, dass die TNFα
induzierte IRS-1-Serinphosphorylierung einen zusätzlichen IR-hemmenden Faktor
(vielleicht eine Tyrosinphosphatase oder ein Serinphosphataseinhibitor) an IRS-1
bindet und die Hemmung der IR-Kinase vermittelt (Hotamisligil et al., 1995, Kanety
et al., 1995, Peraldi and Spiegelman, 1998).
Abb. 10: Verminderung von TNFα bei der Reduktion von Körpergewicht (Kern et al., 1995).
3.1.5.3.4. Leptin
Leptin ist ein 16 kDa Protein, das fast ausschließlich im Fettgewebe sezerniert
wird. Es ist das Produkt des defekten „obese“-Gens (ob-Gen), das durch Klonen
bei der übergewichtigen, hyperinsulinämischen ob/ob-Maus identifiziert wurde.
Zirkulierende Leptinkonzentrationen korrelieren bei den Menschen eng mit
nüchternen Insulinkonzentrationen und dem Prozentsatz des Körperfetts, das
Leptin zu einem Marker von Übergewicht und dem Insulinresistenzsyndrom
macht.
Der Leptinrezeptor ist ein Mitglied der Zytokinrezeptorfamilie und tritt in fünf
Isoformen (OB-RA,B,C,D,E) auf. Nur OB-RB, auch als die lange Form des
23
Leptinrezeptors bekannt (OB-RL), hat gezeigt, dass er eine bedeutende
Signalkapazität für Leptin besitzt. Dieser Rezeptor wird selektiv in den
Kerngebieten des Nukleus arcuatus, des Nucleus dosomedialis, des Nucleus
lateralis, des Nucleus paraventricularis und des Nucleus ventromedialis im
Hypothalamus
exprimiert,
der
das
Essverhalten
und
damit
auch
das
Körpergewicht reguliert (Elmquist et al., 1998, Mercer et al., 1996). Jedoch sind
niedrige OB-RL Konzentrationen auch in vielen peripheren Geweben, wie Leber,
Magen-Darm-Trakt
Angenommen,
dass
und
in
Leptin
den
die
pankreatischen
Nahrungsaufnahme
β-Zellen
nachweisbar.
vermindert
und
den
Energieverbrauch erhöht, sind seine möglichen peripheren Effekte auf die
Insulinfunktion von besonderem Interesse (Virkamaki et al., 1999).
Die Leptinsignalweiterleitung verläuft folgendermaßen: Leptin bindet an seinen
Rezeptor und führt in Folge zur Autophosphorylierung und Aktivierung der nicht
kovalent assoziierten Tyrosinkinase Januskinase 2 (JAK2), die dann zur
Phosphorylierung der konservierten Tyrosinreste, die in der intrazellulären
Domäne des Leptinrezeptors lokalisiert sind, führt (pY-985, pY-1138). pY-1138
rekrutiert den Transkriptionsfaktor STAT3 (Signaltransduktor und –aktivator der
Transkription), der die Transkription spezifischer Gene, einschließlich des
Signalinhibitors SOCS3 (Suppressor der Zytokinsignalweiterleitung), initiiert.
SOCS 3 schwächt die Leptinrezeptorsignaltransduktion im Sinne eines negativen
Regulators
durch
die
Bindung
von
pY-985
und
JAK2.
Andere
Leptinrezeptorsignale entstehen durch pY-985 und durch die Phosphorylierung
der JAK2. pY-985 aktiviert SHP-2, dass über die Aktivierung der Proteinkinase
ERK (extrazelluläre Signal-regulierte Kinase) in der Akkumulation des c-fos Gens
resultiert. Jedoch scheint ein Teil der ERK-Aktivierung unabhängig von pY-985
abzulaufen und von Signalen der JAK2 auszugehen. Neben dem JAK-STATSystem
kann
die
Leptinrezeptorsignaltransduktion
auch
über
die
IRS-
Phosphorylierung und die PI-3K, möglicherweise durch die Phosphorylierung von
JAK2, vermittelt werden. Die Leptinwirkungen auf die Reproduktion, das
Wachstum, eventuell auf die Glukosehomöostase und die Immunfunktion können
unabhängig vom pY-1138-STAT-Pfad sein und durch diese und andere, bisher
noch undefinierte proximale Signalereignisse entstehen (Howard and Flier, 2006).
24
Abb. 11: Leptinrezeptorsignaltransduktion (Howard and Flier, 2006).
Es sind bisher 8 SOCS-Proteine, SOCS1-7 und CIS27 bekannt (Hilton et al., 1998).
Sie sind als Inhibitoren vieler unterschiedlicher Zytokinrezeptoren beschrieben
worden, obwohl bislang noch nicht alle SOCS-Proteine genauestens untersucht
worden sind. Die SOCS-Proteine bestehen aus einer N-terminalen SOCS-Box,
einer SH2-Domäne und einer KIR30-Region.
Die SOCS-Proteine korrelieren mit der Insulinsignalweiterleitung, indem die
SOCS-Proteine durch die Bindung des IR die Signaltransduktion von Insulin
hemmen. Diese Blockierung hemmt die IR-Tyrosinkinase und resultiert in einer
verminderten IRS-Phosphorylierung und schwächt die nachfolgenden Ereignisse
ab (Howard and Flier, 2006).
Abb. 12: SOCS-Proteine im Zusammenhang mit der Insulinsignaltransduktion (Howard and Flier, 2006).
25
Interessanterweise vermindert Leptin die Insulinsekretion der β-Zellen, vielleicht
durch einen direkten Mechanismus. Ob Leptin die Insulinsignalkaskade direkt oder
indirekt reguliert, bleibt unbeantwortet (Poitout et al., 1998, Sivitz et al., 1997,
Tartaglia, 1997).
3.1.5.3.5. Glukose und andere Nährstoffe
Die Hyperglykämie selbst beeinträchtigt die Gewebsinsulinsensitivität als auch die
Insulinsekretion in den pankreatischen β-Zellen. Ein Phänomen, das allgemein als
Glukosetoxizität bekannt ist (Rossetti, 1995). Es gibt derzeit zwei Theorien, die die
Hyperglykämie induzierte Insulinresistenz erklären:
1. der Hexosaminweg
2. die Aktivierung der PKC.
Nach der Glukoseaufnahme wird 2-4% davon in den Hexosaminweg durch das
Enzym Glutamin-Fruktose-1,6-diphosphat-amdiotransferase (GFA) eingeschleust.
Die Glukosamininfusion in Ratten umgeht die GFA-Reaktion und verursacht eine
Insulinresistenz,
aber
beeinträchtigt
die
Insulinresistenz
bei
partiell
pankreatektomierten Ratten nicht weiter. Dies weist darauf hin, dass Glukosamin
und der Hyperglykämieanteil einen allgemeinen Mechanismus darstellen, der zu
Insulinresistenz führt. Der erhöhte Fluss durch den Hexosaminpfad erhöht die
Gewebskonzentration eines Hexosaminstoffwechselproduktes, dem UDP-NAcetylglukosamin (UDP-GlcNAc), das eng mit der Induktion der Insulinresistenz
korreliert. Dies kann zur O-Glykosylierung der Proteine auf Serin- und
Threoninresten
führen
und
konkurriert
folglich
mit
der
Serin-
und
Threoninphosphorylierung dieser Stellen (Hawkins et al., 1997, Rossetti, 1995).
Einige Nukleartranskriptionsfaktoren gehören zu den Zielen dieser Glykosylierung.
Dies stellt einen Mechanismus dar, durch den die Hyperglykämie mit Insulin und
anderen Signaltransduktionswegen in Konflikt geraten könnte, die durch die Serinund
Threoninphosphorylierung
reguliert
werden.
Die
Aktivierung
des
Hexosaminpfades kann durch freie Fettsäuren, Uridin oder durch vermehrte GFAExpression auftreten und in einer Insulinresistenz resultieren (Hebert et al., 1996).
26
Die Fähigkeit einer Vielzahl von Nährstoffen, den Hexosaminweg zu aktivieren,
hat
zu
derjenigen
Theorie
geführt,
dass
dieser
Weg
als
genereller
„Nährstoffabfrageweg“ dient, durch welche die Hyperglykämie oder Hyperlipidämie
die Insulinsensitivität vermindern könnten, wenn ein Nährstoffüberschuss
vorherrscht.
In der Zellkultur schwächt das Weglassen von Glutamin (ein Cofaktor der GFA)
oder der Zusatz von Glutaminanaloga den desensibilisierenden Effekt der Glukose
auf die Insulinsensitivität. Eine zwei- bis sechsstündige Glukosamininfusion
vermindert die Insulin-stimulierte IRS-1-Tyrosinphosphorylierung, die PI-3KAktivierung und in gewissem Sinne auch die Glykogensynthaseaktivierung, dass
der Abnahme der Insulin-stimulierten Glukoseaufnahme im Skelettmuskel
entspricht (Marshall et al., 1991).
Die PKC ist eine Serinkinase, die einige Substrate hat, einschließlich des IR. Die
PKC wird durch das intrazelluläre Stoffwechselprodukt DAG aktiviert. In den
NIH3T3-Zellen,
die
Insulindesensibilisierung
den
durch
IR
die
vermehrt
Glukose
exprimieren,
durch
kann
PKC-Inhibitoren
die
und
Thiazolidindione blockiert werden. Die Aktivierung der PKC durch DAG kann zur
Serinphosphorylierung des IR führen. Dieser Mechanismus ähnelt dem Effekt von
TNFα, obwohl die resultierende Insulinresistenz durch PKC-Inhibitoren, die nicht
die TNFα induzierte Insulinresistenz hemmen, blockiert werden kann, oder durch
Phosphotyrosinphosphataseinhibitoren (PTPase-Inhibitoren), die nicht die PKCinduzierte Insulinresistenz blockieren (Kellerer and Haring, 1995, Newton, 1995).
Es ist wahrscheinlich, dass die Aktivierung der PKC eine wichtige Rolle in der
Entwicklung diabetischer mikrovaskulärer Komplikationen spielt und folglich PKCInhibitoren der intensiven Forschung unterliegen, da sie als potentielle
Therapeutika für diabetische mikrovaskuläre Komplikationen eingesetzt werden
können (Virkamaki et al., 1999).
3.1.5.3.6. Phosphotyrosinphosphatasen (PTPasen)
PTPasen sind für die Dephosphorylierung des IR und seiner Substrate
verantwortlich und stellen folglich das Insulinsignal ab. Bis jetzt wurde keine IR27
spezifische
Phosphatase
Tyrosinphosphataseaktivität
identifiziert.
wird
in
Die
der
gesamte
Membran-gebundene
Skelettmuskulatur
bei
Typ
2
Diabetiker/innen erhöht. Immunodepletionsexperimente dieser zuckerkranken
Patienten/innen und übergewichtigen Individuen deuten darauf hin, dass
besonders zwei Phosphatasen, nämlich die Proteintyrosinphosphatase 1B (PTP1B) und die Leukozyten-Antigen-Related (LAR) Phosphatase, hauptsächlich für
jene Zunahme verantwortlich sind. Der IR und IRS-1 werden durch diese beiden
Phosphatasen dephosphoryliert und sind daher Anwärter für therapeutische
Interventionen, um damit die Insulinsensitivität zu erhöhen (Cheng et al., 2002,
Goldstein et al., 1998).
3.1.5.4. Lektionen von Knockout Tiermodellen
Die Bewertung, wie die Insulinsensitivität die gesamte Glukosehomöostase im
Körper beeinflußt, ist für die Diabetesforschung eine große Herausforderung. Eine
Annäherung war eine gezielte Unterbrechung einiger Insulinsignalproteine, wie
zum Beispiel des IR, des IRS-1 und des IRS-2. Die gezielte Störung des IR war
bei homozygoten Tieren einige Tage nach der Geburt letal, während heterozygote
Tiere beinahe keinen Phänotypus zeigten (Joshi et al., 1996). Die Unterbrechung
des IRS-1 resultiert in verzögertem Wachstum (wegen der IGF-1 Resistenz), aber
führt nur zu milder Insulinresistenz und beeinträchtigter Glukosetoleranz ohne
Diabetes (Tamemoto et al., 1994). Die Störung von IRS-2 führt auch zur
Insulinresistenz, aber in diesem Fall kommt es auch zu einer Reduktion der βZellen, das schließlich zu Diabetes führt (Withers et al., 1998). Die Kombination
von heterozygotem IR-Knockout mit heterozygotem IRS-1-Knockout führt zu
extremer Insulinresistenz und einem Phänotypus, der einen verzögerten Beginn
von Diabetes, ähnlich dem humanen T2D, einschließt. Dies ist eine reine Form der
Insulinresistenz mit erhöhten Insulinkonzentrationen (Bruning et al., 1997).
Interessanterweise entwickeln nur ungefähr 40% dieser Mäuse Diabetes und
weisen dadurch auf die Bedeutung zusätzlicher Background-Gene hin. Die
gewebsspezifische Unterbrechung des IR gibt eine ausführlichere Übersicht
davon, wie die Glukosehomöostase in gewebsspezifischen Methoden in vivo
reguliert wird. Die muskelspezifische Störung des IR (MIRKO) bei Mäusen
28
resultiert in extremer Insulinresistenz im isolierten Skelettmuskel, aber auf den
gesamten Körper bezogen ist die Glukosetoleranz beinahe normal. Die
hauptsächlichen metabolischen Störungen, die in der MIRKO-Maus gefunden
werden, sind erhöhtes Körperfett, erhöhte Triglyzeride und eine minimal erhöhte
Konzentration freier Fettsäuren (FFS). Die β-Zell-spezifische Unterbrechung des
Insulingens (βIRKO) hat einen extremeren Phänotypus als die MIRKO-Maus, bei
extrem
beeinträchtigter
Glukosetoleranz
und
einem
Verlust
des
frühen
Insulingipfels im Glukosetoleranztest (Kulkarni et al., 1999). Diese Tiermodelle
demonstrieren, dass Insulin eine wichtige Rolle in der β-Zellfunktion hat und
bestätigt, dass die Insulinresistenz auf Ebene der β-Zelle zur veränderten
Insulinsekretion bei T2D beitragen kann.
Die Tabelle 2 fasst die molekularen Mechanismen, die eine Rolle in einigen
insulinresistenten Zuständen des Menschen spielen können, zusammen.
Tab. 3: Molekulare Mechanismen der Insulinresistenz (Virkamaki et al., 1999).
29
3.1.6.
Insulinresistenz
auf
physiologischer
Ebene/klinisches
Erscheinungsbild
Die Insulinresistenz ist ein Zustand, in dem eine verabreichte Insulinkonzentration
mit einer subnormalen Glukoseantwort reagiert (Kim et al., 2006). Sie kann als
eine subnormale Reaktion zum endogenen und exogenen Insulin definiert werden.
Die Insulinresistenz, eher als eine seltene Komplikation von Diabetes angesehen,
wird jetzt als Bestandteil einiger Störungen anerkannt, einschließlich:
¾ Extreme
Insulinresistenz,
wie
das
Typ
B-Syndrom,
das
durch
Immunglobulin G (IgG) -Autoantikörper gegen den IR charakterisiert ist
(Laube, 2001), seltene vererbte Störungen, wie Leprechaunismus,
verursacht durch Störungen der Insulinrezeptorstruktur (Laube, 2001) und
den lipodystrophischen Zuständen (Tsiodras et al., 2000).
¾ Die meisten Patienten/innen mit T2D
¾ Adipositas,
Stress,
Infektion,
Urämie,
Akromegalie,
Glukokortikoidüberschuss und SS, die eine sekundäre Insulinresistenz
verursachen.
¾ Allgemein bekannte Störungen, wie KHK, Bluthochdruck, das Syndrom der
polyzystischen
Ovarien
(PCOS),
Hyperthecosis
ovarii
und
das
metabolische Syndrom, in denen der Mechanismus der assoziierten
Hyperinsulinämie unbekannt ist.
3.1.6.1. Resistenz zum endogenen Insulin
Die
Resistenz
zum
endogenen
Insulin
wird
durch
hohe
Seruminsulinkonzentrationen in Verbindung mit Blutglukosekonzentrationen, die
normal oder hoch sind, definiert. In der Praxis wird nur Seruminsulin gemessen,
wenn Patienten/innen mit klinischen Eigenschaften der extremen Insulinresistenz
zu untersuchen sind. Um die Diagnose zu bestätigen, wird auch festgestellt, ob die
Struktur und biologische Aktivität des Insulins normal ist. Es gibt seltene Fälle von
Mutationen im Insulingen mit subnormaler Aktivität des Insulins. Diese
Insulinkonzentrationen zirkulieren in hohen Konzentrationen und täuschen eine
30
Insulinresistenz vor, aber die exogene Insulinantwort ist normal (Matthaei et al.,
2000).
3.1.6.2. Resistenz zum exogenen Insulin
Bei Diabetiker/innen, die mit Insulin behandelt werden, ist eine verminderte
Reaktion auf das exogene Insulin erwiesen, obwohl die Insulindosis ein
unvollständiges Mittel für die quantitative Bestimmung des Grades der
Insulinresistenz ist. Die meisten Patienten/innen mit Insulinresistenz (wie zum
Beispiel jene mit Adipositas) werden nicht mit Insulin behandelt. Bei ihnen kann
die exogene Insulinresistenz durch Techniken wie den i.v. Insulintoleranztest oder
durch die euglykämische-hyperinsulinämische Clamp-Technik beurteilt und
bestimmt
werden.
Bei
letzterer
Methode
wird
der
Blutzucker
durch
Insulininfusionen in den euglykämischen Bereich herab gesenkt und durch
Glukoseinfusionen konstant gehalten. Die dabei benötigte Glukosemenge dient als
Maß der Insulinfunktion bzw. der Insulinresistenz (Radziuk, 2000).
3.1.6.3. Biochemische Marker
Es gibt keine Übereinstimmung, wann oder wie Patienten mit einer möglichen
Insulinresistenz zu evaluieren sind. Auf der Klinik wäre es von Nutzen, wenn
adipöse Patienten/innen, die insulinresistent sind, erfaßt werden, da sie das
höchste Risiko für die Entwicklung von T2D und kardiovaskulärer Krankheiten
aufweisen.
In
der
Forschung
gehören
der
i.v.
Toleranztest,
der
Insulinsuppressionstest oder der euglykämische-hyperinsulinämische Clamp zu
den Goldstandards zur Messung der Glukoseverwertung bzw. der Insulinresistenz.
Jedoch sind diese Techniken für den routinemäßigen, klinischen Gebrauch
unpraktisch. In einer Studie mit 258 nicht zuckerkranken, normotonen,
übergewichtigen Patienten/innen waren die Serumtriglyzeridkonzentration, die
Triglyzerid-HDL-Ratio und die Nüchtern-Insulinkonzentration nützliche Marker zur
Bestimmung insulinresistenter Gruppen (McLaughlin et al., 2003).
31
3.1.6.4. klinisches Erscheinungsbild
Die Insulinresistenz kann sich auf unterschiedliche Art und Weise darstellen. Die
Hyperglykämie ist trotz großer Insulindosen die klassische Darstellung. Aber viele
Patienten/innen
mit
extremer
Insulinresistenz
haben
keine
offenkundige
Hyperglykämie. Jedoch haben beinahe alle diese Patienten/innen eine oder
mehrere klinische Eigenschaften, die auf das Vorhandensein einer schweren
Insulinresistenz hinweisen läßt. Diese umfassen Akanthosis nigricans, ovarieller
Hyperandrogenismus (das Syndrom der polyzystischen Ovarien), Lipodystrophie,
beschleunigtes bzw. verzögertes Wachstum, Autoimmunität und Muskelkrämpfe.
Sollten diese Eigenschaften vorhanden sein, dann sollte die Messung von
Seruminsulin erfolgen. Wenn eine Hyperinsulinämie aufgefunden wird, sollte das
Vorhandensein zirkulierender Antiinsulinrezeptor-Antikörper (AK) bzw. anderer
Störungen abgeklärt werden. In den meisten Fällen wird jedoch die Verbindung
der Insulinresistenz und den klinischen Entdeckungen noch nicht definiert.
3.1.6.4.1. abnormer Glukosemetabolismus
Es gibt zuckerkranke Patienten/innen, die hohe Insulindosen benötigen, um die
Hyperglykämie zu steuern. Bei diesen Patienten kann die Insulinresistenz durch
die Produktion von Antiinsulin-AK oder Auto-AK, die sich gegen den IR richten,
verursacht werden. Jedoch haben viele Patienten/innen mit Insulinresistenz
normale oder leicht erhöhte Blutzuckerkonzentrationen. In diese Gruppe gehören
die meisten Patienten/innen mit Adipositas, viele mit Bluthochdruck und
Hyperandrogenismus und diejenigen mit vererbten Syndromen der schweren
Insulinresistenz,
wie
das
Typ
A-Syndrom.
Einige
Patienten/innen
mit
Insulinresistenz haben sogar eine Hypoglykämie aufgrund von Auto-Ak gegen den
IR (Taylor et al., 1982, Virally and Guillausseau, 1999).
3.1.6.4.2. Hautmanifestationen
Akanthosis nigricans und Skin tags (Hautanhängsel) sind, unabhängig von den
molekularen Ursachen, allgemein mit primärer Insulinresistenz assoziiert.
32
Akanthosis nigricans ist eine Hautveränderung, die sich durch braune, samtartige,
hyperkeratotische Plaques kennzeichnet. Diese Hautveränderung (Abb. 13) wird
normalerweise im Nacken, in den Achselhöhlen, in der Leistenbeuge und über den
Ellbogen gefunden, aber sie können auch die gesamte Oberfläche der Haut
betreffen und nur die Handflächen und Fußsohlen aussparen. Diese Läsionen
können papillomatös sein. Histologische Kennzeichen (Abb. 14) sind die
Hyperkeratose, die epidermale Papillomatose und eine erhöhte Anzahl an
Melanozyten. Ursprünglich galt die Akanthosis nigricans als Marker für maligne
Neoplasien und ist aber heute aufgrund der Verbindung zu einer ausgeprägten
Insulinresistenz von besonderer Bedeutung (Katz et al., 2000).
Erhöhte Insulinkonzentrationen resultieren in einer direkten und indirekten
Aktivierung des IGF-1R der Keratinozyten und Fibroblasten und führen zur
Proliferation. Andere Mediatoren und Tyrosinkinaserezeptoren, wie Epidermalgrowth-factor-receptor (EGFR) und Fibroblast-growth-factor-receptor (FGFR)
tragen ebenso dazu bei (Abb. 15) (Higgins et al., 2008).
Abb. 13: Typische Hautmanifestationen der Akanthosis nigricans im Nackenbereich, in der Axilla und am
Ellbogen (Cave: Plaques an den Extremitäten haben eine Psoriasis ähnliche Erscheinungsform) (Katz et al.,
2000).
33
Abb. 14: Histologisches Bild von Akanthosis nigricans: Papillomatose der Epidermis mit ausgeprägter
Hyperkeratose (Higgins et al., 2008).
Abb. 15: Mögliche Mechanismen zur Pathogenese von Akanthosis nigricans (Higgins et al., 2008).
3.1.6.4.3. Hyperandrogenismus und reproduktive Anomalien
Es ist im Allgemeinen nicht bekannt, dass Männer mit Insulinresistenz Störungen
des reproduktiven Systems aufweisen. Im Gegensatz dazu kann es bei Frauen mit
Insulinresistenz zu reproduktiven Anomalien (Gambineri et al., 2002) kommen.
Zum Beispiel weisen die meisten Frauen mit extremer Insulinresistenz,
unabhängig von der Ursache, einen ausgeprägten Hyperandrogenismus auf.
34
Diese Assoziation ist bei Frauen mit dem Typ B-Syndrom (verursacht durch
Insulinrezeptor-Auto-AK) oder mit dem Typ A-Syndrom (durch genetische Defekte,
wie z.B. Mutationen im Insulinrezeptorgen, verursacht) beschrieben worden
(Taylor, 1992). Betroffene Frauen können eventuell Virilisierung, Amenorrhoe und
Unfruchtbarkeit aufweisen. Die Eierstöcke zeigen histologische Veränderungen
der Hyperthecosis. Die meisten Frauen mit ovariellem Hyperandrogenismus
haben eine Insulinresistenz, die durch nüchterne Hyperinsulinämie oder durch
Clamp-Studien identifiziert wird. Die molekulare Ursache ist bei diesen Frauen
unbekannt (Venkatesan et al., 2001). Es wird bei etwa 50% über einen Defekt in
der Phosphorylierung des IR diskutiert (Dunaif et al., 1995).
3.1.6.4.4. Wachstum und Insulinresistenz
Das Wachstum ist bei den meisten Menschen mit Insulinresistenz normal. Es gibt
jedoch zwei pädiatrische Erkrankungen mit schwerer Insulinresistenz, nämlich
Leprechaunismus und das Rabson-Mendenhall-Syndrom (Longo et al., 1994,
McDonald
et
al.,
2007),
bei
denen
das
Wachstum
beeinträchtigt
ist.
Leprechaunismus ist auf ein totales bzw. beinahe komplettes Fehlen der
Insulinrezeptorfunktion
zurückzuführen
und
ist
mit
deutlicher
Wachstumsverzögerung und einer Gedeihstörung assoziiert (Elsas et al., 1989).
Hingegen ist Pseudoakromegalie ein Syndrom, bei dem schwere Insulinresistenz
mit beschleunigtem Wachstum assoziiert ist. Bei diesen Patienten fördert
vermutlich die Hyperinsulinämie dadurch
das Wachstum, in dem IGF-1-
Rezeptoren aktiviert werden (Flier et al., 1993).
3.1.6.4.5. Muskuloskeletale Veränderungen
Bei einigen Patienten/innen mit schwerer Insulinresistenz treten, unabhängig von
der Bewegung, Muskelkrämpfe auf. Der Schweregrad der Krämpfe kann
manchmal durch Phenytoin verringert werden (Kumar et al., 1996).
35
3.1.6.4.6. Fettgewebe
Bei den meisten Patienten/innen mit Insulinresistenz sind die Fettgewebsmenge
und deren Verteilung normal. Trotzdem haben einige Adipositas. Bei diesen
Patienten/innen sind hohe Serumkonzentrationen FFS und die vermehrte
Freisetzung von TNFα vergrößerter Fettzellen in der Adipositas-Pathogenese
inbegriffen (Hotamisligil et al., 1995, Oda, 2008).
Die
Lipodystrophiesyndrome
sind
klinisch
eine
vielfältige
Gruppe
von
Erkrankungen, die durch eine außergewöhnliche Menge und Verteilung von
Fettgewebe gekennzeichnet sind. Die Patienten/innen haben oft eine extreme
Insulinresistenz und können auch einige der anderen klinischen Eigenschaften der
Insulinresistenz, wie z.B. Akanthosis nigricans, besitzen. Das Syndrom kann
hereditär oder erworben sein. Eine Form der erworbenen Lipodystrophie wird mit
hoch aktiver antiretroviraler Therapie (HAART) einschließlich Proteaseninhibitoren
bei Patienten/innen mit einer HIV-Infektion (humanes Immundefizienz-Virus) in
Zusammenhang gebracht. Diese Patienten/innen haben eine Insulinresistenz und
entwickeln eher eine Hyperglykämie und Hyperlipidämie als HIV infizierte
Patienten/innen, die mit anderen Therapien behandelt werden (Bloomgarden,
2007, Samaras, 2008, Tsiodras et al., 2000).
Bei Leptin mangelnden Personen mit Lipodystrophie kann die verminderte
Leptinproduktion
durch
das
Fettgewebe
auch
in
die
Pathogenese
der
Insulinresistenz miteinbezogen werden, seit dem die Leptinverabreichung bei
diesen Personen mehrere ihrer metabolischen Abnormitäten verbessert (Oral et
al., 2002).
3.1.4.6.7. Autoimmunität
Einige
Patienten/innen
haben
eine
schwere
Insulinresistenz
infolge
von
Autoantikörpern, die gegen den IR gerichtet sind (Typ B-Syndrom) (Laube, 2001).
Diese Patienten/innen können insulinresistenten Diabetes oder Hypoglykämie,
abhängig von den Eigenschaften der Antirezeptor-AK, haben. Viele dieser weisen
36
auch andere autoimmune Erkrankungen, einschließlich systemischen Lupus oder
Sklerodermie, auf (Sidiropoulos et al., 2008).
3.1.4.6.8. Metabolisches Syndrom
Es gibt offensichtlich eine Verbindung zwischen abdominaler Adipositas,
Insulinresistenz und einer Vielzahl von Risikofaktoren, die sich auf das
kardiovaskuläre System auswirken, wie T2D, Bluthochdruck, ein atherogenes
Lipidprofil, das die Hypertriglyzeridämie und die niedrigen Serumkonzentrationen
des High-Density-Lipoprotein-Cholesterins (HDL-Cholesterin) umfaßt, und die
KHK. Diese Konstellation von Befunden wird als metabolisches Syndrom (auch
Insulinresistenzsyndrom oder Syndrom X genannt) bezeichnet (Oda, 2008).
37
3.2. Gestationsdiabetes mellitus (GDM)
3.2.1. Definition des GDM
Nach Ansicht der World Health Organization (WHO) (International Federation
Guidelines on Pregnancy Outcome) kann Diabetes der häufigste metabolische
pathologische Zustand sein, der das Schicksal der schwangeren Frau und ihres
Feten beeinflusst: 0.3% der Frauen im Reproduktionsalter sind Diabetikerinnen, in
0.2-0.3% aller SS ist der Frau bekannt, Diabetes schon vor der Konzeption gehabt
zu haben und GDM führt in 2-12% aller SS zu Komplikationen (Tamas and
Kerenyi, 2001).
Beim GDM handelt es sich um eine Glukoseintoleranz unterschiedlichen
Schweregrades, resultierend in einer Hyperglykämie, die erstmals in der SS
diagnostiziert wird. Es besteht die Möglichkeit, dass die Glukoseintoleranz der SS
vorausgeht, das jedoch unbekannt ist. Die Definition trifft zu, unabhängig davon,
ob Insulin für die Behandlung verwendet wird oder nicht und auch unabhängig
davon, ob der Zustand nach der SS fortbesteht (Buchanan et al., 2007).
Entsprechend
der
vorangehenden
Definiton
umfasst
die
Bezeichnung
Gestationsdiabetes nicht nur den so genannten zutreffenden Gestationsdiabetes,
der sich im zweiten und dritten Trimester entwickelt, sondern auch die nicht
diagnostizierte, schon vor der SS bestehende Glukosetoleranzstörung, der
unentdeckte milde T2D und der subklinische Typ 2 und Typ 1 DM (latent
autoimmune diabetes with onset in adults = LADA). Der Typ 1 Diabetes, der sich
während des letzten Trimesters wegen des diabetogenen Effektes während der
SS entwickelt, gehört auch dieser Gruppe an (Tamas and Kerenyi, 2001).
3.2.2. Epidemiologie: Inzidenz und Prävalenz des GDM
Der GDM ist eine weltweit stetig zunehmende Erkrankung und gehört heutzutage
zu den häufigsten SS-Komplikationen. Die Häufigkeit variiert in unterschiedlichen
Ländern und Zentren je nach ethnischer Herkunft der untersuchten Population
38
und den angewandten Diagnosekriterien. Auch der sozioökonomische Status und
Umweltfaktoren haben einen bedeutenden Einfluss auf die Häufigkeit des GDM.
Entsprechend den unterschiedlichen Quellen beträgt die Prävalenz des GDM
0,15-15%. Die durchschnittliche Inzidenz von GDM liegt in den USA bei ca. 4%;
viel niedriger unter Weißen (1.6%) und Schwarzen (1.7%), 4,2% unter
Hispanoamerikanerinnen (ähnlich den nationalen Zahlen) und beträchtlich höher
unter den chinesischen Nachkommen, die in Kalifornien leben (7.3%) und unter
den Zunis (14.3%). Eine niedrige Inzidenz wurde unter Kaukasierinnen in London
(1.2%) und in Italien (2.3%) und auch unter Beduinen von Israel (2.4%) berichtet.
Die Inzidenz des GDM einer gegebenen Nation entspricht der Prävalenz des T2D
und der gestörten Glukosetoleranz in diesem Land. Zusätzlich zeigten
Nachforschungen bei gestörter Glukosetoleranz in der SS (WHO-Kriterien), dass
die Prävalenz bei 20-24jährigen von5% auf 11% bei 40-44jährigen Frauen anstieg.
Adipositas und Diabetes in der Familienanamnese kam bei diesen Frauen
häufiger vor, als bei denjenigen mit einer normalen Glukosetoleranz, welche in
hohem Maße den bekannten Risikofaktoren für GDM entspricht. In einem
ungarischen Screeningprogamm resultierte in den frühen neunziger Jahren die
GDM-Prävalenz um die 1.1-6.4%. In den letzten Jahren wurde eine deutliche
Zunahme beobachtet. Die letzten Daten zeigen eine Häufigkeit von 7.5-8%
(Ferrara, 2007, Ferrara et al., 2002, Griffin et al., 2000, Tamas and Kerenyi, 2001).
Abb. 16: Zunahme der Prävalenz von GDM in den letzten Jahren in allen ethnischen Gruppen (Ferrara, 2007).
39
3.2.3. Verhalten der Insulinresistenz in der normalen SS
Während der SS ändert sich als eine Folge der Plazentafunktion die endokrine
Regulation des Kohlenhydratmetabolismus. Die Spiegel der Insulinantagonisten
und der Steroidhormone (Prolaktin,
humanes Plazentalaktogen, Östrogene,
Progesteron und das biologisch aktive Serumkortisol) steigen und ebenso einige
Enzyme mit Insulinaseaktivität, wie z.B. die Oxytozinkinase, die Histaminase und
die alkalische Phosphatase. Im Vergleich vor der SS kann bis zur 37.-38. SSW
(Schwangerschaftswoche) der Insulinbedarf um das 3-4fache ansteigen. Dieser
vermehrte Insulinbedarf wird durch die Hypertrophie und Hyperplasie der β-Zellen
kompensiert. Die glykämische Regulierung wird in der normalen SS durch
„beschleunigtes Verhungern“ und „erleichterten Anabolismus“ gekennzeichnet. Die
Folge ist ein verminderter Nüchternblutzuckerspiegel. Die Konsequenz daraus ist
dann eine allmählich gestörte Glukosetoleranz während der SS (Tamas and
Kerenyi, 2001).
Der Blutzuckerwert, der während des oralen Glukosetoleranztests (oGTT)
beobachtet wird, ist die Nettobilanz der intestinalen Absorption und der
Glukoseverwertung der Körperzellen. Dieser Wert wird auch durch die Auswirkung
von Insulin und Glukose auf die Glukoseproduktion beeinflusst. Auch wenn es
entscheidend wäre, diese Parameter zu messen, gibt es kaum Daten über sie.
Sogar die hepatische Insulinsensitivität könnte während der SS betroffen sein. Der
Glukoseabbau in den Blutgefäßen ist die Summe der Massenwirkung von Glukose
und der insulinvermittelten Glukosebeseitigung. Das Letztere ist eine Funktion der
Insulinproduktion
der
pankreatischen
β-Zellen
und
der
insulinvermittelten
Glukosebeseitigung im peripheren Gewebe (meist Muskulatur) (Tamas and
Kerenyi, 2001).
Die Messung der Nüchtern-Insulinkonzentration und die Berechnung der
nüchternen Insulin-Glukose-Verhältnisse könnten qualitative Schätzungen der
Insulinsensitivität während der SS zur Verfügung stellen. Weil einige der
Messmethoden, die im nicht schwangeren Zustand angewandt werden, zur
Messung der Insulinsensitivität (hyperinsulinämische, euglykämische ClampTechnik, Minimalmodellanalyse des intravenösen Glukosetoleranztests (ivGTT)
40
oder erhöhend die Treffsicherheit der minimalen Annäherung mit Tolbutamid oder
Insulininjektionen kompliziert zu verwenden, schwierig zu interpretieren oder sogar
schädlich für Mutter und ihren Feten sind, ist die Information über die
Insulinsensitivität während der SS limitiert (Buchanan and Xiang, 2005).
Eine charakteristische Eigenschaft bei Frauen in der normalen SS ist die
Entwicklung der Insulinresistenz zu den glukosesenkenden Auswirkungen. Bis
zum
3.
Trimester
nimmt
die
Ganzkörperinsulinsensitivität,
die
an
der
hyperinsulinämischen Clamp-Methode gemessen wird, um 33-56% ab (Abb. 17).
Studien mit der ivGTT-Minimalschema-Annäherung zeigen sogar eine deutlichere
Abnahme
von
70%.
Serielle
Insulinsensitivitätsmessungen
zeigten
eine
progressive Abnahme der Insulinwirksamkeit während der SS, die sogar im
zweiten Trimester ermittelt werden konnte, und verschwand nach der SS.
Abb. 17: Verhältnis Insulinsensitivität zur Insulinsekretion bei gesunden Frauen und Frauen mit GDM
während des 3. Trimesters und nach der SS (Buchanan and Xiang, 2005).
Die Insulinresistenz liegt teils an hormonellen Effekten, die vorher beschrieben
wurden. Diese Hormone könnten durch die Stimulation der Lipolyse zur
Entwicklung der Insulinresistenz beitragen. Diese Effekte werden sogar zusätzlich
durch die Gewichtszunahme und durch die verminderte körperliche Aktivität der
schwangeren Frauen verstärkt.
41
Tierstudien
haben
mit
der
Clamp-Technik
bewiesen,
dass
sich
die
Glukoseverwertung in der Skelettmuskulatur um 40% vermindern könnte. Einige
Daten schlagen eine Abnahme an insulinvermittelter Glukosebeseitigung des
Herzens und von Fettzellen vor. Viel weniger Informationen sind über die
Veränderung der hepatischen Insulinsensitivität vorhanden. Einige Daten zeigen
eine Zunahme der hepatischen Glukoseproduktion, obwohl die NüchternInsulinspiegel in der SS ein wenig erhöht werden. Es wird darüber diskutiert, ob
dies bedeutet, dass das wirkungslose Insulin in die Leber signalisiert, oder es
einfach
eine
Konsequenz
der
Gewichtszunahme
und
der
niedrigeren
Nüchterblutzuckerwerte ist. Die Daten bezüglich der Insulinsensitivität der Leber
sind
umstritten.
In
einer
Längsstudie
konnte
man
eine
Änderung
der
Insulinsensitivität während der normalen SS finden (Buchanan and Xiang, 2005,
Catalano et al., 2003).
Auf zellulärer Ebene scheint kein bedeutender Insulinrezeptordefekt in der
normalen SS vorhanden zu sein. Es wird weithin angenommen, dass
postbindende Ereignisse einen großen Teil der Insulinresistenz in der SS erklären.
Die erschienenen Studien unterstützen nicht in überzeugender Weise die
Hypothese,
dass
irgendein
Glukosetransporterdefekt
eine
entscheidende
pathogene Rolle in der Entstehung der Insulinresistenz spielt (Tamas and Kerenyi,
2001).
3.2.4. Pathogenese des GDM
Obwohl sich die Glukosetoleranz bei jeder schwangeren Frau vermindert, erreicht
man nur in 2-3% die Diagnosekriterien für den GDM. Bei normalen gesunden
Frauen steigt die Insulinproduktion, während die SS fortschreitet, ununterbrochen
an. Der Grund dieser Zunahme kann jedoch beim GDM weniger genau als bei
normal verlaufenden SS erklärt werden. Der Peak der Insulinsekretion wird
verzögert und nach der i.v. Glukoseverabreichung wird eine verminderte ErstePhase-Antwort ersichtlich. Es wurde auch häufig bei Frauen mit GDM eine
exzessive Sekretion von Proinsulin beobachtet. Diese Daten könnten darauf
hinweisen, dass die Störung der Insulinproduktion (die ähnlich nach der SS
verbleibt) die Hauptursache für die Entstehung des GDM ist. Während die
42
autoimmune Schädigung durchwegs eine Ursache der β-Zellfunktionsstörung sein
könnte, konnten Insel-Autoantikörper nur in 10% von GDM-SS ermittelt werden
(obwohl Typ 1 Diabetes eine höhere Inzidenz während der SS hat) (Buchanan and
Xiang, 2005). Die Glukokinase-Genmutation wurde nur selten bei Frauen mit GDM
entdeckt. Eine weitere Abklärung der möglichen Ursachen ist notwendig.
Multiple
Defekte
der
Insulinfunktion,
einschließlich
einer
beeinträchtigten
Kompensation der Insulinresistenz und einen Defekt in der Funktion der
pankreatischen β-Zellen, führten zu einer verminderten Glukoseclearance, einer
erhöhten Glukoseproduktion und auch zu einer erhöhten Konzentration FFS
(Xiang et al., 1999). Bei adipösen Frauen mit GDM waren zusätzlich zur
bedeutend höheren Insulinantwort eine Beeinträchtigung der Unterdrückung der
hepatischen Glukoseproduktion im Vergleich zu gesunden Kontrollen die Folge
(Catalano et al., 2003). Bei schlanken Frauen mit GDM wurden im Vergleich zu
gesunden Kontrollen eine beträchtlich höhere Insulinresistenz und eine signifikant
gestörte Insulinsekretion beobachtet. Letzteres könnte nach der SS sogar
unverändert bleiben. Die Beeinträchtigung der Insulinsekretion war sogar
ausgeprägter als bei adipösen nicht schwangeren Frauen mit gestörter
Glukosetoleranz desselben Grades der Insulinresistenz. Aus diesen Daten ergibt
sich die Idee, dass der vorwiegend pathogene Faktor bei GDM die inadäquate
Insulinsekretion sein könnte. Dies würde dann bedeuten, dass GDM und die
Glukoseintoleranz zwei unterschiedliche Zustände sind.
3.2.5. Rolle des GDM
3.2.5.1. Komplikationen während der SS und Langzeitfolgen für Mutter
und Kind
Risiken für die Mutter mit GDM
Die unmittelbaren Komplikationen für Schwangere mit GDM während der SS
und unter der Geburt bestehen in einem erhöhten Risiko für
43
¾ Harnwegsinfekte (HWI)
¾ Hypertonie
¾ Präeklampsie
¾ Vorzeitige Wehentätigkeit
¾ Hydramnionbildung
¾ Sectiones/vaginal operative Entbindung (Forceps, Vakuumextraktion)
¾ Postpartale Nachblutungen infolge Geburten makrosomer Kinder
Die Langzeitrisiken für die Mutter zeigen sich in
¾ erneutem Auftreten einer Glukosetoleranzstörung und in einem erhöhten
Risiko für die Entwicklung eines GDM in nachfolgenden SS
¾ erhöhtem Risiko für die Entwicklung eines manifesten T2D
¾ Adipositas im späteren Leben
Durch Änderung des Lebensstils (life style modification) mit ballaststoffreicher,
fettarmer Kost, körperlicher Aktivität, Reduktion des Körpergewichts und
regelmäßigen ärztlichen Kontrollen, wird das Risiko, an einem manifesten DM zu
erkranken, um 30-50% vermindert (Barbour and Friedman, 2003, Claudi-Böhm et
al., 2007, Leipold and Bancher-Todesca, 2002).
Risiken für das Kind bei GDM der Mutter
Durch das erhöhte Glukoseangebot der Mutter kommt es beim Feten während der
SS zu einer Hypertrophie und Hyperplasie der β-Zellen des Pankreas mit daraus
folgender gesteigerter Insulinproduktion. Der fetale Hyperinsulinismus führt dann
zu den typischen unmittelbaren Komplikationen des Säuglings:
¾ Makrosomie
¾ Geburtstraumata
(Schulterdystokie
unter
der
Geburt
infolge
der
Makrosomie)
¾ Postnatale Adaptationsstörungen
¾ Metabolische Störungen (neonatale Hyperbilirubinämie, Hypoglykämie und
Hypokalzämie)
44
¾ Polyglobulie
¾ Lungenfunktionsstörungen (Atemnotsyndrom des Neugeborenen)
¾ Frühgeburtlichkeit
¾ Intrauteriner Fruchttod (selten bei unbehandeltem GDM)
¾ Perinatale Morbidität
Die langfristigen Folgeerscheinungen für das Kind bestehen in einem erhöhten
Risiko für
¾ die Entwicklung einer gestörten Glukosetoleranz und einem daraus
resultierenden manifesten DM
¾ Hyperlipidämie
¾ Adipositas
¾ Hypertonie
¾ Neuropsychologische Veränderungen und Entwicklungsstörungen
Das vermehrte Glukoseangebot der Mutter kann zum Einen zu morphologischer
Schädigung der β-Zellen des Pankreas mit anschließend gesteigerter Neigung des
DM Typ 1 führen und zum Anderen zur funktionellen Schädigung der β-Zellen des
Pankreas, das mit zunehmendem Alter Adipositas, eine gestörte Glukosetoleranz
und die Entwicklung eines manifesten T2D zur Folge haben kann (Barbour and
Friedman, 2003, Claudi-Böhm et al., 2007, Leipold and Bancher-Todesca, 2002).
3.2.5.2. Frauen mit GDM in einer früheren SS
Da GDM und T2D eine Menge Gemeinsamkeiten haben, wird nun nicht
überraschend angenommen, dass GDM ein Vorläufer von Diabetes (hauptsächlich
T2D) im späteren Leben ist. Unter anderem abhängig von der notwendigen
Behandlung
während
der
SS
(nur
Diät
oder
Insulintherapie)
berichten
unterschiedliche Autoren über die weitläufige Prävalenz von Diabetes (Ferrara,
2007). Sogar ein Jahr nach der Geburt kann die Häufigkeit der Glukoseintoleranz
bei 9-23% liegen. Wichtige Risikofaktoren für die frühe Entwicklung dieser
Glukoseintoleranz sind:
45
¾ Erhebliche Gewichtszunahme nach der Geburt
¾ Diabetes bei Verwandten 1. Grades
¾ Diagnose von GDM in einer früheren SS
Diabetes entwickelt sich in 47% bei adipösen und in 26% bei schlanken Frauen
mit vorherigem GDM, verglichen mit der Inzidenz von 5-10% bei gesunden
Kontrollen. Die kumulative Inzidenz von T2D liegt bei ungefähr 50% in 5 Jahren.
Frauen mit einem höheren Risiko für Diabetes könnten mit den Ergebnissen eines
oGTT identifiziert werden, der direkt im Anschluss an die Entbindung durchgeführt
wird (Tamas and Kerenyi, 2001).
Aus Beobachtungen gehen hervor, dass unter 211 Frauen mit vorherigem GDM
die Prävalenz von gestörtem Kohlenhydratstoffwechsel bei 49% 8 Jahre nach der
Geburt liegt. 43% von diesen Frauen hatten Diabetes (davon 25% Typ 1 Diabetes)
und 7% eine gestörte Glukosetoleranz. Jene Frauen, die während ihrer SS Insulin
erhielten, hatten ein deutlich höheres Risiko einer Glukoseintoleranz (54%
Diabetes, 6% IGT), als Frauen, die nur mit einer Diät während der SS behandelt
wurden (19% Diabetes, 8% IGT). Diese Gruppe von Frauen hatten insgesamt ein
niedrigeres HDL-Cholesterin und höhere Lipoprotein(a)-Spiegel, als jene in der
gesunden Kontrollgruppe. Zusätzlich wiesen Frauen mit Glukoseintoleranz in der
Nachbeobachtung höhere Cholesterin- und Triglyzeridspiegel, im Vergleich zu
jenen Frauen mit einem normalen Kohlenhydratstoffwechsel, auf. Ähnlich diesen
Daten berichtet Kjos von erhöhten Triglyzeridspiegeln und vermindertem HDLCholesterin, während Meyers-Seifer und Vohr gestörte kardiovaskuläre Lipidprofile
bei Frauen mit früher auftretendem GDM fand. Weiters kommt es vermehrt zu
Bluthochdruck. Mikroalbuminurie wurde in 15% in der gesamten GDM Datenbank
ermittelt. Die Patientinnen mit Glukoseintoleranz hatten in der Nachbeobachtung
einen höheren BMI und ein höheres Taille-Hüft-Verhältnis (THV). Letzteres dürfte
ein Vorläufer der Entwicklung von GDM und ebenso ein Bestandteil des
metabolischen Syndroms sein (Tamas and Kerenyi, 2001).
Laut gegenwärtiger Literatur ist es stark anzunehmen, dass GDM in einer früheren
SS ein Vorläufer oder sogar eine Früherscheinungsform des metabolischen
46
Syndroms ist. Bei Frauen mit früherem GDM fand sich eine Vasodilatation
abhängig von einem gestörten Endothel, das ein früher Marker einer erhöhten
Atherogenese (Anastasiou et al., 1998) sein könnte. Auf jeden Fall ist GDM ein
kardiovaskulärer
Risikofaktor,
der
gescreent
werden
sollte,
um
etwaige
Spätkomplikationen zu verhindern.
3.2.6. Diagnostische Kriterien und Screening des GDM
Es
gibt
weltweit
kontroverse
Diskussionen
darüber,
ob
ein
Screening
(Suchverfahren) auf GDM als sinnvoll erscheint. Und obwohl ausreichend
wissenschaftliche Literatur über diese Thematik existiert, ließen sich keine gültigen
Untersuchungen hierfür finden. Trotz der Unklarheiten wird ein Screening unter
Berücksichtigung folgender Punkte empfohlen:
¾ Erstellung eines Risikoprofils am Beginn der SS
¾ Bei Schwangeren mit „hohem Risikostatus“ (Tab. 5) ist ein früher Test
erforderlich, ansonsten zwischen der 24. und 28. SSW
¾ 50g-Glukosescreeningtest als Suchtest (Glucose-challenge-Test = GCT)
und/oder 75g- bzw. 100g-Glukosetoleranztest (oGTT) als diagnostischen
Screeningtest
¾ Weitere Glukosetoleranztests können nach der Entbindung folgen
Die American Diabetes Association (ADA) empfiehlt ein selektives Suchverfahren
(Screening) für GDM bei Frauen mit „mittlerem bzw. hohem Risikostatus“ (Tab. 5).
Bei Schwangeren mit „niedrigem Risikostatus“ (Tab. 4) wird keine generelle
Blutzuckertestung durchgeführt (Metzger et al., 2007).
47
Niedriges Risiko
• Mitglied einer ethnischen Gruppe mit einer niedrigen GDM-Prävalenz
• Kein vorhandener Diabetes bei Verwandten 1. Grades
• Alter < 25 Jahre
• Normales Körpergewicht vor der SS
• Normales Körpergewicht bei der Geburt
• Keine Anamnese eines abnormen Glukosemetabolismus
• Keine geburtshilfliche Anamnese von Fehlbildunge
Tab. 4: Frauen mit niedrigem Risikostatus für GDM.
Bei Schwangeren mit „hohem Risikostatus“ (Tab. 5) wird ein Blutzuckertest so
bald als möglich empfohlen. Wenn GDM nicht diagnostiziert wird, sollte der
Blutzuckertest in der 24.-28. SSW wiederholt werden, oder zu jeder Zeit, wenn bei
der Patientin Symptome oder Zeichen einer Hyperglykämie angedeutet werden
(Metzger et al., 2007)
Hohes Risiko
• Extreme Adipositas
• Ausgeprägte Familienanamnese für T2D
• Vorangehende Anamnese für: GDM, beeinträchtigter Glukosemetabolismus oder
Glukosurie
Tab.5: Frauen mit hohem Risikostatus für GDM.
Schwangere mit „mittlerem Risikostatus“, die weder der einen noch der anderen
Gruppe zugehörig sind, erfahren eine Blutzuckertestung in der 24.-28. SSW. Es
gibt hierfür zwei Möglichkeiten:
1. Zweizeitiges Verfahren: dem 50g-Glukose-Belastungstest folgt ein 75gbzw. 100g-oGTT
2. Einzeitiges Verfahren: Durchführung des diagnostischen oGTT
Der 50g-Glukosebelastungstest kann unabhängig von der vorangegangenen
Mahlzeit und auch der Tageszeit durchgeführt werden. Ist der 1h-Wert ≥140 mg/dl
48
(≥7,8 mmol/l) ist dieser Test pathologisch und ein oGTT muss angeschlossen
werden (Bühling et al., 2004). Bei dieser Methode spricht man von einem
zweizeitigen Verfahren.
Die Diagnose GDM wird durch den oGTT gestellt, wenn mindestens zwei der drei
Messwerte die Grenzwerte erreichen oder überschreiten. Wenn nur ein Wert
pathologisch ist, dann besteht eine beeinträchtigte Glukosetoleranz (impaired
glucose tolerance = IGT). Jedoch sind die Grenzwerte aufgrund verschiedener
Messmethoden, Blutfraktionen (kapilläres Blut, venöses Blut, Vollblut, Plasma)
und Mengen verabreichter Glukose (75g, 100g) (Bühling et al., 2004) nicht
eindeutig und es gibt nach wie vor weltweit Diskussionen um die Grenzwerte, die
zur Diagnostik herangezogen werden sollen. Die Tab. 5 zeigt unterschiedliche
Empfehlungen seitens der WHO 1999 (world health organisation), der NDDG
1979 (National diabetes data group), der EASD 1996 (European association for
the study of diabetes) und der ADA 2000 (Hunt and Schuller, 2007). Viel zitierte
Grenzwerte sind jene von O’Sullivan von 1964. Diese wurden durch Carpenter
und Coustan von 1982 kritisch analysiert und neu errechnet und von der vierten
internationalen Workshopkonferenz des GDM von 1998, der ADA und der DDG
(Deutschen Diabetes Gesellschaft) akzeptiert (1998, Carpenter and Coustan,
1982, O'Sullivan and Mahan, 1964).
Internationale Grenzwerte für oGTT (Plasmaglucose)
Organisation
Glukosebelastung nüchtern
1h
2h
3h
NDGG
100g
≥190 mg/dl
≥165 mg/dl
≥145 mg/dl
ADA
50g
ADA
100g
≥95 mg/dl
≥180 mg/dl
≥155 mg/dl
≥140 mg/dl
ADA
75g
≥95 mg/dl
≥180 mg/dl
≥155 mg/dl
WHO
75g
<126 mg/dl
≥105 mg/dl
≥140 mg/dl
≥140 mg/dl
(IGT)
WHO
75g
≥126 mg/dl
≥200 mg/dl
(DM)
EASD
75g
≥110 mg/dl
≥160 mg/dl
Tab. 6: Verschiedenste Empfehlungen für oGTT-Grenzwerte.
49
Grenzwerte oGTT
Glukosebelastung 100g Glukose
75g Glukose
Nüchtern
95 mg/dl
5,3 mmol/l
95 mg/dl
5,3 mmol/l
1h
180 mg/dl
10 mmol/l
180 mg/dl
10 mmol/l
2h
155 mg/dl
8,6 mmol/l
150 mg/dl
8,6 mmol/l
3h
140 mg/dl
7,8 mmol/l
-----
-----
Tab. 7: Aktuelle oGTT-Grenzwerte.
Laut vierter internationaler Workshopkonferenz für GDM von 1998 wird empfohlen,
den oGTT am Morgen nach einer Fastenperiode von mindestens 8 bis maximal 14
Stunden durchzuführen. An den Tagen zuvor ist eine uneingeschränkte,
kohlenhydratreiche Nahrungszufuhr möglich (Metzger et al., 2007, Tamas and
Kerenyi, 2001).
In der Mehrheit gilt der 75g-Glukosebelastungstest als Goldstandard. Die Kriterien
werden gemäß den ADA-Kriterien definiert (Tab. 7) (Tamas and Kerenyi, 2001).
Auch entsprechend der letzten WHO-Empfehlung soll das Screening für GDM
allgemein mit dem Standard-75g-oGTT durchgeführt werden, der nur die 2hBlutzuckerwerte oder zusammen mit den Nüchternwerten beurteilt (Hunt and
Schuller,
2007).
Die
letzteren
könnten
sogar
den
Zustand
des
Kohlenhydratstoffwechsels liefern.
Studien der letzten Jahre demonstrieren, dass glykosyliertes Hämoglobin oder
Serumfructosamin zum Screening wegen ihrer niedrigen Sensitivität nicht geeignet
sind (Tamas and Kerenyi, 2001). Da die physiologische SS ein insulinresistenter
Zustand
ist,
hängt
die
Entwicklung
des
beeinträchtigten
Kohlenhydratstoffwechsels von der Reserve der sezernierenden Insulinkapazität
ab.
Alles geht in die Richtung, um die Kontroverse der unterschiedlichen
Diagnostikmethoden für Diabetes während der SS und im nicht schwangeren
Zustand ebenso wie das Problem der willkürlichen Abnahmewerte, zu beheben
50
(HAPO = Hyperglycemia and Adverse Pregnancy Outcome). Die HAPO-Studie
soll dazu dienen, an SS-Ergebnissen validierte Grenzwerte zu entwickeln, die den
Glukosestoffwechsel in der SS klassifizieren und die weltweit einheitlich
anwendbar sind (Metzger et al., 2008). Bei dieser doppelblinden Studie wird bei
25000 Schwangeren in der 24.-28. SSW ein oGTT durchgeführt. Eine Entblindung
erfolgt nur, wenn die Blutzuckerwerte nüchtern 105 mg/dl und 2 h postprandial 200
mg/dl überschreiten. Als Endpunkte werden die Sectiorate, die Makrosomie, der
fetale Hyperinsulinismus sowie die Hypoglykämierate erhoben
(Bühling et al.,
2004, Metzger et al., 2008).
Ziel ist es, durch das Screening, die Diagnose und durch die anschließende
Intervention das Risiko von SS- und Geburtskomplikationen für Mutter und Kind zu
vermindern.
3.2.7. Therapie und Management des GDM
Nach Stellung der Diagnose des GDM soll sofort dafür gesorgt werden, dass die
Patientin an eine ambulante Schwerpunkteinrichtung für Diabetes überwiesen
wird, wo die Patientin ausreichend Informationen und Beratung über die
Behandlung des GDM von einem erfahrenen Diabetologen erhält.
Ein
Grundprinzip
in
der
Behandlung
besteht
darin,
dass
Frauen
mit
diagnostiziertem GDM eine adäquate und individuelle Therapie erhalten, weil
dadurch die fetale und die mütterliche Morbidität, besonders Makrosomie,
verringert werden kann. Eine wirkungsvolle Behandlung besteht aus diätetischer
Therapie, körperlicher Aktivität, Blutzuckerselbstmessung (BZSM) und einer
Insulintherapie, wenn die Zielwerte des Blutzuckers durch alleinige Diät und
Bewegung nicht erreicht werden.
3.2.7.1. Ernährungsumstellung
Alle Schwangeren mit diagnostiziertem GDM erhalten durch einen qualifizierten
Diätologen/in
eine
entsprechende
Ernährungsberatung,
einen
individuell
51
gestalteten Diätplan und erlernen die BZSM. Die Ziele der medizinischen
Ernährungstherapie sind:
¾ Die Versorgung von Mutter und Fetus mit den notwendigen Nährstoffen
¾ Das Erreichen einer Normoglykämie (ideal: ≤ 5 mmol/l nüchtern und ≤
6.7 mmol/l postprandial)
¾ Das Verhindern einer Ketose
¾ Prüfung der angemessenen Gewichtszunahme (im Idealfall sollte die
Gewichtszunahme bei GDM ≤ 8 kg liegen)
¾ Beitragen zum fetalen Wohlbefinden
Die Nahrungsaufnahme beinhaltet 3 Hauptmahlzeiten und 2-3 Nebenmahlzeiten.
Die Diät enthält bei Normalgewicht ungefähr 30-35 kcal/kg
mit einem
durchschnittlichen Kohlenhydratgehalt von 40-50%, einem Eiweißgehalt von 2025% und 30-35% Fett. Im ersten Trimester ist der Energiebedarf nicht erhöht,
jedoch sollte die Energieaufnahme im zweiten und dritten Trimester täglich um
zusätzlich 100-300 kcal gesteigert werden (Reader, 2007).
Mit Hilfe der BZSM kann festgestellt werden, ob die Blutzuckerwerte im
erforderlichen Bereich liegen. Die Messungen sollten mindesten bis zu vier Mal
täglich bei Ernährungstherapie und bis zu sechs Mal täglich bei Insulintherapie
erfolgen (nüchtern, 1h und/oder 2h posprandial und bei Unsicherheiten)
(Bancher-Todesca and Kautzky-Willer, 2003, Turok et al., 2003). Die Ziele der
Blutzuckereinstellungswerte sind in folgender Tabelle angegeben.
Einstellungsziele
Kapilläres Vollblut
(mg/dl)
(mmol/l)
Nüchtern/präprandial
60-90
3,3-5,0
1h posprandial
≤140
≤7,8
2h postprandial
≤120
≤6,7
Tab 8: Richtwerte für die BZSM.
52
3.2.7.1.1. Vitamin D (VitD) in Korrelation mit GDM
VitD ist ein Secosteroid, das in der Haut synthetisiert und der Reihe nach in der
Leber und den Nieren metabolisiert wird. Es ist weitgehend dafür bekannt, dass es
den Kalzium- und Phosphatstoffwechsel reguliert und die Knochenmineralisierung
fördert. Jedoch erhöhen die ubiquitäre Verteilung des intrazellulären VitDRezeptors (VitD-R) in den verschiedenen Geweben und die dokumentierten
epidemiologischen Beweise die Risiken für Bluthochdruck, kardiovaskuläre
Erkrankungen und ausgelesene Krebsarten, die mit VitD-Mangel (<20ng/ml)
assoziiert sind, das die pleiotropen Wirkungen von VitD unterstreicht (Zhang et al.,
2008).
Die Hauptquellen von VitD im Körper sind die Aufnahme von VitD über die
Nahrung, wie z.B. öligen Fisch (Lachs, Makrelen, Hering) und Fischöle (z.B.
Lebertran),
und
durch
Nahrungsergänzungsmittel,
die
nur
VitD
in
unterschiedlichen Mengen enthalten, ebenso wie die endogene VitD-Produktion in
der Haut durch die Aussetzung von Sonnenlicht (Holick and Chen, 2008). Die
biologisch aktive Form von VitD ist 1,25-Dihydroxycholecalciferol (1,25-[OH] D).
Jedoch wird Hydroxyvitamin D (25-[OH] D) als der beste Indikator für den VitDStatus im Körper angesehen, weil es das Substrat für die renale und nicht renale
Produktion von 1,25-[OH] D ist, eine längere biologische Halbwertszeit (HWZ) hat
und höhere Konzentrationen in der Zirkulation vorkommen (Zhang et al., 2008).
Es gibt Hinweise, dass VitD eine Rolle in der Aufrechterhaltung der normalen
Glukosehomöostase spielt. Z.B. hängt der VitD-Abbau signifikant mit der
Insulinresistenz
und
der
beeinträchtigten
Insulinsekretion
zusammen.
Insbesondere ist dieser Zustand durch VitD-Verabreichung reversibel (Zhang et
al., 2008). Außerdem ist über eine starke Assoziation zwischen VitD-Mangel und
einer β-Zelldysfunktion bei gesunden, nicht zuckerkranken oder diabetischen
Bevölkerungen berichtet worden (Chiu et al., 2004). Des Weiteren hängen die 25[OH] D Konzentrationen, die primär zirkulierende Form von VitD, signifikant und
umgekehrt zum Risiko für T2D zusammen (Isaia et al., 2001).
53
Es ist lange Zeit bekannt, dass VitD-Mangel bei schwangeren Frauen weit
verbreitet ist (Hollis and Wagner, 2006). Daten bezüglich der Rolle von VitD in der
Glukosehomöostase während der SS und der Entwicklung von GDM sind dürftig
und die Ergebnisse sind uneinheitlich. In einer Querschnittsstudie (Maghbooli et
al., 2008) sind die Serumkonzentrationen von 25-[OH] D, die zur Zeit des
Screenings auf GDM in der 24. – 28. SSW gemessen wurden, signifikant niedriger
bei Frauen mit GDM als bei den Schwangeren mit normaler Glukosetoleranz.
Ähnlich in einer anderen Studie (Clifton-Bligh et al., 2008) sind die mütterlichen
Serumkonzentrationen von 25-[OH] D, die ebenso zur Zeit des Screenings auf
GDM gemessen wurden, signifikant und invers mit dem Nüchternblutzucker
assoziiert.
In einer indischen Bevölkerung wurde keine signifikante Assoziation zwischen 25[OH] D Konzentrationen und dem Risiko für GDM beobachtet (Farrant et al.,
2008).
In einer vor kurzem durchgeführten prospektiven Kohortenstudie (Zhang et al.,
2008) wird die Assoziation zwischen den mütterlichen Plasmavitamin-DKonzentrationen in der frühen SS und dem folgenden Risiko für GDM evaluiert.
Unter
jenen
Frauen,
die
GDM
entwickelten,
waren
die
mütterlichen
Plasmakonzentrationen von 25-[OH] D bei einem Durchschnitt von 16 SSW
signifikant niedriger als bei den Kontrollen (Abb. 18). Dieser Unterschied blieb
nach
der
Anpassung
bezüglich
mütterlichem
Alter,
Rasse,
familiärer
Vorgeschichte für DM und dem BMI vor der SS signifikant bestehen. Somit ist
mütterlicher VitD-Mangel (<20ng/ml) mit einem erhöhten Risiko für GDM
assoziiert.
54
Abb. 18: Mütterliche Plasmakonzentrationen von 25-[OH] D in der SS bei 57 GDM Fällen und 114 Kontrollen
(Zhang et al., 2008).
Zirkulierendes VitD kann durch spezifische Nahrungsaufnahme (z.B. Fettfische),
die Verwendung von Nahrungsergänzungsmitteln und der Aussetzung von
Sonnenlicht verändert werden. Die Beurteilung der Wirkungen von VitD- und
Kalziumergänzungsmitteln auf den Glukosemetabolismus bei nicht schwangeren
Individuen haben unterschiedliche Ergebnisse erbracht, die zumindest teils an der
unterschiedlichen Dosierung und an der Dauer der Fortsetzung dieser Zusätze
liegen (de Boer et al., 2008, Orwoll et al., 1994, Pittas et al., 2007). Die optimale
Dosierung von VitD-Ergänzungsmitteln bleibt weiterhin eine Herausforderung.
Möglicherweise kann die Behandlung von VitD-Mangel in der SS über
Nahrungsergänzungsmittel und Lebensstilmaßnahmen zur Verhinderung des
GDM beitragen.
3.2.7.2. Körperliche Aktivität
Regelmäßige körperliche Aktivität gesunder, schwangerer Frauen, wie z. B.
schwimmen, spazieren gehen, SS-Gymnastik, Hanteltraining, usw. fördert die
Normalisierung erhöhter Blutzuckerwerte durch den direkten Energieverbrauch
55
und führt zu einer Verbesserung der Insulinsensitivität, das die Glukoseaufnahme
in die Muskulatur ohne zusätzlich benötigtes Insulin erhöht. Daher kann durch
vermehrte körperliche Betätigung eine eventuell notwendige Insulintherapie
verhindert werden (Dempsey et al., 2004, Knowler et al., 2002, Reader, 2007).
3.2.7.3. Insulintherapie, Insulinanaloga und orale Antidiabetika
Wenn die Blutzuckerwerte nach zwei Wochen erfolgter ausreichender Diät und
regelmäßiger körperlicher Aktivität noch immer über den erwünschten Zielwerten
vorliegen, muss die Insulinbehandlung eingeleitet werden. Auch bei einem
Bauchumfang über der 90. Perzentile besteht die Indikation zur Insulintherapie.
Weiters spielt die Höhe des fetalen Insulins im Fruchtwasser nach einer
Amniozentese
(Fruchtwasserpunktion)
eine
Rolle
für
die
Indikation
zur
Insulintherapie. Da es sich hierbei aber um eine invasive und daher auch
risikoreichere Methode handelt, richtet sich der Beginn einer Insulintherapie
grundsätzlich nach den mütterlichen Blutzuckerwerten (Tamas and Kerenyi,
2001). Es gibt jedoch keine übereinstimmende Meinung, zu welchem Zeitpunkt
eine Insulintherapie eingeleitet werden sollte. Es gibt jedoch konservative
Richtlinien die zeigen, dass das Risiko der Markosomie und die damit
verbundenen Risiken für das Kind reduziert werden (Gilmartin et al., 2008,
Jovanovic et al., 2008). Es gibt zwei Ansätze, die Insulintherapie einzuleiten.
Nämlich, wenn:
1. die
Nüchternblutzuckerkonzentration
während
eines
zweiwöchigen
Zeitraums zwei oder mehrmals ≥90 mg/dl liegt, oder
2. der postprandiale 1h-Wert ≥120 mg/dl ist.
Ungefähr 15% aller Schwangeren mit GDM benötigen eine Insulintherapie. Wenn
mit dieser früh genug begonnen wird und die Normoglykämie beibehalten werden
kann, dann kann die Häufigkeit von Makrosomie und auch das Risiko von
Diabetes im späteren Leben vermindert werden (Gilmartin et al., 2008).
56
Die Insulintherapie sollte an die Patientinnen individuell angepasst werden. Das
Mittel
der
Wahl
als
Diabetestherapeutikum
ist
die
Verabreichung
von
Humaninsulin, da es am wenigsten immunogen ist.
¾ Verzögerungsinsulin vor dem Schlafen (z.B. Insulatard, Basal) zur
Reduktion von erhöhten Nüchternblutzuckerspiegeln oder
¾ Normalinsulin (Actrapid, Rapid, Normal) vor den Mahlzeiten, um erhöhte
postprandiale Blutzuckerwerte zu vermeiden
¾ Basis-Bolus-System, falls die Therapieziele anders nicht erreicht werden
können.
Die im Allgemeinen am häufigsten verwendeten Insulinarten bei GDM sind das
NPH- (neutrales Protamin Hagedorn) Insulin, ein intermediär wirksames Insulin
(=> es übt eine verzögerte sowie verlängerte Wirkung aus) und das
Normalinsulin (früher auch als Altinsulin bezeichnet), ein kurz wirkendes Insulin.
Das NPH-Insulin wird normalerweise verwendet, wenn der Nüchternblutzucker
hoch ist. Der Wirkungsbeginn, der –gipfel und die –dauer sind in der Tab. 9
zusammengefasst (Gilmartin et al., 2008).
Insulintyp
Wirkungseintritt
Peak
Wirkdauer
NPH-Insulin
2-4 Std.
6-12 Std.
10-16 Std.
Normalinsulin
30-60 min.
2-3 Std.
3-6 Std.
Tab. 9: Wirkungseintritt, -gipfel und –dauer von NPH- und Normalinsulin.
Bei den Insulinanaloga handelt es sich um Insuline mit modifizierter
Aminosequenz,
die
gegenüber
dem
Humaninsulin
eine
veränderte
Pharmakokinetik besitzen. Je nach Wirkdauer unterscheidet man kurzwirksame
(z.B. Insulin Lispro = Humalog®, Insulin Aspart = NovoRapid®) und lang
wirksame (z.B. Insulin Glargin = Lantus®) Insulinanaloga. Die kurzwirksamen
Insulinanaloga weisen einen schnellen Wirkeintritt auf, die Wirkung flacht aber
dementsprechend wieder schnell ab und verhindert somit postprandiale
Hypoglykämien. Bei den lang wirkenden Analoga verläuft die Wirkung möglichst
57
gleichmäßig über den gesamten Zeitraum (Di Cianni et al., 2008, Jovanovic et al.,
1999, Pettitt et al., 2007).
In den vereinigten Staaten ist der Gebrauch oraler Antidiabetika umstritten,
durch die US Food and Drug Administration auch nicht genehmigt. Abgesehen
davon haben viele erfolgreich Glyburide (=Glibenclamid) verwendet, um den
GDM zu behandeln, wenn eine alleinige Diät nicht ausreichend war, obwohl eine
signifikante Zahl dieser Patientinnen mit Insulin fortfahren, um die Kontrolle des
Blutzuckers optimal beizubehalten (Gilmartin et al., 2008).
Ein anderes orales Antidiabetikum, das als „Ersatzpräparat“ zum Insulin
angesehen werden kann, ist Metformin. Bei einem Vergleich von Metformin mit
Insulin bei Frauen mit diagnostiziertem GDM varrierten die neonatalen
Komplikationen zwischen diesen beiden Gruppen nicht besonders (Rowan et al.,
2008). Es gab weniger ausgeprägte Hypoglykämien bei den Kindern der Mütter
unter der Metformintherapie. Frühgeburten kamen in der Metformingruppe
häufiger vor, aber es kam zu keiner Zunahme anderer Komplikationen. Frauen,
die Metformin verwendeten, neigen eher zu der Aussage, Metformin (76%) in
einer darauffolgenden SS wieder zu verwenden als diejenigen, die Insulin (27,2%)
verwendeten. Das Resultat dieser Studie ergab, dass die Metformintherapie eine
sichere Wahl für GDM ist und auch für die Patientinnen annehmbarer ist. Es hat
keine Versuche gegeben, die Metformin und Glyburide verglichen.
Arcabose kann eine erstrebenswerte Annäherung bezüglich der GDM-Therapie
sein, wenn die vorläufig erschienen Daten einer randomisierten Studie im
Abschlussbericht bestätigt werden und wenn der Aspekt der gastrointestinalen
Störungen überwunden werden kann. Thiazolidindione sollten anhand der
vorliegenden Beweise betreffend der Plazentagängigkeit und dem Mangel an
Daten in der SS bis mehr Informationen vorhanden sind, nicht verwendet werden.
Inkretinmimetika zeigen bisher noch keine vielversprechende Verwendung bei
GDM (Coustan, 2007).
58
3.2.7.4. Geburtshilfliche Überwachung während der SS
Wenn bei einer Schwangeren die Diagnose GDM gestellt wird, sollten je nach
SSW in 1-3 wöchentlichen Abständen Kontrollen erfolgen. Bei der Mutter werden
besonders auf die Gewichtszunahme geachtet, sowie der Blutdruck und der Harn
kontrolliert um Komplikationen wie HWIs, vaginale Infektionen, SS-induzierte
Hypertonie und Präeklampsie rechtzeitig zu erkennen und sofort zu behandeln.
Sonographisch werden der biparietale Durchmesser, der Abdomenumfang und die
Femurlänge
zur
Beurteilung
des
Wachstums
des
Kindes
und
die
Fruchtwassermenge bestimmt, um die Entstehung einer fetalen Makrosomie bzw.
auch andere Fehlbildungsstörungen zu erfassen. Empfohlen wird eine monatliche
Ultraschalluntersuchung ab der 24. SSW. Präpartal folgt noch ein zusätzlicher
Ultraschall zur Erhebung eines Schätzgewichtes. Glukokortikoide wie z.B. βMethason zur Induktion der fetalen Lungenreife oder die Gabe eines βMimetikums wie z.B. Fenoterol zur Tokolyse sollten nur nach strenger Indikation
verabreicht werden, da sie kurzzeitig zu einer erheblichen metabolischen
Dekompensation führen können (Bancher-Todesca and Kautzky-Willer, 2003,
Claudi-Böhm et al., 2007).
3.2.7.5. Geburtshilfliche Überwachung unter der Geburt
Bei Frauen mit GDM handelt es sich um eine Risiko-SS. Daher sollte die
Entbindung an einer Klinik mit Neonatologie und besonders diabetologischen
Erfahrungen erfolgen, um eine optimale Versorgung für Mutter und Kind zu
gewährleisten.
Die Diagnose GDM allein stellt keine Indikation zur Sectio-Entbindung oder einer
vorzeitigen
Geburtseinleitung
dar.
Für
diese
Entscheidung
müssen
alle
geburtshilflichen Aspekte und die gegebenen Umstände herangezogen werden.
Bei geplantem Kaiserschnitt wird am Tag der Operation (OP) kein Insulin mehr
gegeben. Der Blutzucker wird dann mittels kurzwirksamen Insulin gesteuert. Unter
der Geburt soll die Blutglukose kapillär 70-110 mg/dl betragen.
59
Jedes Neugeborene einer Mutter mit GDM sollte unter besonderer Beobachtung
stehen. Bei Problemen wird sofort ein Neonatologe hinzugezogen und eventuell
wird
das
Neugeborene
Intensivpflegeeinheit
je
nach
Zustand
auf
verlegt.
Eine
Bestimmung
eine
der
neonatologische
Blutglukose
des
Neugeborenen sind 1, 3, und 12 Stunden nach der Geburt indiziert. Um
Hypoglykämien beim Neugeborenen zu verhindern, wird die früheste mögliche
Gabe von Muttermilch empfohlen (Bancher-Todesca and Kautzky-Willer, 2003,
Claudi-Böhm et al., 2007).
3.2.7.6. Nachsorge von Mutter und Kind
Normalerweise bildet sich der GDM nach der Geburt meistens wieder zurück. Bei
insulinpflichtigem GDM soll am 2. Tag post partum der Nüchternblutzucker und
der Blutzucker 2 h nach dem Frühstück durchgeführt werden. Bei Werten über 110
mg/dl nüchtern und/oder über 200 mg/dl nach dem Essen ist eine diabetologische
Weiterbetreuung unerlässlich (Claudi-Böhm et al., 2007). Bei unauffälligen Werten
sollte mindestens 6-10 Wochen nach der Geburt bei allen Frauen mit GDM ein 75g-oGTT durchgeführt werden. Entsprechend den oGTT-Ergebnissen werden die
Frauen in gesunde -, gestörte Glukosetoleranz- und in klinische Diabetesgruppen
eingeteilt (Tamas and Kerenyi, 2001).
Jene mit beeinträchtigter Glukoseintoleranz sollten über ihr später mögliches
Risiko für die Entwicklung eines manifesten Diabetes beraten und informiert
werden. Ein ideales Körpergewicht sollte erzielt werden und Medikamente, wie
z.B. Glukokortikoide, welche die Glukosetoleranz beeinflussen, sollten vermieden
werden. Frauen, bei denen ein manifester Diabetes diagnostiziert wurde, ist eine
umfassende Schulung über das Krankheitsbild und eine angemessene Therapie
erforderlich.
Frauen mit normaler Glukosetoleranz sollten bezüglich ihres Risikos für die
mögliche zukünftige Entwicklung eines GDM in nachfolgenden SS und eines T2D
beraten werden. Gewichtsabnahme bzw. die Erhaltung des Normalgewichts,
ausreichend körperliche Aktivität und eine ausgewogene Ernährung führen
60
offensichtlich zu reduziertem Auftreten dieser Störungen (Bancher-Todesca and
Kautzky-Willer, 2003). Die Rolle der medikamentösen Therapie z.B. mit Metformin
oder Pioglitazine ist unklar. Langfristige Nachbeobachtungen sind wesentlich. Die
Neueinstufung der Glykämie sollte mindestens in 3jährlichen Abständen erfolgen,
und vorher schon, wenn sich Symptome einer andeutenden Hyperglykämie
entwickeln.
Bei einer Mutter mit GDM besteht für das Kind ein erhöhtes Risiko, an Diabetes
oder Adipositas zu erkranken. Aus diesem Grund müssen die Mütter auf gesunde
Kost, ausreichende Bewegung und eine normale Gewichtsentwicklung des Kindes
achten und bei besonderen Auffälligkeiten den Kinderarzt aufsuchen.
61
3.3. Insulinresistenz bei Neugeborenen
3.3.1.
Hypoglykämie
und
fetale
Erythroblastose
aufgrund
von
Rhesusinkompatibilität
Die
fetale
Erythroblastose
Bluterkrankung,
die
(Erythroblastenvermehrung
im
bei
aufgrund
Neugeborenen
Blut)
ist
eine
einer
Blutgruppenunverträglichkeit zwischen Mutter und Kind entsteht. Wenn das Kind
Rhesus (Rh)-positiv und die Mutter Rh-negativ ist, kann der Übertritt von fetalem
Blut in den mütterlichen Kreislauf zur Bildung von Rh-positiven AK kommen. Bei
neuerlicher SS können die plazentagängigen IgG-AK ins fetale Blut gelangen. Ist
der Fetus Rh-positiv, haften sich die AK an die Oberfläche der fetalen
Erythrozyten und zerstören sie (Hämolyse). Die Zerstörung der Erythrozyten ist für
die fetale Erythroblastose verantwortlich und ist durch folgende Symtpome
gekennzeichnet:
¾ Anämie aufgrund der Hämolyse
¾ Hepato- und Splenomegalie
¾ Ikterus (Gelbfärbung der Haut und des Gewebes durch die Umwandlung
von Hämoglobin der zerstörten Erythrozyten in Bilirubin)
Deshalb wird einer Rh-negativen Schwangeren in der 28. SSW und nach der
Geburt eines Rh-positiven Kindes eine Anti-D-Prophylaxe verabreicht, um
eventuell in den mütterlichen Kreislauf übergetretene fetale Erythrozyten
abzufangen (Stöckl et al., 2007).
Bei zwei Kindern mit ausgeprägter fetaler Erythroblastose aufgrund einer
Rhesusinkompatibilität wurde auch eine schwere neonatale Hypoglykämie
beobachtet. Wiederholte Blutzuckerbestimmungen haben bei diesen zwei Kindern
in Anlehnung an den Blutaustausch einen Blutzuckerabfall <30 mg/100ml
innerhalb von 2 Stunden nach der Transfusion gezeigt (Hazeltine, 1967).
62
Die klinischen Manifestationen der neonatalen symptomatischen Hypoglykämie
sind (Cornblath and Schwartz, 1976):
¾ Tremor
¾ Zyanose
¾ Krämpfe
¾ Apnoe
¾ Apathie
¾ Kraftloses Schreien
¾ Schlaffheit
¾ Verweigerung von Nahrung
¾ Augen überdrehen
Kinder unter der Norm der Körpergröße neigen zu Hypoglykämie, weil sie einen
inadäquaten Glykogenspeicher aufweisen. Auch die Kinder diabetischer Mütter
tendieren
zu
Hypogklykämie,
wegen
vorübergehender
funktioneller
Hyperinsulinämie. Die Hyperplasie der Langerhans‘schen Inseln ist bei Kindern
diabetischer Mütter ebenso auffindbar, wie in den Bauchspeicheldrüsen von
Kindern mit Rh-Erythroblastose (Hazeltine, 1967).
Die Bauchspeicheldrüsen bei Rh-Erythroblastose Kindern weisen einen erhöhten
Insulingehalt auf. Dasselbe wurde auch bei den Kindern diabetischer Mütter
festgestellt (Driscoll and Steinke, 1967).
Bei Neugeborenen mit einem sensitiven Insulinfreisetzungsmechanismus ist es
möglich, dass die Hypoglykämie eventuell durch eine Blutaustauschtransfusion
zustande kommt. ACD-Blut enthält 150 g Glukose pro 500 ml Blut. Dadurch kann
sich während der Austauschtransfusion eine Hyperglykämie ereignen und durch
das abrupte Absetzten dieser Verabreichungsform der Glukose kann es zu einer
Hypoglykämie führen, außer wenn das Kind durch orale Ernährung oder durch
intravenöse Glukosezufuhr unterstützt wird (Hazeltine, 1967).
Auf Basis dieser Erfahrung zeigt sich, dass Kinder mit schwerer RhErythroblastose sich wie Kinder diabetischer Mütter verhalten können und sollten
63
dementsprechend behandelt werden. Es wird daher empfohlen, dass alle Kinder
mit ausgeprägter fetaler Erythroblastose beobachtet und auf Hypoglykämie
getestet werden sollten, und bei Erhaltung eines Blutaustausches intravenöser
(i.v.) Glukose bis zum Beginn oraler Nahrungszufuhr erhalten sollten (Hazeltine,
1967).
Bei Kindern mit mäßig bis schwer ausgeprägter fetaler Erythroblastose nicht
diabetischer Mütter wurde in einer prospektiven Studie die Häufigkeit der
Hypoglykämie und einige Aspekte des Glukose- und Insulinmetabolismus vor und
nach
der
Austauschtransfusion
untersucht
und
können
die
von
vorher
beschriebenen Angaben bestätigen (Barrett and Oliver, 1968).
Deshalb kann eine Hypoglykämie nicht mehr als dürftige Erscheinung bei Kindern
mit fetaler Erythroblastose, besonders bei jenen mit mäßiger bis schwerer
Entfaltung, angesehen werden. Eine frühe Erkennung und Behandlung dieser
Komplikation sollten die Mortalität und Morbidität der fetalen Erythroblastose
vermindert werden.
3.3.2. Persistierende hyperinsulinämische Hypoglykämie der Kleinkinder
(PHHI)
Die PHHI, auch Nesidioblastose des Pankreas genannt, ist die häufigste Form der
kongenitalen Hyperinsulinämie. Es handelt sich dabei um eine Überfunktion der
pankreatischen Insulin produzierenden Zellen, die durch Hypertrophie der β-Zellen
gekennzeichnet sind. Die Folge ist eine unregulierte, übermäßige Insulinsekretion.
Histopathologisch werden 2 Formen unterschieden, nämlich:
¾ Fokale Form der PHHI (foPHHI)
¾ Diffuse Form der PHHI (diPHHI)
Die foPHHI ist durch eine fokal adenomatöse Inselzellhyperplasie gekennzeichnet,
während bei der diPHHI in den Langerhans‘schen Inseln alle β-Zellen
hypertrophiert sind.
64
Abb. 19: Insel eines Kindes mit Normoglykämie (de Lonlay-Debeney et al., 1999).
Abb. 20: fokal abnorme Inselzellen; das exokrine Gewebe ist zur Peripherie der Lobuli begrenzt (de LonlayDebeney et al., 1999).
Abb. 21: diffuse Hyperinsulinämie: große β-Zelllen mit reichlich Zytoplasma und abnormal großen Nuclei (de
Lonlay-Debeney et al., 1999).
65
Klinisch sind die beiden Formen nicht zu unterscheiden. Die klinischen Merkmale
der PPHI umfassen:
¾ Ataxie
¾ Krampfanfälle
¾ Koma
Bei den meisten treten die Symptome während der ersten Lebenstage auf.
Neugeborene mit PHHI haben für gewöhnlich ein erhöhtes Geburtsgewicht für ihr
Gestationsalter, das darauf hindeutet, dass die Hyperinsulinämie schon vor der
Geburt bestehen muss. Frühe Erkennung und eine effiziente Vermeidung der
Hypoglykämie sind notwendig um dauerhafte neurologische Schäden und eine
schwere mentale Retardierung zu vermeiden. Zur Vorbeugung der rezidivierenden
(rez.) Hypoglykämie sind Glukoseinfusionen und/oder Substanzen, die die
Insulinsekretion hemmen, wie z.B. Diazoxid oder Octreotid, erforderlich. Leider
spricht die Mehrheit der Neugeborenen auf die medikamentöse Therapie nicht an
und häufig ist eine subtotale Pankreatektomie die Folge.
Bei der PPHI werden 3 Gruppen differenziert:
Gruppe 1:
¾ SUR1 (Sulfonylharnstoffrezeptor)/KIR6.2 (Untereinheit des ATP-sensitiven
Kaliumkanals) Mutationen
¾ Schwere Form der Erkrankung
¾ Diffuse β-Zell-Überfunktion und β-Zell-Hypertrophie
Gruppe 2:
¾ GCK (Glukokinase)/GLUD1 (Glutamatdehydrogenase) Mutationen
¾ Spätmanifeste milde Form der Erkrankung
¾ Diffuse β-Zell-Überfunktion ohne bemerkenswerte β-Zellhypertrophie
66
Gruppe 3:
¾ Mütterlicher Funktionsverlust (loss-of-heterozygosity) auf dem Chromosom
11 Genlocus p15 und väterlich vererbte rezessive SUR1/KIR6.2 Mutation
¾ Schwere Form der Erkrankung
¾ Fokale β-Zell-Überfunktion,β-Zell-Hypertrophie und β-Zell-Hyperplasie
Die Differenzierung fokaler und diffuser Läsionen ist wichtig, da sich die Therapie
je nach Form unterscheidet. Während die erste Gruppe der Patienten
normalerweise eine subtotale Pankreatektomie benötigen, um die Krankheit zu
kontrollieren, kann die zweite Gruppe mit einer medikamentösen Therapie
behandelt werden und in der dritten Gruppe ist eine partielle Pankreatektomie
erforderlich (Reinecke-Luthge et al., 2000).
Da
die
neonatale
hyperinsulinämische
Hypoglykämie
häufig
auf
die
medikamentöse Behandlung nicht anspricht wurden 52 Neugeborene mit
Hyperinsulinämie
hyperinsulinämische
nach
chirurgischer
Hypoglykämie
wird
Behandlung
in
ca.
50%
untersucht.
durch
eine
Die
fokale
adenomatöse Inselzellhyperplasie verursacht, die man durch transhepatische
pankreatische Katheterisierung und intraoperative histologische Untersuchungen
erkennen kann. Diese Patienten/innen werden mit partieller Pankreatektomie
behandelt, eine effiziente Therapie, die nur ein geringes Risiko für die Ursache
von DM trägt (de Lonlay-Debeney et al., 1999).
67
3.4. Spezifische Hormone bzw. Mediatoren, die Einfluss auf die
Insulinresistenz sowohl in der normalen als auch in der
diabetischen SS nehmen
Bei einer SS kommt es zu unzähligen Veränderungen im Körper. Die werdende
Mutter entwickelt mit zunehmend fortschreitender SS eine physiologische
Insulinresistenz, die bei einigen Frauen zu GDM führt.
Für die soeben erwähnten Veränderungen machte man für lange Zeit die SSHormone verantwortlich, jedoch stellte sich immer mehr heraus, dass auch andere
Faktoren, Hormone bzw. Mediatoren einen Einfluss auf diese Veränderungen
nehmen und auf die wichtigsten wird im Anschluss näher Stellung dazu
genommen.
3.4.1. Schwangerschaftshormone
3.4.1.1. Progesteron
Progesteron (Abb. 22), auch als Gelbkörperhormon oder Corpus Luteum Hormon
bezeichnet,
ist ein für die SS wichtiges Hormon. Es gehört als wichtigster
Vertreter zur Gruppe der Gestagene. Die Vorstufen vom Progesteron sind
Cholesterin und Pregnenolon. Es wird im Corpus luteum gebildet, das sich nach
dem Eisprung aus dem Graaf’schen Follikel bildet (Löffler, 2003).
Die
Ausschüttung des Hormons wird durch das luteinisierende Hormon (LH) stimuliert.
68
Abb. 22: Progesteron gehört ebenso zu den Steroidhormonen wie z.B. die Östrogene, das Testosteron oder
das Kortisol, die aus 4 Kohlenstoffringen bestehen
(www.med4you.at/laborbefunde/lbef3/lbef_progesteron.htm).
Progesteron wird hauptsächlich in der mütterlichen Leber zu Pregnandiol
katabolisiert und 10-30% des produzierten Progesterons wird als Pregnandiol im
Urin ausgeschieden.
Die verminderte Produktion und Ausscheidung von Pregnandiol in der
diabetischen SS wurde wiederholt in Verbindung mit intrauterinen oder neonatalen
Todesfällen festgestellt, aber andere Studien haben diese Entdeckungen nicht
bestätigt. (Pedersen, 1977).
Die wichtigsten Wirkungen von Progesteron:
¾ In
der
2.
Zyklushälfte
ist
Progesteron
für
die
Erhöhung
der
Körpertemperatur um 0,5 – 0,7 °C verantwortlich.
¾ Es ist für die Umwandlung des Endometriums vom Proliferations- zum
Sekretionsstadium zuständig, wodurch die Nidation des befruchteten Eis
und die Ernährung des entstehenden Embryos vorbereitet wird.
¾ Progesteron hemmt die Kontraktionen der glatten Muskulatur, die eine
Abstoßung der eingenisteten Frucht verhindert
¾ Progesteron fördert das Wachstum der Brustdrüse in der SS
69
Sollte während der SS ein eigens berechneter Serumprogesteronspiegel
verwendet werden?
Beim Vergleich der Serumprogesteronkonzentration während der unkomplizierten
SS bei 74 diabetischen Frauen, die den White Kategorien B, C und D (Tab. 10)
angehören,
mit
regulär
schwangeren
Frauen
waren
die
Mittelserumprogesteronwerte in der diabetischen SS ohne irgendeinen statistisch
signifikanten Unterschied zwischen den drei White Kategorien höher. Die Abb. 23
zeigt das Referenzintervall für unkomplizierte diabetische SS. Eine signifikante
Korrelation wurde zwischen der Serumprogesteronkonzentration am Morgen und
der Pregnandiolkonzentration des Urins gesehen. Und es wurde eine in hohem
Grade
signifikante
Wechselbeziehung
zwischen
den
Serumprogesteronkonzentrationen und dem hPL beobachtet (Pedersen, 1977).
White-Klassifikation der diabetischen SS
White A
Abnormer
Glukosetoleranztest
nur
durch
diätetische
Ernährungstherapie behandelt
White B
Erstmanifestation (EM) > 20. Lj. oder Dauer < 10 Jahren
White C
EM 10.-19. Lj. oder Dauer 10-19 Jahre
White D
EM < 10. Lj., Dauer > 20 Jahre. Benigne Retinopathie oder
Hypertonie (keine Präeklampsie)
White R
Proliferative Retinopathie oder Glaskörperblutung
White F
Nephropathie mit Proteinurie > 500mg/d
White RF
Kriterien beider Kategorien von R und F
White G
Multiple SS-Komplikationen
White H
Klinisch evidente KHK
White T
Zustand nach Nierentransplantation
Tab. 10: White-Klassifikation der diabetischen SS.
70
Abb. 23: Verteilung der Serumprogesteronkonzentration bei diabetischen Schwangeren (-----) im Vergleich zu
Frauen mit normaler Glukosetoleranz (——) (Pedersen, 1977).
Unter der Verwendung einer Gas-Flüssigkeits-Chromatographie-Methode wird der
signifikante Anstieg der Plasmaprogesteronwerte über den Normbereich in der
diabetischen SS ab der 30. SSW bestätigt. Da die Zunahme in der diabetischen
und normalen Gruppe ähnlich war, wurde die Differenz bezüglich der
Konzentration bis zur Entbindung aufrecht erhalten (Pedersen, 1977). Aus diesen
Resultaten
entnehmend
wird
ersichtlich,
einen
eigens
berechneten
Referenzbereich für Progesteron in der diabetischen SS zu verwenden.
Während der SS steigt der Progesteronspiegel bis zum dritten Trimenon an und ist
für die Erhaltung der SS notwendig. Zu Beginn der SS wird Progesteron nur vom
Corpus luteum gravitas gebildet, dann auch immer mehr im Trophoblastenepithel.
Mit der Zeit übernimmt die Plazenta dann die alleinige Hormonsynthese.
Der Ausbruch von GDM tritt normalerweise im zweiten Trimester der SS auf, wenn
die Progesteronwerte hoch sind (Butte, 2000). Die diabetogenen Effekte des
Progesterons in der SS wurden bis jetzt hauptsächlich durch die Steigerung der
Insulinresistenz durch das Hormon, besonders in der Skelettmuskulatur und im
Fettgewebe, durch eine Reduktion der GLUT4-Expression erklärt (Sugaya et al.,
71
2000). Jedoch können Progesteronrezeptoren (PgR) in den Inselzellen exprimiert
werden (Pasanen et al., 1997) und nur wenige kontroverse Daten hinsichtlich der
direkten Wirkungen des Progesterons auf die Insulinsekretion (Magnaterra et al.,
1997, Straub et al., 2001) und die Proliferation der Inselzellen sind veröffentlicht
worden (Kawai and Kishi, 1999, Nieuwenhuizen et al., 1999).
Die hohen Werte der verschiedenen Hormone in der SS, wie z.B. Östrogene,
Progesteron, Cortisol, Prolaktin und hPL können zweifelsohne zur verminderten
Insulinwirksamkeit beitragen (Butte, 2000). Jedoch ist zurzeit noch unklar, warum
die
β-Zellfunktion
sich
in
einigen
Bereichen
den
neuen
metabolischen
Anforderungen nicht anpassen kann und folglich zu GDM führt (Kim et al., 2002).
Die hormonellen Besonderheiten in der SS, und insbesondere das Progesteron,
können
eine
entscheidende
Rolle
in
der
verminderten
Adaptation
der
Insulinsekretion spielen (Picard et al., 2002). Schon zuvor bestehende hohe
Progesteronwerte gehen mit der Entwicklung von Glukoseabnormitäten einher und
es wurden PgR-Knockout-Mäuse gefunden, die eine verbesserte Glukosetoleranz
haben. Diese Mäuse zeigten eine erhöhte Insulinsekretion, die vermutlich mit dem
Vorhandensein der erhöhten β-Zellproliferation im Pankreas in Zusammenhang
steht. Daher scheint Progesteron ein zentraler Regulator der β-Zellproliferation als
Reaktion
auf
die
metabolischen
Anforderungen,
wie
die
Erhöhung
der
Insulinresistenz, zu sein.
3.4.1.2. Östrogene - 17β-Östradiol
Östrogene sind die wichtigsten weiblichen Geschlechtshormone. Sie werden
vorwiegend in den Thekazellen der Graaf’schen Follikel und im Corpus luteum,
also in den heranreifenden Follikel in den Ovarien gebildet. Geringere Mengen
entstehen auch in den Testes, der Nebennierenrinde (NNR) und dem Fettgewebe.
Die Östrogenbiosynthese geht wie bei allen anderen Steroidhormonen vom
Cholesterin aus und entsteht durch die Umwandlung von Androgenen. Nach der
Aromatisierung entstehen die beiden wichtigsten Östrogene: das Östradiol und
das Östron (Löffler, 2003). Östron gewinnt nach der Menopause an Bedeutung,
wenn die Ovarien kaum mehr Östradiol produzieren. Das Östriol ist normalerweise
72
ein kaum mehr wirksames Abfallprodukt des Östradiols und des Östrons. In der
SS steigt seine Konzentration an und damit auch seine Bedeutung.
17β-Östradiol (Abb. 24) gilt als wichtigstes Hormon der Östrogene. Es wird unter
dem Einfluss von Follikel-stimulierendes Hormon (FSH) und LH gebildet.
Abb. 24: Östradiol als das wirksamste Hormon der Frau
(www.med4you.at/laborbefunde/lbef3/lbef_oestrogene_oestradiol_estradiol.htm).
Die wichtigsten Wirkungen der Östrogene:
¾ Sie sind für das Wachstum der sekundären weiblichen Geschlechtsorgane
verantwortlich.
¾ Förderung des Knochenwachstums und der Knochenbildung; sie wirken der
Osteoporoseentstehung entgegen
¾ Östrogene fördern den Fetteinbau
¾ Sie induzieren die Proliferationsphase der Uterusschleimhaut
In der frühen SS steigen Progesteron und Östrogen an, aber ihre Auswirkungen
auf
die
Insulinaktivität
sind
ausgeglichen.
Das
Progesteron
verursacht
Insulinresistenz, während das Östrogen protektiv wirkt. Ein ivGTT, der bei
Östrogen-behandelten Ratten durchgeführt wurde, zeigte eine signifikante
Abnahme an Glukosekonzentrationen und eine 2fache Zunahme an Insulin; die
Beimengung von Progesteron war mit einer 70%igen Zunahme in der
Insulinreaktion auf einen Glukoseprovokationstest vergesellschaftet, aber es kam
zu keinen Veränderungen in der Glukosetoleranz. In kultiviertem Fettgewebe von
Ratten, die mit Östrogen behandelt wurden, kam es zu keiner Auswirkung auf den
73
Glukosetransport, aber die maximale Insulinbindung wurde erhöht. Jedoch
verminderte Progesteron den maximalen Glukosetransport und die Insulinbindung
(Hod, 2008).
Bei der Evaluierung der Rolle von Progesteron und/oder 17β-Östradiol auf die
Insulinsensitivität während der SS hat man Ratten mit entfernten Eierstöcken
unterschiedliche
Dosierungen
von
Progesteron
und
/oder
17β-Östradiol
verabreicht, um die Plasmakonzentrationen in den normalen SS zu simulieren. Die
hyperinsulinämische-euglykämische Clamp-Technik wurde verwendet, um die
Insulinsensitivität zu messen. Die Resultate ergaben, dass das Fehlen weiblicher
Steroidhormone zu einer verminderten Insulinsensitivität führt. (Gonzalez et al.,
2000) So könnte der Anstieg der Insulinsensitivität in der frühen SS, wenn die
Plasmakonzentrationen von Östradiol und Progesteron niedrig sind, am Östradiol
liegen. Jedoch während der späten SS, wenn die Plasmakonzentrationen
derselben hoch sind, kann die Rolle von Östradiol dazu dienen, die Wirkung von
Porgesteron zu antagonisieren und die Insulinsensitivität vermindern.
3.4.1.3. Prolaktin
Prolaktin wird im Hypophysenvorderlappen produziert. Die Sekretion wird durch
Thyreotropin-releasing-Hormon (TRH) sowie nerval über die Reizung von
Mechanorezeptoren in den Brustwarzen stimuliert.
Die wichtigsten Wirkungen von Prolaktin:
¾ Wachstum der Brustdrüse
¾ Es fördert die Milchbildung und Sekretion der Milch
¾ Unterdrückung des Zyklus während der Stillphase
Erhöhte Prolaktinspiegel führen zu einer vermehrten Freisetzung von Dopamin im
Hypothalamus, das die Sekretion von Prolaktin hemmt (Löffler, 2003).
Während der SS steigt das mütterliche Prolaktin um das 7- bis 10fache an. Die
Basalinsulinkonzentration und die anschließenden Glukose- und Insulinreaktionen
74
bei Frauen mit Hyperprolaktinämie waren größer, als bei den Gesunden. Diese
Entdeckungen wurden durch Studien gestützt, die zeigen, dass die Kultur der
pankreatischen Inselzellen mit Prolaktin eine Zunahme der Insulinsekretion
verursacht. Man untersuchte die Beziehung zwischen der Verschlechterung in der
Glukosetoleranz und den Plasmaprolaktinkonzentrationen bei Patientinnen mit
normaler und diabetischer SS. oGTTs wurden in der späten SS und nach der
Geburt durchgeführt. In der späten SS hatte die GDM-Gruppe verglichen zu den
Kontrollen
signifikant
erhöhte
Nüchternblutzuckerwerte
und
nach
der
Glukoseprovokation wurde ihre Insulinreaktion signifikant vermindert und die
Glukagonsuppression war weniger stark ausgeprägt. Diese Unterschiede
bezüglich des Glukosemetabolismus wurden in der frühen Postpartum-Periode
deutlich vermindert. Es gab keinen Unterschied bezüglich der basalen
Prolaktinkonzentrationen zwischen den zwei Gruppen. Die Prolaktinwerte
veränderten sich auch nicht während der oGTTs und es gab keinen
Zusammenhang zwischen der Verschlechterung der Glukosetoleranz und den
Prolaktinkonzentrationen in jeder Gruppe. So sind abnormale Prolaktinwerte nicht
von pathophysiologischer Bedeutung in der Entwicklung des GDM (Hod, 2008).
3.4.1.4. humanes Plazentalaktogen (hPL)
Das hPL, auch als Somatomammotropin bezeichnet, ist ein Hormon, das während
der SS in der Plazenta gebildet wird und ab der 8. SSW im Serum nachweisbar
ist. hPL fungiert als Wachstumshormon in der SS. Die Produktion von hPL
korreliert mit der Plazentagröße.
hPL-Werte steigen zu Beginn des zweiten Trimesters und verursachen eine
Abnahme der IRS-1 Phosphorylierung und eine Insulinresistenz (Hod, 2008).
Eine plötzliche hPL-Infusion resultiert in einer abnormalen Glukosetoleranz und
einer erhöhten Insulin- und Glukosekonzentration als Reaktion auf die orale
Blutzuckerprovokation (Beck and Daughaday, 1967).
Dementsprechend stimuliert hPL direkt die Insulinsekretion in der Inselzellkultur
(Brelje et al., 1993). Dies kann darauf hinweisen, dass hPL direkt die
75
Inselzellfunktion reguliert und vermutlich das Haupthormon ist, das für die
Zunahme der Inselfunktion verantworltich ist, die während der normalen SS
beobachtet wird.
Bei diabetischen SS zeigten sich während des letzten Trimesters signifikant
höhere Mittelserumwerte als bei den normal verlaufenden SS, wie die Abb. 25
veranschaulicht. Ebenso gibt es eine positive Korrelation zwischen der hPLKonzentration und dem Plazentagewicht, dem Geburtsgewicht des Kindes und der
Harnöstriolausscheidung. Da das fetale Geburtsgewicht und das Plazentagewicht
bei Diabetikerinnen höher ist als bei gesunden Schwangeren im vergleichbaren
Gestationsalter, konnte die höhere hPL-Konzentration bei den diabetischen SS
auch erwartet werden. Andere Studien beobachteten keine Korrelation zwischen
hPL-Werten und Veränderungen des Blutzuckerspiegels oder dem Insulinbedarf
(Pedersen, 1977). Aus diesen Resultaten ergibt sich folglich, dass hPLMessungen keine oder nur eine begrenzte Rolle im Management der diabetischen
SS haben.
Abb. 25: Serum-hPL-Konzentration bei normalen und diabetischen SS (Pedersen, 1977).
3.4.2. Adipozytokine
Das Fettgewebe galt traditionsgemäß als Energiespeicherdepot. Wegen der
drastischen Zunahme der Adipositas und ihrer metabolischen Folgeerscheinungen
76
während der letzten Jahrzehnte, gewinnt das Fettgewebe an ungeheurem
wissenschaftlichem Interesse. Es wird jetzt als ein aktives, endokrines Organ
angesehen, das, zusätzlich zur Regulierung der Körperfettmasse und der
Nährstoffhomöostase, viele bioaktive Mediatoren (Adipozytokine) freisetzt, die die
Hämostase,
den
Blutdruck,
den
Lipid-
und
Glukosemetabolismus,
die
Inflammation und die Atherosklerose modulieren (Rabe et al., 2008).
Abb. 26: Adipositas, Adipokine und Insulinresistenz. Die überschüssige viszerale Fettanlagerung resultiert in
einer veränderten Freisetzung der Adipokine, die zu einer ZNS vermittelten Insulinresistenz der
Skelettmuskulatur und hepatischen Insulinresistenz führen (Rabe et al., 2008).
3.4.2.1. Leptin
Das im Jahr 1994 identifizierte Leptin ist ein 16 kDa großes Protein, das auf dem
ob-Gen („obese“) kodiert und hauptsächlich von den Adipozyten sezerniert wird.
Durch direkte Wirkung auf den Hypothalamus kann Leptin den Appetit, die
Sättigung, die Energiezufuhr und dadurch auch das Körpergewicht im Sinne eines
Regelkreises steuern. Die Leptinproduktion wird durch Insulin, Glukokortikoide,
Östrogene und durch die Nahrungsaufnahme stimuliert. Der hohe Leptinspiegel
bremst den Appetit und über die Aktivierung des sympathischen Nervensystems
wird der Energieverbrauch erhöht. Im Gegensatz dazu vermindern Fasten,
77
Gewichtsverlust, adrenerge Stimulation und Androgene den Leptinserumspiegel
(Abb. 25) (Henson and Castracane, 2006, Laube, 2001).
Abb. 27: Schematische Darstellung des Leptinregulationssystems. NPY = Neuropeptid Y (Laube, 2001).
Die Serumleptinspiegel verhalten sich proportional zum Fettgewebe. Bei
Übergewichtigen sind erhöhte Leptinkonzentrationen nachweisbar, die auf eine
möglicherweise verminderte Leptinwirkung zurückzuführen ist. Es findet keine
negative Rückkopplung statt. Frauen weisen einen höheren Leptinspiegel als
Männer auf (Kennedy et al., 1997, Saad et al., 1997).
Nüchterne Insulin- und Leptinkonzentrationen hängen eng mit dem Körperfett
zusammen,
das
Leptin
zu
einem
guten
Marker
für
Übergewicht
und
Insulinresistenz macht. Weil Leptinrezeptoren im Skelettmuskel, in der Leber, im
Pankreas, im Fettgewebe, im Uterus und in der Plazenta gefunden werden, kann
es für die periphere und zentrale Insulinresistenz verantwortlich sein (Hod, 2008).
Die Leptinwerte steigen in der SS, mit vorwiegender Synthese in der Plazenta, ab
der 6. – 8. SSW bis zur 38. – 40. SSW kontinuierlich an und nach der Geburt
verringerten sich diese drastisch mit vergleichbaren Werten zu Beginn der SS
78
(Schubring et al., 1998). Daraus ergibt sich, dass Leptin eine wichtige Rolle
während der SS und in der fetalen Entwicklung spielen könnte.
Die genaue Rolle, die Leptin in der SS spielt, ist noch nicht eindeutig geklärt. SSassoziierte Zunahmen von mütterlichem Plasmaleptin von einer Up-Regulation der
Leptinsynthese durch die Adipozyten können in das Vorliegen einer zunehmenden
Insulinresistenz und Hyperinsulinämie in der letzten Hälfte der SS resultieren
können (Laivuori et al., 2000).
Mit Leptin behandelte schwangere Mäuse hatten im Vergleich zu den Kontrollen
deutlich reduzierte Glukosewerte. Trotz der verminderten Energieaufnahme und
der
verbesserten
Glukosetoleranz
wurde
das
fetale
Wachstum
nicht
eingeschränkt. Die Resultate liefern den Beweis, dass die Leptinverabreichung
während der späten SS die Adipositas reduzieren und die Glukosetoleranz im
Modell des spontanen GDM verbessern kann. Dies würde bedeuten, dass
Veränderungen in den plazentaren Leptinwerten zur Regulation des fetalen
Wachstums unabhängig von mütterlichen Glukosewerten beitragen können
(Yamashita et al., 2001).
Die Untersuchungen über die Veränderungen bei den Leptinwerten und den
Zusammenhang zwischen der Leptinsubstanz, dem Insulin und der Glukose bei
schwangeren Frauen mit GDM haben ergeben, dass die Serumleptinwerte bei den
Frauen mit GDM signifikant höher als bei den Frauen mit unkomplizierten SS
waren. Die GDM-Gruppe zeigte auch eine signifikant positive Wechselbeziehung
der Serumleptinwerte mit den glykosylierten Hämoglobinwerten, den nüchternen
Seruminsulinwerten und den Plasmaglukosewerten. Somit sind die Leptinwerte
bei Frauen mit GDM erhöht und der Leptinmetabolismus hängt von den
Insulinwerten und dem Schweregrad des Diabetes ab (Vitoratos et al., 2001).
Leptinkonzentrationen
bei
Schwangeren
mit
normaler
Glukosetoleranz
unterscheiden sich deutlich von Schwangeren mit GDM (Kirwan et al., 2002).
Jedoch stellt sich die Frage, ob Leptin ein guter Marker für die Entstehung von
GDM ist, da die Leptinspiegel besser mit demjenigen BMI korrelieren als mit der
Veränderung des Glukosestoffwechsels.
79
3.4.2.2. Adiponektin
Adiponektin ist ein 30 kDa großes Fettgewebshormon, ein spezifisches
Plasmaprotein, das differenzierungsabhängig in den Adipozyten gebildet wird
(Fasshauer et al., 2004). Adiponektinrezeptoren finden sich in der Leber und der
Muskulatur.
Adiponektin vermindert die hepatische Glukoseproduktion und die Insulinresistenz
durch die gesteigerte Fettsäureoxidation möglicherweise über die Stimulation der
Adenosinmonophosphat- (AMP-) Kinase (Chandran et al., 2003). Daraus ergibt
sich, dass Adiponektin insulinsensitivierende Wirkungen entfaltet und einen
Einfluss auf den Fettstoffwechsel hat. Bei Verlust der Adiponektinsekretion kommt
es somit zum Anstieg der Insulinresistenz (Tschritter et al., 2003).
Bei
Adipositas
wird
Adiponektin
vermindert
sezerniert
und
niedrige
Adiponektinspiegel stehen in Beziehung zueinander mit Insulinresistenz und
Hyperinsulinämie. Hingegen erhöht sich die Synthese von Adiponektin bei
Gewichtsreduktion (Chandran et al., 2003, Meier and Gressner, 2004). Studien
haben
gezeigt,
dass
Adiponektinserumwerte
bei
Übergewichtigen
und
Patienten/innen mit T2D vermindert waren (Arita et al., 1999, Weyer et al., 2001).
Höchstwahrscheinlich erhöht Adiponektin die Insulinsensitivität, indem es die βOxidation der FFS erhöht und die intrazellulären Triglyzeridkonzentrationen
vermindert (Hu et al., 1996, Yamauchi et al., 2001).
Beobachtungen erwägen auch die Möglichkeit, dass Adiponektin, dass natürlich
auch im Blutstrom vorkommt, als endogenes Agens die entzündliche Reaktion der
endothelialen Zellen, also auf vaskulärer Ebene, moduliert (Ouchi et al., 2000).
Folglich werden die Tätigkeiten von Adiponektin, dem eine Reihe von Effekten wie
z.B. auf den Glukosestoffwechsel, das Gefäßssystem und auch auf das
Immunsystem zugeschrieben werden, in der Abb. 28 zusammengefasst
dargestellt:
80
Abb. 28: Wirkungen von Adiponektin (Chandran et al., 2003).
Die Plasmaadiponektinkonzentrationen sind bei Frauen mit GDM im Vergleich zu
gesunden Kontrollgruppen vermindert (Ranheim et al., 2004, Worda et al., 2004).
Diese Erkenntnis unterstützt das Konzept einer gemeinsamen Pathogenese
zwischen T2D und GDM. Jedoch ist der Beitrag dieses Proteins in Bezug auf die
SS nach wie vor unklar.
3.4.2.3. Tumornekrosefaktor α (TNFα)
TNFα ist ein proinflammatorisches Zytokin, das im Fettgewebe (Kern et al., 1995),
in der Muskulatur (Saghizadeh et al., 1996), als auch in der Plazenta und im
Uterus (Chen et al., 1991) hauptsächlich von Makrophagen/Monozyten gebildet
wird. Es kommt in zwei Formen vor. Es wird als 26 kDa große Form gebildet und
durch die Abspaltung einer Peptidsequenz entsteht die aktive 17 kDa große Form.
TNFα
gibt
seine
Wirkung
über
zwei
unterschiedliche
Rezeptoren
(Tumornekrosefaktor = TNF-R) preis:
¾ TNF-R1
¾ TNF-R2
81
Die Stimulation von TNF-R1 führt:
¾ Apoptose
¾ Erhöhter antiviraler Aktivität
¾ Fibroblastenproliferation
Folge der Stimulation von TNF-R2 ist:
¾ T-Zell-Proliferation
¾ Thymozytenproliferation (Tartaglia et al., 1991)
TNFα phosphoryliert die Serinanteile von IRS-1, das zu einer Hemmung des
Insulinsignals über eine direkte Deaktivierung des Insulinrezeptors führt
(Hotamisligil, 1999). Zusätzlich beeinflusst TNFα den Glukostransport im Sinne
einer Down-Regulation des GLUT4 (Hube and Hauner, 2000).
Adipositas ist häufig mit Insulinresistenz und einer gestörten Glukosehomöostase
assoziiert. Studien haben kürzlich angezeigt, dass TNFα eine wichtige Rolle in der
Vermittlung von Insulinresistenz bei Übergewicht durch seine Überexpression im
Fettgewebe
spielt.
Jedoch
der
Zusammenhang
zwischen
Adipositas,
Insulinresistenz und Diabetes ist weitreichend unbekannt. In der Studie von
Hotamisligil et al. konnte eine gewichtige positive Korrelation zwischen der TNFαmRNA-Expression im Fettgewebe und der Hyperinsulinämie, einem indirekten
Maß der Insulinresistenz beobachtet werden. Letztendlich resultierte eine
Gewichtsreduktion dieser übergewichtigen Personen in einer verbesserten
Insulinresistenz, die auch mit einer Abnahme der TNFα-mRNA-Expression im
Fettgewebe assoziiert war (Hotamisligil et al., 1995).
Eine Inaktivierung von TNFα durch monoklonale Antikörper verbessert die
Insulinempfindlichkeit bei Zuckerratten. Bei Typ 2 Diabetiker/innen konnte jedoch
keine Verbesserung der Insulinresistenz gezeigt werden (Laube, 2001).
82
TNFα ist in die Pathogenese der Insulinresistenz bei DM Typ2 verwickelt, aber es
sind nur begrenzte Daten hinsichtlich GDM vorhanden. Die Untersuchung über die
Auswirkungen der exogenen Glukose auf die Freisetzung von TNFα vom
plazentaren Gewebe und Fettgewebe, das von den normalen und diabetischen
schwangeren Frauen erreicht wurde, ergaben eine signifikant größere TNFα
Freisetzung
in
der
GDM-Gruppe
unter
den
Bedingungen
hoher
Glukosekonzentrationen (Coughlan et al., 2001). Das TNFα in der Regulation des
Glukose- und Lipidmetabolismus und der Insulinresistenz verwickelt ist, sind diese
Daten übereinstimmend mit der Hypothese, dass TNFα in der Pathogenese
und/oder der Progression des GDM involviert ist.
Der Verlauf und die Veränderungen von Plazentahormonen, Cortisol und TNFα
während der SS mit und ohne GDM mit der Änderung der Insulinsensitivität
zeigten TNFα, Leptin, Cortisol und alle reproduktiven Hormone, wie hCG,
Östradiol, Progesteron, hPL und Prolaktin erhöhte Konzentrationen in der späten
SS. Unter all den hormonellen Veränderungen, die in dieser Studie gemessen
wurden, stellte sich TNFα als einziger signifikanter Prädiktor für die Veränderung
in der Insulinsensitivität während der SS, unabhängig von der Adipositas bzw.
dem BMI, dar (Kirwan et al., 2002).
Die pathophysiologische Rolle des TNF-Systems
in Zusammenhang mit der
Insulinresistenz bei Patientinnen mit GDM und während dem Verlauf einer
normalen SS weist dabei eine signifikante Zunahme von TNFα gegen Ende der
SS nach (Winkler et al., 2002). Und im Gegensatz zu Kirwan et al. wurde eine
signifikante positive Korrelation zwischen TNFα und dem BMI aller Frauen
festgestellt.
Diese signifikante positive lineare Korrelation unter TNFα, C-Peptid, C-PeptidBlutglukoseverhältnis (indirekten Parametern der Insulinresistenz) und dem BMI
schwangerer Frauen kann bestätigt werden (Melczer et al., 2002).
83
3.4.2.4. Interleukin-6 (IL-6)
IL-6 ist ein Zytokin und vermittelt metabolische und/oder gewichtsregulierende
Effekte. Es wurde ursprünglich
als ein von den Leukozyten sezerniertes
proinflammatorisches Protein beschrieben, aber IL-6 wird auch zu 30% im
Fettgewebe gebildet und gehört deshalb auch zur Gruppe der Adipozytokine. IL-6
weist Ähnlichkeiten mit Leptin auf, deren Plasmaspiegel in Verbindung mit
Adipositas erhöht sind. IL-6 vermindert die Lipoproteinlipase- (LPL-) Aktivität in
vitro und in vivo, das die Triglyceridablagerung im Fettgewebe down regulieren
kann. Weiters stimuliert IL-6 die Thermogenese und die Sättigung über die
Synthese von Prostaglandinen und dem Corticotropin-Releasing-Hormon (CRH).
IL-6 Rezeptoren (IL-6R) sind im Hypothalamus vorhanden, welche die zentralen
Tätigkeiten von diesem Protein aufzeigt. Es moduliert auch die Wirkung der
Aromatase, dass als Schlüsselenzym für den Östrogenmetabolismus gilt. Es ist
bekannt, dass Östrogene die Sättigung und Fettgewebsverteilung beeinflussen.
Schließlich gibt es mehrere potentielle Mechanismen für die Interaktionen
zwischen Leptin und zytokinen Signalen. TNFα moduliert die Synthese von Leptin
und IL-6. Der Leptinrezeptor hat den gp130-Signal-transduzierenden Bestandteil
mit dem IL-6R gemein. Daraus könnte man schließen, dass IL-6 die Wirkungen
von
Leptin
moduliert,
an
hypothalamische
Rezeptoren
bindet
und
der
Energiehaushalt durch verursachende Veränderungen in der Nahrungsaufnahme,
in der körperlichen Aktivität und in der Thermogenese reguliert wird (Mohamed-Ali
et al., 1997)
Über unterschiedliche Mechanismen beeinflusst IL-6 auch die Insulinsensitivität.
IL-6 stimuliert die Lipolyse und die vermehrte Abgabe FFS an die Leber, die dort
signifikant zur IL-6-induzierten Hypertriglyzeridämie beiträgt (Nonogaki et al.,
1995).
Darüber
hinaus
hemmt
IL-6
die
Insulinsignaltransduktion
und
Insulinwirkung in Leberzellen von Mäusen (Senn et al., 2002) und 3T3-L1
Adipozyten (Rotter et al., 2003). Die Auswirkung von IL-6 ist durch eine
verminderte IRS-1-Tyrosinphosphorylierung gekennzeichnet und vermindert die
Bindung der p85 Untereinheit der PI-3K mit IRS-1 in Erwiderung auf die
physiologischen Insulinwerte (Rotter et al., 2003). Folglich ergibt sich, dass IL-6
eine direkte Rolle in der Insulinresistenz auf zellulärer Ebene spielt und zu
84
Insulinresistenz und T2D beitragen kann. Die Plasmakonzentrationen von IL-6
sind bei Menschen mit Adipositas oder aufweisender Insulinresistenz erhöht
(Vozarova et al., 2001).
Passend zur Rolle von IL-6 als Insulinsensitivität verminderndes Adipozytokin
wurde nachgewiesen, dass Insulinresistenz-induzierende Hormone wie z.B.
Insulin, Isoproterenol, TNFα und das Wachstumshormon die IL-6 Synthese
stimulieren und dadurch die Insulinsensitivität beeinträchtigen (Fasshauer et al.,
2003).
Wie sich IL-6 in der SS verhält, wird versucht, in folgender Studie darzustellen. Es
erfolgten Untersuchungen über die Serumkonzentrationen von IL-6 und anderen
pro- und antiinflammatorischen Zytokinen bei schwangeren Frauen mit normaler
bzw. beeinträchtigter Glukosetoleranz und bei Patientinnen mit GDM (Kuzmicki et
al., 2008). Die Patientinnen mit GDM wiesen signifikant höhere IL-6 Werte
gegenüber den gesunden schwangeren Frauen auf. Schließlich ergaben die
Resultate, dass Frauen mit beeinträchtigter Glukosetoleranz ein niedrigeres Risiko
für die Induktion einer chronischen, subklinischen Inflammation als Frauen mit
GDM während der SS haben. Eine Zunahme von Serum-IL-6 , ein unabhängiger
Risikofaktor für die Entwicklung von T2D und des metabolischen Syndroms,
rechtfertigt die weitere Beobachtung dieser Frauen.
3.4.2.5. Resistin
Resistin ist ein Peptidhormon, das in den Adipozyten gebildet wird und die
Myozyten der Skelettmuskulatur, die Hepatozyten und die Adipozyten selbst
beeinflusst, indem ihre Insulinsensitivität vermindert wird (Shojima et al., 2002).
Resistin wird durch unterschiedliche Faktoren und einer Vielzahl von Hormonen,
einschließlich den Thiazolidindionen, Insulin, TNFα und dem Wachstumshormon
(GH = Growth Hormone) reguliert.
85
Die Resistinexpression wird vermindert durch:
¾ Thiazolidindione
¾ Insulin
¾ TNFα
¾ Epinephrin
Die Resistinexpression wird stimuliert durch:
¾ Insulin
¾ Glukose
¾ Dexamethason
¾ GH
¾ Thiazolidindione
Wie oben ersichtlich, widersprechen sich die Resultate in einigen Fällen, wie z.B.
die Wirkung von Insulin auf die Resistinexpression. Thiazolidindione vermindern in
den meisten Fällen die Synthese von Resistin (Ukkola, 2002).
Beobachtungen haben festgestellt, dass eine Verbindung zwischen Resistin,
Insulinresistenz und Adipositas besteht. Einige Studien können nachweisen, dass
Diät induzierte und genetische Formen von Adipositas die Resistinexpression
erhöhen, während Resistin interessanterweise durch antidiabetische Effekte der
Thiazolidindione vermindert wird. Zudem beeinträchtigt die Behandlung normaler
Mäuse mit rekombinantem Resistin die Glukosetoleranz und Insulinwirkung. Die
Insulin stimulierte Glukoseaufnahme der Adipozyten wird durch die Neutralisierung
von Resistin verbessert. Dieser Datenlage nach ist Resistin ein Hormon, das
möglicherweise Adipositas mit Diabetes verbindet (Steppan et al., 2001).
Jedoch sind auch Daten vorhanden, die die Assoziation von Resistin bei
Adipositas
und
Insulinresistenz
nicht
bestätigen
können.
Während
die
Genexpression von Resistin in reifen Adipozyten kaum nachweisbar war, wurde
es in hohem Grade in den Präadipozyten gebildet. Die Differenzierung der
Präadipozyten war mit einer Zeit abhängigen Down-Regulation der Genexpression
86
von Resistin assoziiert. Und es war keine Relation zum Körpergewicht, zur
Insulinsensitivität oder anderen metabolischen Parametern vorhanden (Janke
2002). Der geringe Nachweis der Resistinsynthese im humanen Fettgewebe wird
bestätigt und scheint nicht mit dem Ausmaß der Insulinresistenz in Relation zu
stehen (Nagaev and Smith, 2001).
Während der SS wird Resistin durch die Plazenta sezerniert und exprimiert. Es
wurden die Veränderungen von Serumresistin bei GDM im Vergleich zu nicht
diabetischen SS beobachtet, um die Rolle von Serumresistin bei GDM zu
evaluieren. Die Serumresistinkonzentration war bei Frauen mit GDM signifikant
höher, als im Vergleich zu ihren Kontrollen. Und die Werte verminderten sich nach
der Geburt signifikant in beiden Gruppen. Demnach könnten veränderte
Resistinspiegel in der Pathophysiologie als wichtig erscheinen und Resistin ein
möglicher Biomarker für GDM (Chen et al., 2007).
Im Vergleich dazu wurden niedrigere Resistinkonzentrationen bei Frauen mit GDM
als bei jenen schwangeren Frauen mit normaler Glukosetoleranz gefunden (Megia
et al., 2008). Es konnte aber keine unabhängige Beziehung zwischen Resistin und
der Insulinsensitivität gefunden werden.
Aufgrund der vorhandenen Widersprüche sind weitere Forschungen erforderlich,
um die exakte Rolle von Resistin in der SS und seinen möglichen Beitrag zur
Entwicklung von GDM aufzuklären.
3.4.2.6. Visfatin
Visfatin, ein 52 kDa großes, erst kürzlich entdecktes Zytokin, wird in hohem Grade
im viszeralen Fettgewebe exprimiert und übt Insulin nachahmende Effekte durch
die Bindung an den Insulinrezeptor, allerdings an einem anderen Ort als Insulin,
und dessen Aktivierung, aus (Fukuhara et al., 2005). Die physiologische und
pathophysiologische Rolle von Visfatin beim Mensch bleibt aufzuklären, während
nach Ansicht einiger Autoren die Plasmakonzentrationen von Visfatin bei
Adipositas (Berndt et al., 2005) und T2D (Chen et al., 2006) erhöht sind, die den
Zustand der Insulinresistenz kennzeichnen und für gewöhnlich auch bei GDM
87
beobachtet werden. Es gibt jedoch auch Daten, die auf eine mögliche
Verminderung von Visfatinkonzentrationen bei Übergewichtigen (Pagano et al.,
2006) hindeuten.
Die Beurteilung der Serumvisfatinkonzentrationen bei schwangeren Frauen mit
unterschiedlichem Schweregrad der Glukosetoleranz haben eine Zunahme von
Visfatin im dritten Trimester ergeben, das mit einer Verschlechterung der
Glukosetoleranz einhergeht (Lewandowski et al., 2007). Jedoch die Signifikanz
dieser Entdeckungen und in Besonderem die Rolle von Visfatin in der Regulation
der Insulinsensitivität während der SS sollte noch geklärt werden.
3.4.2.7. Retinol-bindendes Protein 4 (RBP4)
RBP4 ist ein vor kurzem entdecktes, vom Fettgewebe sezerniertes, Peptid, das
den
Glukosemetabolismus
moduliert
und
infolge
dessen
Insulinresistenz
verursacht (Muoio and Newgard, 2005).
Insulin resistente Zustände, eine Down-Regulation des GLUT4, führen zu einer
erhöhten Sekretion von RBP4. Die Insulinresistenz wird durch die Induktion der
hepatischen Expression des Glukoneogenese-Enzyms, die PhosphoenolpyruvatCarboxykinase (PEP-CK), und die Beeinträchtigung der Insulinsignalweiterleitung
im Skelettmuskel verursacht. Demgegenüber erhöht die genetische Beseitigung
des RBP4 die Insulinsensitivität (Yang et al., 2005).
88
Abb. 29: RBP4 im Glukosemetabolismus. Bei normalen Individuen stimuliert die Bindung von Insulin an
seinen Rezeptor die Glukoseaufnhame im Muskel und in den Fettzellen durch den GLUT4. Es hemmt auch
die Glukoseproduktion in der Leber und dadurch werden normale Glukosewerte im Blut beibehalten. Im
Fettgewebe stellt Glukose „Kraftstoff“ für die Synthese der Fettspeicher zur Verfügung, die dem Körper als
Hauptenergiereservoir dienen. Eine Verminderung der GLUT4-Expression geht mit erhöhten RBP4-Werten
einher, dass zu einer Beeinträchtigung der Insulinsignalweiterleitung im Muskel führt, die Glukoseaufnahme
hemmt, in der Leber die Insulin vermittelte Glukoseproduktion beeinträchtigt und somit erhöhte
Blutzuckerwerte verursacht (Muoio and Newgard, 2005).
Auch wenn es umstritten bleibt, ob RBP4-Konzentrationen sich auf die
Insulinresistenz bei Menschen beziehen (Graham et al., 2006, Janke et al., 2006),
ist bekannt, dass erhöhte RBP4-Konzentrationen bei Personen mit Adipositas,
beeinträchtigter Glukosetoleranz, T2D und bei mageren normoglykämischen
Personen mit einer ausgeprägten familiären Vorgeschichte von T2D vorkommen
(Cho et al., 2006, Graham et al., 2006, Yang et al., 2005).
89
Viele der folgenden Studien bestätigen eine Assoziation erhöhter zirkulierender
RPB4-Werte bei Adipositas (Aeberli et al., 2007, Haider et al., 2007, Jia et al.,
2007), Insulinresistenz (Gavi et al., 2007, Mohlig et al., 2008, Perseghin et al.,
2007, Stefan et al., 2007), T2D (Cho et al., 2006, Jia et al., 2007, Takebayashi et
al., 2007) und dem metabolischen Syndrom (Qi et al., 2007).
Die
Verbesserung
der
Insulinsensitivität
durch
körperliches
Training,
Lebensstiländerung oder Magenband-Chirurgie vermindern bei den Menschen die
Serum-RBP4-Werte (Balagopal et al., 2007, Graham et al., 2006, Haider et al.,
2007, Lim et al., 2008).
Genetische Studien berichten über eine Assoziation von RBP4 Single-NukleotidPolymorphismen mit Insulinresistenz, beeinträchtigter Insulinsekretion und/oder
T2D (Craig et al., 2007, Munkhtulga et al., 2007).
Andere Studien konnten jedoch keine Verbindung der RBP4-Werte mit Adipositas,
Insulinresistenz, T2D (Broch et al., 2007, Janke et al., 2006, von Eynatten et al.,
2007, Yao-Borengasser et al., 2007) oder Komponenten des metabolischen
Syndroms (Silha et al., 2007) herstellen.
Da die SS vorübergehend durch eine erhöhte Insulinresistenz gekennzeichnet ist,
könnte RBP4 mit der Insulinresistenz zusammenhängen. Jedoch war RBP4 bei
Frauen mit GDM im Vergleich zu nicht diabetischen Schwangeren nicht erhöht,
aber das molare Verhältnis von RBP4 zu Retinol war höher und korrelierte mit
dem Nüchternblutzucker. Somit ist das RBP4-Retinol-Verhältnis informativer als
die RBP4-Werte allein, wenn man die Insulin-Glukose Homöostase während der
SS abwägt (Krzyzanowska et al., 2008).
3.4.2.8. Chemerin
Chemerin ist ein vor kurzem entdecktes Chemokin (Wittamer et al., 2003), das in
hohem Grade in der Leber und im weißen Fettgewebe exprimiert wird (Bozaoglu
et al., 2007, Goralski et al., 2007). Es übt starke entzündungshemmende Effekte
90
auf die aktivierten Makrophagen aus, die den Chemerin-Rezeptor Chemokine-likereceptor 1 (CMKLR1) exprimieren (Cash et al., 2008). Außerdem ist Chemerin für
die normale Adipozytendifferenzierung entscheidend und moduliert die Expression
der Adipozytengene, die in die Glukose- und Lipidhomöostase, wie der GLUT4,
die
Fettsäuresynthase
und
Adiponektin
über
seinen
eigenen
Rezeptor,
miteinbezogen werden (Bozaoglu et al., 2007, Goralski et al., 2007, Roh et al.,
2007).
Abb. 30: Rolle von Chemrin und CMKLR1 im Fettgewebe. 1) Chemerin und CMKLR1 werden in den
Adipozyten exprimiert; 2) Chemerin wird entweder in der aktiven Form sezerniert oder durch proteolytische
Prozesse aktiviert; 3) Chemerin und CMKLR1 sind für eine optimale Differenzierung erforderlich; 4) Beide
haben modulierende Auswirkungen auf die Expression der Adipozytengene, die in den Lipid- und
Glukosemetabolismus miteinbezogen werden; 5) Chemerin hat eine Funktion in der Rekrutierung der
CMKLR1 exprimierenden Zellen (z.B. Makrophagen) zum Fettgewebe; 6) Aktivierung von ERK1/2 nach der
Behandlung von Adipozyten mit Chemerin => autokrine/parakrine Wirkung; 7) Modifiziertes Chemerin und
CMKLR1 haben Konsequenzen für die Veränderungen im systemischen Metabolismus und in der
Lipidhomöostase (Goralski et al., 2007).
In
den
3T3-L1-Adipozyten
Glukoseaufnahme
und
die
erhöht
Chemerin
die
IRS-1-Tyrosinphosphorylierung.
Insulin-stimulierte
Folglich
kann
Chemerin die Insulinsensitivität im Fettgewebe erhöhen (Takahashi et al., 2008).
Es existieren kontroverse Daten betreffend der Assoziation von Chemerin mit
Adipositas und Diabetes bei Nagetieren. Die Chemerinexpression ist im
Fettgewebe von db/db-Mäusen im Vergleich mit den Kontrollen vermindert. Im
Gegensatz dazu ist die Chemerinexpression im Fettgewebe bei adipösen
91
diabetischen Sandratten mit beeinträchtigter Glukosetoleranz signifikant höher als
bei Sandratten mit normaler Glukosetoleranz (Bozaoglu et al., 2007).
Bei den Menschen unterscheiden sich die Chemerinwerte zwischen der T2D
Gruppe
und
der
Kontrollgruppe
nicht
signifikant.
Jedoch
stehen
die
Chemerinwerte bei der Gruppe mit normaler Glukosetoleranz deutlich in
Assoziation mit dem BMI, den Triglyzeriden und dem Blutdruck (Bozaoglu et al.,
2007).
Es sind weitere Studien erforderlich, um die physiologische Rolle von Chemerin im
Glukosemetabolismus festzustellen und das Zielgewebe von Chemerin sowie
relevante Signaltransduktionswege zu identifizieren.
3.4.3. Adrenomedullin
Adrenomedullin
ist
ein
hypotensives
Peptid,
das
unter
anderem
im
Nebennierenmark, in der Niere und in der Lunge gebildet wird. Es wird in das
Insulin-regulierende System miteinbezogen und kann bei GDM möglicherweise
eine Rolle spielen, deren Wechselbeziehung zu GDM genau unter die Lupe
genommen wurde (Di Iorio et al., 2001). Adrenomedullinkonzentrationen wurden
im mütterlichen und fetalen Plasma und im Fruchtwasser bei diabetischen und
nicht diabetischen SS gemessen. Insgesamt war die Fruchtwasserkonzentration
bei den schwangeren diabetischen Frauen (DM Typ 1 oder GDM) höher, aber es
gab keinen Unterschied zwischen den mütterlichen und fetalen Plasmawerten.
Diese
Resultate
deuten
darauf
hin,
dass
die
plazentare
Adrenomedullinkonzentration in der diabetischen SS up-reguliert wird und dass es
wichtig sein kann, eine übermäßige Vasokonstriktion der plazentaren Gefäße zu
verhindern.
92
4. Diskussion
Adipositas in der SS geht mit einer Verdopplung des Risikos für SS-Hypertonie,
Kaiserschnittgeburten und fetale Makrosomie einher, sowie mit einer beinahe
vierfachen Zunahme von GDM (Baeten et al., 2001, Callaway et al., 2006, Sebire
et al., 2001, Weiss et al., 2004).
Die Guidelines des American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG,
(2005) empfehlen in der SS eine Gewichtszunahme von 1-2 kg Körpergewicht im
ersten Trimester und je 500 g die weiteren Wochen danach.
Für jedes Trimester der SS liegt der tägliche Kalorienbedarf geschätzt bei ca.
2.115, 2.275 und 2.356 kcal/d; die notwendige Gesamtenergie im Verlauf der SS
kommt auf ungefähr 55.000 kcal (Devine et al., 2000). Zu wenig Energiezufuhr
kann ein niedriges Geburtsgewicht des Neugeborenen ergeben, während
überschüssige Kalorienaufnahme („Essen für Zwei“) in einer Zunahme des
mütterlichen Gewichts resultieren kann, das nach der SS weiterhin bestehen
bleibt. Die Qualität der Ernährung, eher als die Quantität der Kalorien kann der
Schlüssel für das niedrige Geburtsgewicht oder für die fetale Makrosomie sein.
Der Proteingehalt, spezifisch das Milchprotein, in der mütterlichen Ernährung steht
während dem ersten Trimester in positivem Zusammenhang mit der Größe des
Kindes und der Qualität der Plazenta (Moore et al., 2004).
Der Grundumsatz steigt in der SS und korreliert mit der freien Fettmasse vor der
SS und der Gewichtszunahme in der SS (Butte et al., 2004, Devine et al., 2000).
Der Sauerstoffverbrauch ist bei Frauen mit GDM im Vergleich zu Frauen mit
normaler
Glukosetoleranz
Insulinresistenz,
Nährstoffversorgung
erhöht
normalerweise
und
(Catalano
and
notwendig,
Energiequelle
für
die
Ehrenberg,
um
eine
Entwicklung
2006).
Die
adäquate
des
Feten
herzustellen, ist das Resultat eines beeinträchtigten Glukosetransports im
Zielgewebe, das folglich zu einer vermehrten Insulinsekretion führt, um die
Insulinresistenz zu kompensieren (Gill et al., 2005).
93
Wie mehrmals schon erwähnt, steigt die Insulinresistenz im Verlauf einer
normalen SS um 50-60% an und Adipositas vor und während der SS ist stark mit
einer beeinträchtigten Insulinsensitivität assoziiert. Im Vergleich bei Frauen mit
normaler Glukosetoleranz zeigen adipöse Frauen mit GDM eine größere
Beeinträchtigung der Insulinresistenz (Gunderson and Abrams, 2000).
Schwangere adipöse Frauen haben nicht nur ein erhöhtes Risiko für Diabetes,
sondern auch für Bluthochdruck, kardiovaskuläre Krankheiten, Osteoarthritis und
für
bestimmte
Tumoren
einschließlich
Mamma-,
Endometrium-
und
Colonkarzinome (Hall and Neubert, 2005, Krishnamoorthy et al., 2006). Adipositas
ist vermutlich die Hauptursache dieser nachteiligen SS-Auswirkungen bei
adipösen schwangeren Frauen, das einen Zustand der veränderten hormonellen
und inflammatorischen Aktivität darstellt, in Assoziation mit der Funktion des
Fettgewebes. Das Fettgewebe als endokrines Organ produziert unterschiedliche
Peptide und Proteine, die an der kardiovaskulären Homöostase beteiligt sind
(Bastard et al., 2006). IL-6 moduliert die Produktion vom C-reaktiven Protein
(CRP). Erhöhtes CRP ist ein bekannter Marker für eine chronische Entzündung,
das mit einem zunehmenden Risiko der kardiovaskulären Erkrankung erhöht ist
(Poirier et al., 2006).
Adipositas ist auch mit einer abnormen Endothelfunktion assoziiert, das sich
wahrscheinlich durch die verminderte Stickoxid- (NO) Konzentration ergibt (Poirier
et
al.,
2006).
Die
Reduktion
von
NO
führt
zu
einer
Zunahme
des
Gefäßwiderstands, das somit auch ein erhöhtes Risiko für eine HerzKreislauferkrankung darstellen kann. Das Resultat dieses proinflammatorischen
Zustandes, möglicherweise über eine Insulinresistenz vermittelt, ist eine mit
Adipositas in Verbindung stehende Zunahme des Bluthochdrucks.
Bei Frauen mit einem BMI > 30 kg/m2 wurden im dritten Trimester signifikant
höhere Werte von Insulin, Leptin, CRP und IL-6 im Vergleich zu Frauen mit
normalen BMI festgestellt (Ramsay et al., 2002).
Alle diese in meiner Arbeit vorliegenden Daten zeigen, dass Adipositas in der SS
mit
Hyperinsulinämie
und
Dyslipidämie,
sowie
mit
einer
veränderten
94
Endothelfunktion und einem chronischen entzündlichen Zustand in Verbindung
stehen.
GDM ist wahrscheinlich das Ergebnis eines inflammatorischen Zustandes in
Assoziation mit Adipositas, vermittelt durch Insulinresistenz/Hyperinsulinämie.
Während der SS ist dieser proinflammatorische Zustand mit einem erhöhten
Risiko für Präeklampsie und Frühgeburt assoziiert. Die SS ist ein Risikofaktor für
die Entwicklung mütterlicher Adipositas im späteren Leben. Während das Risiko
für Adipositas in der Kindheit und bei Erwachsenen multifaktoriell ist, kann die
intrauterine Umwelt eine wichtige Rolle für die Entstehung von Adipositas im
späteren Leben spielen.
Um nochmals auf die Insulinresistenz zurück zu kommen, sind die genauen
Mechanismen noch nicht eindeutig geklärt, aber schon intensiv erforscht. Die
vorhin beschriebenen molekularen Mechanismen, die eine Rolle in einigen
insulinresistenten Zuständen des Menschen spielen können, sind mit der
Insulinresistenz bei T2D und mit Adipositas verbunden und viele von ihnen werden
durch
Umweltfaktoren
verschiedener
verhältnismäßig
Schritte
verursacht.
der
unbedeutend
Dennoch
können
Insulinsignalweiterleitung,
sind,
die
genetische
sogar
Glukosehomöostase
Defekte
wenn
sie
erheblich
beeinträchtigen, wenn Umweltfaktoren koexistieren. Es ist wichtig, die potentielle
Rolle der Sequenzpolymorphismen in den Signalproteinen, die mit T2D assoziiert
sind, nicht zu unterschätzen. Selbst wenn ein einzelner Polymorphismus nur einen
kleinen Bruch der gesamten Insulinresistenz erklären kann, kann eine
Kombination der Polymorphismen die multifaktorielle Art dieser Krankheit erklären.
Dementsprechend kann eine Zusammenstellung geringgradiger genetischer
Defekte, die lediglich die Insulinsignalkaskade modifizieren, ein wahrscheinlicher
Grund für den kongenitalen Defekt und die gleichzeitig auffallenden Faktoren sein,
wie Adipositas, das den Phänotypus der beeinträchtigten Glukosetoleranz und von
Diabetes zeigt. Da die grundlegenden Mechanismen mehr und mehr offengelegt
werden, bestehen zunehmend Möglichkeiten, diese Abweichungen auszuwerten
und schließlich zu modulieren.
95
Welche Bedeutung und Auswirkungen hat nun Adipositas, die im Folgenden zur
Insulinresistenz und bei Frauen in der SS zu GDM führen kann, im Hinblick auf
die Praxis, die Zukunft und die weitere Forschung?
Adipositas ist ein ernst zunehmender Zustand, der sich beträchtlich auf die
Gesundheit der Frauen über die gesamte Lebensspanne und auf die Zukunft ihrer
Kinder auswirkt. Es ist wichtig, dass alle Ebenen der Gesundheitsvorsorge die
Konsequenzen von Adipositas berücksichtigen und über effiziente Interventionen
genauestens Bescheid wissen. Die Bevölkerung benötigt die notwendige Bildung
und Beratung über die lebensgefährlichen Aspekte der Adipositas. Diplomierte/r
Gesundheits- und Krankenschwestern/Krankenpfleger (DGKS/KP) und andere
Zuständige in der Gesundheitsvorsorge haben Zugang zu den Einzelpersonen
und zur Gemeinschaft. Folglich können sie die Standardträger für die
Verhinderung und Prävention von Adipositas sein. Folgende Themen sollten in die
Schulungsprogramme zur Förderung der Gesundheit angesprochen werden:
¾ Ernährungsberatung
¾ Qualität der Nahrung ist besser als die Quantität
¾ Bedeutung der Mahlzeitplanung
¾ Vermeidung von Fast Food
¾ Regelmäßige körperliche Aktivität; dadurch wird die Nahrung besser
verwertet und das Resultat ergibt ein schlankeres Aussehen
Ebenso sollten die Konsequenzen der Adipositas vor und während der SS im
Rahmen einer präkonzeptionellen Beratung an einer geburtshilflichen Abteilung
besprochen werden. DGKS/KP sollten Klassen für Frauen anbieten, die
schwanger werden wollen und Ratschläge über die Ernährung und Bewegung
schwangerer Frauen, um eine adäquate Geburtenkontrolle zu gewährleisten,
weitergeben.
Während
Gewichtsmanagement
der
erstellt
SS
sollte
werden.
ein
individueller
Entscheidend
Plan
dabei
für
das
sind
der
Kalorienverbrauch und die Notwendigkeit des erhöhten Proteinbedarfs im ersten
Trimester. Dies kann ebenso in pränatale Schulungsprogramme miteinbezogen
werden. Zuguterletzt muss auf die übermäßige Gewichtszunahme in der SS
eingegangen werden, da das Gewicht möglicherweise nach der Geburt bestehen
96
bleiben könnte und ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von DM und
Hypertonie besteht. Man muss auch aktiv mit Medien arbeiten, um die Gesundheit
der Gesellschaft zu fördern. Es sollten auch allgemeine Foren im Internet
angeboten werden, die Auskünfte über die entsprechenden Beratungsstellen
geben und allgemeine Informationen anbieten. Zusätzlich stellt die Teilnahme von
diplomiertem Personal bei Gesundheitsmessen Zugänge von Schulungen über
Adipositas, Insulinresistenz und deren Auswirkungen in der SS der Öffentlichkeit
zur Verfügung. Auch sollte das Gesundheitspersonal politisch aktiv sein, wie z.B.:
¾ Höherer Steuersatz für Fast Food
¾ Gewährleistung einer finanziellen Unterstützung für Ernährungsprogramme
Effektive Interventionen während der SS, um die nachteiligen Auswirkungen von
Adipositas zu verhindern, sind schwer zu bestimmen. Die Verhinderung der
überschüssigen pränatalen Gewichtszunahme und das Erreichen von normalem
Körpergewicht in der interkonzeptionellen Periode sollten gefördert werden.
Pränatale Interventionen, einschließlich körperlich aktiver Bewegungsprogramme,
spezifische Ernährungsempfehlungen oder pharmakologische Maßnahmen bei
Insulinresistenz oder chronischem inflammatorischem Zustand könnten in Zukunft
von Vorteil sein.
Aufgrund der geringgradig vorhandenen publizierten Resultate von Interventionen
während der SS und von postpartalen Interventionen, um im besonderen die
Gewichtszunahme in der SS anzusprechen, sind mehr gemeinschaftsbasierte und
individuellbasierte Interventionsstudien erforderlich, die sich besonders auf
langfristige Auswirkungen konzentrieren. Das endgültige Ziel dieser Interventionen
muss die Verhinderung der übermäßigen Gewichtszunahme während der SS sein,
um folglich die Komplikationen von Mutter und Kind zu reduzieren, die mit
Adipositas assoziiert sind.
97
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Curriculum Vitae
Persönliche Daten:
Name:
Michaela Lechner
Geboren am:
07.12.1982 in Schwarzach im Pongau
Staatsangehörigkeit:
Österreich
Religion:
römisch-katholisch
Familienstand:
ledig
Hochschulausbildung:
04/2008-04/2009
Klinisches praktisches Jahr an der Universitätsklinik Graz
an der klinischen Abteilung für Neurologie (10Wochen), im
Krankenhaus der Elisabethinen Graz an der klinischen
Abteilung für Chirurgie (10 Wochen), im Krankenhaus der
Barmherzigen Brüder Graz an der klinischen Abteilung für
Frauenheilkunde und Geburtshilfe (5 Wochen) sowie eine
5 wöchige Famulatur in der allgemeinmedizinischen Praxis
bei Herrn Dr. Plank in Weer (Tirol)
05/2009
Fertigstellung der Diplomarbeit „Insulinresistenz in der
normalen und diabetischen Schwangerschaft“ an der
klinischen Abteilung für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
10/2002
Studienbeginn
Humanmedizin
an
der
Medizinischen
Universität Graz
Schulausbildung:
09/2000- 06/2002
Bundesoberstufenrealgymnasium Bad Hofgastein mit
Instrumentalunterricht
02/1999-07/2000
Realgymnasium in Saalfelden unter besonderer
Berücksichtigung der sportlichen Ausbildung
09/1997-02/1999
Bundesoberstufenrealgymnasium St. Johann im Pongau
mit Instrumentalunterricht
09/1993-07/1997
Hauptschule Rauris
09/1989-07/1993
Volksschule Rauris
1
Famulaturen:
-
Auslandsfamulatur Frauenheilkunde und Geburtshilfe im „Korle Bu Teaching
Hospital“ in Ghana (4 Wochen)
-
Pflichtfamulatur Unfallchirurgie im KH Zell am See (4 Wochen)
-
Pflichtfamulatur Kinder- und Jugendheilkunde im LKH Graz (3 Wochen)
-
Pflichtfamulatur Innere Medizin im BKH Lienz (4 Wochen)
-
Pflichtfamulatur Urologie im BKH Lienz (2 Wochen)
Spezielle Studienmodule:
-
Klinisch-topografische Anatomie der Extremitäten
-
Klinisch-topografische Anatomie der Eingeweide
-
Spezielle Notfallmedizin – eine interdisziplinäre Herausforderung
-
Modernste Methoden zur Messung der Body Composition
-
Cased-based Learning in Klinik und Praxis
Kongressteilnahmen:
10/2007
Teilnahme am interdisziplinären Kongress „Religiosität in
Psychiatrie und Psychotherpie“ in Graz
06/2007
Teilnahme am 48. österreichischen Chirurgenkongress
„ … aus der Tradition offen für das Neue“ in Graz
Studienbegleitende Tätigkeiten:
09/2007-07/2009
Akupunktur Ausbildung bei der ÖGKA Graz mit dem
Ärztekammerdiplom für Akupunktur (07/2009)
2007 und 2008
2malige Mitarbeit beim Projekt „Teddybär-Krankenhaus“
2002-2009
diverse Studenten-/Ferialjobs
Besondere Kenntnisse:
Sprachen:
Deutsch, Englisch, Französisch
EDV:
ECDL
Hobbys:
Sport: wandern (ausgebildete Wanderführerin), laufen, klettern, Mountainbike
fahren, langlaufen (in meiner Jugendzeit: Leistungssport in der Disziplin Biathlon),
Schi fahren (ausgebildete Schilehrer-Anwärterin)
2
Musik: Klavier
(Organistin in der Pfarrkirche Rauris bis 2002), Klarinette und
Gitarre spielen, Mitglied der Trachtenmusikkapelle Rauris (bis 2002)
Weiters: lesen, reisen, Mitglied beim Jugendrotkreuz Rauris, anschließend
Sanitätsausbildung beim Roten Kreuz 11/1999 (Mitglied bis 2002), Tauchschein
3
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