III Vorwort Der Text ist eine erweiterte Fassung einer Algebravorlesung, die ich im Wintersemester 1971/72 und dann noch einmal im Wintersemester 1990/91 an der Universitat Regensburg gehalten habe. Diese Vorlesung richtete sich hauptsachlich an Studenten im dritten Fachsemester. Es waren Vorlesungen \Lineare Algebra I und II" vorausgegangen, die schon so angelegt waren, da anschlieend in einem einsemestrigen Kurs die Algebra bis zu den Grundzugen der Galoistheorie entwickelt werden konnte. Die \Lineare Algebra I" behandelte i.w. den Inhalt des Buches [Fi] von Gerd Fischer, also Vektorraume, lineare Abbildungen, Matrizen und Determinanten einschlielich der einfachsten Tatsachen uber Gruppen und Ringe. Die \Lineare Algebra II" war auf die beabsichtigte Fortsetzung in der Algebra-Vorlesung zugeschnitten. Sie enthielt u.a. die Teilbarkeitstheorie in Ringen, die den jetzigen x 4 ausmacht, ferner die lineare Algebra fur Moduln uber kommutativen Ringen bis hin zum Hauptsatz fur Moduln uber Hauptidealringen. Vom Leser dieses Textes wird daher erwartet, da er schon etwas mit Ringen und Moduln umgehen kann. Im Gegensatz zu vielen Lehrbuchern der Algebra ist der Sto nicht nach dem Schema \Gruppen-Ringe-Korper" organisiert. Vielmehr wollte ich eine wohlmotivierte Einfuhrung in die Korper- und Galoistheorie geben, die besonders auch die Interessen der Lehramtsstudenten berucksichtigt, und in der jeweils der nachste Schritt durch den vorhergehenden nahegelegt wird. Ich beginne, dem Beispiel meines Lehrers F.K. Schmidt folgend, mit den klassischen Problemen der Konstruktion mit Zirkel und Lineal und der Auosung algebraischer Gleichungen durch Radikale, die ja uber zwei Jahrtausende hinweg starke Anstoe fur die Entwicklung der heutigen Algebra gewesen sind. Der Fortschritt des Textes wird haug daran gemessen, was die dargestellten Satze zur Losung dieser leicht verstandlichen Probleme beitragen. Die Stoauswahl ist unter diesem Gesichtspunkt getroen worden. Die meisten der behandelten algebraischen Begrie waren bereits in den zwanziger Jahren gepragt, als van der Waerdens \Algebra" [vdW1 ] (damals \Moderne Algebra") veroentlicht wurde, und die Satze dieses Buches waren zum groten Teil zu dieser Zeit schon bekannt; allerdings wurden fur manche von ihnen spater einfachere Beweise gefunden. Naturlich gibt es auch ganz anders aufgebaute Einfuhrungen in die Algebra, etwa solche, die von Anfang an mehr auf die algebraische Geometrie hinzielen und in denen moderne Konzepte der Algebra starker zur Geltung kommen. Die Zahlentheorie wird in diesem Text haug angesprochen, aber nicht systematisch entwickelt, sondern zur Illustration algebraischer Gesetzmaigkeiten in Beispielen verwendet. Die Gruppentheorie kommt erst spat vor und nur etwa in dem Mae, IV wie sie fur die Galoistheorie benotigt wird. Dafur sind aber die Aufgaben zur Gruppentheorie besonders zahlreich. Kurze Beweise des Hilbertschen Basissatzes und des Hilbertschen Nullstellensatzes bereiten auf die algebraische Geometrie vor. Der Inhalt einschlielich der U bungsaufgaben entspricht ungefahr dem, was in den letzten 20 Jahren in den bayerischen Staatsexamina fur Gymnasiallehrer von den Kandidaten an Kenntnissen in Algebra erwartet wurde. Eine groe Zahl von Aufgaben entstammt dieser Quelle; den bayerischen Kollegen, die zu diesem Fundus beigetragen haben, sei an dieser Stelle gedankt. Anhand der Aufgaben kann der Leser seine Beherrschung des Stoes uberprufen, andererseits enthalten sie aber auch viel zusatzliches Material, zusammengenommen vielleicht mehr als der eigentliche Text selbst. Ich stelle mir vor, da der Leser sie zunachst so zu losen versucht, wie sie gegeben sind. Am Ende des Buches sind Hinweise zusammengestellt, die Hilfen zum Losen der Aufgaben oder zum Kontrollieren der eigenen Losung anbieten. Meine Vorlesung im WS 90/91 war von einem Proseminar begleitet, in dem zusatzlich zu den regularen U bungen einige der umfangreicheren Aufgaben vorgetragen wurden, z.B. die uber die Transzendenz von (x 10, Aufgabe 10)). Herr Wolfgang Rauscher, der fur den U bungsbetrieb zustandig war, hat alle Aufgaben durchgearbeitet und viele Verbesserungsvorschlage gemacht. Er hat mich ebenso wie Herr Dr. Reinhold Hubl bei den Korrekturen unterstutzt. Das Manuskript ist von Frau Eva Rutz mit groem Geschick hergestellt worden. Das Computerprogramm \Word" hat den Text nach orthographischen Fehlern abgesucht und gelegentlich originelle Verbesserungsvorschlage gemacht, z.B. \Korperbehinderung" fur \Korperereiterung". Den Studenten, die auf klareren oder ausfuhrlicheren Beweisen bestanden, sowie allen Mitarbeitern danke ich fur ihre Hilfe sehr herzlich. V Vereinbarungen Der Leser soll schon einen Kurs uber lineare Algebra absolviert haben und dort mit Grundbegrien der Algebra wie \Gruppe", \Ring", \Modul" und \Korper" vertraut geworden sein, vor allem auch mit dem Korper C der komplexen Zahlen. Ohne nahere Erlauterung werden Begrie wie \Erzeugendensystem eines Moduls", \Basis und Dimension eines Vektorraums", \Matrizen" und \Determinanten" etc. benutzt. Unter einem Ring soll ein assoziativer kommutativer Ring mit 1 verstanden werden, wenn nicht ausdrucklich etwas anderes gesagt wird. Fur zwei Ringe R und S ist ein Ringhomomorphismus h : R ! S eine Abbildung mit h(r + s) = h(r) + h(s), h(r s) = h(r) h(s) f ur alle r; s 2 R und h(1) = 1. Ist h uberdies bijektiv, so heit h ein Ringisomorphismus. R[X ] bezeichnet den Polynomring in der Unbestimmten X u ber dem Ring R . Seine Elemente f sind von der Form f = P a X 2N (a 2 R; a 6= 0 nur fur endlich viele 2 N ) Es wird als bekannt vorausgesetzt, wie Polynome addiert und multipliziert werden und was, zumindest wenn R ein Korper ist, unter der \Polynomdivision mit Rest" zu verstehen ist. deg f bezeichnet den Grad eines Polynoms f , d.h. das Maximum aller 2 N mit a 6= 0, wenn f 6= 0 ist. Das Nullpolynom soll jeden Grad besitzen. Ist d := deg f , so heit ad der Gradkoezient von f , ferner heit a0 das konstante Glied von f . Fruh tritt auch schon der Polynomring R[X1 ; : : : ; Xn ] in endlich vielen Unbestimmten X1 ; : : : ; Xn uber R auf. Er kann induktiv durch die Formel R[X1 ; : : : ; Xn ] := (R[X1 ; : : : ; Xn 1 ])[Xn ] deniert werden. Seine Elemente (1) f = P 1 ;:::;n 2N f sind von der Form a1 n X11 Xnn (a1 n 2 R; nur endlich viele a1 n 6= 0) und man rechnet mit ihnen wie man das aus der Analysis mit Funktionen in mehreren Variablen ja schon gewohnt ist. Wir wollen Polynome aber nicht als Funktionen betrachten, sondern als Ausdrucke, mit denen nach formalen Regeln gerechnet wird. Verzichtet man in (1) auf die Endlichkeitsbedingung, so erhalt man formale Potenzreihen und den Ring R[[X1; : : : ; Xn]] der formalen Potenzreihen in Unbestimmten X1 : : : ; Xn uber R , der jedoch in diesem Text nicht auftreten wird. Fur eine VI (unendliche) Familie fXg2 von Unbestimmten ist der Polynomring R[fX g2] erklart als die Vereinigung der Polynomringe R[X1 ; : : : ; Xn ] in je endlich vielen Unbestimmten aus fXg2 . Was aus der Gruppentheorie bekannt sein soll, wird im Vorspann zu x 11 gesagt und in den U bungsaufgaben 1)-8) zu x 11 wiederholt. Fur ein Element x aus einer additiven Gruppe und ein n 2 N ist denitionsgema n x := |x + {z + x} und n ( n) x := (n x). Insbesondere gilt dies fur die additive Gruppe eines Rings oder Korpers. Entsprechend ist in einer multiplikativen Gruppe xn = |x :{z: : x} und n = (xn ) 1 . p Fur eine komplexe Zahl a bezeichnet n a eine der n {ten Wurzeln von a . Ist p a 2 R + , so soll n a stillschweigend die reelle Wurzel > 0 sein. Primzahlen sind naturliche Zahlen p > 1, die keine echten Teiler in N besitzen. Jede naturliche Zahl > 1 ist Produkt von endlich vielen Primzahlen. x n 1 x 1. Konstruktion mit Zirkel und Lineal Dieses Thema ist durch seine klassische Herkunft aus der griechischen Mathematik des Altertums und durch die Beitrage bedeutender Mathematiker geheiligt, wenn es auch in der heutigen Forschung kaum noch eine Rolle spielt. Fur den historischen Ursprung der Konstruktionsprobleme siehe Tropfke [T4 ]. Wir wunschen uns eine Methode, die es ermoglichen soll, von jeder geforderten Konstruktionsaufgabe mit Zirkel und Lineal zu entscheiden, ob sie durchfuhrbar ist oder nicht. Noch lieber ware es uns, wenn uns die Methode im Fall einer positiven Antwort auch gleich ein Verfahren zur Losung der Aufgabe anbieten wurde, denn Konstruktionsaufgaben konnen sehr vertrackt sein. Zunachst werden wir exakt beschreiben, was wir unter Konstruktion mit Zirkel und Lineal verstehen wollen. Dann werden wir das Konstruktionsproblem in eine Aufgabe der Algebra verwandeln, die wir zu losen hoen, wenn nur die Algebra weit genug entwickelt ist. 1.I. Formulierung des Konstruktionsproblems. Beispiele M sei eine nichtleere Menge von Punkten in der Ebene, G(M ) die Menge aller Geraden, die zwei verschiedene Punkte von M enthalten, und K (M ) die Menge aller Kreise, deren Mittelpunkt ein Punkt von M und deren Radius gleich dem Abstand zweier verschiedener Punkte von M ist. Zu gegebenem M wollen wir annehmen, da wir mit Lineal und Zirkel jede Gerade aus G(M ) und jeden Kreis aus K (M ) konstruieren konnen. Ist umgekehrt eine \elementargeometrische Figur" vorgelegt, d.h. eine Menge von Punkten, Geraden und Kreisen der Ebene, so sind uns die Geraden durch zwei ihrer Punkte und die Kreise durch ihren Mittelpunkt und ihren Radius gegeben, welcher als der Abstand zweier gegebener Punkte aufgefat werden kann. Um zu untersuchen, welche Figuren man, ausgehend von einer vorgelegten Figur, konstruieren kann, genugt es zu prufen, welche Punkte man aus einer gegebenen Punktmenge M mit Zirkel und Lineal konstruieren kann. Durch folgende Operationen konnen wir Punkte erhalten, die nicht in M zu liegen brauchen: O1) Schnitt zweier Geraden aus G(M ). O2) Schnitt einer Geraden aus G(M ) mit einem Kreis aus K (M ). O3) Schnitt zweier Kreise aus K (M ). Besteht M nur aus einem Punkt, so sind G(M ) und K (M ) leer und wir konnen keine weiteren Punkte konstruieren. Wir setzen deshalb voraus, da M mindestens zwei verschiedene Punkte enthalt. M 0 sei dann die Menge aller Punkte der Ebene, die durch Anwendung einer der Operationen O1) O3) aus M gewonnen werden konnen. Sei M0 := M und sei Mn fur n 0 schon deniert. Dann setzen wir Mn+1 := (Mn )0 x 1 Konstruktion mit Zirkel und Lineal 2 Mn+1 entsteht also durch Anwendung der Operationen O1) O3) auf Mn . Man erhalt so eine Kette von Punktmengen in der Ebene M = M0 M1 Mn Mn+1 : : : 1 S 1.1.Definition: M^ := Mn heit die Menge aller aus M mit Zirkel und Lineal n=0 konstruierbaren Punkte. Jedes P 2 M^ liegt schon in Mn fur ein n 2 N , daher ist klar, da P durch endlichfache Anwendung der Operationen O1) O3) aus M konstruiert werden kann. Ferner ist (M^ )0 = M^ , denn bei der Konstruktion eines Punktes P aus (M^ )0 geht man von endlich vielen Punkten aus M^ aus; diese liegen schon in einer Menge Mn und es ist dann P 2 Mn+1 M^ . 1.2.Beispiele: a) Dreieckskonstruktionen Gegeben sind meistens 3 Bestimmungsstucke eines Dreiecks. Dies konnen Strecken (Kanten, Seitenhalbierende, Hohen, Winkelhalbierende, Mittelsenkrechte, Inkreisradius, Umkreisradius etc.) oder Winkel sein. Die Strecken konnen auf einer Geraden g von einem Punkt O aus abgetragen werden. Winkel werden durch den Scheitel O und einen Punkt 6= O auf jedem Schenkel gegeben, wobei g als ein Schenkel genommen werden kann. Dann sind die 3 Bestimmungsstucke durch eine Punktmenge M gegeben. Die Frage nach der Konstruierbarkeit des Dreiecks aus den Bestimmungsstucken ist aquivalent damit, ob es in M^ drei Punkte gibt, die ein zu dem Ausgangsdreieck kongruentes Dreieck bestimmen. Es wird hier also von vornherein vorausgesetzt, da ein Dreieck mit den gewunschten Bestimmungsstucken bereits existiert und es geht um die Frage, ob es dann auch Formulierung des Konstruktionsproblems 3 konstruiert werden kann. Daneben kann man die Frage nach einem generellen Konstruktionsverfahren fur Aufgaben gleichen Typs erortern. Bei der Konstruktion eines Dreiecks aus seinen Kanten sind diese durch die Strecken OA , OB und OC auf g gegeben. Es ist hier M = fO; A; B; C g . Bekanntlich erhalt man die Losung des Problems sofort, indem man um O einen Kreis mit dem Radius OB schlagt, um A einen Kreis mit dem Radius OC , und indem man die Kreise zum Schnitt bringt (sie schneiden sich, weil die Existenz eines Dreiecks mit den gewunschten Kanten vorausgesetzt wurde). b) Delisches Problem der Wurfelverdoppelung Zu einem gegebenen Wurfel soll ein Wurfel doppelten Volumens konstruiert werden. M besteht hier aus 2 Punkten P; Q , deren Abstand die Kantenlange des Wurfels ist. Die Frageplautet dann, ob der Punkt Q0 der folgenden Zeichnung, der von P den Abstand 3 2 a besitzt, zu M^ gehort? c) Dreiteilung des Winkels Zu einem Winkel mit der O nung ' soll ein Winkel mit der O nung '3 konstruiert werden. Der Winkel ist durch M = fO; P1 ; P2g gema der folgenden Zeichnung gegeben. 4 x 1 Konstruktion mit Zirkel und Lineal Das Problem besteht darin zu entscheiden, ob Q 2 M^ . Fur spezielle ' ist die Dreiteilung des Winkels sicher moglich, die Frage ist aber, ob es immer geht. d) Quadratur des Kreises Zu einem gegebenen Kreis soll ein achengleiches Quadrat konstruiert werden. M besteht aus zwei Punkten O; P , deren Abstand gleich dem Radius r des Kreises ist. Man hat zup entscheiden, ob der Punkt Q der folgenden Zeichnung, der von O den Abstand r besitzt, zu M^ gehort. e) Konstruktion des regularen n {Ecks Einem Kreis soll ein regulares n {Eck einbeschrieben werden. M besteht aus 2 Punkten O; P und man hat zu entscheiden, ob der Punkt Q der folgenden Zeichnung zu M^ gehort. Genauer interessiert man sich dafur, fur welche n dies der Fall ist. Den griechischen Mathematikern des Altertum ist die Konstruktion fur n = 3; 4; 5 gelungen ( n = 5: Algebraisierung des Konstruktionsproblems 5 goldener Schnitt) und damit fur alle Zahlen der Form 2k n (n 2 f2; 3; 5g; k 2 N ). Der 18{jahrige Gau konnte das regulare 17{Eck konstruieren und die Konstruktionsaufgabe auf ein zahlentheoretisches Problem zuruckfuhren, auf das wir spater noch kommen werden (13.8). Da dieses noch nicht vollig geklart ist, ist auch die Frage nach der Konstruierbarkeit von regularen n {Ecken noch nicht vollstandig beantwortet. 1.II. Algebraisierung des Konstruktionsproblems Wir denken uns in der Ebene kartesische Koordinaten eingefuhrt. Das Koordinatensystem soll so gewahlt sein, da die Punkte mit den Koordinaten (0; 0) und (1; 0) zu M gehoren. Wir identizieren dann die Punkte der \Zeichenebene" mit R 2 . Noch zweckmaiger ist es, die Ebene sogleich als \Gausche Zahlenebene" zu betrachten, d.h. die Punkte (x; y) 2 R 2 mit den komplexen Zahlen x + iy zu identizieren. M ist dann eine Menge von komplexen Zahlen mit 0 2 M , 1 2 M , und es kommt uns darauf an, die Menge M^ aller aus M konstruierbaren Zahlen zu beschreiben. 1.3.Satz. Sei M eine Menge von komplexen Zahlen mit 0 2 M , 1 2 M . Die Menge M^ aller aus M konstruierbaren Zahlen ist ein Teilkorper des Korpers C der komplexen Zahlen. Beweis: Es ist zu zeigen, da fur z1 ; z2 2 M^ auch die Zahlen z1 + z2 , z1 z2 , z1 z2 und, falls z2 6= 0 ist, auch zz12 konstruierbar sind. a) Die Addition komplexer Zahlen entspricht der \Vektoraddition". Sie kann mit dem Zirkel allein durchgefuhrt werden: b) Zu z2 2 M^ ist auch z2 konstruierbar und folglich z1 z2 . c) Zur Konstruktion des Produktes betrachten wir zunachst zwei positive reelle Zahlen r1 ; r2 2 M^ . Ist g 2 G(M^ ) und z 2 M^ , z 2 g , so ist auch die zu g orthogonale Gerade g0 durch z konstruierbar: x 1 Konstruktion mit Zirkel und Lineal 6 Daher lat sich die folgende Figur konstruieren: und es ist x = r1 r2 . Tragt man diese Strecke mit dem Zirkel von 0 aus auf der reellen Achse ab, so erhalt man, da r1 r2 2 M^ . Sind nun z1; z2 2 M^ durch Polarkoordinaten zk = rk (cos 'k + i sin 'k ) = rk ei'k (k = 1; 2) gegeben, so ist z1z2 = r1 r2 (cos('1 + '2) + i sin('1 + '2)) = r1 r2ei('1 +'2) rk ist die Lange des zu zk gehorigen Ortsvektors und 'k dessen Winkel zur reellen Achse. Da man von zk das Lot auf die reelle Achse fallen kann (k = 1; 2), ergibt sich, da r1 ; r2 2 M^ und somit r1 r2 2 M^ . Auerdem konnen zwei Winkel mit Zirkel und Lineal addiert werden: Algebraisierung des Konstruktionsproblems 7 Tragt man r1 r2 auf dem zu '1 + '2 gehorigen Strahl ab, so erhalt man z1z2 . d) Es genugt jetzt zu zeigen: Ist z2 2 M^ , z2 6= 0, so ist auch z12 2 M^ . Da 1 = 1 (cos( ' ) + i sin( ' )) = r 1 e i'2 z2 r2 2 2 2 und da man die Spiegelung eines Winkels an der reellen Achse sicher mit Zirkel und Lineal durchfuhren kann, genugt es nachzuweisen, da r2 1 2 M^ . Dies ergibt sich mit der folgenden Konstruktion: Damit ist gezeigt, da M^ ein Teilkorper von C ist. 1.4.Bemerkung: Jeder Teilkorper K von C enthalt den Korper Q der rationalen Zahlen, denn mit 1 2 K ist auch n = |1 + {z + 1} fur jedes n 2 N in K enthalten, n mal folglich auch n . Fur p; q 2 Z , q 6= 0 ist p; q 2 K und somit auch pq 2 K . Insbesondere sind alle rationalen Zahlen mit Zirkel und Lineal konstruierbar. Fur eine komplexe Zahl z = r (cos ' + i sin ') mit r 2 R + , < ' ist eine p Quadratwurzel z gegeben durch pz = pr (cos ' + i sin ' ) 2 2 x 1 Konstruktion mit Zirkel und Lineal 8 1.5.Satz. Fur z 2 M^ ist auch pz 2 M^ . Beweis: Da man die Winkelhalbierende mit Zirkel und Lineal konstruieren kann, p genugt es zu zeigen, da r 2 M^ . Dies wird durch die folgende Figur bewerkstelligt: p Es ist x = 1 + y2 nach Pythagoras. Da (1; y) auf dem Kreis mit der Gleichung (X p2r )2 + Y 2 = ( r2 )2 liegt, ist 1 r + ( r2 )2 + y2 = ( 2r )2 , folglich r = 1 + y2 und x = r. 1.6.Definition: Ein Teilkorper K von C heit quadratisch abgeschlossen, wenn p fur jedes z 2 K auch z 2 K . Nach 1.5 ist M^ ein quadratisch abgeschlossener Teilkorper von C . Bevor wir weitere Eigenschaften von M^ ermitteln, wollen wir einige Begrie aus der Korpertheorie einfuhren. 1.7.Lemma. Sei fKg2 eine Familie von Teilkorpern eines Korpers K . Dann ist T K ein Teilkorper von K . T Dies ist klar, weil mit x; y 2 K auch x + y , x y , x y und, falls y 6= 0 ist, T x auch y zu K gehort. auch 2 1.8.Definition: Sei M eine Teilmenge eines Korpers K . a) Der von M erzeugte Teilkorper von K ist der Durchschnitt aller M enthaltenden Teilkorper von K . Wir bezeichnen ihn mit (M ). b) Fur einen Teilkorper K0 K bezeichne K0(M ) den von K0 [ M erzeugten Teilkorper von K . Wir sagen K0(M ) entstehe aus K0 durch Adjunktion von M. c) Der von M = f0; 1g erzeugte Teilkorper P von K heit der Primkorper von K. Algebraisierung des Konstruktionsproblems 9 Der Primkorper P ist in jedem Teilkorper von K enthalten und fur jedes M K ist (M ) = P (M ). Der Primkorper von C ist naturlich Q . Gilt in einem Korper 1 + 1 = 0, so ist P := f0; 1g schon ein Teilkorper und notwendigerweise der Primkorper. In der Situation von 1.8b) besteht K0 (M ) aus allen Elementen der Form f (x1 ; : : : ; xn ) 2 K (g(y ; : : : ; y ) 6= 0) 1 m g(y ; : : : ; y ) 1 m wobei f und g Polynome mit Koezienten aus K0 sind und x1 ; : : : ; xn ; y1 ; : : : ; ym 2 M . Diese Elemente sind namlich in jedem Teilkorper von K enthalten, der K0 und M enthalt, und die Gesamtheit dieser Elemente ist selbst ein Korper, weil Summe, Produkt etc. zweier Elemente wieder von der gleichen Bauart sind. Fur d 2 Q ist p p Q(f dg) = fa + b d j a; b 2 Q g p p denn die Zahlen a + b d bilden selbst schon einen Korper, der Q und d enthalt. Sei nun wieder M eine Teilmenge von C mit 0 2 M , 1 2 M und sei M^ der Korper aller aus M konstruierbaren Zahlen. Mit M bezeichnen wir die konjugiert-komplexen der Zahlen aus M . Diese entstehen aus M durch Spiegelung an der reellen Achse und sind daher ebenfalls konstruierbar: M M^ . Somit gilt K0 := Q (M [ M ) M^ . 1.9.Lemma. Es ist K 0 = K0 . Beweis: Wir verwenden, da der Ubergang zum Konjugiert-komplexen ein involutorischer Automorphismus von C ist, d.h. da die Regeln z1 + z2 = z1 + z2; z1 z2 = z1 z 2; =z = z fur z1 ; z2; z 2 C gelten. Aus ihnen folgt zunachst, da K 0 := fz j z 2 K0 g ebenfalls ein Teilkorper von C ist. Aus M; M K0 ergibt sich dann M; M K 0 und folglich K0 K 0 . Dann ist aber auch K 0 K 0 = K0 und somit K0 = K 0 . Sei jetzt L ein beliebiger Teilkorper von C mit L = L , sei G(L) die Menge aller Geraden durch zwei verschiedene Punkte von L und K (L) die Menge aller Kreise, deren Mittelpunkt zu L gehort und deren Radius ein Element von L ist. Wegen L = L gehoren mit z 2 L auch der Real- und der Imaginarteil von z zu L . 1.10.Lemma. Ist z Schnittpunkt zweier verschiedener Geraden aus G(L), so ist z 2 L. Beweis: Die beiden Geraden sind Punktmengen der Form z0 + z1 z00 + z10 (z0 ; z1 2 L; zk = xk + iyk ) (z00 ; z10 2 L; zk0 = x0k + iyk0 ) x 1 Konstruktion mit Zirkel und Lineal 10 wobei und ganz R durchlaufen. Um den Schnittpunkt z zu bestimmen, hat man und so zu wahlen, da z0 + z1 = z00 + z10 . Zerlegt man in Real- und Imaginarteil, so erhalt man ein lineares Gleichungssystem der Form x0 + x1 = x00 + x01 (iy0 ) + (iy1 ) = (iy00 ) + (iy10 ) in dem xk ; x0k ; iyk ; iyk0 zu L gehoren (k = 1; 2). Es folgt dann ; 2 L und damit z = z0 + z1 2 L . 1.11.Lemma. Ist z Schnittpunkt einer Geraden aus G(L) mit einem Kreis aus K (L), dann gibt es ein w 2 L , so da z 2 L(pw). Beweis: Die Gerade sei durch z0 + z1 (z0 = x0 + iy0 2 L; z1 = x1 + iy1 2 L; 2 R ) gegeben. Der Kreis habe den Mittelpunkt z2 = x2 + iy2 2 L und den Radius r . Hierbei ist r 2 L . Die Punkte x + iy des Kreises erfullen dann die Gleichung (x x2 )2 (iy iy2 )2 = r2 Speziell ergibt sich fur den Schnittpunkt z = z0 + z1 die Gleichung (x1 + x0 x2 )2 ( (iy1 ) + (iy0 ) (iy2 ))2 = r2 Dies ist entweder eine lineare oder eine quadratische Gleichung fur . Im ersten Fall ist 2 L und z 2 L . Im zweiten Fall erhalt man eine Gleichung 2 + p + q = 0 und es ist dann Mit w := p4 2 (p; q 2 L) r 2 p = 2 p4 q q folgt z 2 L(pw). 1.12.Lemma. Ist z Schnittpunkt zweier verschiedener Kreise aus K (L), dann gibt p es ein w 2 L mit z 2 L( w). Algebraisierung des Konstruktionsproblems 11 Beweis: Die Kreise seien durch die Gleichungen (x x0 )2 (x x1 )2 (iy iyo )2 = r02 (iy iy1 )2 = r12 gegeben. Durch Dierenzbildung erhalt man eine lineare Gleichung (a; b; c 2 L) ax + b(iy) = c wobei (a; b) 6= (0; 0), weil wir von verschiedenen Kreisen ausgegangen sind, die sich schneiden sollten. Die lineare Gleichung beschreibt eine Gerade aus G(L) und z ist Schnittpunkt dieser Gerade mit den Kreisen. Nun kann man 1.11 anwenden. Die Lemmata gestatten nun eine algebraische Beschreibung der aus M konstruierbaren Punkte. 1.13.Definition: Sei K ein Teilkorper eines Korpers L . Wir sagen, da L aus K durch sukzessive Adjunktion von Quadratwurzeln entsteht, wenn es Elemente w1; : : : ; wn 2 L gibt, so da gilt: a) L = K (fw1; : : : ; wng). b) w12 2 K , wi2+1 2 K (fw1; : : : ; wi g) fur i = 1; : : : ; n 1. 2 C aus M mit Zirkel und Lineal konstruierbar, wenn z in einem Teilkorper L von C enthalten ist, der aus K0 = Q (M [ M ) durch 1.14.Satz. Genau dann ist z sukzessive Adjunktion von Quadratwurzeln hervorgeht. Beweis: Da M^ nach 1.5 quadratisch abgeschlossen ist, enthalt M^ jeden Korper L , der aus K0 durch sukzessive Adjunktion von Quadratwurzeln hervorgeht. Entsteht umgekehrt z 2 C aus K0 durch Anwendung einer der Operationen O1) Op 3), so zeigen die Lemmata 1.10-1.12, da ein w 2 Kp0 existiert mit p z 2 K0 ( w). Da auch w 2 K0 gilt, entsteht K1 := K0 ( w; w) aus K0 durch sukzessive Adjunktion von Quadratwurzeln. Ferner ist K 1 = K1 . Da ein beliebiger Punkt z 2 M^ durch endlichfache Anwendung der Operationen O1) O3) gewonnen wird, folgt die Behauptung nun durch Induktion, q.e.d. Hat man fur z 2 M^ einen Korper L = K0 (fw1; : : : ; wng) wie in 1.13 gefunden, so gibt es Punkte z1 ; : : : ; zm 2 M [ M und Gleichungen wi2 = fgi ((zz1 ;; :: :: :: ;; zzm ;; ww1;; :: :: :: ;; wwi 1)) i 1 (1) m i 1 1 (i = 1; : : : ; n) z = fg((zz1;; :: :: :: ;; zzm;; ww1;; :: :: :: ;; wwn)) 1 m 1 n