Der Verschiebungssatz für die Stichprobenvarianz Oftmals ist es nützlicher, eine andere Formel zur Berechnung der Varianz heranzuziehen. Wir sehen, dass: 1 2 (xi − xM ) N − 1 i=1 N 2 sx = N 1 2 2 xi − 2 · xi · xM + xM N − 1 i=1 N N N 1 2 2 xi − 2 · xi · xM + xM . N −1 i=1 i=1 i=1 = = Hieraus ergibt sich: 2 sx = D. Horstmann: Oktober 2016 1 N −1 N i=1 2 xi − 2 · xM · N xi 2 + N · xM . i=1 23 Nun haben wir bereits gesehen, dass die Summe der Messdaten geteilt durch die Gesamtzahl der Messdaten gleich dem Wert xM ist. Somit gilt: 2 sx = = = = D. Horstmann: Oktober 2016 1 N −1 1 N −1 1 N −1 1 N −1 N 2 N 2 N · xM N 2 2 2 xi xi 2 + N · xM N xi i=1 2 + N · xM 2 − 2 · N · xM + N · xM xi i=1 N −2· xi N i=1 i=1 N − 2 · xM xi i=1 2 − N · xM . i=1 24 Der Verschiebungssatz für die Stichprobenvarianz Lemma 1. [Verschiebungssatz für die Stichprobenvarianz] Die Stichprobenvarianz s2x bzw. die Varianz einer Messreihe läßt sich auch mit Hilfe der nachfolgenden Formel berechnen: 2 sx = 1 N −1 N 2 xi 2 − N · xM . i=1 Oft ist es nützlich, von diesem Verschiebungssatz Gebrauch zu machen, wenn man die Varianz berechnen soll. D. Horstmann: Oktober 2016 25 Die Standardabweichung Ein anderes Maß, das wir im Zusammenhang mit den Messdaten und ihrem Durchschnittswert kennenlernen, ist die sogenannte Standardabweichung der Messdaten von ihrem arithmetischen Mittelwert. Definition 2. Die Standardabweichung sx einer N Daten umfassenden Messreihe ist die positive Quadratwurzel der Varianz der Messreihe; also: sx = s2x. !! Klausurrelevant !! In unserem begleitenden Beispiel der Körpergröße ergibt sich für die Standardabweichung: sx = D. Horstmann: Oktober 2016 √ 35.75 ≈ 5.78. 26 Beispiel 1. [Nach Neuss-Radu “Mathematik für Biologen 1”, 2004/05, Seite 19 & 20] Bei der Durchführung eines Experiments soll die Genauigkeit und die Präzision einer Pipette überprüft werden. Als Genauigkeit einer Pipette bezeichnet man die Differenz zwischen dem Mittelwert einer Anzahl wiederholter Messungen und dem Nominalwert, also dem Wert, den der Hersteller für die Pipette angegeben hat. Die Präzision einer Pipette gibt an wie gut die Messwerte übereinstimmen. Der Versuchsaufbau sei der folgende: Mit einer Kolbenhubpipette werden 100 Mikroliter (mit der Einheitsbezeichnung μl) destilliertes Wasser pipettiert und das Gewicht der Probe gemessen. Dieses Vorgehen wird weitere 9 Mal wiederholt. Hierbei erhält man z.B. folgende Messreihe, wobei mit gj (in mg ) das Gewicht der j -ten Probe bezeichnet sei: j gj 1 103.1 2 100.3 D. Horstmann: Oktober 2016 3 100.1 4 100.4 5 97.6 6 100.3 7 100.1 8 100.0 9 100.0 10 97.9 27 Da die Dichte des Wassers bekannt ist und 1g/cm3 beträgt, kann aus dem Gewicht einer Probe ihr Volumen berechnet werden. Man erhält dabei folgende Werte, wobei hier nun vj (in μl) das Volumen der j - ten Probe bezeichne: j vj 1 103.1 2 100.3 3 100.1 4 100.4 5 97.6 6 100.3 7 100.1 8 100.0 9 100.0 10 97.9 Um die Genauigkeit zu überprüfen bildet man zuerst den Mittelwert der Messreihe vM N 1 1 999.8 = 99.98. = vj = N j=1 10 Die Genauigkeit G berechnet sich dann als G = vM − vnominal = |99.98 − 100| = 0.02(μl), wobei vnominal = 100μl der Nominalwert sei. Die relative Genauigkeit, die in Prozent gegeben ist, bestimmt man durch 0.02 G = 0.02%. = vnominal 100 D. Horstmann: Oktober 2016 28 Als Maß für die Präzision benutzt man die empirische Standardabweichung (bzw. den Variationskoeffizienten). Für die Standardabweichung erhalten wir in diesem Fall sv = 1 (vj − vM )2 = 1.496μl. N − 1 j=1 N Um die Standardabweichung mit der Größe der Messwerte in Bezug zu bringen, berechnen wir den Variationskoeffizienten V = sv 1.496 = vM 99.98 ≈ 0.01496 = 1.496%. Nun soll die Frage beantwortet werden, ob die untersuchte Pipette genau und präzise ist. Die Herstellerrichtlinien für die Pipette schreiben vor, dass die relative Genauigkeit G/vnominal unter 0.8% und der Variationskoeffizient V unter 0.15% liegt. Die hier angestellten Berechnungen implizieren jedoch, dass die untersuchte Pipette zwar genau jedoch nicht präzise ist. Daher sollte man die Pipette für die Experimente nicht benutzen, sondern an den Hersteller zurück schicken. D. Horstmann: Oktober 2016 29 2. Elementare Rechenoperationen D. Horstmann: Oktober 2016 30 2.1 Welche Zahlen sind aus der Schule bekannt? 1. Die natürlichen Zahlen = {1, 2, 3, ....}, die wir mit dem Symbol IN bezeichnen werden. Wir wollen unterscheiden zwischen den natürlichen Zahlen IN und den natürlichen Zahlen einschließlich der Null unterscheiden, die wir mit dem Symbol IN0 notieren. 2. Die Menge der ganzen Zahlen = {0, ±1, ±2, ±3, ...}, die wir mit dem Symbol Z darstellen. 3. Die Menge der rationalen Zahlen, d.h. die Menge aller als Bruch darstellbaren Zahlen, die wir mit Q darstellen. 4. Die Menge der reellen Zahlen, also die Menge, die neben den Zahlen, die sich als Bruch darstellen lassen, auch√jene Zahlen enthält, für die dies nicht möglich ist, wie zum Beispiel die Kreiszahl π oder 2. Für sie werden wir das Symbol IR verwenden. D. Horstmann: Oktober 2016 31 Diese Mengen lassen sich nun durch sogenannten Teilmengenrelationen in einen Zusammenhang bringen. IN ⊂ Z. Hierbei schließt das verwendete Teilmengen-Zeichen nicht ausdrücklich aus, dass die Mengen auch die gleichen sind, d.h. es gilt auch Z ⊂ Z. Offensichtlich gilt für die hier angegebenen Zahlen das Nachfolgende: IN ⊂ IN0 ⊂ Z ⊂ Q ⊂ IR. Z \ IN = ∅, wobei ∅ die sogenannte leere Menge darstellt, die Menge also, die kein Element enthält.Die Behauptung Q \ Z = ∅ ist leicht einzusehen. Die Behauptung jedoch, dass die reellen Zahlen größer sind als die Menge der rationalen Zahlen, ist nicht für jeden so leicht einsichtig. D. Horstmann: Oktober 2016 32 2.1.1 Das Prinzip eines Widerspruchsbeweises Behauptung 1. Das Quadrat einer ungeraden natürlichen Zahl n ist stets ungerade. Behauptung 2. Ist die Wurzel aus einer geraden natürlichen Zahl n eine natürliche Zahl, so ist diese gerade. D. Horstmann: Oktober 2016 33 2.1.1 Das Prinzip eines Widerspruchsbeweises Wir behaupten nun, dass IR \ Q = ∅ ist, d.h. dass es reelle Zahlen gibt, die sich nicht als Bruch schreiben lassen. Behauptung 3. Die Wurzel aus 2 ist ein Element der reellen√Zahlen, aber die √ Wurzel aus 2 ist kein Element der rationalen Zahlen. In Formelschreibweise: 2 ∈ IR aber 2 ∈ Q. Wir nehmen nun an, dass die zur Behauptung gegenteilige Aussage richtig ist. Somit gibt es eine ganze Zahl p und eine ganze Zahl q , die die folgenden Eigenschaften besitzen: 1. p ∈ Z und q ∈ Z sind teilerfremd, d.h. es gibt keine derartigen ganzen Zahlen r, n und m, so dass p = n · r und q = m · r mit r = ±1 gilt. 2. Die Wurzel aus 2 ist gleich dem Quotienten aus diesen beiden Zahlen p und q , d.h. √ p 2= , q wobei der Bruch auf der rechten Seite dieser Gleichung aufgrund der ersten Eigenschaft von p und q soweit wie möglich gekürzt ist. D. Horstmann: Oktober 2016 34 2.1.1 Das Prinzip eines Widerspruchsbeweises √ Anmerkung 2. Dass die Zahl 2 tatsächlich auch existiert, sehen wir mit Hilfe des aus der Schule bekannten “Satz des Phytagoras”. Für die Länge x der Diagonalen eines Quadrats mit der Seitenlänge 1 gilt nach diesem Satz: 2 2 2 x = 1 + 1 = 2. Wir können für die Länge x also das “Symbol” √ 2 verwenden. Wenn wir die Wurzel aus 2 quadrieren (also beide Seiten mit sich selbst noch einmal multiplizieren), so ergibt sich die Gleichung p2 2 2 2 = 2 , woraus 2 · q = p q folgt, d.h. p2 ist eine gerade Zahl. D. Horstmann: Oktober 2016 35 2.1.1 Das Prinzip eines Widerspruchsbeweises Somit ist aber auch p bereits schon eine gerade Zahl, da das Quadrat einer ungerade Zahl eine ungerade Zahl ist, und wir können p mit Hilfe einer anderen ganzen Zahl p als 2 · p schreiben, d.h. p=2·p. Somit gilt also, dass ist, 4 · (p)2 2= q2 2 2 q = 2 · (p ) folgt.aber nicht möglich, da wir angenommen hatten, dass p und q teilerfremd sind. womit wir zu einem Widerspruch gelangt sind. Also kann unsere Annahme, dass die Wurzel aus 2 eine rationale Zahl ist, nicht richtig gewesen √ sein und somit muss 2 ∈ Q gelten. D. Horstmann: Oktober 2016 36 2.1.2 Weitere Bezeichnungen und Notationen Um Größenverhältnisse von Zahlen darzustellen, verwendet man die folgenden Zeichen: 1. Das Symbol “≥” bedeutet “größer als oder gleich groß wie”. 2. Das Symbol “>” bedeutet “echt größer als”. 3. Das Symbol “≤” bedeutet “kleiner als oder gleichgroß wie”. 4. Das Symbol “<” bedeutet “echt kleiner als”. Das heißt a < b schreibt man, wenn die Zahl a echt kleiner als die Zahl b ist, wobei a ≥ b geschrieben wird, wenn die Zahl a größer oder genauso groß sein kann wie die Zahl b. D. Horstmann: Oktober 2016 37 Die Menge aller Zahlen, die echt größer als die Zahl a sind, aber die gleichzeitig auch echt kleiner als eine Zahl b sind, wird mit (a, b) oder mit {x ∈ IR | a < x < b} angegeben.lesen. Es ist die Menge aller reellen Zahlen x, für die gilt, dass sie echt größer a und echt kleiner b sind.Weiteren hat man 1. die Menge aller reellen Zahlen x, die echt größer als die Zahl a, aber kleiner oder gleich der Zahl b sind, d.h. (a, b] oder mit {x ∈ IR | a < x ≤ b}. 2. die Menge aller reellen Zahlen x, die größer oder genauso groß sind wie die Zahl a, aber echt kleiner sind als die Zahl b, d.h. [a, b) oder mit {x ∈ IR | a ≤ x < b} 3. die Menge aller reellen Zahlen x, die größer als oder genauso groß wie die Zahl a sind, die aber gleichzeitig kleiner als oder gleich der Zahl b sind, d.h. [a, b] oder mit {x ∈ IR | a ≤ x ≤ b} D. Horstmann: Oktober 2016 38 Man bezeichnet diese Mengen auch als Intervalle, wobei (a, b) das offene Intervall zwischen a und b bezeichnet;rechts halboffene und (a, b] das links halboffene Intervall zwischen a und b beschreibt;abgeschlossene Intervall von a bis b bezeichnet wird.Zahl m= a+b ist die “Intervall-Mitte” und d = b − a ist die “Intervall-Länge”, 2 sofern b ≥ a gilt. Den Betrag einer Zahl a stellt man mit dem Symbol |a| dar.Hierbei gilt, dass der Betrag von a immer nichtnegativ ist und wie folgt definiert wird: |a| = a, falls a ≥ 0 und |a| = −a, falls a ≤ 0. Also ist der Betrag der Zahl −4 gleich 4.schreibt man eine solche Definition auch wie folgt: |a| := D. Horstmann: Oktober 2016 a, −a, falls a ≥ 0, falls a ≤ 0. 39 2.1.3 Weitere Regeln für das Rechnen mit reellen Zahlen Es seien a, b und c drei beliebige reelle Zahlen. Dann gelten: 1. Das Assoziativgesetz: a · (b · c) = (a · b) · c sowie a + (b + c) = (a + b) + c 2. Das Kommutativgesetz: a + b = b + a sowie a · b = b · a 3. Das Distributivgesetz: a · (b + c) = a · b + a · c D. Horstmann: Oktober 2016 40 2.2 Potenzen und Binomialkoeffizienten Wir bezeichnen nun im Nachfolgenden mit a und b zwei beliebige reelle Zahlen und mit n und m zwei beliebige natürliche Zahlen.ein: a := −n := 1/n := a a n a · ... · a n-mal 1 1 · ... · a a n-mal √ n a. Somit sehen wir, dass a D. Horstmann: Oktober 2016 m/n = √ n am = √ m n a ist. 41 In dem Spezialfall m = n = 2 gilt die Gleichung √ 2/2 a = a2 = |a|. Außerdem setzt man für alle reellen Zahlen a 0 0 a := 1. Insbesondere ist somit 0 := 1. Aus den oben angegebenen Notationen folgen nun für a = 0 und b = 0 leicht die aus der Schule bekannten Potenzgesetze: n a ·a m = n n = n m = a ·b (a ) an n−m , a , m = a a n n a a n (a · b) , n = , b b n+m a n·m . Anmerkung 3. Tatsächlich gelten diese Regeln nicht nur für alle n, m ∈ IN, sondern sie gelten, wenn a > 0 ist, auch für n, m ∈ IR. Dass dies wirklich so ist, werden wir in einem späteren Kapitel noch genauer sehen. D. Horstmann: Oktober 2016 42 2.2.1 Der binomische Lehrsatz Es seien a und b zwei beliebige reelle Zahlen, dann gelten die nachfolgenden Formeln: (a + b) 2 = (a + b) · (a + b) = a + 2 · a · b + b (a − b) 2 = (a − b) · (a − b) = a − 2 · a · b + b (a + b) · (a − b) = a −b . D. Horstmann: Oktober 2016 2 2 2 2 2 2 43