ALBBOTE NR. 122 | AB MONTAG, 29. MAI 2017 A LOBNBTOATGE, N2 R9 . 1M2A2I |2 0A 1B 7 M Themen des Tages 21 Themen des Tages 21 Geschichte und Struktur der Institute Sparkassen und Volksbanken befinden sich in einer Krise: Die Niedrigzinsen, die Digiatalisierung und die zunehmende Regulierung gefährden das Geschäftsmodell der Institute. BILD: DPA ➤ Sparkassen: Kernaufgabe der Sparkassen ist es, breiten Bevölkerungsschichten Möglichkeiten zur Geldanlage anzubieten, und die örtlichen Kreditbedürfnisse der mittelständischen Wirtschaft zu befriedigen. Die Komposition des Wortes Sparkasse ist historischen Ursprungs und deutet auf ihre ursprüngliche Aufgabe hin, Spareinlagen durch Bareinzahlung in die Kasse entgegenzunehmen. Was Sparkassen von anderen Banken unterscheidet sind die Trägerschaft durch eine Kommune. ➤ Volksbanken: Volks- und Raiffeisenbanken sind Genossenschaftsbanken. Genossenschaftsbanken sind Kreditinstitute, deren Ziel in der wirtschaftlichen Förderung ihrer Mitglieder mittels eines gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs besteht. Historisch betrachtet haben sie ihren Ursprung in Einkaufsgenossenschaften und Darlehensvereinen. Die Raiffeisenbanken wurden von Friedrich-Wilhelm Raiffeisen Mitte des 19. Jahrhunderts für den landwirtschaftlichen Bereich, die Volksbanken durch Hermann Schulze-Delitzsch für den gewerblichen mittelständischen Bereich als Selbsthilfeorganisationen gegründet. (td) „Hohe Pensionen belasten Sparkassen mehr als Niedrigzinsen“ Der Frankfurter Bankenprofessor Ralf Jasny erklärt, warum Sparkassen und Volksbanken in einer Krise stecken Herr Jasny, wie geht es den Sparkassen wirtschaftlich? Von den 400 Sparkassen in Deutschland gibt es eine Reihe von Instituten, die eine gute Eigenkapitalausstattung haben. Wenn man nur auf die Erträge schaut, stehen auch die restlichen Sparkassen gut da. Viele von ihnen kaschieren aber die Verluste im Kundengeschäft mit riskanten Wertpapiergeschäften. Damit entfernen sie sich von ihrem gesetzlichen Gemeinwohlauftrag. Was ist das Hauptproblem der Sparkassen? Das Hauptproblem sind die verkrusteten Strukturen. Es gibt viel zu viele kleine Institute. Kein Mensch braucht in Deutschland 400 Sparkassen. Auch mit 300 Sparkassen könnte man die Versorgung der Bevölkerung mit Bargeld und Krediten sicherstellen. Man braucht einfach eine gewisse Betriebsgröße, um effizient wirtschaften zu können. Jedes Institut braucht laut Gesetz zwei Vorstände und diese Vorstände werden fürstlich entlohnt und bekommen exorbitante Pensionen. Der durchschnittli- Zur Person Ralf Jasny, 50, ist Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Finanzdienstleistungen an der Frankfurter Universität für angewandte Wissenschaften. Der gebürtige Münchener forscht dort unter anderem zu den Vorstandsgehältern und der Anlagestrategie der Sparkassen. Zuvor war Jasny sechs Jahre lang Bereichsleiter bei der Deutschen Bank. (td) che Sparkassen-Vorstand in NordrheinWestfalen, wo die Daten öffentlich sind, verdient inklusive der Pensionszusagen 460 000 Euro im Jahr. Läuft es bei den Volksbanken besser? Auch die Volksbanken haben ein Strukturproblem. Eine kleine Volksbank mit 25 Mitarbeitern lässt sich nicht effizient betreiben. Dafür sind die Vorgaben der Bankenaufsicht viel zu hoch. Solche kleinstaatigen Strukturen verursachen zu hohe Kosten. In fünf Jahren werden wir deutlich weniger Volksbanken und Sparkassen als heute haben. Kann man Sparkassen überhaupt mit anderen Banken vergleichen? Schließlich spenden sie auch einen Teil ihrer Gewinne in der Region. Sparkassen sind nicht gesetzlich verpflichtet zu spenden. Besser wäre es aus meiner Sicht, ihre Gewinne an die Kommune auszuschütten. Lokalpolitik zu machen ist eigentlich Sache des Bürgermeisters und nicht der Sparkassen. Im Übrigen liegen die Spenden nur im homöopathischen Bereich. Im Vergleich zu den Gewinnen sind sie nur ein paar Krümel, die vom Tisch fallen. Sind die Verflechtungen zwischen Sparkassen und Kommunen noch zeitgemäß? Nein. In den Verwaltungsräten sitzen fast ausschließlich Lokalpolitiker, die selten die nötige Bankqualifikation mitbringen. Wer angeln gehen will, braucht in Deutschland einen Angelschein. Wer Mofa fahren will, braucht einen Führerschein. Aber Banken kann man ohne eine formale Qualifikation kontrollieren. Man muss nur älter als 18 Jahre sein und das richtige Parteibuch haben. Schon heute lässt sich aus den Bilanzen vieler Sparkassen ablesen, dass sie in eine Schieflage geraten, wenn es Verwerfungen an den Finanzmärkten gibt. Kann denn eine Sparkasse überhaupt pleitegehen? Grundsätzlich ja. Aber sie würde durch den Haftungsverbund aller Sparkassen aufgefangen werden. Auch deshalb versuchen angeschlagene Sparkassen mit kapitalstärkeren Sparkassen zu fusionieren. Wie sehr belasten die Niedrigzinsen Sparkassen und Volksbanken? Dieses Argument wird aus meiner Sicht zu sehr strapaziert. Sie sind nur ein Teil des Problems. Denn die Zinsmarge, als die Differenz zwischen Guthabenzinsen und Kreditzinsen, hat sich aus Sicht der Banken gar nicht so sehr verkleinert. Viele Banken sind froh, mit der Europäischen Zentralbank einen externen Schuldigen gefunden zu haben. Kann eine Sparkasse, die sich an Finanzspekulation beteiligt, wegen der mangelnden Kontrolle an die Wand fahren? Ja, natürlich. Wenn die Kontrolle versagt, versagt auch das Unternehmen. Das heißt, selbst bei steigenden Zinsen ist die Krise der Sparkassen nicht ausgestanden? Nein. Das Strukturproblem wird sich durch höhere Leitzinsen nicht ändern. Die hohen Pensionszusagen für ehemalige Vorstände werden die Sparkassen in den nächsten fünfzehn Jahren mehr als die Niedrigzinsen belasten. Gefährden Filialschließungen das Geschäftsmodell von Volksbanken und Sparkassen? Ja. Ohne die örtliche Nähe fehlt der Wettbewerbsvorteil. Wenn die Bank nicht mehr vor Ort ist, kann ich gleich zu einer Direktbank wechseln. Die sind im Online-Bereich schneller und verlangen keine Kontoführungsgebühren. Wie beurteilen Sie Abhebegebühren am Automaten, wie sie einige Volksbanken und Sparkassen verlangen? Schlimmer kann man es nicht anstellen. Das war ein Eigentor. Die Institute legen einen 50-Euro-Schein ins Schaufenster und schreiben auf Preisschild 51 Euro. Das halte ich für nicht gerechtfertigt. Klar kosten Leistungen Geld, aber dafür gibt es ja schon die Kontogebühren. Glauben Sie, dass sich mittelfristig viele Kunden von Volksbanken und Sparkassen abwenden werden? Ja. Schon heute haben Volksbanken und Sparkassen eine schiefe Altersstruktur. Die meisten Kunden sind entweder unter 18 Jahre, weil ihre Eltern für sie ein Konto eröffnet haben, oder über 60 Jahre alt. In der Altersklasse dazwischen sind schon viele Kunden zu einer Direktbank gewechselt. F R A G E N: T H O M A S D O M JA H N und Privatbanken in unserer Region Markant: Sparkasse Schwarzwald Baar in Villingen-Schwenningen. BILD: DOMJAHN Verglast: Volksbank Schwarzwald Baar Hegau in Villingen-Schwenningen. BILD: VOBA Schnörkellos: Sparkasse Pfullendorf-Meßkirch in Pfullendorf. BILD: SPARKASSE Nüchtern: Sitz der Volksbank Hochrhein in Waldshut-Tiengen. BILD: COORDES Modern: Internationales Bankhaus Bodensee (IBB) in Friedrichshafen. BILD: IBB ➤ Sparkasse Schwarzwald Baar: Die Geschäfte liefen solide, sagte Arendt Gruben, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Schwarzwald Baar, bei der Vorstellung der Bilanz für 2016. Der Zinsüberschuss stieg um 9,4 Prozent auf 68,4 Millionen Euro. Die Bilanzsumme erhöhte sich um 2,5 Prozent auf 3,4 Milliarden Euro. Und das Jahresergebnis blieb mit 4 Millionen Euro stabil. Zudem steigerte die Sparkasse Schwarzwald Baar die Eigenkapitalquote auf über 14 Prozent. Große Umbrüche stehen bei der Sparkasse nicht an. Filialschließungen, Entlassungen, Gebührenerhöhungen und speziell Gebühren für das Abheben am bankeigenen Geldautomaten schloss Gruben für die nahe Zukunft aus. (td) ➤ Volksbank Schwarzwald Baar Hegau: Der Zinsüberschuss der Bank ging 2016 um 0,9 Prozent auf 60,175 Millionen zurück. Dagegen stiegen wichtige Kennzahlen wie der Bilanzgewinn (plus 7,8 Prozent), die Bilanzsumme (plus 6,8 Prozent) und das bilanzielle Eigenkapital (plus 14,2 Prozent) deutlich. „Mit dem Gesamtergebnis sind wir sehr zufrieden“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Volksbank, Joachim Straub. Die Ziele der Bank seien sogar übertroffen worden. Als Reaktion auf die niedrigen Zinsen bereitet die Bank ihre Kunden auf steigende Gebühren vor. „Die Kostenlos-Kultur wird abnehmen. Immer mehr werden Dienstleistungen verursachergerecht bepreist werden“, sagte Straub. (td) ➤ Sparkasse Pfullendorf-Meßkirch: Der Gewinn der Sparkasse verringerte sich 2016 um 23 Prozent auf 700 000 Euro. Dagegen stiegen die Kundeneinlagen auf 477 Millionen Euro, die Kreditvergaben auf 561 Millionen Euro und die Bilanzsumme auf 751 Millionen Euro. Die Öffnungszeiten der Filialen werden derzeit überprüft, weil sich der Anteil der Online-Banking-Kunden von derzeit 55 Prozent weiter erhöhen werde, sagte Bankvorstand Hubert Rist. Es werde zwar keine Schließungen geben, aber die Präsenzzeiten würden angepasst. Die Sparkasse war zuletzt bundesweit in die Schlagzeilen geraten, weil sie von ihren Kunden 19 Cent pro Abhebung am bankeigenen Geldautomaten verlangt. (siv) ➤ Volksbank Hochrhein: Bei der Bank mit Hauptsitz in Waldshut-Tiengen gingen 2016 wichtige Geschäftszahlen zurück. Das Ergebnis vor Steuern verringerte sich von 9,2 Millionen Euro auf 8,2 Millionen Euro. Die Bilanzsumme verminderte sich 2016 um 31 Millionen Euro auf 1,45 Milliarden Euro. Die Kundeneinlagen verringerten sich um 6,8 Prozent oder 73 Millionen Euro auf etwas über eine Milliarde Euro. Im Kreditgeschäft gab es dagegen ein kräftiges Wachstum. 2016 hat die Volksbank über 25 Millionen Euro mehr Kredite an private und gewerbliche Kunden vergeben. In diesem Jahr schloss die Bank zwei Filialen in Gurtweil und Ühlingen. Die Zahl der Mitarbeiter blieb konstant bei 260. (kol) ➤ Internationales Bankhaus Bodensee: Die Friedrichshafener Privatbank für vermögende Kunden schwimmt gegen den Strom. Denn sie profitiert anders als Sparkassen und Volksbanken von den Niedrigzinsen. Wie die Bank auf ihrer Jahrespressekonferenz bekannt gab, stiegen im Jahr 2016 sowohl der Jahresüberschuss (5,2 Millionen Euro), das Betriebsergebnis (10,3 Millionen Euro) als auch das bilanzielle Eigenkapital (138,4 Millionen Euro). Dagegen gingen die Bilanzsumme (1,258 Milliarden Euro), das Geschäftsvolumen (1,424 Milliarden Euro) und die Anzahl der Kundendepots (1808) zurück. Die Zahl der Mitarbeiter wuchs zuletzt um neun auf 177, wobei 160 Mitarbeiter in Friedrichshafen tätig sind. (td)