HYALURONSÄURE ALS SPEICHELERSATZ

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Diplomarbeit
HYALURONSÄURE ALS SPEICHELERSATZ
eingereicht von
Stefan Franz Hasenburger
Mat.Nr.: 0251967
zur Erlangung des akademischen Grades
Doktor der gesamten Heilkunde
(Dr. med. univ.)
an der
Medizinischen Universität Graz
ausgeführt an der
Universitäts - Augenklinik
unter der Anleitung von
Univ.-Prof. Mag. Dr. phil. Otto Schmut
Dr. med. univ. Dieter Rabensteiner
Graz, Mai 2011
Eidesstattliche Erklärung
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne
fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet
habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen
als solche kenntlich gemacht habe.
Graz, Mai 2011
i
Vorwort
Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit – vor allem im Hinblick auf die Vermeidung
einer ausufernden Verwendung von Pronomen – habe ich mich dazu
entschlossen, alle geschlechtsbezogenen Wörter nur in eingeschlechtlicher Form der deutschen Sprache gemäß zumeist die männliche – zu verwenden.
Selbstredend gelten alle Bezeichnungen gleichwertig für Frauen.
ii
Danksagungen
An dieser Stelle möchte ich mich bei all jenen Menschen bedanken, die mich bei
dem Erstellen dieser Arbeit unterstützt haben.
Mein größter Dank gilt Herrn Univ.-Prof. Dr. Otto Schmut, einem
außerordentlichen Wissenschaftler und Lehrenden, welcher mir immer mit Rat und
Tat zur Seite stand und mich von Anfang an bis zum Einreichen der Diplomarbeit
tatkräftig unterstützte.
Mein Dank gilt Herrn Dr. med. univ. Dieter Rabensteiner, der mich als
Zweitbetreuer unterstützt hat.
Abschließend möchte ich mich bei meiner Familie für die Unterstützung, nicht nur
während der Diplomarbeit, sondern generell, ganz herzlich bedanken.
iii
Zusammenfassung
Hintergrund: Durch verschiedene Erkrankungen, wie z.B. das Sjögren-Syndrom
oder das Heerfordt-Syndrom, erleiden viele Patienten einen eklatanten Rückgang
der Speichelproduktion. Mundtrockenheit (Xerostomie) tritt auch als Nebenwirkung
vieler Medikamente auf. Oft ist diese die Folge von Bestrahlungen im Kopf-HalsBereich. Die herabgesetzte bis erloschene Speichelproduktion mindert die
Lebensqualität der Patienten beträchtlich und hat negative Auswirkungen auf die
Gesundheit von Mundschleimhaut, Zahnfleisch und Zähnen. Hyaluronsäure, die
ubiquitär im menschlichen Körper vorkommt, besitzt in gelöster Form ähnliche
Eigenschaften wie der physiologische Speichel.
Methoden: Unter Einbeziehung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und
literarischen Quellen wird das Thema ausführlich behandelt. Es wird aufgezeigt,
dass sich gelöste Hyaluronsäure, aufgrund der dem Speichel ähnlichen
Eigenschaften, sehr gut als Speichelersatz eignen würde.
Resultate: Durch Befeuchtung des Mund-Rachenraums unterstützt
physiologischer Speichel das Schlucken und Sprechen. Außerdem bildet Speichel
eine Barriere für Erreger und ist in der Lage, die Abwehr derer zu fördern. Aus den
wissenschaftlichen Erkenntnissen geht hervor, dass Hyaluronsäure ähnliche
Eigenschaften besitzt. Hyaluronsäure wird bereits länger mit großem Erfolg zum
Benetzen des Auges eingesetzt. Der Einsatz von Hyaluronsäure als
Speichelersatz sollte ebenso erfolgreich möglich sein.
Schlussfolgerungen: Ihre viskösen Eigenschaften ermöglichen der
Hyaluronsäure, Oberflächen gut und anhaltend zu benetzen. Hyaluronsäure
besitzt außerdem die Fähigkeit, die Abwehr von Erregern zu fördern. Als
Darreichung können Tabletten oder Pastillen bei mäßiger Speichelproduktion und
Flüssigpräparate bei stark ausgeprägter Mundtrockenheit erwogen werden.
Schlüsselwörter: Hyaluronsäure, Speichel, Speichelersatz, Sjögren-Syndrom
iv
Abstract
Background: By various diseases, such as Sjögren’s syndrome or Heerfordt
syndrome, the saliva production of patients is strikingly decreasing. Dry mouth
also occurs as a side effect of many medications. Very often Xerostomia is the
result of radiation in head and neck area. The decreased saliva production
considerably reduces life quality and has negative effects on oral mucosa, gingival
and teeth. Hyaluronic acid is found ubiquitously in the human body and shows in
solution similar properties to the physiological saliva. So hyaluronic acid could
serve as a saliva substitute.
Methods: Using scientific and literary sources the subjects are going to be
examined in detail and it will be shown that dissolved hyaluronic acid, due to the
saliva-like characteristics, is very well suited as a saliva substitute.
Results: By moistening mouth and throat saliva supports swallowing and
speaking. In addition, saliva is a barrier to pathogens and is further able to support
the defence of those. Hyaluronic acid has got these features as well, shown by the
scientific evidence. Hyaluronic acid is already successfully used for wetting of the
eye. Hyaluronic acid as artificial saliva might be equally successful.
Conclusion: Their viscous characteristics allow the hyaluronic acid to wet
surfaces well and consistently. Hyaluronic acid also has the ability to support the
defence against pathogens. As an administration for patients with moderate saliva
production left, tablets or pastilles, could be considered. Liquid products would be
taken for strongly pronounced dry mouth.
Key words: Hyaluronic acid, saliva, artificial saliva, Sicca syndrome
v
Inhaltsverzeichnis
Vorwort .................................................................................................................... ii
Danksagungen ....................................................................................................... iii
Zusammenfassung ................................................................................................. iv
Abstract ................................................................................................................... v
Inhaltsverzeichnis ................................................................................................... vi
Abbildungsverzeichnis .......................................................................................... viii
Tabellenverzeichnis ................................................................................................ xi
1
Einleitung ........................................................................................................ 1
1.1 Speichel .................................................................................................... 1
1.2 Speichelproduktion .................................................................................... 2
1.2.1 Speicheldrüsen ................................................................................... 3
1.2.2 Große Mundspeicheldrüsen ............................................................... 4
1.2.3 Kleine Mundspeicheldrüsen ................................................................ 5
1.3 Primär- und Sekundärspeichel .................................................................. 5
1.4 Zusammensetzung des Speichels............................................................. 6
1.4.1 Ptyalin ................................................................................................. 7
1.4.2 Muzine ................................................................................................ 7
1.4.3 Immunologisch aktive Stoffe im Speichel ........................................... 7
1.5 Speichelfunktionen .................................................................................... 8
1.5.1 Befeuchtung ....................................................................................... 8
1.5.2 Verdauung .......................................................................................... 8
1.5.3 Immunologische Aktivität .................................................................... 9
1.5.4 Schutz der Mundschleimhaut und des Zahnschmelzes .................... 10
1.5.5 Mechanische Reinigung ................................................................... 12
1.5.6 Übersicht der Funktion und der beteiligten Komponenten ................ 13
2 Veränderungen der Speichelmenge und Speichelzusammensetzung .......... 13
2.1 Vermehrter Speichelfluss ........................................................................ 14
2.1.1 Sialorrhoe als Nebenwirkung von Medikamenten ............................. 16
2.1.2 Therapeutische Optionen ................................................................. 16
2.2 Verminderte Speichelsekretion ............................................................... 17
2.2.1 Ursachen .......................................................................................... 18
2.2.2 Medikamente die Xerostomie verursachen können: ......................... 19
2.2.3 Erkrankungen der Speicheldrüsen.................................................... 20
2.2.4 Sjögren-Syndrom .............................................................................. 26
2.2.5 Heerfordt-Syndrom ........................................................................... 30
2.2.6 Strahlentherapie ............................................................................... 30
2.2.7 Radiojodtherapie............................................................................... 31
2.2.8 Weitere Faktoren der Xerostomie ..................................................... 31
2.2.9 Speichelverminderung - Auswirkungen auf Mund und Zähne .......... 31
2.2.10
Therapie ........................................................................................ 33
2.3 Speichelmessungen ................................................................................ 34
2.3.1 Messung der Speichelfließrate (stimuliert) ........................................ 34
vi
3
2.3.2 Messung der Pufferkapazität ............................................................ 35
2.3.3 Messung des mikrobiellen Milieus .................................................... 35
Speichelersatz............................................................................................... 35
4
Hyaluronsäure ............................................................................................... 40
4.1 Chemischer Aufbau und Biosynthese ..................................................... 41
4.2 Katabolismus ........................................................................................... 42
4.3 Vorkommen ............................................................................................. 43
4.4 Funktionen .............................................................................................. 44
4.4.1 Schmiermittel .................................................................................... 44
4.4.2 Druckbeständigkeit ........................................................................... 45
4.4.3 Platzhalterfunktion ............................................................................ 45
4.4.4 Biochemische Funktion ..................................................................... 45
4.4.5 Interaktion mit Rezeptoren ................................................................ 45
4.4.6 Wechselwirkungen ............................................................................ 46
4.5 Herstellung .............................................................................................. 46
4.6 Einsatz in der Medizin ............................................................................. 47
4.6.1 Hyaluronsäure in der Diagnostik ....................................................... 47
4.6.2 Behandlung von Gelenksbeschwerden ............................................ 48
4.6.3 Behandlungen am Auge ................................................................... 50
4.6.4 Hyaluronsäure in der ästhetischen Medizin ...................................... 56
4.6.5 Andere Anwendungsgebiete in der Medizin ..................................... 57
5 Hyaluronsäure als Speichelersatz ................................................................. 58
6
Diskussion ..................................................................................................... 60
6.1 Darreichung als Speichelersatz ............................................................... 60
7 Literaturverzeichnis ....................................................................................... 62
vii
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: REM-Aufnahme einer Speicheldrüse. Übernommen von:
http://www.grako837.de/images/crotte01.jpg. Bezogen am 30.11.2010. ........ 3
Abbildung 2: Die großen Mundspeicheldrüsen. Übernommen von:
http://www.opti-dent.eu/Upload/Bilder/Speicheldrüsen.jpg Bezogen am
29.11.2010. ..................................................................................................... 4
Abbildung 3: Das Enzym Ptyalin. Übernommen von:
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Salivary_alphaamylase_1SMD.png&filetimestamp=20070310003858. Bezogen am
1.12.2010. ....................................................................................................... 9
Abbildung 4: Schutzfaktoren des Speichels für den Zahn. Übernommen von:
http://www.agz-rnk.de/agz/content/3/3_1/3_1_3/index.php. Bezogen am
30.11.2010. ................................................................................................... 10
Abbildung 5: Xerostomie. Übernommen von: http://www.hopkinsarthritis.org/images/xerostomia.jpg. Bezogen am 3.12.2010......................... 17
Abbildung 6: Eitrige Sialadenitis. Übernommen von: http://www.niels-stensenkliniken.de/uploads/pics/Parotitis.jpg. Bezogen am 2.12.2010. ..................... 21
Abbildung 7: Sialadenitis. Übernommen von: http://bryanking.net/wpcontent/uploads/2010/06/sialadenitis-300x207.jpg. Bezogen am 2.12.2010. 21
Abbildung 8: Submandibulare Sialadenitis. Übernommen von:
http://1.bp.blogspot.com/_fBQVVpFhTQs/SjkxVqB3beI/AAAAAAAAAu0/ecKk
wa-0ae4/s320/sialadenitis-1.jpg. Bezogen am 2.12.2010. ............................ 22
Abbildung 9: Speichelstein schematisch. Übernommen von:
http://img.tfd.com/mosby/thumbs/50021X-fx12.jpg. Bezogen am 2.12.2010. 23
Abbildung 10: Speichelsteine. Übernommen von:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/e/e6/Sialolithiasis.jpg/2
50px-Sialolithiasis.jpg. Bezogen am 2.12.2010. ............................................ 23
Abbildung 11: Speichelsteinentfernung. Übernommen von:
http://scielo.isciii.es/img/revistas/medicorpa/v11n1/18i.ht76.jpg. Bezogen am
2.12.2010. ..................................................................................................... 24
Abbildung 12: Sialolithiasis radiologisch. Übernommen von:
http://www.learningradiology.com/caseofweek/caseoftheweekpix/cow96arrow
s.jpg. Bezogen am 2.12.2010........................................................................ 24
Abbildung 13: Keratoconjunctivitis. Übernommen von: http://www.augenklinikstgallen.ch/augenerkrankungen/rotes_auge/skleritis2.jpg. Bezogen am
3.12.2010. ..................................................................................................... 26
viii
Abbildung 14: Trockenes Auge. Übernommen von:
http://www.zirm.net/typo3temp/pics/4e301784d0.jpg. Bezogen am 3.12.2010.
...................................................................................................................... 26
Abbildung 15: Raynaud-Syndrom. Übernommen von: http://www.sanarheumazentrum.de/images/internistische-rheumatologie/kollagenosen-02.jpg.
Bezogen am 3.12.2010. ................................................................................ 27
Abbildung 16: Schirmer-Test. Übernommen von: Fotoarchiv, Universitätsklinik
für Augenheilkunde, Medizinische Universität Graz. Bezogen am 3.12.2010.
...................................................................................................................... 29
Abbildung 17: links: Sicca-Patient; rechts: normale
Tränenflüssigkeitsproduktion. Übernommen von: http://www.sanarheumazentrum.de/phpContent23/public/images/200712061219_4757dacb1e
cbc.jpg. Bezogen am 3.12.2010. ................................................................... 29
Abbildung 18: Strahlenkaries. Übernommen von: http://zahnerhaltung.ukwuerzburg.de/fileadmin/uk/zahnerhaltung/Dokumente/StuDent_Skript.pdf.
Bezogen am 4.12.2010. ................................................................................ 33
Abbildung 19: Set zur Bestimmung der Speichelfließrate. Übernommen von:
http://zahnerhaltung.ukwuerzburg.de/fileadmin/uk/zahnerhaltung/Dokumente/StuDent_Skript.pdf.
Bezogen am 4.12.2010. ................................................................................ 34
Abbildung 20: Disaccharidwiederholungseinheit der Hyaluronsäure.
Übernommen von: http://www.dr-pfleger.de/vulniphan/img/strukturformel.jpg.
Bezogen am 8.12.2010. ................................................................................ 41
Abbildung 21: Hyaluronsäure im Knorpelaufbau. Übernommen von:
http://www.kuvasz-vom-wolfskampe.de/Medikamente/images/matrix.jpg.
Bezogen am 8.12.2010. ................................................................................ 43
Abbildung 22: Zugangswege der intraartikulären Injektion ins Kniegelenk.
Übernommen von:
http://t2.gstatic.com/images?q=tbn:ANd9GcQJ6TGJKsSTrZpLpOGZSsKsy1G
PknymM7WDIz829drj5eP4oZqT. Bezogen am 9.12.2010. ........................... 49
Abbildung 23: Injektion am Patienten. Übernommen von
http://www.ihrarzt.de/_data/mediapool/documents/1248094309_die_hyalurons
aeure_ein_biologisches_wunderwerk.jpg. Bezogen am 9.12.2010............... 49
Abbildung 24: Beispiele für Trockene Augen und damit zusammenhängende
Entzündungen. Übernommen von: http://www.barmherzigebrueder.at/storage/img/article-4731-img2.jpg. Bezogen am 9.12.2010 ......... 50
Abbildung 25: Schichten des Tränenfilms. Übernommen von: Fotoarchiv,
Universitätsklinik für Augenheilkunde, Medizinische Universität Graz.
Bezogen am 9.12.2010. ................................................................................ 51
ix
Abbildung 26: Untersuchung mit der Spaltlampe. Übernommen von:
http://media.gesundheitsprechstunde.ch/data/2558.jpg. Bezogen am
9.12.2010. ..................................................................................................... 54
Abbildung 27: Tränenfilm mit Fluoreszein angefärbt. Übernommen von:
http://1.bp.blogspot.com/_wEKF3j8U81s/TNT2q04os2I/AAAAAAAAACM/cKW
v0mSg3HE/s1600/03-e.jpg. Bezogen am 9.12.2010. ................................... 54
Abbildung 28: Augentropfen als Tränenersatz-Mittel der Wahl. Übernommen
von: http://de.opticalexpress.com/img/eyeExpert/large-image-365.jpg.
Bezogen am 9.12.2010 ................................................................................. 55
x
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Bestandteile des Speichels. Übernommen von:
http://www.konsparo.med.uni-goettingen.de/Download/Der Speichel 2006.pdf.
Modifiziert am 30.11.2010. .............................................................................. 6
Tabelle 2: Sekretionsrate, ph-Wert und Pufferkapazität von Speichel
verschiedener Personen im Alter zwischen 15 und 55 Jahren.
Übernommen von: (Nikiforuk, G.: Understanding Dental Caries, Karger
Verlag, Basel, 1985). Modifiziert am 30.11.2010. .......................................... 12
Tabelle 3: Funktionen der Speichelkomponenten. Übernommen von:
http://www.agz-rnk.de/agz/content/3/3_1/3_1_3/index.php. Modifiziert am
30.11.2010. ................................................................................................... 13
Tabelle 4: Pharmakologische Speicheldrüsenstimulation. Übernommen von:
http://www.zahnaerzteblatt.de/page.php?modul=HTMLPages&pid=116.
Modifiziert am 7.12.2010. .............................................................................. 36
Tabelle 5: Speichelersatzmittel und deren führende Inhaltsstoffe.
Übernommen von:
http://www.zahnaerzteblatt.de/page.php?modul=HTMLPages&pid=116.
Modifiziert am 7.12.2010 ............................................................................... 38
Tabelle 6: Funktionen der Hyaluronsäure. Von Stefan Hasenburger,
Medizinische Universität Graz ....................................................................... 44
Tabelle 7: Ursachen des Trockenen Auges. Von Stefan Hasenburger,
Medizinische Universität Graz ....................................................................... 52
Tabelle 8: Medikamente mit Nebenwirkung „Trockenes Auge“. Von Stefan
Hasenburger, Medizinische Universität Graz ................................................ 53
Tabelle 9: Anwendungsgebiete der Hyaluronsäure. Von Stefan Hasenburger,
Medizinische Universität Graz ....................................................................... 56
xi
1 Einleitung
1.1 Speichel
Speichel (lat. saliva) ist ein exokrines Sekret, welches zu 99,5% aus H2O und zu
0,5% aus gelösten organischen und anorganischen Stoffen besteht.
Gebildet wird dieser zum größten Teil in den großen Mundspeicheldrüsen, der
Glandula parotidea (Ohrspeicheldrüse), der Glandula sublingualis
(Unterzungendrüse) und der Glandula submandibularis (Unterkieferdrüse), sowie
in den vielen im Mundraum vorhandenen kleinen Drüsen [1-2].
Die Regulation der Speichelsekretion hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab
und wird nicht nur von der Nahrungsaufnahme, sondern auch vom physischen
Zustand und von der psychischen Verfassung beeinflusst.
Die Speichelsekretion erfolgt reflektorisch und wird sowohl durch die Erregung des
Sympathikus als auch durch den Parasympathikus getragen [1-2].
Abgesehen von der immensen Bedeutung der Schutzfunktion des Speichels für
Mundschleimhaut und Zahnschmelz, der Abwehr von Erregern und der
mechanischen Reinigung, trägt der Speichel zur Aufspaltung von
Nahrungsbestandteilen bei. Weiters spielt die Speichelflüssigkeit eine
entscheidende Rolle beim Schlucken, Sprechen und Schmecken [1-2].
1
1.2 Speichelproduktion
Je nach Nahrungsaufnahme, Zustand der Speicheldrüsen und der allgemeinen
Verfassung des Menschen, produzieren die großen und kleinen Speicheldrüsen
am Tag durchschnittlich 1-2 Liter dieser Flüssigkeit. Der meiste Speichel wird von
den Gll. submandibulares (ca. 70%) und den Gll. parotideae (ca. 25%) produziert.
Den Rest von ca. 5% sezernieren die Gll. sublinguales und die unzähligen kleinen
Mundspeicheldrüsen. Generell wird die Speichelsekretion nicht nur vom
körperlichen Zustand beeinflußt, es spielen viele nervale Reize eine Rolle. Dies
führt zu Unterschieden in der Menge und der Zusammensetzung des produzierten
Speichels. So wird in der Nacht, während des Schlafens, zum Beispiel vermehrt
dickflüssiger (muzinreicher) Schleim sezerniert, davon aber geringere Mengen.
Kommt es durch bestimmte Reize zur Stimulation der Speichelproduktion werden
größere Mengen an dünnflüssigem Speichel erzeugt. Anregend auf die
Speichelproduktion wirken Geruchs- und Geschmacksempfindungen, Reizung der
Sehnerven oder auch der Tastnerven der Mundhöhle. Jeder kennt das Gefühl des
„Hungrigseins“ und darauf basierend den Gedanken an eine Lieblingsspeise. Wird
diese Speise dann auch noch am Nachbartisch verzehrt, läuft einem das Wasser
sprichwörtlich im Mund zusammen [3-5].
Auch Gemütszustände haben Einfluss auf die Speichelerzeugung. Die
Speichelproduktion kann bei Wut, Angst oder Stress verändert sein.
Die Steuerung der Speichelproduktion bzw. Sekretion erfolgt durch die Erregung
von Sympathikus und Parasympathikus. Letzterer führt zu einer generellen
Steigerung der Sekretion. Der Sympathikus fördert die Produktion eines
wasserarmen und muzinreichen Sekretes. Durch die schwankende
Zusammensetzung und Menge des Speichels ändert sich auch der pH-Wert. In
Ruhe beträgt der pH-Wert in etwa zwischen 6,5 und 6,9. Bei Stimulation steigt der
pH-Wert auf bis zu 7,2 an. Durch den schnelleren Abfluss wird nicht soviel Natrium
in das Lumen zurückresorbiert, somit wird der Mundspeichel alkalischer [3-5].
2
1.2.1 Speicheldrüsen
Die Entstehung der Speicheldrüsen (exokrine Drüsen) ist dem Ektoderm
zuzuordnen. Im Aufbau sind sich die Speicheldrüsen allesamt ähnlich.
Sie setzen sich aus Drüsenendstücken und einem mehr oder minder verzweigten
Ausführungsgangsystem zusammen. Die Drüsenendstücke sind in Läppchen
(Lobuli) gegliedert, das Ausführungsgangsystem kann man in Schaltstück,
Streifenstück und Ausführungsgang unterteilen.
Das Bindegewebe zwischen den Lobuli enthält Blutgefäße, Nervenfasern,
Lymphgefäße und eben die Ausführungsgänge [3-5].
Abbildung 1: REM-Aufnahme einer Speicheldrüse.
3
1.2.2 Große Mundspeicheldrüsen
Glandula parotidea:
Die Ohrspeicheldrüse produziert ausschließlich seröses Sekret und liegt etwas
nach vorne versetzt unterhalb des Ohres zwischen Kaumuskel (M. masseter) und
Hautoberfläche. Der Ausführungsgang der Glandula parotis, der Ductus
parotideus, mündet auf der Höhe des 2. Oberkiefermolaren in die Mundhöhle
[3-5].
Glandula submandibularis:
Die Unterkieferspeicheldrüse ist eine gemischte (sero-muköse) Drüse, produziert
jedoch vorwiegend seröses Sekret. Sie liegt beidseits an den Innenseiten des
Unterkiefers. Die Ausführungsgänge münden am vorderen Mundboden, unterhalb
der Zunge und seitlich des Zungenbändchens. Die Ausführungsgänge münden
gemeinsam mit denen der Gll. sublinguales [3-5].
Glandula sublingualis:
Die Unterzungenspeicheldrüse ist ebenso wie die Unterkieferspeicheldrüse eine
gemischte Drüse, jedoch produziert sie vorwiegend muköses Sekret.
Die Glandulae liegen in der Mundbodenmuskulatur und münden gemeinsam mit
den Ausführungsgängen der oben erwähnten Gll. submandibulares [3-5].
Abbildung 2: Die großen Mundspeicheldrüsen.
4
1.2.3 Kleine Mundspeicheldrüsen
Die kleinen Mundspeicheldrüsen sind in der Wand des gesamten Mundraumes
diffus verteilt. Sie setzen sich aus einer mehr oder minder großen Anzahl von
Endstücken und einem nicht sonderlich gegliederten Ausführungsgang
zusammen. Sie produzieren ständig Ruhespeichel und werden nach ihrer Lage in
der Mundhöhle benannt [3-5].
Gll. labiales (Lippendrüsen)
Gll. buccales (Wangendrüsen)
Gll. linguales anteriores et posteriores (Zungendrüsen)
Gll. gustatoriae (Spüldrüsen der Geschmacksknospen, „Ebner-Drüsen“)
Gll. palatinae (Gaumendrüsen)
Gll. molares (Mahlzahndrüsen)
1.3 Primär- und Sekundärspeichel
Die Speichelproduktion in den Drüsen ist in zwei Phasen bzw.
Produktionsschritte unterteilt:
Phase 1:
Zunächst wird der Primärspeichel, der eine ähnliche Elektrolytzusammensetzung
wie das Plasma hat, in den Endstücken (Azini) der Drüsen gebildet. Die Bildung
des Primärspeichels in den Azini geschieht aufgrund des transzellulären
Transportes von Chlorid: Es wird auf der Blutseite aktiv von einem NatriumKalium-2Chlorid-Cotransport-Carrier aufgenommen und luminal wieder
abgegeben. Dadurch entsteht ein negatives Potential lumenseitig, welches
Natrium ebenfalls ins Innere treibt und durch den osmotischen Gradienten auch
Wasser nach sich zieht. Der Primärspeichel ist blutisoton und wird danach an das
Gangsystem der Drüse abgegeben [2,4,6].
5
Phase 2:
Die blutisotone Zusammensetzung des Primärspeichels wird danach noch in ihrer
Ionen-Zusammensetzung verändert. Es erfolgt eine Rückresorption von Na- und
Chlorid-Ionen aus dem Lumen heraus und zugleich werden Kalium- sowie
Bicarbonat-Ionen in den Innenraum des Ausführungsganges transportiert. Die
NaCl-Resorption überwiegt gegenüber der Sekretion von Bicarbonat und Kalium,
somit entsteht ein die meiste Zeit hypotoner Sekundärspeichel. Steigt die
Flussrate aber stark an, geraten diese Prozesse ins Hintertreffen, und die
Zusammensetzung des Sekundärspeichels nähert sich der des Primärspeichels
[2,4,6].
1.4 Zusammensetzung des Speichels
Der Speichel setzt sich aus ca. 0,5% gelösten Bestandteilen, zuzüglich der
99,5%igen Beteiligung an Wasser zusammen. Unter den gelösten Bestandteilen
ist eine alpha-Amylase namens Ptyalin hervorzuheben. Dieses Enzym ist in der
Lage, Nahrungsbestandteile zu zerlegen, indem es Stärke spaltet.
Abgesehen von Ptyalin, sind gewisse Schleimstoffe (Muzine) und Abwehrstoffe
wie Immunglobulin A oder das Lysozym im Speichel enthalten [2,4,6].
Bestandteile des Speichels
H2O
Enzyme
Mineralstoffe
Immunglobuline
Spurenelemente
Puffersubstanzen
Glykoproteine
Zelluläre Bestandteile
Fungizide Stoffe
Bakterizide Stoffe
Tabelle 1: Bestandteile des Speichels.
6
1.4.1 Ptyalin
Ptyalin ist in der Lage, Kohlenhydrate zu spalten und wird ausschließlich von den
Gll. parotideae gebildet. Dieser Vorgang ist jedenfalls nur dann möglich, wenn
dieses Enzym dafür genug Zeit zur Verfügung hat.
Heutzutage, in Zeiten des Fastfood, werden die Speisen meist nur ungenügend
gekaut und sehr schnell geschluckt. Dadurch kann dieses Enzym seine Wirkung
nicht mehr richtig entfalten. Weiters spielt diese Amylase eine wichtige Rolle, um
Kariesentstehung zu verhindern [2,4,6].
1.4.2 Muzine
Unter Muzinen oder Schleimstoffen, bezogen auf den Mundspeichel, versteht man
Glykoproteine, die zu etwa 50% aus Kohlenhydraten bestehen.
Sie dienen vor allem dazu, dass die Nahrung eingeschleimt wird und leichter
geschluckt werden kann. Aber sie sind auch für die Sprachfunktion und das
Schmecken von Bedeutung [2,4,6].
1.4.3 Immunologisch aktive Stoffe im Speichel
Die Mundhöhle ist ein Raum, welcher durch den Kontakt mit der Außenwelt immer
wieder mit Fremdstoffen und Krankheitserregern in Berührung kommt.
Somit ist die immunologische Abwehr in dieser Gegend von großer Bedeutung,
um nicht als barrierelose Eintrittspforte für Mikroorganismen zu dienen.
Bezogen auf den Speichel, dienen Immunglobuline der Klasse A (IgAs), das
Lysozym und Laktoferrin der antibakteriellen Abwehr [2,4,6].
7
1.5 Speichelfunktionen
1. Befeuchtung
2. Verdauung
3. Immunologische Aktivität
4. Schutz von Mundschleimhaut und Zahnschmelz
5. Mechanische Reinigung
1.5.1 Befeuchtung
Das Feuchthalten der Mundhöhle ist wichtig für die Funktion der Sprache, das
Schlucken, den Geschmack und spielt eine Rolle beim Wahrnehmen von
Gerüchen. Durch den Speichel ist es erst möglich, dass Moleküle, welche den
Geschmack an den Geschmacksknospen auslösen, in den gelösten Zustand
übergehen. Abgesehen davon, dass das Fehlen von Speichel für das Gewebe
destruierend wirken würde, wäre das Sprechen in dieser Form nicht möglich.
Durch die Schleimschicht wird die Schleimhaut vor Verletzungen und
Austrocknung geschützt. Die Muzinschicht erschwert sowohl das Anhaften von
Erregen aber auch von anorganischen Substanzen. Der Speichel wirkt durch
seine Muzinschicht außerdem antikarzinogen, setzt die Angreifbarkeit durch
Enzyme herab und beschleunigt die Wundheilung aufgrund der verkürzten
Gerinnungszeit [2,4,6].
1.5.2 Verdauung
Beim Kauen von Speisen werden diese mit Speichel gemischt. Es entsteht ein
Brei (Chymus), der leicht zu schlucken ist und die weitere Verdauung begünstigt.
Das im Speichel enthaltene Enzym Ptyalin spaltet Kohlenhydratketten auf, wenn
es die geeignete Zeit dazu hat. Wie bereits erwähnt ist dies durch die FastfoodEsskultur nicht immer der Fall. Bekommen die Enzyme, die zum Aufspalten von
Kohlenhydraten benötigte Zeit nicht, gelangen sie vorzeitig in den Magen und
werden dort durch die Magensäure inaktiviert [2,4,6].
8
Abbildung 3: Das Enzym Ptyalin.
1.5.3 Immunologische Aktivität
Das im Speichel vorhandene Immunglobulin A schützt die Mundhöhle auf drei
Arten vor Erregern. Es bindet Mikroorganismen schon im Lumen und verhindert
somit das Eindringen in die Zellen. Dringen Erreger dennoch in Epithelzellen ein,
ist es dem IgA auch dort möglich, diese zu binden und deren Ausschleusung zu
initiieren. Derselbe Effekt kommt auch in der Submukosa zum Tragen.
Der zweite im Speichel vorhandene immunologisch aktive Faktor ist das Lysozym.
Dieses basische Enzym wirkt bakterizid und kann die Wände von Bakterien
zerstören. Lysozym ist ein Hauptbestandteil der Halsschmerztabletten
Frubienzym. Das im Mundspeichel enthaltene Laktoferrin entzieht den Bakterien
das nötige Eisen und wirkt ihnen dadurch entgegen. Histidinreiche Peptide im
Speichel wirken fungistatisch. Weiters ist die Speichelperoxidase
(Lactoperoxidase) zu erwähnen, welche hemmend auf die organische
Säureproduktion der Bakterien wirkt. Sie blockiert deren Kohlenhydratabbau. Die
Lactoperoxidase macht besonders Bakterien wie Lactobazillen und den für die
Kariesentstehung mitverantwortlichen Streptokokkus mutans angreifbar [2,4,6].
9
1.5.4 Schutz der Mundschleimhaut und des Zahnschmelzes
Immunglobuline (IgAs) des Mundspeichels binden Bakterien und führen zu deren
Verklumpung, damit ist es ihnen nicht möglich, am Zahn haften zu bleiben.
Lysozym bewirkt eine Auflösung der Bakterienzellwände, und Lactoferrin entzieht
den Bakterien Eisen. Weiters verhindert die Speichelperoxidase den
Kohlenhydratabbau in den Bakterien. Diese Faktoren gemeinsam sorgen für den
Schutz der Zähne und des Schmelzes und nehmen dadurch eine tragende Rolle
in der Kariesprophylaxe ein. Wenn dieses Gleichgewicht an einer oder mehreren
Stellen gestört wird, ist diese Schutzfunktion wesentlich beeinträchtigt, so z.B. bei
immungeschwächten Personen. Eine verminderte Produktion von Speichel, wie es
nach einer Bestrahlung der Fall ist, geht mit einem bei weitem gesteigerten
Kariesrisiko einher. Auch beim so genannten Nursing-Bottle-Syndrom ist das
Gleichgewicht im Mund gestört und die Schutzfunktion des Speichels damit oft
stark beeinträchtigt. Das Nursing-Bottle-Syndrom ist dadurch definiert, dass Kinder
im Übermaß süße Getränke bekommen. Besonders nachts, wenn die
Mundspeichelproduktion herabgesetzt ist, kann der Speichel seine Schutzfunktion
nicht mehr ausüben. Folge davon sind katastrophal zerstörte Zähne [2,4,6].
Abbildung 4: Schutzfaktoren des Speichels für den Zahn.
10
1.5.4.1 Remineralisation
Im Speichel sind Mineralsalze wie Fluorid, Phosphat, Calcium oder das Protein
Statherin enthalten. Sie unterstützen den Zahn beim Erhalten der Mineralisation.
Bei der Nahrungsaufnahme, insbesondere durch die ungesunden gesüßten
Speisen, entsteht Säure durch den Abbau von Kohlenhydraten. Die entstehende
Säure wirkt auf den Zahnschmelz zerstörend, und die Mineralisation wird
geschwächt. Der Mundspeichel wirkt auf die Säuren verdünnend und nimmt eine
Pufferfunktion ein. Zudem fördert er die Remineralisation durch die vorhandenen
Mineralsalze. Solange, bezogen auf die Mineralisation, eine Balance zwischen
den abbauenden und den einlagernden Faktoren besteht, wird die
Kariesentstehung weitestgehend verhindert. Beansprucht man das System jedoch
übermäßig, sind diese Schutzmechanismen ineffizient [2,4,6].
1.5.4.2 Pufferfunktion
Im Mundspeichel sind zwei Puffersysteme von Bedeutung, nämlich das
Bicarbonat- und das Phosphatpuffersystem. Durch Säuren, die entweder bereits
mit der Nahrung aufgenommen werden (Zitrusfrüchte, Obst, Cola…) oder durch
den Abbau durch Bakterien entstehen, kann der Zahnschmelz stark belastet
werden. Durch die Puffersysteme wird ein Großteil der Säure neutralisiert.
Das funktioniert jedoch nur, wenn das System nicht überfordert wird und der
Säure Einhalt gebieten kann, in anderen Worten, die Demineralisation gegenüber
der Remineralisation nicht überwiegt.
Die Schwankungsbreite des pH-Wertes bewegt sich zwischen dem Wert 6 und
7,5. Sinkt dieser jedoch unter die Marke von 5,5 führt dies zu überwiegender
Demineralisation und somit zu Karies. Gleichermaßen schützen diese
Puffersysteme die Mundschleimhaut vor Säuren und verhindern somit die
Entstehung eines für das Schleimhautepithel schädlichen Klimas [2,4,6].
11
Sekretionsrate, pH-Wert und Pufferkapazität von Speichel verschiedener
Personen im Alter zwischen 15 und 55 Jahren.
Sekretionsrate ml/min
Ruhe-Speichel
Stimulierter Speichel
normal
0,25 - 0,35 ml/min
1 – 3 ml/min
sehr niedrig
<0,1
<0,7
normal
6,5 - 6,9
7,0 - 7,5
sehr niedrig
<6,3
<6,8
4,25 - 4,75
5,75 - 6,5
pH-Wert
Pufferkapazität
normaler End-pH-Wert
Tabelle 2: Sekretionsrate, ph-Wert und Pufferkapazität von Speichel verschiedener
Personen im Alter zwischen 15 und 55 Jahren.
1.5.5 Mechanische Reinigung
Die Speichelproduktion und das damit verbundene Schlucken desselben sorgen
für einen fortwährenden Abtransport von Bakterien, abgestorbenen Epithelzellen
und Nahrungsbestandteilen. Da das Anhaften und Verweilen von Bakterien an
einem Ort ein Hauptfaktor dafür ist, dass diese ihre schädliche Wirkung entfalten
und sich vermehren können, ist der Abtransport eine wichtige antibakterielle
Funktion [2,4,6].
12
1.5.6 Übersicht der Funktion und der beteiligten Komponenten
Funktion
beteiligte Speichelkomponente
Befeuchtung
Gesamtflüssigkeit
Spülfunktion
Gesamtflüssigkeit
Lösen von Geschmacksstoffen
Gesamtflüssigkeit
Benetzen der Speisen
Glykoproteine, Muzin
Pufferung von Säuren
Bicarbonat, Phosphat
Remineralisation
Fluorid, Phosphat, Calzium
Antibakterielle Wirkung
Antikörper, Lysozym, Lactoferrin
Verdauung der Nahrung
Amylase (Ptyalin)
Tabelle 3: Funktionen der Speichelkomponenten.
2 Veränderungen der Speichelmenge und
Speichelzusammensetzung
Außer der Zusammensetzung des Speichels ändert sich bei Störungen vor allem
die Menge, und es kommt zu einer vermehrten oder zu einer verminderten
Speichelproduktion [7].
Man differenziert daher:
Hypersalivation/Hypersialie:………………………..Vermehrte Speichelsekretion
Normosalivation/Normosialie:………..……………....Normale Speichelsekretion
Hyposalivation/Hyposialie/Oligosialie:………….Verminderte Speichelsekretion
Asialie:………………………………………………………..Keine Speichelsekretion
13
Diagnostisch misst man die Speichelmenge mittels Sialometrie. Sollte diese
pathologisch verändert sein spricht man von „Dyschylie“ [7].
Die Sekretionsrate von Speichel variiert je nach Stimulation und beträgt zwischen
0,1 und 4 ml/min, summiert sich zu circa 0,5 – 1,5 l/d auf. Wobei die Sekretion von
unstimuliertem Speichel (Ruhespeichel) sich etwa in den Grenzen zwischen 0,1 –
0,5 ml/min bewegt und die stimulierte Mundspeichelproduktion von 0,5 bis auf
4 ml/min ansteigen kann. Während einer Nachtruhe von etwa 7 Stunden wird eine
Menge von 20 ml Speichel pro Stunde produziert.
Eine normale Sekretionsrate beträgt mindestens 0,7 ml/min, liegt diese darunter
spricht man von Oligosialie [7].
2.1 Vermehrter Speichelfluss
Übermäßig gesteigerter Speichelfluss (Sialorrhoe, Hypersalvation oder
Ptyalismus) ist für Betroffene oft sehr belastend. Von der Umwelt werden die damit
zusammenhängende „feuchte Aussprache“ oder das „Sabbern“ als negativ und
störend wahrgenommen. Für Patienten sind neben diesen Umständen auch die
gesundheitlichen Probleme von großer Bedeutung. Hautinfektionen, Husten,
Würgen oder Erbrechen sind Begleiterscheinungen der übermäßigen
Mundspeichelproduktion. Gelangt jedoch Speichel aus dem Mundraum, welcher
auch immer Bakterien enthält, in den Respirationstrakt, kann dies zu ernsthaften
Pneumonien oder anderen Infektionen des Atemtraktes führen [8].
Es kommt zu einer vermehrten Speichelmenge, wenn die Produktion erhöht ist
oder der Speichel nur ungenügend abtransportiert wird. Bei Kleinkindern ist ein
vermehrter Speichelfluss bis zum vierten Lebensjahr normal. Sialorrhoe hilft den
Kindern beim Trinken der Muttermilch, da die Saugwirkung unterstützt wird.
Am Beginn der Schwangerschaft bis zum 4. Monat wirkt der Parasympathikus
verstärkt, und es kann der so genannte Ptyalismus gravidarum auftreten [8].
14
Durch saure Speisen steigt die Sekretion von Mundspeichel kurzfristig.
Appetitanregende Nahrung, emotionale Erregung, aber auch durch Übelkeit oder
Fremdkörper in der Rachengegend wird die Speichelproduktion erhöht.
Pathologisch gesteigerter Speichelfluss kann viele Ursachen haben. So spielen
lokale Faktoren, Allgemeinerkrankungen, neurologische Defekte bzw.
Steuerungsfehler und Medikamente eine Rolle [8].
Myasthenia gravis ist eine Autoimmunerkrankung, bei der die neuromuskuläre
Übertragung fehlerhaft ist. Antikörper blockieren die Acetylcholin-Rezeptoren und
stören damit Muskelkontraktionen. Dies gilt natürlich auch für die Muskeln der
Schlundmuskulatur. Somit ist der Schluckakt beeinträchtigt, und der Speichel kann
nur ungenügend abtransportiert werden. Daher kommt es bei Patienten dieses
Syndroms unter anderem zum Symptom „feuchte Sprache“.
Sialorrhoe tritt oftmals bei neurologischen Erkrankungen auf. EpilepsieAnfälle, Morbus Parkinson oder die amyotrophe Lateralsklerose sind Beispiele
für mit Sialorrhoe verbundene zentralnervöse Störungen. Auch Defekte des
Nervus facialis oder des Nervus trigeminus können zu vermehrter
Speichelsekretion führen. Bei neurologischen Erkrankungen sind sehr oft ein
verminderter Abfluss durch Schluckstörungen oder eine geringere
Schluckfrequenz Auslöser einer Hypersalvation [8].
Lokal bedingte Sialorrhoe kann bei starkem Kariesbefall, Zahnfehlstellungen,
Gebissprothesen, Entzündungen und Verätzungen der Mundschleimhaut
vorkommen. Es ist möglich, dass psychatrische Erkrankungen, wie
Schizophrenie oder manische Depression, mit einer Hypersalvation
einhergehen. Auch als Frühsymptom eines Ösophaguskarzinoms tritt
Sialorrhoe gelegentlich auf. Eine Vergiftung durch Quecksilber, die Infektion
mit Tollwut oder Speicheldrüsenerkrankungen sind weitere Ursachen für
Hypersialie [8].
Vermehrter Speichelfluss ist eine Nebenwirkung verschiedener Medikamente und
kann ein deutliches Zeichen für Vergiftungen sein [8].
15
2.1.1 Sialorrhoe als Nebenwirkung von Medikamenten
Parasympathomimetika: Carbachol und Pilocarpin (Wirkung über
Muscarinrezeptoren) können Sialorrhoe als Nebenwirkung ergeben [8].
Cholinesterase-Blocker: Physostigmin, Neostigmin und Organophosphate
wirken indirekt parasympathomimetisch, indem sie den Abbau des
Neurotransmitters Acetylcholin an den muscarinergen Synapsen verhindern [8].
Neuroleptika: Ein Drittel bis zur Hälfte der mit Clozapin behandelten Patienten
leidet unter Sialorrhö [8].
Weitere Medikamente mit Nebenwirkung: Sialorrhoe
Sympatholytika
Mucosa-irritierende Antibiotika
herzwirksame Glykoside
Theophyllin
Reserpin
Clonazepam
Morphin und Apomorphin
2.1.2 Therapeutische Optionen
Um der Sialorrhoe entgegen zu wirken, wird zunächst versucht, die
Grunderkrankung zu beseitigen. Wenn dies nicht möglich ist, können
Medikamente als Therapieoption herangezogen werden. Jedoch sind zurzeit keine
Medikamente zugelassen, die eigens gegen vermehrten Speichelfluss wirksam
sind. Genützt werden vor allem Medikamente, die als Nebenwirkung
Mundtrockenheit verursachen [8].
16
Man bedient sich hier vor allem der anticholinergen Wirkung von
Parasympatholytika. Muscarinrezeptor-Antagonisten wie Scopolamin oder Atropin
reduzieren die Speichelproduktion deutlich. Dabei ist es wichtig, die
Kontraindikationen im Auge zu behalten. Ist die Ursache für vermehrten
Speichelfluss an sich ein Medikament, muss anhand des Kosten-Nutzen-Prinzips
vorsichtig abgewogen werden, ob eine Reduzierung im Bereich des Möglichen ist
und Sinn macht [8].
2.2 Verminderte Speichelsekretion
Mundtrockenheit (Xerostomie) wird meistens vertretend für alle auf verminderte
Mundspeichelkonzentration hinweisenden Bezeichnungen, wie Oligosialie,
Hyposalviation oder Asialie, verwendet. Meist klagen Patienten über dieses oder
andere damit zusammenhängende Symptome, wenn die normale
Speichelsekretion über 50% verringert ist [7,9].
Abbildung 5: Xerostomie.
17
Verminderte Speichelsekretion äußert sich durch:
» Trockene Schleimhäute
» Kleben der Zunge
» Zungenbrennen
» Geschmacksstörungen
» Schmerzen beim Sprechen, Kauen und Schlucken
» Foetor ex ore (Mundgeruch)
» Schlechte Saughaftung der Prothesen
» Ausgeprägtes Durstgefühl
» Trockene, rissige Lippen
» Gingivitis (Zahnfleischentzündung)
» Parodontitis (entzündliche Erkrankung des Zahnhalteapparates)
» Zungenoberfläche oft gerötet, schmerzhaft und entzündet
» Schlafstörungen
» Karies
» Trockene Nase/Augen
2.2.1 Ursachen
Xerostomie hat viele ursächliche Gründe. Sehr oft sind Nebenwirkungen von
Medikamenten Auslöser der „Mundtrockenheit“. Akute oder chronische
Erkrankungen der Speicheldrüsen, systemische Erkrankungen und Bestrahlungen
im Hals-Kopfbereich können ebenfalls Hyposalivation oder Asialie zur Folge
haben. Aber auch Alter, Stress und Mundatmung können eine wesentliche Rolle
spielen [7,9].
18
2.2.2 Medikamente die Xerostomie verursachen können:
Antiallergika
Anticholinergika
Antihistaminika
Antihypertensiva
Antiparkinson-Medikamente
Antazida
Benzodiazepine
Diuretika
Hypnotika
Sedativa
Trizyklische Antidepressiva
Zytostatika
Bei älteren Patienten nehmen Medikamente die Hauptursache für Hyposalivation
ein. Heute ist bekannt, dass über 400 Medikamente zu einer Unterfunktion der
Speicheldrüsen führen können. Bis zu achtzig Prozent der am meisten
verschriebenen Arzneimittel haben Xerostomie als mögliche Nebenwirkung. Mit
dem Alter nimmt die Anzahl der eingenommenen Medikamente deutlich zu,
sodass zwei Drittel der über sechzigjährigen mindestens eines dieser Arzneimittel
einnehmen. Sehr oft ist die erwünschte Hauptwirkung mit der Nebenwirkung
Mundtrockenheit aufgrund des Wirkmechanismus untrennbar verbunden. Sollte
dies nicht der Fall sein, kann überlegt werden, die Medikation umzustellen.
Medikamente, welche die Aktivität des Parasympathikus dämpfen bzw.
anticholinerg wirken, blockieren den Neurotransmitter Acetylcholin und hemmen
somit auch die Speicheldrüsen. Die Hemmung der Speicheldrüsen ist hier ein
Nebeneffekt der erwünschten Wirkung [7,9].
19
2.2.3 Erkrankungen der Speicheldrüsen
Erkrankungen der Speicheldrüse können infektiöser, nicht-infektiöser oder
neoplastischer Herkunft sein.
Bei älteren Menschen sind bakterielle Infektionen häufiger. Diese äußern sich
durch Schwellung, Schmerzen und Austritt von Eiter.
Virale Infektionen kommen bei Menschen jeden Alters vor, besonders aber bei
Immunsupprimierten. Nicht-infektiöse Erkrankungen werden zumeist aufgrund
einer Obstruktion der Ausführungsgänge verursacht. Akuten Schwellungen liegt
meistens die Bildung eines Speichelsteines zugrunde.
Speicheldrüsentumore sind in den meisten Fällen gutartige pleomorphe Adenome,
die jedoch in seltenen Fällen entarten können. Xerostomie und trockene Augen
sind die Hauptsymptome des Sjögren-Syndroms, auch das Heerfordt-Syndrom
und der Morbus Zagari sind eng mit Hyposalivation verknüpft [10-14].
2.2.3.1 Speicheldrüsen-Entzündung (Sialadenitis)
Symptome einer Speicheldrüsen-Entzündung sind vor allem Schwellung und
Schmerz. Meistens reicht ein geschulter Blick aus, um die Diagnose stellen zu
können. Die Behandlung umfasst die Gabe von Antibiotika und nicht selten eine
Inzision. Akute bakterielle Entzündungen werden durch Streptokokken oder
Staphylokokken hervorgerufen. Speichelsteine begünstigen deren Entstehung.
Virale Erreger von Speicheldrüsenentzündungen sind das Mumpsvirus,
Influenzaviren, das Cocksackie-Virus und das Zytomegalievirus.
Auch Autoimmunerkrankungen wie das Sjögren-Syndrom oder Bestrahlungen
können natürlich Entzündungen auslösen [10-14].
20
Abbildung 6: Eitrige Sialadenitis.
Abbildung 7: Sialadenitis.
21
Abbildung 8: Submandibulare Sialadenitis.
2.2.3.2 Speichelsteine (Sialolithiasis)
Die genaue Ursache der Speichelsteinentstehung ist noch nicht vollständig
geklärt. Sicher ist, dass Dyschylie bzw. die veränderte Zusammensetzung des
Speichels, eine Rolle spielt. Fördernd für die Entstehung sind Abflussstörungen,
Entzündungen und metabolische Störungen, die mit einer erhöhten
Calciumkonzentration im Speichel einhergehen. Auch der lange gewundene
Ausführungsgang der Glandula submandibularis und deren relativ visköse
Sekretzusammensetzung scheinen prädisponierend für die Steinentstehung zu
wirken [10-14].
Deshalb treten ca. 83% der Speicheldrüsensteine in den Gll. submandibulares,
etwa 10% in den Gll. parotideae und nur 7% in den Gll. sublinguales auf. Die
Speichelsteine bestehen hauptsächlich aus Calciumphosphat. Komplikationen
sind Entzündungen und Fistelbildungen. Patienten haben außer den
Entzündungszeichen oft kolikartige Schmerzen nach der Nahrungsaufnahme
(Sekretstauung) [10-14].
22
In der Vergangenheit war man oft gezwungen, den Stein samt Drüse zu entfernen.
Heute bedient man sich eines Stufenkonzeptes mit dem Ziel der Organerhaltung.
Man bedient sich dabei zunächst konservativer Methoden, wie Drüsenmassagen
und Gangdilatationen, um eine endoskopische Entfernung möglich zu machen.
Funktioniert dies nicht, erweist häufig die Lithotripsie einen sehr guten Dienst. Der
Stein wird durch dieses Verfahren zertrümmert, damit sind die einzelnen
Konkremente leichter zu entfernen. Sind all diese Methoden ausgeschöpft und
haben nicht den gewünschten Erfolg gebracht, wählt man die Gangschlitzung,
Teil- oder Totalextraktion als Therapie [10-14].
Abbildung 9: Speichelstein schematisch.
Abbildung 10: Speichelsteine.
23
Abbildung 11: Speichelsteinentfernung.
Abbildung 12: Sialolithiasis radiologisch.
24
2.2.3.3 Tumoren der Speicheldrüsen
Speicheldrüsentumoren betreffen in ca. 80% der Fälle die Ohrspeicheldrüse
(Glandula parotis), in drei Viertel der Fälle handelt es sich um gutartige Tumoren
und in einem Viertel sind es Malignome. Das pleomorphe Adenom ist der bei
weitem am häufigsten vorkommende gutartige Tumor. Am zweithäufigsten tritt das
Zystadeno-Lymphom (Warthin-Tumor) auf [10-14].
Bösartige Tumoren unterscheiden sich aufgrund ihrer zellulären Struktur, und es
gibt eine Reihe von Subtypen. Die häufigsten Malignome der Speicheldrüsen sind
Adenokarzinome, Plattenepithelkarzinome, das andenozystische Karzinom, das
Acinuszell-Karzinom und das Mucoepidermoid-Karzinom [10-14].
Speicheldrüsenmischtumor (pleomorphes Adenom)
Das pleomorphe Adenom ist mit 65% aller Parotisgeschwülste der häufigste
Tumor der Speicheldrüsen. Vermehrt sind Frauen zwischen dem fünften und
sechsten Lebensjahrzehnt betroffen. Obwohl der Speicheldrüsenmischtumor an
sich ein gutartiges Gewächs ist, besteht leider auch hier, die, wenn auch seltene,
Möglichkeit der Entartung. Diese Art von Tumor ist nicht sehr sensibel auf
Strahlen- oder Chemotherapie, somit gilt die chirurgische Entfernung als Therapie
der Wahl. Danach sind engmaschige Kontrollen zu empfehlen, da Rezidive
auftreten können [10-14].
Warthin-Tumor (Zystadenolymphom)
Dieser benigne Tumor betrifft vor allem Männer jenseits des sechzigsten
Lebensjahres. Rezidive oder eine Entartung sind äußerst selten [10-14].
Bösartige Tumoren der Speicheldrüsen
Malignome der Speicheldrüsen sind relativ selten, müssen jedoch sehr ernst
genommen werden, da sie rasch an Größe zunehmen und früh metastasieren.
Bei der Diagnose weisen 15 – 35% Prozent bereits Fernmetastasen auf. Selbst
bei optimaler Therapie kommt es in 40 – 80% der Fälle zum Auftreten eines
Rezidivs. Zudem infiltrieren bösartige Tumoren früh das umliegende Gewebe und
machen eine chirurgische Totalresektion äußerst kompliziert [10-14].
25
2.2.4 Sjögren-Syndrom
Das Sjögren-Syndrom (Sicca-Syndrom; lat. siccus: trocken) ist eine
Autoimmunerkrankung die den Kollagenosen zugeordnet wird. Die genaue
Ursache ist bis heute ungeklärt. Es handelt sich um eine chronisch progressive
Autoimmunerkrankung des exokrinen Drüsengewebes. Körpereigene
Abwehrzellen greifen Speichel- und Tränendrüsen und/oder Talgdrüsen an
[10,15,21].
Abbildung 13: Keratoconjunctivitis.
Abbildung 14: Trockenes Auge.
Symptome sind vor allem Keratoconjunctivitis sicca und Xerostomie, das
Versiegen exokriner Sekretion (Speichel-, Tränen-, Talgdrüsen), Hypoazidität des
Magens, exokrine Pankreasinsuffizienz, Parotitis, Karies und Dyspareunie
[10,15,21].
26
Eingeteilt wird das Sjögren-Syndrom in ein primäres Sicca-Syndrom (keine
Assoziation mit rheumatoider Arthritis) und ein sekundäres Sicca-Syndrom
(assoziiert mit rheumatoider Arthritis und anderen rheumatologischen
Erkrankungen, wie Lupus erythematodes, Polymyositis oder Sklerodermie)
[10,15,21].
Weitere Symptome sind abnorm geschwollene Glandulae parotideae, Trockenheit
von Nase, Haut und Vagina, starke Müdigkeit, Gelenksentzündungen,
Muskelschmerzen oder das Raynaud-Syndrom. Seltener sind andere Organe wie
Niere, Lunge, Blutgefäße, Leber, Pankreas oder sogar das Gehirn betroffen
[10,15,21].
Abbildung 15: Raynaud-Syndrom.
27
Neurologische/Neuromuskuläre Symptome:
Myalgie
Myopathie
Neuropathie (charakterisiert durch Empfindungsstörungen)
Karpaltunnel-Syndrom, Tarsaltunnel-Syndrom
Meningitis (aseptisch)
Sprachstörungen
Bewegungsstörungen
Brown-Sequard-Syndrom (motorische Lähmung)
Die Hauptsymptome, trockene Augen und trockener Mund, sind sehr häufig und
somit für eine Diagnose zu wenig spezifisch. Sind damit aber häufige oder stetige
Gelenksentzündungen verbunden, ist die Diagnose Sicca-Syndrom wahrscheinlich
[10,15,21].
Zur definitiven Diagnose benötigt man aber eine Blutuntersuchung auf
Autoantikörper. Jedoch werden einige Autoantikörper auch bei anderen
Krankheiten nachgewiesen. Da das Sjögren-Syndrom oft mit weiteren
Autoimmunerkrankungen vergesellschaftet ist, sind einige Autoantikörper nicht
spezifisch genug. Spezifischer für das Sicca-Syndrom sind Anti-SS-B-Antikörper.
Zur Diagnosesicherung kann eine Biopsie aus den Speicheldrüsen entnommen
werden [10,15,21].
Die verminderte Tränenproduktion lässt sich durch den Schirmer-Test
nachweisen. Dabei wird ein Filterpapier unter dem Unterlid platziert und dort 5
Minuten belassen. Patienten die am Sicca-Syndrom leiden, produzieren weniger
als ein Drittel der als normal geltenden Tränenmenge [10,15,21].
28
Abbildung 16: Schirmer-Test.
Abbildung 17: links: Sicca-Patient; rechts: normale Tränenflüssigkeitsproduktion.
Da das Sjögren-Syndrom nicht geheilt werden kann, beschränkt sich die Therapie
auf die Behandlung der Symptome. Das Trockene Auge lässt sich mit künstlicher
Tränenflüssigkeit, in Form von Augentropfen, sehr gut behandeln. Gegen den
trockenen Mund sind spezielle Sprays oder Lutschtabletten im Handel erhältlich,
auch das Kaugummikauen regt die Speichelproduktion ein wenig an. Da
Personen, die an Mundtrockenheit leiden, sehr anfällig für die Entstehung von
Karies sind, sollte sehr auf die Zahnhygiene geachtet werden. Die
Gelenksschmerzen lassen sich meistens, besonders zu Beginn der Erkrankung,
gut mit entzündungshemmenden Medikamenten in Griff bekommen. In
fortgeschrittenen Stadien, bzw. wenn ein größerer Symptomenkomplex mit vielen
Organmanifestationen vorhanden ist, kommen steroidale Entzündungshemmer
wie Cortison und Immunsuppressiva zu Anwendung [10,15,21].
29
2.2.5 Heerfordt-Syndrom
Das Heerfordt-Syndrom ist eine chronische Entzündung der Speichel- und
Tränendrüsen. Es kann mit Beteiligungen der Regenbogenhaut (Iridozyklitis),
Hirnnerven, der weiblichen Brust oder den Gonaden einhergehen und tritt oft in
Verbindung mit einer Sarkoidose auf. Die Ursache ist unbekannt [10,15].
Typischer Symptomenkomplex des Heerfordt-Syndroms:
Fieber
Parotisschwellung
Uveitis anterior
Facialislähmung
2.2.6 Strahlentherapie
Bei Tumoren im Kopf-Hals-Bereich ist eine Strahlentherapie oft in das
Behandlungsschema inkludiert. Die Strahlenbehandlung schädigt ebenso das
gesunde Gewebe und führt zu einer Atrophie der Mundspeicheldrüsen.
Schon nach den ersten Behandlungen ist mit einem Rückgang der
Speichelflüssigkeit um 50% zu rechnen. Nach vier Wochen ist die ursprüngliche
Speichelproduktion auf 20% abgesunken. Dadurch kommt es schlagartig zum
Verlust der Schutzfunktionen des Mundspeichels. Die Elektrolytkonzentration, der
Bicarbonatgehalt und die Immunkompetenz nehmen ab. Die Anzahl der
Mikroorganismen nimmt zu. Es entstehen Entzündungen der an sich schon
geschädigten Schleimhaut, nach drei Monaten tritt bereits Xerostomie-Karies auf.
Nach der Strahlentherapie kann sich die Speichelproduktion wieder verbessern.
Doch Teile des Systems bleiben durch die, der Atrophie folgenden, Fibrose
ineffektiv [10,15].
30
2.2.7 Radiojodtherapie
Die bei Schilddrüsenerkrankungen eingesetzte Radiojodtherapie kann dauerhaft
die Speichel- Tränenflüssigkeitsproduktion herabsetzen, da sie Struktur und
Funktion der Drüsen beeinflusst [10,15].
2.2.8 Weitere Faktoren der Xerostomie
Das Alter muss keinen Einfluss auf die Speichelflussrate haben, dennoch wird, wie
es auch für die Tränenflüssigkeit gilt, oft beobachtet, dass ein Rückgang der
Flüssigkeitsproduktion stattfindet. Dies ist darauf zurückzuführen, dass im Alter die
Regenerationsfähigkeit bzw. Leistungsfähigkeit der Zellen generell abnimmt. Auch
eine partielle Mundatmung (z.B. in der Nacht) kann zu Xerostomiesymptomen
führen. Stress ist ein weiterer Faktor, der mit einem Rückgang der
Speichelproduktion einhergeht, da Adrenalin und andere Stresshormone die
Speichelproduktion bremsen [10,15].
2.2.9 Speichelverminderung - Auswirkungen auf Mund und Zähne
Eine Speichelverminderung ist für die Patienten mit vielen, sehr unangenehmen
Folgen verbunden. Durch den trockenen Mund fällt den unter Hyposalivation
leidenden Patienten das Sprechen schnell schwer. Die Ernährungsverhältnisse
müssen auf flüssige oder zumindest breiige Nahrung umgestellt werden. Grund
dafür sind Schmerzen und das funktionelle Unvermögen, ohne Speichel als
Schmiermittel schlucken zu können. Durch den trockenen nicht befeuchteten
Zustand von Zunge und Schleimhäuten entstehen leichte Verletzungen und Risse,
die nicht nur schmerzhaft sind, sondern auch eine geeignete Eintrittspforte für
Erreger bieten. Für Prothesenträger kann die verminderte Speichelproduktion
zusätzlich schwerwiegende Folgen haben, da die Prothesen schwach oder gar
nicht mehr haften [7,16-18].
31
Nicht nur, dass an sich die Aufnahme der Nahrung erschwert ist, auch der
Geschmack wird wesentlich beeinflusst. Geschmacksträger werden im Speichel
gelöst und können dadurch optimal auf die Geschmacksknospen wirken.
Fällt dieser Effekt weg, ist das Geschmacksempfinden wesentlich abgeschwächt.
Mundspeichel ist dafür verantwortlich, dass Speisereste und Erreger weggespült
werden und nicht die Gelegenheit bekommen, lange am Zahn, Zahnfleisch oder
der Schleimhaut zu haften. Können Bakterien, Viren oder Pilze länger im Mund
verweilen und finden dazu noch geeignete Nährmedien, vermehren sie sich
ungehindert. Besonders an geschützten Plätzen wie den Zahnzwischenräumen
finden die Erreger ideale Bedingungen. Als Folge entstehen Plaque, Gingivitis und
Karies. Als fördender Faktor kommt hinzu, dass Patienten besonders nach
Bestrahlung aufgrund der schmerzhaften Mukositis kohlenhydratreiche Schonkost
zu sich nehmen. Der Verzehr von potentiell säurehältigen Nahrungsmitteln in
Kombination mit verminderter Speichelproduktion führt zur Entstehung von
Erosionen und in weiterer Folge zur Karies. Mundspeichel federt bei normaler
Sekretionsrate die Säurespitzen ab. Bei einer niedrigen Fließrate kann der pHWert des Mundspeichels schnell unter 6 liegen. Damit und aufgrund der niedrigen
Bicarbonat-Rate ist die Pufferkapazität sehr gering. Durch den Mangel an Speichel
ist die Pufferung, Verdünnung und Neutralisierung ineffektiv und die Belastung auf
den Schmelz ungleich höher. Zudem fallen die im Speichel vorhandenen
Phosphat-, Calcium- und Fluorid-Ionen für die Remineralisierung weg. Nach
Bestrahlung kommt es oft unmittelbar zu einem progressiven kariösen Zerfall, der
binnen Monaten zur kompletten Zerstörung des Gebisses führen kann.
Nicht die Bestrahlung zerstört die Zähne, sondern der Wegfall der protektiven
Faktoren des Mundspeichels. Die so genannte Strahlenkaries befindet sich nicht
nur an den üblichen Prädilektionsstellen, in den Fissuren und im
Zwischenzahnbereich, sondern kann alle Zahntypen und Zahnflächen
gleichermaßen betreffen [7,16-18].
32
Abbildung 18: Strahlenkaries.
2.2.10 Therapie
Bei Vorliegen einer Hyposalivation ist es primär wichtig, dass sich Patienten
Xerostomie-verstärkende Angewohnheiten, wie Rauchen oder Mundatmung,
abgewöhnen. Patienten sollten möglichst Wasser als Flüssigkeit zu sich nehmen
und bei der Nahrung darauf achten, dass der Kohlenhydratgehalt nicht zu hoch ist.
Nach dem Essen sollte gespült und Mundpflege betrieben werden. Zudem sollte
häufig eine professionelle Zahnpflege vorgenommen werden. Das Kauen von
zuckerfreien Kaugummis wirkt Speichel anregend. Ist die Speichelsekretion
beträchtlich vermindert, sind künstliche Speichelersatzlösungen Mittel der Wahl
[7,16-18].
33
2.3 Speichelmessungen
2.3.1 Messung der Speichelfließrate (stimuliert)
Durchführung:
1. Patient aufrecht und entspannt (1 Std. vorher nicht essen, trinken, rauchen)
2. 30 sec Paraffinkautablette kauen und Speichel schlucken
3. 5 min kauen - Speichel im Messglas sammeln
4. nach 5 min letztes Mal ausspucken
Daraus ergibt sich die eine Menge an Speichel pro Minute. Liegt die
Speichelfließrate über einem ml/min, spricht man von einer normalen Fließrate,
liegt sie unter 0,7 ml/min, liegt eine Hyposalivation vor [16-18].
Abbildung 19: Set zur Bestimmung der Speichelfließrate.
34
2.3.2 Messung der Pufferkapazität
Man bedient sich hier eines mit Säure und pH-Indikator versetzten Teststreifens.
Ein Tropfen Speichel wird auf den Teststreifen aufgebracht und durch einen
Farbvergleich kann die Pufferkapazität abgelesen werden. Ergibt sich ein Wert
unter 4 spricht man von niedriger, bei 4,5 – 5,5 von mittlerer und bei ≥6 hoher
Pufferkapazität [16-18].
2.3.3 Messung des mikrobiellen Milieus
Um die bakterielle Belastung im Mund festzustellen und ein Kariesrisiko
abschätzen zu können, trägt man einen Tropfen Speichel auf Nährmedien auf.
Durch selektive Beschaffenheit des Nährmediums und entsprechende Bebrütung
lässt sich die Belastung an Candida, Streptococcus mutans oder Laktobazillen
abschätzen. Als Kariesrisiko gelten Streptococcus mutans – Werte über 250.000
kbE pro ml Speichel. Sind die Lactobazillen-Werte erhöht, deutet dies auf eine
kohlenhydratreiche Ernährung und somit auf einen weiteren prädisponierenden
Faktor hin [16-18].
3 Speichelersatz
Eine kausale Therapie bei Hyposalivation ist durch die komplexe Ätiologie
schwierig. Pharmakologische Behandlungsmöglichkeiten der Xerostomie
unterscheidet man in Speicheldrüsenstimulantien (Tabelle 3) und
Speichelersatzmittel (Tabelle 4). Oft ist die symptomatische Therapie die einzige
relevante Behandlungsmöglichkeit der verminderten Speichelproduktion. Ist noch
eine Restaktivität der Speicheldrüsen vorhanden, bedient man sich einer
systemisch oder mechanisch-gustatorischen Speichelstimulation.
Parasympathomimetika wie z.B. Pilocarpin werden bei der systemischen Therapie
verwendet. Durch Stimulation des parasympathischen Systems führen diese zu
einer Steigerung der Speichelfließrate [17-19].
35
Doch viele Nebenwirkungen und Kontraindikationen schränken die Anzahl, der
sich in der Zielgruppe befindlichen Personen, stark ein. Häufig ist Xerostomie oder
Hyposalivation eine Nebenwirkung, einer für den Patienten wichtigen Medikation,
in Form eines Sympathomimetikums. Versucht man diesem, durch ein
Parasympathomimetikum entgegen zu steuern, wird die grundsätzlich erwünschte
Wirkung antagonisiert, sodass diese Variante oft als Behandlungsoption
ausscheidet [17-19].
Das Parasympathomimetikum Pilocarpin wurde als Speicheldrüsenstimulans in
Studien am häufigsten überprüft. Es konnte nachgewiesen werden, dass bei
manifester Xerostomie eine signifikante Steigerung der Mundspeichelproduktion
stattgefunden hat. Diese Wirkung konnte ebenso für das Sjögren-Syndrom, aber
auch für Xerostomien heterogener Genese nachgewiesen werden. Bei genauerer
Betrachtung sind vor allem die kleinen palatinalen Speicheldrüsen für die
pharmakologische Wirksamkeit von Bedeutung. Die parasympathischen
Nebenwirkungen (Blutdrucksenkung, Bronchodilatation, gesteigerte Darmmotilität
mit Durchfall, Magensäure-Produktion erhöht…) und sich daraus ergebende
Kontraindikationen (Asthma bronchiale, Herzinsuffizienz, Hyperthyreose,
Gastritiden…) sind sehr umfangreich und schränken die Zielgruppe an Patienten
erheblich ein [17-19].

Pilocarpin (Ethyldihydromethylimidazolylmethylfuranon)

Sialor® (Trithioparamethoxyphenylpropen)

Sulfarlem S25® (Anethole-trithione)

Bromhexin (Cyclohexylmethylaminodibrombenzylamin)

Isoproterenol

Xerolube®

Venalot Depot (Cumarin/Troxerutin)
Tabelle 4: Pharmakologische Speicheldrüsenstimulation.
36
Eine gustatorisch-mechanische Stimulation erfolgt durch das Kauen fester
Speisen und durch die Aufnahme geschmacksintensiver Kost. Da die
Mundschleimhaut häufig durch Bestrahlung geschädigt wurde, führt dies meist nur
zu einer unwesentlichen Verbesserung der Situation. Häufiges Trinken oder das
Lutschen von Bonbons wirkt der Mundtrockenheit besser entgegen. Es muss
jedoch darauf geachtet werden, dass die Patienten nicht zu viel ungesunde
(zuckerreiche) Flüssigkeit zu sich nehmen. Das gleiche gilt natürlich für Bonbons
und dergleichen. Hier empfiehlt sich, möglichst oft zu Wasser, ungesüßtem Tee
und zuckerfreien Bonbons zu greifen. Auch saure Nahrungsmittel fördern die
Demineralisierung des Zahnschmelzes und sind mit Vorsicht zu genießen [17-19].
Bewährt hat sich das Kauen von zuckerfreiem Kaugummi. Die Speichelproduktion
wird angeregt, und zudem sind Kaugummis im Handel erhältlich, die
pharmakologisch aktive Substanzen wie Fluoride enthalten. Diese wirken der für
den Zahnschmelz ungünstigen Situation entgegen [17-19].
Ist die Restaktivität der Speicheldrüsen zu gering oder überhaupt nicht mehr
vorhanden, ist künstlicher Speichelersatz für Patienten von essentieller
Bedeutung. Doch leider haften Mundspüllösungen nur schlecht an der
Mundschleimhaut und begrenzen dadurch die Nachhaltigkeit beträchtlich [17-19].
Daher hat man versucht, Speichelersatzmittel zu entwickeln, deren viskoelastische
Eigenschaften denen des Speichels ähnlich sind. Ziel eines Speichelersatzes sind
es, Mundschleimhaut und Zähne nachhaltig zu benetzen und feucht zu halten, um
die Symptomatik der Mundtrockenheit zu mildern. Wichtig ist die pH-Neutralität
des Speichelersatzes, um keine irritativen Reaktionen der Mundschleimhaut
auszulösen und die Demineralisierung der Zähne nicht zu fördern. Vor der
Entwicklung komplexerer Speichelersatzmittel hat man reizlose Mundwässer,
bicarbonathältige Lösungen, Ölivenöl oder Chlorhexidin verwendet [17-19].
Die wenigsten Speichelersatzmittel enthalten genügend Fluorid, Calcium und
Phosphat. So haben sie häufig zu wenig remineralisierende Wirkung, zum Teil
wirken sie sogar die Demineralisierung fördernd [17-19].
37
Bei dem in Europa sehr gebräuchlichen Produkt Glandosane® (Inhalt: Sorbin und
Salzsäure) wurde sogar ein stark demineralisierender Effekt nachgewiesen.
Zurückzuführen ist dieser Umstand auf den niedrigen pH-Wert, die Abwesenheit
von Fluorid und das unzulängliche Vorhandensein an Calcium und Phosphat.
Dagegen wirkt ein neueres Produkt (Saliva natura®) durch die Zugabe dieser
Substanzen remineralisiernd [17-19].
Speichelersatzmittel
führender Inhaltsstoff
 Aldiamed®
Hydroxyethylcellulose
 Artisial®
Carboxymethylcellulose
 biotene®
Hydroxyethylcellulose/Carboxymethylcellulose
Lysozym
 BioXtra®
Carboxymethylcellulose
 Glandosane®
Carboxymethylcellulose
 Moi Stir®
Hydroxyethylcellulose
 Oralbalance®
Sorbitol
 Oralube®
Carboxymethylcellulose
 Orex®
Polyethylenoxid
 Polyox®
Carboxymethylcellulose
 Rinse Solution®
Carboxymethylcellulose
 Saliment®
Leinsamenöl
 Salinum®
Carboxymethylcellulose
 Sali-Synt®
Muzin
 Saliva Orthana®
Muzin
 Saliva-medac®
Carboxymethylcellulose
 Saluve®
Carboxymethylcellulose
 Saliva Substitute®
Carboxymethylcellulose
 Salivart®
Carboxymethylcellulose
Tabelle 5: Speichelersatzmittel und deren führende Inhaltsstoffe.
38
Basisbestandteile der Speichelersatzmittel waren früher Öle (Olivenöl,
Leinsamenöl) und visköse Ethanole wie Glyzerin. Cellulose ist seit den siebziger
Jahren ein häufiger Inhaltsstoff, der sich durch bessere viskoelastische
Eigenschaften auszeichnet. Cellulose wird in Form von CarboxyethylCarboxymethyl- oder Hydroxyethylcellulose in Verwendung gebracht [18,19].
Bis heute sind der Behandlung von Xerostomie mit Speichelersatzmitteln deutliche
Grenzen gesetzt. Einerseits ist die Compliance der Patienten, aufgrund des
Bedarfes einer häufigen Anwendung, nicht all zu groß und andererseits können
viele Produkte die protektiven Faktoren des Speichels nicht ersetzen. In den
letzten Jahren wurden deshalb zunehmend Lysozym und Muzin den Produkten
beigesetzt. Durch Herabsetzung der Oberflächenspannung stellen die im Speichel
enthaltenen Muzine einen idealen Feuchtigkeitsfilm auf der Mund- und
Rachenschleimhaut bereit, der lange Zeit haftet ohne zu verkleben. Darüber
hinaus schützen sie Zahnhartsubstanzen vor Demineralisation durch Säuren.
Speichelersatzmittel auf Muzinbasis zeigen bessere befeuchtende Eigenschaften,
sowohl auf poliertem Schmelz als auch auf oraler Mukosa, im Vergleich zu
Carboxymethylcellulose-basierten Produkten [18,19].
Darüber hinaus hat man in Speichelersatzmitteln befindliche Polysaccharide
bezüglich ihrer Benetzungsfähigkeit, Viskosität und Fähigkeit zur Bildung von
Oberflächenfilmen mit den Mundspeichelattributen verglichen. Es konnte gezeigt
werden, dass die Benetzungsfähigkeit einer Lösung unabhängig von deren
Viskosität ist. Ein Speichelersatzmittel sollte eine ausreichende Adhäsion an die
Schleimhäute und Zahnhartsubstanzen besitzen. Ein wichtiges Merkmal für den
Erfolg eines Speichelersatzes scheint es zu sein, sowohl auf hydrophilen als auch
auf hydrophoben Oberflächen einen Film ausbilden zu können [18,19].
39
4 Hyaluronsäure
Hyaluronsäure ist die Hauptkomponente der Grundsubstanz des Bindegewebes
und kommt ubiquitär im menschlichen Körper vor. Sie ist das einfachste
Glykosaminoglykan und liegt dissoziiert als Hyaluronat vor. Hyaluronsäure hängt
im Gegensatz zu anderen Glykosaminoglykanen nicht an einem Grundgerüst aus
Protein. Sie wird von Fibroblasten und anderen spezialisierten Bindegewebszellen
synthetisiert [20-23].
Hyaluronsäure ist von besonderer Bedeutung für Struktur und Organisation
extrazellulärer Matrix. Im Extrazellulärraum kann sie Gele bilden, da sie aufgrund
der negativen Ladung eine Menge osmotisch aktiver Kationen (z.B. Na+) und
damit auch Wasser anzieht. Dadurch entsteht ein Wasserpolster, der als
Schmiermittel, Stossdämpfer und Stütze dient. Weiters erleichtert das
wasserreiche Medium die Diffusion von wasserlöslichen Stoffen und migrierenden
Zellen. Hyaluronsäure kann auch eine Art Filterfunktion ausüben, da sie sich
untereinander verzahnt und mit Kollagenfibrillen Wechselwirkungen eingeht.
Hyaluronsäure entsteht z.B. an der Unterseite von Epithelien. Dort bildet sie
zunächst einen zellfreien Raum, in den später entsprechende Zellen einwandern
können [20-23].
Hyaluronsäure ist äußerst bedeutend für die Wundheilung. Die Gelenksflüssigkeit
und der Glaskörper des Auges bestehen hauptsächlich aus Hyaluronsäure. Etwa
die Hälfte der gesamten Hyaluronsäure befindet sich in der Haut, ein weiteres
Viertel im Skelett und seinen verbindenden Strukturen, wie Bändern und Gelenken
[20-23].
40
4.1 Chemischer Aufbau und Biosynthese
Hyaluronsäure ist ein Glykosaminoglykan und besteht aus sich immer
wiederholenden Disaccharideinheiten. Das somit einfachste Glykosaminoglykan
setzt sich aus Glukuronsäure und N-Acetyl-Glukosamin zusammen. Diese
Glukosederivate unterscheiden sich durch eine Substitution am 2. oder 6.
Kohlenstoffatom. Glukuronsäure wird glykosidisch an N-Acetyl-Glukosamin
gebunden, welches wiederum an die nächste Glukuronsäure in der polymeren
Kette gebunden ist. Eine solche Kette kann aus 250 bis 50.000
Disaccharideinheiten aufgebaut sein [20-23].
Abbildung 20: Disaccharidwiederholungseinheit der Hyaluronsäure.
Hyaluronsäure wird nicht wie andere Glukosaminoglykane, am endoplasmatischen
Retikulum und/oder am Golgi-Apparat synthetisiert. Sie wird von integralen
Membranproteinen, so genannten Hyaluronsäure-Synthetasen,
zusammengesetzt. Das entstehende Polymer wird, durch das sich ergebende
Längenwachstum, aus der Zelle heraus geschoben. Insulinmangel und Kortikoide
hemmen die Synthese von Hyaluronsäure. Der Abbau erfolgt durch die
Hyaluronidase [20-23].
41
4.2 Katabolismus
Hyaluronsäure wird lokal degradiert und zu einem großen Teil durch das
Lymphsystem abgebaut. Der verbliebene Teil gelangt in den Blutkreislauf und wird
durch Endothelzellen der Lebersinusoide und in kleinen Teilen durch Milz und
Niere metabolisiert. Eine Sonderstellung nimmt der adulte Gelenksknorpel ein. Er
besitzt keine eigene Gefäßversorgung und wird nur über die Synovialflüssigkeit
ernährt. So müssen auch Abbauprodukte des Knorpelstoffwechsels über diese
entsorgt werden. Von dort gelangen sie über die gefäßreiche Synovialmembran in
das Lymph- und Blutgefäßsystem. Die Halbwertszeit von Hyaluronsäure im Serum
beträgt 2 – 5 Minuten. Beim gesunden Erwachsenen beträgt die
Serumkonzentration zwischen 10 und 100 µg/l [20-23].
Der Gesamtumsatz der Hyaluronsäure im Serum beträgt 10 – 100 mg über einen
Zeitraum von 24 Stunden. Ihr Spiegel hängt von vielen Faktoren ab. So spielen
Alter, Volkszugehörigkeit, Geschlecht, Nahrungsaufnahme und körperliche
Aktivität eine Rolle. Sind die Werte erhöht, kann es sich um eine gesteigerte
Synthese durch Erkrankungen von Gelenken und Haut oder einem
Tumorgeschehen handeln. Es ist aber auch möglich, dass der Abbau aufgrund
einer Leberschädigung beeinflusst ist [20-23].
Selten ist der Hyaluronsäureumsatz durch erblich bedingte Krankheiten gestört.
Beim Werner`s Syndrom (Pangeria) oder der Acrogeria zeichnet sich der gestörte
Hyaluronsäurestoffwechsel durch beschleunigtes und damit vorzeitiges Altern der
betroffenen Gewebe aus. Die Hyaluronsäurekonzentration im Gewebe ist in
diesen Fällen verringert und die in Blut und Harn gleichzeitig erhöht.
Bestimmte Tumoren (Mesotheliome, Wilms Tumor) können Hyaluronsäure
herstellen oder zumindest Faktoren produzieren, die Zellen dazu anregen.
Bei Psoriasis, Sklerose oder unter septischen Bedingungen wurden ebenfalls
erhöhte Hyaluronsäurekonzentrationen gemessen [20-23].
42
4.3 Vorkommen
Im menschlichen Körper kommt Hyaluronsäure ubiquitär vor. Im Knorpel, in der
Haut und den Bandscheiben liegt Hyaluronsäure in höheren Konzentrationen vor.
Sehr hohe Mengen sind im Glaskörper des Auges und in der Synovialflüssigkeit
vorhanden. Im Bindegewebe ist die Hyaluronsäure bedeutender Bestandteil der
Grundsubstanz. Nägel und Haare sind die einzigen Bereiche des menschlichen
Körpers, in denen keine Hyaluronsäure zu finden ist [20-23].
Abbildung 21: Hyaluronsäure im Knorpelaufbau.
43
4.4 Funktionen
Funktionen/Eigenschaften der Hyaluronsäure
o Schmiermittel
o Druckbeständigkeit
o Platzhalterfunktion
o Biochemische Funktion
o Rezeptorinteraktion
o Wechselwirkung zwischen Zelle/Zelle und Zelle/Matrix
Tabelle 6: Funktionen der Hyaluronsäure.
4.4.1 Schmiermittel
Hyaluronsäure hat ausgezeichnete Eigenschaften als Schmiermittel. Im Körper ist
sie Hauptbestandteil der Gelenksflüssigkeit und schützt Knorpel und Knochen vor
Abnützungen. Ausschlaggebend für ihre Schmierfunktion ist unter anderem ihre
Viskosität. Die Viskosität kann sich zudem verändern und anpassen. Bei höheren
Scherkräften nehmen die viskösen (zähflüssigen) Struktureigenschaften ab. Das
ermöglicht schnelle Bewegungen im Gelenk. Trotz ihrer flüssigen Gestalt ist
Hyaluronsäure durch ihren hochmolekularen Aufbau viskös genug, um Stoßkräfte
abzufangen und durch ihre gute Haftfähigkeit am Knorpel nicht aus dem
Gelenksraum gepresst zu werden [20-23].
Wirken starke Druck- und Stoßkräfte auf ein Gelenk, liegen die Moleküle der
Hyaluronsäure in kugeliger Form vor. Sie wirken wie ein Kugellager und setzen
dem Druck großen Widerstand entgegen. Bei schnellen Bewegungen, wie z.B.
dem Laufen, nimmt die Strukturviskosität ab, und die Reibung wird verringert
[20-23].
44
4.4.2 Druckbeständigkeit
Ihre Druckbeständigkeit erzielt die Hyaluronsäure durch die Fähigkeit, viel Wasser
zu binden. Dieser Effekt ist auf ihre Osmolarität zurückzuführen. Wasser ist
praktisch nicht komprimierbar und hat somit größtes Potential, Kräften entgegen
zu wirken. Ein sehr gutes Beispiel dafür sind die Bandscheiben, auf die oft nicht
nur das Körpergewicht, sondern weit größere Drücke wirken. Das Bindegewebe
erhält seine Widerstandsfähigkeit ebenfalls durch seine hyaluronsäurereiche
Struktur [20-23].
4.4.3 Platzhalterfunktion
Hyaluronsäure nimmt eine wichtige Platzhalterfunktion im Gewebe ein, da sie
Zwischenzellräume ausfüllt und die Gewebestruktur erhält. Zudem fördert sie die
Zellmigration und spielt eine wichtige Rolle bei der Heilung [20-23].
4.4.4 Biochemische Funktion
Hyaluronsäure ist wesentlich an der Herstellung von größeren Molekülen, den
Proteoglykanen, beteiligt. Vor allem im hyalinen Knorpel verbindet sie
Proteoglykane zu riesigen Aggregaten [20-23].
4.4.5 Interaktion mit Rezeptoren
Hyaluronsäure kann mit bestimmten Rezeptoren der Zelloberfläche interagieren
und somit Reaktionen, wie Zellteilung und Migration, auslösen. Generell sind dies
positive und notwendige Eigenschaften. Im Fall einer Tumorgenese aber wirkt sich
diese Funktion nachteilig für den Organismus aus, da sie das Wachstum fördert
[20-23].
45
4.4.6 Wechselwirkungen
An die Zelloberfläche gebunden, ist die Hyaluronsäure an Zell-Zell und Zell-MatrixInteraktionen beteiligt. Sie kann mitbestimmen, an welche Matrix die Zelle sich
bindet und welche Wachstumsfaktoren gebunden werden. Durch ihre negative
Ladung ist die Hyaluronsäure imstande, mit unterschiedlichsten Molekülen eine
Wechselwirkung einzugehen. Sie kann z.B. Calcium, Peptidhormone oder andere
extrazelluläre Proteine zu binden [20-23].
4.5 Herstellung
In der Medizin findet Hyaluronsäure seit den achtziger Jahren vielfältige
Verwendung. Therapeutisch genützte Hyaluronsäure kommt in verschiedenen
Formen vor und unterscheidet sich hinsichtlich ihrer molekularen Beschaffenheit.
Die mulekularen Unterschiede wirken sich vor allem auf die Viskosität,
Gewebeintegrationsfähigkeit, Biokompatibilität und Resorptionsgeschwindigkeit
aus. Hyaluronsäuren unterscheiden sich in Molekülgröße und Quervernetzung
[22,23].
In der Medizin verwendet man das Natrium-Salz der Hyaluronsäure
(Natriumhyaluronat). Früher hat man für die Herstellung von Hyaluronsäuren zur
therapeutischen Nutzung vor allem Geflügel verwendet. Hyaluronsäure wurde aus
tierischem Ausgangsmaterial (z.B. Hahnenkämmen) gewonnen. Dies hatte jedoch
zur Folge, dass Allergien gegen Hühnereiweiß entwickelt wurden. Heute bedient
man sich einer fermentativen Herstellung, um dieses Risiko zu umgehen.
Hyaluronsäure wird biotechnologisch aus Streptokokken-Kulturen gewonnen
[22,23].
46
4.6 Einsatz in der Medizin
Eines der ersten Einsatzgebiete therapeutischer Anwendung von Hyaluronsäure
war die Ophthalmologie. Heute ist die Hyaluronsäure Mittel der Wahl als
Tränenersatz bei Patienten, die am „Trockenen Auge“ leiden. Sie wird außerdem
eingesetzt, um die Wundheilung zu verbessern. Bei Menschen, aber auch
Pferden, dienen hyaluronsäurehältige Injektionen in Gelenksräume der
Schmerzlinderung und verbessern die Regeneration abgenützter Gelenke. In der
ästhetischen Medizin wird Hyaluronsäure als Gerüststoff verwendet und bei
verschiedenen hautstraffenden Behandlungsmethoden zum Auffüllen von
Gewebedefiziten eingesetzt. Weiters spielt sie eine große Rolle als
Arzneimittelträger und dient als Wundabdeckung [22,23].
4.6.1 Hyaluronsäure in der Diagnostik
Hyaluronsäure ist Hauptbestandteil der Knorpelmatrix und der Synovialflüssigkeit.
Bei Vorliegen von Gelenksentzündungen, wie z.B. bei rheumatoider Arthritis,
Osteoarthritis oder entzündeten, traumatisch bedingten Gelenksverletzungen,
kommt es zu einer forcierten Hyaluronsäurebildung. Folge davon sind erhöhte
synoviale und serologische Hyaluronsäure-Werte, wie bei Patienten mit
rheumatoider Arthritis oder Osteoarthritis. Es wurde festgestellt, dass Patienten
mit progressivem Verlauf der Entzündung, initial höhere Hyaluronsäure-Werte
aufwiesen. So ist es möglich, mit Hilfe dieser Erkenntnisse degenerative
Gelenkserkrankungen besser zu diagnostizieren und Krankheitsverläufe bzw.
Therapiefortschritte zu verfolgen. Die erhöhten Hyaluronsäurespiegel können
sowohl auf entzündungsbedingte forcierte synoviale Hyaluronsäuresynthese als
auch auf die fortschreitende Zerstörung des Gelenksknorpels hinweisen. Deshalb
sollten, zuzüglich zu den ermittelten Werten, immer weitere Befunde (Klinik,
Bildgebung) zur Diagnosesicherung herangezogen werden [22,23].
47
Die meisten chronischen Lebererkrankungen gehen mit fibrotischen und/oder
zirrhotischen Veränderungen des Leberparenchyms einher. Eine verringerte
Elimination von Hyaluronsäure ist eine der Folgen davon. Das Fortschreiten
fibrotischer Prozesse korreliert mit der Steigerung des serologischen
Hyaluronsäure-Wertes. Damit kann man das Progressionsrisiko der Leberfibrose
abschätzen und das Ansprechen auf eine Therapie überprüfen. Da die
histologischen Befunde mit den Hyaluronsäure-Werten korrelieren, ist es möglich,
die Leberbiopsierate zu senken [22,23].
Angiogenese und Metastasierung bei Blasentumoren stehen mit der Synthese von
Hyaluronsäure in Zusammenhang. Erhöhte Werte im Harn deuten zudem auf
einen Blasentumor, unabhängig vom Grad, hin [22,23].
Bei entzündlichen Veränderungen der Lunge, wie bei der Farmerlunge,
Sarkoidose oder dem Adulten Respiratorischen Distress Syndrom, wurden in der
broncho-alveolären Lavage-Flüssigkeit erhöhte Hyaluronsäure-Werte gemessen
[22,23].
4.6.2 Behandlung von Gelenksbeschwerden
Hyaluronsäure wird in der Behandlung von entzündlichen und
abnützungsbedingten Gelenksbeschwerden verwendet. Dabei wird die
Hyaluronsäure mittels Injektion in das Gelenk eingebracht. So sollen
Entzündungszeichen gemildert, die Regenerationsfähigkeit unterstützt und die
Degeneration vermindert werden, indem die Hyaluronsäure das Gelenk schmiert
und als Stoßdämpfer fungiert. Die Halbwertszeit der Hyaluronsäure im Gelenk ist
abhängig von der molaren Masse und kann stark variieren. Sie beträgt zwischen
17 und 60 Stunden. Ebenfalls unterschiedlich ist die Anzahl der nötigen
Injektionen [22-24].
48
Bei einer intraartikulären Injektionsbehandlung wird das Gelenk direkt punktiert
und Hyaluronsäure hineingespritzt. Nach der gegenwärtigen Datenlage kann man
davon ausgehen, dass diese Methode Schmerzen lindert und die Beweglichkeit
verbessert. Die positiven Effekte halten teils Wochen bis hin zu einem Jahr an. Die
Kombination von Physiotherapie und Hyaluronsäurebehandlung scheint die
Wirkung zu verbessern. Nach derzeitiger Datenlage gibt es jedoch keine Evidenz
dafür, dass die Applikation von Hyaluronsäure einen degenerativen Prozess am
betroffenen Gelenk umkehren kann. Das Risiko schwerwiegender Nebeneffekte
(z.B. septischer Arthritis) ist bei sachgerechter intraartikulärer Anwendung sehr
niedrig [22-24].
Abbildung 22: Zugangswege der intraartikulären Injektion ins Kniegelenk.
Abbildung 23: Injektion am Patienten.
49
4.6.3 Behandlungen am Auge
Eines der großen und erfolgreichen Anwendungsgebiete der Hyaluronsäure ist die
Behandlung des „Trockenen Auges“. Die Hyaluronsäure sorgt aufgrund ihrer
viskoelastischen Eigenschaften für einen stabilen langanhaltenden Tränenfilm, der
die Sehkraft nicht beeinträchtigt. Auch Reinigungs- und Pflegelösungen für
Kontaktlinsen enthalten Hyaluronsäure. Sie sollen das Tragen angenehmer
machen und das Auge vor dem Austrocknen schützen. In der Ophthalmochirurgie
werden Hyaluronat-Lösungen zum Auffüllen des Glaskörpers, zur Stabilisierung
der Vorderkammer und dem Schutz der Endothelzellschicht der Hornhaut
während Augenoperationen verwendet [21,25].
Das Trockene Auge
Das Trockene Auge (Keratokonjunktivitis sicca) ist eine weltweit verbreitete und im
Zunehmen begriffene Benetzungsstörung der Augen. Die Trockenheit der Augen
ist die Folge einer verminderten Tränenproduktion und/oder einer veränderten
Tränenzusammensetzung. Das Trockene Auge kann mit vielen Allgemeinleiden
und bei diversen Augenerkrankungen vorkommen. Darüber hinaus sind mittlerer
Weile sehr viele Faktoren (Medikamente, Umwelt, Lebensgewohnheiten usw.)
bekannt, die die Entwicklung eines Trockenen Auges fördern. Diese oft
multifaktorielle Genese führt dazu, dass das Auge nicht mehr ideal befeuchtet wird
[21,25].
Abbildung 24: Beispiele für Trockene Augen und damit zusammenhängende Entzündungen.
50
Symptome des Trockenen Auges:
 Fremdkörpergefühl, Brennen, Kratzen, Reiben
 Druckgefühl
 Schmerzen
 Augenrötung
 Schleimabsonderung
 müde Augen
 Sehstörungen
 Lichtempfindlichkeit
 Lidschwellung
 Unverträglichkeit von Kontaktlinsen, Kosmetika
 rasch einsetzende, überschießende Tränenbildung
Der Tränenfilm ist komplex aufgebaut und setzt sich aus drei Schichten
zusammen. Eine innere Schleimschicht sorgt dafür, dass der Tränenfilm am Auge
haftet. Die mittlere wässrige Schichte macht den Hauptanteil der Tränenflüssigkeit
aus, sie enthält Antikörper und bestimmte Enzyme. Darüber schwimmt eine
Fettschicht, die den Tränenfilm stabilisiert und vor Verdunstung schützt [21,25].
Abbildung 25: Schichten des Tränenfilms.
51
Das Auge ist ständig Umwelteinflüssen ausgesetzt. Der Tränenfilm hat die
Funktion, Hornhaut, Bindehaut und Lider vor äußeren Einflüssen zu schützen.
Trockene Augen sind vermehrt infektionsanfällig, da die im gesunden Tränenfilm
enthaltenen keimtötenden Substanzen nicht ausreichend vorhanden sind. Die
Tränenflüssigkeit versorgt die Hornhaut mit Sauerstoff und Nährstoffen. Der
Sauerstoff wird direkt über den Tränenfilm aus der Luft bezogen und zur Hornhaut
transportiert. Die Hornhaut selbst besitzt keine eigenen Blutgefäße, um
uneingeschränkte Sicht zu ermöglichen. Ist dieser Transport gestört muss das
Auge die Hornhaut notdürftig über die Blutgefäße der Bindehaut versorgen
[21,25].
Ursachen des Trockenen Auges

Sjögren Syndrom (Sicca Syndrom)

Allgemeinerkrankungen (Diabetes,
Schilddrüsenerkrankungen, rheumatische Erkrankungen)

Alter

Bildschirmarbeit

Umweltbelastungen (Feinstaub, Ozon)

Medikamente

trockene Luft, Klimaanlagen

Kontaktlinsen

hormonelle Umstellungen (z. B. Testosteronmangel im Alter)

Entzündungen am Auge

Allergien

Augenoperationen (LASIK, Katarakt-OP)
Tabelle 7: Ursachen des Trockenen Auges.
52
Medikamente die zum Trockenen Auge führen können:

Antihistaminika

Anticholinergika

Beta-Rezeptor-Blocker

Neuroleptika

Ergotamin

Östrogene

Reserpin

Thiazid-Diuretika

Antidepressiva

Androgen-Inhibitoren

Kontrazeptiva
Tabelle 8: Medikamente mit Nebenwirkung „Trockenes Auge“.
Häufigkeit
Die Prävalenz des Trockenen Auges nimmt mit dem Alter zu. In der
Augenheilkunde ist diese Erkrankung eine der häufigsten. Die Zahl der
Neuerkrankungen steigt stetig. Oft sind es viele Faktoren, die die Entstehung
beeinflussen und fördern. Umwelteinflüsse wie Luftverschmutzung und
Zigarettenrauch scheinen eine große Rolle zu spielen [21,25].
Diagnose
Dem Augenarzt ist es möglich, mittels Schirmer-Tests, die Menge an
Tränenflüssigkeit zu messen. Dies geschieht mit einem Filterpapier-Streifen, der in
den Bindehautsack gehängt wird und das Auge reizt. Nach fünf Minuten wird die
Strecke, die die Tränenflüssigkeit am Filterpapier zurückgelegt hat, abgelesen.
Um Defekte der Binde- oder Hornhaut zu sehen, färbt man den Tränenfilm mit
Fluoreszein und betrachtet die Oberfläche des Auges mit einer Spaltlampe. Die
Stabilität des Tränenfilms beurteilt man, indem die Tränenaufreißzeit gemessen
wird [21,25].
53
Abbildung 26: Untersuchung mit der Spaltlampe.
Abbildung 27: Tränenfilm mit Fluoreszein angefärbt.
54
Therapie
Bei einer vorhandenen Grunderkrankung versucht man, diese und damit auch das
Trockene Auge zu behandeln. Meistens ist diese Erkrankung aber multifaktoriell
verursacht und somit schwer in den Griff zu bekommen. Wird das Trockene Auge
durch eine spezielle Medikation bedingt, kann versucht werden, auf ein
äquivalentes Medikament umzusteigen. Doch aufgrund der Indikation und der
häufigen Nebenwirkungen einer Ersatzmedikation ist ein Wechsel oft sehr schwer
bis nicht möglich [21,25].
Fast immer muss das Trockene Auge symptomatisch behandelt werden. Mittel der
Wahl sind künstliche Tränenersatzlösungen, die die Augenoberfläche befeuchten
und die Qualität des Tränenfilms verbessern. Künstliche Tränenersatzmittel
versuchen, die wässrige Phase des Tränenfilms nach zu stellen. Dafür werden
unter anderem Lösungen von Hyaluronsäure, Carboxymethylcellulose oder
Hypromellose angeboten. Die Hyaluronsäure hat sich hier bis heute bestens
bewährt [21,25].
Abbildung 28: Augentropfen als Tränenersatz-Mittel der Wahl.
55
4.6.4 Hyaluronsäure in der ästhetischen Medizin
Hyaluronsäure wird in verschiedensten Formen und Präparaten in der
ästhetischen Medizin verwendet. Die Faltenaufspritzung und das Modellieren von
Körperstrukturen vieler Arten sind die bevorzugten Einsatzgebiete der
Hyaluronsäure. Der Effekt hält je nach Anwendung sechs Monate bis drei Jahre
an. Variiert wird bei den Gelpartikel- und Molekülgrößen. Dies führt zu
unterschiedlicher Stabilität und verschiedenen Ausprägungen der
physikalisch/chemischen Eigenschaften. Seit einigen Jahren sind
Hyaluronsäurepräparate in nicht animalischer, stabilisierter Form am Markt
erhältlich. Sie zeichnen sich durch eine längere Form erhaltende Stabilität aus und
machen es möglich, größere Volumina aufzufüllen [22].
Unter örtlicher Narkose ist es möglich, Depots zur Brustvergrößerung zu setzen.
Hierbei wird das Hyaluronsäuregel ambulant zwischen Brustdrüse und
Brustmuskel eingespritzt. Nach ca. drei Jahren muss dieses Verfahren mit einer
geringeren Dosis wiederholt werden. Mit demselben Verfahren werden Konturen
des Gesäßes, der Wade und anderer Körperregionen verbessert.
Diese Art der Verabreichung von Hyaluronsäure ist in der Regel sehr gut
verträglich [22].
Anwendungsgebiete der Hyaluronsäure in der ästhetischen
Medizin
Faltenunterspritzung
Modellierung der Lippen
Brustvergrößerung
Aufpolsterung des Gesäßes
Formung von Waden
Aufspritzung von Narben
Tabelle 9: Anwendungsgebiete der Hyaluronsäure.
56
4.6.5 Andere Anwendungsgebiete in der Medizin
Hyaluronsäure wird durch seine Fähigkeit, Wasser zu binden, zur Befeuchtung
von Schleimhäuten eingesetzt. So enthalten Nasensprays gegen Schnupfen
Hyaluronsäure, um die Nasenschleimhäute feucht zu halten.
Stabilisierte Hyaluronsäure ermöglicht seit einiger Zeit die Behandlung von
Belastungsharninkontinenz. Hier werden Depots der Hyaluronsäure bei örtlicher
Betäubung in die Harnröhre injiziert [22].
Auch vesikorenaler Reflux wird immer öfter auf diese Weise behandelt [22].
In der Lebensmittelindustrie verwendet man Hyaluronsäure als
Nahrungsmittelergänzung. Die hyaluronsäurehältigen Supplemente sollen vor
allem die Gelenksfunktionen verbessern [22].
57
5 Hyaluronsäure als Speichelersatz
Hyaluronsäure besitzt die Fähigkeit, die fünfzig-fache Menge ihres
Trockengewichtes in Form von Wasser zu binden. Sie kann einen vollkommen
hydratisierten Zustand einnehmen, in dem die Volumenzunahme der
Hyaluronsäure einem Faktor 1000 gegenüber dem nicht hydratisierten entspricht.
Durch diese Bindungseigenschaften ist die Hyaluronsäure in der Lage, ihre
Zähflüssigkeit zu erlangen. Hyaluronsäure besitzt, wie Speichel, die Fähigkeit,
Oberflächen gut und andauernd zu benetzen [26].
Der physiologische Speichel trägt wesentlich zum Schutz gegen oft säurehaltige
Nahrungsmittel, Toxine und freie Radikale bei, die den Zahn und die
Mundschleimhaut angreifen. Speichel und Hyaluronsäure sind sich bezüglich ihrer
Pufferfunktion sehr ähnlich. In ihrer physiologischen Funktion stellt Hyaluronsäure
einen höchst effizienten Puffer dar, der bei der Wasserregulation und Verteilung
der Plasmaproteine zur Einstellung einer Homöostase führt. Hyaluronsäure hat
wie Speichel die Fähigkeit, Toxine und freie Radikale zu neutralisieren [26].
Von außen applizierte Hyaluronsäure hat einen entzündungshemmenden und
antiödematösen Effekt. Die Abwehr von freien Radikalen, Aktivierung und
Unterstützung verschiedener Abwehrmechanismen erschweren die Passage von
Viren und Bakterien [26].
Hyaluronsäuren haben aufgrund ihres hohen Molekulargewichts einen
bakteriostatischen Effekt auf im Mund vorkommende Bakterienstämme von
Actinobacillus actinomycetemcomitans und Porphyromonas gingivalis. Letzterer ist
typischer Erreger von gingivalen und parodontalen pathologischen Prozessen [26].
Bakterielle Endotoxine führen zur vermehrten Ausbildung spezieller CD 44
Rezeptoren. Über diese CD 44 Rezeptoren bindet Hyaluronsäure an Fibroblasten,
T- und B-Lymphozyten und aktiviert diese. Verschiedene Zelltypen (Fibroblasten,
Mesothelzellen) besitzen die Fähigkeit, sich mit einer Hülle aus Hyaluronsäure zu
umgeben, um sich deren schützender Funktion gegenüber Viren und Bakterien zu
bedienen [26].
58
Hyaluronsäure spielt eine wesentliche Rolle in der Entzündungskontrolle, der
Wundheilung und der Zellproliferation. Der geweberegenerative und
heilungsfördernde Effekt der Hyaluronsäure basiert auf der Beteiligung an
verschiedensten Zellfunktionen, wie Zellaktivierung, Zellproliferation oder
Zellmigration. Hyaluronsäure beeinflusst die Zellwanderung nachweislich positiv.
Während Entzündungen besitzt Hyaluronsäure die Fähigkeit, Makrophagen und
Granulozyten anzuregen, in das beschädigte Gebiet einzuwandern.
Hyaluronsäure beschleunigt nachweislich die Wundheilung und verkürzt somit
auch die Narbenbildung [26].
Speichel und Hyaluronsäure sind sich in ihren Funktionen und Fähigkeiten sehr
ähnlich. Dies macht die Hyaluronsäure zu einem idealen Ersatz des Speichels.
Für Patienten, die an Mundtrockenheit leiden, ist nicht nur die Befeuchtung der
Mundhöhle, sondern auch die Schutzfunktion der Schleimhaut äußerst wichtig.
Die Hyaluronsäure imitiert die Speichelfunktionen auch ohne Zusätze schon sehr
gut [26].
59
6 Diskussion
Hyaluronsäure kommt im menschlichen Körper ubiquitär vor. Sie erfüllt eine Reihe
von Aufgaben und unterstützt Abwehrmechanismen, Zellfunktionen und
Zellinteraktionen. Hyaluronsäure spielt als essentieller Teil der Grundsubstanz
eine wesentliche Rolle in der Strukturgebung des Körpers.
Durch die Fähigkeit, Wasser in großer Menge an sich zu binden und dadurch eine
mehr oder minder ausgeprägte Viskosität zu erlangen wurde die Hyaluronsäure in
der Medizin als Schmiermittel entdeckt. Bei der Behandlung von
Gelenksbeschwerden wird Hyaluronsäure oft appliziert, um die Gleitfähigkeit im
Gelenk wieder herzustellen. Hyaluronsäure wird äußerst erfolgreich bei Patienten,
die am Trockenen Auge leiden, eingesetzt. Mehr denn je sind
Hyaluronsäurepräparate die Mittel der Wahl, um das Auge zu benetzen.
Die Fähigkeit, Oberflächen zu benetzen und feucht zu halten, macht die
Hyaluronsäure zu einem idealen Ersatz des Speichels. Außerdem nimmt sie
Abwehr fördernde Funktionen ein, die es verschiedensten Erregern erschweren, in
den Körper einzudringen. Mund und Rachen stellen durch ihren ständigen Kontakt
mit der Außenwelt ideale Eintrittspforten für Erreger dar. Zähne, Zahnfleisch und
Mundschleimhaut sind diesen Attacken massiv ausgesetzt, umso wichtiger ist eine
effiziente Schutzschicht.
Hyaluronsäure kann die Funktionen des physiologischen Speichels gut
nachstellen und würde sich ausgezeichnet als Speichelersatz anbieten.
6.1 Darreichung als Speichelersatz
Jedoch welche Form der Darreichung von Hyaluronsäure bei XerostomiePatienten ist denkbar? Hyaluronsäure benötigt Flüssigkeit, um ihre viskösen
Eigenschaften ausprägen zu können. Bei Patienten, die an Mundtrockenheit
leiden, ist jedoch genau dieser Mangel an Flüssigkeit bzw. Speichel das Problem.
60
Ist die Einschränkung der Speichelproduktion so stark, dass nur mehr sehr wenig
Speichelflüssigkeit produziert wird, wäre einen Darreichung von Hyaluronsäure im
festen Zustand (Tablette, Bonbon….) kontraproduktiv. Die Hyaluronsäure würde,
sofern noch Speichel vorhanden ist, diesen zur Gänze binden, ohne einen dem
Speichel ähnlichen Viskositätszustand zu erreichen.
Hier wäre es zu empfehlen, die Hyaluronsäure bereits gelöst zu verabreichen.
Hyaluronsäure könnte zum Beispiel als Flüssigkeit in einem Beutel konsumiert
werden, ähnlich einer Astronautennahrung.
Wenn noch mäßige Mengen an Speichel produziert werden, ist eine
Verabreichung in Form von Tabletten, Pastillen oder Bonbons zu erwägen.
Da heute Hyaluronsäure nicht mehr aus tierischen Produkten gewonnen wird,
besteht keine Gefahr mehr, eine Allergie gegen tierisches Eiweiß zu entwickeln.
Hyaluronsäure angereichert mit physiologischer Kochsalzlösung ist beinahe
geschmacklos, und es wäre leicht zu bewerkstelligen, die Lösung mit
Geschmacksstoffen aus der Nahrungsmittelindustrie anzureichern.
Somit ließe sich das Leiden, der Xerostomie, um einiges lindern. Es ist zu
erwarten, dass aufgrund der vielen Ähnlichkeiten von physiologischem Speichel
und gelöster Hyaluronsäure der therapeutische Effekt ein äußerst positiver wäre.
Sowohl für das subjektive Empfinden als auch die objektiv beurteilte
Mundgesundheit sollte Hyaluronsäure als Speichelersatz einen erheblichen
Nutzen zu Tage fördern. Dennoch ist nicht zu vergessen, dass es sich hier um
eine rein symptomatische Therapie der Mundtrockenheit handelt.
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