Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik Institut für Mathematik und Rechneranwendung Vorlesung: Lineare Algebra (ME), Prof. Dr. J. Gwinner Dezember 2012 Ausgewählte Lösungen zu den Übungsblättern 9-10 Übungsblatt 9, 3. Aufgabe (a) Berechnen Sie die Eigenwerte und die Eigenvektoren der Matrix 2 1 1 A = 1 2 1 . 1 1 2 (b) Geben Sie die algebraische und die geometrische Vielfachheit der Eigenwerte an. Bestimmen Sie die Eigenräume. (c) Berechnen Sie das Produkt S −1 AS, wobei die Spalten von S linear unabhängige Eigenvektoren der Matrix A sind. Lösung Wir bestimmen die Eigenwerte der Matrix A. Das charakteristische Polynom lautet 2−λ 1 1 2−λ 1 = −(λ − 1)2 (λ − 4), χA (λ) = det(A − λI) = 1 1 1 2−λ d.h. es gibt zwei Eigenwerte: λ1 = 1 und λ2 = 4. Der Eigenwert λ1 = 1 hat die algebraische Vielfachheit 2. Der Eigenwert λ2 = 4 hat die algebraische Vielfachheit 1. Dann 1 1 1 A − λ1 I = A − I = 1 1 1 . 1 1 1 Die geometrische Vielfachheit von λ1 = dim N (A − I) = n − r = 3 − 1 = 2, wobei r = Rang(A − I) = 1. Die Eigenvektoren zum Eigenwert λ1 = 1 sind nichttriviale Lösungen des Gleichungssystems (A − I)x = 0, nämlich −1 −1 1 und 0 . 1 0 −1 −1 n o Der Eigenraum zu λ1 = 1 ist E1 = µ1 1 + µ2 0 , µ1 , µ2 ∈ R . 0 1 Die Eigenvektoren zum Eigenwert λ = 4 sind die Lösungen des folgenden Gleichungssystems 2 1 (A − 4I)x = 0, x 6= 0, nämlich 1 . 1 1 n o Der Eigenraum zu λ2 = 4 ist E2 = α 1 , α ∈ R . Die 1 geometrische Vielfachheit von λ2 = 4 beträgt daher eins. Die Matrix A ist diagonalisierbar und λ1 0 0 1 S −1 AS = 0 λ1 0 = 0 0 0 λ2 0 1 Dimension von E2 ist also eins. Die 0 1 0 0 0 . 4 Übungsblatt 9, 4. Aufgabe Eine quadratische Matrix heißt nilpotent mit dem Nilpotenzgrad k, falls Ak = 0 und Ak−1 6= 0 gilt. Zeigen Sie, dass eine quadratische Matrix A mit der Eigenschaft A2 = 0, A 6= 0 genau einen Eigenwert λ = 0 hat. Wie lautet das charakteristische Polynom der Matrix A? Welche algebraische und welche geometrische Vielfachheit besitzt der Eigenwert? Lösung Zunächst zeigen wir, dass λ = 0 ein Eigenwert der nilpotenten Matrix A ∈ Rn×n ist. Wir betrachten hierzu die definierende Relation ∃ x ∈ Cn \ {0} : A x = λ x (1) und multipliziern diese mit A. (4) 2 A x = λ A x = λ2 x |{z} =⇒ λ=0 0 Nun überprüfen wir noch die Eindeutigkeit dieses Eigenwertes. Annahme: Es gibt einen Eigenwert λ ∈ C \ {0}. Damit folgt ∃ x ∈ Cn \ {0} : Ax = λx (4) =⇒ 2 A x = λ A x = λ2 x |{z} =⇒ λ2 x = 0 Widerspruch zu 0 λ 6= 0 ∧ x 6= 0 . Nach dem Fundamentalsatz der Algebra besitzt ein Polynom n - ten Grades genau n komplexe Nullstellen λ1 , . . . , λn . Es zerfällt damit in n Linearfaktoren (β − λi ) , i = 1, . . . , n und einen konstanten Faktor c ∈ R. Damit gilt: χA (β) = c n Y (β − λi ) . i=1 Nach der Definition des charakteristischen Polynoms haben wir χA (β) := det (A − β I) und damit (siehe Vorlesung) c = (−1)n . Mit dem obigen Beweis ist der einzige Eigenwert von A gleich 0. D. h. λ1 = · · · = λn = 0 und wir erhalten χA (β) = (−1)n β n . Damit ist die algebraische Vielfachheit des Eigenwertes gleich n. Die geometrische Vielfachheit bekommen wir als Dimension des Nullraumes von A. s = dim (E0 ) = dim (N (A − 0 I)) = dim (N (A)) Dies ist der Defekt von A und mit der Vorlesung folgt s = n−r, wobei r den Rang von A bezeichnet. Übungsblatt 10, 1. Aufgabe, Diagonalisieren reeller Matrizen (a) Wir zeigen, dass Ls die Projektionsversion Ps des Spektralsatzes äquivalent zur ZerlegungsversiE ⇐⇒ A = on ist. D.h. Rn = i=1 λi i=1 λi Pλi ’⇒’ Ls n Sei x ∈ Rn beliebig i=1 Eλi die eindeutige Zerlegung in EigenPs gewählt. Dann Psfolgt mit RPs = vektoren x = i=1 xi ⇒ A x = i=1 A xi = i=1 λi xi . Dabei ist xi ∈ Eλi durch die eindeutig bestimmte orthogonale Projektion Pλi P : Rn → Eλi mit Ps s n xi = Pλi x gegeben. Also A x = i=1 λi Pλi x für alle x ∈ R und damit A = i=1 λi Pλi . 2 ’⇐’ 1. Fall: 0 ∈ / spec(A) Ps A ist in diesem Fall invertierbar (?) und wir erhalten mit A = i=1 λi Pλi s X Ax = λi Pλi x = i=1 also Rn = Ls i=1 s X λi xi ⇒ x = i=1 s X s X (??) λi A−1 xi = i=1 xi für alle x ∈ Rn i=1 Eλi . (?) Es gilt: 0 ist ein Eigenwert von A ⇐⇒ A ist singulär. Denn: 0 ist ein EW von A ⇔ ∃ x ∈ Rn \ {0} : A x = 0 ⇔ A ist singulär . (??) Für invertierbare A ∈ Rn×n gilt: λ ist ein Eigenwert von A ⇐⇒ λ−1 ist ein Eigenwert zu A−1 . Denn: ∃ x ∈ Cn \ {0} : A x = λ x ⇔ x = λ A−1 x ⇔ A−1 x = λ−1 x . 2. Fall: 0 ∈ spec(A) Wir setzen o.B.d.A. λ1 = 0 . D.h. A ∈ Rn×n ist singulär und es gilt dim(N (A)) ≥ 1 . Wir nutzen den Fundamentalsatz der linearen Algebra (N (A)) ⊥ = B(AT ) A ist B(A) und erhalten damit = symm. Rn = B(A) ⊕ N (A) und B(A) ⊥ N (A) . (2) Dabei ist N (A) = E0 = Eλ1 der Eigenraum zum Eigenwert 0. Sei nun y ∈ B(A) beliebig gewählt. Dann folgt mit y = Ax = s X λi Pλi x = s X λi xi mit λ2 , . . . , λs 6= 0 ⇒ (2) B(A) = Eλi . i=2 i=2 i=2 s M n ⇒ R = B(A) ⊕ N (A) = s M Eλi ⊕ E0 = s M Eλi i=1 i=2 und die Summe besteht aus paarweise orthogonalen Summanden. Bemerkung zur expliziten Darstellung orthogonaler Projektionen Mit der Definition orthogonaler Projektionen Pλi x ∈ Eλi und (x − Pλi x) ⊥ Eλi für alle x ∈ Rn Pd(λi ) D (i) E (i) folgt: Pλi x = j=1 uj , x uj . d Allgemein gilt (uj )j=1 sei eine Orthonormalbasis des Unterraums U ⊂ Rn , dann gilt : PU x = P Pd Pd d 1 n n×n gegej=1 huj , xi uj , D.h. PU ist durch die Matrix PU = j=1 uj uj , . . . , j=1 uj uj ∈ R ben. uij bezeichnet dabei die i-te Komponente des Vektors uj . (b) Wir ermitteln zunächst das charakteristische Polynom χA . χA (λ) = det(A − λ I) = (2 − λ) (2 − λ)2 − 2 Die Eigenwerte von √ als Nullstellen des charakteristischen Polynoms: √ A erhalten wir λ1 = 2 , λ 2 = 2 − 2 , λ 3 = 2 + 2 . Wir bestimmen die Eigenräume: 1 Eλ1 = N (A − λ1 I) = s 0 , s ∈ R −1 1 √ Eλ2 = N (A − λ2 I) = s − 2 , s ∈ R 1 Den Eigenraum Eλ3 können wir nach dem Spektralsatz mit ⊥ Eλ3 = {s ũ3 , s ∈ R} = (Eλ1 ⊕ Eλ2 ) 3 angeben. Also √ 2 1 ũ3 = − 2 × 0 = √2 . −1 1 2 Wir setzen 1 √ √ 1 2 1 √ Ũ = 0 , − 2 , √2 −1 1 2 In dieser Basis normieren wir noch die Vektoren und erhalten 1 1 √2 √ √1 1 1 0 , − 2 , 2 U= 2 2 2 −1 1 1 als diagonalisierende Orthonormalbasis von A. Übungsblatt 9, 1. Zusatzaufgabe 1. x1 , x2 ∈ Rn , n ≥ 2 seien Eigenvektoren von A ∈ Rn×n . In welchen Fällen ist auch x1 − x2 ein Eigenvektor von A? Lösung Wir können zwei Fälle unterscheiden. 1. Fall x1 und x2 liegen im gleichen Eigenraum Eλ und verfügen somit über den gleichen Eigenwert λ1 = λ2 = λ. Dann gilt: A (x1 − x2 ) = A x1 − A x2 = λ1 x1 − λ2 x2 = λ(x1 − x2 ). Somit ist x1 − x2 ebenfalls ein Eigenvektor und zwar zum Eigenwert λ. 2. Fall x1 und x2 liegen nicht im gleichen Eigenraum. D.h. x1 ∈ Eλ1 , x2 ∈ Eλ2 mit λ1 6= λ2 . Annahme: ∃ λ3 ∈ C : x1 − x2 ∈ Eλ3 Damit folgt λ1 λ3 =⇒ λ1 x1 − λ2 x2 = A (x1 − x2 ) = λ3 (x1 − x2 ) − 1 x1 + 1 − λλ23 x2 = 0. Da x1 und x2 nicht im gleichen Eigenraum liegen, sind sie linear unabhängig. Also zur Voraussetzung. λ1 λ3 = λ2 λ3 = 1 und somit erhalten wir λ1 = λ2 = λ3 einen Widerspruch Übungsblatt 10, 3. Zusatzaufgabe Beweisen Sie die folgende Implikation. A ∈ Rn×n ; n ≤ 3 ; A ist nicht diagonalisierbar. =⇒ A besitzt ausschließlich reelle Eigenwerte. Beweis Wir führen einen indirekten Beweis mit der Annahme: A ∈ Rn×n , n ≤ 3 besitzt mindestens einen komplexen Eigenwert λ ∈ C \ R . n = 2 : λ ∈ C \ R ist ein Eigenwert von A ∈ R2×2 ⇒ λ̄ ( 6= λ), ist ebenfalls ein Eigenwert von A. Die algebraische und damit auch die geometrische Vielfachheit von λ und λ̄ ist jeweils 1. D.h. A ist diagonalisierbar und wir haben einen Widerspruch zur Voraussetzung. 4 n = 3 : Zu λ ∈ C \ R haben wir wieder einen weiteren Eigenwert λ̄ 6= λ . Für den dritten Eigenwert λ3 können wir die folgenden zwei Fälle unterscheiden. 1. Fall: λ3 6= λ und λ3 6= λ̄. D.h. die algebraische und damit auch die geometrische Vielfachheit von λ, λ̄ und λ3 ist jeweils 1. A ist also diagonalisierbar ⇒ Widerspruch. 2. Fall: λ3 = λ (oder λ3 = λ̄). D.h. Die algebraische Vielfachheit von λ ist kλ = 2 . Damit ist auch kλ̄ = 2 . Wir haben also n ≥ 4 und damit einen Widerspruch. Bemerkung Für den obigen Beweis nutzen wir die folgende Variante vom Fundamentalsatz der Algebra. Jedes reelle Polynom lässt sich in reelle Polynomfaktoren vom Grad eins oder zwei zerlegen. (C.F. Gauß, 1799) Da jede Matrix A ∈ Rn×n ein charakteristisches Polynom mit reellen Koeffizienten (reelles Polynom) besitzt, zerfällt es in reelle Polynomfaktoren vom Grad eins oder zwei. Damit gibt es zu jeder nichtreellen Nullstelle λ ∈ C\R (Eigenwert von A) eine konjugiert komplexe Nulstelle λ̄ mit der gleichen algebraischen Vielfachheit (kλ = kλ̄ ). 5