2. Bewaffnete Pilger auf dem Kreuzzug

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V. Kulturen treffen aufeinander
2. Bewaffnete Pilger auf dem
Kreuzzug
ren Religionen entstehen können.
Die Schülerinnen und Schüler unterscheiden zwischen
der christlichen Lehre und der Praxis des Papstes und
der Kreuzfahrer.
Zeitrahmen: ca. zwei Stunden.
Konzeption
Die Schülerinnen und Schüler lernen das Phänomen der
Kreuzzüge am Beispiel des 1. Kreuzzugs kennen. Auf die
Darstellung der weiteren Kreuzzüge wurde verzichtet,
denn die Einteilung in acht Kreuzzüge ist recht künstlich, da es sich in Wirklichkeit um einen beständigen Zustrom und Rückfluß an Pilgern handelte, die das Abendland seit dem ersten Kreuzzug mit dem Orient verband.
Die Schülerinnen und Schüler können am 1. Kreuzzug
wesentliche Merkmale aller Kreuzzüge kennenlernen.
Im Zentrum dieses Kapitels steht die Genese des ersten
Kreuzzugs.
Eine Voraussetzung der Kreuzzüge war das mittelalterliche Pilgerwesen (Anknüpfung an Kapitel 1), insbesondere die lange Tradition der Jerusalemwallfahrt seit der
Spätantike. Jerusalem faszinierte nicht nur als altes Pilgerziel, sondern war für die gläubigen Christen immer
auch das himmlische Jerusalem, der Ort des eschatologischen Heils. Der Kreuzzug ist eine Pilgerfahrt (lat.
peregrinatio) bewaffneter Ritter. Der Begriff „Kreuzzug“
taucht erst später um die Mitte des 13. Jahrhunderts auf.
Das mittelalterliche Pilgerwesen wurde durch die päpstliche Propaganda instrumentalisiert, um einen Eroberungskrieg durchzuführen und zu rechtfertigen.
Die zweite Voraussetzung ist die Lehre vom „gerechten
Krieg“ (bellum iustum) von Augustinus. Der „gerechte
Krieg“ durfte nur der Verteidigung und der Wiedererlangung eines geraubten Gutes dienen. Der geplante
Kreuzzug wurde als Kampf um die Wiedererlangung des
durch die Muslime geraubten heiligen Grabes interpretiert. Günstig für die Kreuzzugsbewegung war, daß sich
die Lehre vom gerechten Krieg speziell mit dem Krieg gegen Heiden verband.
Auch ermöglichte die Gottesfriedensbewegung die Hinwendung der Kirche zum Kreuzzug. Einerseits trug die
Gottesfriedensbewegung zur Christianisierung der Ritter
bei (Ritterkampf im Namen Christi), andererseits erforderte sie die Hinwendung der Kirche zum Krieg (vgl.
Schülerbuch, Kapitel 4.2 „Was ist ein Ritter?“, S. 90).
Die französischen, und mit Einschränkung auch die
deutschen und die italienischen Ritter sahen in der Eroberung Jerusalems ein neues Lebensziel. Die Kreuzzugspropaganda hatte Erfolg, weil sie eine Vielzahl von
vorhandenen komplexen Problemen wie private Nöte,
die religiöse Heilssehnsucht, gesellschaftliche und wirtschaftliche Mißstände und soziale Spannungen bündelte und auf einen gemeinsamen äußeren Feind, die Muslime, lenkte.
Am 1. Kreuzzug wird das Verhalten gesellschaftlicher
Gruppen in Ausnahmesituationen deutlich (Kreuzzug
der Armen: Ausschreitungen gegen die Juden; Kreuzzug
der Ritter: Massaker an der muslimischen Bevölkerung
bei der Einnahme Jerusalems).
Die Eroberung Jerusalems, der heiligen Stadt der drei
monotheistischen Weltreligionen, zeigt die Gefahren,
die aus religiöser Intoleranz und Unkenntnis der ande-
Schwierigkeiten: Den Schülerinnen und Schülern wird
es schwerfallen, die Kreuzzüge nicht nur nach unseren
heutigen Maßstäben als Barbarei und Aggression der
christlichen Kirche zu sehen, sondern sie aus ihrer Zeit
heraus als Erscheinung eines feudalisierten christlichen
Glaubens zu verstehen, der sich damals räumlich wie
ideologisch auszudehnen begann.
Folgende zeitlose Probleme können an diesem Sachverhalt thematisiert werden:
- Entstehung von Feindbildern,
- Umgang mit anderen Kulturen,
- Problem der Gewaltanwendung zur Durchsetzung der
eigenen Ziele.
Möglichkeiten der Unterrichtsgestaltung
Lernwege:
1. Überblickswissen anhand des Verfassertextes, M3,
M4, Frage b) im Schülerbuch, S. 141.
2. Ausführliche Bearbeitung:
Die Bedeutung der Religion im Mittelalter für Juden,
Christen und Muslime am Beispiel Jerusalems zeigen.
1. Stunde:
1. Vergleich der Ebstorfer Weltkarte (M2) mit einer heutigen Weltkarte, Frage a) im Schülerbuch, S. 141: Jerusalem ist Mittelpunkt der christlichen Welt. Die Welt wird
religiös gedeutet.
2. Die Bedeutung Jerusalems für die drei monotheistischen Religionen (M3); Rückgriff auf den Islam (vgl.
Schülerbuch, S. 26ff., ggf. als Referat), weitere Informationen (auch aktuelle) über Jerusalem durch den Lehrer.
3. Die Vorgeschichte des 1. Kreuzzuges (Verfassertext)
oder Lehrererzählung.
4. Den Aufruf zum 1. Kreuzzug (M4) lesen. Als Hausaufgabe Frage b), S. 141 beantworten und zwischen der
Rhetorik der Rede und den vorgebrachten Argumenten
unterscheiden (vgl. Tafelbild).
2. Stunde:
1. Besprechung der Hausaufgabe.
2. Die Motive der Kreuzfahrer mit M4, Verfassertext und
Frage c), S. 141 herausarbeiten.
3. Unterrichtsgespräch: „Warum war der Papstaufruf so
erfolgreich?“ Verschiedene Motive (vgl. M5): Tradition
des Pilgerwesens, Heiliger Krieg, neues Ziel für christianisierte Kriegerschaft (Ritter), Elend der Massen.
4. „Wie entstehen Feindbilder? Inwiefern waren diese
begründet?“ Siehe dazu Schülerbuch, S. 110-112, besonders Verfassertext, M5 und M6.
5. Ergänzung: Die Judenverfolgungen im Rheinland
während des ersten Kreuzzuges (nach Schritt 2 „Motive
der Kreuzfahrer“ zu behandeln; vgl. Arbeitsblatt 7).
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V. Kulturen treffen aufeinander
Tafelbild
Die Rede Urbans II.
Urban weckt Aufmerksamkeit:
„Es kam eine schlimme Nachricht“
Verursacher des Schreckens: Seldschuken
„ ein gottfernes Volk, Räuber, Mörder ...“
Weckt Mitleid und Solidarität mit den verfolgten
Christen.
Fordert Ritter zur Vergeltung auf. Schmeichelt
ihnen, indem er ihre kriegerischen
Fähigkeiten lobt.
Stachelt sie durch Hinweis auf Reichtum
im Heiligen Land auf.
Papst verspricht Rittern die Vergebung ihrer Sünden:
„Schlagt diesen Weg ein zur Vergebung eurer Sünden.“
Zusatzinformationen zu den Materialien
M1: Eine Szene in Sandstein aus dem 1. Kreuzzug (Portal der Kathedrale von Reims). Sie zeigt, wie ein christliches Kreuzfahrerheer Jerusalem zurückeroberte.
M2: Im evangelischen Damenstift zu Ebstorf in der Lüneburger Heide fand sich 1830 ein einzigartiges, bis dahin unbeachtetes Zeugnis des mittelalterlichen Weltbildes. Vermutlich um 1240 hatten Nonnen aus dem damaligen Benediktinerinnen-Kloster auf insgesamt 30
Pergamenttafeln eine Weltkarte von 12,74 qm Grundfläche angelegt. Die Karte hatte die Jahrhunderte mit nur
geringen Schäden überstanden, wurde aber in ihrem
Aufbewahrungsort, dem niedersächsischen Staatsarchiv
in Hannover, 1943 bei einem Bombenangriff völlig zerstört. Da es jedoch genaue Aufnahmen gab, konnten originalgetreue Kopien hergestellt werden.
Die Ebstorfer Weltkarte ist wahrscheinlich nach einer
Beschreibung der Welt durch den Probst Gervasius von
Tilbury entstanden (13. Jh.). Es handelt sich um den
weitverbreiteten Typus der „T-Karte“. Die Erdscheibe
wird in T-Form in die drei damals bekannten Kontinente
aufgeteilt. Bei dieser Aufteilung nimmt Asien die obere
Hälfte des Erdkreises ein. Die untere Hälfte bilden Europa (links) und Afrika (rechts). Wie alle mittelalterlichen Weltkarten ist die Karte geostet. Das geographische
Zentrum der Welt ist die Stadt Jerusalem, in dem der aus
dem Grab auferstandene Christus zu sehen ist. Christus
ist die Mitte der Welt. Eine zweite Christusfigur umgreift
die ganze Welt: das Haupt im Osten, die ausgestreckten
und durchstoßenen Hände im Norden und Süden und
die Füße im Westen. Die für das Schülerbuch stark vereinfachte Karte enthält im Original zahlreiche Gebäude,
Gewässer, Inseln, Tiere, Pflanzen und 45 Menschen, die
durch 1200 Legenden (in der vereinfachten Ausführung
weggelassen) erklärt werden.
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Während sich die Kartenzeichner(innen) in Norddeutschland noch recht gut auskennen und die Städte
wirklichkeitsnah zuordnen, nimmt die Karte bei zunehmender Entfernung immer häufiger Elemente aus biblischen Geschichten auf. Die auf einem Berg gestrandete
Arche Noahs (vgl. Gen.6-9) ist vor dem Kaukasus eingezeichnet und ganz am nordöstlichen Kartenrand sind die
barbarischen Völker Gog und Magog, nach der Offenbarung des Johannes (Offb. 20, 8) die letzten Feinde
Christi, eingezeichnet. Der Turm von Babel (Gen.11) findet sich zwischen Euphrat und Tigris, und das Paradies
(Gen. 1–2) ist ganz im Osten links vom Haupt Christi
(zur Rechten Christi) eingezeichnet. Rechts vom Haupt
Christi haben die Zeichner(innen) den historischen
Alexander den Großen eingetragen (vgl. auch Folie
„Ausschnitte der Ebstorfer Weltkarte“, inkl. detaillierter
Beschreibung in: Folienmappe II, Klett-Bst.nr.: 410026).
Ein guter Druck der Ebstorfer Weltkarte (50 x 50 cm)
kann im Kloster Ebstorf für DM 14.-, zzgl. Versandkosten bestellt werden. Anschrift: Kloster Ebstorf, z. Hd.
Äbtissin L. v. Pusch, 29574 Ebstorf.
M3: Im Vordergrund ist die Klagemauer, hinten rechts
der muslimische Felsendom zu sehen. Die christliche
Grabeskirche ist nicht im Bild.
Der Klang des Wortes „Jerusalem“ löste bei den Menschen des 11. Jahrhunderts heftige Reaktionen aus und
weckte eschatologische Vorstellungen, denn es war
nicht nur die Stadt in Palästina, in der sich das Leiden,
das Sterben und die Auferweckung Jesu Christi abgespielt hatten, sondern es war das Bild des himmlischen
Jerusalems mit seinen Toren aus Saphiren und edelsteingeschmückten Mauern und Plätzen, wie es die Offenbarung des Johannes (Offb. 21, 10 ff.) und Tobit (Tob. 13, 21
f.) beschrieben hatten, der Mittelpunkt einer geistigen
Welt, wo Gott unter seinem auserwählten Volk weilt und
wohin die Auserwählten aufsteigen (vgl. „Tympanon von
Autun“, Schülerbuch, S. 135, M1).
Die Bedeutung der Stadt für die Muslime erhellt folgende Aussage des Kadi von Damaskus nach der
Rückeroberung Jerusalems 1187:
„O Menschen, freut euch über die gute Nachricht. Gott
ist euer Verhalten wohlgefällig, und das ist das Höchste, das Menschen sich wünschen können, denn er erlaubt es euren Händen, das verirrte Kamel (Jerusalem)
aus dem Besitz eines irregeleiteten Volkes wiederzugewinnen und in den Schoß des Islam zurückzuführen,
nachdem es fast hundert Jahre von den Polytheisten
mißbraucht wurde. (Jerusalem) war die Wohnstätte
eures Vaters Abraham, der Ort, von wo der gesegnete
Prophet Mohammed zum Himmel auffuhr …; es ist das
Land, wo die Menschheit sich zum Jüngsten Gericht
versammeln wird, der Boden, auf dem die Auferstehung stattfinden wird“.
(R. Röhricht, Beiträge zur Geschichte der Kreuzzüge, Bd. 1, 1874, Neudruck 1967, Scientia Verlag und Antquariat, Aalen 1967)
M4: Urbans Aufruf zum Kreuzzug ist in vier Versionen
überliefert, von denen aber keine zeitgenössisch ist. Sie
wurden alle nach dem erfolgreichen 1. Kreuzzug niedergeschrieben. In der vorliegenden Fassung von Robert
von Reims wird die Problematik der nachträglichen Nie-
V. Kulturen treffen aufeinander
derschrift am Beispiel der Sündenvergebung als Lohn
für den Kreuzzug deutlich. So läßt Robert von Reims Urban sagen: „Schlagt also diesen Weg ein zur Vergebung
eurer Sünden“ (letzte Zeile). Das Konzil von Clermont
hatte eindeutig formuliert: „Wer nur aus Frömmigkeit,
und nicht zur Erlangung von Ehre oder Geld zur Befreiung der Kirche Gottes nach Jerusalem aufgebrochen ist,
dem soll die Reise auf jede Buße (poenitentia) angerechnet werden“ (zit nach: P. Milger, „Kreuzzüge“, Gütersloh 1988, S. 29). Gemeint war hier der Erlaß der kanonischen Kirchenstrafen, wie z. B. der Ausschluß von
den Sakramenten oder Geldzahlungen, die über Adlige
für die Übertretung des kirchlichen Fehdeverbotes verhängt wurden. Wenn die Buße für begangene Sünden
abgeleistet war, wurde der Ablaß erteilt. Aber welchen
Ritter reizte es schon, allein aus Frömmigkeit eine bewaffnete Pilgerfahrt nach Jerusalem anzutreten? Um erfolgreich zu werben, versprachen die vielen Kreuzzugsprediger mehr, als die Kirche theologisch vertreten
konnte, nämlich die Vergebung aller Sünden durch Gott.
Für viele der nur mäßig theologisch geschulten geistlichen Kreuzzugsprediger und ihre Hörer hieß das, daß allein die Teilnahme am Kreuzzug unmittelbar beim göttlichen Strafgericht als eine Art Guthaben nach Kaufmannsmanier angerechnet würde. Aber anstatt die
fälschlicherweise geweckten Hoffnungen zu berichtigen,
entwickelte sich während der Kreuzzüge unter dem
Druck der Erwartungen die Ablaßlehre, die auf dem
vierten Laterankonzil (1215) im Kreuzzugsdekret ihren
Abschluß fand. Dieses versprach allen, die auf eigene
Kosten und persönlich (sich also nicht stellvertreten ließen) auf den Kreuzzug gingen, die volle Verzeihung aller ihrer Sünden. Und dies wurde als eine Art Freifahrschein ins Paradies betrachtet, dessen Wert bei der damals herrschenden Angst vor dem Jüngsten Gericht (vgl.
Schülerbuch, S. 135, M1 Tympanon mit dem Jüngsten
Gericht) nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.
Ob Urban II. den Ablaß auch so deutete, bleibt ungewiß
(vgl. H. E. Mayer, „Geschichte der Kreuzzüge“, Stuttgart
1976, S. 42).
Welche Motive hatte Papst Urban II. für seinen Kreuzzugsaufruf, der durch die Bitte des byzantinischen Kaisers Alexios um die Entsendung von abendländischen
Söldnern veranlaßt wurde?
1. Wie seine Vorgänger hoffte Urban II. auf eine Wiedervereinigung der schismatischen griechisch-orthodoxen Ostkirche (Schisma 1054) mit der römischen Kirche
unter päpstlicher Vorherrschaft, wenn er den byzantinischen Kaiser mit Truppen unterstützte.
Schon Papst Gregor VII. hatte nach der byzantinischen
Niederlage gegen die Türken 1071 bei Manzikert Pläne
eines unter seiner Leitung stehenden Orientfeldzuges,
der das christliche Land von Byzanz gegen die vordringenden Heiden unterstützen sollte. Damit wäre auch der
Vorrang des Papsttums als erster Macht in Europa dokumentiert worden.
2. Urban II. hoffte, der Ritterschaft ein neues, äußeres
Ziel zu geben, um sie von ihren endlosen Fehden untereinander abzulenken und so der Gottesfriedensbewegung zu einem Erfolg zu verhelfen.
M5: Siehe Frage c). Ein weiterer Grund: „Die Westfranken konnten sich leicht überreden lassen, von ihrem
Lande fortzuziehen, da Gallien seit einigen Jahren
furchtbar bald unter Bürgerkriegen, bald unter Hungersnot und allgemeinem Sterben litt.“
(Eckehard von Aura, in: J. Bühler, „Die sächsischen und salischen Kaiser“, S. 342. Zit. nach: H. D. Schmid, „Fragen an die Geschichte“,
Lehrerband 2, Frankfurt 21979, S. 82)
„Zu jener Zeit litt ganz Frankreich unter einer Hungersnot; jahrelange schlechte Ernten trugen die Schuld,
daß der Preis des Getreides in große Höhen kletterte,
und geizige Händler machten sich das allgemeine
Elend zunutze. Es gab wenig Brot und das wenige war
teuer, so daß die Armen statt Brot Wurzeln und wilde
Kräuter aßen.“
(Guibert de Nogent, in: Joan Evans, „Das Leben im mittelalterlichen
Frankreich“, Köln 1960, S. 92. Zit. nach: H. D. Schmid, a. a. O., S. 82)
Ergänzungen zum Angebot des Schülerbuchs
Arbeitsblatt 7: „Judenverfolgungen im Rheinland
während des ersten Kreuzzuges“.
Zu den Arbeitsvorschlägen und Fragen
a) Ebstorfer Weltkarte: Die Karte ist geostet (= orientiert). Sie folgt dem damals gängigen Schema der „TWeltkarten“: Asien nimmt die obere Hälfte ein, Europa
das linke untere, Afrika das rechte untere Viertel.
Die Karte hat einen geometrischen Mittelpunkt, der aber
nicht geographisch, sondern religiös festgelegt ist: Christus in Jerusalem als dem Ort seines Todes und seiner
Auferweckung. Auch umgreift er die ganze Welt; sie ist
in ihm geborgen.
Die Gebiete, die den Zeichnern (Zeichnerinnen) gut bekannt waren, wie Norddeutschland, sind geographisch
in etwa in den richtigen Verhältnissen eingezeichnet
worden. Je weiter die Landschaften aber von Norddeutschland entfernt sind, um so ungenauer werden die
Eintragungen und um so phantasievoller die eingezeichneten Menschen und Tiere. Die Karte enthält viele Eintragungen, die verschiedenen biblischen Geschichten
oder auch der Geschichte entstammen, ohne aber nach
deren historischer Echtheit zu fragen, z. B. die Arche
Noah, die Völker Gog und Magog, das Paradies, der
Turm zu Babylon, Alexander der Große.
Heutige Weltkarte:
Heutige Karten sind genordet. Die Kugelgestalt der Erde
wird durch verschiedene Verfahren auf eine Karte projiziert. Alle sechs Kontinente werden abgebildet. In der
Regel wird Europa in der Mitte der Karte abgebildet (Reste des eurozentrischen Weltbildes). Eine religiöse Weltdeutung fehlt. Alle Gebiete sind mit gleicher Genauigkeit eingezeichnet. Ereignisse aus der Bibel oder Geschichte sind nicht eingetragen.
b) Urban II. weckt die Aufmerksamkeit der Zuhörer
durch eine Schreckensmeldung (vgl. heutige Nachrichtensendungen): „Es kam eine schlimme Nachricht“.
Die Verursacher des Schreckens, die Seldschuken, werden mit negativen Begriffen charakterisiert: „ein ganz
gottfernes Volk“, Mörder, Räuber und Brandstifter an
den Ostchristen. Hierdurch erweckt er Gefühle des Mit85
V. Kulturen treffen aufeinander
leids und der Solidarität mit den verfolgten Christen.
Er fordert die Ritter zur Vergeltung auf, schmeichelt ihnen aber gleichzeitig, indem er ihre kriegerischen Fähigkeiten lobend hervorhebt (vgl. Tafelbild).
Neben der Erwähnung der Verantwortung der Ritter für
die Befreiung des heiligen Grabes stachelt er sie durch
die Aussicht auf den überfließenden Reichtum im Heiligen Land auf, den er bewußt der Armut in Europa gegenüberstellt. Die Rede gipfelt in dem mißverständlichen
Satz „Schlagt also diesen Weg ein zur Vergebung eurer
Sünden“ (vgl. Anmerkung zu M3).
Geistliche Argumente des Papstes:
- Die Nennung Jerusalems und des Grabes Christi löste
bei den Zuhörern Bilder der himmlischen Stadt Jerusalem als Ort der erlösten Christen aus (vgl. Schülerbuch,
S. 137,Verfassertext) und weckte den religiösen Wunsch,
diesen ersehnten Ort schon bald zu sehen.
- Der Papst versprach den Rittern bei geleisteter Pilgerfahrt die Vergebung aller Sündenstrafen (lt. Konzilstext)
bzw. Sünden (lt. Redetext; vgl. Anmerkung zu M3).
Weltliche Argumente des Papstes:
- Wichtig für die Ritter war nicht nur die Benennung eines neuen Feindes, den man ohne Einspreuch der Kirche (siehe Gottesfriedensbewegung), sondern sogar mit
ihrer ausdrücklichen Aufforderung bekämpfen konnte.
- Der Papst appellierte an den Mut und die ritterliche
Kampfbereitschaft.
- Der Papst versprach den Rittern die Möglichkeit der
Landeroberung und Beute.
c) Religiöse Gründe:
Die Hoffnung auf das ewige Heil als Handel mit Gott:
das Paradies als Lohn für die Kreuzfahrt (Lied), Vergebung der Sünden (s. Nivelo). Gott selbst hat den Kreuzzug angeregt, die hohe Beteiligung ist das Zeichen dafür
(Deutung durch Wilhelm von Tyrus). Gerade bei den Armen spielte die Vorstellung, das himmlische Jerusalem
zu erreichen, eine wichtige Rolle (vgl. Schülerband, S.
137 „Das wichtigste Ziel: Jerusalem“). Gerade sie verstanden den Aufruf als Aufforderung zur Pilgerfahrt, an
deren Ende dann die Vergebung der Sünden stand.
Wirtschaftlich-soziale Gründe:
Besonders die zu Abgaben und Frondiensten verpflichteten Bauern hofften durch die Pilgerfahrt nach Jerusalem aus ihren Abhängigkeitsverhältnissen, aber auch
Hunger und Armut zu entfliehen. Das Kloster St. Peter
bietet Nivelo eine große Geldsumme an, damit er seine
Raubzüge in die Klosterländereien künftig unterläßt.
Individuelle Gründe:
Gemeinschaft mit Freunden aufrechterhalten, Leichtsinn, Abenteuerlust, Mutprobe.
In der Regel hatte jeder Kreuzfahrer mehrere Gründe,
entscheidend aber war, daß die religiöse Idee alle Einzelmotive überhöhte.
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