Die bunte Welt der Angst Angststörungen Mittwoch, den 21.09.2011 Doc Morris Apotheke Naiel Arafat Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie -Traumatherapie- Angst ein notwendiger und normaler Affekt (Gefühl) ist nicht grundsätzlich negativ Hilft als Warn- und Alarmsignal, auf Bedrohungen von außen und Störungen von innen aufmerksam zu machen ein lebensnotwendiger Anpassungs- und Lernvorgang ist die Grundlage des Selbsterhaltungstriebs Was ist Angst Angst ist ein unangenehmer Gemütszustand mit zumeist körperlichen Begleiterscheinungen (ein ganz wichtiger Aspekt, sonst würde es sich um eine reine Befürchtung handeln, die uns täglich mehrfach umtreibt), hervorgegangen aus einem Gefühl der Bedrohung, das entweder konkret oder nicht nachweisbar ist. Angststörung ist ein Sammelbegriff für eine psychische Störung, bei der eine unspezifische Angst oder die konkrete Furcht vor einem Objekt oder einer Situation im Vordergrund steht und sie ist gekennzeichnet durch unangemessene Angstzustände, also Angst ohne reale Bedrohung, d. h. die äußeren, zumindest erkennbaren Bedingungen stellen keine hinreichende Erklärung für diese Gemütsbelastung dar (z. B. Partnerschaft, Familie, Nachbarschaft, Beruf), ungewöhnliche Ausprägung, längere Dauer und immer häufigeres Auftreten entsprechender Angstzustände, Unfähigkeit, die Angstzustände durch eigene Bewältigungsstrategien zu lösen oder auch nur zu mildern und ein mehr oder weniger charakteristisches Beschwerdemuster (Symptomatik der Angst) oder plötzliches Auftreten (z. B. Panikzustände) mit vor allem körperlichen Krankheitszeichen. Angststörung Angsterkrankungen sind in der Praxis häufig anzutreffen. Nach einer Studie der WHO 1996 litten etwa 8,5 % der Patienten in deutschen Allgemeinarztpraxen an einer generalisierten Angststörung und 2,5 % an einer Panikstörung. Frauen erkranken ca. zweimal häufiger als Männer. Menschen mit Panikstörungen leiden in der Hälfte der Fälle zusätzlich an einer Agoraphobie. Fast 20 % der Patienten, die sich in den USA in einem allgemeinmedizinischen Krankenhaus vorstellten, litten an einer Angsterkrankung, 41 % davon unbehandelt. Ein bereits fortgeschrittenes Stadium krankhafter Angst kündigt sich durch folgende Symptome an: Ausgeprägte Erwartungsangst: "Angst vor der Angst", die schon zuvor und immer früher den Betreffenden immer stärker beeinträchtigt oder gar lähmt. Zunehmendes Vermeidungs- und Rückzugsverhalten Selbstbehandlungsversuche Überkompensationsversuche im zwischenmenschlichen, beruflichen und sogar Freizeit- bzw. sportlichen Bereich ( Partner, Familie, Freundeskreis, Nachbarschaft, Arbeitsplatz bis hin zum bewussten Gefahrentourismus oder Gefahrensport). Übersicht: Angstformen Einfache Phobie Panikstörung Generalisierte Angststörung Agoraphobie Soziale Phobie Klassifikation der Angststörungen man unterscheidet erst einmal ganz allgemein die: Angststörungen auf organischer Grundlage: treten am häufigsten bei internistischen und neurologischen Erkrankungen wie Hyperthyreose (Überfunktion der Schilddrüse), Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), Herz- und Kreislaufkrankheiten, Migräne, Multiple Sklerose, Epilepsie, Hirntumoren usw. sowie Angstzustände auf psychischer Grundlage: Bei Depressionen Schizophrenien, Persönlichkeits- und Anpassungsstörungen, Alkoholismus, Rauschdrogenkonsum und Medikamentenabhängigkeit, dementiellen Entwicklungen u. a. und als letzte und wahrscheinlich wichtigste Gruppe die so genannten primären Angststörungen. Angststörungen Spez. Phobie Panikstörung Soziale Phobie Zwangsstörung Agoraphobie Generalisierte Angststörung Posttraumatische Belastungsstörung Angststörungen 12-Monats-Prävalenz (%) 8,8 Spez. Phobie 7,9 Soziale Phobie Panikstörung/ Agoraphobie Generalisierte Angststörung Nach Prof. Bandelow/Göttingen 5,1 3,1 Irgendeine Angststörung: 17,2% Prominente und wichtige Persönlichkeiten mit verschieden Angststörungen Kim Basinger Calista Flockhart Drew Barrymore Barbara Streisand Nicole Kidman Goldie Hawn Wynona Rider Jessica Simpson Prominente und wichtige Persönlichkeiten mit verschieden Angststörungen Dustin Hoffman Rihanna Michael Jackson Sir Laurence Olivier David Beckham Tommy Haas Madonna Bushido Prominente und wichtige Persönlichkeiten mit verschieden Angststörungen Claudia Schiffer Anthony Hopkins Burt Reynolds Sigmund Freud Sir Isaac Newton Charles Darwin Winston Churchill J. W. v. Goethe Spezifische Phobie Angst vor bestimmten Situationen Spezifische Phobie Eine Phobie ist eine zwanghafte Befürchtung. Sie drängt sich dem Betroffenen angesichts bestimmter Situationen, Personen, Objekte, Tiere usw. regelrecht auf. Und dies, obgleich sie für andere meist unauffällig, harmlos, jedenfalls nicht zu fürchten sind. Man weiß es, kann aber nichts dagegen tun. Es besteht eine deutliche emotionale Belastung durch die Angstsymptome. Die angstauslösenden Objekte beziehungsweise Situationen werden vermieden. Gleichzeitig besteht die Einsicht, dass die Ängste übertrieben oder unvernünftig sind. Die bekannteste Phobie ist die Platzangst. Es gibt eine Unzahl von möglichen Phobien, phobische Reaktionen können sich auf alles und jedes richten. Verschiedene Phobien Alliumphobie Aulophobie Venustraphobie Achluophobie Acrophobie Ailurophobie Agoraphobie Acousticophobie Apiphobie Aquaphobie Arachnophobie Arithmophobie Verschiedene Phobien Arsonphobie Aurophobie Bibliophobie Brontophobie Catoptrophobie Chirophobia Aviophobie Canophobie Chrematophobie Belonophobie Carnophobie Chronomentrophobie Verschiedene Phobien Cyclophobie Dendrophobie Dentophobie Entomophobie Equinophobie Canophobie Heliophobie Hylophobie Ichthyophobie Lachanophobie Ecclesiophobie Homichlophobie Muriphobie / Musophobie Verschiedene Phobien Agliophobie / Algophobie Allodoxaphobie Androphobie Angrophobie Anuptaphobie Aphenphosmophobie Anthrophobie / Anthophobie Asthenophobie Atychiphobie Automysophobie Autophobie Bathonophobie Bathophobie Cacophobie Cancerophobie / Carcinophobie Cardiophobie Cathisophobie Angst vor Schmerz Angst vor einer Meinung Angst vor Männern Angst vor Wut oder Angst, wütend zu werden Angst, alleinstehend zu bleiben Angst vor Berührungen Angst vor Blumen Angst vor Ohnmacht oder Angst vor Schwäche Angst, Fehler zu begehen Angst, schmutzig zu sein Angst, alleine u./o. auf sich alleine gestellt zu sein oder vor sich selbst Angst vor Pflanzen Tiefenangst, Angst vor Schwindel Angst vor Hässlichkeit Angst vor Krebserkrankungen Angst, etwas am Herzen zu haben Angst, zu sitzen Verschiedene Phobien Cherophobie Chionophobie Chorophobie Cibophobie Claustrophobie Cleithrophobie / Cleisiophobie / Clithrophobie Clinophobie Coitophobie Didaskaleinophobie Easiophobie Epistaxiophobie Epistemophobie Ereuthrophopbie Ergophobie Friggaphobie Gamophobie Geliophobie Angst vor Fröhlichkeit, Lustigkeit Angst vor Schnee Angst, zu tanzen Angst vor Nahrung Angst vor geschlossenen Räumen Angst, eingesperrt zu sein Angst ins Bett zu gehen Angst vor Geschlechtsverkehr Angst, in die Schule zu gehen Angst, zu schreiben Angst vor Nasenbluten Angst vor Wissen Angst vor Schamröte Angst vor Arbeit Angst vor Freitagen Angst vor Heirat Angst vor dem Lachen Verschiedene Phobien Genophobie Gynephobie / Gynophobie Gynäkophobie Hemaphobie / Hematophobie / Hemophobie Hominophobie Hyalophobie / Hyelophobie Iatrophobie Mastigophobie Musicophobie Ombrophobie Ophidiophobie Ornithophobie Ouranophobie Paedophobie Plutophobie Angst Angst Angst Angst vor Sex vor Frauen vor weiblichen Geschlechtsteilen vor Blut Angst vor Männern Angst vor Glas Angst vor dem Arzt(-besuch Angst vor Strafe Angst vor Musik Angst vor Regen, durch Regen nass zu werden Angst vor Schlangen Angst vor Vögeln Angst vor dem Himmel Angst vor Kindern Angst vor Reichtum Agoraphobie Menschenmenge Allein zu Haus Reisen allein Kaufhaus Öffentliche Verkehrsmittel Verkehrsstau Agoraphobie Angst vor Situationen und Orten, aus denen bei einem Angstanfall ein Entkommen schwierig oder peinlich wäre oder keine Hilfe zur Verfügung stünde. Agoraphobien sind die häufigste Angststörung. Sie treten bei Frauen ca. 2-3 mal häufiger auf als bei Männern. Die Panikstörung verteilt sich hingegen 2 zu 1. Menschen mit einer Agoraphobie fürchten meist eine Vielzahl von öffentlichen Situationen, Orten und Menschenansammlungen. Typische Situationen bei der Agoraphobie, die gefürchtet und deshalb oft gemieden werden, sind: Busfahren (generell die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel), Autofahren, Benutzung von Fahrstühlen, in Schlangen stehen, Besuch von Kaufhäusern, Supermärkten, Kinos, Theatern oder Gaststätten, Alleinsein. Agoraphobien und Panikattacken beginnen meist erst zwischen dem 20. und 35. Lebensjahr. Der erste Anfall tritt bei 80% der Betroffenen an einem öffentlichen Ort statt. Agoraphobie Die häufigsten Symptome: Schwindel oder Benommenheit starker, schneller oder unregelmäßiger Herzschlag Übelkeit oder Magen- / Darmprobleme Atemnot Schwitzen Schmerzen oder Druck auf der Brust Zittern oder Schütteln Angst, die Kontrolle zu verlieren Angst vor schlimmen Konsequenzen der erlebten Symptome Depersonalisation Derealisation Soziale Phobie Angst in kleinen Menschengruppen In der Schule an die Tafel gehen Im Mittelpunkt stehen Mit Vorgesetzten sprechen Telefonieren Treffen mit dem anderen Geschlecht Soziale Phobie Bei der sozialen Phobie bezieht sich die angstbesetzte Situation auf Situationen, die Kontakte mit anderen Menschen erfordern. Daher kann schon die Interaktion mit einem anderen Menschen eine erhebliche Überforderung darstellen. Diese zeigt sich dann in: Starken Ängsten, sich in bestimmten sozialen Kontexten zu zeigen Extremer Angst, in dieser Angst erkannt und öffentlich beschämt zu werden vor und in angstbesetzten Situationen starke körperliche Reaktionen (Herzrasen, Schwitzen, Übelkeit, Atemnot, Stimmversagen u. a.) starkem Vermeidungsverhalten, dadurch oft erhebliche Defizite beim „normalen“ Reifungsprozess und Defizite bei der Wahrnehmung sozialer Verantwortung häufig in der Folge sehr schlechtes Selbstbewusstsein, Versagensgefühle, Unterlegenheitsgefühle, Furcht vor Kritik Erröten, Zittern der Hände, Vermeidung von Blickkontakt, Übelkeit, auch Harndrang Soziale Phobie Die soziale Phobie beginnt zumeist im Alter zwischen 20 und 30 J. Fast alle Neuerkrankungen treten vor dem 20. Lj. auf, ein nicht geringer Teil bereits vor dem 12. oder gar 10. Dann kann es zu ernsten Entwicklungsstörungen kommen. Geschlechtsspezifisch scheinen Frauen häufiger betroffen. Risikofaktoren sind eine frühe Trennung von den Eltern, sonstige Trennungserlebnisse, eine familiäre Belastung, seelische Störungen der Eltern, insbesondere der Mutter sowie später drohende Einsamkeit bzw. Vereinsamung: unverheiratet, geschieden, getrennt oder sonst allein lebend. Der Verlauf ist in zwei Dritteln aller Fälle chronisch, ansonsten wellenförmig. Panikstörungen Die Panikstörungen zeichnen sich dadurch aus, dass wiederholt schwere impulsive Angst- oder Panikzustände auftreten, die sich nicht auf spezifische Situationen beschränken und deshalb nicht vorhersehbar sind. Panikattacken gehen besonders häufig einher mit plötzlichem Herzklopfen, Herzrasen oder unregelmäßigem Herzschlag. Es können ebenfalls Brustschmerzen, Erstickungsgefühle, Zittern, Schwitzen, Schwindel und das Gefühl der Entfremdung auftreten. Die Betroffenen haben Todesangst, befürchten zum Beispiel einen Herzstillstand oder Herzinfarkt. Immer wieder treten auch Gefühle von Derealisation auf und die Angst, verrückt zu werden. Dazu kommen die übrigen beschriebenen Symptome. Diese Anfälle dauern in der Regel nur wenige Minuten, manchmal etwas länger. Da diese Situationen plötzlich und unberechenbar auftreten, entsteht schließlich eine Angst vor der Angst. Spezifisch für die Panikstörung ist es, dass die Betroffenen oft den Zusammenhang zwischen den körperlichen Symptomen und ihrer Angst nicht erkennen und die Symptome fehlinterpretieren. Generalisierte Angststörung Unter die generalisierten Angststörungen werden anhaltende Symptome von Angst zusammengefasst, die sich ebenfalls nicht auf bestimmte Situationen beschränken. Dabei treten folgende Symptome auf: Nervosität, Zittern, Muskelspannung, Schwitzen, Benommenheit, Herzklopfen, Hyperventilation, Schluckbeschwerden, Schwindelgefühle, Oberbauchbeschwerden, Ruhelosigkeit, Konzentrationsstörungen, Reizbarkeit und Einschlafstörungen auf Grund der ständigen Besorgnis und Angst. Die Betroffenen können oft nicht angeben, wovor sie Angst haben, sie werden dann zum Beispiel von der Furcht gequält, dass sie oder ihre Angehörigen erkranken oder Unfälle erleiden könnten. Ursachen der Angststörungen Psychoanalytische Hypothesen frühkindliche Traumata (z.B. Tod der Mutter oder des Vaters) Elterliches Interaktionsverhalten (z.B. Erziehungsstile) Belastende Lebensereignisse (z.B. Scheidung, Trennungen, Verlusterreignisse) Lerntheoretische/kognitive Modelle der Panikstörung Familiäre/genetische Faktoren Neurobiologische Hypothesen Angst und Angststörungen Normale Angst Angst Keine Diagnostik Krankhafte Angst Primäre Angstkrankheit Auftreten in spezifischen Situationen Phobie Plötzlich aus heiterem Himmel Panikstörung Sekundäre Angstkrankheit Dauernd vorhanden Organerkrankung Medikamente Generalisierte Angststörung Internistische Diagnostik Psychiatrische Erkrankung Sucht Psychiatrische Diagnostik Neurolog. Erkrankung Neurolog. Diagnostik Behandlungsmöglichkeiten 1. 2. 3. 4. Entspannungsverfahren, z. B. Autogenes Training, PMR Kognitive Verhaltenstherapie Medikamente (Psychopharmaka), z. B. Antidepressiva: SSRI (Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, z. B. Fluoxetin, Citalopram, Cipralex, Zoloft SNRI (Serotonin-NoradrenalinWiederaufnahmehemmer, z. B. Trevilor, Cymbalta) Trizyklische Antidepressiva, z. B. Imipramin, Clompipramin Benzodiazepine, aber nur kurzfristig Bewegung und Sport