Das Universum heute Inhalt der Vorlesung • Kosmologische Konstante und Beschleunigung • Die Dichte der Materie • Die Dichte der Strahlung • Die seltsame Rezeptur 18 Kosmologische Konstante und Beschleunigung Die untere Abb. ist die Differenz zu einem Modell mit q0 = 0, also ∆(m − M ) = 1.086 log (1 − q0 ) z + .... km Aus den Daten der Rotverschiebung wurde H0 = 72 ± 7 s Mpc und q0 = −0.66 ± 0.10 bestimmt. Mit der Definition der kritischen Dichte 3H02 ρC = (91) κ werden alle Dichten in dimensionlose Dichteparameter Ω = ρ/ρC umgerechnet. Klassisch beschreibt ρC den Grenzfall W = 0 also eine gerade noch gebundene Galaxie. Numerisch gilt ρC = 9.74 · 10−27 kg/m3 . Wir setzen an, daß im Universum heute ρR vernachlässigbar ist. Dann führen die FLG zu folgenden Beziehungen zwischen den kosmologischen Parametern: kc2 1 + 2 2 = ΩM + ΩV H0 R0 (92) und ΩM q0 = − ΩV . (93) 2 Ein negativer Wert von q0 bedeutet also immer ρV 6= 0. Die Messungen der Fluktuationen der CMB ergeben ΩT = 1.02 ± 0.02 also ein flaches Universum k = 0 und mit ΩM = 0.25 (s.u.) folgt ΩV = 0.75 und mit (93) q0 = 0.63 konsistent mit der Messung. Beachten Sie die Linien q0 = 0 und k = 0. Ein Satz von Parametern neuer CMB Daten (WMAP) lautet: h0 = 0.71 ± 0.03, q0 = −0.66 ± 0.1, ΩM = 0.27 ± 0.04, ΩV = 0.73 ± 0.04. Eine Analyse, die den Verlauf der Rotverschiebung mit z untersucht ergibt den erlaubten Bereich der Parameter. 19 Die Dichte der Materie Direkte Massenbestimmungen nutzen das Newtonsche Gesetz rv 2 M = , G (94) wobei r der Abstand des Sterns mit der Geschwindigkeit v zum galaktischen Zentrum ist. Messung von v über Rotverschiebung. Beispiel: Sonne in Milchstraße: r = 8.5 kpc, v = 220 km/s, M = 2 · 1011 M mit M = 2 · 1030 kg. Studium vieler heller Galaxien gibt eine Strahlungsleistung (Luminosität) LG = 2 · 1010 L (95) M Mvis , =3 L LG (96) und ein Verhältnis worin Mvis die im sichtbaren Teil einer Galaxie enthaltene Materie aller Arten ist. Auf Skalen 100 Mpc kann man die hellen Galaxien zählen und findet eine Anzahldichte nG = 5 · 10−3 /Mpc3 , also ρvis Mvis = nG LG LG (97) mit dem numerischen Ergebnis ρvis = 3 · 108 M /Mpc3 oder Ωvis = 0.002 ΩM (98) Wir werden später sehen, daß die Anzahldichte der Baryonen aus der Elementhäufigkeit berechnet werden kann. Das Ergebnis ist ΩB = 0.039 ± 0.008 . (99) Das ist zwar 20 mal mehr als Ωvis , aber ΩB ΩM . Die Dichte der Materie im Kosmos kann nicht durch bekannte Teilchen erklärt werden!! Unabhängige Hinweise auf ΩM 6= ΩB sind sehr wichtig! 19.1 Rotationskurven In (94) ist M die in einer Kugel vom Radius r eingeschlossene Masse. Bei Galaxien, deren Masse im Zentrum konzentriert ist, sollte also weiter außen v ∼ 1/r gelten. Im Gegensatz dazu sind aber die Geschwindigkeiten der äußeren Sterne konstant (Beispiel NGC3189)! Im Halo muß es also Dunkle Materie geben mit einer Dichte ρD ∼ 1/r 2 und M ∼ r. Die Masse einer Galaxie ist eine schlecht definierte Observable. Die Milchstraße wird relativ gut durch C0 ρ= 2 a + r2 (100) (mit C0 = 4.6 · 109 M /kpc und a = 2.8 kpc) beschrieben. Falls v = const bis 50 kpc gilt, erhalten wir MG /LG > 30M /L und Ωgal > 0.02 . Daraus ΩM = 0.1..0.3 ?? (101) 19.2 Gravitationslinsen Newtonsche Ablenkung yv 2 cot(α/2) = MG (102) Für kleine Winkel daher 2M G α= . 2 yv (103) In der SR wird gezeigt, daß mit F ⊥ v diese Formel auch für Photonen (v = c) gilt. Die AR ergibt einen Faktor 2, α= 4M G . 2 yc (104) Die Bestätigung 1919 (α = 1.7500 ) brachte Einstein Weltruhm. Genauere Betrachtung: Punktförmige Masse im Zentrum des KS. Mit Θ = β + αg/D, α = 4GM/yc2 , D = g + b und Θ = y/b folgt r β β2 Θ1,2 = ± + Θ2E (105) 2 4 mit dem Einstein-Winkel r ΘE = 4GM g c2 Db (106) Die zwei Lösungen gehören zu (virtuellen) Bildern oberhalb und unterhalb des KS. Für β = 0 Entartung zum Einstein-Ring mit Winkel-Durchmesser (106). Die Linse arbeitet als Zerstreuungslinse und holt die Bilder näher. Verstärkung für ausgedehnte Objekte V = dΩB /dΩG ≈ ΘdΘ/βdβ mit dem Wert (x = β/ΘE ) 2 1 1 + x2 V = q , 2 x 1+ x 4 (107) falls die beiden Bilder nicht getrennt werden können. V → ∞ für x → 0. Microlensing: Kleine dunkle Objekte, die vor Sternen vorbeiwandern, verstärken kurzfristig deren Licht. Mit Hilfe automatisierter Beobachtung von Millionen Sternen (Magellansche Wolke) wurden die sog. MACHOS in der Milchstraße entdeckt. Zahl und Größe (≈ 0.1..0.5M ) reichen nicht aus, um ΩM = 0.3 zu erklären. Große Galaxienhaufen dienen als Linsen für dahinterliegende Galaxien. Der gelbe Haufen in der Mitte kann wegen ρ 6= const mehrere Bilder einer blauen Galaxie im Hintergrund erzeugen. Sie erscheinen bei 4,8,9,10 Uhr und evtl. in der Mitte. Die Analyse zeigt, daß die nötige Materiedichte mit ΩM ≈ 0.3 verträglich ist. Hauptaufgabe der Elementarteilchenphysik: Identifikation der dunklen Materie (WIMP?). 20 Die Dichte der Strahlung Das Weltall ist von einer homogenen und isotropen elm. Strahlung (CMB) erfüllt, die dem Planckschen Gesetz der Strahlung eines schwarzen Körpers genügt. Sie wurde 1964 von Penzias und Wilson entdeckt. Die Temperatur beträgt 2.725 ± 0.002 K. Die CMB • wird von der Urknalltheorie vorhergesagt • ist die Quelle der genauesten Werte für die kosmologischen Parameter Aus der Planck Formel bestimmen wir die Energiedichte Mit 2 h̄c dρ 16π 1 R 2 c = dλ λ5 exp (2πh̄c/λkT ) − 1 (108) gilt ρR c2 = 4 σT 4 c (109) also ΩR = 4.9 · 10−5 d.h. ≈ ΩB /1000. Die Dichte der Photonen ist nγ = 20.2 T 3 cm−3 K−3 (110) also 410.4/cm3 . Daraus folgt nB /nγ ≈ 6 · 10−10 , unabhängig von R oder der Zeit nach dem Urknall! Diese Zahl ist sehr klein, aber 6= 0. Nach unserer derzeitigen Kenntnis gibt es praktisch keine Antimaterie im Kosmos. Im Urknall würde man erwarten, daß durch die Strahlung gleichviel Materie und Antimaterie erzeugt wird, also nB = 0, falls Vernichtung vollständig. Nun zu den Neutrinos: Wir werden später die sog. Fermiverteilung diskutieren. Aus ihr folgt für die Anzahldichte der Neutrinos nν = (3/4)nγ , also nν = 15.15 T 3 cm−3 K−3 . (111) Wir werden auch sehen, daß eine Hintergrundstrahlung von Neutrinos vorausgesagt wird mit einer Temperatur Tν = 4 11 1/3 Tγ (112) also 1.95 K. Damit gilt für jede Sorte Neutrinos nν = 112/cm3 . Neutrinos sind Kandidaten für die dunkle Materie, da eine Masse von 16 eV/c2 für ΩM = 0.3 ausreicht. Vgl. mp c2 = 938.3 MeV. Für die Masse des Elektron-Neutrinos gibt es eine obere Schranke mν,e c2 < 2.3 eV, also Ων,e < 5%. Eine bessere Schranke kommt wieder von der Messung der Fluktuationen der CMB, Ων = 1.4%, P das entspricht mν c2 < 0.7 eV. Eine Untersuchung der Neutrino Oszillationen ergibt P mν c2 ≈ 0.02 eV, d.h. Ων = 0.05%. Die Theorie der Strukturbildung verlangt Ων < 5%. Neutrinos können die dunkle Materie nicht erklären! 21 Die seltsame Rezeptur Die Zusammensetzung des Universums bietet viele Rätsel und viele Forschungsmöglichkeiten!