W I S S E N S C H A F T py“ (TFT) nach Otto F. Kernberg und die „dialektisch-behaviorale Psychotherapie“ (DBT) nach Marsha M. Linehan. Es handelt sich dabei um zwei Therapieformen, die modifiziert und an die speziellen Probleme und Bedürfnisse von Borderline-Patienten angepasst wurden. Darüber hinaus gibt es einzelne Ansätze verschiedener Therapierichtungen, etwa seitens der Gesprächspsychotherapie, Katathym-Imaginativer Psychotherapie, Transaktionsanalyse und klientenzentrierter Gruppenpsychotherapie. Auch körpertherapeutische Verfahren, Gestaltungs- und Kunsttherapien nehmen sich der Borderline-Patienten an. Schwierige Datenermittlung aufgrund der Symptomatik Trotz dieser intensiven Beschäftigung mangelt es nach wie vor sehr an Vergleichsstudien und an empirischen Belegen zur Wirksamkeit. Insbesondere psychodynamische und psychoanalytische Konzepte wurden fast noch gar nicht empirisch geprüft. Lediglich die Wirksamkeit der DBT in Phase 1 der Behandlung gilt inzwischen als abgesichert. Für diesen Mangel an empirischen Wirksamkeitsnachweisen gibt es verschiedene Gründe. Zum Beispiel sind Borderline-Therapien generell Langzeittherapien, denn eine Persönlichkeitsstörung lässt sich nicht in wenigen Wochen behandeln. Die wissenschaftliche Begleitung von Langzeittherapien ist jedoch sehr zeit- und kostenintensiv und kann daher in vielen Kliniken und Praxen nicht geleistet werden. Eine Ursache liegt auch in der Symptomatik. Aufgrund ihrer Störung haben Borderline-Patienten erhebliche Schwierigkeiten mit der Selbsteinschätzung. Zudem wechseln Befindlichkeit und Symptomatik rapide, was die Interpretation der Daten erschwert. Ein weiteres Problem ist die hohe Abbruchquote, weil sie die Generalisierbarkeit von Therapieergebnissen erheblich einschränkt. Auch bereitet die hohe Komorbidität Probleme. Wie sich in der Praxis immer wieder zeigt, entstehen durch die Komorbidität verschiedene Subtypen von Borderline-Patienten. So unterscheiden sich etwa BorderlinePatienten mit zusätzlicher Essstörung ⏐ PP⏐ ⏐ Heft 7⏐ ⏐ Juli 2005 Deutsches Ärzteblatt⏐ klinisch erheblich von Patienten, die außerdem eine Major-Depression aufweisen. Diese Subtypen zu identifizieren und die Therapieergebnisse danach zu differenzieren, ist bisher noch nicht gelungen. Ebenso steht noch aus herauszufinden, für welche Borderline-Patienten welches therapeutische Verfahren am besten geeignet ist. Im Bereich der Borderline-Persönlichkeitsstörung können noch viele Erkenntnisse gewonnen und Hindernisse überwunden werden. Dieser Aufgabe müssen sich Forscher und Therapeuten mit vereinten Kräften stellen, denn es besteht dringender Handlungsbedarf: Empirische Studien haben bestätigt, dass Patienten mit Persönlichkeitsstörungen über lange Zeiträume hinweg in ihren sozialen, beruflichen und anderen wichtigen Funktionen stark beeinträchtigt sind und erheblich darunter leiden. Betroffen sind etwa zwei Prozent der Bevölkerung, darunter sind auch Kinder. Damit zählt die BorderlinePersönlichkeitsstörung zu den häufigsten psychiatrischen Erkrankungen. Un- Referiert Gründe für Therapiewechsel Mangelnde Passungen demotivieren Z wischen 30 Prozent und 45 Prozent aller Patienten, die sich in einer psychotherapeutischen Behandlung befinden, haben eine oder mehrere Vorbehandlungen in ihrer Vorgeschichte. Viele dieser Patienten wechselten mit der Aufnahme der aktuellen Therapie jedoch nicht nur den Therapeuten, sondern auch das Therapieverfahren. Psychologen der Universität Hamburg haben jetzt die Gründe für solche Wechsel erforscht. Sie befragten 25 Patienten, die von einem der so genannten Richtlinienverfahren in eine Gesprächspsychotherapie gewechselt waren und diese auch erfolgreich abgeschlossen hatten. Die Patientinnen litten unter anderem unter neurotischen, affektiven, somatoformen und Persönlichkeitsstörungen. PP ter den von Persönlichkeitsstörungen Betroffenen sind Borderline-Patienten schon heute die größte und klinisch relevanteste Gruppe. Zwei Drittel der Psychotherapeuten, die an einer Befragung des Hamburger Psychotherapeuten Dr. med. Birger Dulz teilgenommen haben, gehen davon aus, dass sich die Zahl der Borderline-Betroffenen in den nächsten Jahren weiter erhöhen Dr. phil. Marion Sonnenmoser wird. Literatur 1. Bohus M, Stieglitz RD, Fiedler P, Hecht H, Berger M: Persönlichkeitsstörungen. In Berger M (Hrsg): Psychische Erkrankungen. München, Jena: Urban & Fischer 2004: 875–993. 2. Brömmel B, Dammann G: Katathym Imaginative Psychotherapie (KIP) und Übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP) in der Behandlung von BorderlineStörungen. Persönlichkeitsstörungen 2004; 8: 161–174. 3. Eckert J, Dulz B, Makowski C: Die Behandlung von Borderline-Persönlichkeitsstörungen. Psychotherapeut 2000; 5: 271–285. 4. Kernberg OF, Selzer MA, Koenigsberg HW, Carr AC,Appelbaum AH: Psychodynamische Therapie bei Borderline-Patienten. Bern: Huber 1993. 5. Linehan MM: Dialektisch-behaviorale Psychotherapie der Borderline-Störung. München: CIP-Medien 1996. Die Wissenschaftler kamen zu dem Ergebnis, dass Therapieabbrüche und -wechsel infolge einer unzureichenden Passung zwischen der Person des Patienten und seinen Vorstellungen über Krankheitsursachen und dem Vorgehen zu ihrer Behebung und der Person des Therapeuten und seinem Behandlungsund Krankheitsmodell auftreten. Bei der Mehrzahl der Patienten kam hinzu, dass sie die erzielten therapeutischen Veränderungen als unzureichend empfanden. „Die Ergebnisse machen die Notwendigkeit deutlich, Erstinterviews und probatorische Sitzungen unter dem Gesichtspunkt einer differenziellen Therapieindikation zu führen“, so die Wissenschaftler. Das setzt jedoch ausreichende Kenntnisse der Indikationsund Wirkprofile der anderen Therapiems verfahren voraus. Eckert J, Frohburg I, Kriz J:Therapiewechsler. Differenzielle Therapieindikation durch die Patienten? Psychotherapeut 2004; 49: 415–426. Jochen Eckert, Psychologisches Institut III, Universität, Von-Melle-Park 5, 20249 Hamburg, E-Mail: jeckert@ uni-hamburg.de 319