Wertigkeit von Leberfunktionstesten (<1MB)

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Wertigkeit von Leberfunktionstesten
Dr. med. Prof. Petra Munda
Prof. f&uuml;r Magen- und Lebererkrankungen
Medizinische Universit&auml;t Wien
h&ouml;hen. Wenn wir die jeweiligen Muster
der erh&ouml;hten LFT untersuchen, k&ouml;nnen
wir unterscheiden, welcher Krankheitsprozess gerade abl&auml;uft.
Zusammenfassung
Leberfunktionstests sind bei folgenden Fragestellungen n&uuml;tzlich:
1. Liegt eine Lebererkrankung vor?
2. Wie ausgepr&auml;gt ist eine solche
Lebererkrankung?
3. Welche prognostischen Schl&uuml;sse
k&ouml;nnen wir ziehen?
Es gibt zwei Klassen von LFT:
Aus den Hepatozyten stammende Enzyme: Alanin-Aminotransferase (ALT)
und Aspartat-Aminotransferase (AST).
Mit den Gallenwegen assoziierte Parameter: Bilirubin; akalische Phosphatase (AP) und Gamma-Glutamyl-Transferase (GGT).
Muster erh&ouml;hter Leberfunktionstests
(LFT) k&ouml;nnen uns bei der Bestimmung
des Krankheitstyps helfen, w&auml;hrend die
Gr&ouml;ssenausschl&auml;ge dazu beitragen, die
Schwere der Erkrankung und die Prognose zu bestimmen. Dieser Artikel
beschreibt LFT Muster, sowie die h&auml;ufigsten Krankheiten, die mit erh&ouml;hten
LFT verkn&uuml;pft sind.
Die Bandbreiten f&uuml;r normale und abnorme Werte f&uuml;r diese LFT sollten vom
jeweiligen Laboratorium mitgeteilt werden, das diese Tests durchf&uuml;hrt.
Der Begriff &laquo;Leberfunktionstest&raquo; ist irref&uuml;hrend, da diese Tests kaum etwas
&uuml;ber die eigentliche Funktion der Leber
aussagen. Hingegen informieren uns
Leberfunktionstests (LFT) dar&uuml;ber, ob
sich in der Leber Krankheitsprozesse
abspielen, welche die Leberenzyme er-
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Diagnose von Lebererkrankungen
Das Muster der erh&ouml;hten Werte unter
den LFT kann f&uuml;r die Bestimmung des
Typs der Lebererkrankung massgebend
sein. Ein &laquo;hepatitisches&raquo; Muster ist
durch die Erh&ouml;hung der hepatozyt&auml;ren
Enzyme ALT und AST gekennzeichnet.
Hier sind St&ouml;rungen wie virale Hepatitis, autoimmune Lebererkrankung und
durch Medikamente induzierte Lebererkrankungen eingeschlossen.
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Tabelle 1
H&auml;ufige Lebererkrankungen
Sehr h&auml;ufig
Weniger h&auml;ufig
Nicht-alkoholische Fettleber (NAFLD)
durch Drogen induzierte Lebererkrankung
Chronische Hepatitis C
Autoimmunhepatitis
Chronische Hepatitis B
α1-Antitrypsin-Mangel
Alkoholische Lebererkrankungen
Wilson-Krankheit
H&auml;mochromatose
Verschiedene Bedingungen
Ein &laquo;cholestatisches&raquo; Muster ist Ausdruck von erh&ouml;hten Messwerten von
Cholestase (Erh&ouml;hung von Bilirubin, AP
und GGT). Diese schliessen St&ouml;rungen
ein, welche mechanische Behinderungen des Galleabflusses (wie Tumore
und Gallensteine) beinhalten, alkoholische Lebererkrankungen, sowie seltene
Erkrankungen wie Prim&auml;r bili&auml;re Zirrhose (PBC) und Prim&auml;r sklerosierende
Cholangitis (PSC).
Bei der differenzialdiagnostischen Beurteilung von erh&ouml;hten LFT sollte man
immer bedenken, welches die h&auml;ufigsten Lebererkrankungen sind und welches Testmuster diesen zuzuordnen ist.
Tabelle 1 zeigt die h&auml;ufigen und weniger h&auml;ufigen Lebererkrankungen separat aufgef&uuml;hrt.
Neben den LFT liefern weitere Laboruntersuchungen diagnostische Informationen &uuml;ber die Art der vorhandenen
Lebererkrankung:
• Anti-hepatitis C (Virus) Antik&ouml;rper,
HBS-Antigen, HBe-Antigen: chronische virale Hepatitis
• Serum-Ferritin und Transferrin-S&auml;ttigung: genetischer Nachweis von
H&auml;mochromatose
• Coeruloplasmin im Serum und UrinKupfer: Morbus Wilson
• Antinukleare Antik&ouml;rper (ANA), Antik&ouml;rper gegen glatte Muskulatur und
mikrosomale Leber-Nieren-Antik&ouml;rper
(LKM): Autoimmunhepatitis
• Antimitochondriale Antik&ouml;rper: prim&auml;re bili&auml;re Zirrhose
• Serum α1-Antitrypsin: Alpha1-Antitrypsin-Mangelkrankheit
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Die folgenden Marker von Leberfunktionen sagen uns viel mehr &uuml;ber das
Ausmass des Leberschadens als LFT:
• Abnahme des Serumalbumins
• Abnahme der Prothrombinzeit (verschlechterte Gerinnungsfunktion)
• Abnahme des Totalcholesterins im
Serum (was erst in einem sehr sp&auml;ten
Stadium der Lebererkrankung auftritt)
• Abnahme der Cholinesterase; und
• Abnahme der Zahl der Thrombozyten
(sehr empfindlich, aber ein indirekter
Hinweis)
Der Median der &Uuml;berlebensdauer betr&auml;gt bei verschiedenen ZirrhoseTypen:
• Kompensierte Zirrhose: 9 Jahre
• Dekompensierte Zirrhose (Symptome
von Gelbsucht; Encephalopathie, Aszites, Varizen-Blutungen): 1,6 Jahre
• Hepatopulmonales Syndrom (Lungen
und Leberversagen): 10 Monate
• Spontane bakteriologische Peritonitis: 9 Monate
• Hepatorenales Syndrom: (Nierenund Leberversagen): 6 Monate bis
2 Wochen
Zirrhose
Zirrhose ist ein fortschreitender Vernarbungsprozess der Leber, bei dem
deren Zellen zunehmend besch&auml;digt
werden; es kommt zu Knotenbildungen, und die Fibrose st&ouml;rt die normale
Architektur des Organs. Ein absolut kritischer Moment im Verlauf der Zirrhose
ist deren erste Dekompensation mit
beispielsweise Gelbsucht, Oesophagusvaricenblutungen, Aszites oder mit
erstmaligem Auftreten von hepatischer
Encephalopathie. Von diesem Moment
an nimmt die &Uuml;berlebenswahrscheinlichkeit deutlich ab.
Alkoholische Lebererkrankungen
Das Endstadium der alkoholischen
Lebererkrankung (ALD) ist die Zirrhose,
aber es gibt verschiedene Stadien dazwischen, die den durch den Alkoholmissbrauch angerichteten Schaden
aufzeigen. In 90% der F&auml;lle von Alkoholmissbrauch, ist das erste Stadium
die Bildung einer Fettleber. Acht bis
zwanzig Prozent der Fettleberf&auml;lle entwickeln sich direkt weiter zur Zirrhose,
aber in 10% bis 35% werden sie zu
F&auml;llen mit alkoholischer Hepatitis. Rund
40% dieser F&auml;lle mit alkoholischer
Hepatitis schreiten dann im Laufe der
Zeit ebenfalls fort zur Zirrhose.
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Die &Uuml;berlebenschancen bei alkoholischer Zirrhose sind deutlich reduziert:
• Bei fortgesetztem Alkoholmissbrauch
betr&auml;gt die Chance, 5 Jahre zu &uuml;berleben, 40% bis 48%
• Bei vollst&auml;ndiger Alkoholabstinenz
betr&auml;gt die Rate derjenigen, die
5 Jahre &uuml;berleben, 60% bis 70%
• Sind erste Dekompensationszeichen
bereits vorhanden, betr&auml;gt die 6Jahres-&Uuml;berlebenschance noch 21%.
Todesursachen bei alkoholischer Lebererkrankung (und anderen Formen von
Zirrhose) sehen wie folgt aus:
• Leberversagen: 27% bis 51%
• Hepatom: 5% bis 16%
• Gastrointestinale Blutungen:
9 bis 47%
• Infektionen: 3% bis 17%
• Nierenversagen: 1% bis 8%
Nachfolgende Untersuchungsresultate
k&ouml;nnen auf eine Alkoholische Lebererkrankung hinweisen:
• Eine isolierte Erh&ouml;hung der GGT.GGT
hat eine Sensitivit&auml;t und Spezifit&auml;t
f&uuml;r ALD von 50%. Erh&ouml;hte Werte
von Alkohol induzierter GGT normalisieren sich nach 4 bis 6 Monaten
Abstinenz.
• AST-Niveaus sind h&ouml;her als ALT. Die
AST: ALT-Ratio ist &gt; 1
• Sehr hohe Werte des durchschnittlichen Volumens der Erythrozyten
(MCV)
• Die Fettleber kann mit Ultraschall
oder CT-Bildern entdeckt werden.
100% der Personen mit einem t&auml;glichen Alkoholkonsum von mehr
als 60 Gramm entwickeln eine Fettleber.
• Erh&ouml;htes Carbohydrate Deficient
Transferrin (CDT)
Hepatitis C
Fr&uuml;her bekannt als Non-A- Non-BHepatitis, hat das Hepatitis-C-Virus
(HCV) weltweit rund 170 Millionen
Menschen infiziert. Rund 0,5% bis 1%
der Bewohner von Nordamerika und
Nordeuropa sind befallen. In S&uuml;dostasien, China, S&uuml;damerika und den
Mittelmeerl&auml;ndern ist die Rate aber
deutlich h&ouml;her.
Die HCV-Infektion wird bei rund 85%
der infizierten Individuen chronisch.
Nur in 15% bis 25% der F&auml;lle tritt eine
spontane Heilung ein. HCV bleibt oft
f&uuml;r Dekaden unentdeckt und wird
normalerweise erst w&auml;hrend Routine-
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Untersuchungen entdeckt. Rund 20%
haben normale LFT und erleben einen
gutartigen Verlauf der Infektion.
Die Zeitspanne bis sich die Zirrhose
entwickelt, dauert 10 bis 50 Jahre.
Kofaktoren spielen eine wichtige Rolle
in der Beschleunigung des Prozesses
auf dem Weg von der Infektion zur
Zirrhose, so Alkoholkonsum und -missbrauch, &Uuml;bergewicht und hepatotoxische Substanzen. Die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung einer Fibrose
nimmt mit dem Alter im Moment der
Infektion zu. Beinahe 100% derjenigen,
die im Infektionszeitpunkt &uuml;ber 50 Jahre alt sind, entwickeln innert 15 Jahren
oder weniger eine Fibrose, wogegen
nur rund ein Drittel derjenigen, die
im Zeitpunkt der Infektion j&uuml;nger als
21 Jahre alt sind, eine Fibrose in den
folgenden 20 und mehr Jahren entwickeln.
Die &Uuml;bertragung von HCV durch Bluttransfusionen ist heute praktisch ausgeschlossen. Heute ist die h&auml;ufigste
Infektionsart intraven&ouml;ser Drogenmissbrauch. T&auml;towierungen und Piercen
werden ebenso als &Uuml;bertragungsarten
angeschaut. Sexuelle &Uuml;bertragung ist
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sehr selten und tritt in stabilen Partnerschaften praktisch nie auf.
Die H&auml;ufigkeitsrate hat seit den 1980erJahren dramatisch abgenommen. Dennoch ist das durch die HCV-Infektion
verursachte Gesundheitsproblem immer noch gross. In den USA fand die
NHANES-III-Studie, dass die Verbreitung von HCV-Antik&ouml;rpern 1,6% betr&auml;gt (Alter 20 bis 29), 3,4% (Alter 30
bis 39), 3,0% (Alter 40 bis 49) und 1,4%
(Alter 50 bis 59).
Innert der letzten 15 Jahren wurde aus
der HCV-Infektion eine heilbare Krankheit: Eine Kombinationstherapie mit
Interferon und Ribavirin w&auml;hrend 6 bis
12 Monaten (abh&auml;ngig vom Genotyp)
f&uuml;hrt zu andauernder Viruselimination
in 50% bis 60% der F&auml;lle.
Hepatitis B
Die Infektion mit dem Hepatitis-B-Virus
(HBV) ist weltweit gesehen mit rund
350 Millionen ein gr&ouml;sseres Problem
als die HCV-Infektion. In entwickelten
L&auml;ndern gibt es aber relativ wenige
mit HBV-infizierte Personen. Der HBVInfektion kann mit einer Impfung vorgebeugt werden.
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Die Akute Hepatitis B wird in 95% der
F&auml;lle von einer Viruselimination und
von Immunit&auml;t gefolgt. Nur in 5% der
F&auml;lle entwickelt sich eine chronische
HBV. Patienten mit chronischer HBV haben ein Risiko von 30%, unter lebenslangen Komplikationen zu leiden. Eine
Heilung einer chronischen HBV-Infektion ist sehr selten, obwohl eine Behandlung mit Interferon und NukleosidAnalogen die Virusvermehrung reduzieren kann.
Nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD)
Der h&auml;ufigste Grund f&uuml;r erh&ouml;hte LFT
ist die Nicht-alkoholische FettleberKrankheit (NAFLD). NAFLD wird heute
als ein Teil eines metabolischen
Syndroms betrachtet und wird in NAFL
(reine Fettleber, 85%) mit einem gutartigen Verlauf und NASH (Fettleberhepatitis, 15%) unterteilt.
Charakteristika des NAFLD umfassen:
• Steatosis, nachgewiesen durch Fettansammlung, dem so genannten
Ballonierungseffekt bei Leberzellen,
Mallory-K&ouml;rper, Entz&uuml;ndung und Fibrose bei Alkoholkonsum von weniger
als 20 Gramm pro Tag
NAFLD sollte vermutet werden, wenn
einer oder mehrere der folgenden
Punkte auftreten:
• &Uuml;bergewicht oder Adipositas
• Diabetes
• Hyperlipid&auml;mie
• Bluthochdruck
• L&auml;ngere Behandlung mit Kortison
oder Amiodarone
• Gastrointestinale Bypass-Operation
in der Vorgeschichte und
• Anamnese mit raschen Gewichtsverlust
Differenzialdiagnostisches Vorgehen
bei erh&ouml;hten Leberfunktionstests (LFT)
Bei der Risikopr&uuml;fung erh&ouml;hter LFT sollte man sein Augenmerk insbesondere
auf die nachfolgenden Punkte richten:
• Unterscheiden zwischen verschiedenen &laquo;Mustern&raquo; von Leber-Enzymen
• Zahl der Thrombozyten betrachten
(falls sie erniedrigt sind, ist dies
m&ouml;glicherweise ein indirektes Zeichen f&uuml;r Zirrhose)
• Falls Alkohol und virale Hepatitis
ausgeschlossen werden k&ouml;nnen, ist
NAFLD die wahrscheinlichste Diagnose und
• Die Prognose von leicht erh&ouml;hten LFT
ist in der Regel sehr gut.
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Zur Beurteilung, ob bei erh&ouml;hten LFT
eher ein relevantes Leberleiden vorliegt
oder nicht, empfiehlt sich ein Blick auf
die folgenden Problemkreise:
• Familiengeschichte:
H&auml;mochromatose, famili&auml;re Hyperbilirubinemia, kryptogene Zirrhose
• Herkunftsland: Vertikale &Uuml;bertragung
von Hepatitis B in endemischen L&auml;ndern
• Alkoholkonsum: der Nachweis ist oft
schwierig, aber der Risikopr&uuml;fer sollte den Lebensstil des Antragsteller,
Gewicht und die Lipide beachten
• Medikamentenkonsum: speziell Antibiotika w&auml;hrend der letzten 3 Monate
und Antiepileptica
• Bei Vorgeschichte von Bluttransfusionen oder anderen Blutprodukten
vor 1990: erh&ouml;htes Risiko von HCV.
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&Uuml;ber die Autorin
1988: Abschluss mit Doktorat &laquo;summa
cum laude&raquo; Universit&auml;t Wien
1989 – 1990: Forschungslehrauftrag am
Institut f&uuml;r Gastroenterologie und Hepatologie, Universit&auml;t Wien
1991 – 1996: Lehrauftrag f&uuml;r Innere Medizin an der Klinik f&uuml;r Innere Medizin IV,
Universit&auml;t Wien
1994 – 1995: Research Fellowship an
der Northwestern University, Chicago
Seit 1997: ausserordentliche Professorin f&uuml;r Gastroenterologie und Hepatologie, Medizinische Universit&auml;t Wien;
Beauftragte &Auml;rztin an der Abteilung f&uuml;r
Gstroenterologie und Hepatologie des
Allgemeinen Krankenhauses Wien
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