24 Wertigkeit von Leberfunktionstesten Dr. med. Prof. Petra Munda Prof. für Magen- und Lebererkrankungen Medizinische Universität Wien höhen. Wenn wir die jeweiligen Muster der erhöhten LFT untersuchen, können wir unterscheiden, welcher Krankheitsprozess gerade abläuft. Zusammenfassung Leberfunktionstests sind bei folgenden Fragestellungen nützlich: 1. Liegt eine Lebererkrankung vor? 2. Wie ausgeprägt ist eine solche Lebererkrankung? 3. Welche prognostischen Schlüsse können wir ziehen? Es gibt zwei Klassen von LFT: Aus den Hepatozyten stammende Enzyme: Alanin-Aminotransferase (ALT) und Aspartat-Aminotransferase (AST). Mit den Gallenwegen assoziierte Parameter: Bilirubin; akalische Phosphatase (AP) und Gamma-Glutamyl-Transferase (GGT). Muster erhöhter Leberfunktionstests (LFT) können uns bei der Bestimmung des Krankheitstyps helfen, während die Grössenausschläge dazu beitragen, die Schwere der Erkrankung und die Prognose zu bestimmen. Dieser Artikel beschreibt LFT Muster, sowie die häufigsten Krankheiten, die mit erhöhten LFT verknüpft sind. Die Bandbreiten für normale und abnorme Werte für diese LFT sollten vom jeweiligen Laboratorium mitgeteilt werden, das diese Tests durchführt. Der Begriff «Leberfunktionstest» ist irreführend, da diese Tests kaum etwas über die eigentliche Funktion der Leber aussagen. Hingegen informieren uns Leberfunktionstests (LFT) darüber, ob sich in der Leber Krankheitsprozesse abspielen, welche die Leberenzyme er- ASA SVV Medinfo 2007/2 ICLAM Diagnose von Lebererkrankungen Das Muster der erhöhten Werte unter den LFT kann für die Bestimmung des Typs der Lebererkrankung massgebend sein. Ein «hepatitisches» Muster ist durch die Erhöhung der hepatozytären Enzyme ALT und AST gekennzeichnet. Hier sind Störungen wie virale Hepatitis, autoimmune Lebererkrankung und durch Medikamente induzierte Lebererkrankungen eingeschlossen. 25 Tabelle 1 Häufige Lebererkrankungen Sehr häufig Weniger häufig Nicht-alkoholische Fettleber (NAFLD) durch Drogen induzierte Lebererkrankung Chronische Hepatitis C Autoimmunhepatitis Chronische Hepatitis B α1-Antitrypsin-Mangel Alkoholische Lebererkrankungen Wilson-Krankheit Hämochromatose Verschiedene Bedingungen Ein «cholestatisches» Muster ist Ausdruck von erhöhten Messwerten von Cholestase (Erhöhung von Bilirubin, AP und GGT). Diese schliessen Störungen ein, welche mechanische Behinderungen des Galleabflusses (wie Tumore und Gallensteine) beinhalten, alkoholische Lebererkrankungen, sowie seltene Erkrankungen wie Primär biliäre Zirrhose (PBC) und Primär sklerosierende Cholangitis (PSC). Bei der differenzialdiagnostischen Beurteilung von erhöhten LFT sollte man immer bedenken, welches die häufigsten Lebererkrankungen sind und welches Testmuster diesen zuzuordnen ist. Tabelle 1 zeigt die häufigen und weniger häufigen Lebererkrankungen separat aufgeführt. Neben den LFT liefern weitere Laboruntersuchungen diagnostische Informationen über die Art der vorhandenen Lebererkrankung: • Anti-hepatitis C (Virus) Antikörper, HBS-Antigen, HBe-Antigen: chronische virale Hepatitis • Serum-Ferritin und Transferrin-Sättigung: genetischer Nachweis von Hämochromatose • Coeruloplasmin im Serum und UrinKupfer: Morbus Wilson • Antinukleare Antikörper (ANA), Antikörper gegen glatte Muskulatur und mikrosomale Leber-Nieren-Antikörper (LKM): Autoimmunhepatitis • Antimitochondriale Antikörper: primäre biliäre Zirrhose • Serum α1-Antitrypsin: Alpha1-Antitrypsin-Mangelkrankheit ASA SVV Medinfo 2007/2 ICLAM 26 Die folgenden Marker von Leberfunktionen sagen uns viel mehr über das Ausmass des Leberschadens als LFT: • Abnahme des Serumalbumins • Abnahme der Prothrombinzeit (verschlechterte Gerinnungsfunktion) • Abnahme des Totalcholesterins im Serum (was erst in einem sehr späten Stadium der Lebererkrankung auftritt) • Abnahme der Cholinesterase; und • Abnahme der Zahl der Thrombozyten (sehr empfindlich, aber ein indirekter Hinweis) Der Median der Überlebensdauer beträgt bei verschiedenen ZirrhoseTypen: • Kompensierte Zirrhose: 9 Jahre • Dekompensierte Zirrhose (Symptome von Gelbsucht; Encephalopathie, Aszites, Varizen-Blutungen): 1,6 Jahre • Hepatopulmonales Syndrom (Lungen und Leberversagen): 10 Monate • Spontane bakteriologische Peritonitis: 9 Monate • Hepatorenales Syndrom: (Nierenund Leberversagen): 6 Monate bis 2 Wochen Zirrhose Zirrhose ist ein fortschreitender Vernarbungsprozess der Leber, bei dem deren Zellen zunehmend beschädigt werden; es kommt zu Knotenbildungen, und die Fibrose stört die normale Architektur des Organs. Ein absolut kritischer Moment im Verlauf der Zirrhose ist deren erste Dekompensation mit beispielsweise Gelbsucht, Oesophagusvaricenblutungen, Aszites oder mit erstmaligem Auftreten von hepatischer Encephalopathie. Von diesem Moment an nimmt die Überlebenswahrscheinlichkeit deutlich ab. Alkoholische Lebererkrankungen Das Endstadium der alkoholischen Lebererkrankung (ALD) ist die Zirrhose, aber es gibt verschiedene Stadien dazwischen, die den durch den Alkoholmissbrauch angerichteten Schaden aufzeigen. In 90% der Fälle von Alkoholmissbrauch, ist das erste Stadium die Bildung einer Fettleber. Acht bis zwanzig Prozent der Fettleberfälle entwickeln sich direkt weiter zur Zirrhose, aber in 10% bis 35% werden sie zu Fällen mit alkoholischer Hepatitis. Rund 40% dieser Fälle mit alkoholischer Hepatitis schreiten dann im Laufe der Zeit ebenfalls fort zur Zirrhose. ASA SVV Medinfo 2007/2 ICLAM 27 Die Überlebenschancen bei alkoholischer Zirrhose sind deutlich reduziert: • Bei fortgesetztem Alkoholmissbrauch beträgt die Chance, 5 Jahre zu überleben, 40% bis 48% • Bei vollständiger Alkoholabstinenz beträgt die Rate derjenigen, die 5 Jahre überleben, 60% bis 70% • Sind erste Dekompensationszeichen bereits vorhanden, beträgt die 6Jahres-Überlebenschance noch 21%. Todesursachen bei alkoholischer Lebererkrankung (und anderen Formen von Zirrhose) sehen wie folgt aus: • Leberversagen: 27% bis 51% • Hepatom: 5% bis 16% • Gastrointestinale Blutungen: 9 bis 47% • Infektionen: 3% bis 17% • Nierenversagen: 1% bis 8% Nachfolgende Untersuchungsresultate können auf eine Alkoholische Lebererkrankung hinweisen: • Eine isolierte Erhöhung der GGT.GGT hat eine Sensitivität und Spezifität für ALD von 50%. Erhöhte Werte von Alkohol induzierter GGT normalisieren sich nach 4 bis 6 Monaten Abstinenz. • AST-Niveaus sind höher als ALT. Die AST: ALT-Ratio ist > 1 • Sehr hohe Werte des durchschnittlichen Volumens der Erythrozyten (MCV) • Die Fettleber kann mit Ultraschall oder CT-Bildern entdeckt werden. 100% der Personen mit einem täglichen Alkoholkonsum von mehr als 60 Gramm entwickeln eine Fettleber. • Erhöhtes Carbohydrate Deficient Transferrin (CDT) Hepatitis C Früher bekannt als Non-A- Non-BHepatitis, hat das Hepatitis-C-Virus (HCV) weltweit rund 170 Millionen Menschen infiziert. Rund 0,5% bis 1% der Bewohner von Nordamerika und Nordeuropa sind befallen. In Südostasien, China, Südamerika und den Mittelmeerländern ist die Rate aber deutlich höher. Die HCV-Infektion wird bei rund 85% der infizierten Individuen chronisch. Nur in 15% bis 25% der Fälle tritt eine spontane Heilung ein. HCV bleibt oft für Dekaden unentdeckt und wird normalerweise erst während Routine- ASA SVV Medinfo 2007/2 ICLAM 28 Untersuchungen entdeckt. Rund 20% haben normale LFT und erleben einen gutartigen Verlauf der Infektion. Die Zeitspanne bis sich die Zirrhose entwickelt, dauert 10 bis 50 Jahre. Kofaktoren spielen eine wichtige Rolle in der Beschleunigung des Prozesses auf dem Weg von der Infektion zur Zirrhose, so Alkoholkonsum und -missbrauch, Übergewicht und hepatotoxische Substanzen. Die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung einer Fibrose nimmt mit dem Alter im Moment der Infektion zu. Beinahe 100% derjenigen, die im Infektionszeitpunkt über 50 Jahre alt sind, entwickeln innert 15 Jahren oder weniger eine Fibrose, wogegen nur rund ein Drittel derjenigen, die im Zeitpunkt der Infektion jünger als 21 Jahre alt sind, eine Fibrose in den folgenden 20 und mehr Jahren entwickeln. Die Übertragung von HCV durch Bluttransfusionen ist heute praktisch ausgeschlossen. Heute ist die häufigste Infektionsart intravenöser Drogenmissbrauch. Tätowierungen und Piercen werden ebenso als Übertragungsarten angeschaut. Sexuelle Übertragung ist ASA SVV Medinfo 2007/2 ICLAM sehr selten und tritt in stabilen Partnerschaften praktisch nie auf. Die Häufigkeitsrate hat seit den 1980erJahren dramatisch abgenommen. Dennoch ist das durch die HCV-Infektion verursachte Gesundheitsproblem immer noch gross. In den USA fand die NHANES-III-Studie, dass die Verbreitung von HCV-Antikörpern 1,6% beträgt (Alter 20 bis 29), 3,4% (Alter 30 bis 39), 3,0% (Alter 40 bis 49) und 1,4% (Alter 50 bis 59). Innert der letzten 15 Jahren wurde aus der HCV-Infektion eine heilbare Krankheit: Eine Kombinationstherapie mit Interferon und Ribavirin während 6 bis 12 Monaten (abhängig vom Genotyp) führt zu andauernder Viruselimination in 50% bis 60% der Fälle. Hepatitis B Die Infektion mit dem Hepatitis-B-Virus (HBV) ist weltweit gesehen mit rund 350 Millionen ein grösseres Problem als die HCV-Infektion. In entwickelten Ländern gibt es aber relativ wenige mit HBV-infizierte Personen. Der HBVInfektion kann mit einer Impfung vorgebeugt werden. 29 Die Akute Hepatitis B wird in 95% der Fälle von einer Viruselimination und von Immunität gefolgt. Nur in 5% der Fälle entwickelt sich eine chronische HBV. Patienten mit chronischer HBV haben ein Risiko von 30%, unter lebenslangen Komplikationen zu leiden. Eine Heilung einer chronischen HBV-Infektion ist sehr selten, obwohl eine Behandlung mit Interferon und NukleosidAnalogen die Virusvermehrung reduzieren kann. Nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD) Der häufigste Grund für erhöhte LFT ist die Nicht-alkoholische FettleberKrankheit (NAFLD). NAFLD wird heute als ein Teil eines metabolischen Syndroms betrachtet und wird in NAFL (reine Fettleber, 85%) mit einem gutartigen Verlauf und NASH (Fettleberhepatitis, 15%) unterteilt. Charakteristika des NAFLD umfassen: • Steatosis, nachgewiesen durch Fettansammlung, dem so genannten Ballonierungseffekt bei Leberzellen, Mallory-Körper, Entzündung und Fibrose bei Alkoholkonsum von weniger als 20 Gramm pro Tag NAFLD sollte vermutet werden, wenn einer oder mehrere der folgenden Punkte auftreten: • Übergewicht oder Adipositas • Diabetes • Hyperlipidämie • Bluthochdruck • Längere Behandlung mit Kortison oder Amiodarone • Gastrointestinale Bypass-Operation in der Vorgeschichte und • Anamnese mit raschen Gewichtsverlust Differenzialdiagnostisches Vorgehen bei erhöhten Leberfunktionstests (LFT) Bei der Risikoprüfung erhöhter LFT sollte man sein Augenmerk insbesondere auf die nachfolgenden Punkte richten: • Unterscheiden zwischen verschiedenen «Mustern» von Leber-Enzymen • Zahl der Thrombozyten betrachten (falls sie erniedrigt sind, ist dies möglicherweise ein indirektes Zeichen für Zirrhose) • Falls Alkohol und virale Hepatitis ausgeschlossen werden können, ist NAFLD die wahrscheinlichste Diagnose und • Die Prognose von leicht erhöhten LFT ist in der Regel sehr gut. ASA SVV Medinfo 2007/2 ICLAM 30 Zur Beurteilung, ob bei erhöhten LFT eher ein relevantes Leberleiden vorliegt oder nicht, empfiehlt sich ein Blick auf die folgenden Problemkreise: • Familiengeschichte: Hämochromatose, familiäre Hyperbilirubinemia, kryptogene Zirrhose • Herkunftsland: Vertikale Übertragung von Hepatitis B in endemischen Ländern • Alkoholkonsum: der Nachweis ist oft schwierig, aber der Risikoprüfer sollte den Lebensstil des Antragsteller, Gewicht und die Lipide beachten • Medikamentenkonsum: speziell Antibiotika während der letzten 3 Monate und Antiepileptica • Bei Vorgeschichte von Bluttransfusionen oder anderen Blutprodukten vor 1990: erhöhtes Risiko von HCV. ASA SVV Medinfo 2007/2 ICLAM Über die Autorin 1988: Abschluss mit Doktorat «summa cum laude» Universität Wien 1989 – 1990: Forschungslehrauftrag am Institut für Gastroenterologie und Hepatologie, Universität Wien 1991 – 1996: Lehrauftrag für Innere Medizin an der Klinik für Innere Medizin IV, Universität Wien 1994 – 1995: Research Fellowship an der Northwestern University, Chicago Seit 1997: ausserordentliche Professorin für Gastroenterologie und Hepatologie, Medizinische Universität Wien; Beauftragte Ärztin an der Abteilung für Gstroenterologie und Hepatologie des Allgemeinen Krankenhauses Wien