Matthias Birnstiel Modul Herz und Kreislaufsystem Medizinisch wissenschaftlicher Lehrgang CHRISANA Wissenschaftliche Lehrmittel, Medien, Aus- und Weiterbildung Inhaltsverzeichnis des Moduls Herz und Kreislaufsystem • Funktion des Herz-Kreislaufsystems • Aufbau des Herz-Kreislaufsystems • Das Herz • Anatomie und Physiologie des Herzens • Die Herzmuskulatur • Die Herzklappen • Die Blutversorgung der Herzmuskulatur • Reizbildung und Erregungsleitung • Arbeitsweise des Herzens • Systole und Diastole • Das Zusammenspiel der Herzklappen bei einer Herzaktion • Transport des Blutes in den grossen Arterien • Mechanik der Herzarbeit • Aktionsphasen während einer Herzaktion • Der Frank-Starling-Mechanismus • Untersuchungsmethoden • Kreislauf (Blutgefässe) • Anatomie und Physiologie des Kreislaufsystems • Besondere Blutgefässbildungen • Verzweigungen des Gefäss-Systems • Lymphgefässsystem • Physiologische Eigenschaften des Kreislaufsystems • Mikrozirkulation • Blutdruck • Blutströmung • Physiologische Kreislauf- und Blutdruckregulation • Steuerung des Kreislaufs • Blutdruckregulation • Zentrale Kontrolle des Kreislaufs Auszug aus dem Modul Herz und Kreislaufsystem Aufbau des Herz-Kreislaufsystems Das Herz-Kreislaufsystem (Kardiovaskuläres-System) besteht aus dem Herzen als Pumpe oder Motor und dem Gefässsystem (Abb. 1 und 2) Das Blut wird aus dem Herzen durch die Aorta, Arterien und dann durch die Arteriolen zu den Kapillaren gepumpt. Aus den Kapillaren strömt es durch die Venolen und Venen zum Herzen zurück. Das Herz-Kreislaufsystem lässt sich in zwei Hauptteile gliedern: • Körper-Kreislauf, • Lungen-Kreislauf. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 Abb. 1: Schema des Kreislaufsystems Quelle: Eigenes Bild 14 1,9,13 Kapillargebiet Organe 2 Lungenvenen 3 Lungenarterie 4 Aorta 5 Linker Vorhof 6 linke Kammer 7 Kapillargebiet der Leber 15 16 17 8 Pfortader 10,12,14,18 Lymphgefässe 11 Lymphknoten 15 rechter Vorhof 16 rechte Kammer 14,17 Hohlvene Der Körper-Kreislauf verteilt das sauerstoffangereicherte Blut in den übrigen Körperteilen und führt sauerstoffarmes, Kohlendioxid (CO2) beladenes Blut, zum Herzen zurück. Durch den Lungen-Kreislauf wird das sauerstoffarme Blut vom Herzen in die Lungen und dann, als sauerstoffangereichertes Blut, wieder zurück zum Herzen geführt. In den Lungen bzw. in den Lungenbläschen (Alveolen) wird Kohlendioxyd aus dem Blut gegen Sauerstoff ausgetauscht (Näheres siehe unter Modul Atmung und Atmungsorgane). Anmerkung Zu beachten ist: Sauerstoffreiches Blut nennen wir auch arteriell, sauerstoffarmes Blut venös. Die Herzmuskulatur Die Herzmuskulatur (Abb. 6, 7, 8 und 9) ist eine der drei Arten von Muskelstrukturen (glatte-, quergestreifte und Herz-Muskulatur; siehe unter auch Modul Histologie). Bei Betrachtung im Mikroskop ist die Herz-Muskulatur dadurch gekennzeichnet, dass sie, wie bereits erwähnt, quergestreift ist wie die Skelettmuskulatur, aber nicht dem Willen wie die Skelettmuskulatur gehorcht, sondern sie arbeitet autonom wie die glatte Muskulatur. Die Querstreifung hat allerdings nicht den regelmässigen Charakter der Skelettmuskeln. Dies kommt daher, dass zum einen die Myofibrillen1 (Grundelemente der Muskelzellen; Abb. 611 und 9), die ja die Querstreifung erzeugen, nicht so regelmässig angeordnet sind. Zum anderen können sich Herzmuskeln auch verzweigen, was dann wiederum zur Unregelmässigkeit des Bildes beiträgt (Abb. 6 und 7). Auch sonst unterscheiden sich Herzmuskelzellen beträchtlich von den Muskelfasern der Skelettmuskulatur: Die Herzmuskulatur besteht aus Einzelzellen mit bis zu zwei mittelständige Kernen wie sie bei der glatten Muskulatur vorkommen. Die Zellen sind an ihren Enden mit der jeweils folgenden Zelle durch einen sogenannte Glanzstreifen (Disci intercalares2) verbunden. Dieser Glanzstreifen beinhaltet zum einen eine mechanische Verzapfung (Desmosomen3, Zonula adhaerens; Abb. 79) und zum anderen Zell-Zell-Verbindungen, die der Reizweiterleitung und dem Stoffaustausch zwischen den Zellen dienen (Nexus; Abb. 78). Die Kontraktionen der Herzmuskulatur sind im Gegensatz zu Skelettmuskeln unwillkürlich und erfolgen rhythmisch. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 1 2 3 4 5 6 Zellmembran transversales tubuläres System Sarkoplasmatisches Retikulum Sarkoplasmatisches Retikulum Mitochondrien Glanzstreifen 7 8 9 10 11 Kapillare 3.5 mm Zellkern Sarkomer von Z zu Z-Streifen Erythrozyt Myofibrille Interpretation der Abb. 6: Die Herzmuskulatur bildet einen netzartigen Verband. In den Spalten zwischen den Herzmuskelfasern liegt Bindegewebe mit den ernährenden Gefässen {Blutgefässe (rot)} und vegetativen Ner1Eine Myofibrille ist eine im Lichtmikroskop erkennbare Bau- und Funktionseinheit der Muskelfaser, die man in quergestreifter Muskulatur findet. Jede Muskelfaser besteht aus hunderten von Myofibrillen. 2Die Glanzstreifen sind Zellverbindungen zwischen den Herzmuskelzellen des Myokards. Sie sind das Äquivalent zu den Z-Streifen der Skelettmuskulatur. Im Bereich des Glanzstreifens befinden sich zahlreiche Gap junctions, durch welche die Herzmuskelzellen miteinander elektrisch gekoppelt sind. 3 Desmosomen sind spezialisierte zelluläre Haftstrukturen, die eine enge Verbindung zwischen zwei Zellen herstellen. Desmosomen dienen der Verankerung der Zellen untereinander (Zell-Zell-Kontakt) und damit der Stabilisierung des Zellverbundes bzw. Gewebes gegenüber Zug- und Scherkräften Abb. 6: Herzmuskulatur im Längsschnitt, schematisiert; Arbeitsmusku-latur. Herzmuskelzellen sind miteinander über Glanzstreifen (Discus intercalaris; blau) zu Herzmuskelfasern verbunden. Der zentralständige Zellkern liegt im myofibrillenfreien Sarkoplasma (mit Mitochondrien, Glykogen), das myofibrillenreiche Sarkoplasma ist quergestreift. venfasern. Wie bei der Skelettmuskulatur sind auch hier kleinere Bündel von gemeinsamen Bindegewebshüllen umschlossen und schliessen sich zu grösseren Bündeln zusammen (Näheres siehe Modul Bewegungsapparat). Anmerkung Mehrkernige, grosse Zellgebilde können dadurch zustande kommen, dass Zellen miteinander zu grösseren Einheiten unter Aufgabe ihrer trennenden Zellmembranen zusammenfliessen. Eine solche, von nur einem gemeinsamen Plasmalemma 4 umgebene Zytoplasmamasse enthält dann die Zellkerne aller miteinander verschmolzenen Zellen; dieses vielkernige ZellVerschmelzungsprodukt wird Synzytium5 genannt. Als Beispiel gelten Skelett- und Herzmuskelfaser. Bei einem Syncytium kommt es durch Überspringen der Erregung von Zelle zu Zelle zu einer koordinierten Muskelkontraktion. Um jede einzelne Muskelzelle herum liegen Kapillaren, sie gewährleisten die Sauerstoff- und Energieversorgung für das ununterbrochene Arbeiten der Herz-Muskulatur. Besondere Muskelfasern liefern und leiten die Bewegungsimpulse für die Arbeitsmuskulatur. Wir nennen sie die spezifische Muskulatur (siehe unter 2.2.4.2). Kontrollfragen Beschreiben Sie anhand der Abb. 7 den Aufbau des Herzmuskels. Welche Besonderheiten weist das Herzmuskelgewebe auf? 4Als Plasmalemma bezeichnet man die Zellmembran die das Plasma einer Pflanzenzelle umschliesst und als äusserste Struktur der lebenden Zelle an die tote Zellwand stösst. Gelegentlich wird der Begriff auch synonym für «Zellmembran» verwendet. 5 Das Synzytium ist eine durch Verschmelzung (Fusion) mehrerer Einzelzellen entstehende mehrkernige Zelleinheit. Ihr Zytoplasma enthält mehrere Zellkerne. Ein funktionelles Synzytium ist ein System aus Zellen, die zwar durch Zellmembranen voneinander getrennt sind , deren Zytoplasma aber über zahlreiche Gap Junctions untereinander verbunden ist.