Hintergrund: Schmerz – Angst – Depression Fachrichtung Psychologie Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie Generalisierte Angst und Schmerz: Assoziationen und Implikationen Beesdo, Jacobi, Hoyer & Wittchen 24. Symposium der Fachgruppe Klinische Psychologie und Psychotherapie n Enge Beziehungen zwischen Schmerz, Angst und Depression sind auf syndromaler Ebene (dimensional) gut untersucht, ebenso ihre therapeutischen Implikationen n Assoziationen zwischen Schmerz und spezifischen Angstmerkmalen sind weniger gut untersucht n Kaum untersucht ist der Zusammenhang zwischen spezifischen DSM-IV Angststörungen und der DSM-IV Schmerzstörung (Störungs-Ebene), insbesondere in der Allgemeinbevölkerung Würzburg, 25.-27. Mai 2006 Fokus auf Generalisierte Angststörung (GAS) Hypothesen n q (Chronizität, späteres mittleres Alter des Erstbeginns, Hypervigilanzsyndrom statt autonome Angstsymptome) n GAS und Schmerzstörung weisen keine Überlappungen in den diagnostischen Kriterien (DSM-IV) auf, aber einige gemeinsame Merkmale (z.B. 2. q q n Spekulationen über gemeinsame neuro-biologische und kognitiv-behaviorale Mechanismen Die Assoziation ist besonders stark bei DSM-IV Schmerzstörung Die Assoziationen wird mit zunehmender Schmerzdauer größer Die Assoziation wird mit zunehmender Anzahl an Schmerzsymptomen größer Die GAS-Schmerz-Komorbidität ist mit größeren Funktionseinschränkungen assoziiert (Lebensqualität, Ausfalltage, Hilfesuchverhalten) n Wirksamkeit gleicher Interventionen 4. Häufigkeit von GAD bei Schmerzen erhöht Häufigkeit von Schmerz bei GAD erhöht Die Stärke der Assoziation hängt von quantitativen Aspekten des Schmerzes ab q kognitive Kernsymptome wie ängstliche Erwartung; physiologische Symptome wie Muskelspannung, Hypervigilanzsyndrome wie Schlafprobleme, Reizbarkeit oder Ruhelosigkeit) 3. Schmerz- und GAS-Symptome sind assoziiert q GAS unterscheidet sich von anderen Angststörungen 1. Die Assoziationen zwischen GAS und Schmerz können nicht durch komorbide Depression erklärt werden (psychopharmakologisch/ kognitiv-behavioral) Definition und 12-Monatsprävalenz von Klinisch signifikante, somatoforme GAS und Schmerz Schmerzsymptome Methoden n n Studien- und Stichprobenbeschreibung q q q n Bundesgesundheitssurvey, Zusatzsurvey „Psychische Störungen“ (1998/99) repräsentative Stichprobe (N=4181) der deutschen Bevölkerung im Alter von 18-65 Jahren Psychische Störungen (DSM-IV) erfasst durch vollstandardisiertes und computerisiertes Interview (Münchner Composite International Diagnostic Interview; M-CIDI) Statistische Analysen q q Assoziationen ermittelt über (multinomiale) logistische Regressionen (Odds Ratio‘s=OR für kategoriale Variablen) bzw. negative Binomialregressionen (Mean Ratio‘s=MR für Zählvariablen) Alle Analysen basieren auf 12-Monats-Kriterien q q %w 40 q 35 30 25 20 n 8.1 Schmerzstörung (DSM-IV) 5 0 DSM-IV Schmerzstörung Einschränkungen über mind. 6 Monate oder q (sehr) starke Belastung q 28.3 Klinisch signifikante, somatoforme Schmerzsymptome n Sorgen n Unterschwellige GAS q 15 10 z.B. erhebliche Rückenschmerzen, ... Hilfesuchverhalten/ Medikamenteneinnahme/ Einschränkungen Nicht ausschließlich auf Substanzen, körperliche Erkrankungen zurückzuführen 1.5 GAS (DSM-IV) 2.1 Unterschwellige GAS 4.2 Sorgen q q n Mind. 1 Monat ängstliche Besorgnis Mind. 3 Monate ängstliche Besorgnis Mind. 2 weitere DSM-Kriterien (B, C, oder E) DSM-IV GAS q q Mind. 6 Monate ängstliche Besorgnis DSM-IV Kriterien (B, C und E) 1 Die Häufigkeit von Schmerz ist signifikant erhöht bei Vorliegen von DSM-IV Angststörungen, insbesondere bei GAS Ergebnisse %w 80 %w 80 Schmerzsymptome/Störung 70 60 76.8 50 40 40 30 30 32.3 20 20 10 10 0 0 keine Angststörung Schmerzstörung 60 60.1 50 Schmerzsymptome 70 * * 42.1 26.1 * 38.8 38.0 * 18.1 6.2 keine Angststörung irg. Angst- GAD (DSM-IV) störung (keine GAD) irg. Angst- GAD (DSM-IV) störung (keine GAD) * Signifikantes Odds Ratio, bleibt auch bei Kontrolle nach Alter, Geschlecht, Major Depression und Dysthymie bestehen Je ausgeprägter die GAS-Symptomatik, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit für Schmerz %w 80 %w 80 Schmerzsymptome/-störung 70 76.8 60 70 55.7 50.7 40 Schmerzstörung 20 20 10 10 0 0 unterschwellige GAD DSM-IV GAD 39.9 35.9 30 Sorgen 38.838.0 27.5 14 Sorgen 15 unterschwellige GAD 10 5 7.2 keine Sorgen Sorgen unterschwellige GAD DSM-IV GAD 0 0 kein Schmerz 14 Schmerzstörung 1.5 kein Schmerz 7.1 4.1 3.0 2.1 Schmerzsymptome Schmerzstörung Sorgen unterschwellige GAD DSM-IV GAD 14.9 12 Odds Ratio Odds Ratio Schmerzsymptome 0.6 … und Assoziation bleiben bestehen bei Kontrolle nach Alter 15.0 10 8 6 4 0 5.3 3.2 12 2 7.6 5 5.3 16 DSM-IV GAD Sorgen unterschwellige GAD GAD(DSM-IV) 10 10.8 15.7 14.8 Schmerzsymptome, insb. die Schmerzstörung, sind mit allen Ebenen der GAS assoziiert 16 18.8 50 34.7 keine Sorgen Sorgen - GAD 15 40 30 %w 20 %w 20 Schmerzsymptome 60 50 ... und umgekehrt 10 8 6 4 4.0 1.7 2.1 Schmerzsymptome OR‘s aus multinomialen logistischen Regressionen 2.7 3.2 2 0 Schmerzstörung 4.0 1.7 2.1 Schmerzsymptome 2.7 3.2 Schmerzstörung OR‘s aus multinomialen logistischen Regressionen, ----------- Ausprägung der unkontrollierten OR 2 … und Assoziation bleiben bestehen bei Kontrolle nach Geschlecht Sorgen unterschwellige GAD 16 DSM-IV GAD 14 13.6 10 8 6 4 1.6 2.0 unterschwellige GAD q Jahre seit Schmerzbeginn Odds Ratio 10 8.5 4 2 ns 1.7 3.0 2.2 2.0 Schmerzsymptome Schmerzstörung * OR‘s für unterschwellige GAD sind nicht mehr signifikant nach zusätzlicher Kontrolle von Dysthymie 20 * 11.3 5.9 0 Sorgen unterGAD schwellige (DSM-IV) GAD 2 * 1.8 1.5 * * 1 1.1 0.9 0.5 0.5 0 keine Sorgen Sorgen unterGAD schwellige (DSM-IV) GAD * Signifikante MR’s und OR’s; Signifikanz bleibt zumeist auch bei Kontrolle nach Alter, Geschlecht, Major Depression und Dysthymie bestehen n SF-36 (psychische Gesundheit) SF-36 (physische Gesundheit) n 55 mit einer schlechteren Lebensqualität mit mehr Ausfalltagen (aufgrund psychischer und körperlicher Probleme sowie Alkohol- und Medikamentenkonsum) * * * * 45 q Personen mit GAS-Symptomen haben im Mittel signifikant mehr Schmerzsymptome als Personen ohne Sorgen (MR-Range: 1.8-3.5) Jedes Schmerzsymptom erhöht signifikant das Odds für GAS-Symptomatik (OR-Range: 1.5-2.3) GAS-Schmerz-Komorbidität geht einher ... 60 5 4 vollständig eingeschränkt aufgrund psychischer Probleme teilweise eingeschränkt aufgrund psychischer Probleme * 3 * 2 1 40 35 * 9.4 Anzahl der Schmerzsymptome q * 10 5 n 18.8 15 GAS-Schmerz-Komorbidität geht einher ... 50 Schmerzstörung Personen mit GAS-Symptomen haben im Mittel eine signifikant längere Schmerzdauer als Personen ohne Sorgen (MR-Range: 1.6-3.2) Jedes Jahr mit Schmerz erhöht signifikant das Odds für GAS-Symptomatik (OR-Range: 1.02-1.06) keine Sorgen OR‘s aus multinomialen logistischen Regressionen, ----------- Ausprägung der unkontrollierten OR mit einer schlechteren Lebensqualität 2.4 2.1 Dauer der Schmerzsymptomatik 12 6 3.0 Quantitative Schmerzaspekte DSM-IV GAD 8 1.8 OR‘s aus multinomialen logistischen Regressionen, ----------- Ausprägung der unkontrollierten OR q Sorgen 1.5 Schmerzsymptome n n 8.9 6 Schmerzstörung … und Assoziation bleiben bestehen bei Kontrolle nach Alter, Geschlecht und Major Depression* 0 8 0 OR‘s aus multinomialen logistischen Regressionen, ----------- Ausprägung der unkontrollierten OR 14 10 2 2.8 2.5 Schmerzsymptome 16 DSM-IV GAD 4 3.8 2 0 unterschwellige GAD 12 Odds Ratio Odds Ratio 12 Sorgen Anzahl der Schmerzregionen 14 Ausfalltage in letzten 4 Wochen 16 … und Assoziation bleiben bestehen bei Kontrolle nach Major Depression * keine Sorgen/ Schmerz reiner Schmerz reine Sorgen komorbide Sorgen/ Schmerz SF-36 Summenscores psychische und körperliche Gesundheit (MW=50, SD=10); * signifikante Odds Ratio’s; bleiben auch bei Kontrolle nach Alter, Geschlecht, Major Depression und Dysthymie signifikant * 0 * keine Sorgen/ Schmerz reiner Schmerz * * reine Sorgen komorbide Sorgen/ Schmerz * Signifikante Mean Ratio’s; bleiben auch bei Kontrolle nach Alter, Geschlecht, Major Depression und Dysthymie signifikant 3 mit einer schlechteren Lebensqualität mit mehr Ausfalltagen n n (aufgrund psychischer und körperlicher Probleme sowie Alkohol- und Medikamentenkonsum) mit einer erhöhten Inanspruchnahme von Gesundheitseinrichtungen n è Fast alle Assoziationen bleiben bei Kontrolle nach Alter, Geschlecht, Major Depression und Dysthymie erhalten Anzahl Inanspruchnahme in letzten 12 Monaten GAS-Schmerz-Komorbidität geht einher ... 20 18 16 Besuche bei Hausarzt/ Facharzt/ Krankenhaus Zusammenfassung/ Diskussion ** 14 * * 12 * 10 8 6 4 2 * 0 keine Sorgen/ Schmerz * reiner Schmerz * * reine Sorgen komorbide Sorgen/ Schmerz * Signifikante Mean Ratio’s; bleiben auch bei Kontrolle nach Alter, Geschlecht, Major Depression und Dysthymie signifikant Zusammenfassung n GAS und Schmerz sind auf allen Ebenen assoziiert q q Schlussfolgerungen n 4 von 5 Personen mit GAS haben bedeutsamen Schmerz; 2 von 5 eine DSM-IV Schmerzstörung Ein Fünftel der Personen mit Schmerzstörung hat relevante Sorgensymptomatik; 7% GAS Die Assoziation zwischen GAS und Schmerz ist kein Artefakt q q n Die Stärke der Assoziation ist abhängig von quantitativen Aspekten des Schmerzes q q q n Die GAS-Schmerz-Komorbidität geht einher mit einem schlechteren Funktionsniveau (höhere Inanspruchnahme von Gesundheitseinrichtungen, Ausfalltage, Lebensqualität) n q q am stärksten für DSM-IV GAS und DSM-IV Schmerzstörung längere Schmerzdauer erhöht Wahrscheinlichkeit für GAS größere Schmerzanzahl erhöht Wahrscheinlichkeit für GAS Die meisten Assoziationen bleiben auch bei Kontrolle nach Alter, Geschlecht und Depression bestehen è n Starker Effekt, insbesondere für DSM-IV GAS und Schmerzstörung Dosis-Wirkungs-Beziehung Plausibel aus psychologischer Sicht (bidirektionale Beziehung) Vereinbar mit Befunden, dass verschiedene Psychopharmaka sowohl bei GAS als auch bei Schmerz wirken Indirekte Hinweise aus epidemiologischer Perspektive, dass GAS und Schmerz gemeinsame neuro-biologische Mechanismen aufweisen Implikationen für Public Health und Gesundheitsökonomie q è è Umfassende Diagnostik, Frühintervention, Therapie, Rehabilitation Steigerung der Lebensqualität und Funktionsfähigkeit Reduktion direkter und indirekter Kosten Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 4