Somatische Mutationen Bedeutung der genetischen Diagnostik für

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Somatische Mutationen
Bedeutung der genetischen Diagnostik für die Klassifikation
und Risikostratifizierung maligner Lymphome
Lana Harder, Werner Grote
Institut für Humangenetik des
Universitätsklinikums Kiel
Zusammenfassung
In jüngerer Zeit wurden zahlreiche
wiederkehrende Chromosomenverän
derungen bei malignen Lymphomen
identifiziert. Der Vergleich genetischer,
histopathologischer und klinischer Da
ten zeigte, dass bestimmte Chromoso
menaberrationen mit pathologisch und
klinisch definierten LymphomEntitäten
assoziiert sind. Erkenntnisse der Tu
morgenetik haben zudem ein besseres
Verständnis der komplexen Mechanis
men der Lymphomentstehung ermög
licht. Der Nachweis primärer und se
kundärer Chromosomenveränderun
gen erlaubt heute vielfach konkrete
Aussagen zur Diagnose und zum klini
schen Verlauf und ermöglicht so eine
optimale, risikoadaptierte Behandlung.
Schlüsselwörter
maligne Lymphome, Chromosomenab
errationen
Summary
Lymphomagenesis is a multistep
process.
Primary
chromosomal
abnormalities, mostly in the form of
translocations, have strong asso
ciations with specific subtypes of
lymphoma and are believed to be the
initiating events in their pathogenesis.
Some of the secondary genetic
changes are random events with little
functional significance, but other
changes are nonrandom and asso
ciated with unique changes in tumor
biology. Cytogenetic findings can be
helpful to biological and clinico
pathological subtypes of lymphoma.
Keywords
lymphoma, genetic changes
Einleitung
Der Begriff „maligne Lymphome“ fasst
eine histopathologisch und klinisch
heterogene Gruppe von Neoplasien
lymphatischen Ursprungs zusammen.
Durch zytogenetische, molekularzyto!
genetische und molekularbiologische
Untersuchungen ist es gelungen, eine
Reihe charakteristischer genetischer
Veränderungen bei malignen Lympho!
men zu identifizieren. Es werden pri!
märe und sekundäre Veränderungen
unterschieden. Verschiedene primäre
Chromosomenaberrationen sind eng
mit bestimmten morphologischen
Lymphomsubtypen assoziiert, so dass
ihrem Nachweis eine hohe differential!
diagnostische Bedeutung zukommt.
Diese primären Aberrationen, z. B. die
Translokationen
t(14;18)(q32;q21),
t(11;14)(q13;q32) oder t(8;14)(q24;
q32), treten bereits sehr früh in der
Lymphompathogenese auf und wer!
den als ein initiales Ereignis in der Ent!
wicklung der Tumoren angesehen. Bei
mehr als 80% aller Lymphome können
darüber hinaus sekundäre Chromoso!
menveränderungen nachgewiesen
werden (Johannson et al., 1995). Im
Gegensatz zu den primären Aberratio!
nen sind sekundäre Veränderungen
meist nicht spezifisch für bestimmte
Lymphomsubtypen. Im Rahmen der
Tumorprogression nimmt die Zahl und
Komplexität der sekundären Chromo!
somenaberrationen zu. Im Einklang mit
dieser Beobachtung erlaubt ihr Nach!
weis häufig konkrete Aussagen zum
klinischen Verlauf (Offit et al., 1994;
Schlegelberger et al., 1999). Der weit!
aus größte Teil der bisher publizierten
zytogenetischen Daten von malignen
Lymphomen bezieht sich auf Neopla!
medgen 14 (2002)
115
Somatische Mutationen
Tab 1 Verteilung der Non,Hodgkin Lymphome
(modifiziert nach Harris et al., 2000)
Lymphom,Subtyp
Diffus!großzellige B!Zell!Lymphome
Follikuläre Lymphome
Marginalzonen!B!Zell!Lymphome, MALT
Periphere T!Zell!Lymphome
B!CLL
Mantelzell!Lymphome
Burkitt Lymphome
Mediastinale großzellige B!Zell!Lymphome
Anaplastische großzellige Lymphome/T!0
Lymphoplasmozytische Lymphome
Andere Subtypen
% aller Fälle
30,6
22,1
7,6
7,6
6,7
6,0
2,5
2,4
2,4
1,2
10,9
sien der B!Zell!Reihe, die in Europa
und in den USA deutlich häufiger sind
als T!Zell!Lymphome (Tabelle 1). Im
folgenden sollen die häufigsten kli!
nisch relevanten Chromosomenaber!
rationen bei B!Zell!Lymphomen darge!
stellt werden. Dabei wird die neueste
WHO!Klassifikation der malignen Lym!
phome zugrundegelegt, die neben
morphologischen, klinischen und im!
munologischen Kriterien erstmalig
auch zytogenetische und molekular!
biologische Befunde zur Diagnostik
heranzieht (Harris et al., 2000).
därer Chromosomenaberrationen (Ta!
belle 2) ein in Verteilung und Häufigkeit
ähnliches Spektrum auf, während bei
FL Grad 3b und bei DLBCL signifikant
häufiger Verluste im langen Arm von
Chromosom 6 und Zugewinne im lan!
gen Arm von Chromosom 1 sowie
überzählige Chromosomen 7 auftreten
(Katzenberger et al., 2000, Horsman et
al., 2001). Deletionen in 6q sind bei FL
mit einer ungünstigen Prognose asso!
ziiert. Bei Patienten mit t(14;18)(q32;
q21)!negativen FL findet man überzu!
fällig häufig eine Trisomie 3, eine Triso!
mie 18, eine Translokation t(3;14)
(q27;q32) sowie andere strukturelle
Veränderungen mit Bruchereignissen
in den Chromosomenregionen 3q27
(BCL6!Gen) und 14q32 (IGH!Genlo!
cus) .
ner ungünstigen Prognose verbunden.
Da die konventionelle zytogenetische
Diagnostik aufgrund der oft geringen
Zahl und schlechten Qualität der
Metaphasen bei Mantelzell!Lympho!
men häufiger nicht zu einem verwert!
baren Befund führt, bietet die Fluores!
zenz!in!situ!Hybridisierung (FISH) zum
Nachweis
der
Translokation
t(11;14)(q13; q32) eine diagnostisch
wichtige Ergänzung. Die häufigsten se!
kundären Chromosomenaberrationen
bei
Lymphomen
mit
einer
t(11;14)(q13;q32) sind Verluste der
Chromosomen Y, 9 und 13 sowie eine
Trisomie 3. Überzufällig häufig treten
auch Verluste von chromosomalem
Material aus 1p, 1q, 6q, 9p und 17p
auf. Nicht selten findet man Duplika!
tionen in 3q.
Translokation t(11;14)(q13;q32)
Die Translokation t(11;14)(q13;q32) ist
charakteristisch für Mantelzell!Lym!
phome. Diese Lymphom!Entität ist
eine Erkrankung des höheren Lebens!
alters. Das Mantelzell!Lymphom wird
zumeist erst im fortgeschrittenen Sta!
dium diagnostiziert. Es ist durch einen
aggressiven, letztendlich therapiere!
fraktären Verlauf gekennzeichnet und
hat die schlechteste Prognose aller
malignen Lymphome. Die Transloka!
tion t(11;14) (q13;q32) kommt sowohl
bei der klassischen als auch bei der
blastären Variante des Mantelzell!Lym!
phoms vor. Außerdem kann diese
Translokation bei ca. 14% der Patien!
ten mit Plasmozytom und sehr selten
auch bei Patienten mit chronisch lym!
phatischer Leukämie nachgewiesen
werden. Bei all diesen Entitäten ist die
Translokation t(11;14)(q13;q32) mit ei!
Burkitt–Translokationen und
andere strukturelle Veränderungen
des MYC,Gens
Nach den Richtlinien des Clinical Ad!
visory Committee für die WHO!Klassi!
fikation hämatologischer Neoplasien
(Harris et al., 2000) ist der Nachweis
einer Burkitt!Translokation oder eines
Bruchereignisses im MYC!Gen in der
Chromosomenregion 8q24 der „Gold!
standard“ für die Diagnose eines Bur!
kitt!Lymphoms bzw. einer B!ALL. Die
typische Burkitt!Translokation t(8;14)
(q24;q32) oder ihre Varianten t(2;8)
(p11;q24) und t(8;22)(q24;q11) treten
sowohl bei EBV!positiven als auch bei
EBV!negativen Burkitt!Lymphomen
auf, wobei allerdings die molekularen
Bruchpunkte variieren (Siebert et al.,
1998). Bei ca. 70% der Patienten mit
einem Burkitt!Lymphom können neben
einer Burkitt!Translokation sekundäre
Translokation t(14;18)(q32;q21)
Das follikuläre Lymphom (FL) ist mit
22% aller Non!Hodgkin Lymphome
die zweithäufigste Entität dieser Lym!
phome. Es muss von einer zunehmen!
den Inzidenz an Neuerkrankungen
ausgegangen werden (Landis et al.,
1999). Die Erkrankung ist durch einen
zumeist indolenten Verlauf gekenn!
zeichnet. Die Translokation t(14;18)
(q32;q21) stellt die für FL charakteristi!
sche Chromosomenveränderung dar.
Sie ist zytogenetisch bei 70!85% der
niedrigmalignen FL der Grade 1, 2 und
3a, aber lediglich bei etwa 20% der FL
Grad 3b nachweisbar (Katzenberger et
al., 2000). Ca. 40% der FL gehen im
Verlauf der Erkrankung in ein sekundär
hochmalignes diffus großzelliges B!
Zell!Lymphom (diffuse large B!cell
lymphoma – DLBCL) über. Die t(14;
18)(q32;q21) ist bei etwa 1/3 aller
DLBCL nachweisbar, die dann in Ge!
nexpressionsanalysen in der Regel die
für die aus dem Keimzentrum abstam!
menden DLBCL typische „Signatur“
zeigen (Huang et al., 2002). FL der
Grade 1!3a weisen bezüglich sekun!
116
Tab 2 Primäre und sekundäre Chromosomenaberrationen
bei follikulären Lymphomen (nach Katzenberger et al., 2000).
medgen 14 (2002)
Aberration
t(14;18)(q32;q21)
der(3)(q27)
+1/dup(1)(q)
del(6)(q)
+7
+12/dup(12)(q)
+18
+X
FL1
86%
3%
15%
22%
21%
11%
22%
19%
FL2
FL3a
85%
3%
12,5%
22%
34%
16%
13%
9%
73%
18%
0%
29%
14%
0%
14%
29%
FL 3b /
DLBCL
22%
39%
92%
66%
58%
8%
25%
25%
Translokation
Lymphom,Subtyp
t(1;14)(p22;q32)
t(1;14)(q21;q32)
t(2;14)(p13;q32)
t(3;14)(q27;q32)
und Varianten
MALT
Diffus!großzelliges B!Zell!Lymphom / Myelom
B!CLL
Diffus!großzelliges B!Zell!Lymphom / FL
t(4;14)(p16;q32)
t(6;14)(p25;q32)
t(6;14)(p21;q32)
Myelom
Myelom
Marginalzonen Lymphom / Diffus!großzelliges
B!Zell!Lymphom / Myelom
FGFR 3/ MMSET
IRF 4
CCND3
t(7;14)(q21;q32)
t(8;14)(q24;q32)
und Varianten
Marginalzonen Lymphom
Burkitt Lymphom/ Diffus!großzelliges
B!Zell!Lymphom
CDK6
t(9;14)(p13;q32)
t(10;14)(q24;q32)
t(11;14)(q13;q32)
t(11;14)(q23;q32)
t(14;16)(q32;q23)
t(14;18)(q32;q21)
t(14;19)(q32;q13)
t(14;20)(q32;q12)
B!CLL
Diffus!großzelliges B!Zell!Lymphom
Mantelzell!Lymphom
Primär mediastinales B!Zell!Lymphom
Myelom
FL / Diffus!großzelliges B!Zell!Lymphom
B!CLL
Diffus!großzelliges B!Zell!Lymphom
PAX5
NFKB2
CCND1 (BCL1)
PAFAH1
MAF
BCL2
BCL3
MAF B
Chromosomenveränderungen,
am
häufigsten Zugewinne in 1q und 7q
sowie Verluste in 6q, 11q, 13q und
17p, nachgewiesen werden. Bei pädi!
atrischen
Patienten
mit
t(8;14)(q24;q32)!positivem Burkitt!
Lymphom sind sekundäre Chromoso!
menveränderungen mit zunehmender
Anzahl mit einem aggressiveren
Krankheitsverlauf assoziiert (Harder at
al., Manuskript in Vorbereitung). Es gilt
als erwiesen, dass eine Burkitt!Trans!
lokation eine primäre Veränderung bei
Burkitt!Lymphomen darstellt und des!
halb Voraussetzung für die Diagnose
eines Burkitt!Lymphoms bzw. einer B!
ALL ist. Eine Burkitt!Translokation
oder eine Veränderung mit Bruchpunkt
im MYC!Gen ist allerdings nicht spezi!
fisch für das Burkitt!Lymphom bzw.
eine B!ALL, sondern kann auch se!
kundär bei anderen Lymphomen auf!
treten. Veränderungen im MYC!Gen
fördern in der Regel die Progression
bzw. Transformation der Erkrankung
und sind häufig mit einer L3!Morpho!
logie der Blasten im Knochenmark as!
soziiert, wie sie auch für die B!ALL ty!
pisch ist.
Strukturelle Veränderungen in der
Chromosomenregion 3q27
Die Translokation t(3;14)(q27;q32) mit
Bruchpunkt im BCL6!Gen in der Chro!
mosomenregion 3q27 wurde ur!
sprünglich als primäre Chromosomen!
veränderung bei diffus großzelligen B!
Zell!Lymphomen beschrieben (Offit et
al., 1994). Inzwischen konnte gezeigt
werden, dass das BCL6!Gen bei B!
Zell!Lymphomen nicht nur an IG!Loci
verlagert sein kann, sondern auch
durch viele andere Translokationspart!
Translokations,
partner
BCL10
MUC1, BCL9, IRTA
BCL11A
BCL6
Tab 4 Molekularzytogenetisch
nachweisbare Aberratio,
nen bei der B,CLL
(nach Döhner et al., 2000)
A
H
GÜ
del(11)(q)
+12
del(13)(q)
del(17)(p)
18%
16%
55%
7%
79
114
133
32
A = Aberration
H = Häufigkeit
GÜ = Medianes Gesamt,
überleben (Monaten)
MYC
ner aktiviert wird. Strukturelle Verände!
rungen in der Chromosomenregion
3q27 kommen auch als sekundäre
Aberrationen vor, z. B. bei Lymphomen
mit einer t(14;18)(q32; q21). Zur kli!
nisch!prognostischen Bedeutung von
BCL6!Rearrangements
existieren
widersprüchliche Daten. Nach Offit et
al. (1994) sind BCL6!Veränderungen
bei diffus großzelligen B!Zell!Lympho!
men häufig mit einem extranodalen
Befall und einer guten Prognose asso!
ziiert. Andere Studien konnten dies
allerdings nicht bestätigen (Bastard et
al., 1994, Jerkeman et al., 2002).
Bruchereignisse im IGH,Locus
Bei den Translokationen t(3;14)(q27;
q32), t(8;14)(q24;q32), t(11;14)(q13;
q32) und t(14;18)(q32;q21) gelangen
die Onkogene BCL6, MYC, BCL1/
CCND1 und BCL2 unter den Einfluss
des IGH!Locus in der Chromosomen!
region 14q32. Dies führt zur Deregula!
tion der genannten Gene und kann
z.B. eine Inhibition der Apoptose oder
eine Beschleunigung des Zellzyklus
zur Folge haben. Neben den genann!
ten Translokationen wurden bei B!Zell!
Lymphomen zahlreiche weitere wieder!
kehrende Translokationen mit Bruch!
punkt im IGH!Locus oder einem ande!
ren Immunglobulingen beschrieben.
Allerdings treten diese Translokationen
deutlich seltener auf, als die t(8;14)
(q24;q32), t(11;14)(q13;q32) oder t(14;
18)(q32;q21). Die Mehrzahl der Trans!
lokationen mit Beteiligung des IGH!Lo!
cus scheint charakteristisch für be!
stimmte Lymphomsubtypen zu sein.
So ist die Translokation t(14;19) (q32;
q13) eng mit der B!CLL, die t(7;14)
(q21;q32) mit dem splenischen Margi!
Somatische Mutationen
Tab 3 Wiederkehrende Translokationen bei B,Zell Lymphomen mit Bruchpunkt
im IGH,Gen,Locus (modifiziert nach Siebert et al., 2001)
nalzonenlymphom und die t(11;14)
(q23;q32) mit dem primär mediastina!
len B!Zell!Lymphom assoziiert. Meh!
rere Translokationen mit einem Bru!
chereignis im IGH!Locus wurden in!
zwischen molekulargenetisch charak!
terisiert (Tabelle 3, Siebert et al., 2001).
Charakteristische Chromosomen,
veränderungen bei chronisch
lymphatischer Leukämien der
B,Zell,Reihe
Die chronisch lymphatische Leukämie
der B!Zell!Reihe (CLL) ist in der west!
lichen Welt die häufigste leukämische
Erkrankung (31% aller Leukämien). In
den USA werden jährlich mehr als
7000 Neuerkrankungen beobachtet.
Die Inzidenz der CLL steigt mit höhe!
rem Alter rasch an, scheint aber im
Gegensatz zu anderen Lymphomen
insgesamt nicht zuzunehmen (Herrin!
ton et al., 1998, Landis et al., 1999).
Wie viele andere maligne Erkrankun!
gen kann auch die CLL zum Zeitpunkt
der Diagnose mit einem weiten Spek!
trum klinischer Symptome und patho!
logischer Laborwerte einhergehen. Mit
molekularzytogenetischen Methoden
sind Chromosomenveränderungen in
bis zu 90% aller CLL nachweisbar. Die
Detektion charakteristischer Chromo!
somenaberrationen hat in jüngerer Zeit
eine wesentliche Bedeutung für die
Abschätzung der Prognose der CLL
erlangt. Die häufigsten Chromosomen!
aberrationen sind Deletionen in 11q,
13q und 17p sowie eine Trisomie 12
(Tabelle 4). Diese Aberrationen kom!
men sowohl isoliert als auch in Kombi!
nation vor.
medgen 14 (2002)
117
Somatische Mutationen
Deletionen im langen Arm des Chro!
mosoms 11 führen häufig zum Verlust
des ATM!Gens in der Chromosomen!
region 11q22~23. Sie treten gehäuft
bei jüngeren Patienten mit Lymphkno!
tenbefall und einem aggressiveren Er!
krankungsverlauf auf. Bei etwa 16%
der Patienten mit einer CLL kann eine
Trisomie 12 nachgewiesen werden. Die
prognostische Relevanz der isolierten
Trisomie 12 ist noch nicht eindeutig
geklärt. Bei über 50% der CLL können
Deletionen der Chromosomenregion
13q14 nachgewiesen werden. Trotz in!
tensiver Bemühungen konnte ein
durch die Deletionen in 13q betroffe!
nes Gen bisher nicht identifiziert wer!
den. Patienten mit einer isolierten De!
letion in 13q zeigen eine längere Über!
lebenszeit als Patienten mit anderen
Chromosomenveränderungen. Bei ca.
7% der CLL kann eine Deletion des
TP53!Gens in der Chromosomenre!
gion 17p13 nachgewiesen werden. Es
besteht dann häufig eine Therapieresi!
stenz mit entsprechend ungünstiger
Prognose und kurzem Gesamtüberle!
ben.
Genetische Veränderungen bei
Hodgkin,Lymphomen
Im Gegensatz zu den Non!Hodgkin!
Lymphomen sind die genetischen
Grundlagen der Hodgkin!Lymphome
noch weitgehend ungeklärt. Die zyto!
genetische Analyse dieser Tumoren ist
dadurch erschwert, dass die Lym!
phom!Zellen im Vergleich zu den sie
begleitenden reaktiven Zellen eine
Minderheit darstellen. Der Nachweis
einer klonalen Population von Tumor!
zellen gelang bei Hodgkin!Lympho!
men erst mit Hilfe spezieller Methoden
wie der FICTION!Technik (Kombination
von Immunfluoreszenz und FISH) und
der vergleichenden Genomhybridisie!
rung (Comperatite Genomic Hybridiza!
tion – CGH). Auch die molekulargene!
tische Analyse von Einzelzellen, die
durch Mikromanipulation gewonnenen
wurden, hat zu neuen Erkenntnissen
geführt. Kürzlich konnten verschiede!
ne Arbeitsgruppen zeigen, dass in Tu!
morzellen von Patienten mit klassi!
schem Hodgkin!Lymphom gehäuft
Amplifikationen und strukturelle Verän!
derungen im kurzen Arm des Chromo!
soms 2 (2p13REL/BCL11A!Gen) so!
wie strukturelle Veränderungen in der
118
medgen 14 (2002)
Chromosomenregion 9p24~25 (JAK2!
Gen) auftreten (Joos et al., 2002, Mar!
tin!Subero et al., 2002). Die klinische
Bedeutung dieser Chromosomenaber!
rationen ist derzeit noch unklar. Im
Gegensatz zu Non!Hodgkin Lympho!
men scheinen Veränderungen des
TP53!Gens bei Hodgkin!Lymphomen
eine eher untergeordnete Rolle zu
spielen.
fication of neoplasms of the hematopoietic and
lymphoid tissues: report of the Clinical Advisory
Committee meeting, Airlie House, Virginia, No!
vember. Hematol J 1: 53!66.
Ausblick
Der Nachweis wiederkehrender Chro!
mosomenveränderungen ist für die
Differentialdiagnose, die Therapiepla!
nung und die Verlaufskontrolle malig!
ner Lymphome von erheblicher Be!
deutung. Darüber hinaus erlauben
spezielle zytogenetische Befunde Aus!
sagen über die Prognose der Erkran!
kung. Die Kombination der klassischen
Chromosomenanalyse mit Methoden
der Molekularzytogenetik (Fluores!
zenz!in!situ!Hybridisierung an Meta!
phasen und Interphasen) ermöglicht
eine sichere Identifizierung numeri!
scher, grobstruktureller und auch kryp!
tischer Chromosomenveränderungen.
Durch die Klonierung der Bruchpunk!
te können neue Gene identifiziert wer!
den, die eine Rolle bei der Entstehung
lymphatischer Neoplasien spielen.
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Korrespondenzadresse
Dr. med. Lana Harder
Institut für Humangenetik
Universitätsklinikum Kiel
Schwanenweg 24
24105 Kiel
Tel. 0431!597!1787/1784
Fax 0431!597!1880
[email protected]!kiel.de
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