Kapitel 1 Aussagenlogik - Fakultät für Mathematik und Informatik

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Kapitel 1
Aussagenlogik
Teil I: Syntax und Semantik der Aussagenlogik
(Kapitel 1.0 - 1.4)
Mathematische Logik (WS 2012/13)
Kapitel 1: Aussagenlogik (Teil I)
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Übersicht
1.0 Junktoren und Wahrheitsfunktionen
1.1 Syntax der Aussagenlogik
1.2 Semantik der Aussagenlogik
1.3 Boolesche Funktionen, aussagenlogische Formeln und
Normalformen
1.4 Exkurs: Entscheidbarkeit und Komplexität
1.5 Logische Kalküle: Beweise und Beweisbarkeit
1.6 Ein adäquater Kalkül für AL I: Der Shoenfield-Kalkül für die
Aussagenlogik
1.7 Ein adäquater Kalkül für AL II: Die Vollständigkeit des
Shoenfield-Kalküls der Aussagenlogik
Im ersten Teil des Kapitels fassen wir die Abschnitte 1.0 - 1.4 zusammen.
Mathematische Logik (WS 2012/13)
Kapitel 1: Aussagenlogik (Teil I)
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Übersicht (Fortsetzung)
In der Aussagenlogik analysiert man die Wahrheitswerte zusammengesetzter
Aussagen basierend auf den Wahrheitswerten der elementaren Teilaussagen.
Wir beginnen damit, die hierzu verwendeten Verknüpfungen (Junktoren)
einzuführen und deren Bedeutung durch Wahrheits- bzw. Boolesche
Funktionen zu beschreiben. (Kapitel 1.0)
Dann wenden wir uns der Aussagenlogik selbst zu und führen zunächst deren
Sprache ein,
�
�
deren Grundzeichen Symbole für die elementaren Aussagen
(Aussagenvariablen) und die verwendeten Verknüpfungen (Junktoren)
sind
und in der zusammengesetzte Aussagen mit Hilfe von speziellen
endlichen Zeichenreihen, den aussagenlogischen (al.) Formeln,
dargestellt werden.
(Syntax der Aussagenlogik; Kapitel 1.1)
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Kapitel 1: Aussagenlogik (Teil I)
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Ziele der Aussagenlogik (Fortsetzung)
Formeln können als Aussageformen interpretiert werden, wobei man die
dargestellten Aussagen dadurch erhält man, dass man die Variablen durch
konkrete Aussagen ersetzt (wobei natürlich eine mehrfach vorkommende
Variable immer gleich ersetzt wird) und die Junktoren durch die von ihnen
symbolisierte Verknüpfungen ersetzt. Da der Wahrheitswert von verknüpften
Aussagen nicht von den vorkommenden atomaren Aussagen selbst sondern
nur von deren Wahrheitswert abhängt, können wir durch Belegung der in
einer Formel vorkommenden Aussagenvariablen mit Wahrheitswerten den
Wahrheitswert der zusammengesetzten Aussage (in Abhängigkeit von der
Belegung) bestimmen. (Semantik der Aussagenlogik; Kapitel 1.2)
Hierauf basierend werden wir dann die zentralen Begriffe der (Aussagen-)
Logik wie Erfüllbarkeit und Allgemeingültigkeit (= al. Wahrheit) von al.
Formeln sowie (aussagen)logischen Äquivalenz- und Folgerung einführen und
diese Konzepte näher untersuchen. Weiter werden wir Normalformen
(Disjunktive und Konjunktive Normalform) von Formeln einführen, sowie
Entscheidbarkeits- und Komplexitätsfragen erörtern. (Kapitel 1.2 - 1.4)
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Kapitel 1: Aussagenlogik (Teil I)
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Ziele der Aussagenlogik (Fortsetzung)
Schließlich zeigen wir, dass man den (semantischen) Wahrheits- und
Folgerungsbegriff mit Hilfe eines Kalküls (syntaktisch) beschreiben kann, in
dem der semantische Folgerungsbegriff mit der Beweisbarkeit
(= syntaktischer Folgerungsbegriff) zusammenfällt und in dem gerade die
allgemeingültigen Formeln beweisbar sind. (Kapitel 1.5 - 1.7)
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Kapitel 1: Aussagenlogik (Teil I)
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Kapitel 1.0
Junktoren und Wahrheitsfunktionen
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Kapitel 1.0: Junktoren
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Verknüpfung von Aussagen
Zur Verknüpfung von Aussagen verwenden wir (Verknüpfungs-)
Operationen (Junktoren), die wir aus der Umgangssprache kennen:
�
�
�
�
�
nicht (Negation, Symbol: ¬)
und (Konjunktion, Symbol: ∧)
oder (Disjunktion, Symbol: ∨)
wenn - dann (Implikation, Symbol: →)
genau dann - wenn (Äquivalenz, Symbol: ↔)
Dabei werden wir die Bedeutung dieser Verknüpfungen jedoch
präzisieren, da diese in der Umgangssprache nicht immer eindeutig
festgelegt sind. Die Verknüpfungen sind hierbei so gewählt, dass die
Wahrheit der zusammengesetzten Aussagen nur von der Wahrheit der
Teilaussagen abhängt und nicht von diesen Aussagen selbst. Dies
erlaubt es uns die Verknüpfungen durch die Zuordnung einer
Wahrheitsfunktion (= Booleschen Funktion) zu definieren.
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Kapitel 1.0: Junktoren
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Wahrheitsfunktionen und Boolesche Funktionen
Im Folgenden kürzen wir die Wahrheitswerte WAHR und FALSCH mit
W und F ab und identifizieren diese mit den Bits 1 und 0:
�
WAHR = W = 1
und
FALSCH = F = 0
Eine n-stellige Wahrheitsfunktion f ist eine Abbildung
f : {F , W }n → {F , W }.
Eine n-stellige Boolesche Funktion f ist eine Abbildung
f : {0, 1}n → {0, 1}.
NB. Wegen der von uns vorgenommenen Identifizierung F = 0 und
W = 1 sind Wahrheitsfunktionen gerade Boolesche Funktionen.
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Verknüpfungen und Boolesche Funktionen
Verknüpfen wir zwei (oder mehrere) Aussagen, so soll der
Wahrheitswert der verknüpften Gesamtaussage nur von den
Wahrheitswerten der Teilaussagen sowie der gewählten Verknüpfung
abhängen.
Die Bedeutung (Semantik) einer n-stelligen Verknüpfungsoperation
op kann daher durch eine n-stellige Wahrheitsfunktion bzw.
Boolesche Funktion fop festgelegt werden.
Wir werden im Folgenden auf diese Weise die Bedeutung der von uns
betrachteten Verknüpfungen festlegen.
Man beachte dabei, dass die Negation 1-stellig ist, während die
anderen Verknüpfungen 2-stellig sind.
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Negation
Durch die Negation wird eine Aussage A verneint, d.h. der
Wahrheitswert gerade vertauscht:
A wahr ⇔ ¬A falsch
und
A falsch ⇔ ¬A wahr
Die Negation wird daher durch die 1-st. Boolesche Funktion f¬ mit
folgender Wertetabelle definiert:
x0 f¬ (x0 )
0
1
1
0
(Die Wertetabelle einer Booleschen Funktion bezeichnet man manchmal
auch als Wahrheitstafel.)
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Disjunktion
Das ODER wird in der Umgangssprache sowohl inklusiv als auch
exclusiv verwendet:
�
�
Inklusiv: A oder B gilt, wenn A gilt oder B gilt oder wenn sowohl A als
auch B gelten.
Exklusiv: Hier gilt A oder B nur, wenn entweder A oder B gilt (aber
nicht beide).
Mit der Disjunktion (∨) bezeichnen wir das inklusive ODER:
x0 x1 f∨ (x0 , x1 )
0 0
0
0 1
1
1 0
1
1 1
1
Es gilt also gerade: f∨ (x0 , x1 ) = max(x0 , x1 ).
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Kapitel 1.0: Junktoren
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Konjunktion
Beim UND ist der Sprachgebrauch eindeutig: Die Aussage A und B ist
wahr, wenn sowohl die Aussage A als auch die Aussage B wahr sind.
Die Konjunktion (∧) wird also durch folgende Boolesche Funktion
definiert:
x0 x1 f∧ (x0 , x1 )
0 0
0
0 1
0
1 0
0
1
1 1
Es gilt also gerade: f∧ (x0 , x1 ) = min(x0 , x1 ).
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Kapitel 1.0: Junktoren
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Implikation
Die Implikation (Folgerung) wird umgangssprachlich meist als sog.
materielle Implikation aufgefasst, bei der ein kausaler Zusammenhang
hergestellt wird:
�
“Wenn es regnet (A), dann wird die Straße nass (B).”
Die Wahrheit einer solchen materiellen Implikation A ⇒ B hängt
nicht nur von den Wahrheitswerten der Teilaussagen A und B sondern
von den Aussagen A und B selbst ab.
Hier betrachten wir daher die allgemeinere formale Implikation, bei
der ein kausaler Zusammenhang nicht verlangt wird. So ist hier auch
die Aussage
�
“Wenn es regnet (A), dann ist 3 eine Primzahl (B).”
wahr.
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Implikation (Fortsetzung)
Der Wahrheitswert einer formalen Implikation A → B ergibt sich wie
folgt:
�
�
Ist die Hypothese A falsch, so ist die Implikation A → B unabhängig
vom Wahrheitswert von B wahr (“ex falso quodlibet”).
Ist die Hypothese A wahr, so muss auch die Konklusion B wahr sein,
damit die Implikation A → B wahr wird.
Die Implikation (→) wird also durch folgende Boolesche Funktion
definiert:
x0 x1 f→ (x0 , x1 )
0 0
1
0 1
1
1 0
0
1 1
1
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Kapitel 1.0: Junktoren
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Äquivalenz
Zwei Aussagen A und B sind äquivalent, wenn sowohl A B impliziert
als auch B A impliziert. Die Aussage A ↔ B ist also genau dann
wahr, wenn die Aussagen A → B und B → A wahr sind (oder die
Aussage (A → B) ∧ (B → A) wahr ist).
Das lässt sich auch einfacher ausdrücken: A ↔ B ist genau dann
wahr, wenn A und B entweder beide wahr oder beide falsch sind:
x0 x1 f↔ (x0 , x1 )
0 0
1
0 1
0
0
1 0
1 1
1
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Kapitel 1.0: Junktoren
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Aussagenlogische Verknüpfungen vs. Boolesche Funktion
Wir haben gesehen, dass sich die von uns betrachteten
(aussagenlogischen) Verknüpfungen mit Hilfe von Booleschen
Funktionen darstellen lassen.
Umgekehrt stellt jede n-stellige Boolesche Funktion eine n-stellige
Verknüpfung dar.
n
Da es 22 verschiedene n-stellige Boolesche Funktionen gibt
2
(warum?), also insbesondere 22 = 16 2-st. Boolesche Funktionen,
erfassen wir mit den von uns eingeführten Verknüpfungen nur einen
Teil der möglichen Verknüpfungen.
Wir werden jedoch später zeigen, dass sich jede mögliche
Verknüpfung (beliebiger Stelligkeit) als Kombination der von uns
betrachteten Verknüpfungen darstellen lässt. In der Tat genügen
hierzu die Verknüpfungen ¬ und ∨ (oder alternativ ¬ und ∧).
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Kapitel 1.0: Junktoren
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Aussagenlogische Verknüpfungen vs. Boolesche Funktion
BEISPIEL. Die 3-stellige Schwellenfunktion s23 : {0, 1}3 → {0, 1} nimmt genau
dann den Wert 1 an, wenn mindestens zwei Eingaben den Wert 1 haben, ist also
durch folgende Wertetabelle bestimmt:
x0
0
0
0
1
0
1
1
1
x1
0
0
1
0
1
0
1
1
x2
0
1
0
0
1
1
0
1
s23 (x0 , x1 , x2 )
0
0
0
0
1
1
1
1
Man erhält s23 durch die folgende Kombination der Funktionen f∨ und f∧
f∨ (f∨ (f∧ (x0 , x1 ), f∧ (x0 , x2 )), f∧ (x1 , x2 ))
und erhält damit eine Darstellung von s23 durch folgenden Ausdruck
((A0 ∧ A1 ) ∨ (A0 ∧ A2 )) ∨ (A1 ∧ A2 ).
Um zusammengesetzte Aussagen und die hierdurch dargestellten Booleschen
Funktion näher zu untersuchen, führen wir nun die Sprache der Aussagenlogik
ein, in der Aussagen durch formal definierte Ausdrücke - den Formeln - wie oben
repräsentiert werden.
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Kapitel 1.0: Junktoren
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Kapitel 1.1
Aussagenlogik: Syntax
Mathematische Logik (WS 2012/13)
Kapitel 1.1: Syntax der Aussagenlogik
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Übersicht
1.1.1 Die Sprache der Aussagenlogik
1.1.2 Explizite vs. implizite Definitionen
1.1.3 Syntaktische Induktion und Rekursion
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Kapitel 1.1: Syntax der Aussagenlogik
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1.1.1 Die Sprache der Aussagenlogik
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Kapitel 1.1: Syntax der Aussagenlogik
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Die Sprache der Aussagenlogik: Symbole
Die Grundzeichen (Symbole) der Sprache der Aussagenlogik (AL) sind:
1
Die Aussagenvariablen (AV): A0 , A1 , A2 , . . .
2
Die Junktoren:
�
�
3
1-stellig: ¬ (Negation)
2-stellig: ∧ (Konjunktion), ∨ (Disjunktion), → (Implikation) und ↔
(Äquivalenz)
Die Klammersymbole: ( und )
Hier und im Folgenden verwenden wir den Begriff “Junktor” rein syntaktisch, also
verstehen darunter das entsprechende Symbol und nicht die durch dieses Symbol
bezeichnete Verknüpfung.
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Kapitel 1.1: Syntax der Aussagenlogik
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Die Sprache der Aussagenlogik: Alphabet und Wörter
Die Menge der Symbole der Sprache von AL bezeichnet man auch als das
Alphabet dieser Sprache und bezeichnet diese mit AAL . (NB: Da es unendlich
viele Aussagenvariablen gibt, ist AAL (abzählbar) unendlich.)
Endliche Folgen von Symbolen aus einem Alphabet A bezeichnet man auch als
endliche Zeichenreihen oder Wörter über dem Alphabet A. Die Menge aller
Wörter über dem Alphabet A (einschließlich des leeren Wortes λ) bezeichnet man
mit A∗ .
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Kapitel 1.1: Syntax der Aussagenlogik
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Die Sprache der Aussagenlogik: Formeln
Die aussagenlogischen Formeln sind spezielle Wörter über dem Alphabet AAL der
Aussagenlogik, die wie folgt induktiv definiert sind:
INDUKTIVE DEFINITION. Die aussagenlogischen (al.) Formeln sind iduktiv
definiert durch
(F1) Jede Aussagenvariable An (n ≥ 0) ist eine al. Formel.
(F2) Ist ϕ eine al. Formel, so ist auch ¬ϕ eine al. Formel.
(F3) Sind ϕ1 und ϕ2 al. Formeln, so sind auch (ϕ1 ∧ ϕ2 ), (ϕ1 ∨ ϕ2 ), (ϕ1 → ϕ2 )
und (ϕ1 ↔ ϕ2 ) al. Formeln.
Diese Definition ist so zu lesen: Die Menge der al. Formeln ist die kleinste Menge
von Wörtern über AAL , die die Wörter aus (F1) (nämlich die Aussagenvariablen)
enthält und gegen die “Regeln” (F2) und (F3) abgeschlossen ist.
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Kapitel 1.1: Syntax der Aussagenlogik
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Formeln: Notation
Die al. Formeln stellen natürlich mit Hilfe der durch die Junktoren symbolisierten
Verknüpfungen aus den von den Aussagenvariablen repräsentierten (atomaren)
Aussagen gebildete zusammengesetzte Aussagen dar. Auf diese Bedeutung
(Semantik) der Formeln werden wir aber erst im nächsten Abschnitt (1.2)
eingehen. Hier wollen wir die Formeln zunächst weiter rein formal als
Zeichenreihen (d.h. syntaktisch) etwas weiter untersuchen und einige später
benötigte Begriffe bereitstellen.
NOTATION:
A, B, C , . . .
ϕ, ψ, χ, ϕi , . . .
DEFINITIONEN:
stehen für Aussagenvariablen
stehen für al. Formeln
l(ϕ) := Anzahl der Zeichen in ϕ
(Länge von ϕ)
lz(ϕ) := Anzahl der Junktoren in ϕ
Weiter schreiben wir ϕ ≡ ψ, wenn ϕ und ψ identisch sind, d.h. als Wörter
übereinstimmen.
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Kapitel 1.1: Syntax der Aussagenlogik
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Formeln: Beispiele
Beispiele al. Formeln sind:
1
ϕ1 :≡ A (Es gilt: l(ϕ1 ) = 1 und lz(ϕ1 ) = 0)
2
ϕ2 :≡ ¬¬¬B (Es gilt: l(ϕ2 ) = 4 und lz(ϕ2 ) = 3)
3
ϕ3 :≡ ((¬A ∨ B) → (A ∧ ¬C )) (Es gilt: l(ϕ3 ) = 15 und lz(ϕ3 ) = 5)
Nachweis der Formeleigenschaft für ϕ3 :
1
2
3
4
A, B und C sind al. Formeln nach (F1).
Mit (F2) folgt, dass auch ¬A und ¬C Formeln sind.
Da also ¬A und B al. Formeln sind, folgt mit (F3), dass (¬A ∨ B)
ebenfalls eine al. Formel ist, und analog folgt aus der Formeleigenschaft
von A und ¬C , dass (A ∧ ¬C ) eine al. Formel sind.
Mit einer weiteren Anwendung von (F3) auf (¬A ∨ B) und (A ∧ ¬C )
folgt, dass ϕ3 eine al. Formel ist.
(Alternativ kann man den Strukturbaum der Formel erstellen, den wir weiter unten einführen werden.)
Keine al. Formeln sind z.B. die Wörter A¬, ¬(A), (A¬B), ∨A und (A →.
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Formeln: Regeln zur Klammerersparnis
Zur Verbesserung der Lesbarkeit von al. Formeln erlauben wir das Weglassen
“überflüssiger” Klammern:
K1 Äußere Klammern dürfen weggelassen werden.
Z.B. A ∧ ¬C ≡ (A ∧ ¬C )
K2 ∨ und ∧ binden stärker als → und ↔.
Z.B. ¬A ∧ B → C ≡ ((¬A ∧ B) → C )
K3 Bei ∨, ∧ und → darf die “Rechtsklammerung” weggelassen werden.
A∨B ∨C
A∧B ∧C
A→B →C
:≡
:≡
:≡
(A ∨ (B ∨ C ))
(A ∧ (B ∧ C ))
(A → (B → C ))
NB: Die durch Weglassen von Klammern erhaltenen Formeln sind keine Formeln
im eigentlichen Sinn sondern sind nur abkürzende Schreibweisen für die eigentlichen Formeln und sind implizit stets als die eigentlichen Formeln zu lesen.
So gilt z.B. l(¬A ∧ B → C ) := l(((¬A ∧ B) → C )) = 10.
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Kapitel 1.1: Syntax der Aussagenlogik
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Formeln: Induktion und Rekursion
Da die Formeln induktiv definiert sind, lassen sich Eigenschaften der Formeln
induktiv beweisen und Funktionen auf den Formeln entsprechend rekursiv
definieren.
Bevor wir dies im Einzelnen zeigen werden, gehen wir im nächsten Abschnitt
(Kap. 1.1.2) zunächst kurz auf das Induktionsprinzip für die natürlichen Zahlen
ein, aus dem wir dann in Abschnitt 1.1.3 das hier benötigte Induktionsprinzip (die
syntaktische Induktion) ableiten werden.
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1.1.2 Explizite vs. Implizite Definitionen:
Das Induktionsprinzip für die natürlichen Zahlen
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Explizite Definitionen vs. implizite Definitionen (1)
Bei einer expliziten Definition wird ein neues Konzept mit Hilfe
bekannter Konzepte definiert.
BEISPIEL. Die Definition der Primzahlen lässt sich auf den Begriff
der Teilbarkeit und die auf den natürlichen Zahlen definierte Ordnung
zurückführen:
x ist Primzahl :⇔ x ≥ 2 und die einzigen Teiler von x sind 1 und x
(Hierbei kommt also der links stehende neudefinierte Begriff nicht auf der
rechten Seite vor, wo sich die definierende Eigenschaft des neuen Begriffs
findet.)
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Explizite Definitionen vs. implizite Definitionen (2)
Bei einer impliziten (oder rekursiven) Definition eines neuen Konzepts
darf dagegen (zusätzlich) auch auf das neue Konzept selbst
zurückgegriffen werden.
BEISPIEL. Die Summe von zwei natürlichen Zahlen wird durch
folgende Rekursionsgleichungen festgelegt, wobei S(x) = x + 1 der
Nachfolger von x ist:
x +0
:= x
x + S(y ) := S(x + y )
Hierbei muss sichergestellt werden, dass die so gegebene Definition
nicht zirkelhaft ist! Im gegebenen Beispiel folgt das aus dem
Induktionsprinzip für die natürlichen Zahlen.
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Induktionsprinzip auf N: Vollständige Induktion
Die natürlichen Zahlen erfüllen das Prinzip der vollständigen Induktion:
VOLLSTÄNDIGE INDUKTION (VI): Ist E eine Eigenschaft von natürlichen
Zahlen, für die
(i) E (0) (lies: E trifft auf 0 zu) und
(ii) Für jede Zahl n, für die E (n) gilt, gilt auch E (n + 1).
gilt, so trifft E auf alle natürlichen Zahlen zu.
(Das Induktionsprinzip VI ist eines der Peano-Axiome, durch die die natürlichen
Zahlen definiert sind. Wir werden hierauf im späteren Verlauf der Vorlesung noch
zurückkommen.)
Aus VI folgt, dass jede von 0 verschiedene Zahl der Nachfolger S(n) = n + 1 einer
eindeutig bestimmten Zahl n ist. Hieraus ergibt sich, dass die auf der letzten Folie
gegebene rekursive Beschreibung der Addition vollständig und eindeutig ist, also
+ durch die gegebenen Rekursionsgleichungen wohldefiniert ist.
Für Anwendungen des Induktionsprinzip ist es nützlich, folgende äquivalente
Charakterisierungen der vollständigen Induktion zu betrachten:
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Varianten der vollständigen Induktion
VERALLGEMEINERTE VOLLSTÄNDIGE INDUKTION (VI’): Ist E eine
Eigenschaft von natürlichen Zahlen, sodass für alle natürlichen Zahlen n
(ii’) Gilt E (m) für alle m < n, so gilt auch E (n).
gilt, so trifft E auf alle natürlichen Zahlen zu.
MINIMUMSPRINZIP (MP): Gibt es eine natürliche Zahl mit Eigenschaft E ,
so gibt es eine kleinste natürliche Zahl mit Eigenschaft E .
LEMMA. Die Prinzipien der vollständigen Induktion und der verallgemeinerten
vollständigen Induktion sowie das Minimumsprinzip sind äquivalent:
VI ⇔ VI’ ⇔ MP
BEWEIS: s. Übungen.
Da VI in den natürlichen Zahl gilt, gelten also VI’ und MP ebenfalls.
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Beweise durch vollständige Induktion
In einem Beweis durch vollständige Induktion weist man eine Aussage für alle
natürlichen Zahlen dadurch nach, dass man diese zunächst für n = 0 zeigt
(Induktionsanfang) und man dann - unter der Annahme, dass die Aussage für n
gilt - diese für n + 1 zeigt (Induktionsschritt). Wegen VI ist dieses Vorgehen
korrekt.
Entsprechend weist man in einem Beweis einer Aussage durch verallgemeinerte
vollständige Induktion die Aussage für beliebiges gegebenes n nach, wobei man
davon ausgeht, dass die Aussage auf alle kleineren m zutrifft. Die Korrektheit
folgt hier aus VI’.
Führen wir einen Beweis durch (erweiterte) vollständige Induktion, so
kennzeichnen wir dies durch Ind(n).
Wir kommen nun zur Aussagenlogik zurück und formulieren ein Induktionsprinzip
für Formeln, dessen Korrektheit wir mit Hilfe der Induktionsprinzipien VI und VI’
für die natürlichen Zahlen nachweisen.
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1.1.3 Syntaktische Induktion und Rekursion
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Induktion über den Formelaufbau (syntaktische Induktion)
Aus dem Induktionsprinzip VI’ für die natürlichen Zahlen lässt sich
folgendes Induktionsprinzip für al. Formeln beweisen.
LEMMA (PRINZIP DER SYNTAKTISCHEN INDUKTION). Sei E eine
Eigenschaft von al. Formeln, für die gilt:
(i) E trifft auf jede Aussagenvariable A zu.
(ii) Trifft E auf eine al. Formel ϕ zu, so auch auf ¬ϕ.
(iii) Trifft E auf al. Formeln ϕ1 und ϕ2 zu, so auch auf (ϕ1 ∗ ϕ2 ) für
∗ = ∧, ∨, →, ↔.
Dann trifft E auf alle al. Formeln zu.
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Beweis des Lemmas über die syntaktische Induktion (1)
Zum Beweis des Lemmas sei E eine Eigenschaft von al. Formeln, für die
(i) - (iii) gelte. Um zu zeigen, dass E auf alle al. Formeln ϕ zutrifft,
definieren wir die folgende Eigenschaft
E � (n) :⇔ für alle al. Formeln ϕ der Länge n gilt E (ϕ)
von natürlichen Zahlen und zeigen durch verallgemeinerte vollständige
Induktion, dass E � (n) für alle natürlichen Zahlen n gilt. Offensichtlich folgt
hieraus dann, dass E auf alle al. Formeln zutrifft.
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Kapitel 1.1: Syntax der Aussagenlogik
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Beweis des Lemmas über die syntaktische Induktion (2)
Nachweis von E � (n) durch Ind(n) (genauer: VI’):
Nach Induktionsvoraussetzung dürfen wir E � (m) für alle m < n
annehmen. Nach Definition von E � bedeutet dies aber gerade, dass E
auf alle Formeln der Länge < n zutrifft.
Nach Definition von E � genügt es für jede gegebene al. Formel ϕ der
Länge n zu zeigen, dass E (ϕ) gilt.
Hierzu unterscheiden wir die folgenden Fälle gemäß der induktiven
Definition der Formeln:
�
�
�
ϕ ≡ A: Dann gilt E (ϕ), da nach (i) E (A) für alle AV A gilt.
ϕ ≡ ¬ψ: Dann gilt l(ψ) = l(ϕ) − 1 = n − 1 < n. Nach I.V. gilt daher
E (ψ). Da (ii) von E erfüllt wird, folgt hieraus aber E (¬ψ), d.h. E (ϕ).
ϕ ≡ ϕ1 ∗ ϕ2 (∗ = ∧, ∨, →, ↔): Wegen l(ϕ1 ), l(ϕ2 ) < l(ϕ) = n folgt
wiederum aus der I.V., dass E (ϕ1 ) und E (ϕ2 ) gelten. Die Behauptung
folgt mit (iii).
(Damit ist das Lemma bewiesen.)
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Beweise durch syntaktische Induktion
Das Lemma über das Prinzip der syntaktischen Induktion besagt, dass wir
eine Eigenschaft E für alle al. Formeln dadurch nachweisen können, dass
wir zeigen, dass E die dort aufgelisteten Anforderungen (i) - (iii) erfüllt.
Wir nennen solch einen Beweis einen Beweis durch Induktion nach dem
Formelaufbau oder Beweis durch syntaktische Induktion und schreiben
kurz Ind(ϕ).
Wie der Beweis des Lemmas zeigt, ist ein Beweis durch syntaktische
Induktion (Ind(ϕ)) ähnlich zu einem Beweis durch verallgemeinerte
vollständige Induktion nach der Formellänge, wofür wir im Folgenden kurz
Ind(l(ϕ)) schreiben werden.
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Kapitel 1.1: Syntax der Aussagenlogik
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Syntaktische Induktion: Beispiel
BEHAUPTUNG. Für jede al. Formel ϕ gilt �( (ϕ) = �) (ϕ), wobei �a (ϕ) die Anzahl
der Vorkommen des Zeichens a in der Formel ϕ bezeichnet.
BEWEIS durch Ind(ϕ):
ϕ ≡ A: �( (A) = �) (A) = 0
ϕ ≡ ¬ψ: Nach I.V. gilt �( (ψ) = �) (ψ). Hieraus folgt:
�( (ϕ) = �( (¬ψ) = �( (ψ) = �) (ψ) = �) (¬ψ) = �) (ϕ)
ϕ ≡ (ϕ1 ∗ ϕ2 ) wobei ∗ = ∧, ∨, →, ↔: Nach I.V. gilt �( (ϕi ) = �) (ϕi ) für
i = 1, 2. Also:
�( (ϕ)
Mathematische Logik (WS 2012/13)
=
=
=
=
=
�( ((ϕ1 ∗ ϕ2 ))
�( (ϕ1 ) + �( (ϕ2 ) + 1
�) (ϕ1 ) + �) (ϕ2 ) + 1 (I.V.)
�) ((ϕ1 ∗ ϕ2 ))
�) (ϕ)
Kapitel 1.1: Syntax der Aussagenlogik
39 / 146
Rekursive Definitionen: Beispiele (1)
Wir können durch Induktion nach dem Formelaufbau auch Funktionen auf
den al. Formeln definieren. Wir sprechen hier dann auch von Rekursion an
Stelle von Induktion, also von syntaktischer Rekursion oder Rekursion nach
dem Formelaufbau.
Wir betrachten zunächst einige Beipiele (wobei stets ∗ = ∨, ∧, →, ↔
gelte).
1
Die von uns bereits explizit definierten Funktionen l(ϕ) (Länge von
ϕ) und lz(ϕ) (Anzahl der logischen Zeichen in ϕ) lassen sich
alternativ durch Ind(ϕ) wie folgt definieren:
�
�
�
�
�
�
l(A) = 1
l(¬ψ) = l(ψ) + 1
l((ϕ1 ∗ ϕ2 )) = l(ϕ1 ) + l(ϕ2 ) + 3
lz(A) = 0
lz(¬ψ) = l(ψ) + 1
lz((ϕ1 ∗ ϕ2 )) = lz(ϕ1 ) + lz(ϕ2 ) + 1
Mathematische Logik (WS 2012/13)
Kapitel 1.1: Syntax der Aussagenlogik
40 / 146
Rekursive Definitionen: Beispiele (2)
2
Rekursive Definition des Rangs ρ(ϕ) einer al. Formel ϕ
(= Schachtelungstiefe der Junktoren in ϕ):
�
�
�
ρ(A) = 0
ρ(¬ψ) = ρ(ψ) + 1
ρ((ϕ1 ∗ ϕ2 )) = max(ρ(ϕ1 ), ρ(ϕ2 )) + 1
Beispiel hierzu: Der Rang von ϕ ≡ A ∨ ¬B ↔ A ∧ B ∧ C ist 3.
Nämlich:
�
ρ(A) = ρ(B) = ρ(C ) = 0
�
ρ(¬B) = ρ(B) + 1 = 0 + 1 = 1 und
ρ(B ∧ C ) = max(ρ(B), ρ(C )) + 1 = max(0, 0) + 1 = 1
�
ρ(A ∨ ¬B) = max(ρ(A), ρ(¬B)) + 1 = max(0, 1) + 1 = 2 und
ρ(A ∧ B ∧ C ) = ρ((A ∧ (B ∧ C ))) = max(ρ(A), ρ(B ∧ C )) + 1 =
max(0, 1) + 1 = 2
�
ρ(ϕ) = max(ρ(A ∨ ¬B), ρ(A ∧ B ∧ C )) + 1 = max(2, 2) + 1 = 3
Mathematische Logik (WS 2012/13)
Kapitel 1.1: Syntax der Aussagenlogik
41 / 146
Rekursive Definitionen: Beispiele (3)
3
Der Rang ρ(ϕ) einer al. Formel ϕ ist gerade die Tiefe (d.h. die
maximale Pfadlänge) des Strukturbaums von ϕ. Dabei ist der
Strukturbaum Tϕ von ϕ rekursiv wie folgt definiert:
¬
A
Tψ
TA
T¬ψ
∗
��
�
� ��
�
��
��
��
�
�
��
�
�
��
�
�
�
��
Tϕ 1
Tϕ2
T(ϕ1 ∗ϕ2 )
Wie sieht der Strukturbaum Tϕ der Formel ϕ ≡ A ∨ ¬B ↔ A ∧ B ∧ C
aus?
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Kapitel 1.1: Syntax der Aussagenlogik
42 / 146
Rekursive Definitionen: Beispiele (4)
4
Die Menge V (ϕ) der in ϕ vorkommenden Aussagenvariablen ist rekursiv
definiert durch:
� V (A) = {A}
� V (¬ψ) = V (ψ)
� V ((ϕ ∗ ϕ )) = V (ϕ ) ∪ V (ϕ )
1
2
1
2
5
Die Menge TF (ϕ) der Teilformeln von ϕ ist rekursiv definiert durch:
� TF (A) = {A}
� TF (¬ψ) = TF (ψ) ∪ {¬ψ}
� TF ((ϕ1 ∗ ϕ2 )) = TF (ϕ1 ) ∪ TF (ϕ2 ) ∪ {(ϕ1 ∗ ϕ2 )}
NB: Jede Formel ϕ ist eine Teilformel von sich selbst. Eine Teilformel ψ ist
eine echte Teilformel von ϕ, wenn ψ eine Teilformel von ϕ ist und ψ �≡ ϕ
gilt. (Die echten Teilformeln von ¬ψ sind also die Teilformeln von ψ und die
echten Teilformeln von (ϕ1 ∗ ϕ2 ) sind also die Teilformeln von ϕ1 und die
Teilformeln von ϕ2 .) Es gilt z.B. für ϕ ≡ A ∧ ¬¬B ∧ C :
TF (ϕ) = {A, B, C , ¬B, ¬¬B, ¬¬B ∧ C , ϕ}
(man beachte die implizite Rechtsklammerung: ϕ ≡ (A ∧ (¬¬B ∧ C )))
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Kapitel 1.1: Syntax der Aussagenlogik
43 / 146
Rekursive Definitionen: Korrektheit
Um zu zeigen, dass eine durch syntaktische Rekursion definierte Funktion
f : FAL → X wohldefiniert ist, muss man zeigen, dass die bei der Definition
benutzte Fallunterscheidung erschöpfend (⇒ f auf allen Formeln definiert) und
eindeutig (⇒ Wert von f auf jeder Formel eindeutig bestimmt) ist. Ersteres ergibt
sich unmittelbar aus der induktiven Definition der al. Formeln. Letzteres folgt aus
dem
EINDEUTIGKEITSLEMMA. Sei ϕ eine al. Formel. Dann ist ϕ entweder
(I) eine Aussagenvariable (= atomare Formel)
oder
(II) eine Negationsformel ϕ ≡ ¬ψ für eindeutig bestimmtes ψ
oder
(III) eine Formel der Gestalt ϕ ≡ (ϕ1 ∗ ϕ2 ) für eindeutig bestimmtes
∗ = ∨, ∧, →, ↔ und eindeutig bestimmte Formeln ϕ1 und ϕ2 .
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Kapitel 1.1: Syntax der Aussagenlogik
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Beweis des Eindeutigkeitslemmas: Hilfssatz
Zum Beweis des Eindeutigkeitslemmas beweisen wir zunächst folgenden
HILFSSATZ (HS). Sei ϕ eine al. Formel und sei w ein endliche
Zeichenfolge, sodass die Verkettung ϕw von ϕ und w wiederum eine al.
Formel ist. Dann ist w die leere Zeichenfolge λ (d.h. ϕ ≡ ϕw ).
Der Beweis des Hilfssatzes erfolgt durch Ind(l(ϕ)):
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Kapitel 1.1: Syntax der Aussagenlogik
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Beweis des Eindeutigkeitslemmas: Beweis des HS durch
Ind(l(ϕ))
1. ϕ ≡ A: Dann ist nach Annahme ϕw ≡ Aw eine al. Formel.
Die einzigen al. Formeln, deren erstes Zeichen eine Aussagenvariable ist, sind
jedoch die Aussagenvariablen selbst. Es muss daher Aw ≡ A - also w = λ gelten.
2. ϕ ≡ ¬ψ: Dann ist nach Annahme ϕw ≡ ¬ψw eine al. Formel.
Da eine Zeichenreihe ¬v nur dann eine Formel ist, wenn auch v eine al.
Formel ist, folgt dass ψw eine al. Formel ist. Nach I.V. gilt dann aber w = λ.
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Kapitel 1.1: Syntax der Aussagenlogik
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Beweis des Eindeutigkeitslemmas: Beweis des HS durch
Ind(ϕ) (Forts.)
3. ϕ ≡ (ϕ1 ∗ ϕ2 ) (wobei ∗ ∈ {∧, ∨, →, ↔}): Dann ist nach Annahme
ϕw ≡ (ϕ1 ∗ ϕ2 )w eine al. Formel.
Der Nachweis von w = λ ist indirekt: Widerspruchsannahme: w �= λ.
�
Da jede mit ( beginnende Formel gemäß (F3) gebildet ist, also mit )
endet, und da nach Annahme (ϕ1 ∗ ϕ2 )w eine Formel ist, muss die
nichtleere Zeichereihe w die Gestalt w ≡ ŵ ) haben, d.h.
ϕw ≡ (ϕ1 ∗ ϕ2 )ŵ ),
und es muss einen Junktor ˆ
∗ und al. Formeln ϕ̂1 und ϕ̂2 geben mit
(∗) (ϕ1 ∗ ϕ2 )ŵ ) ≡ ϕw ≡ (ϕ̂1 ˆ∗ ϕ̂2 )
(i) Es gilt dann aber ϕ1 ≡ ϕ̂1 , da es wegen (∗) ein Wort w̃ mit ϕ1 ≡ ϕ̂1 w̃
oder ϕ1 w̃ ≡ ϕ̂1 geben muss; nach I.V. (NB: l(ϕ1 ), l(ϕ̂1 ) < l(ϕ)) gilt
dann aber w̃ = λ.
(ii) Aus (∗) und ϕ1 ≡ ϕ̂1 folgt unmittelbar: ∗ ≡ ˆ
∗.
(iii) Aus (∗) und ϕ1 ∗ ≡ ϕ̂1 ˆ
∗ ergibt sich schließlich ϕ2 ≡ ϕ̂2 wie in (i).
Also: ϕ1 ∗ ϕ2 ≡ ϕ̂1 ˆ
∗ ϕ̂2 im Widerspruch zu (∗). (Ende Beweis HS)
Mathematische Logik (WS 2012/13)
Kapitel 1.1: Syntax der Aussagenlogik
47 / 146
Beweis des Eindeutigkeitslemmas: Beweis des Lemmas mit
Hilfe des HS
Offensichtlich hat ϕ genau eine der Gestalten (F1), (F2), (F3), da nach
induktiver Definition der al. Formeln jede Formel eine dieser Gestalten hat
und da sich die Formeln dieser Gestalten durch den ersten Buchstaben Ai
bzw. ¬ bzw. ( unterscheiden.
Hat ϕ die Gestalt (F1) bzw. (F2), so ist die Aussagenvariable Ai mit ϕ ≡ Ai
bzw. die Formel ψ mit ϕ ≡ ¬ψ offensichtlich durch ϕ eindeutig bestimmt.
Es genügt also zu zeigen, dass für ϕ vom Typ (F3) der Junktor ∗ und die
Teilformeln ϕ1 und ϕ2 eindeutig bestimmt sind.
Gelte also
(∗) ϕ ≡ (ϕ1 ∗ ϕ2 ) ≡ (ϕ̂1 ˆ
∗ ϕ̂2 ).
Zu zeigen: ∗ = ˆ
∗ und ϕi ≡ ϕ̂i für i = 1, 2.
(i) ϕ1 ≡ ϕ̂1 : Wegen (∗) gibt es ein Wort w mit ϕ1 ≡ ϕ̂1 w oder
ϕ1 w ≡ ϕ̂1 . Nach dem Hilfssatz muss w aber das leere Wort sein.
(ii) ∗ ≡ ˆ
∗: Dies folgt unmittelbar aus (i) und (∗).
(iii) ϕ2 ≡ ϕ̂2 : Wegen (∗), (i) und (ii) gibt es ein Wort w̃ mit ϕ2 ≡ ϕ̂2 w̃
oder ϕ2 w̃ ≡ ϕ̂2 . Nach dem Hilfssatz muss w̃ aber das leere Wort sein.
(Ende Beweis Eindeutigkeitslemma)
Mathematische Logik (WS 2012/13)
Kapitel 1.1: Syntax der Aussagenlogik
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Kapitel 1.2
Aussagenlogik: Semantik
Mathematische Logik (WS 2012/13)
Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
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Übersicht
1.2.1 Interpretationen der al. Formeln
1.2.2 Zentrale semantische Begriffe
1.2.3 Der semantische Folgerungsbegriff
1.2.4 Al. Formeln als Darstellungen Boolescher Formeln
Mathematische Logik (WS 2012/13)
Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
50 / 146
Vorgehensweise
Wir interpretieren nun Formeln als (zusammengesetze) Aussagen. Dabei
werden die Aussagenvariablen als atomare Aussagen aufgefasst und die
Junktoren als die durch diese bezeichneten Verknüpfungen interpretiert.
Hierbei gehen wir davon aus, dass jede der atomaren Aussagen entweder
wahr oder falsch ist (“tertium non datur”). Wir zeigen dann, wie sich der
Wahrheitswert einer al. Formel ϕ aus den Wahrheitswerten der in der Formel
vorkommenden Aussagenvariablen eindeutig bestimmen lässt (Kapitel 1.2.1).
Hierzu führen wir zunächst (Variablen-)Belegungen B ein, die den
Aussagenvariablen Wahrheitswerte (genauer: die entsprechenden Bits)
zuordnen. Dann definieren wir induktiv nach dem Formelaufbau
korrespondierende Bewertungen B̂ der al. Formeln, wobei wir - wie bereits
gesagt - die Junktoren durch die bereits in Kapitel 1.0 eingeführten
zugehörigen Wahrheitsfunktionen interpretieren.
Dabei ordnet jede Belegung B, die allen Variablen in einer Formel ϕ einen
Wahrheitswert zuordnet, der Formel ϕ einen eindeutig bestimmten
Wahrheitwert - nämlich B̂(ϕ) - zu, wobei dieser Wert nur von der Belegung
der in ϕ vorkommenden Variablen abhängt (Koinzidenzlemma).
Mathematische Logik (WS 2012/13)
Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
51 / 146
Vorgehensweise
Wir führen dann die zentralen semantischen Begriffe der Logik ein wie
Allgemeingültigkeit und Erfüllbarkeit von Formeln sowie den (semantischen)
Folgerungs- und Äquivalenzbegriff für Formeln (Kapitel 1.2.2), und erweitern
diese Begriffe auf Formelmengen (Kapitel 1.2.3).
Schließlich beobachten wir, dass man al. Formeln als Darstellungen
Boolescher Funktionen auffassen kann (Kapitel 1.2.4).
(In Kapitel 1.3 werden wir dann zeigen, dass sich jede Boolesche Funktion
derart darstellen lässt.)
Mathematische Logik (WS 2012/13)
Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
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1.2.1 Interpretationen der al. Formeln
Mathematische Logik (WS 2012/13)
Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
53 / 146
Belegungen der Aussagenvariablen
Sei im Folgenden V eine nichtleere (endliche oder unendliche) Menge von
Aussagenvariablen und sei F (V ) = {ϕ : V (ϕ) ⊆ V } die Menge der al. Formeln,
die nur Variablen aus V enthalten.
DEFINITION. Eine Belegung B der Variablenmenge V ist eine Abbildung
B : V → {0, 1} (wobei wir die Bits 0 und 1 als die Wahrheitswerte F und W
interpretieren).
Wir fassen also Aussagenvariablen A als atomare Aussagen auf, und Belegungen
ordnen den atomarer Aussagen einer gegebenen Menge solcher Aussagen jeweils
einen eindeutig bestimmten Wahrheitswert zu.
Mit B(V ) bezeichnen wir die Menge aller Belegungen der Variablenmenge V .
NB: Für endliches V gibt es 2|V | verschiedene Variablenbelegungen (wobei |V | die
Mächtigkeit von V - d.h. die Anzahl der Elemente von V - ist): |B(V )| = 2|V | .
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Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
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Bewertungen der al. Formeln
Jede Belegung B einer Variablenmenge V induziert eine zugehörige Bewertung B̂
der al. Formeln in F (V ).
DEFINITION. Die zu der Belegung B : V → {0, 1} gehörende Bewertung B̂ der
aussagenlogischen Formeln in F (V ) ist rekursiv wie folgt definiert (Ind(ϕ)):
1. ϕ ≡ A: B̂(A) := B(A)
2. ϕ ≡ ¬ψ: B̂(¬ψ) := f¬ (B̂(ψ))
3. ϕ ≡ (ϕ1 ∗ ϕ2 ): B̂(ϕ1 ∗ ϕ2 ) := f∗ (B̂(ϕ1 ), B̂(ϕ2 ))
Hierbei ist f∗ die Boolesche Funktion, die den Junktor ∗ interpretiert (s. Kapitel
1.0). Es gilt also:
B̂(¬ψ)
B̂(ϕ1 ∨ ϕ2 )
B̂(ϕ1 ∧ ϕ2 )
B̂(ϕ1 → ϕ2 ) = 1
B̂(ϕ1 ↔ ϕ2 ) = 1
Mathematische Logik (WS 2012/13)
= 1 − B̂(ψ)
= max(B̂(ϕ1 ), B̂(ϕ2 ))
= min(B̂(ϕ1 ), B̂(ϕ2 ))
⇔ B̂(ϕ1 ) ≤ B̂(ϕ2 )
⇔ B̂(ϕ1 ) = B̂(ϕ2 )
Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
55 / 146
Bewertungen der al. Formeln: Notationen und Beispiel
NOTATION. Im Folgenden bezeichnen wir die von einer Belegung B induzierte
Bewertung B̂ häufig einfachheitshalber ebenfalls mit B. Wir sagen, dass die
Belegung B die Formel ϕ wahr macht (falsch macht), falls B(ϕ) = 1 (B(ϕ) = 0)
gilt.
BEISPIEL. Sei V = {A, B, C , D}, sei die Belegung B : V → {0, 1} durch
B(A) = B(B) = B(D) = 1 & B(C ) = 0
gegeben und sei ϕ die Formel
ϕ ≡ ¬(A ↔ C ) ∧ ¬D.
Dann gilt: B(ϕ) = 0. Man zeigt, dies, indem man induktiv die Wahrheitswerte der
Teilformeln ψ von ϕ bezüglich B bestimmt:
ψ
B(ψ)
A
1
B
1
C
0
D
1
(A ↔ C )
0
¬D
0
¬(A ↔ C )
1
ϕ
0
Dies entspricht gerade dem Vorgehen, dass man den Knoten im Strukturbaum (die für die entsprechenden Teilformeln stehen)
von den Blättern aus rekursiv Wahrheitswerte zuordnet, wobei ein mit A markiertes Blatt den Wert B(A) erhält und ein mit ¬
(bzw. ∗) markierter innerer Knoten, dessen Sohn den Wert i hat (bzw. dessen Söhne die Werte i0 und i1 haben) der Wert f¬ (i)
(bzw. f∗ (i0 , i1 )) zugeordnet wird. Der Wert der Wurzel ist dann gerade B(ϕ).
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Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
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Koinzidenzlemma
Betrachten wir die Bewertung B(ϕ) einer Formel ϕ bzgl. einer Belegung
B : V → {0, 1}, wobei V (ϕ) echt in V enthalten ist, so hängt der Wert von B(ϕ)
nur von der Belegung B(A) der in ϕ vorkommenden Variablen A ab:
KOINZIDENZLEMMA. Seien Bi : Vi → {0, 1} (i = 0, 1) Belegungen, sei ϕ eine
al. Formel deren Aussagenvariablen in V0 und V1 liegen, und stimmen B0 und B1
auf den in ϕ vorkommenden Variablen überein (d.h. V (ϕ) ⊆ V0 ∩ V1 und
B0 � V (ϕ) = B1 � V (ϕ)). Dann gilt B̂0 (ϕ) = B̂1 (ϕ).
Beweis durch Ind(ϕ):
1. ϕ ≡ A: Dann gilt wegen A ∈ V (ϕ) nach Annahme B0 (A) = B1 (A). Also:
B̂0 (ϕ) = B̂0 (A) = B0 (A) = B1 (A) = B̂1 (A) = B̂1 (ϕ)
2. ϕ ≡ ¬ψ: Dann gilt nach I.V. B̂0 (ψ) = B̂1 (ψ). Also:
B̂0 (ϕ) = 1 − B̂0 (ψ) = 1 − B̂1 (ψ) = B̂1 (ϕ)
3. ϕ ≡ ϕ1 ∗ ϕ2 : Folgt analog aus der I.V.
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Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
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1.2.2 Zentrale semantische Begriffe
Mathematische Logik (WS 2012/13)
Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
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Zentrale semantische Begriffe: Überblick
Jede Belegung B der Variablen einer al. Formel ϕ führt zu einer Bewertung
B(ϕ) von B, gibt also eine mögliche Interpretation von ϕ. Wir führen
hierauf nun die Begriffe der Allgemeingültigkeit, Erfüllbarkeit und
Widersprüchlichkeit von al. Formeln zurück:
�
�
�
Die Formel ϕ ist allgemeingültig, wenn alle Belegungen ihrer Variablen
die Formel wahrmachen.
Die Formel ϕ ist erfüllbar, wenn zumindest eine der Belegungen ihrer
Variablen die Formel wahrmacht.
Die Formel ϕ ist widerspüchlich, wenn keine Belegung ihrer Variablen
die Formel wahrmachen.
Weiter definieren wir die (semantische) Implikation (Folgerung) und
Äquivalenz für Formelpaare. Dabei impliziert eine Formel ϕ eine Formel ψ
(oder: folgt ψ aus ϕ), wenn jede Belegung, die ϕ wahrmacht auch ψ
wahrmacht, und ϕ uns ψ sind äquivalent, wenn sie von denselben
Belegungen wahrgemacht werden, also bzgl. aller Interpretationen denselben
Wahrheitswert haben.
Mathematische Logik (WS 2012/13)
Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
59 / 146
Zentrale semantische Begriffe: Überblick (Forts.)
Wir werden dann ausführlich auf grundlegende Eigenschaften dieser
Konzepte eingehen und wichtige Beispiele geben.
In Kapitel 1.2.3 werden wir die Begriffe der Erfüllbarkeit und der
semantischen Folgerung (d.h. Implikation) auf Formelmengen ausdehnen.
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Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
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Definition erster zentraler semantischer Konzepte der AL
(1)
DEFINITION 1. Sei ϕ eine al. Formel.
(i) ϕ ist allgemeingültig (oder logisch wahr oder eine Tautologie; kurz: ag[ϕ]),
falls jede Belegung der Variablen in ϕ die Formel ϕ wahrmacht, d.h. falls
Für alle B : V (ϕ) → {0, 1} gilt B(ϕ) = 1.
gilt.
(ii) ϕ ist erfüllbar (kurz: erfb[ϕ]), falls es zumindest eine Belegung der Variablen
in ϕ gibt, die die Formel ϕ wahrmacht, d.h. falls
Es gibt (zumindest) ein B : V (ϕ) → {0, 1} mit B(ϕ) = 1.
gilt.
(ii) ϕ ist kontradiktorisch (oder widersprüchlich; kurz: kd[ϕ]), falls es keine
Belegung der Variablen in ϕ gibt, die die Formel ϕ wahrmacht, d.h. falls
Für alle B : V (ϕ) → {0, 1} gilt B(ϕ) = 0.
gilt.
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Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
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Definition erster zentraler semantischer Konzepte der AL
(2)
Anschaulich:
Die durch eine allgemeingültige Formel ϕ dargestellten Aussagen sind immer
wahr - egal welche ihrer atomaren Aussagen wahr oder falsch sind.
Entsprechend sind die durch eine kontradiktorische Formel ϕ dargestellten
Aussagen immer falsch - egal welche ihrer atomaren Aussagen wahr oder
falsch sind.
Ist eine Formel ϕ erfüllbar, so ist zumindest eine der dargestellten Aussagen,
deren atomare Aussagen geeignet gewählt sind, wahr. Es ist aber möglich,
dass bei anderer Wahl der vorkommenden atomaren Aussagen, die Aussage
falsch wird.
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Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
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Beispiele von Tautologien
Wir geben nun eine Reihe von Tautologien an, die häufig verwendeten logischen
Gesetzen entsprechen:
LEMMA 1. Die folgenden al. Formeln sind Tautologien:
(i) A ∨ ¬A (Tertium non datur)
(ii) A → A (Selbstimplikation)
(iii) A → A ∨ B (Hintere Abschwächung)
(iv) A ∧ B → A (Vordere Abschwächung)
(v) (A → B) ∧ (B → C ) → (A → C ) (Kettenregel)
(vi) (A ∨ B) ∧ (A → C ) ∧ (B → C ) → C (Gesetz der Fallunterscheidung)
Mathematische Logik (WS 2012/13)
Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
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Beispiele von Tautologien: Beweis von Lemma 1
Zum Nachweis, dass eine Formel ϕ eine Tautologie ist, zeigt man, dass jede
Belegung B von V (ϕ) die Formel ϕ wahrmacht. Hierzu berechnet man induktiv
die Werte B(ψ) für alle (oder für geeignete) Teilformeln ψ von ϕ (wobei für die
vorkommenden Variablen A der Wert von B(A) gerade durch die Belegung B
festgelegt ist).
Wir führen dies für die Formel ϕ ≡ (A → B) ∧ (B → C ) → (A → C ) aus Teil (v)
exemplarisch aus, wobei in der folgenden Tabelle die einzelnen Zeilen den
möglichen Variablenbelegungen entsprechen und wir ψ :≡ (A → B) ∧ (B → C )
setzen:
B(A)
0
0
0
1
0
1
1
1
B(B)
0
0
1
0
1
0
1
1
B(C )
0
1
0
0
1
1
0
1
Mathematische Logik (WS 2012/13)
B(A → B)
1
1
1
0
1
0
1
1
B(B → C )
1
1
0
1
1
1
0
1
B(A → C )
1
1
1
0
1
1
0
1
Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
B(ψ)
1
1
0
0
1
0
0
1
B(ϕ)
1
1
1
1
1
1
1
1
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Zusammenhänge zwischen ag, erfb und kd
Die Begriffe der Allgemeingültigkeit, der Erfüllbarkeit und der Widersprüchlichkeit
hängen wie folgt zusammen:
LEMMA 2.
(i) Ist ϕ allgemeingültig, so ist ϕ auch erfüllbar:
ag[ϕ] ⇒ erfb[ϕ]
Die Umkehrung gilt jedoch i.a. nicht.
(ii) ϕ ist genau dann allgemeingültig, wenn ¬ϕ kontradiktorisch ist:
ag[ϕ] ⇔ kd[¬ϕ]
(iii) ϕ ist genau dann erfüllbar, wenn ϕ nicht kontradiktorisch ist:
erfb[ϕ] ⇔ nicht kd[ϕ]
Mathematische Logik (WS 2012/13)
Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
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Zusammenhänge zwischen ag, erfb und kd:
Beweis von Lemma 2
Der positive Teil der Aussage (i) und die Aussage (iii) folgen direkt aus
Definition 1.
Dass in (i) die Umkehrung nicht gilt, zeigt das Beispiel der atomaren Formel
ϕ ≡ A. Diese ist erfüllbar, da es die Belegung B(A) = 1 gibt, die ϕ
wahrmacht. ϕ ist aber nicht allgemeingültig, da die Belegung B � (A) = 0 die
Formel ϕ falsch macht.
Behauptung (ii) folgt unmittelbar aus Definition 1 und der Definition der
Bewertungen: Wegen V (ϕ) = V (¬ϕ) genügt es zu beobachten, dass
B(ϕ) = 1 ⇔ B(¬ϕ) = 0
für jede Belegung B : V (ϕ) → {0, 1} gilt.
Mathematische Logik (WS 2012/13)
Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
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Allgemeingültigkeit und Erfüllbarkeit von Disjunktionen
und Konjunktionen
LEMMA 3.
(i) Eine Konjunktion ϕ ∧ ψ ist genau dann allgemeingültig, wenn die beiden
Konjunktionsglieder ϕ und ψ allgemeingültig sind:
ag[ϕ ∧ ψ] ⇔ ag[ϕ] und ag[ψ]
(ii) Sind die Formeln ϕ und ψ allgemeingültig, so auch deren Disjunktion ϕ ∨ ψ:
ag[ϕ] und ag[ψ] ⇒ ag[ϕ ∨ ψ]
Die Umkehrung gilt jedoch i.a. nicht.
(iii) Eine Disjunktion ϕ ∨ ψ ist genau dann erfüllbar, wenn zumindest eines der
Disjunktionsglieder ϕ und ψ erfüllbar ist:
erfb[ϕ ∨ ψ] ⇔ erfb[ϕ] oder erfb[ψ]
(iv) Ist die Konjunktion ϕ ∧ ψ erfüllbar, so sind auch deren Konjuktionsglieder ϕ
und ψ erfüllbar:
erfb[ϕ ∧ ψ] ⇒ erfb[ϕ] und erfb[ψ]
Die Umkehrung gilt jedoch i.a. nicht.
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Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
67 / 146
Allgemeingültigkeit und Erfüllbarkeit von Disjunktionen
und Konjunktionen: Beweis von Lemma 3
Da die Beweise der einzelnen Teile sehr ähnlich sind, beweisen wir nur Teil (ii):
ag[ϕ] oder ag[ψ]
⇒ Für alle B : V (ϕ) → {0, 1} gilt B(ϕ) = 1
oder
Für alle B : V (ψ) → {0, 1} gilt B(ψ) = 1
(Definition von ag)
⇒ Für alle B : V (ϕ ∨ ψ) → {0, 1} gilt B(ϕ) = 1
oder
Für alle B : V (ϕ ∨ ψ) → {0, 1} gilt B(ψ) = 1
(Koinzidenzlemma)
⇒ Für alle B : V (ϕ ∨ ψ) → {0, 1} gilt
B(ϕ) = 1 oder B(ψ) = 1
(Trivial)
(Weiter auf der nächsten Folie)
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Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
68 / 146
Allgemeingültigkeit und Erfüllbarkeit von Disjunktionen
und Konjunktionen: Beweis von Lemma 3 (Forts.)
⇒
Für alle B : V (ϕ ∨ ψ) → {0, 1} gilt
B(ϕ ∨ ψ) = 1
(Induktive Definition der Bewertungen)
⇒
ag[ϕ ∨ ψ]
(Definition von ag)
In der obigen Folgerungskette lassen sich alle Implikationen bis auf die rot
markierte umkehren. Dass die Umkehrung i.a. nicht korrekt ist, zeigt folgendes
Beispiel:
Setzt man ϕ :≡ A und ψ :≡ ¬A, so ist ϕ ∨ ψ ≡ A ∨ ¬A allgemeingültig, da für
jede Belegung B von V (ϕ ∨ ψ) = {A} entweder B(A) = 1 oder B(¬A) = 1 gilt,
also B(ϕ ∨ ψ) = B(A ∨ ¬A) = max(B(A), B(¬A)) = 1. Wie wir bereits gesehen
haben, ist aber weder A noch ¬A allgemeingültig.
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Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
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Definition weiterer zentraler semantischer Konzepte der AL
DEFINITION 2. Seien ϕ und ψ al. Formeln.
(i) ϕ und ψ sind äquivalent (kurz: ϕ äq ψ), falls
Für alle B : V (ϕ) ∪ V (ψ) → {0, 1} gilt B(ϕ) = B(ψ).
gilt.
(ii) ϕ impliziert ψ (kurz: ϕ impl ψ), falls
Für alle B : V (ϕ) ∪ V (ψ) → {0, 1} gilt: B(ϕ) = 1 ⇒ B(ψ) = 1.
gilt.
Anschaulich: Bei gleicher Interpretation der vorkommenden atomaren Aussagen haben also durch äquivalente Formeln ϕ und ψ
dargestellte Aussagen denselben Wahrheitswert, wogegen für Formeln ϕ und ψ, wobei ψ aus ϕ folgt, jede Interpretation der
atomaren Formeln die die ϕ entsprechende Aussage wahrmacht auch die ψ entprechende Aussage wahrmacht.
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Implikation und Äquivalenz: Syntax vs. Semantik
In der vorhergehenden Definition haben wir die semantische Implikation und
Äquivalenz eingeführt. Auf der syntaktischen Ebene stehen diesen die
entsprechenden Junktoren → und ↔ gegenüber, die wir auch als syntaktische
Implikation und Äquivalenz bezeichnen. Mit Hilfe des (semantischen) Begriffs der
Allgemeingültigkeit lassen sich semantische Implikation und Äquivalenz auf
syntaktische Implikation und Äquivalenz (und umgekehrt) wie folgt zurückführen:
LEMMA 4. Seien ϕ und ψ al. Formeln.
(i) ϕ impliziert ψ genau dann, wenn die Formel ϕ → ψ allgemeingültig ist:
ϕ impl ψ ⇔ ag[ϕ → ψ]
(ii) ϕ und ψ sind genau dann äquivalent, wenn die Formel ϕ ↔ ψ
allgemeingültig ist:
ϕ äq ψ ⇔ ag[ϕ ↔ ψ]
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Implikation und Äquivalenz: Beweis von Lemma 4
Wir beweisen den ersten Teil des Lemmas (Beweis des zweiten Teils: Übung).
Dabei sei B die Menge aller Belegungen von V (ϕ) ∪ V (ψ).
ϕ impl ψ
⇔
∀ B ∈ B : B(ϕ) ≤ B(ψ)
(Nach Definition von impl und dem Koinzidenzlemma)
⇔
∀ B ∈ B : B(ϕ → ψ) = 1
(Nach Definition der Bewertungen B und dem Koinzidenzlemma)
⇔ ag[ϕ → ψ]
(Nach Definition von ag und dem Koinzidenzlemma)
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Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
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Implikation und Äquivalenz: Einfache Eigenschaften
Als nächstes beschreiben wir den Zusammenhang zwischen Implikation und
Äquivalenz und zeigen, dass beide Relationen reflexiv und transitiv sind und die
Äquivalenz zusätzlich symmetrisch. Die Implikation ist also eine Präordnung auf
den al. Formeln und die Äquivalenz eine Äquivalenzrelation. Hierbei gilt für eine
2-stellige Relation R (in Infixschreibweise):
R is reflexiv, falls xRx für alle x gilt.
R is transitiv, falls für alle x, x, z mit xRy und yRz auch xRz gilt.
R ist symmetrisch, falls für alle x, y mit xRy auch yRx gilt.
LEMMA 5. (BEWEIS: Übung)
(i) A impl A
und
A äq A
(ii) A impl B und B impl C ⇒ A impl C
A äq B und B äq C ⇒ A äq C
und
(iii) A impl B und B impl A ⇒ A äq B
(iv) A äq B ⇒ B äq A
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Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
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Boolesche Gesetze
Eine weitere einfache Beobachtung über die Äquivalenz ist, dass diese die
Booleschen Gesetze (= Axiome der Booleschen Algebren) erfüllt.
Wir formulieren diese Gesetze zunächst für die Mengenlehre. Hierbei sei V eine
beliebige nichtleere Grundmenge, A, B, C Teilmengen von V und A das
Komplement von A (relativ zu V ; d.h. A = {x ∈ V : x �∈ A}). Wie üblich
bezeichnen ∪ und ∩ Vereinigung und Durchschnitt und ∅ die leere Menge.
A ∩ B = B ∩ A und A ∪ B = B ∪ A
A ∩ (B ∩ C ) = (A ∩ B) ∩ C
A ∪ (B ∪ C ) = (A ∪ B) ∪ C
A∪A=A=A∩A
A ∩ (B ∪ C ) = (A ∩ B) ∪ (A ∩ C )
A ∪ (B ∩ C ) = (A ∪ B) ∩ (A ∪ C )
A ∩ (B ∪ A) = A = A ∪ (A ∩ B)
A ∪ A = V und A ∩ A = ∅
A = A und ∅ = V und V = ∅
(A ∩ B) = A ∪ B
(A ∪ B) = A ∩ B
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Kommutativgesetze
Assoziativgesetze
Idempotenzgesetze
Distributivgesetze
Absorptionsgesetze
Komplementgesetze
De Morgansche Gesetze
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Boolesche Gesetze (Forts.)
Die Booleschen Gesetze übertragen sich von der Mengenlehre auf die
Aussagenlogik, wenn wir folgende Ersetzungen vornehmen:
Mengenlehre
Aussagenlogik
Teilmenge A von V
=
A
A∩B
A∪B
∅
V
Aussagenvariable A
äq
¬A
A∧B
A∨B
A ∧ ¬A
A ∨ ¬A
Es gilt also:
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Boolesche Gesetze (Forts.)
LEMMA 6 (Boolesche Gesetze). Die folgenden Formeln sind allgemeingültig:
A ∧ B äq B ∧ A und A ∨ B äq B ∨ A
A ∧ (B ∧ C ) äq (A ∧ B) ∧ C
A ∨ (B ∨ C ) äq (A ∨ B) ∨ C
A ∨ A äq A und A ∧ A äq A
A ∧ (B ∨ C ) äq (A ∧ B) ∨ (A ∧ C )
A ∨ (B ∧ C ) äq (A ∨ B) ∧ (A ∨ C )
A ∧ (B ∨ A) äq A und A ∨ (A ∧ B) äq A
A ∨ ¬A äq A ∨ ¬A und A ∧ ¬A äq A ∧ ¬A
¬¬A äq A
¬(A ∧ ¬A) äq A ∨ ¬A und ¬(A ∨ ¬A) äq A ∧ ¬A
¬(A ∧ B) äq ¬A ∨ ¬B
¬(A ∨ B) äq ¬A ∧ ¬B
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Boolesche Gesetze - Beweis von Lemma 6
Die Booleschen Gesetze für die AL in Lemma 6 lassen sich aus den jeweils
entsprechenden Booleschen Gesetzen der Mengenlehre mit Hilfe der folgenden
(Rück-)Übersetzung ableiten:
Da in den betrachteten Formeln ϕ nur die Variablen A, B und C vorkommen, also
V (ϕ) ⊆ {A, B, C } gilt, genügt es Belegungen dieser Variablen zu betrachten.
Definieren wir V := B({A, B, C }) als die Menge aller dieser Belegungen und
ordnen wir einer Formel ϕ die Menge ϕ̂ := {B ∈ V : B(ϕ) = 1} der Belegungen
zu, die ϕ wahrmachen, so gilt nach Definition der Äquivalenz (mit dem
Koinzidenzlemma):
(1) ϕ äq ψ ⇔ ϕ̂ = ψ̂
Weiter gilt nach Definition der Bewertungen
sowie
�
�
(2) ϕ
∨ ψ = ϕ̂ ∪ ψ̂ und ϕ
∧ ψ = ϕ̂ ∩ ψ̂ und ¬ϕ
� = ϕ̂
(3) A�
∨ ¬A = V und A�
∧ ¬A = ∅.
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Boolesche Gesetze - Beweis von Lemma 6 (Fortsetzung)
Dass sich mit Hilfe dieser Definitionen und Beobachtungen die Booleschen
Gesetze für AL direkt aus den korrespondierenden Booleschen Gesetzen der
Mengenlehre ergeben, illustrieren wir am Beispiel des 1. Distributivgesetzes:
A ∧ (B ∨ C ) äq (A ∧ B) ∨ (A ∧ C )
�
⇔ A ∧�
(B ∨ C ) = (A ∧ B)
∨ (A ∧ C )
(nach (1))
⇔ Â ∩ (B̂ ∪ Ĉ ) = (Â ∩ B̂) ∪ (Â ∩ Ĉ )
(nach (2))
(Ende Beweis Lemma 6)
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Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
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Einige weitere Äquivalenzen
Die in Lemma 6 aufgelisteten Booleschen Gesetze fassen die wichtigsten
semantischen Äquivalenzen von mit Hilfe der Junktoren ¬, ∨ und ∧ gebildeten
Formeln zusammen. Von den Gesetzen für die anderen Junktoren → und ↔
betrachten wir hier noch die Distributivgesetze für → und ∨ bzw. → und ∧:
LEMMA 7.
(i) A → B ∨ C
äq (A → B) ∨ (A → C )
(ii) A → B ∧ C
äq (A → B) ∧ (A → C )
(iii) A ∨ B → C
äq (A → C ) ∧ (B → C )
(iv) A ∧ B → C
äq (A → C ) ∨ (B → C )
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Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
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Beweis von Lemma 7
Wir beweisen nur Teil (iii) des Lemmas und überlassen die anderen ähnlich
einfachen Beweise als Übung.
Es genügt für eine gegebene Belegung B der vorkommenden Variablen zu zeigen,
dass
B(A ∨ B → C ) = 1 ⇔ B((A → C ) ∧ (B → C )) = 1
gilt. Dies zeigt man wie folgt:
⇔
⇔
⇔
⇔
⇔
B(A ∨ B → C ) = 1
B(A ∨ B) ≤ B(C )
nach Definition der Bewertungen
max(B(A), B(B)) ≤ B(C )
nach Definition der Bewertungen
B(A) ≤ B(C ) und B(B) ≤ B(C )
B(A → C ) = 1 und B(B → C ) = 1 nach Definition der Bewertungen
B(A → C ) ∧ (B → C ) = 1
nach Definition der Bewertungen
Alternativ kann man Lemma 7 auf die Booleschen Gesetze in Lemma 6
zurückführen, indem man die Äquivalenz ϕ → ψ äq ¬ϕ ∨ ψ verwendet.
Wir werden hierauf in Abschnitt 1.3 genauer eingehen.
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Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
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Die Einsetzungsregel
Die vorangehenden Lemmata 1 und 5-7 hätten wir schärfer formulieren können,
indem wir die dort vorkommenden Aussagenvariablen A, B, C durch beliebige al.
Formeln ϕ1 , ϕ2 , ϕ3 ersetzt hätten. Dass dies generell möglich ist, besagt die
folgende Einsetzungsregel:
LEMMA 8 (EINSETZUNGSREGEL). Ist die al. Formel ϕ allgemeingültig, so ist
auch die al. Formel ϕ[ψ/A] allgemeingültig, die aus ϕ durch (simultanes)
Ersetzen aller Vorkommen der Variablen A in ϕ durch die Formel ψ entsteht.
BEMERKUNG: Formal lässt sich ϕ[ψ/A] durch Ind(ϕ) definieren:
�
ψ
ϕ (≡ An )
falls An ≡ A
falls An ≡
� A
ϕ ≡ An :
ϕ[ψ/A] ≡
ϕ ≡ ¬ϕ1 :
ϕ[ψ/A] ≡ ¬ϕ1 [ψ/A]
ϕ ≡ ϕ1 ∗ ϕ2 :
ϕ[ψ/A] ≡ ϕ1 [ψ/A] ∗ ϕ2 [ψ/A]
BEISPIELE. A[ϕ/A] ≡ ϕ, B[ϕ/A] ≡ B (für A �= B), ¬((A ∨ B) ∧ A)[¬C /A] ≡
¬((¬C ∨ B) ∧ ¬C ).
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Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
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Die Einsetzungsregel: Beweis
Annahme: ϕ sei allgemeingültig und B : V (ϕ[ψ/A]) → {0, 1} sei eine beliebige
gegebene Belegung der Variablen in ϕ[ψ/A].
Zu zeigen: (∗) B(ϕ[ψ/A]) = 1
Kommt die Variable A in ϕ nicht vor, so gilt ϕ[ψ/A] ≡ ϕ. Wegen der
Allgemeingültigkeit von ϕ ist (∗) also trivialerweise erfüllt.
Im Folgenden dürfen wir daher annehmen, dass A in ϕ vorkommt.
Sei also V (ϕ) = {A, B1 , . . . , Bn } und V (ψ) = {C1 , . . . , Cm }, und damit
V (ϕ[ψ/A]) = {B1 , . . . , Bn , C1 , . . . , Cm }.
Definiere die Belegung B � : V (ϕ) → {0, 1} durch
B � (A) := B(ψ) und B � (Bi ) = B(Bi )
Wegen ag[ϕ] gilt B � (ϕ) = 1. Zum Nachweis von (∗) genügt es also
(∗∗) B � (ϕ) = B(ϕ[ψ/A])
zu zeigen.
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Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
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Die Einsetzungsregel: Beweis (Fortsetzung)
Wir beweisen (∗∗) durch Ind(ϕ):
ϕ ist eine AV: Dann muss ϕ ≡ A (also ϕ[ψ/A] ≡ ψ) gelten und daher:
B � (ϕ)
=
=
=
B � (A)
B(ψ)
B(ϕ[ψ/A])
wegen ϕ ≡ A
nach Definition von B �
wegen ϕ[ψ/A] ≡ ψ
ϕ ≡ ¬ϕ1 : Dann gilt ϕ[ψ/A] ≡ ¬ϕ1 [ψ/A], wobei nach I.V.
B � (ϕ1 ) = B(ϕ1 [ψ/A]). Also:
B � (ϕ)
=
=
=
=
=
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B � (¬ϕ1 )
1 − B � (ϕ1 )
1 − B(ϕ1 [ψ/A])
B(¬ϕ1 [ψ/A])
B(ϕ[ψ/A])
wegen ϕ ≡ ¬ϕ1
nach Definition der Bewertungen
nach I.V.
nach Definition der Bewertungen
wegen ϕ[ψ/A] ≡ ¬ϕ1 [ψ/A]
Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
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Die Einsetzungsregel: Beweis (Ende)
Wir beweisen (∗∗) durch Ind(ϕ) (Fortsetzung):
ϕ ≡ ϕ1 ∗ ϕ2 : Diesen Fall führt man im Wesentlichen ebenfalls auf die
I.V. zurück:
Es gilt ϕ[ψ/A] ≡ ϕ1 [ψ/A] ∗ ϕ2 [ψ/A], wobei B � (ϕi ) = B(ϕi [ψ/A]) nach
I.V. gilt, falls A in ϕi vorkommt. Kommt A in ϕi nicht vor, so gilt
jedoch B � (ϕi ) = B(ϕi [ψ/A]) ebenfalls. In diesem Fall gilt nämlich
V (ϕ) ⊆ {B1 , . . . , Bn } und ϕi ≡ ϕi [ψ/A]. Da B und B � auf den
Variablen Bi übereinstimmen gilt also B � (ϕi ) = B(ϕi ) nach dem
Koinzidenzlemma und damit (wegen ϕi ≡ ϕi [ψ/A])
B � (ϕi ) = B(ϕi [ψ/A]).
Also:
=
=
=
=
=
B � (ϕ)
B � (ϕ1 ∗ ϕ2 )
f∗ (B � (ϕ1 ), B � (ϕ2 ))
f∗ (B(ϕ1 [ψ/A]), B(ϕ2 [ψ/A]))
B(ϕ1 [ψ/A] ∗ ϕ1 [ψ/A])
B(ϕ[ψ/A])
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wegen ϕ ≡ ϕ1 ∗ ϕ2
nach Definition der Bewertungen
s.o.
nach Definition der Bewertungen
wegen ϕ[ψ/A] ≡ ϕ1 [ψ/A] ∗ ϕ2 [ψ/A]
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Die Ersetzungsregel
Zum Abschluss betrachten wir noch die Ersetzungsregel. Diese besagt, dass wir
durch Ersetzen von Teilformeln einer Formel χ durch äquivalente Formeln eine zu
χ äquivalente Formel erhalten:
LEMMA 9 (ERSETZUNGSREGEL). Sei ϕ ↔ ψ allgemeingültig. Dann ist auch
χ ↔ χ(ψ/ϕ) allgemeingültig.
Hierbei bezeichnet χ(ψ/ϕ) eine (i.a. nicht eindeutig bestimmte) Formel χ∗ , die
aus χ durch Ersetzen einiger (von keinem bis alle) Vorkommen der Teilformel ϕ
durch ψ entsteht.
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Die Ersetzungsregel: Beispiel zur Definition von χ(ψ/ϕ)
Seien
χ :≡ ¬(A ∨ ¬¬A) → (¬A ∨ A) und ϕ :≡ ¬A und ψ :≡ ¬¬A
Dann tritt ϕ an 2 Stellen als Teilformel von χ auf:
χ :≡ ¬(A ∨ ¬¬A) → (¬A ∨ A)
Die Formel χ(ψ/ϕ) hat also eine der folgenden 4 möglichen Gestalten (kein
Vorkommen ersetzt, erstes Vorkommen ersetzt, zweites Vorkommen ersetzt, beide
Vorkommen ersetzt):
¬(A ∨ ¬¬A) → (¬A ∨ A)
¬(A ∨ ¬¬¬A) → (¬A ∨ A)
¬(A ∨ ¬¬A) → (¬¬A ∨ A)
¬(A ∨ ¬¬¬A) → (¬¬A ∨ A)
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Die Ersetzungsregel: Formale Definition von χ(ψ/ϕ) und
Beweisidee
Formal definiert man die Menge Sub(χ, ϕ, ψ) aller Varianten χ(ψ/ϕ) von χ durch
Ind(χ), wobei wir die folgenden beiden Fälle unterscheiden:
Ist ϕ ≡ χ, so gilt in jedem Fall Sub(χ, ϕ, ψ) = {χ, ψ}.
Andernfalls gilt:
χ ≡ A:
Sub(χ, ϕ, ψ) = {χ}
χ ≡ ¬χ1 :
Sub(χ, ϕ, ψ) = {¬χ∗1 : χ∗1 ∈ Sub(χ1 , ϕ, ψ)}
χ ≡ χ1 ∗ χ2 :
Sub(χ, ϕ, ψ) = {χ∗1 ∗ χ∗2 : χ∗i ∈ Sub(χi , ϕ, ψ)}
Mit dieser formalen induktiven Beschreibung der möglichen Gestalten von χ(ψ/ϕ)
lässt sich das Ersetzungslemma leicht durch Ind(χ) zeigen: s. Übungen.
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Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
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1.2.3 Der semantische Folgerungsbegriff
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Vorbemerkungen
Bei der Untersuchung einer mathematischen Theorie gehen wir in der Regel von
einer (möglicherweise unendlichen) Menge von Axiomen (den Grundsätzen der
Theorie) aus und betrachten die Aussagen, die aus diesen logisch folgen (die
Theoreme oder (Lehr-)Sätze der Theorie). Um den hierbei verwendeten
semantischen Folgerungsbegriff zu definieren, müssen wir den bereits eingeführten
Folgerungsbegriff
ϕ impl ψ (d.h. ψ folgt aus ϕ)
von einer Formel ϕ auf eine Menge T von Formeln verallgemeinern.
Gleichzeitig verallgemeinern wir den Erfüllbarkeitsbegriff von Formeln ϕ auf
Formelmengen T und zeigen, dass sich der Folgerungbegriff auf den
Erfüllbarkeitsbegriff zurückführen lässt. Hierbei nennen wir eine Formelmenge T
erfüllbar, wenn es eine Belegung gibt, die alle Formeln in T wahrmacht.
Im Folgenden sei T stets eine (möglicherweise unendliche) Menge von al. Formeln
und V (T ) sei die Menge aller Variablen, die in den Formeln aus T vorkommen,
d.h.
�
V (T ) =
V (ϕ)
ϕ∈T
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Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
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Erfüllbarkeit von Formelmengen: Definition
Wir betrachten zunächst den verallgemeinerten Erfüllbarkeitsbegriff für
(nichtleere) Formelmengen:
DEFINITION 1. Sei T �= ∅ eine nichtleere Menge al. Formeln mit Variablenmenge
V (T ).
(i) Eine Belegung B : V (T ) → {0, 1} macht die Formelmenge T wahr (kurz:
B � T ), falls B alle Formeln ϕ in T wahrmacht, d.h. wenn gilt:
∀ ϕ ∈ T : B(ϕ) = 1
(ii) Die Formelmenge T is erfüllbar (kurz: erfb[T ]), wenn es eine Belegung B
von V (T ) gibt, die T wahrmacht.
Es gilt also:
erfb[T ] ⇔ ∃ B ∈ B(V (T )) : B � T ⇔ ∃ B ∈ B(V (T )) ∀ ϕ ∈ T : B(ϕ) = 1
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Erfüllbarkeit von Formelmengen: Bemerkungen
BEMERKUNG 1. Enthält T nur eine Formel ϕ (d.h. T = {ϕ}), so macht B die
Formelmenge T genau dann wahr, wenn B die Formel ϕ wahrmacht. Schreiben
wir statt B � {ϕ} kurz B � ϕ, so gilt also
B � {ϕ} ⇔ B � ϕ ⇔ B(ϕ) = 1
Es folgt, dass die Formelmenge T = {ϕ} genau dann erfüllbar ist, wenn die
Formel ϕ erfüllbar ist. Die Erfüllbarkeit für Formelmengen verallgemeinert daher
die Erfüllbarkeit für Formeln.
BEMERKUNG 2. Ist T erfüllbar, so ist offensichtlich jede Formel ϕ ∈ T erfüllbar.
Die Umkehrung gilt jedoch i.a. nicht, da die Erfüllbarkeit von T verlangt, dass es
eine Belegung gibt, die gleichzeitig alle ϕ in T wahrmacht. Z.B. ist T = {A, ¬A}
nicht erfüllbar, da es keine Belegung B von V (T ) = {A} gibt, die A und ¬A
wahrmacht (da B(A) = 1 g.d.w. B(¬A) = 0). Die beiden Formeln A und ¬A in
T sind aber beide erfüllbar (nämlich A wird von der Belegung B(A) = 1
wahrgemacht und ¬A wird von der Belegung B � (A) = 0 wahrgemacht).
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Erfüllbarkeit von Formelmengen: Bemerkungen (Forts.)
BEMERKUNG 3. Für endliche, nichtleere Formelmengen lässt sich die
Erfüllbarkeit auf die Erfüllbarkeit von Formeln zurückführen:
Für T = {ϕ1 , . . . , ϕn } gilt nämlich
erfb[T ] ⇔ erfb[ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn ]
(Dies ergibt sich unmittelbar aus der Definition, da nach Definition der
Bewertungen B(ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn ) = 1 genau dann gilt, wenn
B(ϕ1 ) = · · · = B(ϕn ) = 1 gilt.)
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Der semantische Folgerungsbegriff
DEFINITION 2. Eine al. Formel ϕ folgt aus einer (möglicherweise leeren oder
unendlichen) Menge T von al. Formeln (kurz: T � ϕ), falls jede Belegung B von
V (T ) ∪ V (ϕ), die T wahrmacht, auch ϕ wahrmacht, d.h., falls gilt:
∀ B ∈ B(V (T ) ∪ V (ϕ)) [B � T ⇒ B � ϕ]
BEISPIELE. Es gilt {A} � A und {A} � A ∨ B aber {A} �
� ¬A und {A} �
� A ∧ B.
(Hierbei bezeichnet T �� ϕ, dass ϕ nicht aus T folgt.)
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Der semantische Folgerungsbegriff: einfache
Beobachtungen
BEMERKUNG 4. Ist T die leere Menge, so macht (trivialerweise) jede Belegung
jede Formel in T wahr (da es keine Formeln in T gibt). Also:
∅ � ϕ ⇔ ag[ϕ]
Dies zeigt, dass der Folgerungsbegriff eine Verallgemeinerung des
Allgemeingültigkeitsbegriffs ist.
In Zukunft schreiben wir statt ∅ � ϕ kurz � ϕ. Es gilt also
� ϕ ⇔ ag[ϕ]
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Der semantische Folgerungsbegriff: einfache
Beobachtungen (Forts.)
BEMERKUNG 5. Für 1-elementiges T = {ϕ} stimmt der semantische
Folgerungsbegriff mit der semantischen Implikation überein:
{ϕ} � ψ ⇔ ϕ impl ψ
Schreiben wir statt {ϕ1 , . . . , ϕn } � ψ kurz ϕ1 , . . . , ϕn � ψ, so gilt allgemeiner für
endliches nichtleeres T = {ϕ1 , . . . , ϕn }:
ϕ1 , . . . , ϕn � ψ ⇔ ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn � ψ ⇔ ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn impl ψ
Hiermit lässt sich die Beobachtung aus dem letzten Abschnitt, dass sich die
semantische Implikation mit Hilfe des Junktors der Implikation und der
Allgemeingültigkeit darstellen lässt, nämlich
ϕ impl ψ ⇔ ag[ϕ → ψ]
auf endliche Formelmengen T verallgemeinern:
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Der semantische Folgerungsbegriff: einfache
Beobachtungen (Forts.)
Lemma 1. Es gilt
ϕ1 , . . . , ϕn � ψ ⇔ ag[ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn → ψ] ( ⇔ � ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn → ψ)
BEWEIS. Es gilt
⇔
⇔
⇔
ϕ1 , . . . , ϕ n � ψ
ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn � ψ
ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn impl ψ
ag[ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn → ψ]
(Bemerkung 5)
(Bemerkung 5)
(Lemma 4 in Abschnitt 1.2.2)
Schließlich beobachten wir noch, dass der Folgerungsbegriff monoton ist:
BEMERKUNG 6. Der semantische Folgerunsgbegriff ist monoton. D.h. es gilt
T ⊆ T� & T � ϕ ⇒ T� � ϕ
(Dies folgt unmittelbar aus der Definition)
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Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
96 / 146
Semantische Folgerung vs. Erfüllbarkeit
Wie wir gezeigt haben, lässt sich für endliches T �= ∅ der Folgerungsbegriff auf
den Allgemeingültigkeitsbegriff zurückführen. Wie wir nun noch zeigen werden,
lassen sich für beliebiges (möglicherweise unendliches) T Folgerungsbegriff und
Erfüllbarkeit wechselseitig aufeinander zurückführen:
LEMMA 2 (Folgerung vs. Erfüllbarkeit).
(i) T � ϕ ⇔ nicht erfb[T ∪ {¬ϕ}]
(ii) T �� ϕ ⇔ erfb[T ∪ {¬ϕ}]
Da (ii) die Kontraposition von (i) ist (modulo doppelter Verneinung), genügt es
(i) zu beweisen:
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Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
97 / 146
Semantische Folgerung vs. Erfüllbarkeit
BEWEIS VON LEMMA 2 (i):
T �ϕ
⇔
∀ B ∈ B(V (T ) ∪ V (ϕ)) [B � T ⇒ B � ϕ]
(Definition von �)
⇔
� ∃ B ∈ B(V (T ) ∪ V (ϕ)) [B � T & B �� ϕ]
(klar)
⇔
� ∃ B ∈ B(V (T ) ∪ V (ϕ)) [B � T & B � ¬ϕ]
(Definition der Bewertungen)
⇔
� ∃ B ∈ B(V (T ) ∪ V (ϕ)) [B � T ∪ {¬ϕ}]
(klar)
⇔
nicht erfb [T ∪ {¬ϕ}]
(Definition von erfb)
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Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
98 / 146
Semantische Folgerung vs. Erfüllbarkeit
Umgekehrt lässt sich für nichtleeres T die Erfüllbarkeit von T auf den
Folgerungsbegriff zurückführen:
LEMMA 3 (Erfüllbarkeit vs. Semantischer Folgerung). Für T �= ∅ sind folgende
Aussagen äquivalent:
(i) erfb[T ]
(ii) � ∃ ϕ [T � ϕ und T � ¬ϕ]
(iii) ∃ ϕ [T �� ϕ]
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Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
99 / 146
Semantische Folgerung vs. Erfüllbarkeit
BEWEIS VON LEMMA 3.
(i) ⇒ (ii). Dies zeigt man durch Kontraposition:
�
�
�
�
Annahme: es gäbe eine Formel ϕ mit T � ϕ und T � ¬ϕ.
Nach Definition bedeutet dies, dass jede Belegung B, die T wahrmacht
auch ϕ und ¬ϕ wahrmacht.
Da es keine Belegung gibt, die sowohl eine Formel als auch deren
Negation wahr macht, folgt dass keine Belegung T wahrmacht.
Also: T ist nicht erfüllbar.
(ii) ⇒ (iii). Nach Annahme (ii) gilt T �� A oder T �� ¬A für jede Variable A.
Also gilt (iii) für ϕ :≡ A oder ϕ :≡ ¬A.
(iii) ⇒ (i). Gelte T �� ϕ. Nach Definition gibt es dann eine Belegung B, die
zwar T wahrmacht nicht aber ϕ. Aus Ersterem folgt aber direkt, dass T
erfüllbar ist.
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Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
100 / 146
1.2.4 Al. Formeln als Darstellungen Boolescher Formeln
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Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
101 / 146
Die von al. Formeln dargestellten Booleschen Funktionen
Al. Formeln kann man als Darstellungen Boolescher Funktionen auffassen:
DEFINITION 1. Sei ϕ eine al. Formel mit V (ϕ) ⊆ {A0 , . . . , An−1 }. Die von ϕ
dargestellte (definierte) n-stellige Boolesche Funktion fϕ,n ist definiert durch
fϕ,n (i0 , . . . , in−1 ) = B̂i0 ,...,in−1 (ϕ)
wobei die Belegung Bi0 ,...,in−1 : {A0 , . . . , An−1 } → {0, 1} durch
Bi0 ,...,in−1 (Aj ) = ij (j = 0, . . . , n − 1)
gegeben ist.
Gilt V (ϕ) = {A0 , . . . , An−1 }, so schreiben wir statt fϕ,n auch einfach fϕ .
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Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
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Bemerkungen (1)
BEMERKUNG 1: Die Boolesche Funktion fϕ,n gibt also gerade die Wahrheitswerte von ϕ bzgl. der möglichen Belegungen der Variablen A0 , . . . , An−1 an.
Dabei erhält man fϕ,n (i0 , . . . , in−1 ) indem man die Variablen Aj (soweit diese in ϕ
vorkommen) mit dem Wahrheitswert ij belegt und dann ϕ bzgl. dieser Belegung
auswertet.
Für eine Belegung B der Variablen A0 , . . . , An−1 gilt also:
fϕ,n (B(A0 ), . . . , B(An−1 )) = B(ϕ)
Die schon früher angegebene Bewertungstabelle einer Formel ϕ (siehe z.B. die
Tabelle im Beweis von Lemma 3 in Abschnitt 1.2.2) ist also gerade die
Wertetabelle der Funktion fϕ,n .
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Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
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Bemerkungen (2)
BEMERKUNG 2. Durch Umbenennen der Variablen in einer Formel ϕ kann man
immer V (ϕ) = {A0 , . . . , An−1 } erreichen, wobei n die Anzahl der in ϕ
vorkommenden Variablen ist. Modulo dieser Umbenennung stellt also jede al.
Formel ϕ mit n Variablen eine eindeutig bestimmte n-stellige Boolesche Funktion
dar.
BEMERKUNG 3. Die von einer Formel ϕ mit V (ϕ) ⊆ {A0 , . . . , An−1 } dargestellte
n-st. Boolesche Funktion fϕ,n lässt sich alternativ wie folgt durch Induktion nach
dem Aufbau von ϕ definieren (wobei �x = (x0 , . . . , xn−1 ) ∈ {0, 1}n ):
(f1) ϕ ≡ Ai : fAi ,n (�x ) = xi
(f2) ϕ ≡ ¬ψ: f¬ψ,n (�x ) = f¬ (fψ,n (�x ))
(f3) ϕ ≡ ψ0 ∗ ψ1 : fψ0 ∗ψ1 ,n (�x ) = f∗ (fψ0 ,n (�x ), fψ1 ,n (�x ))
(Die Äquivalenz der beiden Definitionen zeigt man leicht durch Ind(ϕ).)
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Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
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Beispiele
Für die Formeln ϕ1 ≡ ¬A0 , ϕ2 ≡ A0 ∨ A1 , ϕ3 ≡ A0 ∧ A1 , ϕ4 ≡ A0 → A1
und ϕ5 ≡ A0 ↔ A1 gilt gerade fϕ1 = fϕ1 ,1 = f¬ , fϕ2 = fϕ2 ,2 = f∨ ,
fϕ3 = fϕ3 ,2 = f∧ , fϕ4 = fϕ4 ,2 = f→ und fϕ5 = fϕ5 ,2 = f↔ .
Die Formeln ψ0 ≡ (A0 ∧ ¬A0 ) und ψ1 ≡ (A0 ∨ ¬A0 ) stellen die konstanten
Booleschen Funktionen mit Wert 0 bzw. 1 dar:
fψi ,n (i0 , . . . , in−1 ) = i (für n ≥ 1 und i, i0 , . . . , in−1 ≤ 1)
Die Formel ϕ ≡ (A0 ∧ ¬A1 ) ∨ (¬A0 ∧ A1 ) stellt die EXOR-Funktion
(exklusives oder) dar. D.h. fϕ = fEXOR :
x0
0
0
1
1
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x1
0
1
0
1
fEXOR (x0 , x1 )
0
1
1
0
Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
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Die von einer Formel dargestellte Boolesche Funktion und
die zentralen semantischen Begriffe
Die in Abschnitt 1.2.2 eingeführten zentralen semantischen Begriffe lassen sich
mit Hilfe der von den al. Formeln dargestellten Funktionen wie folgt beschreiben:
SATZ 1. Seien ϕ und ψ al. Formeln, in denen höchstens die Variablen
A0 , . . . , An−1 vorkommen. Dann gilt:
1
2
3
4
5
erfb[ϕ] ⇔ ∃ �x ∈ {0, 1}n : fϕ,n (�x ) = 1
ag[ϕ] ⇔ ∀ �x ∈ {0, 1}n : fϕ,n (�x ) = 1
kd[ϕ] ⇔ ∀ �x ∈ {0, 1}n : fϕ,n (�x ) = 0
ϕ impl ψ ⇔ ∀ �x ∈ {0, 1}n : fϕ,n (�x ) ≤ fψ,n (�x )
(d.h.: ∀ �x ∈ {0, 1}n : fϕ,n (�x ) = 1 ⇒ fψ,n (�x ) = 1)
ϕ äq ψ ⇔ ∀ �x ∈ {0, 1}n : fϕ,n (�x ) = fψ,n (�x )
(d.h.: ∀ �x ∈ {0, 1}n : fϕ,n (�x ) = 1 ⇔ fψ,n (�x ) = 1)
BEWEIS. Dies folgt unmittelbar aus der Definition von fϕ,n bzw. fψ,n .
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Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
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Abschließende Bemerkungen
Nach dem vorhergehenden Satz stellen äquivalente Formeln dieselben
Booleschen Funktionen dar. Die Darstellung einer Booleschen Funktion
durch eine al. Formel ist also nicht eindeutig, sondern zu jeder Booleschen
Funktion f , die sich durch eine Formel ϕ darstellen lässt (d.h. f = fϕ ), gibt
es unendlich viele Formeln, die f darstellen (z.B. die zu ϕ äquivalenten
Formeln ϕ ∨ ϕ, ϕ ∨ ϕ ∨ ϕ, . . . ).
Im nächsten Abschnitt werden wir zeigen, dass sich jede Boolesche Funktion
durch eine al. Formel darstellen lässt. Dabei genügt es sogar sog. Boolesche
Formeln zu betrachten, d.h. al. Formeln, in denen die Junktoren → und ↔
nicht vorkommen.
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Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
107 / 146
Kapitel 1.3
Normalformen aussagenlogischer Formeln
und die Darstellbarkeit Boolescher Funktionen durch
aussagenlogische Formeln
Mathematische Logik (WS 2012/13)
Kapitel 1.3: Normalformen
108 / 146
Übersicht
1.3.1 Normalformen al. Formeln
1.3.2 Darstellungssatz und Basen der Booleschen Funktionen
1.3.3 Normalformsatz: Disjunktive Normalform
1.3.4 Dualitätsprinzip und Konjunktive Normalform
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Kapitel 1.3: Normalformen
109 / 146
1.3.1 Normalformen al. Formeln
Mathematische Logik (WS 2012/13)
Kapitel 1.3: Normalformen
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Boolesche Formeln, Literale und Klauseln
Eine Boolesche Formel ist eine aussagenlogische Formel, in der die
Junktoren → und ↔ nicht vorkommen.
Ein Literal λ ist eine Aussagenvariable (λ ≡ A) oder eine negierte
Aussagenvariable (λ ≡ ¬A).
Eine ∨-Klausel δ ist eine endliche Disjunktion von Literalen
(δ ≡ λ1 ∨ · · · ∨ λn , n ≥ 1).
Eine ∧-Klausel κ ist eine endliche Konjunktion von Literalen
(κ ≡ λ1 ∧ · · · ∧ λn , n ≥ 1).
NOTATION:
�
•
i=1,...,n ψi :≡ ψ1 ∨ · · · ∨ ψn
Mathematische Logik (WS 2012/13)
•
�
i=1,...,n
Kapitel 1.3: Normalformen
ψi :≡ ψ1 ∧ · · · ∧ ψn
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Disjunktive und konjunktive Normalformen
Eine Boolesche Formel ϕ ist in disjunktiver Normalform (DNF), wenn
ϕ die endliche Disjunktion von ∧-Klauseln ist: ϕ ≡ κ1 ∨ · · · ∨ κm
(m ≥ 1).
Eine Boolesche Formel ϕ ist in konjunktiver Normalform (KNF), wenn
ϕ die endliche Konjunktion von ∨-Klauseln ist: ϕ ≡ δ1 ∨ · · · ∨ δm
(m ≥ 1).
Disjunktive Normalform: ϕ ≡
�
Konjunktive Normalform: ϕ ≡
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i=1,...,m
�
κi ≡
i=1,...,m δi
≡
�
Kapitel 1.3: Normalformen
i=1,...,m
�
�
i=1,...,m
j=1,...,ni
�
j=1,...,ni
λi,j
λi,j
112 / 146
Beipiele
Die al. Formel
ϕ ≡ (A ∧ ¬B ∧ C ) ∨ ¬C ∨ (A ∧ A ∧ ¬D)
ist in disjunktiver Normalform. Sie enthält die 3 ∧-Klauseln
�
�
�
A ∧ ¬B ∧ C (bestehend aus den 3 Literalen A, ¬B, C )
¬C (bestehend aus dem Literal ¬C )
A ∧ A ∧ ¬D (bestehend aus den 3 Literalen A, A, ¬D)
Die al. Formel
ψ ≡ (A ∨ ¬B ∨ C ) ∧ ¬C ∧ (A ∨ A ∨ ¬D)
ist in konjunktiver Normalform. Sie enthält die 3 ∨-Klauseln
�
�
�
A ∨ ¬B ∨ C (bestehend aus den 3 Literalen A, ¬B, C )
¬C (bestehend aus dem Literal ¬C )
A ∨ A ∨ ¬D (bestehend aus den 3 Literalen A, A, ¬D)
Die al. Formeln ¬(A ∨ B) und (A ∨ (B ∧ C )) ∧ D sind Boolesche Formeln
aber weder in DNF noch in KNF.
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Kapitel 1.3: Normalformen
113 / 146
1.3.2 Darstellungssatz und Basen der Booleschen
Funktionen
Mathematische Logik (WS 2012/13)
Kapitel 1.3: Normalformen
114 / 146
Darstellungssatz
DARSTELLUNGSSATZ. Zu jeder n-stelligen Booleschen Funktion f kann
man effektiv eine Boolesche Formel ϕ in disjunktiver Normalform angeben,
sodass V (ϕ) = {A0 , . . . , An−1 } und ϕ die Funktion f darstellt (d.h. fϕ = f
gilt).
ZUR ERINNERUNG: fϕ (B(A0 ), . . . , B(An−1 )) = B(ϕ)
Mathematische Logik (WS 2012/13)
Kapitel 1.3: Normalformen
115 / 146
Beweis des Darstellungssatzes
Die Formel ϕ ist wie folgt definiert:
Für jede Eingabekombination �x = (x0 , . . . , xn−1 ) ∈ {0, 1}n definiere die
∧-Klausel
κ�x :≡ λ(0,x0 ) ∧ · · · ∧ λ(n−1,xn−1 )
wobei
λ(i,xi ) =
�
Ai
¬Ai
falls xi = 1
falls xi = 0.
NB: Die Klausel κ�x ist so gewählt, dass diese genau von der Belegung B�x
mit B�x (Ai ) = xi wahr gemacht wird!
Setze
ϕ :≡
Mathematische Logik (WS 2012/13)
�
{�
x ∈{0,1}n :f (�
x )=1}
Kapitel 1.3: Normalformen
κ�x
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Beweis des Darstellungssatzes (Fortsetzung)
Korrektheit von ϕ: Zu zeigen ist, dass f = fϕ gilt.
Da f und fϕ Boolesche Funktionen sind, genügt es
f (�x ) = 1 ⇔ fϕ (�x ) = 1
für alle �x = (x0 , . . . , xn−1 ) ∈ {0, 1}n zu zeigen.
“⇒” f (�x ) = 1 ⇒ κ�x ist ∧-Klausel von ϕ
⇒ B�x (ϕ) = B�x (κ�x ) = 1
für die oben eingeführte Belegung B�x mit
B�x (Ai ) = xi
⇒ fϕ (�x ) = 1
Mathematische Logik (WS 2012/13)
Kapitel 1.3: Normalformen
117 / 146
Beweis des Darstellungssatzes (Abschluss)
“⇐” fϕ (�x ) = 1 ⇒ B�x (ϕ) = 1 für die Belegung B�x (Ai ) = xi
�
⇒ ϕ enthält eine ∧-Klausel κ(x0� ,...,xn−1
)
�
mit B�x (κ(x0� ,...,xn−1
)) = 1
(da ϕ Disjunktion solcher Klauseln)
⇒ ϕ enthält die ∧-Klausel κ�x
�
(da B�x (κ(x0� ,...,xn−1
)) = 1
g.d.w. xi� = xi für i < n)
⇒ f (�x ) = 1
(nach Definition von ϕ)
Mathematische Logik (WS 2012/13)
Kapitel 1.3: Normalformen
118 / 146
Beispiel zum Darstellungssatz
Die EXOR-Funktion ist durch folgende Wertetabelle bestimmt, wobei wir
in der letzten Spalte noch die zu den entsprechenden Eingaben (x0 , x1 )
gehörenden ∧-Klauseln angeben:
x0 x1 EXOR(x0 , x1 ) zugehörige ∧-Klausel
0 0
0
¬A0 ∧ ¬A1
0 1
1
¬A0 ∧ A1
1 0
1
A0 ∧ ¬A1
1 1
0
A0 ∧ A1
Die EXOR-Funktion wird also von der Formel
ϕEXOR ≡ (¬A0 ∧ A1 ) ∨ (A0 ∧ ¬A1 )
(in DNF) dargestellt.
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Kapitel 1.3: Normalformen
119 / 146
Folgerungen aus dem Darstellungssatz: Basissatz
Unter einer (endlichen) Basis der Booleschen Funktionen verstehen wir eine
Menge {f1 , . . . , fk } von Booleschen Funktionen, sodass sich jede Boolesche
Funktion f explizit über den Funktionen f1 , . . . , fk definieren lässt. Eine Basis M
ist minimal, wenn keine echte Teilmenge von M eine Basis ist.
Offensichtlich gilt für Basen:
1. Basenlemma. Sind M und M � endliche Mengen Boolescher Funktion, sodass M
eine Basis ist und M eine Teilmenge von M � ist, so ist auch M � eine Basis.
2. Basenlemma. Sind M und M � endliche Mengen Boolescher Funktion, sodass M
eine Basis ist und sich jede Funktion f ∈ M explizit über den Funktionen aus M �
definieren lässt, so ist auch M � eine Basis.
Wir wollen nun zeigen, dass die Menge der Booleschen Funktionen f∗ , die den
Junktoren ∗ = ¬, ∨, ∧, →, ↔ der Aussagelogik entsprechen (s. Kapitel 1.0 für die
Definition von f∗ ), eine Basis bilden.
Dabei schreiben wir von nun an (wie üblich) kurz ∗ anstelle von f∗ .
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Kapitel 1.3: Normalformen
120 / 146
Folgerungen aus dem Darstellungssatz: Basissatz
1. BASISSATZ. Die Booleschen Funktionen {¬, ∨, ∧} bilden eine Basis der
Booleschen Funktionen.
BEWEIS. Nach dem Darstellungssatz wird jede Boolesche Funktion von einer
Booleschen Formel dargestellt. Es genügt daher zu zeigen, dass sich für jede
Boolesche Formel ϕ mit V (ϕ) ⊆ {A0 , . . . , An−1 } die dargestellte n-st. Boolesche
Funktion fϕ,n mit Hilfe der Funktionen ¬, ∨ und ∧ darstellen lässt.
Wir zeigen dies durch Induktion nach dem Aufbau von ϕ (wobei
�x = (x0 , . . . , xn−1 ) sei):
1
ϕ ≡ Ai : fϕ,n (�x ) = xi = ∨(xi , xi )
2
ϕ ≡ ¬ψ: Dann gilt fϕ,n = ¬(fψ,n ), d.h. fϕ,n (�x ) = ¬(fψ,n (�x )). fϕ,n ist also
explizit über {¬, fψ,n } definierbar. Da nach I.V. fψ,n explizit über {¬, ∨, ∧}
definierbar ist, folgt hieraus, dass fϕ,n ebenfalls über {¬, ∨, ∧} explizit
definierbar ist.
3
ϕ ≡ ψ0 ∨ ψ1 oder ϕ ≡ ψ0 ∧ ψ1 : Dann gilt fϕ,n = ∨(fψ0 ,n , fψ1 ,n ) bzw.
fϕ,n = ∧(fψ0 ,n , fψ1 ,n ). Die Behauptung folgt also wiederum aus der I.V.
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Kapitel 1.3: Normalformen
121 / 146
Folgerungen aus dem Darstellungssatz: Basissatz (Forts.)
Aus dem 1. Basissatz folgt mit dem 1. Basenlemma, dass {¬, ∨, ∧, →, ↔}
ebenfalls eine Basis ist. Auf der anderen Seite kann der 1. Basissatz wie
folgt verschärft werden:
2. BASISSATZ. Folgende Mengen sind Basen der Booleschen Funktionen:
(i) {¬, ∨} (ii) {¬, ∧} (iii) {NOR} (iv) {NAND}
Hierbei sind die NOR-Funktion (not or - nicht oder) und die
NAND-Funktion (not and - nicht und) definiert durch
NOR(x0 , x1 )
= ¬(∨(x0 , x1 ))
NAND(x0 , x1 ) = ¬(∧(x0 , x1 ))
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Kapitel 1.3: Normalformen
122 / 146
Folgerungen aus dem Darstellungssatz: Basissatz (Forts.)
BEWEISIDEE FÜR DEN 2. BASISSATZ. Da {¬, ∨, ∧} eine Basis ist, ist
nach dem 2. Basenlemma jede Menge {f0 , . . . , fk }, die erlaubt die
Funktionen ¬, ∨, ∧ explizit zu definieren, ebenfalls eine Basis.
Zum Beispiel genügt es zum Beweis von (i) daher zu zeigen, dass sich ∧
mit Hilfe von ¬ und ∨ definieren lässt, was nach DeMorgan wie folgt
möglich ist:
∧(x0 , x1 ) = ¬(∨(¬(x0 ), ¬(x1 )))
Beweis der anderen Teile: Übung!
BEMERKUNG. Die Basen in dem 2. Basissatz sind minimal.
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Kapitel 1.3: Normalformen
123 / 146
1.3.3 Normalformsatz: Disjunktive Normalform
Mathematische Logik (WS 2012/13)
Kapitel 1.3: Normalformen
124 / 146
Der Normalformsatz für die disjunktive Normalform
Eine weitere direkte Folgerung aus dem Darstellungssatz ist:
NORMALFORMSATZ (DNF). Zu jeder al. Formel ϕ kann man effektiv eine
äquivalente Formel ϕDNF in disjunktiver Normalform mit V (ϕ) = V (ϕDNF )
angeben.
BEWEISIDEE:
Ersetzt man in äquivalenten Formeln ψ und ψ � mit
V (ψ) ∪ V (ψ � ) = {B0 , . . . , Bn−1 }
die paarweise verschiedenen Variablen Bi durch paarweise verschiedene
Variablen Ci , so erhält man wiederum äquivalente Formeln (Übung!).
Wir können daher o.B.d.A. annehmen, dass V (ϕ) = {A0 , . . . , An−1 } gilt.
Es genügt dann die Wertetabelle von fϕ zu bestimmen und als ϕDNF die
zugehörige Formel ϕfϕ in DNF aus dem Darstellungssatz zu wählen.
Es gilt dann fϕ = fϕDNF und daher ϕ äq ϕDNF .
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Kapitel 1.3: Normalformen
125 / 146
Normalformsatz: alternativer Beweis
Der Normalformsatz lässt sich auch direkt ohne Rückgriff auf den
Darstellungssatz beweisen (s. Skript von Herrn Gloede für Details):
Hierzu überführt man eine al. Formel ϕ zunächst in eine äquivalente
Boolesche Formel ϕb (mit derselben Variablenmenge), indem man (induktiv)
alle Teilformeln ψ → ψ � und ψ ↔ ψ � mit Hilfe der Äquivalenzen
ψ → ψ � äq ¬ψ ∨ ψ �
ψ ↔ ψ � äq (¬ψ ∨ ψ � ) ∧ (¬ψ � ∨ ψ)
eliminiert.
NB: Nach der Ersetzungsregel ist das Ergebnis dieser Ersetzungen äquivalent
zur Ausgangsformel ϕ!
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Kapitel 1.3: Normalformen
126 / 146
Normalformsatz: alternativer Beweis (Fortsetzung)
Durch Anwendung der DeMorganschen Regeln und des Gesetzes der
doppelten Negation
¬(ψ ∨ ψ � ) äq ¬ψ ∧ ¬ψ �
¬(ψ ∧ ψ � ) äq ¬ψ ∨ ¬ψ �
¬¬ψ äq ψ
überführt man dann die Boolesche Formel ϕb in eine äquivalente Boolesche
Formel ϕn (mit derselben Variablenmenge), in der das Negationszeichen nur
vor Variablen vorkommt.
Schließlich eliminiert man in ϕn Vorkommen von ∧ von höherem Rang als
Vorkommen von ∨ mit Hilfe der Distributivgesetze
ψ ∧ (χ ∨ δ) äq (ψ ∧ χ) ∨ (ψ ∧ δ)
(ψ ∨ χ) ∧ δ äq (ψ ∧ δ) ∨ (χ ∧ δ)
und erhält so (eventuell nach Anwendung der Assoziativität von ∨ und ∧)
die gewünschte zu ϕ äquivalente Formel ϕDNF in disjunktiver Normalform.
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Kapitel 1.3: Normalformen
127 / 146
Normalformsatz - alternativer Beweis: Beispiel
Sei ϕ ≡ (A ∨ (B ∧ C )) → ¬(B ∧ ¬A)
Überführung von ϕ in ϕb :
ϕb ≡ ¬(A ∨ (B ∧ C )) ∨ ¬(B ∧ ¬A)
Überführung von ϕb in ϕn :
ϕb
äq
äq
(¬A ∧ ¬(B ∧ C )) ∨ (¬B ∨ ¬¬A)
(¬A ∧ (¬B ∨ ¬C )) ∨ (¬B ∨ A) ≡ ϕn
Überführung von ϕn in ϕDNF :
ϕn
äq
äq
((¬A ∧ ¬B) ∨ (¬A ∧ ¬C )) ∨ (¬B ∨ A)
(¬A ∧ ¬B) ∨ (¬A ∧ ¬C ) ∨ ¬B ∨ A ≡ ϕDNF
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Kapitel 1.3: Normalformen
(Distributivität)
(Assoziativität)
128 / 146
1.3.4 Dualitätsprinzip und Konjunktive Normalform
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Kapitel 1.3: Normalformen
129 / 146
Konjunktive Normalform
Die für die Disjunktive Normalform erzielten Ergebnisse lassen sich ähnlich
für die Konjunktive Normalform zeigen:
DARSTELLUNGSSATZ (KNF). Zu jeder n-stelligen Booleschen Funktion
f kann man effektiv eine Boolesche Formel ϕ in konjunktiver Normalform
angeben, sodass V (ϕ) = {A0 , . . . , An−1 } und ϕ die Funktion f darstellt
(d.h. fϕ = f gilt).
NORMALFORMSATZ (KNF). Zu jeder al. Formel ϕ kann man effektiv
eine äquivalente Formel ϕKNF in konjunktiver Normalform angeben,
sodass V (ϕ) = V (ϕKNF ) gilt.
Da der Normalformsatz (KNF) aus dem Darstellungssatz (KNF) wie der
Normalformsatz aus dem Darstellungssatz folgt, genügt es den Darstellungssatz
(KNF) zu beweisen.
Mathematische Logik (WS 2012/13)
Kapitel 1.3: Normalformen
130 / 146
Darstellungssatz (KNF): Beweisidee
Zu einer Booleschen Funktion f (x0 , . . . , xn−1 ) erhält man die darstellende Formel
ϕ in KNF wie folgt:
Für jede Eingabekombination �x = (x0 , . . . , xn−1 ) ∈ {0, 1}n definiere die
∨-Klausel
δ�x :≡ λd(0,x0 ) ∨ · · · ∨ λd(n−1,xn−1 )
wobei
λd(i,xi ) =
�
Ai
¬Ai
falls xi = 0
falls xi = 1.
NB. Für eine Belegung B von {A0 , . . . , An−1 } gilt also B(δ�x ) = 1 genau
dann, wenn �x �= (B(A0 ), . . . , B(An−1 )).
Setze
ϕ :≡
�
x
{�
x ∈{0,1}n :f (�
x )=0} δ�
Wir üblerlassen den Nachweis von f = fϕ als Übung. Man kann dies entweder
direkt (wie im Falle der DNF) zeigen oder das Dualitätsprinzip verwenden, das wir
(nach einem Beipiel) als nächstes betrachten.
Mathematische Logik (WS 2012/13)
Kapitel 1.3: Normalformen
131 / 146
Darstellungssatz (KNF): Beispiel
Die EXOR-Funktion ist durch folgende Wertetabelle bestimmt:
x0 x1 EXOR(x0 , x1 ) zugehörige ∨-Klausel δ(x0 ,x1 )
0 0
0
A0 ∨ A1
0 1
1
A0 ∨ ¬A1
1 0
1
¬A0 ∨ A1
1 1
0
¬A0 ∨ ¬A1
Sie wird also von der KNF-Formel
ϕEXOR ≡ (A0 ∨ A1 ) ∧ (¬A0 ∨ ¬A1 )
dargestellt.
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Kapitel 1.3: Normalformen
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Alternative Konstruktion der KNF: Dualitätsprinzip
Eine Formel ϕ kann man auch wie folgt in KNF überführen:
Überführe die Negation ¬ϕ von ϕ in Disjunktive Normalform: (¬ϕ)DNF
Vertausche in (¬ϕ)DNF die Junktoren ∨ und ∧ und ersetze jedes Literal
durch das duale Literal (d.h. A durch ¬A und ¬A durch A).
Die so erhaltene Formel ist in KNF und äquivalent zu ϕ
Die Korrektheit dieser Konstruktion ergibt sich aus dem allgemeineren
Dualitätsprinzip:
D(ϕ) entstehe aus ϕ durch Vertauschung von ∨ und ∧.
(D(ϕ) nennt man die zu ϕ duale Formel)
N(ϕ) entstehe aus ϕ, indem vor jede nichtnegierte Aussagenvariable das
Negationszeichen geschrieben wird und bei jeder negierten Aussagenvariable
das Negationszeichen gestrichen wird.
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Kapitel 1.3: Normalformen
133 / 146
Dualitätsprinzip: Dualitätssatz
DUALITÄTSSATZ.
(a) ¬ϕ äq D(N(ϕ))
(b) ϕ äq ψ ⇔ D(ϕ) äq D(ψ)
Den Dualitätssatz zeigt man durch Induktion nach dem Formelaufbau
unter Verwendung der DeMorganschen Gesetze und des Gesetzes der
doppelten Verneinung (sowie der Ersetzungsregel): Übung!
Wir demonstrieren die Beweisidee nur anhand eines Beispiels:
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Kapitel 1.3: Normalformen
134 / 146
Dualitätsprinzip: Beispiel
Für ϕ :≡ A0 ∨ ¬(A1 ∧ ¬A2 ) ist
N(ϕ) ≡ ¬A0 ∨ ¬(¬A1 ∧ A2 )
D(N(ϕ)) ≡ ¬A0 ∧ ¬(¬A1 ∨ A2 )
und es gilt
¬ϕ ≡
äq
äq
äq
≡
¬(A0 ∨ ¬(A1 ∧ ¬A2 ))
¬(A0 ∨ (¬A1 ∨ ¬¬A2 )) (DeMorgan)
¬(A0 ∨ (¬A1 ∨ A2 ))
(Doppelte Verneinung)
¬A0 ∧ ¬(¬A1 ∨ A2 )
(De Morgan)
D(N(ϕ))
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Kapitel 1.3: Normalformen
135 / 146
Eigenschaften der DNF und KNF
Für Formeln in DNF lässt sich die Erfüllbarkeit sehr leicht überprüfen, während
sich für Formeln in KNF die Allgemeingültigkeit sehr leicht überprüfen lässt.
Sei ϕ in DNF: ϕ ist genau dann erfüllbar, wenn es zumindest eine ∧-Klausel
von ϕ gibt, in der keine Variable sowohl unnegiert als auch negiert
vorkommt.
Sei ϕ in KNF: ϕ ist genau dann allgemeingültig, wenn in jeder ∨-Klausel von
ϕ zumindest eine Variable sowohl unnegiert als auch negiert vorkommt.
Die Frage, ob auch die dualen Aussagen gelten, also insbesondere, ob sich für eine
Formel ϕ in KNF “schnell” überprüfen lässt, ob diese erfüllbar ist, ist eines der
bedeutendsten offenen Probleme der Mathematik (eines der Millenniumsprobleme; s. nächster Abschnitt).
NB: Eine naheliegende Lösung, nämlich die KNF-Formel ϕ zunächst in eine äquivalente Formel ϕ� in DNF zu überführen und
dann obiges schnelles Verfahren zur Überprüfung der Erfüllbarkeit von Formeln in DNF anzuwenden, funktioniert nicht: Die
Überführung in DNF kann (durch Anwendung der Distributivgesetze) die Formel ϕ exponentiell aufblähen, sodass das Verfahren
insgesamt exponentiell gemessen in der Länge von ϕ (also sehr langsam) ist.
Mathematische Logik (WS 2012/13)
Kapitel 1.3: Normalformen
136 / 146
Kapitel 1.4
Exkurs: Entscheidbarkeit und Komplexität
Mathematische Logik (WS 2012/3)
K. 1.4: Entscheidbarkeit und Komplexität
137 / 146
Algorithmen
Ein Algorithmus oder eine Rechenvorschrift ist ein effektives Verfahren
zur Überprüfung von Eigenschaften von Daten
Ist x eine Primzahl?
oder zur Transformation von Daten
Bestimme den größten gemeinsamen Teiler von x und y ! oder
Berechne die Summe von x und y !
oder zur Generierung (möglicherweise unendlicher) Datenmengen
Zähle alle Primzahlen auf!
NB: Der Algorithmenbegriff ist kein formaler mathematischer Begriff. Am
Ende der Vorlesung werden wir eine mögliche Formalisierung betrachten.
Mathematische Logik (WS 2012/3)
K. 1.4: Entscheidbarkeit und Komplexität
138 / 146
Daten und Wörter
Hierbei sind Daten endliche Darstellungen mathematischer Objekte.
Bei natürlichen Zahlen werden also nicht die Zahlen selbst sondern
deren Unär-, oder Binär- oder Dezimaldarstellung verwendet.
Meist werden Daten als Wörter über einem gegebenen endlichen
Alphabet A (d.h. als endliche Folgen von Symbolen (Buchstaben) aus
A) gewählt. Die Menge aller Wörter über A wird mit A∗ bezeichnet.
Das Alphabet der Sprache der Aussagenlogik ist
A = {¬, ∨, ∧, →, ↔, (, ), A, 1}
wobei die Aussagenvariable Ai durch A1i beschrieben wird.
Aussagenlogische Formeln sind dann spezielle Wörter über diesem
Alphabet.
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K. 1.4: Entscheidbarkeit und Komplexität
139 / 146
Berechenbarkeit, Entscheidbarkeit und Aufzählbarkeit
Eine Berechnungsverfahren für eine (1-st.) Funktion f : A∗ → A∗ ist ein
Algorithmus B, der bei Eingabe eine Wortes w ∈ A∗ den Wert f (w )
berechnet und ausgibt.
f : A∗ → A∗ heißt berechenbar, wenn es ein Berechnungsverfahren für f gibt.
Ein Entscheidungsverfahren für eine (1-dim.) Menge M ⊆ A∗ ist ein
Algorithmus E, der bei Eingabe eine Wortes w ∈ A∗ feststellt, ob w in M
liegt (und entsprechend JA oder NEIN ausgibt).
M ⊆ A∗ heißt entscheidbar, wenn es ein Entscheidungsverfahren für M gibt.
Ein Aufzählungsverfahren für eine (1-dim.) Menge M ⊆ A∗ ist ein
Algorithmus A, der (ohne Eingabe) die Wörter w aus M (in beliebiger
Reihenfolge) ausgibt.
M ⊆ A∗ heißt aufzählbar, wenn es ein Aufzählungsverfahren für M gibt.
(Entsprechend für mehrstellige Funktionen bzw. mehrdimensionale Mengen)
Mathematische Logik (WS 2012/3)
K. 1.4: Entscheidbarkeit und Komplexität
140 / 146
Berechenbarkeit, Entscheidbarkeit und Aufzählbarkeit:
Beziehungen
Eine Funktion f : A∗ → A∗ ist genau dann berechenbar, wenn deren Graph
Graph(f ) = {(w , v ) : f (w ) = v }
entscheidbar (oder: aufzählbar) ist.
Eine Menge M ⊆ A∗ ist genau dann entscheidbar, wenn deren
charakteristische Funktion
�
1 falls w ∈ M
cM (w ) =
0 sonst
berechenbar ist.
Eine Menge M ⊆ A∗ ist genau dann entscheidbar, wenn die Menge M und
deren Komplement M = A∗ \ M aufzählbar sind. Insbesondere ist also jede
entscheidbare Menge aufzählbar.
(Wie man in der Berechenbarkeitstheorie zeigt, gibt es aber aufzählbare
Mengen, die nicht entscheidbar sind. Wir werden hierauf im letzten Teil der
Vorlesung zurückkommen.)
Mathematische Logik (WS 2012/3)
K. 1.4: Entscheidbarkeit und Komplexität
141 / 146
Entscheidbarkeit und Berechenbarkeit in der Aussagenlogik
Für ein Wort w über dem Alphabet
A = {¬, ∨, ∧, →, ↔, (, ), A, 1}
der Sprache der Aussagenlogik ist entscheidbar, ob dieses eine al. Formel ist.
D.h. die Menge FAL ⊆ A∗ ist entscheidbar.
Da man für eine Belegung B der in einer Formel ϕ vorkommenden Variablen
den Wahrheitswert B(ϕ) berechnen kann und da man die endlich vielen
Belegungen von V (ϕ) effektiv angeben kann, sind folgende Mengen
entscheidbar:
�
�
�
die Menge der erfüllbaren Formeln: {ϕ ∈ FAL : erf[ϕ]}
die Menge der allgemeingültigen Formeln: {ϕ ∈ FAL : ag[ϕ]}
die Menge der kontradiktorischen Formeln: {ϕ ∈ FAL : kd[ϕ]}
Mathematische Logik (WS 2012/3)
K. 1.4: Entscheidbarkeit und Komplexität
142 / 146
Entscheidbarkeit und Berechenbarkeit in der Aussagenlogik
(Forts.)
Entsprechend kann man für Formeln ϕ und ψ entscheiden, ob diese
äquivalent sind. D.h. die (2-dim.) Menge {(ϕ, ψ) : ϕ äq ψ} ist entscheidbar.
Aus den Normalformsätzen (für DNF und KNF) folgt, dass es berechenbare
Funktionen fDNF und fKNF gibt, die jeder Formel ϕ eine äquivalente Formel
in DNF bzw. KNF zuordnen.
Zusammenfassend kann man feststellen, dass die grundlegenden syntaktischen
und semantischen Begriffe der Aussagenlogik entscheidbar sind.
Mathematische Logik (WS 2012/3)
K. 1.4: Entscheidbarkeit und Komplexität
143 / 146
Komplexität
Die Ausführung eines Algorithmus A erfolgt in Schritten, wobei in jedem
Schritt eine elementare Operation ausgeführt wird.
Bemerkung: Um dies zu präzisieren, muss man den Algorithmenbegriff
formalisieren (was wir aber erst im letzten Teil der Vorlesung tun werden).
Die Anzahl der von A bei einer Eingabe w durchgeführten Schritte
bezeichnet man auch als die Rechenzeit timeA (w ) von A bei Eingabe w .
Man sagt, dass der Algorithmus A f (n)-zeitbeschränkt ist (für eine Funktion
f : N → N), falls für jede Eingabe w der Länge n die Rechenzeit von A
linear in f (n) beschränkt ist, d.h. timeA (w ) ∈ O(f (|w |)) gilt.
Ein Problem (d.h. eine Menge) M ⊆ A∗ ist in Zeit f (n) lösbar, wenn es ein
f (n)-zeitbeschränktes Entscheidungsverfahren für M gibt.
Insbesondere heißt M in Linearzeit (Quadratzeit, Polynomialzeit) lösbar,
wenn M in Zeit f (n) = n (f (n) = n2 , f (n) = p(n) für irgendein Polynom p)
lösbar ist.
Die Komplexität von Berechnungsverfahren und (berechenbaren) Funktionen ist
entsprechend definiert.
Mathematische Logik (WS 2012/3)
K. 1.4: Entscheidbarkeit und Komplexität
144 / 146
Komplexität in der Aussagenlogik: Beispiele
Die Frage, ob ein Wort über dem Alphabet A der AL eine Formel ist, lässt
sich in Quadratzeit entscheiden.
Ebenso lässt sich für eine al. Formel ϕ und eine gegebene Belegung B der
Variablenmenge V (ϕ) in Quadratzeit entscheiden, ob B die Formel ϕ
wahrmacht.
Da die Anzahl der Belegungen von V (ϕ) exponentiell in |V (ϕ)| und daher
i.a. exponentiell in der Länge von ϕ ist, erfordern die naiven Verfahren zur
Überprüfung der Erfüllbarkeit bzw. Allgemeingültigkeit von ϕ jedoch
Exponentialzeit.
Die in Kapitel 1.3 eingeführten schnellen Verfahren zeigen aber, dass
�
�
das Erfüllbarkeitsproblem für Formeln in DNF in Quadratzeit und
das Allgemeingültigkeitsproblem für Formeln in KNF ebenfalls in
Quadratzeit
lösbar sind.
Mathematische Logik (WS 2012/3)
K. 1.4: Entscheidbarkeit und Komplexität
145 / 146
Komplexität in der Aussagenlogik: ein offenes Problem
Die Frage, ob das Erfüllbarkeitsproblem für Formeln in KNF (oder äquivalent hierzu - das Allgemeingültigkeitsproblem für Formeln in DNF)
ebenfalls in Polynomialzeit lösbar ist, gehört zu den interessantesten offenen
Problemen der Mathematik.
Diese Frage ist äquivalent zu dem sog. P-NP-Problem, das viele als das
bedeutendste offene Problem der Theoretischen Informatik ansehen und das
zu den Milleniumsproblemen der Mathematik gehört:
http://www.claymath.org/millennium/
Erwartet wird eine negative Lösung, die zugleich zeigen würde, dass
hunderte interessanter Optimisierungprobleme keine schnellen (allgemeinen)
Lösungen besitzen. Auch basiert die Sicherheit gängiger Verschlüsselungsverfahren auf dieser Annahme.
Eine unerwartete positive Lösung könnte daher auch für die Praxis von
enormer Bedeutung sein.
LITERATUR: Garey, Michael R.; Johnson, David S. Computers and intractability.
A guide to the theory of NP-completeness. W. H. Freeman and Co., 1979.
Mathematische Logik (WS 2012/3)
K. 1.4: Entscheidbarkeit und Komplexität
146 / 146
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