Definition nach ICD-10 • Eine Gruppe von Störungen die charakterisiert sind durch: – frühen Beginn (vor dem 6. LJ) – die Kombination von überaktivem, wenig modulierten Verhalten mit deutlicher Unaufmerksamkeit und Mangel an Ausdauer bei Aufgabenstellungen – Unabhängigkeit dieser Verhaltenscharakteriska von spezifischen Situationen sowie Beständigkeit über längere Zeit Aufmerksamkeits- und Aktivitätsstörungen Hyperkinetische Störungen Wesentliche Erkenntnisse bezüglich Erscheinungsbild, Behandlung und Ursachen Michele Noterdaeme Heckscher-Klinikum München Juni 2008 Noterdaeme, Hyperkinetischen Störungen Juni 2008 Aufmerksamkeitsprobleme Die beeinträchtige Aufmerksamkeit zeigt sich darin, dass Aufgaben vorzeitig abgebrochen werden. Die Kinder wechseln häufig von einer Aktivität zur anderen, wobei sie anscheinend das Interesse an einer Aufgabe verlieren, weil sie zu einer anderen hingelenkt werden. Diese Aspekte mangelnder Aufmerksamkeit und Ausdauer sollten nur dann diagnostiziert werden, wenn sie im Verhältnis zum Alter und Intelligenzniveau des Kindes sehr stark ausgeprägt sind. Noterdaeme, Hyperkinetischen Störungen Juni 2008 Einnässen Einkoten Stottern Ängstlichkeit Depressivität Motorische Unruhe Impulsivität Aufmerksamkeitsstörung Teilleistungsstörungen Sprache Lesen Rechtschreiben Motorik Auffälligkeiten im Sozialverhalten Aggressivität Konflikte mit dem Gesetz Sozialer Rückzug Überaktivität Überaktivität bedeutet exzessive Ruhelosigkeit, besonders in Situationen, die relative Ruhe verlangen. Situationsabhängig kann sie sich im Herumlaufen oder Herumspringen äußern, im Aufstehen, wenn dazu aufgefordert wurde, sitzen zu bleiben; in ausgeprägter Redseligkeit und Lärmen; oder im Wackeln und Zappeln, bei Ruhe. Dies soll im Verhältnis zu dem stehen, was in gleichen Situationen von gleichaltrigen Kindern mit gleichen Intelligenz zu erwarten wäre. Noterdaeme, Hyperkinetischen Störungen Juni 2008 Unaufmerksamkeit • arbeitet ungenau, macht Leichtsinnsfehler. • hat Schwierigkeiten, Aufträge vollständig auszuführen. • hat Schwierigkeiten, länger aufmerksam zu sein. • verliert häufig Gegenstände. • scheint häufig nicht zuzuhören. • wird leicht durch externe Reize abgelenkt. • wechselt von einer Aktivität zu einer anderen. • hat Schwierigkeiten, Aktivitäten zu planen. • vergisst häufig Sachen im Alltag. Noterdaeme, Hyperkinetischen Störungen Juni 2008 Impulsivität • Unterbricht oft andere oder drängt sich diesen auf. • Kann bei Spiel- oder Gruppensituationen nur schwer warten, bis er an der Reihe ist. Überaktivität • • • • • • zappelt häufig mit den Händen oder Füßen. kann nur schwer sitzen bleiben. kann nur schwer ruhig spielen. redet häufig übermäßig viel. unternimmt oft gefährliche Aktivitäten. ist immer in Bewegung. • Platzt oft mit der Antwort heraus, bevor die Frage vollständig gestellt wurde. Noterdaeme, Hyperkinetischen Störungen Juni 2008 Noterdaeme, Hyperkinetischen Störungen Juni 2008 Schulalter • Kernsymptome im Vordergrund • Beeinträchtigung des Lernens, graphomotorische Probleme • Nichterkennen von gewünschten Verhalten Außenseiterposition • Ausbleiben des schulischen Erfolgs, Enttäuschung der Eltern, Schuldgefühle • Isolation der Familie Adoleszenz • Zurückgehen der motorischen Symptome • Amdefizite, Impulsivität • Schlechte Schulleistungen • Aggressivität • Emotionale Unreife • Belastete soziale Beziehungen • Auseinandersetzungen mit anderen Menschen • Konflikte mit dem Gesetz, Alkohol/Drogenkonsum Noterdaeme, Hyperkinetischen Störungen Juni 2008 Diagnosekriterien • Eltern und Lehrer klagen über mangelnde Aufmerksamkeit, motorische Unruhe, Impulsivität und fehlende Verhaltenssteuerung • In standardisierten Skalen zur Verhaltensbeurteilung weicht das Kind bedeutsam von altersgleichen Kindern ab. • Das syndromspezifische Verhalten liegt gemäß Elternbericht bereits vor dem 6. LJ. vor • Die Dauer der Symptomatik beträgt mindestens 1 Jahr Noterdaeme, Hyperkinetischen Störungen Juni 2008 Kleinkindalter • Sehr hohes Aktivitätsniveau • Ungünstige Temperamentsmerkmale – Schlafprobleme – Essprobleme – Gereizte Stimmung • Negative Eltern-KindInteraktion Vorschulalter • Ausgeprägte motorische Unruhe • Unfallgefährdet,Vergiftungen, Verletzungen • Wutausbrüche, oppositionelles Verhalten • Geringe Spielintensität und -ausdauer • Wenig Schlaf • Negative Eltern-KindInteraktion Noterdaeme, Hyperkinetischen Störungen Juni 2008 HKS - Erwachsenenalter 70 – 75 % haben Probleme • Persistenz hyperkinetischer Symptome (30-60%) • Geringe Schulbildung • Delinquenz und dissoziale Persönlichkeit (30%) • Medikamenten- und Alkoholmissbrauch • Angststörung, Dysthymien • Geringes Selbstbewusstsein Noterdaeme, Hyperkinetischen Störungen Juni 2008 Diagnostik Diagnosekriterien • Anamnese frühkindliche Hirnschädigung, familiäre Häufung • Die Symptome sind situationsabhängig (pervasiv) • Körperliche U. Neurologische Untersuchung, EEG, Sinnesbeeinträchtigungen, Bildgebung • Die Intelligenz ist > 70 • Psychopathologie Emotionale und soziale Beeinträchtigung, Aufmerksamkeitsstörungen • Testpsychologie Intelligenz spezielle Diagnostik im Bereich Lesen, Schreiben, Rechnen, Sprache • Psychosoziale Bedingungen Noterdaeme, Hyperkinetischen Störungen Juni 2008 • Die Symptome verursachen deutliches Leiden oder Beeinträchtigung der sozialen, schulischen oder beruflichen Funktionen • Die Störung erfüllt nicht die Kriterien einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung, einer manischen Episode, einer depressiven Episode oder einer Angststörung Noterdaeme, Hyperkinetischen Störungen Juni 2008 Klassifikation ICD-10 (HKS) • Einfache Aktivität- und Aufmerksamkeitsstörung • Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität Noterdaeme, Hyperkinetischen Störungen Juni 2008 DSM-IV(ADHD) • Attention Deficit / Hyperactivity – ADHD-A (ADS) – ADHD-HI – ADHD-CB Differentialdiagnostik • • • • • • • Altersangemessenes Aktivitätsniveau Gilles-de-la-Tourette Syndrom Teilleistungsschwächen Epileptisches Psychosyndrom Schulische Überforderung Dermatologische Erkrankungen Erschöpfungszustände im Rahmen somatischer Erkrankungen Schilddrüsenhyperfunktion • Depression • Psychosen Noterdaeme, Hyperkinetischen Störungen Juni 2008 Ursachen • Genetische Disposition – Familiäre Häufung, Zwillingsuntersuchungen, Molekulargenetische Untersuchungen • Neurotransmittorstörungen (Noradrenalin, Dopamin) • Neurophysiologische Funktionsstörungen • Neuropsychologische Funktionsstörungen • Neuroanatomische Veränderungen • Toxine (z.B. Alkohol) • Interaktionen mit psychosozialen Faktoren Noterdaeme, Hyperkinetischen Störungen Juni 2008 Noterdaeme, Hyperkinetischen Störungen Juni 2008 Studie Land Alter Prävalenz Anderson et al. 1987 New Zealand 11 6,7% Offord et al. 1987 Ontaria, CA 4-16 4.3% Bird et al. 1988 USA 4-16 9.5% Taylor et al. 1991 UK 6-8 5.0% Leung et al. 1996 Hong Kong 7 9.0% Costello et al. 1996 USA 9-13 1.9% Verhulst et al. 1997 Netherlands 13-18 2.6% Steinhausen et al. 1998 CH 6-17 5.2 Steinhausen et al. 1999 CH 15-19 2.6% Noterdaeme, Hyperkinetischen Störungen Juni 2008 Protektive Faktoren • Weibliches Geschlecht • Hohe Aktivität und Responsivität • Autonomie und soziale Orientierung • Angemessenes Problemlöseverhalten • Gute Kommunikation • Sprachliche Gewandtheit • Soziale Attraktivität Epidemiologie • Enge Freundschaften mit Gleichaltrigen • Eigenständige Interessen • Kreativität • Heitere Grundstimmung • Geregelte Lebenssituation der Eltern • Überwachender Zuwendungsstil der Eltern Entstehungsmodell Mangelnde Steuerung durch die Umgebung Neurobiologische Faktoren Störungen in der kognitiven Entwicklung /Steuerung Spezielle Anforderungen an Ausdauer, Aufmerksamkeit und Konzentration Noterdaeme, Hyperkinetischen Störungen Juni 2008 HKS Einnässen Einkoten Stottern Ängstlichkeit Depressivität Motorische Unruhe Impulsivität Aufmerksamkeitsstörung Teilleistungsstörungen Sprache Lesen Rechtschreiben Motorik Auffälligkeiten im Sozialverhalten Aggressivität Konflikte mit dem Gesetz Sozialer Rückzug Dispositionelle Benachteiligung • • • • • Höhere Empfindlichkeit des ZNS Höhere motorische Aktivität Langsamere Entwicklung Mehr sprachliche Schwächen Höherer Anteil leichter Intelligenzminderung • Häufiger umschriebene Entwicklungsstörungen Noterdaeme, Hyperkinetischen Störungen Juni 2008 Depressive Episode • depressive Stimmung • Verlust von Interesse oder Freude • verminderter Antrieb oder erhöhte Ermüdbarkeit • Verlust von Selbstvertrauen oder Selbstwertgefühl • unbegründete Selbstvorwürfe Symptome Aggressivität • • • • • • • • • Noterdaeme, Hyperkinetischen Störungen Juni 2008 Schwere Wutausbrüche Leicht reizbar Streit mit Erwachsenen Ärgert häufig andere Schiebt eigenes Fehlverhalten auf andere Lässt sich leicht von anderen ärgern Widersetzt sich aktiv Anweisungen Ist häufig zornig Zerstört Eigentum Noterdaeme, Hyperkinetischen Störungen Juni 2008 • Ist häufig boshaft • Beginnt mit Geschwistern Streit • Beginnt mit anderen Kindern Streit • Schikaniert andere • Quält Tiere • Lügt ,stiehlt oder legt Feuer • Schwänzt die Schule • Streunt abends rum • Benutzt Waffen • Ist grausam, sexuell übergriffig Folgen Komorbidität Ausbildung des Selbstbildes Kommunikation Missverständnisse Kontaktabbruch Verhaltensauffälligkeiten Aggressionen Verunsicherung Versagensängste Kognitive Entwicklung Schulische Leistung Defizite im Weltwissen Soziale Entwicklung Isolierung, Kontaktprobleme, fehlende Integration in KIGA, Schule, Beruf. Nichtverstehen von Erklärungen Formulierungsprobleme Probleme mit Textaufgaben Probleme in Sachfächern Inadäquate Schulform Noterdaeme, Hyperkinetischen Störungen Juni 2008 • • • • ADHD-AT ADHD-HI ADHD-CT ADHD-TOT akademisch 40 % 80 % 92 % 65 % 74 % 22 % 72 % 63 % Noterdaeme, Hyperkinetischen Störungen Juni 2008 Verhaltenstherapeutische Maßnahmen medikamentöse Behandlung Methylphenidat Atomoxetin Selbstinstruktion Verstärkerprogramme Elterntraining Beratung des Kindes Elternberatung Beratung von Kindergarten bzw. Schule Übungsbehandlung bei zusätzlichen Teilleistungsstörungen psychisch Heilpädagogische Maßnahmen Aufbau von Alltagsfertigkeiten (Hausaufgaben) und Soziale Kompetenz Prognose • unauffällig • Aufmerksamkeitsprobleme, motorische Unruhe, Impulsivität • Störung des Sozialverhaltens 15 – 30 % • Substanzmissbrauch 10 - 15 % 40 % 30 % • Schlechte Schulbildung, Berufsaussichten • Weitere psychiatrische Erkrankungen Depression, Asperger, Persönlichkeitsstörung Noterdaeme, Hyperkinetischen Störungen Juni 2008 Medikation • Motorische Unruhe, Impulsivität, Aggressivität • Schulrelevante Fähigkeiten wie Konzentration und Ablenkbarkeit • Positive Wirkung auf Graphomotorik • Verbesserung der Mutter-Kind-Interaktion • Verbesserung der Erzieher-Kind-Interaktion • Nebenwirkungen Appetitlosigkeit, Schlafstörungen, Tics, Dysphorie, Irritierbarkeit, Müdigkeit Schwindel, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Übelkeit Noterdaeme, Hyperkinetischen Störungen Juni 2008 Medikation Zusammenfassung • Knapp ein Drittel der Kinder mit HKS erhielten Psychopharmaka (25% MPH) • Kaum Verordnungen an Kinder unter 6 Jahren • Im Durchschnitt liegen 2 Quartale zwischen Diagnosestellung und MPH-Verordnung • Hoher Anteil diskontinuierlicher/niedrig dosierter Therapien • Indikationsstellung? Kontrolle Therapieerfolg? Noterdaeme, Hyperkinetischen Störungen Juni 2008 Grundprinzipien in der Therapie • Frühe Behandlung, strukturierend, verhaltenstherapeutisch orientiert • Klare Behandlungsziele, Prioritäten, schneller Erfolg • Regelmäßige Behandlung, Gestaltung und Dauer der Arbeitseinheiten • Berücksichtigung der zusätzlichen TLS • Einzelbehandlung vor Gruppenbehandlung • Erfolg = „Null-Fehler-Grenze“, leichte Erreichbarkeit) • Verstärkung, Führung und Selbstbestimmung Noterdaeme, Hyperkinetischen Störungen Juni 2008 Verordnungsmenge 1. Behandlungsjahr • Von allen HKS-Kinder mit MPH erhielten im ersten Behandlungsjahr – 15,5% eine Einmalverordnung – 52% Verordnungen über einen Zeitraum von mehr als 280 Tagen: • 10% weniger als 10mg MPH/Tag • 35% mit 10-15 mg MPH/Tag • 8% mit 30 mg MPH/Tag Noterdaeme, Hyperkinetischen Störungen Juni 2008 Verordnende Ärzte • • • • • • Kinderärzte K/J Psychiater Polilkinik KJP Neurologe Allgemeinarzt Internist Noterdaeme, Hyperkinetischen Störungen Juni 2008 49% 26% 11% 9% 4% 1%