KLINIK UND POLIKLINIK FÜR INNERE MEDIZIN I Hereditäre Hämochromatose Gebiet: Allgemeine Innere Medizin Ausrichtung: diagnostisch + therapeutisch Version: Gültig ab: Revision: Verfasser: Geprüft: Genehmigt: 1.0 (5 Seiten) 01.10.2009 01.10.2011 NSCH GK JS Hintergrund Der Eisenstoffwechsel wird durch das „Eisenhormon“ Hepcidin gesteuert, welches in der Leber synthetisiert wird. Hepcidin drosselt über eine Interaktion mit dem Eisenexportprotein Ferroportin die Eisenfreisetzung aus Darmzellen und Makrophagen. Mittlerweile kennt man mehrere Regulationsproteine, die einen Einfluß auf die Hepcidinsynthese und damit den Eisenstoffwechsel haben. Mutationen dieser Regulationsproteine oder des Funktionsproteins Ferroportin sind das pathogenetische Korrelat der hereditären Hämochromatose. Aufgrund einer unkontrollierten Freisetzung von Eisen ins Blut kommt es zu einer Eisenüberladung im Parenchym verschiedener Organe (Leber, Pankreas, Herz, Gelenke, endokrine Organe). Aufgrund der daraus resultierenden Organschäden kommt es schließlich zur Manifestation der hereditären Hämochromatose. Die klassische Trias des „Bronzediabetes“ mit Leberzirrhose, Diabetes mellitus und Braunfärbung der Haut stellt ein Extrem der möglichen phänotypischen Ausprägung der hereditären Hämochromatose dar. Die Braunfärbung der Haut entsteht dabei nicht durch Eisenablagerungen in der Haut selbst, sondern durch einen sekundär erhöhten Melaningehalt. In der weißen Bevölkerung keltischen Ursprung ist die am häufigsten vorkommende Mutation im Zusammenhang mit der hereditären Hämochromatose eine Mutation des HFE-Gens. Beim HFEProtein handelt es sich um ein MHC-Klasse-1-ähnliches Glykoprotein, welches als Heterodimer mit β2Mikroglobulin an den Transferrinrezeptor bindet und damit dessen Affinität zu Transferrin herabsetzt. Damit wird der Zelle ein Mangel an Eisen signalisiert und entsprechend weniger Hepcidin freigesetzt, was wiederum zu einer übermäßigen Ausschüttung von Eisen aus Leber und Makrophagen führt. Die häufigste Mutation des HFE-Gens ist die Cys282Tyr-Mutation, welche sich bei 85-95% der Hämochromatosepatienten keltischer Abstammung in homozygoter Ausprägung findet. Eine seltenere Mutation stellt die His63Asp-Mutation dar. Liegen gleichzeitig eine Cys282Tyr- und eine His63AspMutation vor, so spricht man von einer „Compound-Heterozygotie“. Die hereditäre Hämochromatose wird heute anhand des zugrundeliegenden Funktionsproteins in verschiedene Typen eingeteilt. Beim Typ 1 liegt eine Mutation des HFE-Gens zugrunde, beim Typ 2, der juvenilen Hämochromatose, unterscheidet man einen Typ 2 a mit zugrundeliegender Mutation des Hämojuvelins und einen Typ 2 b mit verändertem Hepcidin, der Typ 3 ist durch eine Mutation des Transferrinrezeptors 2 gekennzeichnet und der Typ 4 zeichnet sich durch eine Mutation des Ferroportingens aus. Abgesehen von der Mutation des Ferroportins, welches eine autosomal-dominante Ausprägung zeigt, liegen bei den weiteren bisher bekannten hereditären Hämochromatose-Genen autosomal-rezessive Vererbungsmodi vor. Die Penetranz der Mutationen hängt neben dem betroffenen Funktionsprotein weiterhin von verschiedenen Umweltfaktoren ab (z.B. Alkoholkonsum, Infektionskrankheiten). Aufgrund des regelmäßigen Eisenverlustes im Rahmen der Regelblutung treten Organmanifestationen bei weiblichen Individuen im Vergleich zu männlichen erst später auf. Wann sollte man an eine Hämochromatose denken An eine Hämochromatose sollte man denken bei • Jeder chronischen Lebererkrankung unklarer Ätiologie • Jedem neu aufgetretenen Diabetes mellitus • Jeder Erhöhung von Eisen, Transferrinsättigung und Ferritin im Serum • Jeder unklaren Kardiomyopathie • Jeder unklaren Rhythmusstörung • Jeder unklaren Gelenkerkrankung • Jeder unklaren Minderung von Potenz und Libido • Verwandten ersten Grades eines Patienten mit hereditärer Hämochromatose. Diagnostik bei Verdacht auf eine Hämochromatose Besteht der Verdacht auf das Vorliegen einer Hämochromatose sollte zunächst eine Bestimmung des Ferritins und der Transferrinsättigung im Serum erfolgen. Aufgrund von Schwankungen aufgrund der Nahrungsaufnahme soll die Blutentnahme morgens beim nüchternen Patienten erfolgen. Bei Serumferritinwerten > 250 ng/ml und bei einer Transferrinsättigung von > 50 % schließt sich ein Gentest des HFE-Gens an. Bei Vorliegen einer homozygoten Cys282Tyr-Mutation oder einer Compound-Mutation kann die Diagnose einer hereditären Hämochromatose ohne weitere Diagnostik gestellt werden. Bei Heterozygotie der Cys282Tyr- oder His63Asp-Mutation oder negativem Gentest und weiterhin bestehendem Verdacht auf eine Hämochromatose sollte sich eine Leberpunktion mit quantitativer Bestimmung des Leber-Eisengehaltes und des Leber-Eisen-Index anschließen. Neben der Sicherung der Eisenüberladung liefert die Leberpunktion weiterhin eine Aussage über das Ausmaß der bereits stattgefundenen Leberschädigung. Daher kann auch bei genetisch gesicherter Hämochromatose mit erhöhten Transaminasen und einem Ferritinwert > 1000 µg/l eine Leberpunktion zur Abschätzung der Leberschädigung erwogen werden. Beim Leber-Eisen-Index wird das Trockengewicht durch das Alter des Patienten geteilt. Als pathologisch gilt ein Leber-Eisen-Index > 1,9 µmol/g/Jahr. Zu einer übermäßigen Speicherung von Eisen kann es im Rahmen verschiedener Erkrankungen kommen. Je nach zugrundeliegender Erkrankung sammelt sich das Eisen dabei mehr in den Parechymzellen (parenchymatöse Eisenverteilung) oder in den Makrophagen und Endothelzellen entlang der Sinusoide (mesenchymale Eisenverteilung) an. Typisch für die hereditäre Hämochromatose ist eine parechymatöse Eisenverteilung. Liegt bei auffälligem Eisenstatus und entsprechender Eisenverteilung in der Leber ein erhöhter Leber-Eisen-Index vor, kann auch bei unauffälliger HFE-Gendiagnostik die Diagnose einer hereditären Hämochromatose gestellt werden. Eine genetische Untersuchung der oben beschriebenen weiteren Regulations- und Funktionsproteine ist zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht etabliert. Hat man eine Hämochromatose diagnostiziert, sollte man die weiteren Organsysteme auf Schäden (Echokardiographie, EKG, oraler Glukosetoleranztest) sowie die Angehörigen ersten Grades auf das Vorliegen einer Hämochromatose untersuchen. Therapie der Hämochromatose Das Ziel der Therapie der Hämochromatose ist eine Entfernung von überschüssigem Eisen aus dem Körper. Der einfachste Weg dies zu erreichen, ist der Aderlaß. Pro 500 ml entnommenem Blut verlassen dabei 250 mg Eisen den Körper. In den ersten 12 bis 24 Monaten der Aderlaßtherapie werden wöchentliche Aderlässe von jeweils 500 ml Blut durchgeführt. Die Verlaufskontrolle erfolgt dabei mittels Ferritin und dem Hb-Wert. Angestrebt werden ein Ziel-Ferritin-Wert von 50 µg/ml bei einem Hb-Wert über 12 g/dl. Da der hereditären Hämochromatose ein Gendefekt zugrunde liegt, darf die Aderlaßtherapie nie ganz beendet werden. Nach der Initialtherapie sind in der Regel vier bis acht Aderlässe pro Jahr aussreichend. Der Therapieerfolg sollte zweimal pro Jahr durch eine SerumferritinBestimmung überprüft werden. Sollte der Patient eine Aderlaßtherapie ablehnen, stehen mittlerweile neben dem nur parenteral einsetzbaren Deferoxamin verschiedene oral verabreichbare Eisenchelatoren zur Verfügung (Deferipron = Ferriprox®; Deferasirox = Exjade®). Eine Einflußnahme auf den Köpereisengehalt über die Nahrungsaufnahme ist nicht erfolgversprechend, da die intestinale Eisenresorption nur für einen kleinen Anteil des Serumeisens verantwortlich ist. Der Hauptanteil stammt aus dem Erythrozytenrecycling der Makrophagen. Eine Eisenreduktion der Nahrung belastet den Patienten unnötig ohne eine entsprechende Reduktion des Serumeisens erreichen zu können. Die durchschnittliche tägliche Eisenaufnahme liegt bei ca. 15-35 mg von denen in der Regel 10 % bis max. 40 % resorbiert werden. Bei Vorliegen einer Leberzirrhose sollte bei deutlich erhöhter Gefahr des Auftretens eines hepatozellulären Karzinoms (HCC) eine halbjährliche sonographische Kontrolle in Kombination mit der Bestimmung des Tumormarkers α-Fetoprotein (AFP) erfolgen. V.a. Hämochromatose Serumferritin > 300 µg/l bei Männern Serumferritin > 200 µg/l bei Frauen Transferrinsättigung > 60% HFE-Gendiagnostik Cys282Tyr/Cys282Tyr homozygot Cys282Tyr/His63Asp heterozygot Cys282Tyr/Wildtyp heterozygot His63Asp/His63Asp homozygot His63Asp/Wildtyp heterozygot Andere oder keine HFE-Mutation Serumferritin > 1000 µg/l ggf. Leberpunktion/ Leber-Eisen-Index ggf. Leberbiopsie (zur Erfassung des Schädigungsausmaßes) Leber-Eisen-Index > 1,9 Typische Eisenverteilung Diagnose: Hämochromatose Aderlaß-Therapie Initial wöchentlich 500 ml für 12 bis 24 Monate Anschließend vier bis acht mal pro Jahr Ziel-Ferritin 50 ng/ml, Hb > 12 g/dl Leber-Eisen-Index < 1,9 Atypische Eisenverteilung Suche nach anderen Ursachen © Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I des Universitätsklinikums Regensburg, 01.10.2009 Verfasser E-mail: [email protected] Hausfunk: 1517 Literatur Nationale Leitlinien: keine Internationale Leitlinien: keine Aktuelle Übersichtsartikel: A. Pietrangelo, Hereditary Hemochromatosis, Biochimica et Biophysica Acat 1763 (2006) 700 – 710 D.W.Swinkels et al., Hereditary Hemochromatosis: Genetic complexity and nex diagnostic approaches, Clinical Chemistry 52 (2006), 950 – 968 K.P. Batts, Iron overload syndromes and the liver, Modern Pathology 20 (2007), S31 – S39 Empfehlungen ohne Gewähr, Verantwortung liegt bei behandelnder Ärztin/Arzt!