Ratgeber für Patienten HÄMOCHROMATOSE Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung der Krankheiten von Magen, Darm und Leber sowie von Störungen des Stoffwechsels und der Ernährung e.V. Die Hämochromatose ist eine genetisch bedingte Eisenspeichererkrankung. Etwa 5 bis 10 % der Bevölkerung sind Überträger des Gendefekts, während die Erkrankung mit einer Häufigkeit von 1:400 bis 1:200 auftritt. Damit zählt die Hämochromatose zu den häufigsten Erbkrankheiten. Die Eisenüberladung des Organismus führt zur langsam fortschreitenden Schädigung von Leber, Herz, Bauchspeicheldrüse, Hirnanhangsdrüse und Gelenken. Wie entsteht eine Erbkrankheit? Der Mensch besitzt insgesamt etwa 100.000 verschiedene Gene (Erbanlagen), von denen jedes die Information für ein bestimmtes Protein (einen Eiweißstoff) trägt. Die Gesamtheit der Gene ist verteilt auf zweimal 23 Chromosomen, wobei 23 Chromosomen von der Mutter und 23 Chromosomen vom Vater stammen. Jedes Gen, mit Ausnahme der Gene auf den Geschlechtschromosomen, ist aufgrund dieses doppelt vorhandenen Chromosomensatzes in zweifacher Ausfertigung vorhanden. Erbkrankheiten wie die Hämochromatose beruhen auf einem Defekt in einem oder mehreren Genen. Diese Gendefekte führen zu veränderten Proteinen, die ihre natürliche Funktion verlieren und damit die Erbkrankheit verursachen. In der Medizin werden vor allem zwei Formen von Erbkrankheiten unterschieden. Hierbei handelt es sich um autosomal (geschlechtsunabhängig) rezessiv und dominant vererbte Krankheiten. Rezessive Erkrankungen sind dadurch gekennzeichnet, dass der Gendefekt auf beiden Chromosomen liegen muss, damit die Erkrankung ausbricht. Somit muss jeweils ein defektes Chromosom von der Mutter und vom Vater vererbt werden. Personen, bei denen lediglich ein Chromosom einen Gendefekt aufweist, bezeichnet man als Überträger der Erkrankung. Diese können zwar ihr defektes Chromosom an ihre Kinder vererben, erkranken in der Regel jedoch nicht. Der Grund ist, dass das eine intakte Chromosom 2 bzw. Gen ausreicht, um die Erkrankung zu verhindern. Im Gegensatz dazu genügt bei dominant vererbten Krankheiten ein defektes Gen bzw. Chromosom, damit die Erkrankung ausbricht. Daher können dominante Erkrankungen direkt von einem Elternteil auf ein Kind übertragen werden. Was liegt der Hämochromatose zugrunde? Die Hämochromatose ist eine autosomal (geschlechtsunabhängig) rezessiv vererbte Krankheit, der eine erhöhte Eisenaufnahme im oberen Dünndarm zugrunde liegt. Da der Körper über keine Möglichkeit verfügt, im Übermaß aufgenommenes Eisen wieder auszuscheiden, wird das überschüssige Eisen in bestimmten Organen abgelagert und führt dort zur Organschädigung. In den meisten Fällen liegt der Defekt in einem bestimmten Gen, dem 1996 auf Chromosom 6 entdeckten Hämochromatosegen HFE. Bei über 80 % der Patienten findet sich in beiden Ausfertigungen des HFE-Gens eine Veränderung (C282Y-Mutation genannt), die zum Austausch einer Aminosäure (Aminosäuren sind die Bausteine aller Eiweißstoffe) im HFE-Protein führt. Weitere 5 % tragen auf dem einen Chromosom 6 die C282Y-Mutation, auf dem anderen eine zweite, H63D-Mutation genannt. Diese beiden Gendefekte lassen sich in einem routinemäßig zum Einsatz kommenden Gentest identifizieren. Als Folge der Mutationen wird eine Funktionsminderung oder ein Funktionsverlust des HFE-Proteins vermutet. Der exakte Mechanismus, über den HFEMutationen zur Hämochromatose führen, ist jedoch noch nicht geklärt. Wie äußert sich die Hämochromatose? Patienten mit fortgeschrittener Hämochromatose leiden häufig an Müdigkeit, Impotenz bzw. Amenorrhö (Ausbleiben der Regelblutung), Gelenkschmerzen, Oberbauchschmerzen, 3 Herzrhythmusstörungen oder Dunkelfärbung der Haut (Tab.1). Erste Symptome treten bei Männern in der Regel zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr auf, bei Frauen nach den Wechseljahren. Der spätere Beginn der Erkrankung bei Frauen wird vor allem einem höheren Eisenbedarf durch Regelblutung (Menstruation), Schwangerschaft oder Stillen zugeschrieben. Tab. 1: Symptome Müdigkeit, Abgeschlagenheit Impotenz, Ausbleiben der Regelblutung Gelenkschmerzen Herzrhythmusstörungen Dunkelfärbung der Haut Komplikationen Leberzirrhose Leberzelltumor (hepatozelluläres Karzinom) Diabetes mellitus Kardiomyopathie (Beteiligung des Herzmuskels) Arthropathie (schmerzhafte Gelenkschäden) Welche Folgen hat die Hämochromatose? In der Leber entwickelt sich mit zunehmender Eisenablagerung allmählich eine Leberfibrose (Bindegewebsvermehrung) und später eine Leberzirrhose (Vernarbung des Lebergewebes). Die Entstehung eines Leberzellkarzinoms (bösartiger Leberzelltumor) wird bei etwa 30 % der Patienten mit einer Leberzirrhose beobachtet. Der häufig beobachtete Diabetes mellitus ist in erster Linie durch die Anreicherung von Eisen in den Insulin-produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse bedingt. Die dunkle Pigmentierung der Haut (Abb. 1), ein typisches Zeichen, ist vor allem auf eine vermehrte Produktion des Hautfarbstoffes Melanin zurückzuführen. Sie findet sich besonders ausgeprägt an Stellen, die dem Sonnenlicht ausgesetzt sind, sowie den Brustwarzen, dem Damm, den 4 Handinnenflächen und an Narben. Der durch Eisen verursachte Schaden in bestimmten Zellen der Hirnanhangsdrüse kann die Ursache von Impotenz bei Männern und Ausbleiben der Regelblutung bei Frauen sein. Eine Kardiomyopathie (Herzmuskelerkrankung) durch Eiseneinlagerungen im Herzmuskelgewebe wird bei etwa 15 % der Patienten beobachtet. Bei 25 bis 30 % der Patienten entwickelt sich zudem eine Arthropathie (Gelenkerkrankung). Die kleinen Gelenke der Hand sind häufig als erste betroffen. Es können aber auch große, gewichttragende Gelenke, wie Hüfte und Knie, beteiligt sein. Abb. 1: Patient mit Hämochromatose 5 Wie wird die Hämochromatose diagnostiziert? Für die Diagnose der Hämochromatose sind zwei Laborwerte wichtig: das Eisenspeicherprotein Ferritin und das an Transferrin gebundene Eisen. Der Ferritinspiegel im Serum ist ein Maß für die Menge des gespeicherten Körpereisens. Dieser Wert ist bei der Mehrzahl der betroffenen Patienten deutlich erhöht (über 500 g/l). Das Ferritin liegt jedoch auch bei entzündlichen Erkrankungen oft oberhalb des Normbereichs. Junge Hämochromatosepatienten können dagegen eine lediglich geringe Eisenüberladung und somit einen nur mäßig erhöhten Ferritinwert zeigen. Die Bestimmung der prozentualen Beladung des Eisentransportproteins Transferrin mit Eisen (Transferrinsättigung) ergänzt die Diagnostik. Bei der Mehrzahl der Hämochromatosepatienten findet sich eine Transferrinsättigung von über 45 %. Durch die kombinierte Bestimmung des Serumferritinwerts und der Transferrinsättigung können 94 % der Hämochromatosepatienten identifiziert werden; 86 % der so erfassten Patienten haben wirklich eine Hämochromatose. Besteht jetzt der Verdacht auf das Vorliegen einer Hämochromatose, so sollte zunächst ein Gentest durchgeführt werden. Erst wenn dieser die Eisenüberladung nicht erklärt oder wenn sich Hinweise für einen Leberschaden finden, ist eine Leberbiopsie notwendig. Mit Hilfe der Biopsie können sowohl Sonderformen der Hämochromatose (anderer genetischer Defekt oder eine Störung der Blutbildung) als auch eine Leberzirrhose erkannt werden. Die sichere Diagnose einer Leberzirrhose ist insofern von Bedeutung, als diese mit einem erhöhten Tumorrisiko verbunden ist, was regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen erforderlich macht. Bei Hämochromatosepatienten mit typischem Gendefekt sollte eine Familienuntersuchung erfolgen. Dabei sollte zunächst bei allen Verwandten ersten Grades ein Gentest durchgeführt werden. 6 Tab. 2: Richtungsweisende Laborparameter Erhöhung des Serum-Ferritins Erhöhung der Transferrinsättigung mit Eisen Sicherung der Diagnose Hämochromatose-Gentest Leberbiopsie Wie wird die Hämochromatose behandelt? Ziel der Therapie ist eine Entleerung der Körpereisenspeicher. Am wirksamsten wird dies durch eine Aderlasstherapie erreicht. Unter der Behandlung bessern sich die verschiedenen Symptome der Erkrankung in unterschiedlichem Ausmaß (Abb. 2). Zeichen der Lebererkrankung Hautpigmentierung bei Diagnose Schwäche unter Therapie Oberbauchbeschwerden Gelenkbeschwerden Potenzminderung % der Patienten Abb. 2: Symptome vor und nach Aderlasstherapie Anfangs soll in der Regel ein Aderlass von 500 ml Blut pro Woche durchgeführt werden. Bis zur Entspeicherung der Eisendepots vergehen bei einer fortgeschrittenen Hämochromatose etwa eineinhalb Jahre. Die Therapie wird mit dieser Häufigkeit fortgesetzt, bis der Serumferritinwert unter 50 µg/l abfällt (Tab. 3). Aufgrund der genetisch bedingten Erhöhung der Eisenresorption darf die Aderlasstherapie jedoch niemals vollstän7 dig abgebrochen werden. Zur Aufrechterhaltung einer ausgeglichenen Körpereisenbilanz genügen - individuell angepasst - vier bis zwölf Aderlässe pro Jahr. Der Ferritinspiegel im Serum soll dabei lebenslang zwischen 20 und 50 µg/l gehalten werden. Tab.3: Therapie Anfangs: 1 Aderlass/Woche bis Ferritin < 50 µg/l Erhaltungstherapie: 4-12 Aderlässe/Jahr Ziel: Lebenslanger Ferritinspiegel von 20-50 µg/l 8 Mitgliedschaft in der Gastro-Liga e.V. Ich möchte Mitglied in der Gastro-Liga e.V. werden. Nachfolgend mein Aufnahmeantrag: Name Vorname Beruf Straße PLZ/Wohnort Telefon Telefax E-Mail Datum Unterschrift Mit der Abbuchung des jährlichen Mitgliedsbeitrags in Höhe von (Mindestbeitrag P 30/Jahr) Betrag in Worten bei (Bank, Sparkasse, Postgiroamt) BLZ Konto-Nr. bin ich einverstanden Datum Unterschrift Diese Angaben unterliegen dem Datenschutz und werden nicht an Dritte weitergegeben. Ich bin damit einverstanden, dass meine Angaben elektronisch gespeichert werden. # Den ausgefüllten und unterzeichneten Antrag senden Sie bitte an: Gastro-Liga e. V. • Friedrich-List-Straße 13 • 35398 Gießen Telefax 06 41-9 74 81 - 18 9 RATGEBER FÜR PATIENTEN In dieser Reihe sind bisher erschienen: SPEISERÖHRE ● Sodbrennen und säurebedingte Magenbeschwerden MAGEN ● Der Magen Aufgaben und Erkrankungen – ein Überblick ● Entzündungen (Gastritis) und Geschwüre des Magens und Zwölffingerdarms ● Reizmagen (funktionelle Dyspepsie) – ein häufiges Krankheitsbild ● Kampf dem Magenkrebs Auch Sie können selbst dazu beitragen ● Schmerzmittel und Magen LEBER ● Fettleber ● Funktion der Leber / Galle ● Was Sie schon immer über Gelbsucht wissen wollten und sollten! ● Was Sie über Leberzirrhose wissen sollten! ● Leberkoma – Hepatische Enzephalopathie ● Was Sie schon immer über Gallensteine wissen wollten! 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Sven G. Gehrke Prof. Dr. med. Wolfgang Stremmel Abteilung Gastroenterologie, Hepatologie und Infektionskrankheiten Universitätsklinikum Heidelberg Im Neuenheimer Feld 410 69120 Heidelberg Friedrich-List-Straße 13 . 35398 Giessen . Germany Tel. +49-6 41- 9 74 81 - 0 . Fax +49-6 41-9 74 81 - 18 Internet: www.gastro-liga.de E-Mail: [email protected] 44 -09/07 Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung der Krankheiten von Magen, Darm und Leber sowie von Störungen des Stoffwechsels und der Ernährung e.V.