1 2013 • Hessisches Ärzteblatt Fortbildung Hämochromatose und ihre Therapie Die idiopathische Hämochromatose – ein seltenes Krankheitsbild – führt durch eine erhöhte Aufnahme von Eisen im oberen Dünndarm zu einer Eisenüberladung des Körpers. Die Folgen sind multiple Organschädigungen, vor allem Leberschäden bis hin zur Leberzirrhose und einem zunehmenden Risiko für das Hepathozelluläre Karzinom, aber auch Herzinsuffizienz durch Kardiomyopathie, Diabetes mellitus auch in Form des Bronze Diabetes sowie Poly­ arth­ro­­pathien und Enzephalopathien. Die fortschreitende, nicht behandelte Hämo­ chromatose führt letztlich zu schweren irreversiblen Organschäden und der Krank­ heitsverlauf ist infaust. Die idiopathische Hämochromatose kommt bei Männern häufiger vor als bei Frauen. Sie wird durch einen Gendefekt – fünf verschiedene Gendefekte sind bekannt – verursacht. Sie wird autosomal rezessiv vererbt. Sehr selten gibt es eine neonatale Form der Hämochromatose, die wahrschein­ lich über einen noch nicht bekannten Gendefekt autosomal rezessiv vererbt wird. Darüber hinaus gibt es sekundäre Hämochromatosen als Folge von erworbener Eisenüberlastung des Körpers über z.B. viele Bluttransfusionen u.a. Porphyrie, Atransferrinämie und vor allem bei der Thallassämie. Bei einer Hämochromatose steigt das Körpereisen von 2-6 Gramm massiv an und ab ca. 20 Gramm Körpereisen treten klinische Symptome auf. Das angereicherte Eisen schädigt u.a. die DNA und führt über Bildung von Radikalen zu intrazellulären Oxidationsvorgängen. Das Krankheitsbild manifestiert sich als Lebererkrankung, aber auch als Herzerkran­ kung, Diabetes mellitus und als Polyarthropathie oder auch als Enzephalopathie. Ver­dächtig sind die Laborwerte erhöhtes Ferritin, erhöhte Transferrinsättigung – niedriges freies Transferrin – sowie ein hohes Plasmaeisen. Der sensitivste Labor­ parameter ist die erhöhte Transferrinsätti­ gung. Die Diagnose sollte durch einen Gentest gestellt werden und wenn dies nicht möglich ist, durch eine feingeweb­ liche Untersuchung z.B. der Leber. Ziel der Behandlung ist die Entleerung der Eisenspeicher des Körpers. • Therapie der Wahl ist nach wie vor der Aderlass. Er ist effektiv, sicher und nebenwirkungsarm. Anfänglich werden ein bis zwei Aderlässe von 500 ml Blut bis zu einem Ferritinspiegel von unter 50 µg/Liter durchgeführt. Dies kann in Abhängigkeit von der Schwere der Erkrankung jahrelang dauern. Anschließend sind lebenslang vier bis zwölf Aderlässe/ Jahr als Er­­haltungstherapie erforderlich, um den Ferritinspiegel zwischen 50 und 100 µg/Liter zu halten. • Die maschinelle Erythroapherese zeigt den gleichen Therapieerfolg wie die Ader­ lasstherapie. Weil mehr Erythrozyten pro Behandlung entnommen werden, ist die Therapiefrequenz niedriger und der Ferritinwert sinkt schneller als bei der Aderlasstherapie. Die anderen Blutbestandteile müssen dem Patienten zu­ rückgegeben werden. Eine Kostenübernahme dieses aufwändigen Verfahrens durch die Krankenkassen ist noch nicht gegeben. • Mit Desferroxamin – Eisenchelatbildner – kann Eisen in Blut und Gewebe gebunden und über Galle und Niere ausgeschieden werden. Diese Therapie ist eindeutig nicht so wirksam wie die Aderlassoder Apheresetherapie und muss als subkutane Dauerinfusion von zwölf bis 24 Stunden an fünf bis sieben Tagen in der Woche durchgeführt werden. Diese aufwändige Therapie mit ggf. erheblichen Nebenwirkungen ist nur bei Vorliegen einer Anämie oder Kardiomyopathie indiziert. • Für den oralen Eisenchelatbildner Desferasinox/Exjade® gilt das Gleiche. Diese ist für die Behandlung der chronischen transfusionsbedingten Eisenüberlastung zugelassen. Im Wirkstoff aktuell hat die KBV darauf hingewiesen, dass Exjade® nicht besser wirksam ist, als Desferroxamin. Es weißt gravierende Nebenwirkungen bis hin zu tödlichen Zytopenien, Nierenversagen und Leberausfall auf. Der sehr hohe Preis ist als unwirtschaftlich anzusehen. • Protonenpumpenhemmer und NSAR wie Diclofenac oder Ibuprofen vermindern die Eisenresorbtion im Dünndarm. Hiermit ist gelegentlich bei leichteren Verlaufsformen der Ferritinwert über Monate, manchmal auch Jahre im therapeutischen Bereich zu halten. In dieser Zeit sind keine Aderlässe erforderlich. Wichtig ist wie bei allen Therapieformen die regelmäßige Kontrolle des Ferritins. • Diätetische Maßnahmen können die Behandlung unterstützen. So vermindert schwarzer Tee zu den Mahlzeiten die Eisenresorbtion. Auf Vitamin-C-haltige Getränke sollte zwei Stunden vor und zwei Stunden nach den Mahlzeiten verzichtet werden, da Vitamin-C die Eisenaufnahme begünstigt. • Die Hämochromatose kann durch die Leberschädigung auch zu einem Leberversagen führen. Hier ist als Ultima ratio nur noch eine Lebertransplantation als Therapieoption möglich. Wird die Hämochromatose vor Auftreten von Symptomen entdeckt und behandelt, ist sie letztlich ohne Folgeschäden behandelbar. Sind die Organschäden noch nicht irreversibel, ist die Lebenserwartung nicht deutlich beeinträchtigt. Das Hauptproblem Leberfibrose oder Leberzirrhose ist nicht mehr rückgängig zu machen und erfordert neben der Hämochromatosethera­ pie eine lebenslange spezifische Therapie. Dr. med. Wolfgang LangHeinrich Referat Pharmakotherapie der KV Hessen Literatur beim Verfasser, kein Interes­ sen­konflikt. 41