Zelldifferenzierung und Morphogenese Fragestellung: Wie ist es möglich, daß sich aus einer einzigen Zelle ein hochkomplexes Lebewesen mit hohem Differenzierungsgrad entwickeln kann? weniger gut verstanden gut verstanden Entwicklung nennt man den Prozeß, bei dem ein Organismus eine Reihe fortlaufender Veränderungen durchmacht und nacheinander die verschiedenen Formen annimmt (Ei, Küken, Hähnchen, Broiler), die für seinen Entwicklungszyklus typisch sind. Wie wird dieser Prozeß realisiert und wie genetisch gesteuert? Grundlegende Phasen der Entwicklung eines (höheren) Lebewesens Wachstum Das Wachstum eines mehrzelligen Organismus wird durch Zellwachstum (insbesondere Pflanzen) und Zellteilung realisiert. Tiere: Wachstum setzt erst relativ spät in der Entwicklung ein Pflanzen: Wachstum beginnt mit den ersten Zellteilungen Einige Arten wachsen ihr ganzes Leben lang, andere erreichen einen stabilen Endpunkt Differenzierung Unter Differenzierung versteht man die Schaffung zellulärer Spezialisierung Definition der spezifischen Struktur und Funktion einer Zelle Morphogenese Die „Gestaltsbildung“ umfaßt die Herausbildung des vielzelligen Körpers und seiner Organe und beruht auf der Musterbildung durch die Strukturierung differenzierten Gewebes Entwicklungsstadien von Tieren und Pflanzen Differentielle Genexpression als Schlüsselvorgang der Zelldifferenzierung Grundlagen Jede Zelle enthält in ihrem Zellkern das komplette genetische Programm des jeweiligen Organismus. Dieses Programm ist hochgradig stabil und wird durch Mitose / Zellteilung an andere Zellen weiter gegeben. Eine befruchtete Eizelle (Zygote) besitzt die Fähigkeit, sich in jeden, im adulten Körper vorhandenen Zelltyp umwandeln zu können. Eizellen sowie ihre ersten Teilungsstufen sind totipotent und werden deshalb als embryonale Stammzellen bezeichnet. Später verlieren in der tierischen Entwicklung die Zellen ihre Totipotenz und werden determiniert (z.B. als Leberzelle, als Hautzelle oder als Muskelzelle) Aus einer totipotenten Zelle können mehrere Hundert verschiedene differenzierte Zelltypen entstehen. Die Frage ist, wie das geschieht. Sind alle Körperzellen totipotent? Aus den Zellkernen geht in der Frühphase der Embryonalentwicklung keine Information verloren Genomische Äquivalenz Die Differenzierung wird durch die cytoplasmatische Umgebung des Kerns getriggert. Durch eine günstige Gestaltung der cytoplasmatischen Umgebung kann jede somatische Zelle wieder in den Zustand der Totipotenz zurück versetzt werden Klonen „Dolly“ – das Klonschaf (1996-2003) Anleitung Klonen eines Schafes 1. Eine adulte Zelle aus dem Euter eines Dorset-Schafes wird entnommen und der Zellkern extrahiert 2. der Zellkern wird in eine entkernte Eizelle eines Schwarzkopfschafes überführt und in dessen Uterus verpflanzt (Ian Wilmut et.al.) 3. Das Schwarzkopfschaf gebärt eine „Kopie“ des Dorsetschafes. 4. Man benennt dieses Schaf nach der Country-Sängerin Dolly Parton „Dolly“ Differenzierung von Stammzellen Stammzellen sind in der Lage, Tochterzellen zu generieren, die selbst wiederum Stammzelleigenschaften besitzen („adulte Stammzellen“), aber auch solche mit größerer Ausdifferenzierung. Der Vorgang der Differenzierung wird von dem cytoplasmischen Milieu der Umgebung der Stammzelle bestimmt. Es trägt zur jeweiligen Expression von Genen bestimmter Transkriptionsfaktoren (sogenannten Hox-Genen) bei, die wiederum die Exprimierung zelltypischer Proteine einleiten. Einteilung der Stammzellen nach ihren Fähigkeiten totipotent: Stammzelle kann sich zu einem ganzen Organismus entwickeln (erste Stadien der Eizellteilung) pluripotent: können sich zu Zellen der drei Keimblätter (Ektoderm, Entoderm, Mesoderm) entwickeln multipotent: können sich nur in Zellen einer bestimmten Zell-Linie entwickeln Exkurs: Therapeutisches Klonen Problem: Wie läßt sich spezifisches Körpergewebe (Organersatz) züchten, um es dann z.B. einem Patienten zu implementieren – und zwar ohne die Immunabwehr zu provozieren? 1. Einer Spenderin werden Eizellen entnommen und die ersten Zellteilungen abgewartet. Jede dieser Zellen stellen totipotente Stammzellen dar. 2. Eine derartige Zelle wird entkernt 3. Dem Empfänger wird auch eine Zelle entnommen 4. Die ganze Zelle (oder nur ihr Kern) wird mit der entkernten Zelle verschmolzen 5. Die Eizelle wird zur Teilung angeregt, wobei sich embryonale Stammzellen bilden, die mit denjenigen des Spenders identisch sind (außer Mitochondrien-DNA) 6. Diese Stammzellen werden kultiviert und mittels entsprechender Botenstoffe (Wachstum- bzw. Differenzierungsfaktoren) dazu angeregt, sich in das gewünschte Gewebe zu differenzieren. 7. Dieses „gezüchtete“ Gewebe wird anschließend dem Patienten transplantiert Das Determinieren von Zellen wird durch spezifische Botenstoffe initiiert , die sich im Cytoplasma auf eine bestimmte Art und Weise anreichern. Chemische Signale führen zur Translation von Genen für bestimmte Transkriptionsfaktoren diese Transkriptionsfaktoren exprimieren spezifische Gene, die Proteine für einen bestimmten Zelltyp translatieren die Zelle entwickelt sich zu einer spezifischen Zelle z.B. Blutzelle, Nervenzelle, Muskelzelle etc. Für die Determinierung von Zellen sind chemische Signale notwendig, welche die Zelle interpretieren kann. Chemische Signalstoffe Differenzierungsfaktoren Aufbau einer „Polarität“ im Gewebe Cytoplasmatische Segregation („Entmischung“) Differenzierungsfaktoren sammeln sich an einem Pol der Zelle an Dieser Konzentrationsgradient bleibt bei vertikaler Zellteilung erhalten und wird bei horizontaler Zellteilung verstärkt Gewebedifferenzierung Auslösung durch autokrine und parakrine Signale, welche die Entwicklung von Nachbarzellen beeinflussen Induktion Die Verteilung bestimmter Substanzen im Cytoplasma bestimmt das weitere Schicksal von Tochterzellen ... Zellulare Schalter Morphogenese Die räumliche Organisation eines Gewebes oder eines gesamten Organismus ist untrennbar verknüpft mit der Morphogenese – der Gestaltsbildung. Arme, Beine, Augen, Magen, Gesicht, Hände, Lunge, Gehirn ... Ein wesentliches zellbiologisches Verfahren zur Gestaltsbildung ist der programmierte Zelltod – Apoptose nicht mehr benötigte Zellen werden angeregt, zu ganz bestimmten Zeiten während der Entwicklung „Selbstmord“ zu begehen. Auf diese Weise lassen sich Strukturen gezielt formen Zelltod-Gene ced-3 und ced-4 Entfernen der „Schwimmhäute“ ab der 6. Schwangerschaftswoche Metamorphose eines Frosches Morphogene und Morphogengradienten Während des Entwicklungsvorgangs müssen Zellen häufig „wissen“, an welcher Stelle sie sich in Relation zum Gesamtkörper befinden – z.B. eine rudimentäre Hand Positionsinformationen Morphogene diffundieren entlang einer Körpersachse – z.B. der Knospe, aus der sich später eine Hand bildet – wodurch ein Konzentrationsgradient entsteht Beispiel: Ein Morphogen mit dem Namen BMP2 bildet über die Handknospe ein Konzentrationsgefälle das bewirkt, daß die Zellen, welche die höchste Dosis BMP2 erhalten, sich zum Daumen entwickeln. Die Zellen, die der geringsten Dosis ausgesetzt sind, werden zum kleinen Finger. „Zwischendosen“ führen zu den Fingern 2, 4 und 4. Fehler können zur „Mehrfingrigkeit“ führen. Die unterschiedliche Konzentration von Morphogenen wirken durch differenzielle Regulation der Genexpression in ihren Zielzellen. Beispiel: Larvenbildung einer Fruchtfliege (Drosophila) „Bicoid“ und „Nanos“ sind zwei Proteine, die über die AnteriorPosterior-Achse jeweils einen Konzentrationsgradienten ausbilden und damit die Polarität Kopf – After der Made determinieren. Ein Morphogen beeinflußt einen ganzen Satz von Zellen und erzwingt von ihnen verschiedene Reaktionen, je nachdem, wie weit sie von der Quelle der Produktion des Morphogens entfernt sind. Embryogenese des Fadenwurms Caenorhabditis elegans 1090 somatische Zellen – davon sterben 131 durch Apoptose – 959 Zellen Menschliche Embryogenese Nächstes Mal: Vom Genom zum ausgewachsenen Tier