Technologien zur Optimierung von Mikroorganismen und Enzymen

Werbung
TECHNOLOGIEN ZUR OPTIMIERUNG Designer Bugs
27
Technologien zur Optimierung von
Mikroorganismen und Enzymen
Die technologischen Durchbrüche auf den Gebieten der
Enzymentwicklung, der Biokatalyse oder der genetischen
Modifizierung von Mikroorganismen zeigen ständig neue
Um einen maßgeschneiderten, industriell nutzbaren Mikroorganismen-Stamm zu identifizieren, müssen die unerwünschten
Eigenschaften des Wildstammes eliminiert oder reduziert werden, die die Ausbeute an Produkten limitieren. Die gewünschten industriell nutzbaren Eigenschaften müssen dagegen
verstärkt werden, um eine höhere Ausbeute zu erzielen.
Potenziale der Weißen Biotechnologie auf.
Ziel ist dabei die Entwicklung neuer biotechnologischer
Prozesse und die Optimierung vorhandener Prozesse,
um biologische Wirkprinzipien für die industrielle
Produktion nutzen zu können.
Die Biotechnologie ist für die Entwicklung neuer biotechnologischer Prozesse und die Optimierung vorhandener Prozesse
auf die Identifizierung von geeigneten Mikroorganismen und
deren Enzyme angewiesen. Mikroorganismen und Zellen müssen ganz speziellen Anforderungen genügen, um in industriellen Prozessen eingesetzt werden zu können. Hierzu gehört die
leichte Kultivierbarkeit, die gentechnische Manipulierbarkeit
und die Fähigkeit, DNA stabil aufzunehmen. Die in industriellen Prozessen verwendeten Stämme und Zelllinien unterliegen
einer ständigen Optimierung zur Erhöhung der Produktausbeute.
Von den ca. 10.000 in der Natur vermuteten Enzymen
werden bisher nur etwa 130 Enzyme in unterschiedlichen industriellen Verfahren genutzt. Es gibt einen großen Bedarf, weitere
natürliche Enzyme mit neuen Eigenschaften zu identifizieren
und zu isolieren. Sie können direkt aus den Organismen isoliert
oder über die Gewinnung von Metagenomen, d. h. der Gesamtheit der Genome eines Biotops (s. u.), gesucht werden.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Enzyme und Mikroorganismen für biokatalytische Prozesse zu optimieren. Im
Folgenden sollen die wichtigsten Technologien vorgestellt
werden.
Designer Bugs
Die Weiße Biotechnologie setzt Biokatalysatoren für Stoffumsetzungen ein. Bei den Biokatalysatoren handelt es sich um isolierte Enzyme oder um intakte Zellen bzw. Mikroorganismen.
Der Begriff „Designer Bugs“ beschreibt Stämme verschiedener Spezies von Mikroorganismen, die mit gentechnischen
Methoden gezielt so verändert wurden, dass sie die gewünschten biotechnologischen Reaktionen mit hoher Effizienz katalysieren können.
Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae
Maßgeschneiderte Mikroorganismen müssen mit Hilfe der modernen Molekularbiologie nicht mehr durch Zufallsmutagenese, Selektion und Screening gefunden werden, sondern können
gezielt konstruiert bzw. „designed“ werden.
Mit der Verfügbarkeit der Sequenzinformation ganzer
mikrobieller Genome haben sich Verständnis und Möglichkeiten genetischer Manipulation enorm verbessert. Mehr als
200 verschiedene Spezies sind bisher vollständig sequenziert,
dies bedeutet: ihre genetische Information ist entziffert und
ermöglicht eine Identifizierung des Stoffwechselpotenzials
verschiedener Mikroorganismen. Trotz vollständig bekannter
Genom-Sequenzen ist das synthetische Potenzial von Mikroorganismen bei Weitem nicht ausgenutzt. Viele der möglichen
Genprodukte sind noch immer unbekannt.
Nicht alle Spezies eignen sich für die Entwicklung von
„Designer Bugs“. Die Mikroorganismen müssen gentechnisch
gezielt veränderbar sein, und DNA stabil aufnehmen können.
Vorteilhaft sind dabei Mikroorganismen, die ein geringes Gefährdungspotenzial für Mensch und Umwelt haben. Es werden
daher häufig Ausgangsstämme verwendet, für die die molekularbiologischen Methoden etabliert sind, so z. B. Escherichia coli,
Bacillus subtilis, Corynebacterium glutamicum oder die Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae. Die Art und Anzahl der genetischen Veränderungen kann dabei variieren.
28
Durch einen weiteren Ausbau der Systembiologie und eine
Verbesserung des Wissens von Genomik, Proteomik, Metabolomik und anderer „Omik“-Technologien wird eine zielgerichtete Konstruktion von „Designer Bugs“ auch in Zukunft weiter
verbessert werden können.
Metabolic Pathway Engineering
Das Metabolic Pathway Engineering hat die zielgerichtete
Verbesserung zellulärer Eigenschaften durch die Veränderung oder Einführung neuer biochemischer Reaktionen
unter Anwendung rekombinanter DNA-Techniken zum
Ziel: Zwischen 100 bis 1.000 Prozesse laufen zeitlich parallel
im Stoffwechsel einer Zelle ab. Die Analyse dieser Prozesse
ermöglicht Erkenntnisse über die industrielle Nutzbarkeit
von Stoffwechselprozessen in Mikroorganismen. Metabolic
Metabolic Pathway Engineering TECHNOLOGIEN ZUR OPTIMIERUNG
Pathway Engineering befasst sich mit einer gezielten Veränderung der Genexpression von Organismen, um Stoffwechselprozesse zu verändern bzw. die Produktionsleistung
zu verbessern. Dabei wird die gesamte Zelle als Bioreaktor
verwendet und optimiert. Zunächst müssen die Netzwerke,
die Stoffwechselwege und deren Produkte analysiert werden.
Die Modulation erfolgt in Stoffwechsel-Netzwerken, deren
Analyse durch molekularbiologische Methoden erst möglich
ist (Proteom-Analysen, DNA-Arrays, Systembiologie u. v. m.).
Die verschiedenen Stoffwechselpfade einer Zelle werden dabei derart manipuliert, dass einzelne Stoffwechselvorgänge
modifiziert, eliminiert oder verstärkt werden. Dies geschieht
durch gezielte Veränderung der Zellphysiologie oder der
Regulationsfunktionen.
In mathematischen Modellen können Stoffwechselpfade
in Mikroorganismen simuliert und analysiert werden.
BMBF-Projekt „Designermikroorganismen – Die Zelle als nachhaltige Fabrik,
dargestellt am Beispiel der Produktion chiraler Hydroxyverbindungen“
Chemische Moleküle bilden so genannte Enantiomeren-Paare,
die sich wie Spiegelbilder zueinander verhalten, also „chiral“
sind. Interessanterweise kommt in der Natur in der Regel immer nur eines dieser Spiegelbilder zum Einsatz, während das
andere einfach nicht „passt“. Gerade im Bereich der Medizin
und der Schädlingsbekämpfung ist es daher wichtig, das aktive Enantiomer zu verwenden, um die notwendigen Wirkstoffmengen klein zu halten. Die chemische Synthese von enantiomerenreinen Produkten ist jedoch sehr aufwändig und teuer.
Enzyme sind darauf beschränkt, enantiomerenreine Verbindungen herzustellen, es liegt also nahe, diese Werkzeuge der
Natur auch für die industrielle Produktion zu nutzen.
Im Bereich der Produktion enantiomerenreiner Alkohole
ist die Verwendung von Alkoholdehydrogenasen (ADH) schon
seit langem ein Standardverfahren: Ein in sich symmetrisches
Keton könnte chemisch zu einem spiegelbildlichen Enantiomerenpaar von Alkoholen reduziert werden, die zueinander
nicht symmetrisch, aber chiral sind. Die Verwendung einer
entsprechenden Alkoholdehydrogenase ermöglicht nun die
selektive Herstellung nur eines dieser Spiegelbilder.
Die Produktion solcher Alkoholdehydrogenasen geschieht
heute durch Bakterien, denen die Gene für interessante ADH
mittels gentechnischer Methoden eingefügt wurden. Die
Zellwand und -membran dieser Bakterien wird mechanisch
zerstört und dieser Rohextrakt als Biokatalysator im Produktionsprozess eingesetzt.
Neben der ADH wird für die Reaktion ein Cofaktor und
ein weiteres Enzym benötigt (Glucosedehydrogenase oder
Formiatdehydrogenase). Zur Herstellung der beiden Enzyme müssen normalerweise zweimal Bakterien angezüchtet
werden, die jeweils das Gen für eines der beiden interessanten
Enzyme enthalten. In dem BMBF-Projekt „Designermikroorganismen“ soll nun unter der Projektleitung der Jülich Chiral
Solution GmbH in Zusammenarbeit mit dem FZ Jülich und der
Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf, versucht werden den
Prozess so zu optimieren, dass weder mehrere Fermentationen durchgeführt werden müssen, noch größere Mengen des
Cofaktors in der Reaktionslösung benötigt werden. Das wird
möglich durch Bakterien, die beide Enzyme enthalten.
Bei der Entwicklung der geeigneten Mikroorganismen
sind einige Hürden zu überwinden: Es muß ein Organismus
gefunden werden, dessen Zellmembran durchlässig genug ist,
um den nötigen Stoffaustausch zuzulassen, aber auch fest genug, das System zusammen zu halten. So werden neben ColiBakterien auch Organismen der Spezies Bacillus untersucht.
Nicht jede natürliche Alkoholdehydrogenase ist geeignet.
Die Suche nach neuen ADH ist daher ein wichtiger Bestandteil
des Projektes. Ebenfalls arbeitet nicht jede ADH mit jedem
Cofaktorregenerierungssystem zusammen, so daß man die
richtigen Paarungen finden muß. Die Reaktionsdurchführung
selbst mit all ihren Parametern wie Temperatur, zeitabhängigen Substratkonzentrationen, Einsatzmenge der Bakterien
und die Aufarbeitung des Produktes werden ebenfalls untersucht.
Mit der Produktion eines chiralen Alkohols hat man
eine Substanz erzeugt, die den Ausgangspunkt zur Synthese
vieler industriell interessanter Produkte im Bereich Pharma,
Nahrungsmittel oder Agrochemie bildet. Wenn diese mit verringertem Energieaufwand, Abfallaufkommen und Wasserverbrauch hergestellt werden können, sind auch die endgültigen Produkte in ihrer Umweltverträglichkeit ein gutes Stück
weiter gekommen.
TECHNOLOGIEN ZUR OPTIMIERUNG Gelenkte Evolution
29
Gelenkte Evolution (Directed Evolution)
Die Natur nutzt seit Jahrmillionen die zufällige Veränderung von Genen (Mutation) und deren Produkten. Durch die
anschließende Selektion werden die am besten an die Umgebung angepassten Varianten ausgewählt. Im Labor werden mit
Hilfe unterschiedlicher Methoden (chemische, enzymatische)
verschiedene Mutanten erzeugt, die Unterschiede in der Aminosäureabfolge in ihren Proteinen zeigen. Im anschließenden
Durchmusterungsverfahren werden verbesserte Proteinvarianten gesucht (Screening-Verfahren). Wurde eine Enzymvariante
gefunden, die eine höhere Produktivität hat, ist das zugehörige
Gen Ausgangspunkt für die nächste gelenkte Evolutionsrunde.
Dieser Vorgang wird in iterativen Zyklen wiederholt bis die
angestrebten Verbesserungen erzielt werden konnten.
Erste industriell verwendete Enzymvarianten sind das Ergebnis vieler Mutations- und Durchmusterungsrunden.
Hochdurchsatz-Screening-Verfahren werden in Zukunft
eine immer schnellere und effizientere Identifizierung verbesserter Proteinvarianten ermöglichen. Mittelfristig wird es durch
diese Verfahren zu einer Umstellung von den traditionelleren
Top-Down-Verfahren in die kostengünstigeren und ressourcenschonenden Bottom-Up-Verfahren kommen. Man spricht von
einem Top-Down-Ansatz, wenn ganze Zellen für die Produktion
oder Umwandlung von Stoffen eingesetzt werden, auch ohne
die Stoffwechselprozesse im Detail zu kennen. Dem BottomUp-Ansatz entspricht hingegen, dass man für gewünschte
Zellfunktionen bereits bekannte, funktionierende Stoffwechselprozesse heraussucht und entsprechende Biomoleküle in einer
maßgeschneiderten Zelle zusammenführt.
Ausstrich von Mikroorganismen, wie sie in modernen biotechnologischen Prozessen als Produktionsstämme eingesetzt werden.
sind (englisch: Gene Shuffling). Ausgangspunkt sind mehrere
Varianten eines Gens oder unterschiedliche Gene mit hoher
Sequenzidentität (mehr als 80 %). Die Gensequenzen werden mit
Hilfe von Enzymen zerschnitten, und die entstehenden Fragmente der verschiedenen Varianten werden rekombiniert. Über
verschiedene molekularbiologische Methoden lassen sich die
Fragmente wieder zu vollständigen Genen zusammenfügen.
Man erhält dann unterschiedliche Zusammensetzungen der
Gene, die aus verschiedenen Fragmenten der unterschiedlichen
Genvarianten bestehen und viele neue Genvarianten darstellen.
Diese werden z. B. in Bakterien eingebracht und können dann
auf verbesserte Varianten hin durchgemustert werden.
Bioprospektion
Enzymoptimierung – Protein Engineering
In der Natur vorkommende Enzyme besitzen einen hohen
Optimierungs- und Anpassungsbedarf für den Einsatz in industriellen Prozessen. Es gibt verschiedene gentechnische Ansätze,
bekannte Enzyme zu verändern. Bei genauer Funktions- bzw.
Strukturkenntnis des Enzyms und seines Gens können gezielte
Gen- und Aminosäureveränderungen vorgenommen werden.
Durch Computersimulationen werden vorab Funktionsoptimierungen ermittelt. Auf Basis dieser Simulationen werden dann
gezielt nur wenige Varianten hergestellt und in ihrer biokatalytischen Funktion untersucht.
Dazu werden einerseits biochemische Stoffwechselprozesse
erforscht. Andererseits werden mit Methoden der gelenkten
Evolution Enzyme dahingehend modifiziert, dass sie unter
definierten Bedingungen leistungsfähiger werden.
Mit Hilfe des Protein Engineering können maßgeschneiderte Enzyme hergestellt werden, mit denen biokatalytische
Reaktionen optimierbar sind.
Neben gezielten Mutationen und Rekombinationen ist das
so genannte Gene Shuffling eine Möglichkeit, verbesserte Enzyme zu entwickeln: Das Fragmentieren und Neukombinieren
von Genen ermöglicht das „Mischen“ von Proteinstrukturen,
die bereits von der Natur vorselektiert und damit funktional
Unter Bioprospektion versteht man die gezielte Suche nach
neuen Wirkstoffen in der Natur, die für kommerzielle Zwecke
synthetisiert werden können. Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen können als Ausgangsorganismen geeignet sein.
Pflanzliche Wirkstoffe werden bereits erfolgreich in der Produktion von Pharmazeutika und Arzneimitteln genutzt.
Ein großes Potenzial für die Entwicklung neuer Materialien und Wirkstoffe verspricht man sich auch von der Erforschung so genannter extremophiler Mikroorganismen. Dabei
handelt es sich um Mikroorganismen, die an extreme Milieus
z. B. in Geysiren oder der Tiefsee angepasst sind. Aufgrund
ihrer hochspezifischen Eigenschaften wie z. B. Druck-, Temperatur- und Säuretoleranz erscheinen die von ihnen gebildeten
Enzyme für die Nutzung in biotechnologischen Prozessen, in
denen ebenfalls Hitze, Kälte oder Säure herrschen, besonders
geeignet. Biokatalysatoren aus extremophilen Mikroorganismen können in industriellen Verfahren mit hohen Anforderungen herkömmliche, meist teurere, langwierigere und
vor allem umweltschädlichere Verfahren ersetzen. Zugleich
ermöglichen diese Biokatalysatoren gänzlich neue, umweltentlastende biotechnologische Herstellungsprozesse in der
Chemie- und Pharmaindustrie sowie in den Bereichen Kosmetik, Lebensmittel, Textil und Energieversorgung.
30
Genome und Metagenome TECHNOLOGIEN ZUR OPTIMIERUNG
Genome und Metagenome
Ein besseres Verständnis der Funktion von Mikroorganismen
setzt die Entzifferung des Genoms und damit ein besseres
Begreifen der Stoffwechselwege voraus. Das Genom ist die
Gesamtheit der Erbinformation einer Zelle. In Bakterien gibt
es neben dem Chromosom meist noch weitere ringförmige
DNA-Moleküle, die so genannten Plasmide.
Die Entzifferung ganzer Genome ist durch die technischen Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte möglich
geworden. Ein Meilenstein zu dieser Entwicklung war die Einführung der „Schrotschuß-Sequenzierung“ (Whole Genome
Shotgun Sequencing) durch Craig Venter.
Neue Sequenzierverfahren ermöglichten in den vergangenen Jahren eine immer schnellere und günstigere Entschlüsselung genomischer Daten. Die Zugänglichkeit und Nutzbarkeit der Genominformationen mit Hilfe der Bioinformatik,
funktionellen Genomik und der Systembiologie ermöglichen
das Auswerten sehr großer Datenmengen, das Automatisieren
der Zusammenhänge und das so genannte Data Mining.
Da ein großer Teil (mehr als 90 %) der Mikroorganismen
nicht kultivierbar und damit nicht identifizierbar ist, sind
Informationen zu deren genetischen oder physiologischen
Eigenschaften nur schwer zu ermitteln. Ein Lösungsansatz
hierfür ist die genomische Untersuchung von Metagenomen,
d. h. der Gesamtheit der Genome eines Lebensraums oder Biotops oder einer Lebensgemeinschaft (Biozönose). In Metagenomen können Biokatalysatoren aufgefunden werden, die bisher
noch nicht bekannte biochemische Reaktionen katalysieren
und neue Stoffwechselprodukte bilden.
Beispiele für Metagenomprojekte sind die Sequenzierungen des Metagenoms urbaner Luft oder von mikrobiellen
Lebensgemeinschaften des menschlichen Darms, der Haut
oder der Atemwege. Aus der Menge der gewonnenen Informationen kann die Anzahl neuer Gene ohne Homologie zu
BioChance PLUS-Projekt „Entwicklung innovativer, Hochdurchsatz-Durchmusterungssysteme zum
Auffinden und Verbessern von Biokatalysatoren in Metagenom- und Zufallsmutagenese-Bibliotheken“
Ein interdisziplinäres Team aus Hochschulgruppen der International University Bremen und der Universität Stuttgart-Hohenheim entwickelt unter Projektkoordination der BRAIN AG,
Zwingenberg, neue Methoden zum Auffinden von verbesserten
industriell relevanten Enzymen. Enzyme haben als biologische
Screening nach Proteasen zur Waschmittelanwendung
Katalysatoren entscheidenden Anteil an einer Veredelung
und Verbesserung von natürlichen Rohstoffen und an nachhaltigen Herstellungsprozessen für die Bereiche Feinchemie,
Textilverarbeitung, Kosmetik, Ernährung und Gesundheit.
Derzeitig steht den Zielindustrien jedoch nur eine in Umfang
und Funktionalität begrenzte Anzahl an relevanten Biokatalysatoren zur Verfügung. Eine Ursache hierfür ist zu einem
wesentlichen Teil die mangelnde Kultivierbarkeit potenziell
interessanter mikrobieller Spenderorganismen (z. B. Bakterien,
Pilze, Algen). Aus diesem Grund werden seit einigen Jahren mit
der Etablierung der Metagenom-Technologie die genetischen
Ressourcen von nicht kultivierbaren Mikroorganismen für die
industrielle Verwertung erschlossen. Mit modernen Methoden
der Molekularbiologie soll die biochemische und katalytische
Vielfalt mikrobieller und pflanzlicher Biodiversitäten nutzbar
gemacht werden. Um die Identifizierung weiterer industriell
hoch relevanter Enzymklassen in ausreichender Quantität und
Qualität zu beschleunigen, soll im Rahmen des Verbundvorhabens für die Durchmusterung von Metagenom- und Zufallsmutagenese-Bibliotheken eine breit anwendbare Ultrahochdurchsatz-Durchmusterungstechnologie entwickelt werden. Diese
basiert auf Mikrokompartimentierung in Doppelemulsionen
und Fluoreszenzsortierung mittels FACS-basierter („Fluorescense Activated Cell Sorter“) Verfahren.
TECHNOLOGIEN ZUR OPTIMIERUNG Synthetische Biologie
bisher bekannten Genen ermittelt werden und darüber auf die
Anzahl der unterscheidbaren Spezies innerhalb eines Metagenoms geschlossen werden.
Synthetische Biologie
Ende der 1990er Jahre begann man am Massachusetts Institute
of Technology (MIT) in Cambridge, MA (USA) die Synthetische
Biologie zu entwickeln. Heute gehört die interdisziplinäre
Wissenschaft zwischen Biologie und Technologie nach Ansicht
vieler Forscher zu den zukunftsträchtigsten Forschungsrichtungen. Die Synthetische Biologie ist dabei ein Wissenschaftszweig der Biologie, der mit Hilfe künstlicher biologischer Systeme das Verhalten natürlicher biologischer Systeme nachahmt,
um ein vertieftes Verständnis der Funktion dieser Systeme und
ihrer Evolution zu erlangen.
Zunächst wurde diese neue Teildisziplin der Biologie mit
dem Ziel entwickelt, biologische Steuervorgänge nachzubilden und sie besser zu verstehen. Dazu werden künstliche Gene
in Bakterien eingeschleust. Die Gene werden für diesen Zweck
designt und synthetisiert. Mit synthetischen Genen können inzwischen komplexe Designerproteine zusammengebaut werden. Mit solchen Bausteinen, so genannten Biobricks, sollen
31
dann Zellvorgänge gezielt gesteuert werden, gewissermaßen
Zellmaschinen aus biologischen Bausteinen gebaut werden.
Verglichen wird dies mit einem „Baukasten biologischer Schaltelemente“, den Biologen und Ingenieure künftig nutzen sollen, um neues Leben aus vorhandenen Bausteinen zu konstruieren. Organismen können auf diese Weise zusammengesetzt,
auseinandergenommen und wieder neu kombiniert werden.
In der Synthetischen Biologie arbeiten Biologen, Chemiker und
Ingenieure zusammen, um abgewandelte biologische oder
künstliche Systeme zu erzeugen, mit den Zielen, verschiedene Eigenschaften zu reproduzieren, biologische Systeme in
technische zu integrieren oder biologische Systeme mit neuen
Eigenschaften zu erzeugen, also synthetische Organismen.
Die Biobricks werden die Zellen in Maschinen verwandeln, die
Informationen verarbeiten, Nanomaterialien herstellen oder
medizinische Diagnosen vornehmen. Die Mikromaschinen
könnten Medikamente oder Werkstoffe bilden, die die Natur
nicht oder nur widerwillig herstellt oder aber Krebs bekämpfen, schädliche Stoffe aufspüren und vernichten oder Energieträger wie Wasserstoff produzieren.
In der Regel werden dabei die Methoden der Gentechnik
angewandt, wodurch sich Systeme ergeben, die der Evolution
unterworfen sind. Im Unterschied zu der gentechnologischen
BioFuture Preisträger Nediljko Budisa „Maßgeschneiderte Proteine“
Einer der Preisträger des BioFuture-Wettbewerbs, die sich mit
dem Themengebiet Weiße Biotechnologie beschäftigen, ist
Dr. Nediljko Budisa vom Max-Planck-Institut für Biochemie
in Martinsried. In seinem Projekt beschäftigt er sich mit der
Umprogrammierung lebendiger Zellen, die durch den Einbau
künstlicher Aminosäuren maßgeschneiderte Proteine und Biomaterialen erzeugen sollen. Budisa möchte dabei ein schnelles,
effizientes und billiges Verfahren entwickeln, das die Herstellung von neuartigen Biomaterialen mit Eigenschaften und
Funktionen ermöglicht, die in der Natur nicht vorkommen.
Die Produktion dieser neuen Materialien soll in geeigneten
gentechnisch veränderten Mikroorganismen erfolgen. Mikroorganismen können in der Regel 20 verschiedene Aminosäuren
selbst herstellen. Durch Einsatz von veränderten Wirtszellen,
bei denen z. B. ein oder mehrere Gene für die Aminosäureherstellung verändert sind, kann die Aminosäureauswahl für die
Proteinsynthese beeinflusst werden. Solche Zellen können neue,
so genannte nichtkanonische Aminosäuren selbst produzieren
oder direkt aus dem Nährmedium aufnehmen. Diese neuen
Proteinbausteine können nur in entsprechend modifizierten
Zellen eingebaut werden. Die Zellen müssen dafür zahlreiche
Enzyme enthalten, die so verändert wurden, dass sie die neuen
synthetischen Aminosäuren für die Proteinsynthese verwenden
können. Die geeigneten Enzyme können durch gerichtete Evolu-
Kolibakterien mit fluoreszierenden Proteinen vor (cyan) und nach
(gold) der gentechnischen Veränderung.
tion in Durchmusterungs- und Selektionverfahren identifiziert
werden. In dem Projekt des BioFuture-Preisträgers Budisa sollen
Mikroorganismen durch gezielte experimentelle Intervention
(z. B. Knock-out vorhandener Gene, Einbau neuer Gene, Import
der Gene anderer Mikroorganismen) befähigt werden, selbst die
neuen Aminosäuren herzustellen und direkt in das Zielprotein
einzubauen. Ziel des Projektes ist dabei die Entwicklung neuer
therapeutischer oder diagnostischer Werkzeuge, nicht-invasiver
Sensoren oder neuer umweltfreundlicher Materialien auf Basis
von Proteinen mit synthetischen Aminosäurebestandteilen.
32
Synthetische Biologie TECHNOLOGIEN ZUR OPTIMIERUNG
Veränderung von Organismen werden in der Synthetischen
Biologie nicht einzelne Gene verändert, sondern der ganze
Organismus neu kombiniert. Die Synthese ganzer Viren ist
inzwischen gelungen, die Erzeugung eines synthetischen
Bakteriums samt Membran ist jedoch wesentlich komplexer.
Bisher gibt es noch keine greifbaren Ergebnisse, denn das
Design dieser synthetischen Zellmaschinen benötigt noch
sehr viel mehr Zeit. Verschiedene Projekte werden verfolgt,
um zum Beispiel Bakterien zu schaffen, die entsprechend
bestimmter Vorgaben funktionieren. So sollen beispielsweise
Bakterien entwickelt werden, die den Treibhauseffekt und
die Energieprobleme der Welt lösen, indem sie Kohlendioxid
binden und Wasserstoff produzieren. Die Dimensionen der
Synthetischen Biologie sind noch unabsehbar. Ob es tatsächlich in Zukunft gelingt, Biobausteine in gleicher Weise wie
zum Beispiel Elektronikkomponenten herzustellen und nach
einem Baukastenprinzip zu kombinieren, ist noch vollkommen offen.
BMBF-Förderinitiative „Genomik-Plus – Funktionale Genomforschung an Mikroorganismen
für industrielle Produktion, Ernährung, Umwelt und Gesundheit“
Das bundesweite Genomforschungsnetzwerk „BiotechGenoMik – from Genomes to Functions to Products“ wird vom BMBF
im Rahmen der Förderinitiative „Genomik-Plus – Funktionale
Genomforschung an Mikroorganismen für industrielle Produktion, Ernährung, Umwelt und Gesundheit“ (siehe Seite 12)
gefördert. Das Netzwerk besteht aus 20 Einzelprojekten an 14
verschiedenen Forschungseinrichtungen mit einer Koordinationszentrale an der Universität Göttingen. Zwei Industrieunternehmen mit eigenen Projekten und 12 weitere Unternehmen als
Kooperationspartner sind in das Netzwerk eingebunden. Das
Netzwerk ist in drei Projektverbünde mit den Kurztiteln BacillOMik, GenoMik Engineering und MetaGenoMik gegliedert. Im
Verbund BacillOMik steht die funktionelle Genomforschung an
Bacillus licheniformis, einem industriell für die Produktion von
Enzymen eingesetzten Bakterium, im Vordergrund. Ziel ist dabei das bessere Verständnis der zellulären Vorgänge während
des Produktionsprozesses. Weitere vielversprechende Produktionsorganismen wie Ralstonia eutropha, Gluconobacter oxydans
oder Clostridium ljungdahlii, deren Genomsequenzen wie auch
die von Bacillus licheniformis in Göttingen ermittelt wurden,
stehen im Zentrum der Forschungsarbeiten des Verbundes
GenoMik Engineering. Auch hier wird mit den Methoden der
funktionellen Genomik an der Entwicklung neuer oder verbesserter Produktionsorganismen gearbeitet. Der dritte Verbund
MetaGenoMik hat sich zum Ziel gesetzt, die enorme mikrobielle
Biodiversität unter Einbeziehung bislang nicht-kultivierbarer
Mikroorganismen für die Entwicklung neuer Produkte und
Produktionsprozesse zu nutzen. Diverse Metagenom-Genbanken sollen mit neuen Screening-Methoden nach Genen für neu-
artige Enzyme und Naturstoffe durchmustert werden. In den
vergangenen Jahren der GenoMik-Förderung konnten die Göttinger Netzwerkpartner wichtiges Know-how auf dem schnell
evolvierenden Gebiet der funktionellen Genomforschung
erwerben. Jetzt gilt es, hierauf aufbauend, die Forschung mit
Blick auf Anwendungspotenziale voranzutreiben. Die enge
Verknüpfung zwischen Industrie und Forschung ist dabei ein
wichtiges Anliegen des BiotechGenoMik-Netzwerkes.
Herunterladen