Genetische Faktoren in der Embryonalentwicklung

Werbung
*33-38 IDG
06.11.2002
17:16 Uhr
Seite 33
I N S T I T U T F Ü R E N T W I C K L U N G S G E N E T I K GENFORSCHUNG
Embryo
In die Wiege gelegt ? -
Genetische Faktoren in der
Embryonalentwicklung
Junger, 12 Stunden
alter Zebrafisch-Embryo,
der für die Expression von fünf verschiedenen Genen
blau und rot gefärbt wurde. Unterschiedliche Körpergewebe werden dadurch sichtbar
N
eben der Isolierung und funktionellen
Charakterisierung
neuer Entwicklungskontrollgene widmen sich Wolfgang Wurst und sein
Team vor allem der gezielten Herstellung und Untersuchung von Mausmutanten, bei denen die normale Entwicklung gestört ist. Im Mittelpunkt
ihres Interesses stehen dabei genetisch bedingte Erkrankungen des Zentralnervensystems, des Auges und des
Skeletts an Modellsystemen der Maus
sowie des Zebrafisches. Die Forschungsaktivitäten des Instituts sind
auch eingebunden in zwei Klinische
Kooperationsgruppen: Die KKG „Klinische Neurogenetik“ konzentriert
sich auf die Analyse des molekularen
www.gsf.de/idg/
Viele Krankheiten des Zentralen Nervensystems, des Auges
oder des Skeletts, so wird mittlerweile angenommen,
haben ihren Ursprung schon in Mutationen während der
frühen Embryonalentwicklung eines Organismus. Am Institut für Entwicklungsgenetik sind Wolfgang Wurst und seine
Mitarbeiter den molekularen Mechanismen auf der Spur,
die die embryonale Organentwicklung steuern. Sie untersuchen die genetischen Kontrollelemente entwicklungsbiologischer und neurologischer Prozesse und entwickeln Tiermodelle für menschliche Erkrankungen.
Netzwerkes, das die embryonale
Musterbildung und Differenzierung
während der Gehirnentwicklung steuert, sowie der molekularen Analyse
von psychiatrischen Krankheiten. In
der KKG „Ophthalmogenetik“ werden Erkrankungen des Auges molekulargenetisch entschlüsselt. Am Institut
für Entwicklungsgenetik wird ein
großangelegter Insertionsmutagenese
Screen durchgeführt, an dem sich fünf
verschiedene Zentren in Deutschland
beteiligen. Dieser international viel
beachtete Mutagenese Screen wird im
Rahmen des Deutschen Human
Genom Projektes (DHGP) und des
Nationalen Genomforschungsnetzes
(NGFN) unterstützt.
Der Schlüssel zum Verständnis humaner Erkrankungen liegt im Verständnis der Genfunktionen und der Interaktion der beteiligten Proteine.
Gene in der Falle
Nur ein kleiner Teil der Erbkrankheiten ist ausreichend molekular verstanden, um erfolgversprechende
neue therapeutische Ansätze entwickeln zu können. Um das Verständnis der Genfunktionen zu
beschleunigen, wurden in den letzten
Jahren die Genome von Mensch und
Maus analysiert. Der Vergleich der
Genome und die Sequenzierung von
exprimierten RNA Fragmenten hat es
33
*33-38 IDG
06.11.2002
GENFORSCHUNG
17:17 Uhr
Seite 34
INSTITUT FÜR ENTWICKLUNGSGENETIK
Injektion von
Her 5 RNA
in einen frühen
Zebrafischembryo
führt zur Reduktion
des anterioren Endoderms und zur Fehlbildung des Vorderhirns. Das intermediäre Endoderm
ist grün markiert.
Gene erkennen und verändern Die Gene Trap-Methode
ereits in der Bakterien- und Drosophila-Genetik hat man erkannt, dass die Integration eines
Stückes Fremd-DNA in das Genom zu Genmutationen führen kann. Diese Beobachtung machte man
sich zu Nutze, gezielt Genfallen-Vektoren zu entwickeln, um Gene des weitaus komplexeren Säugetiergenoms zu identifizieren und gleichzeitig zu
mutieren. Im einfachsten Fall besteht ein solcher
Genfallenvektor aus einem Reportergen, das an
eine sogenannte Splice-Akzeptor-Kassette fusioniert ist. Nach Integration eines Genfallenvektors in
das Mausgenom wird in der Regel ein Gen am Integrationsort zerstört. Durch das Einbringen einer
Reportergenkassette kann das getroffene Gen einfach mit Hilfe von PCR-Methoden identifiziert werden. In Kombination mit den embryonalen Stammzellen läßt sich das Mausgenom mit Genfallenvektor-Integrationen mutagenisieren. Diese Mutationen können anschließend über die Etablierung von
Chimären auf die nächsten Generationen übertragen werden.
Die Gene Trap-Methode hat mehrere Vorteile: Sie
erlaubt die Mutagenese im großen Maßstab, da
sie in vitro durchgeführt wird, der Integrationsort
der getroffenen Gene kann einfach ermittelt werden, das räumliche und zeitliche Expressionsmuster der getroffenen Gene wird durch das Reportergen wiedergegeben und das getroffene Gen
wird inaktiviert.
B
34
ermöglicht, 80% der ungefähr 50.000
Gene zu identifizieren.
Die Organisation und Struktur eines
Genes sagt jedoch wenig über dessen
Funktion aus. Die Genfunktionsanalysen werden stellvertretend im Tiermodell, wie z.B. der Maus und dem
Zebrafisch, studiert. Hierzu bedienen
sich die Wissenschaftler am Institut für
Entwicklungsgenetik im allgemeinen
der chemischen Mutagenese mit
Ethylnitroseharnstoff (ENU) oder der
Neuherberg
Insertionsmutagenese mittels Genfallen-Vektoren in Kombination mit der
embryonalen Stammzelltechnologie.
„Derzeit führen wir einen großangelegte Genfallenmutagenese-Screen zur
Funktionsbestimmung des Mausgenoms und der Etablierung von Tiermodellen für humane Krankheiten
durch“, erklärt Wolfgang Wurst,
Direktor des Instituts. „Dabei arbeiten
wir intensiv mit Partnern aus den
Max-Planck-Instituten und Universitä-
Uni Frankfurt TU Braunschweig
MPI Freiburg
clone production
race and
sequencing
Neuherberg
MPI Berlin
Storage and
distribution
Die Struktur des Deutschen Gene Trap Konsortiums (GGTC):
Im Rahmen des GGTC produzieren vier Institute mutierte ES Zellklone, die Identifikation der
Integrationsstellen im Genom findet am Max Planck Institut in Berlin statt. Alle Klone werden
zentral im Institut für Entwicklungsgenetik der GSF in Neuherberg gelagert und von dort an
interessierte Wissenschaftler verschickt. Die Datenbank des Konsortiums ist frei zugänglich unter
http://genetrap.gsf.de.
www.gsf.de/idg/
*33-38 IDG
06.11.2002
17:17 Uhr
Seite 35
I N S T I T U T F Ü R E N T W I C K L U N G S G E N E T I K GENFORSCHUNG
ten im Rahmen des Deutschen Human
Genom Projektes (DHGP) und des
Nationalen Genomforschungsnetzes
(NGFN) zusammen.“
„Um die Vorteile der Genfallen-Mutagenese zu nutzen, haben wir ein Konsortium mit Max-Planck-Wissenschaftlern in Freiburg und Berlin,
sowie der Universität Frankfurt und
Braunschweig gebildet, so Wolfgang
Wurst. Es wendet im Rahmen des
Deutschen Humangenom-Projekts
diese Technologie in großem Maßstab
an.“ Innerhalb dieses Konsortiums ist
es mittlerweile gelungen, sage und
schreibe 15.000 mutagenisierte ES
Zellklone zu etablieren und etwa
9.000 Integrationsorte davon molekular zu bestimmen. Gemeinsames
Ziel ist es, eine Ressource von mutagenisierten ES Zellklonen für den akademischen und industriellen Bereich
zu schaffen sowie vor allem auch
Tiermodelle für humane Krankheiten
bereitzustellen. Externe Interessenten können über das Internet eine
ganze Reihe von Daten abrufen, darunter die Identität und die chromosomale Lokalisation der mutierten
Gene, verfügbare Mutanten sowie
WT
En1
+/OTX2
www.gsf.de/idg/
Tiermodelle für humane Krankheiten.
„Im bisherigen Verlauf haben wir
bereits 66 Gene mutiert“, resümiert
Graw, „die an der Entstehung humaner Erbkrankheiten beteiligt sind. Wir
haben z.B. Integrationen in Gene
bestimmt, die für folgende Krankheiten eine wesentliche Rolle spielen:
Huntington, Mentale Retardation,
Nijmwegen-Breakage-Syndrom, Darmkrebs, Brustkrebs, Nephrotisches Syndrom und andere.“ Die mutierten ESZellen stehen der Wissenschaftsgemeinde zur Verfügung, um die molekularen Ursachen der Krankheiten
weiter zu studieren und diese Tiermodelle zur Entwicklung therapeutischer Ansätze zu nutzen.
Nervensystem und Psyche welchen Einfluss haben die Gene?
Bei einer Vielzahl von neurologischen
und psychiatrischen Krankheiten wie
Parkinson, Alzheimer, Depression
und Suchtverhalten ist die Synthese
und Freisetzung von Dopamin und
Serotonin gestört. Obwohl diese
Krankheiten erst im Erwachsenenalter auftreten, wird mittlerweile ange-
nommen, dass es sich durchaus um
frühe Entwicklungsstörungen handeln könnte, die erst im Zusammenspiel mit bestimmten exogenen Faktoren zur Ausprägung des Krankheitsbildes führen. Das Institut für Entwicklungsgenetik beleuchtet in diesem Zusammenhang speziell dopaminerge und serotoninerge Neuronen,
die physiologischen Funktionen ihrer
Neurotransmitter sowie die Interaktion mit Stresshormonen. „Wir studieren derzeit die genetischen Faktoren, die die Induktion, die Differenzierung und das Überleben dieser
Neurone bestimmen“, erläutert Wolfgang Wurst. „Wir konnten zeigen,
dass Signale des Mittel- und Kleinhirnorganisators die Differenzierung
dopaminerger und serotoninerger
Neurone beeinflussen.“ Die Transkriptionsfaktoren Engrailed sind für
das Überleben dopaminerger Neurone notwendig, wohingegen Otx2 und
Gbx2 für die Lage und Anzahl dopaminerger und serotoninerger Neurone verantwortlich sind.
Erkenntnisse dieses Forschungsschwerpunkts tragen dazu bei, adulte
neuronale Stammzellen zu programDie Botenstoffe
Dopamin
und Serotonin
werden von bestimmten
Nervenzellen produziert
und spielen für die Koordination von Bewegungen,
Denken und Fühlen eine
wichtige Rolle. Dopamin
und Serotonin sind auch für
die Entstehung und Therapie von neurologischen und
psychiatrischen Krankheiten
wie des Morbus Parkinson,
der Schizophrenie und der
Depression von großer
Bedeutung. Die Position
der Grenze zwischen
Mittelhirn und Hinterhirn
reguliert die Zahl und
den Ort Dopamin und
Serotonin produzierender
Nervenzellen.
35
*33-38 IDG
06.11.2002
GENFORSCHUNG
17:17 Uhr
Seite 36
INSTITUT FÜR ENTWICKLUNGSGENETIK
mieren, um bestimmte Neurotransmitter-produzierende Zellen in vitro
zu etablieren. Im Tiermodell können
diese Zellen durch Transplantation
den Verlust der entsprechenden Neurotransmitter-freigebenden Zellen
ersetzen. Wolfgang Wurst hofft, dass
diese Studien zu therapeutischen
Anwendungen bei neurodegenerativen Krankheiten führen.
Depressionen durch Stress?
Basierend auf den Beobachtungen,
dass die Stresshormone CRH und
Cortisol vermehrt in der Hirnflüssigkeit von post mortem analysierten
Hirngeweben depressiver Patienten
vorkommen, vermutet man, dass eine
Hyperaktivität des HypothalamusHypophyse-Nebennierenrinden-Systems die Entstehung von Depressionen mitverursacht. Um diese Hypothese zu untermauern, haben die
Wissenschaftler am Institut für Entwicklungsgenetik die Funktion des
Neuropeptids CRH und dessen
Rezeptoren CRH-R1 und CRH-R2
durch gezielte Inaktivierung bestimmter Gene tierexperimentell
untersucht. Aufgrund der spezifischen Expression von CRH-R1 im
Aphakia:
Abbruch der Augenentwicklung im Stadium
des Linsenstils.
a) Am Tag 10,5 der Embryonalentwikklung ist die Verbindung des Linsenbläschens (LV) mit dem Oberflächenrektoderm noch immer vorhanden (Linsenstil;
LS); der Augenbecher (OV) umschließt
das Linsenbläschen.
b) Eine Woche nach der Geburt ist der
Augapfel fast vollständig mit retinalem
Gewebe (R) angefüllt; die Linse, die vordere Augenkammer und der Glaskörper
fehlen. Pigmentierte Zellen haben den
vorderen Bereich unterhalb der Hornhaut vollständig überwachsen. Die
Hornhaut ist vorhanden, allerdings
wachsen von der Seite Zellen des Pigmentepithels ein.
36
Hippocampus, Amygdala und der
Hypophyse nahmen sie an, dass der
CRH-R1 Rezeptor hauptsächlich die
Stresshormonregulation kontrolliert
und dadurch direkt oder indirekt Einfluss auf das Angst- und Lernverhalten ausübt. In einem nächsten Schritt
erzeugten sie sodann in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für
Psychiatrie in München CRH-R1
Mausmutanten. Homozygote CRHR1 mutante Mäuse zeigen nach Stress
eine verminderte Freisetzung des
Stesshormons Corticosteron. Zudem
sind diese Mäuse weniger ängstlich.
Gegenwärtig laufen nun konditionale
Mutagenese-Experimente. Mit ihnen
erhoffen sich die Wissenschaftler, die
gefundenen Funktionen von CRH-R1
bestimmten Hirnarealen zuordnen zu
können. Dabei aktivieren sie CRH-R1
nur in ganz bestimmten Hirnarealen.
Auf der Grundlage der tierexperimentellen Ergebnisse wurden bereits
neue Antidepressiva entwickelt, die
derzeit klinisch getestet werden.
Verschlungene Wege
zwischen Auge und Darm
Die genetische Kontrolle der neuronalen Musterbildung ist seit einigen
a
b
Jahrzehnten Gegenstand intensiver
Forschung. Viele entwicklungsbiologische Schritte und Regulationsnetzwerke wurden bereits aufgeklärt, bei
den Steuerungsmechanismen der frühen Vertebraten-Embryogenese tappt
man dagegen noch ziemlich im Dunklen. Ein besonders gutes Tiermodell
zum Studium der frühen Embryogenese stellt der Zebrafischembryo dar.
Zum einen ist er völlig durchsichtig,
so dass man innere Organe und Zellen
direkt beobachten kann, zum anderen
ist die gesamte Embryonalentwikklung in drei Tagen extrauterine abgeschlossen. Darüber hinaus lassen sich
beim Zebrafisch Transplantationsexperimente, DNA - und RNA - Injektionen und - Zellmarkierungen einfach
durchführen. „Um diese Vorteile zu
nutzen,“ so Wolfgang Wurst, „studieren wir die Beziehungen zwischen
Hirnmusterbildung und Regionalisierung unter dem Einfluss des Endoderms, der Darmanlage.“ Während
der frühen Embryonalentwicklung
wandern endo- und mesodermale Zellen unter die sich entwickelnde Neuralplatte. Um die Frage zu klären, ob
diese Zellen die Hirnentwicklung
beeinflussen, haben die Wissenschaftler einen Transkriptionsfaktor, Her5,
der normalerweise im intermediären
Endoderm exprimiert ist, ektopisch
exprimiert. Zugleich untersuchten sie
die Entwicklung des Endoderms und
des Neuralrohres. „Anhand dieser
Experimente konnten wir zeigen, dass
das vordere Endoderm fehlt und
sekundär die Musterbildung des
Gehirns beeinträchtigt ist. Das ventrale Vorderhirn wird nicht exakt spezifiziert, die Augenanlage verdoppelt sich
nicht, so dass ein einziges Zyklopenauge entsteht. Diese Experimente zeigen, dass das vordere Endoderm die
Entwicklung des Augenfeldes mit
bestimmt“, erläutert Wolfgang Wurst
die jüngsten Ergebnisse.
www.gsf.de/idg/
*33-38 IDG
06.11.2002
17:17 Uhr
Seite 37
I N S T I T U T F Ü R E N T W I C K L U N G S G E N E T I K GENFORSCHUNG
Blinde Mäuse als Modell
D
Lamellare Trübung der menschlichen Linse
Das klinische Bild zeigt ein dreijähriges Mädchen, das an einem dominanten, angeborenen Katarakt
leidet. Die ursächliche Mutation wurde im CRYGD-Gen identifiziert.
Die Untersuchung erblicher Augenerkrankungen ist ein zweiter, langjährig
am Institut angelegter Schwerpunkt.
Mäuseklinik für angeborene
Augenerkrankungen
Ein erster systematischer Ansatz zur
Sammlung von Mutanten der Maus
mit angeborenen Augenerkrankungen wurde vor über 20 Jahren im
Institut begonnen, als männliche
Keimzellen mit Röntgenstrahlen
behandelt und die Nachkommen auf
induzierte, erbliche Katarakte (grauer
Star) untersucht wurden. Die Methode wurde später auf die Induktion
von Mutationen durch das chemische
Mutagen Ethylnitrosharnstoff (ENU)
ausgeweitet. Derzeit wird im Rahmen des Nationalen Genomfor-
schungsnetzes ein neuer Screen auf
retinale Degeneration eingerichtet.
Aus den gesamten Experimenten der
letzten 20 Jahre sind derzeit etwa
200 verschiedene Maus-Mutanten
mit angeborenen Augenerkrankungen in der Neuherberger Sammlung
vorhanden.
Den größten Platz innerhalb der Neuherberger Sammlung von AugenMutanten der Maus nimmt eine
besondere Gruppe von Mutanten ein:
Die zunächst als Cat2 bezeichnete
Gruppe umfasst über 30 unabhängig
voneinander beschriebene Mutationen. Sie werden heute einem Cluster
von 6 Genen (Cryga ➔Crygf) auf dem
Chromosom 1 der Maus zugeordnet
und kodieren für 6 stark verwandte
Proteine, die (웂 Kristalline. Biophysikalisch werden sie durch 4 sog. Grie-
ie homozygote Mausmutante aphakia (ak)
bildet im Laufe ihrer embryonalen Entwikklung weder eine Linse (aphak = ohne Linse)
noch eine Pupille aus. Das Gen für diesen „ak Phänotyp“ haben Wissenschaftler schon früh auf
dem Chromosom 19 der Maus lokalisiert. In aufwendigen Arbeiten zur Feinkartierung wurde
seine genaue Lage in der GSF auf etwa 0,8 + 0,5 cm
eingegrenzt und damit eine Reihe von Kandidatengenen ausgeschlossen. Ein wichtiges Kandidatengen war auch Pitx3. Es kodiert für einen
Transkriptionsfaktor mit dem charakteristischen
Merkmal einer Homeobox, der während der
Augenentwicklung exprimiert wird. Mutationen
dieses Gens zeigen bei Menschen in verschiedenen Familien Fehlentwicklungen des vorderen
Augenabschnitts, die mit Katarakten verbunden
sind. Das humane Pitx3-Gen liegt auf dem Chromosom 10q24.
In der ak-Maus zeigte die DNA-Analyse allerdings
im kodierenden Bereich keinerlei Unterschiede zu
den Wildtyp-Tieren. Erst die Untersuchung des
Promotors brachte die Lösung: Zwei Deletionen
(652 bp und 1423 bp) im Promotor und im Bereich
des Transkriptionsstarts des Pitx3-Gens sind für
seine fast vollständige Abschaltung verantwortlich;
damit fällt offensichtlich ein wichtiges Element in
der Signalkette der Augenentwicklung aus.
Lebendige
transgene
Embryonen,
die das GFP
(Green Fluorescent
Protein) spezifisch
im Mittelhirn
exprimieren.
www.gsf.de/idg/
37
*33-38 IDG
06.11.2002
GENFORSCHUNG
17:17 Uhr
Seite 38
INSTITUT FÜR ENTWICKLUNGSGENETIK
Zebrafisch als Modell:
Erwachsener Zebrafisch (oben)
und zwei Embryonen, die für die
Expression von neuronalen Markern gefärbt wurden (unten).
chische Schlüssel-Motive charakterisiert. Für alle sechs Gene wurden im
Institut für Entwicklungsgenetik
Mutationen identifiziert. Auch beim
Menschen sind Mutationen in den
CRYG-Genen als Ursache für angeborene Katarakte beschrieben. In einer
gemeinsamen Studie mit ihrem indi-
Mutation in
Crybb2: Semidominante,
progressive
Katarakt.
Eine klare Linse des
Wildtyps (links oben) im
Vergleich mit der Linse
einer homozygoten Katarakt-Linse, beide im Alter
von drei Wochen (rechts
oben). Bis zum Alter von
11 Wochen entwickelt
sich aus der Nahttrübung
eine Totaltrübung (rechts
unten); eine gleich alte
Kontrolle ist unten links
abgebildet.
38
schen Kooperationspartner aus Chennai haben Jochen Graw, Arbeitsgruppenleiter am Institut und seine Mitarbeiter kürzlich drei Familien mit angeborenen, erblichen Katarakten und
Mutationen in CRYG-Genen charakterisiert. Ähnlich wie die 웂Kristalline
weisen die 웁 Kristalline eine charakte-
ristische Struktur von 4 Griechischen
Schlüssel-Motiven auf. Nur ein Teil
der Cryb-Gene ist in einem Cluster
angeordnet (Cryba4, Cryb1➔3 auf
dem Chromosom 5 der Maus); die
Gene Cryba1 und Cryba2 liegen
isoliert auf den Chromosomen 11
bzw. 1.
Im Rahmen des ENU-Screens ist es
den Entwicklungsgenetikern gelungen, zwei progressive Katarakte bei
heterozygoten Mutanten, Aey2 und
Aey3, zu beobachten. Die Aey2 Mutanten zeigen zunächst Trübungen der vorderen Linsennaht und
erreichen im Alter von etwa acht
Wochen ihren vollständig entwickelten Phänotyp als Totaltrübung.
Die Mutation wurde auf dem Chromosom 5 der Maus lokalisiert. Die
Sequenzanalyse der Kandidatengene,
die für 웁A4-, 웁B1➔웁B3-Kristallin
kodieren (Cryba4, Crybb1, Crybb2,
Crybb3), zeigte nur im Exon 6 des
Crybb2-Gen eine Veränderung. Die
molekulare Analyse von Aey3, welche bei der Maus eng mit dem
Cryba1-Gen auf Chromosom 11
gekoppelt ist, zeigte eine Punktmutation am Beginn des 6. Exons. Für
beide Mutationen der Maus gibt es
auch entsprechende menschliche,
erbliche Augenerkrankungen.
■
www.gsf.de/idg/
Herunterladen