Neuherberg Institute of Development Genetics (Direktor: Prof. Dr. Wolfgang Wurst) chwerpunkt der Forschungsaufgaben des Institutes für Entwicklungsgenetik ist die Bestimmung der genetischen Faktoren, die die entwicklungsbiologischen Prozesse kontrollieren, und die Etablierung von Tiermodellen für humane Erkrankungen. Im Besonderen werden die molekularen Netzwerke identifiziert und charakterisiert, die die neuronale Musterbildung steuern und die Differenzierung bestimmter Neurotransmitter- und Neuropeptiden-freisetzender Zellen bestimmen sowie komplexe Verhaltensvorgänge wie Angst und Stress regulieren. Als Tiermodelle werden Zebrafische und Mäuse eingesetzt, um die Genfunktionen im Gesamtorganismus zu bestimmen. Hierzu werden Gene inaktiviert oder überexprimiert und anschließend die pathophysiologischen Veränderungen untersucht. Zur Geninaktivierung setzen wir die homologe Rekombination und die Genfallentechnologie in Verbindung mit murinen embryonalen Stammzellen und die chemische Mutagenese und Morpholinostrategie bei Zebrafischen ein. Die phänotypischen Veränderungen der Mutanten werden durch neuropathologische, immunohistochemische, neuroendokrinologische und verhaltensbiologische Analysen bestimmt. Parallel zur Weiterentwicklung von molekulargenetischen Techniken werden bioinformatische Ansätze integriert, um das Genom in silico zu analysieren, neue Gene zu identifizieren, zu annotieren und deren Funktionen sowie die genetischen Interaktionen vorherzusagen, S Neuherberg DIE INSTITUTE Institut für Entwicklungsgenetik (Direktor: Prof. Dr. Wolfgang Wurst) esearch in the Institute focuses on the determination of genetic factors that control developmental biological processes, and establishing animal models of human disease. In particular, the genetic networks that underlie neuronal pattern formation, determine the differentiation of certain neurotransmitter and neuropeptide-releasing neurons, and regulate complex behavioural patterns like anxiety and stress are identified and characterised. Zebra fish and mice are used as animal models so that gene functions can be investigated in the complete organism: genes are inactivated or ectopically expressed and the resultant pathophysiological alterations determined. For gene inactivation we use homologous recombination and gene trap technology in combination with murine embryonic stem cells, and chemical mutagenesis and morpholinous strategies in zebrafish. The phenotypical alterations in the mutants are determined using neuropathological, immunohistochemical, neuroendocrinological, and behavioural assays. Parallel to further development of the molecular-genetic techniques, we use bioinformatics approaches to analyse the genome in silico (using computer models) in order to identify novel genes, determine the hierarchy of the genetic network, and predict the function and genetic interactions of the genes – which can then be verified experimentally. Within the framework of the German Human Genome Project and the National R 153 GSF die anschließend experimentell verifiziert werden. Das Institut für Entwicklungsgenetik interagiert im Rahmen des Deutschen Genom Programmes (DHGP) und des Nationalen Genome Netzwerkes (NGFN) interdisziplinär sowohl mit vielen Instituten innerhalb der GSF, mit Max-Planck-Instituten sowie Universitäten im gesamten Bundesgebiet als auch mit vielen Institutionen weltweit. Dem Institut ist eine klinische Kooperationsgruppe „Klinische Neurogenetik“ angegliedert, die in Zusammenarbeit mit dem MPI für Psychiatrie Tiermodelle für psychiatrische Krankheiten etabliert, um neue Therapiemodelle für die klinische Forschung bereitzustellen. Im Jahre 2002 hatte das Institut 74 Mitarbeiter, davon 37 Wissenschaftler/innen (16 von ihnen waren sonderfinanziert), 11 Gastwissenschaftler und 6 Doktoranden. Tiermodelle für humane Krankheiten Zur Etablierung von Tiermodellen für humane Krankheiten setzen wir gezielte Mutagenese mittels homologer Rekombination in ES-Zellen ein bzw. zufällige Genaktivierung mit Hilfe der Genfallentechnologie. Im Rahmen des Deutschen Humangenom-Projektes führen wir einen großangelegten Mutagenese-Screen mittels der Genfallentechnologie durch. Wir haben bisher 9000 mutante ES-Zellen erzeugt und die Mutationen molekulargenetisch charakterisiert. Davon haben 90 Genfallenvektorintegrationen in Mausgenen stattgefunden, die Ähnlichkeit zu humanen Krankheitsgenen zeigen (s. Abb. 1) (http://genetrap.de). Diese umfassen z.B. Tumorsuszeptibilitätsgene, Gene, die in neurologische Krankheiten involviert sind wie z.B. Alzheimer-, Parkinson- und Huntington-, Augen-, Taubheit sowie Nierenfunktionstörungen und andere. Ein Schlüsselmolekül für die Nierenfunktion und die Protein-Ultrafiltration von Plasma und damit das Recycling von Proteinen im Organismus, die sonst mit dem 154 GSF Genome Network, the Institute fosters interdisciplinary exchange with many of the GSF Institutes, with Max-Planck-Institutes, with universities from across Germany, and with many international institutes. A clinical cooperation group ’Clinical Neurogenetics’ is attached to the Institute which collaborates closely with the MaxPlanck-Institute of Psychiatry, Munich, to develop animal models for psychiatric diseases so that new therapeutic models can be developed for clinical research. In 2002 the Institute had 74 members of staff, including 37 scientists (16 in grantfunded projects), 11 visiting scientists, and 6 postgraduate students. Harn ausgeschieden würden, stellt das Nephrin-Protein dar. Die Filtration findet in einem Spalt zwischen den PodozytenFortsätzen des Glomerulus statt, die durch ein enges Geflecht von Nephrin-Molekülen durchzogen sind. Dadurch werden Proteine im Blutplasma zurückgehalten. Kinder, die eine Mutation im Nephrin-Gen tragen, verlieren nahezu alle Plasmaproteine einschließlich der Immunglobuline mit dem Urin. Aufgrund des Defektes sterben die Kinder in der Regel in den ersten drei Lebensmonaten. In Finnland tritt diese Mutation mit einer Häufigkeit von 1:10 000 in der Population auf. In unserem Genfallenscreen haben wir eine Mutation im Nephrin-Gen identifiziert und das Mausmodell etabliert. Interessanterweise fehlt der Mausmutante – genau wie beim menschlichen Syndrom – das Interpodozyten-Schlitz-Diaphragma. Dementsprechend waren neugeborene Mäuse nicht in der Lage, Proteine aus dem Plasma zu filtrieren, sie entwickelten eine Proteinurie, und sie sterben nach den ersten Lebenstagen. Dieses Tiermodell wir nun dazu benutzt, lebensverlängernde Therapien an NephrinMutanten zu entwickeln. Die Depression ist weltweit die häufigste psychiatrische Erkrankung. Eine Schlüssel- DIE INSTITUTE Abb. 1: Internet-Zugang zur Datenbank des Deutschen Gene Trap Konsortiums (GGTC). funktion zur Pathogenese hat das Corticotropin-freisetzende Hormon (CRH) und dessen Rezeptoren (CRH-R1 und CRH-R2). Mäuse, die keinen CRH-R1-Rezeptor exprimieren, zeigen eine verminderte Corticosteron-Freisetzung unter basalen und Stress-Bedingungen als auch ein reduziertes Angstverhalten. Darüber hinaus konnten wir zeigen, dass CRH-R1-Mutanten nach Stress dazu neigen, vermehrt Alkohol zu konsumieren. Diese Analysen weisen darauf hin, dass der CRH-R1-Signal-Transduktionsweg ein wichtiger Risikofaktor für Alkoholismus sein könnte. Humane Studien müssen folgen, die diese Hypothese zu untermauern. Identifizierung dopaminerger und serotoninerger Neuronen Mittelhirn-dopaminerge und Kleinhirnserotoninerge Neurone produzieren einen Großteil von Dopamin und Serotonin im zentralen Nervensystem. Beide Neurotransmitter spielen eine wichtige Rolle in der Modulation des Angstverhaltens, der Bewegungskoordination und des emotionalen Verhaltens. Trotz der Wichtigkeit dieser Neuronenpopulationen ist wenig über deren Entwicklung bekannt. Während der Embryonalentwicklung werden die Mittelhirn dopaminerge Neuronen rostral zum sogenannten Mittelhirn- und Kleinhirnorganisationszentren (MHO) induziert und die serotonerge Neurone caudal dazu. Anhand eines trangenen Models, in dem wir den Transkriptionsfaktor Otx2 und auch den MHO caudal innerhalb der Mittel- und Kleinhirnregion verschieben, werden zusätzlich dopaminerge Neurone induziert, während die Entwicklung von serotonergen Zellgruppen unterdrückt wird. Diese zellulären Veränderungen werden auch im erwachsenen Tier aufrechterhalten. Die ektopisch induzierten dopaminergen Neurone projizieren in das Striatum, das ein natürliches Zielgebiet von Mittelhirn-dopa- 155 GSF A WT B En1+/Otx2 VTA SN TH TH C D E TH FG TH/FG Abb. 2: Die Lage der Mittel-/Hinterhirngrenze kontrolliert die Größe Dopamin produzierender Nervenzellgruppen. Abbildung A zeigt einen Ausschnitt aus einem normalen Mausgehirn (WT), während Abbildung B einen Teil eines Gehirnes einer mutierten Maus zeigt, deren Mittel-/Hinterhirngrenze verschoben ist (En1+/Otx2). Dopamin produzierende Zellen der Substantia Nigra (SN) und der Ventralen Tegmentalen Area (VTA) werden durch das braun markierte TH Protein sichtbar gemacht. Der Vergleich der beiden Abbildungen zeigt, dass Mäuse mit einer verschobenen Mittel-/Hinterhirngrenze zusätzliche Dopamin produzierende Nervenzellen haben (Pfeile). Abbildungen C, D und E zeigen die zusätzlichen Zellen in einer Großaufnahme. Flurogold (FG) ist eine Substanz, die benutzt wurde, um Nervenzellen sichtbar zu machen, die ihr richtiges Innervationsgebiet finden (D, E). Abbildung E ist ein Überlagerungsbild aus C und D. Es zeigt an, dass die zusätzlichen Dopamin produzierenden Nervenzellen tatsächlich auch ihr richtiges Innervationsgebiet finden (Pfeile). minergen Neuronen darstellt (s. Abb. 2). Daraufhin haben wir die Freisetzung von Dopamin im Striatum mittels high performance liquid chromatography (HPLC) bestimmt und konnten zeigen, dass etwa 25 % mehr Dopamin in dieses Zielgebiet freigesetzt werden. Um zu zeigen, dass diese physiologischen Veränderungen der Dopaminproduktion und Freisetzung Einfluss auf das Verhalten der Tiere hat, wurden Verhaltensexperimente durchgeführt. Entsprechend der erhöhten Dopamin-Freisetzung 156 GSF im Striatum zeigen die Tiere erhöhte Lokomotion. In Otx1-/-, , Otx2-/+ mutanten Mäusen, bei denen die Otx-Expression reduziert ist, wird der MHO in das Vorderhirn verlagert, und entsprechend werden die dopaminergen Neurone im Vorderhirn induziert. Zusammenfassend zeigen diese Analysen, dass die Anzahl und die Lage der dopaminergen und serotonergen Neuronen durch den MHO determiniert werden. Die Lage des MHO wiederum wird durch das Expressionsniveau von Otx2 bestimmt. DIE INSTITUTE nMLF RoM1 RoL1 M RoM/L2 RoM/L2 RoM3 RoM3 RoM3 MiM/V1 M MiM/V1 r4 MiV/D2 nV nV nV M MiD3 CaD/V CaD/V Abb. 3: Retrograde Markierung mit Rhodamindextran (rot) von Reticulospinal-Neuronen im Mittelhirn von Wildtyp (WT) und N-Cadherin Mutanten (pacpaR2.10). Alle Neuronen sind in den Mutanten vorhanden, jedoch nicht am richtigen Ort. Die Pfeile zeigen die Mauthner Zellen, die normalerweise in Rhombomere 4 (r4) des Hinterhirns lokalisiert sind. N-Cadherin reguliert die NeuronalrohrEntwicklung. N-Cadherin ist ein Mitglied der Ca2+- abhängigen Zelladhäsionsmoleküle, das wahrscheinlich pleiotrope Effekte während der Embryonalentwicklung einschließlich der Somitogenese, Herzmorphogenese, Neuronalrohrentwicklung und der RechtsLinks-Asymmetrie hat. Jedoch die Erkenntnisse über seine In-vivo-Funktion sind bisher limitiert. In einem ENU-Screen für Mutanten, die Defekte in der Mittel- und Hinterhirnentwicklung aufweisen, wurden drei Zebrafisch-Mutanten isoliert, die Mutationen im N-Cadherin Gen tragen. Alle Mutationen führen zu einem nicht-funktionierenden Genprodukt und resultieren in sehr ähnlichen phänotypischen Veränderungen. Alle Mutanten weisen Neuralrohrdefekte im Mittelhirn, Hinterhirn und Rückenmark auf (s. Abb. 3). Diese Entwicklungsstörungen basieren auf veränderter neuroekto- dermaler Zelladhäsion und Zellmigration während der Neurolation. Zusätzlich sind viele Neurone in der dorsoventralen und anterioposterioren Achse falsch lokalisiert. Auf zellulärer Ebene wurde ursprünglich erhöhte Mitose und später erhöhte Apoptose beobachtet. Diese Ergebnisse zeigen neue Funktionen von N-Cadherin bei der Kontrolle der Zellmigration, der Lokalisation von Neuronen und der Zellproliferation während der Neuronalrohrentwicklung auf. -Sekretase inhibiert den Notch-Signaltransduktionsweg Die Akkumulation von Amyloid--Peptiden (A) in Neuronen ist mit dem pathologischen Erscheinungsbild der AlzheimerErkrankung assoziiert. A entsteht durch Spalten des -Amyloid-Vorläufer-Proteins (APP). Die Aggregation von A ist vermut- 157 GSF wild-type DAPT-treated Abb. 4: Vergleich von Fgf-8-Expression in Wildtyp (WT) und -Sekretase-Inhibitor-behandelter (DAPT) Zebrafish-Embryonen. Behandelte Embryonen zeigen einen Verlust von Fgf-8-Expression in den Somiten. Diese Veränderung ist ähnlich einer Inaktivierung des Notch-Signaltransduktionsweges. lich verantwortlich für die Bildung von Protofibrillen und den neurotoxischen Effekten. Um die Entstehung von A in Alzheimer-Patienten zu verhindern, wurden Inhibitoren gegen -Sekretase entwickelt. Die -Sekretase prozessiert nicht nur APP, sondern auch die Notch-Rezeptoren. Die Notch-Rezeptoren haben während der Embryogenese vielfältige Funktionen bei der Somitenbildung und der Neuronalentwicklung. Um die Effekte und potentiellen Nebenwirkungen von -Sekretase-Inhibition auf die A-Bildung und auf den Notch-Signaltransduktionsweg nachzuweisen, wurden Zebrafischembryonen mit -SekretaseInhibitoren behandelt. Die behandelten Embryonen zeigten phänotypische Veränderungen während der Somitenentwicklung und Neurogenese, die den Notch-Mutanten sehr ähnlich sind (s. Abb. 4). Diese Experimente zeigen deutlich, dass -Sekretase-Inhibitoren bei Alzheimer-Patienten aufgrund der Nebenwirkungen nicht therapeutisch eingesetzt werden können und dass der Zebrafisch ein ideales Tiermodell darstellt, geeignete Anti-Alzheimer-Medikamente zu selektionieren. Zusammenarbeit Ausgewählte Veröffentlichungen Mitarbeiter des Institutes sind Mitglieder im Vorstand der Gesellschaft für Genetik und im Chromosom 9 Committee der Maus sowie Mitglieder im Editorial Board of Experimental Eye Research and Ophthalmic Research. Das Institut hat Forschungsverträge und sonderfinanzierte Forschungsvorhaben bei der Europäischen Union (2), bei der DFG (4), beim Deutschen Humangenomprojekt (4), beim Nationalen Genomforschungsnetz (6), beim BMBF (4), bei der HemholtzGemeinschaft der Forschungszentren (2) und bei der VW-Stiftung (1). Sillaber, I., Rammes, G., Zimmermann, S., Mahal, B., Zieglgansberger, W., Wurst, W., Holsboer, F., Spanagel, R.: Enhanced and delayed stress-induced alcohol drinking in mice lacking functional CRH1 receptors. Science 296(5569), 931–933. (2002) Geling, A., Steiner, H., Willem, M., Bally-Cuif, L., Haass, C.: A gamma-secretase inhibitor blocks Notch signaling in vivo and causes a severe neurogenic phenotype in zebrafish. EMBO Rep 3(7), 688–694. (2002) Lele, Z., Folchert, A., Concha, M., Rauch, G.J., Geisler, R., Rosa, F., Wilson, S.W., Hammerschmidt, M., BallyCuif, L.: parachute/n-cadherin is required for morphogenesis and maintained integrity of the zebrafish neural tube. Development 129(14), 3281–3294. (2002) Goudreau, G., Petrou, P., Reneker, L.W., Graw, J., Löster, J., Gruss, P.: Mutually regulated expression of Pax6 and Six3 and its implications for the Pax6 haploinsufficient lens phenotype. Proc Natl Acad Sci U S A 99(13), 8719–8724. (2002) Landgrebe, J., Wurst, W., Welzl, G.: Permutation-validated principal components analysis of microarray data. Genome Biol 3(4) (2002) 158 GSF