Experimente zum EPR

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Interpretation der QM
EXPERIMENTE ZUM EPR-PARADOXON
WS 2004/05
Experimente zum EPR-Paradoxon
EPR-Paradoxon [8]:
Nach A. Einstein, B. Podolski und N. Rosen benanntes Gedankenexperiment (1935) zur Frage der
Unvollständigkeit der Quantentheorie, die anhand des Verhaltens verschränkter Zweiteilchen-Zustände bei
der Messung eines der Teilchen demonstriert werden sollte.
Bellsche Ungleichungen [8]:
Die 1964 von J.S. Bell angegebenen und später von anderen Autoren verallgemeinerten Ungleichungen für
die Spinkorrelation räumlich beliebig weit separierter, verschränkter Zweiteilchen-Zustände im Rahmen lokaler
Theorien verborgener Parameter. Die Bellschen Ungleichungen gestatten eine experimentelle Prüfung des
EPR-Paradoxons.
Bellsches Theorem [4]:
-
Eine beliebige Theorie lokal verborgener Variablen erfüllt die Bell-Ungleichung.
-
Bestimmte Vorhersagen der Quantenmechanik verletzen die Bell-Ungleichungen, weshalb eine
Theorie lokal verborgener Variablen inkompatibel mit der Quantenmechanik ist.
Aufgrund dieses Theorems ist es prinzipiell möglich, zu entscheiden, ob irgendeine Theorie lokal verborgener
Variablen existieren kann, die Quantenmechanik also unvollständig ist.
Experimentschema einer optischen Variante des EPR-Gedankenexperiments (Bohm) [4]:
[2]
Von einer Quelle S wird ein Paar von Photonen mit verschiedenen Frequenzen
! 1 und ! 2 emittiert. Sie
bewegen sich in entgegengesetzte Richtungen auf der z-Achse. Der Zustandsvektor, der die Polarisation der
beiden beschreibt, lautet
| ! (" 1 ," 2 ) =
wobei
1
(| x, x + | y, y ) ,
2
| x und | y die linear polarisierten Zustände beschreiben. Das Besondere an diesem Zustand ist,
dass er nicht in ein direktes Produkt zweier Zustände zerlegt werden kann, von denen jeder mit einem der
beiden Photonen assoziiert ist (nicht faktorisierbarer Zustand). Als Konsequenz kann keinem der beiden
Photonen eine Polarisation zugeordnet werden. Ein derartiger Zustand, der nur als Ganzes betrachtet werden
kann, wird als verschränkter Zustand bezeichnet.
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EXPERIMENTE ZUM EPR-PARADOXON
Der Polarisator I (II) mit Polarisationsrichtung a (b) misst, ob
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! 1 (! 2 ) parallel oder orthogonal zu a (b)
polarisiert ist, was einem Ergebnis +/- entspricht.
Wird nun die Polarisation von
! 1 gemessen, ist damit quantenmechanisch die Polarisation von ! 2 instantan
festgelegt. Damit ergibt sich die Wahrscheinlichkeit, dass beide Messungen + (-) ergeben mit
v v
v v 1
v v
P+ + (a , b ) = P!! (a , b ) = Cos 2 (a , b ) .
2
Wie man sieht, ist die zweite Messung von der ersten abhängig (was bei einer Theorie lokal verborgener
Variablen nicht der Fall wäre). Berechnet man den Korrelationskoeffizienten, erhält man deswegen
abweichende Ausdrücke für eine Theorie lokal verborgener Variablen und die Quantenmechanik.
Mit Hilfe dieser Korrelationskoeffizienten formulierte Bell seine Ungleichungen, denen folgende zwei
Hypothesen zugrunde liegen:
-
Lokalitäts-Bedingung: Die beiden Messungen beeinflussen sich nicht gegenseitig.
-
Korrelationen werden durch lokal verborgene Variablen verursacht.
Erzeugung verschränkter Zustände [4]:
Das Um und Auf bei allen Experimenten ist die Erzeugung von verschränkten Zuständen. Je nachdem mit
welcher Art von Teilchen man die Experimente durchführt, gibt es verschiedene Möglichkeiten der Erzeugung:
-
Photonen
Atomare Übergänge: Mit Hilfe eines Lasers werden geeignete Atome angeregt, wobei bei der
Rückkehr in den Grundzustand für bestimmte Übergänge zwei verschränkte Photonen abgegeben
werden. Abstrahlung erfolgt dabei in den gesamten Raumwinkel.
Nicht-linearer Kristall [5], [7]: Ein paar energetisch gleicher Photonen wird
durch parametric down conversion aus einem energetisch höheren Photon in
einem nicht-linearem Kristall erzeugt. Der Vorteil dieser Methode ist, dass die
abgestrahlten Photonen richtungrichtungskorreliert sind. Dadurch erhält man
eine größere Ausbeute an verschränkten Photonen.
-
Atome[6]
Dissoziation: Ein zweiatomiges Molekül mit Spin 0 wird mittels Laser so hoch angeregt, dass es
dissoziiert. Die beiden dabei entstehenden Atome haben Spin +/- 1/2. und sind verschränkt.
Wechselwirkung: Zwei Rydberg-Atome passieren hintereinander ein high-Q Mikrowellen-Feld. Bei
passender Wahl der Interaktionszeit zwischen den Atomen und dem Feld, wird Verschränktheit
erreicht.
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Experimentelle Überprüfungen der Bell-Ungleichungen [4]
Erste Generation (1971 – 1976)
Dabei handelt es sich um drei Experimente, die alle mit verschränkten Paaren von Photonen durchgeführt
wurden. Als Quelle verwendeten alle Übergänge in angeregten Atomen, allerdings wurden stets verschiedene
Elemente bzw. verschiedene Übergänge verwendet, wodurch sich auch die Zahl der erzeugten korrelierten
Photonen unterschied. Als Polarisator wurde nur ein einkanaliger Polarisator benutzt. Dadurch konnte immer
nur eine Polarisationsrichtung gemessen werden wodurch auch die Bell-Ungleichungen angepasst werden
mussten. Um die nötigen Korrelationskoeffizienten zu erhalten, mussten die Experimente mit verschiedenen
Polarisator-Einstellungen bzw. ohne Polarisator wiederholt werden.
Um dies rechtfertigen zu können, musste man ein zusätzliche Annahme einführen, die CHSH Annahme: Die
Wahrscheinlichkeit der gemeinsamen Detektion eines verschränkten Paares ist unabhängig von der
Polarisator-Richtung.
Resultate: Das erste Experiment, in Berkeley durchgeführt, zeigte gute Übereinstimmung mit der
Quantenmechanik (5 Standardabweichungen), allerdings war das Signal so schwach, dass die Messung 200
Stunden dauerte.
Gleichzeitig wurde in Harvard ein Experiment durchgeführt, dessen Resultate im Widerspruch zur
Quantenmechanik standen. Die Messung dauerte 150 Stunden. Eine Wiederholung desselben Aufbaus mit
einem anderen Isotop als Quelle, ergab jedoch eine Übereinstimmung mit der Quantenmechanik.
In Houston ergab das letzte der Experimente der ersten Generation Übereinstimmung mit der
Quantenmechanik (4 Standardabweichungen). Dank einer verbesserten Quelle, dauerte die Messung nur 80
Minuten.
Zweite Generation (1976 – 1982)
Diese besteht aus drei Experimenten, durchgeführt von Alain Aspect in Orsay (Orsay-Experimente).
Verwendet wurde bei allen drei Experimenten die gleiche, stark verbesserte Quelle. Beim ersten Experiment
wurde ein einkanaliger Polarisator verwendet. Die neue Quelle ermöglichte es, dass die Messungen nur 100
Sekunden dauern mussten, um statistisch vertrauenswürdige Daten zu erhalten. Außerdem wurden weitere
physikalische Test durchgeführt (z.B.: Rotationssymmetrie der Quelle, Stabilität der Quelle). Der direkte Test
der Bell-Ungleichung ergab eine Verletzung derselbigen von 9 Standardabweichungen. Abweichungen kamen
durch nicht perfekte Polarisatoren zustande. Die Vorhersagen wurden für volle 360° Ausrichtung der
Polarisatoren bestätigt. Letztendlich konnte das Ergebnis auch für eine raumartige Entfernung der zwei
Messvorrichtungen bewiesen werden. Danach wurde das erste Experiment mit zweikanaligen Polarisatoren
realisiert, was den Vorteil hatte, dass man nun unterscheiden konnte, ob ein Photon „geblockt“ oder einfach
nicht detektiert worden war. Deshalb war die CHSH Annahme nicht mehr nötig, aber immer noch eine
abgeschwächte Variante: Das gemessene Paar Photonen ist immer das gleiche unabhängig von der
Ausrichtung der Polarisatoren (vorher gleich viele Photonen). Die fair-sampling Annahme geht davon aus,
dass die gemessenen Photonen eine repräsentative Auswahl darstellen. Sie ist sehr einsichtig, wenn auch
nicht beweisbar, und stärker als obige Annahme. Auch hier ergab sich bemerkenswerte Übereinstimmung mit
der Quantenmechanik von mehr als 40 Standardabweichungen.
Bei einem idealen Test der Bell-Ungleichung sollte es bereits laut Bell möglich sein, die Ausrichtung der
Polarisatoren zufällig(!?) zwischen zwei Einstellungen zu wechseln. Dies wurde erstmals im dritten
Experiment von Aspect verwirklicht, das ebenfalls die Quantenmechanik mit 5 Standardabweichungen
bestätigte. Hier verwendete er wieder einkanalige Polarisatoren. Das Umschalten erfolgte quasiperiodisch,
das heißt es gab nur zwei vorgegebene mögliche Intervalle, nach denen umgeschalten wurde. Weiters waren
die Messvorrichtungen raumartig getrennt.
Obwohl dieses Experiment bis 1998 das Beste dieser Art war (wechselnde Polarisator-Einstellungen), blieben
immer noch genug Schlupflöcher: fair-sampling Annahme, einkanalige Polarisatoren, Quasi-Peridiozität.
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Dritte Generation
Da die Methode der verschränkten Zustandserzeugung mittels Übergängen in Atomen ausgereizt war, konnte
nur ein neues Verfahren Verbesserungen in diesem Bereich bringen: parametric down conversion. Dieses
ermöglichte auch die Erstellung von andersartigen Verschränkungen, wie zum Beispiel bezüglich der Zeit
oder der Richtung der Emission. Ersteres bietet den Vorteil, dass man die Photonen durch optische Leiter
schicken
kann,
was
bei
Polarisation-Verschränkung
nur
schwer
möglich
ist.
Alle verbesserten Experimente gingen zugunsten der Quantenmechanik unter der fair-sampling Annahme
aus. Erwähnenswerte Varianten beinhalteten kilometerlange Leitungen oder widersprechen den BellUngleichungen mit 100 Standard-Abweichungen.
Besonders hervorzuheben unter den neuesten Experimenten der dritten Generation sind das Texas A&M
Experiment und das von Zeilinger unter strikten Einstein-Lokalitätsbedingungen durchgeführte Experiment.
Schlupflöcher [6]
Folgende Probleme traten bzw. treten noch bei der Durchführung der Experimente auf:
-
Räumliche Korrelation: Idealerweise sollten bei der Entstehung des verschränkten Zustandes nur die
beiden verschränkten Teilchen selber involviert sein. Dies war bei der Erzeugung mittels eines
angeregten Atoms nicht möglich, weil das Atom einen Teil des Impulses aufnimmt und deshalb die
Ortskorrelation der beiden Photonen verschmiert.
-
Detektor-Effektivität: Dieses Problem resultiert aus der Tatsache, dass experimentell nicht alle
Teilchen detektiert werden können. Der Detektionsfaktor ist folglich immer kleiner als 1. Unterschreitet
er sogar einen kritischen Wert, der bei perfekten übrigen Versuchbedingungen je nach Versuch
zwischen 0.67 und 0.82 liegt, ist die Ungenauigkeit so groß, dass die Bellsche Ungleichung nicht
mehr verletzt wird.
-
Kommunikation:
Um
jegliche
Beeinflussung
durch
Kommunikation zwischen den beiden Detektoren zu
verhindern, muss raumartige Entfernung gegeben sein, das
heißt man muss garantieren, dass keinerlei Kommunikation
zwischen den beiden Messprozessen stattfinden kann. Der
Messprozess beginnt mit der (zufälligen) Einstellung des
Polarisators und endet mit der Detektion.
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Texas A&M Experiment [6]
Hierbei handelt es sich um ein Experiment mit verschränkten Atomen. Dabei wird ein
199
Hg 2 -Dimer
(Gesamtspin 0) mittels Laser dissoziiert, wobei die entstehenden Einzelatome mit Spin +/- ½ in einem
verschränkten Zustand entstehen. Der Zustand ist aufgrund geringer Wechselwirkung des Kernspins mit
seiner Umgebung sehr rein und sehr stabil.
Da die Photodissoziation in einem Zweikörper-System stattfindet, gilt für die auseinander fliegenden Atome
die Impulserhaltung, weshalb sie sich im Schwerpunktsystem unter einem Winkel von 180° voneinander
entfernen, was perfekte räumliche Korrelation bedeutet. In der Praxis wird diese allerdings dadurch verringert,
dass die Dissoziation nicht an einem punktförmigen Ort stattfindet, und im Laborsystem die Geschwindigkeit
des Dimers hinzuaddiert werden muss. Der räumliche Korrelationsfaktor beträgt aber immer noch 0.94. Die
Effizienz des Analysators beträgt über 99%. Auch der Detektor funktioniert mit einer Effizienz nahe 1. Da bei
der Detektion das Quecksilber-Atom ionisiert wird und sowohl das Ion als auch das Elektron aufgezeichnet
werden können, ergeben sich verschiedene Möglichkeiten statistischer Auswertungen und Tests, was die
Ergebnisse sehr vertrauenswürdig macht. Das Lokalitäts-Schlupfloch kann ebenfalls gestopft werden, indem
elektrooptische Schalter nach dem Zufallsprinzip innerhalb von Nanosekunden die Ausrichtung der
Analysatoren ändern. Eine Entfernung von 12 Metern der beiden Detektoren ist ausreichend, um
Kommunikation zu verhindern. Dieses Experiment befindet sich zur Zeit noch in Planung, bzw. war es uns
nicht möglich irgendwelche Publikationen darüber zu finden die den Ausgang beschrieben.
Innsbruck-Experiment (Zeilinger) [1]
1998 war dies das erste Experiment, das das Kommunikations-Schlupfloch vollkommen stopfte. Die
Messungen wurden für verschränkte Photonen gemacht, die mit type-II parametric down conversion erzeugt
wurden. Dabei waren die beiden Messapparate 400 Meter getrennt, weswegen der Messprozess kürzer als
1.3 Mikrosekunden dauern musste, um jegliche
Kommunikation
zwischen
den
beiden
Messungen zu verhindern. Der Messprozess
besteht aus Erzeugung einer Zufallszahl (0/1),
Ausrichten des Analysators und Detektion und
dauert 75 Nanosekunden. Erwähnenswert ist
dabei, dass die Messungen erstmals auf zwei
verschiedenen
PCs
völlig
unabhängig
voneinander aufgezeichnet wurden und die
Daten erst am Ende auf einem dritten PC
verglichen
wurden.
Der
verwendete
Zufallsgenerator besteht aus einer LED und
einem Strahlteiler, dessen Output über Photomultiplier in die Zahlen 0 und 1 übersetzt wird, wodurch die
Ausrichtung des Analysators bestimmt wird. Der Detektor hat bei einer Signalstärke von 10 000 – 15 000
Photonen pro Sekunde nur ein Rauschen von einigen Hundert Photonen pro Sekunde. Die Messung dauerte
10 Sekunden. Das Ergebnis verletzt die Bell-Ungleichungen bis auf 40 Standardabweichungen und spricht
deshalb für die Quantenmechanik. Obwohl dieses Experiment als die bisher beste Realisierung betrachtet
wird, kommt es auch nicht ohne die fair-sampling Annahme aus, da nämlich nur rund 5 % der verschränkten
Zustände tatsächlich detektiert werden. Das „perfekte“ Experiment sollte ohne diese Annahme auskommen.
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Interpretation der QM
EXPERIMENTE ZUM EPR-PARADOXON
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[1] G. Weihs, T. Jennewein, C.Simon, H. Weinfurter, A. Zeilinger, Violation of Bell’s inequality under strict
Einstein locality condition, Phys. Rev. Lett. 81, 5039 (1998)
[2] A. Aspect, Bell’s inequality test: more ideal than ever, Nature 398, 189 (1999)
[3] S. Popescu, Bell’s inequalities versus teleportation: what is non-locality? Phys Rev. Lett. 72, 797 (1994)
Aspect
[4] A. Aspect, Bell’s Theorem: The Naive View of an Experimentalist, Quantum (Un)speakables. From Bell to
Quantum Information, Springer, (Berlin 2002)
[5] A. Zeilinger, Bell’s Theorem, Information and Quantum Physics, Quantum (Un)speakables. From Bell to
Quantum Information, Springer, Berlin (2002)
[6] E. S. Fry, T. Walther, Atomic Bases Test of the Bell Inequalities – the Legacy of John Bell Continues…,
Quantum (Un)speakables. From Bell to Quantum Information, Springer, Berlin (2002)
[7] U. Hohenester, Vorlesungsskriptum zu „Interpretationen der Quantenmechanik“, WS 2004/05S
[8] Lexikon der Physik, Spektrum Akademischer Verlag (1999)
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